WW4
Verlag von L. EHLERMANN in Dresden
Französische Übungs- Bibliothek
zur Benutzung an höheren Lehranstalten, sowie zum Privatstudium, herausgegeben von
Prof. Dr. Julius Sah r.
Nr. m
1. Benedix, Doktor Wespe . . . 1.20
2. Her sch, Die Anna-Lise . . . . 1.—
3. Benedix , Das Lügen...............1.20
4. Töpfer, Gebrüder Foster . . . 1 —
5. Gutzkow, Urbild des Tartüffe . 1.—
6. Bauernseid, Die Bekenntnisse . 1.—
7. Gutzkow, Zopf u. Schwert (Sahr) 1.20
8. Benedix , Ein Lustspiel .... 1.20
9. Schiller, Wilhelm Teil .... 1.40
10. Benedix, Mathilde................1.—
11. L es sing, Minna v. Barnhelm (Sahr) 1.20
12. Schiller, Der Parasit.............—.80
13. Schiller, Der Neffe als Onkel . —.80
14. Benedix, Die Hochzeitsreise (Sahr) 1.—
15. Goethe, Egmont ...... 1.20
16. Lessing, Nathan der Weise . . 1.40
17. Kugler, Geschichte Friedrichs des
Grossen (Marmier)...............1.50
18. Fulda, Unter vier Augen (Sahr) . —.80
19. Heyse, Im Bunde der Dritte . . —.80
20. Wiehert, Ein Schritt vom Wege 1.60
lische Bibliothek
reben von
e Baragiola.
Barnhelm. II.Aufl. von Prof. Braun ffe als Onkel
ichzeitsreise
Wespe . .
M
1.60 1.— 1.— 1.— 1 — 1.—
ne Reise (Baragiola) 1.50
Hftbetifcbe Erklärung klassischer Dramen von Dr. Martin töoblrab.
Jeder Teil brosch. Jt 1.50, geb. Ji 2.— I. Shakespeare, Hanilet. 2. Aufl.
II. Shakespeare, Coriolan.
III. Goethe, Iphigenie auf Tauris.
IV. Sophokles, Antigone.
V. Sophokles, König Ödipus.
VI. Shakespeare, Julius Cäsar.
Ruth, K. R. H., Die wichtigsten Regeln der Rechtschreibung und Interpunktion und kleines töör-terbuch der deutschen Sprache.
70.—80. Tausend. Ji —.20
/'len sin g, O., Deutsche Grammatik für höhere Schulen. 4. Auflage.
geb. Ji —.80
Schultz’ Meditationen.
Anleitung zum Entwerfen von Aufsätzen und Vorträgen. Neu bearbeitet und fortgesetzt von Cb. Matthias. Jeder Bd. von ca. 100 6. 8° geb. 1,20 Heft 11: Ji 1.40; Grundzüge: Ji 1.—
In JNeubearbeitung erschienen:
Rest 4, 5 und 6 (= II. Band der 1. Auflage) u. Rest io, n, 12, 13. Heft 11 und 13 enthalten die Ausführungen zu den Meditationen des 10. und 12. Heftes.
Grundzüge d. Meditation 2. Aufl.
Von der früheren Husgabe wird geliefert:
I. Band, 3. Aufl. br. 2,40, geb. 3,— III. Band . . . br. 2,40, geb. 3,—
Spezial - Prospekte gratis und franko
07. I. 5003.
BS78$10835822
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C. 6blermarms Deutsche Schul - Husgaben.
Herausgegeben von Dr. Jul. Ziehen. H
Begleitftoffe z.dtseb.Citeraturgefch.d. 16.—iS. Jahrb. (Kinzel). Nr.46 1.45 Bismarcks Reden und Briefe. (Stutzer). Mit Bildnis. Nr. 45 1.—
Butzer, Quellenbuch für griechische Geschichte. Nr. 15/16 . . 1.40
Dannemann, Quellenbuch z. Gesch. d. JSsaturwifsen schalt, Nr. 39 1.20
Dichtung der Befreiungskriege. (Ziehen). 2. Aufl. Nr. 19 —.80
fabelbuch. (Ziehen). Nr. 33 —.60
frauenbriefe. (Wasserzieher). Nr. 40................................1.20
oetbe, Dichtung u.Cdahrheit I. (Schiller). 3. Aufl. m.Abb. Nr.3 —.80 Goethe# Dichtung u.üQabrbett II. (Schiller). 3.Aufl. m.Abb. Nr.4 —.60 Erläuterungen zu Goethes sauft. (Valentin). Nr. 25/26 . . 1.20
Goethe, Rermann und Dorothea. (Valentin). Nr. 23 . . . —.50
Goethe, Iphigenie auf Cauris. (Valentin). Nr. 5 .... — 60
Goethes Gedankenlyrik. (Lorentz). 2. Aufl. Nr. 35 . . . . 1.40
Götterglaube und Göttersagen d. Germanen. (Golther). Nr. 1 —.50 Rebbelbuch. Auswahl. (Lorentz). 2. Aufl. Nr. 37 .... 1.20
Deutsche Heldensagen. (Golther.) Nr. 2.....................—.60
Rerderbuch. (Loeber.) Nr. 30........................................—.60
Römer, Odyssee. (Ziehen). Nr. 21/22.................................1.20
Römer, Ilias. (Ziehen). Nr. 38......................................1.45
Kinzel, Begleitftoffe z.dtsch.Citeraturgefch.d.16.—1$.jfahrb. Nr.46 1.45
Körner, Zriny. (Schladebach). 2. Aufl. M. Abbild. Nr. 36 —.80 Cessing, JVHrma von Barnbelm. (Valentin). Nr. 27 ... . —.60
Cessing, Ramburgische Dramaturgie. (Priiner). Nr. 10/11 . 1.20
Cessing, Caokoon. (Valentin). 2. Aufl. Nr. 6/7.............1.20
Cessing, philotas. (Zernial). Nr. 28.......................—.40
Cutberlesebuch. (Schlee). 2. Aufl. Nr. 24...........................—.60
Die höfische Cyrik des jVIittelalters. (Eitner). Nr. 17/18 . . 1.20
Nibelungenlied. (RosenHagen). 2. Aufl. Nr. 8/9 .... 1.20 Quellenbuch für griechische Geschichte. (Butzer). Nr. 15/16 1.40
Quellenbuch zur Geschichte d. JXaturw. (Dannemann). Nr. 39 1.20
Quellen buch z. dtsch. Gesch. s. 1815. (Ziehen). 2. Aufl. Nr. 34 1.45
R ü ck e r t s Gedichte. (Schladebach). M. Abbild. Nr. 44 . . . 1.—
Schiller, Die Braut von jvjesfina. (Valentin). Nr. 20 . . . —.60
Schiller, Die Jungfrau von Orleans. (Valentin). Nr. 12 13 1.20
Schiller, Über naive u. sentimentalischeDichtung. (Geyer). Nr. 29 —.80 Schiller, Milhelm Cell. (Heilung). Mit Karte. Nr. 41 . . . 1.20
Shakespeare, Macbeth. (Valentin). Nr. 31/32..........................1.—
Shakespeare, König Cear. (WasserzieHer). Nr. 42.....................1.20
Shakespeare, Julius Cäsar. (Wasserzieher). Nr. 43 . . . —.80
Sophokles, Hntigone. (Valentin). Nr. 14.............................—.50
Sophokles, König Ödipus. (Wohlrab). Nr. 47..........................-.60
Valentin, Goethes sauft. Nr. 25/26 1.20
öl a fferzi eh er, -prauenbriefe. Nr. 40............................1.20
Ziehen, Die Dichtung der Befreiungskriege. 2. Aufl. Nr. 19 . —.80 Ziehen, Quellenbuch zur deutschen Geschichte. 2. Aufl. Nr. 34 1.45
Die Sammlung wird fortgesetzt.
Probe-Exemplare auf Wunsch franko
ttacfy einem Pastell von Franz von Lenbach
Bas Vriginal dieses letzten von dem Meister nach dem Leben entworfenen Bildnisses befindet sich im Besitze von profeffor Horst Kof)l in Leipzig und wird mit Erlaubnis der Verleger, Kupfer & Herrmann, Kunstverlag in Berlin, hier wiedergegeben.
Deutsche Schulausgaben
ßerausgegeben von Dr. J. Ziehen
" = Nr. 45 =====
Bismarcks
Reden und Briefe
in Huswabl
Herausgegeben
prof. 6. Stutzer
Direktor des Gymnasiums in Görlitz
Georg-Eckert-Snstitut
«er internÄ'Äiiiforschung Braunschweig
FÖRUjnfl
Verlag von L. Bblermann Leipzig Dresden Berlin
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„Laßt fahren hin das Allzuflüchtige!
Ihr sucht bei ihm vergebens Rat.
In dem Vergangenen lebt das Tüchtige, Verewigt sich in schöner Tat".
Goethe
Spamersche Buchdrucker« in Leipzig-R.
Vorwort
Aus Bismarcks Reden und Briefen eine Auswahl für den Schnlgebranch zu treffen, also ins Meer der Bismarckliteratur einen Tropfen fließen zu lassen, dieser Aufforderung mochte ich mich nicht entziehen, weil ich immerhin etwas Eigenartiges glaube bieten zu können. Dem schier unermeßlichen Stoffe gegenüber müssen nach besonderen pädagogischen und didaktischen Rücksichten Beschränkungen obwalten, und auch in dieser Beziehung ist es lehrreich, Vergleiche anstellen zu können. Einige besonders bezeichnende Briefe an Roon z. B. sind in meiner Auswahl zu finden, weil er, der dem Herzen Wilhelms I. so nahe stand, vor dessen beiden anderen „Paladinen" mir öfter Zu sehr in den Hintergrund zu treten scheint. — Auf nochmaligen Abdruck der im Ziehenschen Quellenbuche (Nr. 34 dieser Sammlung) enthaltenen Briefe und Reden habe ich mit einer Ausnahme um so mehr verzichtet, da einige auch in die meisten deutschen Lesebücher aufgenommen worden siud.
