8. Kleisthenes von Athen. 99 8. Kleisthenes non Athen. Athen war wieder frei. Aber welcher Stand sollte jetzt in der Republik die Regierung an sich ziehen, der Adel oder das Volk? Der Adel hatte viel zum Sturze der Tyrannen mitgewirkt, er hatte auch unter dem Druck der Tyrannis seinen Zusammenhang nicht verloren und stand jetzt unter der Führung des Jsagoras als geschlossener Stand da, der die Lage der Dinge in seinem Interesse möglichst auszubeuten entschlossen war. Es war auf eine gründliche Reaction abgesehen, auf ein Zurücktreiben der Verhältnisse in die Vorsolonische Zeit, wo der Adel allein die Ehre und die Vortheile der Regierung hatte; und die Zeit schien günstig, denn die Parteien der Paraler und der Diakrier waren aufgelöst. Da trat Kleisthenes, das Haupt der Alkmaioniden, an die Spitze der gesammten nichtadligen Bevölkerung, schus dem Adel gegen¬ über eine geschlossene Volkspartei und war so plötzlich und un¬ erwartet der mächtigste Mann in Athen. Kleisthenes sah ein, daß sowohl ein Uebergewicht des Adels als die Errichtung einer Tyrannis das Staatsschiff in neue Stürme hineinführen würde. Obgleich die Gedanken an Begründung einer Tyrannenherrfchaft seiner Familie von Alters her nicht fremd ge¬ wesen waren und er selbst jetzt die Macht dazu in Händen hatte, so war er doch bei allem Ehrgeiz edel und hochherzig genug, den Vortheil seiner Person und den Ruhm seines Hauses dem Glück und dem Frieden des Vaterlandes aufzuopfern. Sollte Friede werden im Vaterlande, fo mnßte das Uebergewicht des Adels, welches die Gesetzgebung Solous noch hatte bestehen lassen, für immer gebrochen werden. Kleisthenes erwählte sich dieses als höchste Ausgabe seines Lebens, er erkannte, daß dadurch erst das große Werk Solous zur Vollendung gebracht wurde. Kühn entschlossen ging Kleisthenes an das schwierige Werk, und er führte es mit rücksichtsloser Energie durch. Solou hatte zwar allen Bürgern Antheil an dein Staate gegeben und sie im Wesent¬ lichen gleich gemacht; aber er hatte die alte Gliederung des Adels