— 54 — Bild seiner edlen Gemahlin, das in einem schlichten Rahmen über dem Bette hing. Lange stand er im Anschauen der geliebten Züge versunken; dann aber sprach er: „O Du Geist meiner verklärten Marie, ich fühle Deine unsichtbare Nähe. Bist Du es, die mir heute dieses einfache Bürger¬ mädchen entgegengeführt hat, deren schlichte Worte mein Herz so wunderbar berührten? Ich danke Dir dafür; Du hast mir dadurch den Glauben an die Menschheit zurück¬ gegeben. O wäre ich kein Herzog, wäre ich der schlichte Handwerker, der ich jetzt zu sein scheine, ich wüßte, was ich thäte — und Du. Du Gute, würdest mich deshalb nicht tadeln!" Er setzte sich an's offene Fenster und stützte das Haupt in die Hand, und heiße Thränen rannen über seine gebräunten Wangen. So saß er noch, als bald dar¬ auf die Thür sich öffnete und Marie Holleufer auf der Schwelle erschien, um ihm zu melden, daß das Abendessen für ihn bereit stehe. (Siebentes Kapitel: 3« Gefahr. Zur festgesetzten Stunde sammelten sich, wie gewöhnlich, die treuen Anhänger des Herzogs im weißen Roß. Es war eine ziemlich zahlreiche Gesellschaft, und wie alle Stände, so waren auch alle Konfessionen vertreten, denn auch den katholischen Geistlichen der Stadt und zwei jüdische Kaufleute sah man in derselben. Das gemeinsame Unglück des Vaterlandes führte selbst die zusammen, die sich sonst im Leben wohl gegenüberstanden; sie waren, was auch sonst sie trennte, einig in der Liebe zu dem vertriebenen Welfen- hause und dem Haß gegen die Fremdherrschaft, und das war ein Band, stark genug, um sie zusammenzuhalten und die Unterschiede vergessen zu machen. Als alle in der Stube an dem langen Tische saßen