Die Vorbemerkungen enthalten so viel Stoff, daß sie das volle Verständnis aller Reden und Briefe ermöglichen, die iu diesem Büchlein sich finden. Auch darin besteht dessen Eigenart, ferner in der Auswahl der Merkworte. Was die Behandlung der Reden im Unterrichte betrifft, so darf ich wohl der Kürze halber auf meine in der Monatsschrift für höhere Schulen III S. 359 ff. (Berlin, Weidmannsche Buchhandlung 1904) erschienene Abhandlung verweisen.
Die fünf Sätze in Nr. 33 sind mit gütiger, ausnahmsweise erteilter Erlaubnis der I. G. (Pottaschen Buchhandlung Nachf. aus Bismarcks Briefen an seine Gattin aus dem Kriege 1870/71 abgedruckt.
Das genaue Inhaltsverzeichnis findet sich am Schlüsse des Bändchens.
Stutzer.
Einleitung.
Tie Weltherrschaft Napoleons lehrte die Deutschen, daß ein Volk nicht nur auf Fortschritte in der sittlichgeistigen Entwicklung, im „Dichten und Denken", sondern daneben auf Begründung eines einheitlichen, machtvollen^-^. Staatswesens bedacht sein muß'. Ten weltbürgerlichen Ge-^^-danken des 18. Jahrh, trat daher im Beginn des 19. Jahrh^L^.
4] eine ausgeprägt nationale Auffassung des Politischer^^ Lebens gegenüber/und das" internationale Reich Napo-^/^ leons, der das Nationalbewußtsein als schädliche Borniert-^^ heit bezeichnete, fand an dem Widerstande der Nationen *** "'', eine Schranke. 1813 schien das Traumbild eines deutschen Nationalstaates Leben zu gewinnen. Der Einheitsdrang wurde jedoch durch den Deutschen Bund völlig enttäuscht, da dieser nicht viel mehr bedeutete, als das alte Heilige römische Reich deutscher Nation in den letzten drei Jahrhunderten seines Bestehens. Nur im wirtschaftlichen Leben fand 1834 die nationale Frage wenigstens teilweise eine glückliche Lösung durch den Zollverein. Aus ihm mußte sich mit innerer Notwendigkeit die auch durch die geistige Einheit — sie ward von vielen stolz empfunden — vorbereitete staatliche auf diesem oder jenem Wege allmählich herausbilden.
Mit dieser nationalen Frage war Jahrzehnte hindurch rnifs engste eine zweite verknüpft: die konstitutionelle oder £/ Verfassunasfrage/Der gesunde Kern der französischen J Revolutionsforderungen nämlich, Gleichheit aller Staats-** bürg er vor dem Gesetze und Beteiligung des Volkes am
öffentlichen Leben, sollte auch in Deutschland zur Reife
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kommen. In allen monarchischen Staaten ertönte immer dringender der Ruf nach einer Konstitution oder Verfassung, d. H. einem Staatsarnndaeseke. das die Form und die Rechte der Regierung sowie die Freiheiten und die Rechte der Bürger, namentlich den JInteü der Volksvertretung an der Gesetzgebung und Steuerbewilligung, bestimmt. Es kam also bei der konstitutionellen Frage darauf an, Unterordnung unter die Staatsgewalt und Freiheit des Einzelnen in solcher Weise miteinander zu vereinen, daß die allgemeine Wohlfahrt dadurch gefördert wurde. Schon im Kampfe gegen Napoleon reg e sich das Verlangen des Volkes, an der Gestaltung seines Geschickes teilzunehmen.
Tie dritte Frage, die jedoch viel später als die beiden anderen in der deutschen Geschichte eine treibende Kraft 2> bildete, war die soziale: wie kann der durch die kapitalistische Produktionsweise gesteigerte Gegensatz zwischen Besitzenden und Nichtbesitzenden, insbesondere zwischen den Fabrikanten (Arbeitgebern) und den persönlich freien, aber wirtschaftlich unselbständigen Fabrikarbeitern (dem sogenannten vierten Stande) gemildert werden?
Tie Lösung dieser drei Fragen wurde gerade in Deutschland durch mannigfache Hemmnisse erschwert.
Was zunächst die Einheit betrifft, so standen an der Spitze des Deutschen Bundes zwei Großmächte/ Österreich und‘»ou*J/ Preußen, zwischen denen seit Jahrhunderten Eifersüchte^ < herrschte. Ter Leiter des österreichischen Kaiserstaates,"
Fürst Metternich, der „Kutscher Europas", besaß niemals^ auch nur das geringste Verständnis dafür, „daß ein7"" Deutschland sich begründe, gesetzlich frei, volkskräftig, un-tllf " zersplittert" (mit diesen Worten gab Uhland 1816 nationalen Sehnsucht Ausdruck), und wußte im Bunde.' mit Rußland den Hohenzollernstaat ins Schlepptau nehmen. Einzig und allein auf dem Gebiete des Handels und des Heerwesens.schlug Preußen selbständige Bafjröir cm und erwarb sich durch den Zollverein einen An-
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spruch auf die führende Stellung in Deutschland. Doch wenn es wirklich alle seine Kräfte in den Dienst der deutschen Einheitsbestrebuugeu stellen und ein Verfassungsstaat werden wollte — das eine konnte ohne das andere nicht geschehen! —, so mußte es die „Heilige Allianz" mit den reaktionären Mächten Rußland und Ässerreich aufgeben und nötigenfalls Europa die Stirn bieten. Beides war unter Friedrich Wilhelm III.., deffen Lieblingswort seit 1814 „Kaimieren" blieb, unmöglich; der preußische Ehrgeiz verlosch schließlich in dem Könige, uud für die deutsche Größe und Einheit ging ihm vollends das Verständnis ab.
Um so lebhaftere Hoffnungen wurden auf seinen Nachfolger (seit 1840) Friedrich Wilhelm IV. gesetzt, namentlich von dem aufstrebenden Bürgertum, das es längst überdrüssig war, sich bevormunden ^zu lassen, und nur in einem Verfassungsstaate nach französischem oder belgischem Vorbilde die Sicherheit dafür erblickte, daß alle Volksrechte zur Geltung kämen. Neben den freiheitlichen Forderungen, die für Preußen in erster Linie standen, wurde überall in den vierziger Jahren die nationale Forderung einer gesamtdeutschen Volksvertretung erhoben. Der grundbesitzende Adel des Nordostens jedoch, der noch eine wirkliche Herrenstellung besaß, hielt an der altpreußischen, streng monarchischen Überlieferung zäh fest und sah den Gedanken der deutschen Einheit durch die Verbindung mit den liberalen Bestrebungen gewissermaßen als befleckt an. Der neue König nun faßte im Gegensatz zum Vater von Anfang an seinen Beruf im Sinne des nationalen, trotz schwerer Hemmnisse immerhin wenigstens mittelbar ge-... förderten Einheitsgedankens auf; von einer Verfassung indes, „einem geschriebenen Blatt", das sich zwischen Gott und das Land „gleichsam als eine zweite Vorsehung dränge", wollte er nichts wissen, weil er glaubte, mit der Lösung der deutschen Frage sei die Erhaltung der unumschränkten Herrschermacht vereinbar. Infolge solcher An-
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schauungen weckte der hochgebildete und phantasiereiche, aber sehr wenig staatsmännische, unklare und unentschlossene Fürst überall Widersprüche. Nur insoweit kam er endlich (1847) dem konstitutionellen Verlangen entgegen, daß er eine Generalversammlung der acht Provinziallandtage als Vereinigten Landtag berief, der hinsichtlich der Steuern und Staatsanleihen zwar eine beschließende, für die Gesetzgebung aber nur eine beratende Stimme hatte. — „Ein neues Preußen wird sich bilden," äußerte damals des Königs Bruder, der spätere Kaiser Wilhelm I.; „möge es so erhaben und groß werden, wie es das alte mit Ehren und Ruhm geworden ist!"
Ein entscheidender Wendepunkt in der preußischen Geschichte war gekommen, und ganz Deutschland folgte den Verhandlungen des Vereinigten Landtages mit großer Spannung. Die Mehrzahl der Abgeordneten berief sich darauf, daß Friedrich Wilhelm III. 1815 ausdrücklich eine „Repräsentation des Volkes" verheißen und 1820 künftige Staatsanleihen von der Zustimmung dieser Reichsstände abhängig gemacht hatte. Konnte nun der Vereinigte Landtag als solche Volksvertretung gelten? In dieser Frage schieden sich die Geister.
Unter den Adligen, den „Junkern", die nachdrücklich gegen alle liberalen Forderungen sprachen, befand sich Otto von Bismarck. Am 11. Mai trat er als stellvertretendes Mitglied des sächsischen Proviuziallandtages in den Vereinigten Landtag ein — damit waren die Würfel geworfen über sein Leben und zugleich über die Weiterentwicklung Preußens und Deutschlands, namentlich in bezug auf jene drei großen Fragen. Auch alle übrigen, die das 19. Jahrhundert der preußisch-deutschen Geschichte stellte, haben seinen Verstand und sein Gemüt bewegt. Aber „Eines wird immer bestehen bleiben, und davor hat jede Kritik zurückzutreten: sein unsterbliches Verdienst um die deutsche Einigung. Er war nicht von Persönlichen Beweggründen, (£hr-' oder Gewinnsucht ge-
leitet; er verfolgte _ein vielen deutschen Patrioten gemeinsames, lange ersehntes, aber unerreichbar scheinendes ideales Ziel. Dafür setzte er alles, auch die eigene Person und Zukunft, ein" — so urteilt der Württembergische Ministerpräsident von Mittnacht in seinen „Erinnerungen an Bismarck" (4. Auflage. Stuttgart 1904. Hier heißt es S. 15: „Die allgemeine Meinung und die Geschichtschreibung werden es sich nicht nehmen lassen, wenn auch dem Kaiser offiziell der Vortritt gebührt, auch Bismarck als Begründer des Reichs zu feiern, und diesen Ruhm ihm streitig zu machen, ist ein vergebliches Bemühen"). Bismarck gehört zu den wenigen wahrhaft genialen Menschen, die den Strom ihrer Zeit zwar nicht schaffen, — das vermag kein einzelner —, aber auf ihm steuern und deshalb Geschichte machen, während die Möglichkeit dazu von den Massen geschaffen wird. Bismarcks Staatskunst ging nur auf das zunächst Erreichbare aus und vereinte mit vorsichtiger Mäßigung kühnste Entschlossenheit. Er handelte seit Beginn seiner Lausbahn nach dem Grundsätze (den er am 28. Januar 1886 aussprach): „Ich halte den Minister für einen elenden Feigling, der nicht unter Umständen seinen Kopf und feine Ehre daransetzt,
sein Vaterland ... zu retten."------------
Wer sich mit geschichtlichen Quellen besaßt, gewinnt nicht nur ein lebhafteres und klareres Bild von der Vergangenheit, sondern erhöht auch sein Verständnis für die Fragen der Gegenwart. Zu den Geschichtsquellen des 19. Jahrhunderts, dessen eingehende Behandlung seit etwa 5 Jahren ausdrücklich vorgeschrieben ist, gehören in erster Linie die meisten Reden und manche Briefe Bismarcks, ebenso seine „Gedanken und Erinnerungen", und was er selbst als Widmung diesen vorgesetzt hat, gilt auch von jenen: „Ten Söhnen und Enkeln zum Verständnis der Vergangenheit und zur Lehre für die Zukunft" können sehr viele Reden und Briefe dienen. Zugleich leuchtet aus ihnen die ganze großartige Urwüchsigkeit seines Gemütslebens
und seiner Willenskraft hervor. Die Beschäftigung mit ihnen vermag daher auch Ideales zu erwecken, die den einzelnen über sich selbst hinausheben. Opferte doch Bismarck einem politischen Ideale nicht nur die Behaglichkeit und Muße des Landedelmannes, sondern setzte dafür fein Leben ein!
Die vorliegende Auswahl ist, ebenso wie das der gleichen Sammlung (Nr. 34) angehörende Quellenbuch der Deutschen Geschichte von Ziehen, für die Unterrichtsstunden selbst in der Weise zu benutzen, daß einzelne recht bezeichnende Stellen vom Lehrer mitgeteilt werden; andere hat der Schüler vorher durchzulesen, um während der Stunde darüber kurz und frei zu berichten. Doch auch anderen als Lernenden und Lehrenden möge das Bändchen willkommen sein und vor allem die Lust erwecken, unseres größten Staatsmannes Reden und Briefe uoch näher als in einer kleinen, mannigfachen Beschränkungen unterworfenen Auswahl kennen zu lernen!
,1) Vgl. Goethe und Bismarck als Leitsterne für die Jugend in sieben Gymnasialreden von E. Stutzer. Berlin, Weidmannsche Buchhandlung. 95 S.
Erster Abschnitt.
Aus der Jugendzeit und den ersten Mannesjahren.
(1815—1847.)
Das Rittergeschlecht derer von Bismarck war seit dem 13. Jahrhundert in der Altmark zwischen Stendal und Salzwedel ansässig. Seit 1562 blieb Schönhausen, dicht am rechten Elbufer Tangermünde gegenüber gelegen, das Stammgut der Familie, ward aber vielfach geteilt. Friedrich Wilhelm I. zählte die Bismarcks zu den drei vornehmsten, aber auch widerspenstigsten Familien der Landschaft. 1809 'kommandierte ein Bismarck das Brandenburgische Kürassierregiment, ein anderer war Major im ehemaligen Regiment Göcking-Husaren, und zwei befanden sich als Offiziere beim Schillschen Korps. Von den sieben Mitgliedern der Familie, welchen es vergönnt war, an dem französischen Kriege (1813 f.) teilzunehmen, blieben drei auf dem Schlachtfelde, und die vier anderen kehrten mit dem Eisernen Kreuze heim.’1) 1783 war Ferdinand von Bismarck (1771—1845) bei den Leibkarabinieren eingetreten ‘und hat noch die Ehre gehabt, Friedrich dem Großen bei der Revue als Junker vorgestellt zu werden, bei welcher Gelegenheit der Große König geruht hat, ihm das Beispiel seines Großvaters, des bei Czaslau gebliebenen Majors von Bismarck, in gnädig anerkennender Weise als Muster vorzuhalten'. Dieser Ferdinand v. B. nahm als Rittmeister den Abschied; seine Gattin, eine Tochter des Kabinettsrats Mencken, 'war in bureaukratischen uud Hofkreisen groß geworden'. Aus ihrer Ehe entsproß als zweiter Sohn Otto Eduard Leopold. Am 1. April 1815 ward er im Schlosse des Rittergutes Schönhausen in der Provinz Sachsen geboren; im folgenden Jahre siedelten die Eltern nach
l) Alle in ‘ ' eingeschlossenen Sätze sind Äußerungen Bismarcks.
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Kniephof in Hinterpommern über. 7 Jahre alt, wurde Otto der ‘nad) Pestalozzischen und Jahnschen Grundsätzen eingerichteten' Plamannschen Erziehungsanstalt in Berlin übergeben, wo sich sein älterer Bruder Bernhard bereits befand. Wie er in einem Briefe an die Gattin vom 18. Februar 1851 schreibt, war ein kleiner Garten seine 'ganze Welt', und die Hühner machten ihm 'immer so viel Heimweh nach Kniephof'.
Seit 1827, als die Eltern für einen großen Teil des Jahres nach Berlin zogen, besuchte Otto das Friedrich-Wilhelm-Gym-nasinm, wo besonders Pros. Bonnell auf ihn einwirkte; als dieser Direktor des Gymnasiums zum Grauen Kloster geworden war, folgte ihm B. an diese Anstalt und bestand 1832 die Reifeprüfung. Seine Erziehung war ‘von Hause her aus dem Gesichtspunkte geleitet, daß alles der Ausbildung des Verstandes und dem frühzeitigen Erwerb positiver Kenntnisse untergeordnet blieb'.
1832 bezog er zum Studium der Rechts- und Staatswissenschaft die Universität Göttingen, trat dem Korps Hannovera bei, schloß mit dem Amerikaner Motley Freundschaft fürs Leben und bestand einen Zweikampf mit einem anderen Amerikaner Eoffin, der den „Deutschen Michel mit der Schlafmütze über den Ohren und dem bunten Schlafrock aus 36 Lappen" verspottet hatte; er wettete mit ihm: 'In zwei Jahrzehnten ist Deutschland einig, aber nicht durch die Schläger der Korpsburschen, noch durch die Tinte der Schreiber'. Nachdem er 1834—1835 der Berliner Universität angehört hatte, bestand er Ostern 1835 die Auskultatorprüfung und ward am Berliner Stadtgericht beschäftigt. Der Mutter Wunsch blieb es, daß er die staatsmän-nische Laufbahn ergreife; daher wurde er nach Bestehen der zweiten juristischen Prüfung Regierungsreferendar, zunächst in Aachen, wo er sich nicht ohne Mühe aus dem Strudel des leichtfertigen Badelebens rettete, sodann in Potsdam.
1. Aus dem Briefe an den Vater.
25. Januar 1838.
. . . Hier habe ich jetzt außerordentlich viel zu tun; die Aachener Regierung scheint mir ein besseres Zeugnis gegeben zu haben, als ich verdiente; denn Wilke sagte mir schon, ehe er nur eine Zeile von meiner Hand ge-
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lesen hatte, viel Schmeichelhaftes über meine Gewandtheit im Arbeiten und läßt mich unter seiner eigenen Leitung, in Vertretung eines kranken Assessors, selbständig arbeiten. Das ist recht gut; aber wenn ich mich im Sofa zurücklege, so kann ich beide Arme bis zur Schulterhöhe auf Aktenhaufen ruhen lassen.
In Potsdam trat B. 1838 als Einjährig-Freiwilliger in das Gardejägerbataillon ein; nach einem halben Jahre ging er nach Greifswald, um in dem nahen Eldena zugleich landwirtschaftliche Studien treiben zu können.
2. Aus dem Briefe an den Vater.
29. September 1838.
.... Daß mir von Hause aus die Natur der Geschäfte und der dienstlichen Stellung unserer Staatsdiener nicht zusagt, daß ich es nicht unbedingt für ein Glück halte, Beamter und selbst Minister zu sein, daß es mir ebenso respektabel und unter Umständen nützlicher zu sein scheint, Korn zu bauen als administrative Verfügungen zu schreiben, daß mein Ehrgeiz mehr danach strebt, nicht zu gehorchen, als zu befehlen, das sind facta, für die ich außer meinem Geschmack keine Ursache anzuführen weiß, indessen, dem ist so. Von allen Gründen, welche mich hätten veranlassen können, diese Abneigung zu bekämpfen, wäre wohl der würdigste gewesen der Wunsch, umfassender auf das Wohl meiner Mitbürger zu wirken, als es einem Privatmann möglich ist. Abgesehen davon, ob ich wirklich edel genug denke, um meine Kräfte mehr auf die Beförderung des Wohls anderer als auf die des eigenen zu verwenden, bin ich, selbst bei der unbescheidensten Meinung von meinen Fähigkeiten, der Ansicht, daß es für das Wohlergehen der Einwohner von Preußen keinen Unterschied machen würde, ob ich oder ein anderer von den vielen tüchtigen Leuten, die dieses Ziel erstreben, der Regierung einer Provinz angehöre oder vorstehe. Die Wirksamkeit des einzelnen Beamten bei
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uns ist wenig selbständig, auch die des höchsten, und bei den anderen beschränkt sie sich schon wesentlich darauf, die administrative Maschinerie in dem einmal vorgezeichneten Geleise fortzuschieben. Der preußische Beamte gleicht dem einzelnen im Orchester; mag er die erste Violine oder den Triangel spielen, ohne Übersicht und Einfluß auf das Ganze muß er feilt Bruchstück abspielen, wie es ihm gesetzt ist, er mag es für gut oder schlecht halten. Ich will aber Musik machen, wie ich sie für gut erkenne, oder gar teilte.
Bei uns aber muß mau, um an den öffentlichen Angelegenheiten teilnehmen zu fönneu, besoldeter und abhängiger Staatsdiener sein; man muß vollständig der Beamtenkaste angehören, ihre falschen und richtigen Ansichten teilen und jeder Individualität in Meinung und Handlung entsagen.
Selbst in meiner kurzen Laufbahn habe ich oft gesehen, wie die kostspielige Zeit und Arbeit schwer bezahlter Behörden auf eine Weife totgeschlagen wurde, daß man unbedingt glauben mußte, die Geschäfte feien erfunden, um den vorhandenen Beamten zu tun zu geben, und nicht die Beamten angestellt, um notwendige Geschäfte zu besorgen; und gegen solches und anderes Unwesen kämpften ausgezeichnete Vorgesetzte mit aller Energie, aber ohne Erfolg; es liegt einmal in der Natur unserer Verwaltung. Oft habe ich hochgestellte Beamte in Aachen und Potsdam sagen hören, diese oder jene Maßregel sei schädlich, drückend, ungerecht, und doch wagten sie nicht einmal eine untertänigste Vorstellung dagegen einzureichen, sondern sahen sich vielmehr in der Notwendigkeit, sie gegen ihre Überzeugung nach allen Kräften befördern zu müssen. Wo soll da Freude an der Berufserfüllung, das Bewußtsein, Nutzen zu stiften oder auch nur feine Pflicht gegen sein Vaterland zu tun, herkommen?
Des Vaters Wunsch gemäß gab B. die Verwaltungslaufbahn bald auf: er wollte ‘nicht so ledern werden wie seine
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Vorgesetzten'. Nach dem Tode der Mutter, 1. Januar 1839, übernahmen die beiden Brüder die verschuldeten pommerschen Güter zunächst gemeinsam, 1841 bekam Otto Kniephof. 1842 rettete er unter Lebensgefahr seinen Reitknecht vom Tode des Ertrinkens und erhielt als erste Auszeichnung die Rettungsmedaille. — Es waren dies für ihn Jahre nicht nur mancher „tollen" Streiche, sondern auch sehr angestrengter wirtschaftlicher Tätigkeit; auch erweiterte er seinen Gesichtskreis durch Reisen und umfassende Lektüre; oft geriet er in einen Zustand unbefriedigten Tatendranges.
1844 trat er auf den Rat von Freuuden wieder als Regierungsreferendar in den Staatsdienst, nahm aber nach sehr kurzer Zeit seinen Abschied, da ihm der Ton des Vorgesetzten nicht gefiel, und bewirtschaftete anfs neue das väterliche Gut. Soweit ihm ‘aus dem Lande Ehrgeiz verblieb, war es der des Landwehr-Leutnants'. — 1844 unternahm er eine Erholungsreise nach Helgoland.
3. Aus dem Briefe an den Vater.
8. August 1844.
. . . Ich war mit Herrn von Friesen nnö dem Kapitän allein auf dem Verdeck, als ein betäubender Schlag mit Donner und Blitz ganz zugleich fiel. Friesen und ich taumelten auseinander, und jeder dachte vom anderen, er brennte. In derselben Minute erfolgten noch drei ähnliche Schläge in unmittelbarster Nähe oes Schiffes, so daß die ganze See um uns her aufbrauste. Als ich mich nach dem Schlage, der das Schiff traf, mit der Frage an den Kapitän wandte, wo der Blitz wohl sitzen möchte, war dieser Mann gänzlich außerstande zu antworten: er war blaublaß im Gesicht, die Lippeu bebten ihm wie im Fieberfrost uud er war fast ohne Besinnung. Ich hätte wohl sehen mögen, was für ein Kommando er hätte geben können, wenn das Schiff etwa in Brand geraten wäre. Gegen mich geriet er in eine abergläubische Aufregung, die er erst späterhin zu äußern imstande war, weil ich zur Beruhigung einige Scherze über deu Tonner machte.
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4. Aus dem Briefe an die Schwester.
22. Februar 1845.
. . . Ich weiß heut nicht recht, wovon ich Dich unterhalten soll, und dabei fällt mir Dein letzter Brief ein, den ich von Dir bekam, in welchem Du sagtest, daß Du nicht recht zu dem Entschluß habest kommen können, mir zu schreiben. Dies veranlaßt mich — ob mit Recht oder Unrecht, ist gleichgültig — zu einer Bemerkung über fortgesetzte Korrespondenz im allgemeinen. Wenn man in einem wohlunterhaltenen und für beide Teile stets behaglichen Briefwechsel bleiben will, so darf man sich nicht auf den Fuß setzen, jedesmal eine Art von geistigem Sonntagsrock zum Briefschreiben anzuziehen; ich meine, daß man sich geniert, einander gewöhnliche, unbedeutende Sachen, alltägliche Briefe zu schreiben. Wenn man sich lieb hat, wie es von uns beiden doch anzunehmen ist, so ist es ein Vergnügen, überhaupt nur in Verbindung zu sein. Ist man geistig angeregt, so schreibt man einen witzigen, ist man niedergeschlagen, einen sentimentalen Brief.
Nach dem Tode des Vaters, 22. November 1845, übernahm B. das Stammgut Schönhausen und ward, wie jener, zum Deichhauptmann ernannt. Die seelischen Gärungen, die sich . 4 v '-<--hin und wieder stürmisch in ihm regten, klärten sich allmählich;
+• - nach manchen liberalen Anwandlungen wurde ihm der persön- ^
liehe schlichte Glaube ein fester innerlicher Halt, 'niemals eine *' v Fessel', und am 28. Juli 1847 vermählte'er sich mit Johanna^, ,;
von Puttkamer* Er war damals ein echt preußischer Land-^ ^edelmann vom Scheitel bis zur Sohle, weltmännisch-gewandt, .
— mit keruigem Humor, mit wunderbar scharfem Blick für das
Wirkliche, voll Abneigung gegen alles Bureaukratische, ober voll Liebe zu allem echt Heimatlichen und voll Stolz auf Preußens Geschichte, sowie auf die Macht des preußischen Adels.
So trat er in die parlamentarischen Schranken.
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Zweiter Abschnitt.
Der Abgeordnete als Vorkämpfer für die preußische Monarchie.
(1847—1851.)
Im Vereinigten Landtage hielt B. am 15. Mai 1847 feine erste, kurze Rede, wuchtig und fcharf, indes ohne besondere Kraft in der Stimme, öfter stockend, als wenn er nach dem treffenden Ausdruck suche — derart blieb zeitlebens die Sprechweise dieses mutigen und schlagfertigen Redekämpfers. Nachdem die preußische Monarchie im März 1848 vor der Revolution zurückgewichen war, trat B. auf dem Vereinigten Landtage allen freiheitlichen Ansichten schroff entgegen und bedauerte sehr schmerzlich, 'daß keine menschliche Macht imstande ist, die Vergangenheit wieder zu erwecken, nachdem die Krone selbst die Erde auf ihren Sarg geworfen hat'. Die Verfassungsfrage sollte nunmehr auch in Preußen gelöst werden. B., mit knapper Mehrheit zum Abgeordneten der Zweiten Kammer gewählt, vertrat bei den Verhandlungen vom 26. Februar bis 27. April 1849 als entschiedener Parteimann stockpreußische und streng monarchische Anschauungen. ‘Die alten Bande des Vertrauens zwischen der Krone und dem Volke wieder fester zu knüpfen', war er bestrebt und suchte eine kraftvolle, königstreue Partei zu gründen. Da die Macht der Monarchie für ihn die Hauptsache war, so hielt er am 21. April 1849 eine Rede gegen die von der Deutschen Nationalversammlung in Frankfurt beschlossene Reichsverfassung, durch die dem preußischen Könige die Würde eines deutschen Kaisers ohne Macht übertragen werden sollte.
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5. Aus der Rede im preußischen Abgeordnetenhause.
, — 21. April 1849.
V f Tie Erklärung, welche wir soeben von dem Herrn Ministerpräsidenten erhalten Habens, bestärkt mich um so
Die öffentliche Meinung könne kein sicherer Leitstern für die Tätigkeit eines Staatsmannes fein; daher sei der König nicht um Annahme der Kaiserwürde zu ersuchen.
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mehr in der Absicht, für den Antrag auf Tagesordnung zu stimmen. Es ist das viertemal seit unserer zweimonatlichen Sitzungszeit, daß uns zugemutet wird, unsere Ansichten und Gesuche über eine Frage auszudrücken, welche verfassungsmäßig unserer unmittelbaren Entscheidung und Beschlußnahme für jetzt nicht unterliegt. Wir haben das erstemal in der Antwort auf die Thronrede über die deutsche Frage Gelegenheit gehabt, unsere Meinung zusagen. Nachher haben uns zwei Anträge des Abg. v. Vincke Veranlassung gegeben, nicht nur die Ansicht der Versammlung im ganzen, sondern auch die jeder einzelnen Fraktion in Anwesenheit des Ministeriums Sr. Majestät des Königs auszusprechen. Seitdem ist meines Erachtens nichts vorgefallen, was den Stand der Tinge für uns änderte. Tenn die rechtlosen Beschlüsse, mit welchen die Nationalversammlung in Frankfurt ihren Oktroyie-ruugsgelüsten Nachdruck zu geben versuchte. . . ((Unterbrechung, Glocke des Präsidenten), küNN ich für UUs als Vorhanden
nicht anerkennen. Ebensowenig kann ich zugeben, daß die Erklärung von 28 Regierungen, welche zusammen 6y2 Millionen oder, wie ich nachher nachweisen will, 4 bis 5 Millionen Untertanen haben . . . (Stimmen auf der Linken: Untertanen?) Ja, Untertanen. . . (Heiterkeit) dieser Regierungen, deren Minister eilig bemüht sind, ihre märzerrungenen Stellungen mittels der konstituierten Anarchie, welche von Frankfurt aus dargeboten wird, unter Tach und Fach zu bringen (Bravo! rechts. Heiterkeit) — daß, wie gesagt, diese Erklärungen nicht hinreichend schwer ins Gewicht fallen, unsere Ansichten da zu ändern, wo es sich um die Zukunft Preußens handelt. Tie Regierung ist dem Beschlusse der Majorität in demjenigen Antrage des Abg. v. Vincke, welcher ein Resultat zur Folge hatte, daß man dem Könige raten möge, sich den Anträgen, die von Frankfurt ausgingen, nicht zn entziehen, nachgekommen und mit ungewohnter Eile in der Form. Indes, wie es scheint, mißfällt die Art und Weise, wie dies geschehen, einem
DSA. 45. Bismarcks Reden und Briefe. 2
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Teile der Versammlung, und deshalb sucht derselbe die Angriffe, welche damals erfolglos blieben, gegen die Regierung zu erneuern. Die Titel 3 nno 5 der Verfassuugs-urkuude vom 5. Dezember stellen die Rechte fest, welche der Krone und andererseits der Kammer zustehen. Ich kann aus dem Titel 5, der von den Rechten der Kammer handelt, nicht die Überzeugung gewinnen, daß es unser Beruf sei, das Land durch Adressen, Erklärung von Ansichten und Gefühlen zu regieren, daß es unser Beruf sei, in Fällen, wo die Regierung Sr. Majestät des Königs von den der Krone namentlich im § 46 reservierten Rechten1) einen Gebrauch macht, der einem Teile dieser Versammlung mißfällt, daß es da unser Beruf sei, auf die Regierung ein anhaltendes Feuer von Adressen, von Mißtrauensvoten zu eröffnen, bis das Ministerium die Flagge streicht. Wenn das Ministerium sich einem solchen Verfahren fügen wollte, dann würde es dadurch anerkennen, daß die Exekutivgewalt direkt auf die Zweite Kammer übergegangen sei. Es würde anerkennen, daß die Minister nicht Beamte des Königs, sondern Beamte der Zweiten Kammer seien, und daß dem Könige einstweilen die äußeren Zeichen der Macht lediglich verblieben. Es mag dies von vielen für konstitutionell gehalten werden; ich halte das nur für konstitutionell, was verfassungsmäßig ist. In Preußen ist nur das konstitutionell, was aus der preußischen Berfassung hervorgeht. Mag in Belgien oder Frankreich, in Anhalt-Dessau ober dort, wo der morgenrötliche Glanz Der mecklenburgischen Freiheit strahlt, konstitutionell sein, was ba will; hier ist nur bas konstitutionell, was auf ber preußischen Verfassung beruht. Ich habe zwar bas Vertrauen zu bcn jetzigen Räten ber Krone, daß sie die Prärogative der Krone zu wahren wissen werden, und habe mit Freuden aus der Mitteilung des Herrn Ministerpräsidenten mich überzeugt, daß sie entschlossen
*) „Der König hat das Recht, Krieg zu erklären, Frieden zu schließen und Verträge mit fremden Regierungen zu errichten".
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sind, dies zu tun. Ich habe die Überzeugung, daß sie den Manifestationen von Gefühlen und Anfichten dieser Kammer keinen anderen Wert beilegen werden, als sie verfassungsmäßig haben, daß sie vielmehr der Kammer überlassen werden, falls dieselbe entschlossen ist, mit dem Ministerium nicht mehr gemeinsam zu wirken, da, wo ihre Mitwirkung zur Gesetzgebung in Anspruch genommen wird, dieselbe zu verweigern und dadurch das Ministerium zu nötigen, entweder zurückzutreten oder die Kammer aufzulösen. Gerade aber aus diesem Grunde scheint es mir der Würde der Kammer nicht angemessen, daß sie wiederholt Beschlüsse zu einer Sache faßt, wo es ihr an jedem rechtlichen Mittel fehlt, diesen Beschlüssen Nachdruck zu geben. . . Wenn die Kammer die Sache in die Hand nehmen will, so würde meines' Erachtens der einzige geeignete Weg der sein, daß sie einen Gesetzvorschlag entwerfen ließe, vermöge dessen die Frankfurter Verfassung in Preußen als rechtsgültig anerkannt würde, und für diesen Gesetzvorschlag die Zustimmung der Ersten Kammer und der Krone zu gewinnen suchte. Ehe wir jedoch dazu schreiten können, wäre es nötig, daß uns vorher das Frankfurter Verfassungsprojekt in authentischer Ausfertigung vorgelegt würde, um es uy.frer Prüfung und Beschlußfassung unterwerfen zu können. Ich würde mich des äußersten Leichtsinns zeihen müssen, wenn ich in einer so wichtigen Sache auf Grund eines dringlichen Antrages, nach flüchtiger Diskufsion, eine ganze Verfassung in Bausch und Bogen annehmen wollte, die in allen Punkten der wichtigsten Aufgabe, welche wir haben, nämlich der Revision der preußischen Verfassung, präjndizierlich ist! Denn ich kann mir nicht denken, daß in Preußen und Deutschland zwei Verfassungen ans die Dauer nebeneinander bestehen können; namentlich da wie bisher das deutsche Volk des engeren Bundes i) sehr
*) bei dem Österreich ausgeschlossen sein sollte.
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wenig andere Leute außer den preußischen Untertanen in sich begreifen wird, so scheint es mir, daß zwei in vielen Punkten sich gegenüberstehende Verfassungen nicht parallel nebeneinander bestehen können, so daß die eine für 16 Millionen Preußen, die andere für dieselben 16 Millionen Preußen und außerdem für 4 bis 5 Millionen Deutsche aus dem „Reich" Geltung hätte. Die preußische Verfassung vom 5. Dezember rechne ich nicht unter die vorzüglichsten, von denen die Geschichte Nachricht gibt; ihr Hauptvorzug ist, daß sie da ist. — Sie läßt der Regierung kaum deu notdürftigen Bestand derjenigen Rechte, ohne welche sich überhaupt nicht regieren läßt. Auch sie erkennt das Prinzip an, daß der Einfluß einer jeden Volksklasse in demselben Maße steigen müsse, in welchem ihre politische Bildung und Urteilsfähigkeit abnimmt, und gibt damit ein sicheres Bollwerk gegen die Aristokratie der Intelligenz. Indes, die Frankfurter Verfassung hat noch tiefer aus dem Brunnen der Weisheit jener Theoretiker geschöpft, welche seit dem Contrat socialx) nichts gelernt und nichts vergessen haben, — jener Theoretiker, deren Phantome uns in sechs Monaten des vorigen Sommers mehr an Blut, Geld und Tränen gekostet haben, als ein dreiundreißigjähriger Absolutismus.
Die Frankfurter Verfassung bringt uns unter ihren Geschenken zuerst das Prinzip der Volkssouveränität, sie trägt den Stempel dersewen offen auf Ber Stirne, sie erkennt es an in der ganzen Art, wie die Frankfurter Versammlung uns diese Verfassung — ich würde mich,, wenn ich zur Linken gehörte, des Ausdruckes „oktroyiert" -: bedienen, sie sanktioniert' das Prinzip der Volksfou-/ veränität am schlagendsten in dem Snspensiv-Vetc^ des Königs. Die Frankfurter Versammlung veranlaßt den •—-------------- y C/U ''
x) Titel einer Schrift Rousseaus, der den Staat als „Vertrag der Gesellschaft" hinstellt.
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König, seine bisher freie Krone als Lehen von der Frankfurter Versammlung anzunehmen, und wenn diese Volksvertreter es dreimal beschließen, so hat der König und jeder andere Fürst, der Untertan des engeren Bundesvolkes geworden ist, aufgehört zu regieren. Sie bringt uns zweitens die direkten,Wahlen mit allgemeinem Stimm- 3 recht. Weun die Wahlbezirke bleiben sollen, wie sie sind, so werden ungefähr auf einen Wahlbezirk, der zwei Abgeordnete wählen soll, 26000 Urwähler im Durchschnitt kommen. Ich frage, ob irgend einer der rechten Seite sich imstande glaubt, 26000 Wähler, die zerstreut in den verschiedenen Hütten und Bauernhöfen wohnen, parteimäßig zu organisieren. Den Herren der linken Seite wird es vielleicht leichter sein (Bravo!). Gern räume ich ein, sie organisieren mit mehr Geschicklichkeit. Außerdem ist es leichter, sich darüber zu einigen, was man nicht will, als über das, was man bewahren oder an Stelle des jetzt Vorhandenen will, namentlich sehr leicht ist es, wenn man entschlossen ist, von allem Bestehenden gar nichts zu lassen. Ich glaube also, daß die Herren von der Linken leichter eine Einigung ihrer Anhänger zustande bringen, und daß, wenn bei 26000 Stimmen 100 oder mehr Kandidaten in der Wahlurne liegen, die Linke eher 2 oder 3000 Wähler auf einen Kandidaten vereinigt haben wird, als die Rechte. Die übrigen 24000 werden darüber vielleicht einig sein, daß sie diesen Kandidaten gerade nicht gewollt haben, aber nicht darüber, wen sie dann wollen — das ist einmal unsere Art auf der Rechten. Das, meine Herren, kann ich keine Vertretung nennen; ich sehe voraus, daß bei diesem Wahlgesetze, mit Rücksicht auf den Zuwachs, der aus den kleinen repnbli-kanisierten Staaten kommen wird, die Linke sich gegen die Rechte bedeutend verstärken wird, und das halte ich für das Land und für die Krone für ein großes Unglück
(Heiterkeit und Bravo! auf der Linken). Manche Werden thiett Trost
darin finden, daß die konservative Partei einen Anhalts-
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Punkt am Staatenhause haben werde. Da finde ich nun aber, daß wir Preußen schlecht weggekommen sind. Preußen soll zum Staatenhause 40 Abgeordnete nach Frankfurt schicken, also 1 aus 400000; die Bayern schon etwas mehr, da kommt auf 200000 einer; Weimar auf 120000, Hessen-Homburg auf 26000, und Lichtenstein, was so viel Einwohner hat als Schöneberg — hier vor dem Halleschen Tor —, würde im Staatenhause denselben Emfluß ausüben, als die Mehrzahl der preußischen Regierungsbezirke mit 400000 und mehr Einwohnern. — Das dritte Übel, welches uns die Frankfurter Verfassung bringt, ist die Mrliche Bewilligung des,Budgets. Durch diesen Paragraphen ist es in die Hände derjenigen Majorität, die uns aus dem Lottospiel dieser direkten Wahlen hervorgehen wird und welche nicht die mindeste Garantie bietet, daß sie urteilsfähig oder auch uur von gutem Willen fein wird — (Heiterkeit) in die Hände dieser Majorität ist es gelegt, die Staatsmaschine in jedem Augenblick zum Stillstehen zu bringen, indem sie das Budget nicht wieder bewilligt und so als Konvents die ganze königliche und jede andere Macht im Staate neutralisiert, uud das scheint mir in hohem Grade gefährlich. Die Frankfurter Versammlung verlangt ferner von ihrem zukünftigen Kaiser, daß er ihr das ganze Deutschland schaffe, so wie es früher der Deutsche Bund gebildet hat. Ich gebe gern zu, daß die Herren Antragsteller von heute diese Meinung mit ihrem Antrage nicht verbunden haben; indes, die Frankfurter haben sich feierlich verschworen, kein Jota an dieser Verfassung zu ändern, und wir werden uns ihnen wohl fügen müssen, wenn wir uns ihnen überhaupt fügen (Heiterkeit und Bravo). Es wird also der König, wenn er Kaiser würde, genötigt sein, nach Österreich usw. kaiserlich deutsche Kommissäre zu schicken, um dort das Zoll- und Münzwesen usw. zu regulieren, die dortigen
*) Die französische Nationalversammlung seit 1792 hieß so.
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Armeen in Pflicht und Eid zu nehmen und zu verbieten, eine österreichische Flotte anderswo zu halten, als m Fiume oder längs der dalmatischen Küste, denn Triest würde ein Reichshasen sein. Es wäre möglich, daß Österreich oder ein Staat wie Bauern sich dem nicht unterwerfen möchte; dann würde der Kaiser genötigt sein, die dortigen Fürsten als Rebellen zu behandeln und etwa an die „Tatkraft" der Bayern gegen das Haus Wittelsbach ober an die Tatkraft der Hannoveraner gegen das Haus der Welsen zu appellieren. Das ist es wohl, wohin uns die Herren V0N Der Umsturzpartei haben wollen (Große Heiterkeit auf der Linken) ... Es wirD nicht lange dauern, so werden die Radikalen vor den neuen Kaiser hintreten mit dem Reichswappen und ihn fragen: „Glaubst du, dieser Adler sei
dir geschenkt?"^) ...
Ich halte es für unsrer Aufgabe entschieden widerstrebend, wenn wir die deutsche Frage dadurch noch mehr verwirren, daß wir in dem Augenblicke, wo Europa ansängt, sich von dem Taumel der Revolution zu erholen, den Frankfurter Souveränitätsgelüsten, die gerade um ein Jahr zu spät kommen, Die Stütze unsrer Zustimmung leihen (Ruf links: Sehr gut!). Ich glaube, daß gerade dann, wenn wir ihnen unsere Unterstützung verweigern, Preußen um so eher imstande sein wird, die deutsche Einheit auf dem von der Regierung betretenen Wege herbeizuführen. Tie Gefahren, welche uns dabei entgegenstehen könnten, fürchte ich nicht, weil das Recht auf unserer Seite ist, und sollten sie auch die gebräuchliche Ausdehnung eines Heckerscheu?) Putsches um das Zehnsache übersteigen. Im schlimmsten Falle will ich aber, ehe ich sehe, Daß mein König zum Vasallen der politischen Glaubensgenossen der Herren Simon und Schasfrath^) herabsteigt, lieber, daß Preußen Preußen bleibt. Es wird als solches stets
*) Aus C. M. v. Webers romantischer Oper „Der Freischütz". 2) H. führte den Aufstand in Baden an. 3) Diese „wollten nur das ganze Deutschland."
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in der Lage sein, Deutschland Gesetze zu geben, nicht, sre von andern zu empfangen. Meine Herren! Ich habe als Abgeordneter die Ehre, die Kur- und Hauptstadt Brandenburg zu vertreten, welche dieser Provinz, der Grundlage und Wiege der preußischen Monarchie, den Namen gegeben hat, und fühle deshalb mich um so stärker verpflichtet, mich der Diskussion eines Antrages zu widersetzen, welcher darauf hinausgeht, das Staatsgebäude, welches Jahrhunderte des Ruhmes und der Vaterlandsliebe errichtet haben, welches von Grund auf mit dem Blute unsrer Väter gekittet ist, zu untergraben und einstürzen zu lassen. Die Frankfurter Krone mag sehr glänzend sein, aber das Gold, welches d em Glanze Wahrheit verleiht, soll erstdurch das Einschmelzen der preußischen Krone gewonnen werden, und ich habe kein Vertrauen, daß der Umguß mit der Form dieser Verfassung gelingen werde (Bravoy.
6. Aus der Rede im preußischen Abgeordnetenhause.
6. September 1849.
Was uns Deutsche im Jahre 1848 gehalten hat, war gerade das spezifische Preußentum. Es war der Rest des verketzerten Stockpreußentums, das die Revolution überdauert hatte, die preußische Armee, der preußische Schatz, die Früchte langjähriger intelligenter preußischer Verwaltung, und die lebendige Wechselwirkung, die in Preußen zwischen König und Volk besteht. Es war die Anhänglichkeit der Bevölkerung an die angestammte Dynastie, es waren die alten preußischen Tugenden vou Ehre, Treue, Gehorsam, und die Tapferkeit, welche die Armee von deren Knochenbau, dem Offizierkorps, ausgehend bis zu dem jüngsten Rekruten durchziehen. Diese Armee hegt keine dreifarbigen Begeisterungen ... ich habe noch keine preußischen Soldaten singen hören: „Was
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ist des Deutschen Vaterland?" Das Volk, aus dem diese Armee hervorgegangen ist, dessen wahrster Vertreter die Armee ist, hat kein Bedürfnis, sein preußisches Königtum verschwimmen zu sehen in der fauligen Gärung süddeutscher Zuchtlosigkeit. . .
Wir alle wollen, daß der preußische Adler seine Fittiche von der Memel bis zum Donnersberge schützend und herrschend ausbreite; aber frei wollen wir ihn sehen, nicht gefesselt durch einen neuen Regensburger Reichstag und nicht gestutzt an den Flügeln von jener gleichmachenden Gartenschere aus Frankfurt... Preußen find wir, und Preußen wollen wir bleiben. Ich weiß, daß ich mit diesen Worten das Bekenntnis der preußischen Armee, das Bekenntnis der Mehrzahl meiner Landsleute ausspreche; und ich hoffe zu Gott, daß wir noch lange Preußen bleiben werden, wenn dieses Stück Papier vergessen sein wird, wie ein dürres Herbstblatt.
Diese Rede trug Bismarck die Bezeichnung „Verlorener Sohn Deutschlands" ein. —
Da Friedrich Wilhelm IV. die deutsche Kaiserkrone nicht annahm, so löste sich die Frankfurter Nationalversammlung auf. Am 31. Januar 1850 trat die vom Könige oktroyierte und durch die beiden Kammern revidierte preußische Verfassung in Kraft; zwischen Königs- und Volksrecht war ein Ausgleich gefunden und die Verfassungsfrage für Preußen gelöst. An demselben Tage wurde Bismarck von der Stadt Brandenburg in das Volkshaus des Erfurter Parlamentes gewählt, das eine Union der außerösterreichischen Staaten unter Preußens Führung zustande bringen sollte. Eine Verfassung ward vereinbart; über das Ergebnis s. S. 68. Bismarck schrieb am Schlüsse seiner Wirksamkeit in Erfurt: ‘Unsere Losung ist nicht: Bundesstaat um jeden Preis, sondern: Unversehrtheit der preußischen Krone um jeden Preis'. —
Von Schönhausen aus richtete er an seine Schwiegermutter einen für ihn höchst bezeichnenden Geburtstagsbrief am 15. Oktober 1850; er spricht darin von seinem ‘trotzigen Herzen', in dem ‘jäher Zorn' wohne; 'zufälliger Ver-
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druß' läßt leicht ^Unfreundlichkeit' in seinem äußeren Wesen zutage treten.
Das erstarkte Österreich fanb an Rußland einen Rückhalt,
warf sich dem schüchternen Anlaufe Preußens entgegen und
verlangte die Auslösung der Union. Preußen, militärisch da-
mals entschieden nicht kräftig genug, unterwarf sich in Ol-mütz, 29. November 1850, fast bedingungslos allen Forderungen. Der Bundestag ward wieder hergestellt, die nationale Frage blieb einstweilen ungelöst. Bismarck*) empfand vielleicht tiefer als viele andere preußische Abgeordnete diese diplomatische Niederlage seines Vaterlandes. Trotzdem sprang er, um sie zu verdecken, auf Bitten des Kriegsministers in die Bresche, als in der Zweiten Kammer verlangt wurde, Preußen sollte zur Wahrung seiner Ehre den Krieg erklären.
7. Aus der Rede im preußischen Abgeordnetenhause.
3 Dezember 1850.
Die einzige gesunde Grundlage eiues großen Staates, uud dadurch unterscheidet er sich wesentlich vou einem kleinen Staate, ist der staatliche Egoismus und nicht die Romantik, und es ist eines großen Staates nicht würdig, für eine Sache zu streiten, die nicht seinem eigenen Interesse angehört . . .
Die preußische Ehre besteht uach meiner Überzeugung nicht darin, daß Preußen überall in Deutschland den Don Quixote spiele für gekraulte Kammerzelebritäten, welche ihre lokale Verfassung für gefährdet halten. Ich suche die preußische Ehre darin, daß Preußen vor allem sich von jeder schmachvollen Verbindung mit der Demokratie entfernt halte, daß Preußen in der vorliegenden wie in allen Fragen nicht zugebe, daß in Deutschland etwas geschehe ohne Preußens Einwilligung, daß dasjenige, was Preußen und Österreich nach gemeinschaftlicher unabhängiger Erwägung für vernünftig uud politisch richtig
*) Vgl. seine Ausführungen in der Rede vom 6. Februar 1888, Nr. 42 dieser Auswahl S. 98.
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halten, durch die beiden gleichberechtigten Schutzmächte Deutschlands gemeinschaftlich ausgeführt werde.
Wenn ich dem Ministerium gegenüber einen Wunsch aussprechen wollte, so wäre es der, daß wir nicht eher entwaffnen, als bis die freien Konferenzen ein positives Resultat ergeben haben; dann bleibt es noch immer Zeit, einen Krieg zu führen, wenn wir ihn wirklich mit Ehren nicht vermeiden können oder nicht vermeiden wollen
(Beifall rechts).
Der letzte Satz wurde damals nicht genug beachtet, und daher blieb Bismarck in weiten Kreisen Preußens und Deutschlands als reaktionärer „Junker" um so ärger verschrieen, da er auch auf sozialem Gebiete gegen alle liberalen Forderungen sich entschieden erklärt hatte.
Dritter Abschnitt.
Der Gesandte als Vorkämpfer für die deutsche Einheit.
(1851—1862.)
I. In Frankfurt.
(1851—1859.)
Bismarck ‘antwortete auf die plötzliche Frage des Ministers von Manteuffel, ob er die Stelle eines Bundestagsgesandten annehmen wolle, einfach mit Ja. Darauf ließ der König ihn zu sich bescheiden (8. Mai 1851) und sagte: „Sie haben viel Mut, daß Sie ohne weiteres ein Ihnen fremdes Amt übernehmen." B. erwiderte: ‘. . . . Ich habe den Mut zu gehorchen, wenn Eure Majestät den Mut haben zu befehlen'. Darauf der König: „Dann wollen wir die Sache versuchen"'. Zum Geheimen Legationsrat ernannt, reiste B. am 10. Mai nach Frankfurt und wurde ant 18. August 1851 preußischer Gesandter am Bundestage. „Der junge Riese, plötzlich auf den Boden gestellt, auf den er gehört, ergreift mit unver-
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gleichlicher Sicherheit sein Lebenswerk." Sofort erkannte er das Mißverhältnis, das zwischen der Macht Preußens und seiner Geltung obwaltete, besonders den Übermut Österreichs. Aus dem Parteimann wurde der Staatsmann, der Verfechter einer ausschließlich preußischen Vorherrschaft in Deutschland; um diese zu erreichen, machte er sich zum Werkzeug des nationalen Gedankens; denn ‘es gab nichts Deutscheres, als gerade die Entwickelung richtig verstandener preußischer Partikularinteressen'. Das ‘spezisisckie Preu-ß ent um' (s. S. 24) bildete den Ausgangspunkt in Bismarcks Wirken. ‘Es kam darauf an, den König von Preußen, bewußt oder unbewußt, für den Dienst der nationalen Sache zu gewinnen, mochte man vom borussischen Standpunkt die Führung Preußens oder auf dem nationalen die Einigung Deutschlands als die Hauptsache betrachten; beide Ziele deckten einander'.
8. Aus dem Briefe an den Herausgeber der Kreuzzeitung, H. Wagener.
5. Juni 1851.
. . . Ich langweile mich hier unglaublich; der einzige Mann, der mir gefallt, ist Schele, der hannoverische Gesandte. Die Österreicher sind intrigant unter der Maske burschikoser Bonhommie . . . und suchen uns bei kleineren Formalien zu übertölpeln, worin bis jetzt unsere einzige Beschäftigung besteht. Die von den kleinen Staaten sind meist karrikierte Zopfdiplomaten, die sofort die Bericht-Physiognomie aufstecken, wenn ich sie nur um Feuer zur Zigarre bitte, und Blick und Wort mit Regensburger Sorgfalt wählen, wenn sie den Schlüssel zum A — fordern. Die entente cordiale zwischen Österreich und Bayern zeigt sich hier als sehr gelockert, wenn es nicht verabredete Komödie ist, was kaum glaublich scheint. Beneidenswert ist die Disziplin, welche in Österreich und seinen Vertretern alles, was vom Kaiser bezahlt, nach gleichem Takt sich bewegen läßt. Bei uns singt jeder seine eigene Melodie, verleumdet den anderen und schreibt Spezialberichte
nach Berlin; wir haben hier mindestens 3 Zivil- und 2 Militärdiplomaten nebeneinander. Über meinen Chef mag ich mich schriftlich nicht äußern; wenn ich hier selbstständig werden sollte, so werde ich mein Feld von Unkraut säubern oder urplötzlich wieder nach Hause gehen.
Glauben Sie an Festigkeit unserer inneren Politik auf ihren neuen Wegen? Aus Ihren Artikeln spricht kein volles Vertrauen. . . Mir ist noch nicht zumute, als ob ich hier lange bleiben würde; ich fühle mich hier ziemlich ad acta gelegt und meiner Freiheit ohne Zweck beraubt, wenn es nicht sehr bald anders wird.
Die orientalische Frage sah S.1) nur vom preußischen Standpunkte aus an. ‘Unsere Politik hat keinen anderen Exerzierplatz als Deutschland, schrieb er (Dezember 1853) und wollte sein Preußen, ‘die schmucke, seefeste Fregatte', nicht 'an das wurmstichige alte Orlogschiss von Österreich' gekoppelt sehen.
9. Brief an den Minister von Mantenffel.
16. März 1854.
Es ist ein in Deutschland von Österreich jederzeit und von Frankreich neuerdings mit vielem Erfolg benutztes Mittel, solche Vertreter anderer Staaten, welche die Förderung österreichischer Interessen nid)t hinlänglich mit Dein Dienst ihres eigenen Herrn zu verbinden wissen, persönlich einzuschüchtern, wenn sie nid)t gewonnen werden können. Unter meinen Kollegen am Bunde ist wohl keiner, der nicht davon zu erzählen wüßte, und die Resultate sind allerdings für Österreich sehr ersprießlich gewesen. Ein Wink des Präsidialgesandten nach Wien reicht hin, um über einen mißliebigen Kollegen eine energische und ohne wählerische Prüfung der Mittel geführte Beschwerde des Wiener Kabinetts bei dem betreffenden Hofe anhängig zu machen. In den meisten
*) Vgl. die Anmerkung S. 26.
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Fällen erwächst dann dem Gesandten wenigstens eine unbequeme Rechtfertigungskorrespondenz gegenüber seiner eigenen Regierung und ein semper aliquid haeret.1) Die menschlich natürliche Folge ist, daß er das nächste Mal, wo die Interessen seines Souveräns mit den Plänen Österreichs kollidieren, die ersteren mit weniger Sicherheit vertritt. Österreich wird von Beschwerden über seine Agenten niemals Notiz nehmen, wenn sie nicht durch Beweismittel unterstützt sind. Tie Folge ist eine unbefangene Energie iu der Vertretung Österreichs an den deutschen Höfen, während von den übrigen deutschen Diplomaten nur wenige von ängstlicher Achselträgerei und von dem Bestreben entfernt sind, sich gegen Rückwirkungen zu decken, welche eine energische Vertretung auf die persönlichen Angelegenheiten des Vertreters haben könnte, namentlich, wenn letzterer sein Lebensglück ausschließlich von der Erhaltung oder Verbesserung seiner dienstlichen Stellung abhängig glaubt.
In dem Berichte vom 26. April 1856 setzte B. mit genialer Klarheit und Schärfe die politische Lage Preußens auseinander,^ und gerade diese Denkschrift zeigt den ganzen Wandel, der seit 1851 in ihm vorgegangen war. 'Der deutsche Dualismus hat seit tausend Jahren gelegentlich, seit Karl V. in jedem Jahrhundert regelmäßig durch einen gründlichen inneren Krieg seine gegenseitigen Beziehungen reguliert, und auch in diesem Jahrhundert wird kein anderes als dieses Mittel die Uhr der Entwicklung auf ihre richtige Stunde stellen können. Ich will nur meine Überzeugung aussprechen, daß wir in nicht zn langer Zeit für unsere Existenz gegen Österreich werden fechten müssen und daß es nicht in unserer Macht liegt, dem vorzubeugen, weil der Gang der Dinge in Deutschland keinen andern Ausweg hat.'
‘) Immer bleibt etwas haften.
— Si-
lo. Aus dem Briefe an den Minister von Manteuffel.
4. November 1856.
Nach meiner nunmehr sechsjährigen Erfahrung in den hiesigen Geschäften behaupte ich, daß es wenigstens unter deu mit einer Virilstimme i) versehenen deutschen Fürsten keinen einzigen gibt, der aus Bundestreue seine eigene Stellung ernstlich gefährden würde. Der etwaige Kampf widerstreitender Pflichten würde nur ein kurzer sein, da jeder dieser Herren mit seinen Ministern im Grunde ganz ehrlich davon überzeugt ist, daß die Pflichten gegen sein eigenes Haus und die Untertanen dringendere find, als die gegen den Bund, nach dem Sprichwort, daß ihm das Hemd näher ist als der Rock. Ter Bund hat ein Menschenalter hindurch keine andere Auffassung von seiner Bestimmung gehabt, als diejenige, daß er sich in festem Bündnis mit Preußen, Österreich und Rußland gegen Angriffe Frankreichs oder gegen unsere Revolutionen zu verteidigen habe. So lange er sicher war, die ansehnliche Reserve der drei östlichen Großmächte hinter sich zu haben, konnte man auf feine Haltbarkeit rechnen, und man wird es jedesmal können, wenn Österreich nrtD Preußen gemeinschaftlich in einem ähnlichen mächtigen Bündnisse gegen Frankreich oder gegen Rußland sich befinden und Glanbe an die Haltbarkeit desselben vorhanden ist. Sobald aber Rußland aus einer solchen Allianz ausscheidet, ohne daß Frankreich mit umgekehrter Front hinzutritt, verliert die Bundesakte jede Kraft und jeden Wert. Wenn Deutschland von zwei Seiten, d. h. von Frankreich und von Rußland, bedroht wird, so mögen Preußen und Österreich immerhin zusammenhalten, sie werden doch nur die-
x) Befugnis eines Einzelnen, besonders gerechnet zu werden. Von den 70 Stimmen gehörten den 7 größten Staaten zusammen nur 27, den übrigen kleinen insgesamt 43 Stimmen.
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jenigen Bundesstaaten in ihrem Lager sehen, welche sie dazu zwingen können, oder welche außerstande sind, ein vorteilhaftes Abkommen mit den Gegnern zu treffen. Wir Preußen namentlich würden uns einem gefährlichen Irrtum hingeben, wenn wir bei unserer Politik für die Zukunft die Berechnung zugrunde legen wollten, tmß_ die Bundesverträge gehalten werden und daß wir auf einen irgend erheblichen Beistand von Bundestruppen zählen können, wenn wir in den Fall kommen sollten, gegen Frankreich Krieg zu führen, ohne daß Österreich und Rußland mit uns wären. Ein Bündnis Frankreichs mit Rußland oder mit Österreich sprengt den Bund im Kriegsfall ohne weiteres.
Ew. Exzellenz wollen mir verzeihen, wenn ich diese in den letzten Jahren schon öfter vorgetragene Überzeugung heute nochmals ausspreche; aber die Folgen einer irrtümlichen Rechnung, eines falschen Vertrauens auf die Bundesverträge, können zu verhängnisvoll für Preußen sein, als daß ich uicht tu meiner Stellung stets von neuem mich berufen fühlen sollte, das Ergebnis meiner hiesigen Eindrücke vorzutragen.
11. Aus dem Briefe an den Generaladjutanten L. von Gerlach.
15. Mai 1857.
Wir müssen sagen, wie der Schäfer in Goethes Gedicht: „Ich bin heruntergekommen nnd weiß doch selber nicht, wie." Wir haben keine Bündnisse und treiben keine auswärtige Politik (das heißt: keine aktive), sondern wir beschränken uns darauf, die Steine, die in unseren Garten fallen, aufzusammeln und den Schmutz, der uns anfliegt, abzubürsten, wie wir können. Wenn ich von Bündnissen rede, so meine ich damit keine Schntz- und Trutzbündnisse, denn der Friede ist noch nicht bedroht; aber alle die Nnancen von Möglichkeit, Wahrhaftigkeit oder Ab-
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sicht, für den Fall eines Krieges dieses oder jenes Bündnis schließen, zu dieser oder jener Gruppe gehören zu köunen, bleiben doch die Basis des Einflusses, den ein Staat heutzutage in Friedenszeiten üben kann. Warum sollte jemand etwas für uns tun und sich für unsere Interessen einsetzen? Hatte denn jemand von uns etwas dafür zu hoffen oder zu fürchten, wenn er uns den Gefallen tat oder nicht? Daß man in der Politik ans Gefälligkeit oder aus allgemeinem Rechtsgefühl handelt, das dürfen andere von uns, wir aber nicht von ihnen erwarten. Wollen wir so isoliert, unbeachtet und gelegentlich schlecht behandelt weiter leben, so habe ich freilich keine Macht, es zu ändern . . . Selbst in Berlin kenne ich nachgerade nur einen sehr kleinen Kreis, bei dem das Gefühl der Bitterkeit nicht durchbräche, sobald von unserer auswärtigen Politik die Rede ist. Unsere inneren Verhältnisse leiden unter ihren eigenen Fehlern kaum mehr als unter dem peinlichen und allgemeinen Gefühl unseres Verlustes an Ansehen im Ausland und der gänzlich passiven Rolle unserer Politik.
Wir sind die gutmütigsten, ungefährlichsten Politiker: und doch traut uns eigentlich niemand. Ich wundere mich, wenn es bei uns noch Diplomaten gibt, denen der Mut, einen Gedanken zu haben, denen die sachliche Ambition, etwas leisten zu wollen, nicht schon erstorben ist. So weiter zu vegetieren: dazu bedürfen wir eigentlich des ganzen Apparates unserer Diplomatie nicht. Ich habe, was das Ausland anbelangt, in meinem Leben nur für England und seine Bewohner Sympathie gehabt und bin stundenweise noch nicht frei davon; aber die Leute wollen sich ja von uns nicht lieben lassen. England kann uns keine Chancen maritimer Entwickelung in Handel oder Flotte gönnen und ist neidisch auf unsere Industrie. Es wird anfangen, zu erkennen, wie wichtig ihm die Allianz mit uns ist, wenn es erst fürchtet, sie an Frankreich zu verlieren. In Frievenszeiten halte ich es für mut-
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willige Selbstschwächung, sich Verstimmung zuzuziehen oder solche zu unterhalten, ohne daß man einen praktischen politischen Zweck damit verbindet. Eine passive Planlosigkeit, die froh ist, wenn sie in Ruhe gelassen wird, können wir in der Mitte von Europa nicht durchführen; sie kaun uns heute ebenso gefährlich werden, wie sie 1805 war, und wir werden Amboß, wenn wir nichts tun, um Hammer zu werden.
Eine Wirkung auf Preußens Politik konnten alle Briefe Bismarcks nicht haben, während Friedrich Wilhelm IV. regierte. Sobald nach dessen Erkrankung der Prinz von Preußen Oktober 1858 als Prinzregent die Regierung vertretungsweise übernommen hatte und die „neue Ära" begann, wurde Bismarck 'kalt gestellt', nämlich im Januar 1859 zum Gesandten in Petersburg ernannt.
II. In Petersburg und Paris.
(1859—1862.)
Bismarck hatte sich in Frankfurt in die hohe Politik eingelebt und war sich über die nationale Frage klar geworden. Das beweist am deutlichsten ein wichtiges Schreiben vom 12. Mai 1859 (vgl. das in der Einleitung S. 9 angeführte Ziehenfche Quellenbuch Nr. 77).
12. Ans dem Briefe an den Minister von Schleinitz.
12. Mai 1859.
Wenn uns zugemutet wird, Gut und Blut für die politische Weisheit und den Tatendurst von Regierungen einzusetzen, denen unser Schutz unentbehrlich zum Existieren ist; wenn diese Staaten uns den Impuls geben wollen, und wenn sie als Mittel dazu bundesrechtliche Theorien in Aussicht nehmen, mit deren Anerkennung alle Autonomie preußischer Politik aufhören würde — dann dürfte es meines Erachtens an der Zeit sein, uns zu erinnern, daß die Führer, welche uns zumuten, ihnen zu folgen, anderen Interessen dienen als preußischen, und daß sie
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die Sache Deutschlands, welche sie im Munde führen, so verstehen, daß sie nicht zugleich die Sache Preußens sein kann, wenn wir uns nicht aufgeben wollen ... Das Wort „deutsch" für „preußisch" möchte ich gern erst dann auf unsere Fahne geschrieben sehen, wenn wir enger und zweckmäßiger mit unseren übrigen Landsleuten verbunden wären, als bisher; es verliert von seinem Zauber, wenn man es schon jetzt, in Anwendung auf den bundestäglichen Nexus, abnutzt. . . ich habe nur das Zeugnis eines Sachverständigen wider den Bund ablegen wollen. Ich sehe in unserem Bundesverhältnis ein Gebrecheu Preußens, welches wir früher oder später ferro et igni werden heilen müssen, wenn wir nicht beizeiten in günstiger Jahreszeit eine Kur dagegen vornehmen.
Bismarck fürchtete, der Ausbruch des Krieges in Italien würde einen Kampf am Rhein nach sich ziehen und die deutschen Bundesstaaten 'beim ersten Schuß sich eiligst auf das Floß eines neuen Rheinbundes retten'. Daher verlangte er, Preußen solle rüsten und dann von Österreich die Annahme der preußischen Bedingungen in der deutschen Frage fordern oder mit dem Angriff drohen. Doch alles blieb in der Schwebe.
13. Aus dem Briefe an die Gattin.
2. Juli 1859.
Unsere Politik gleitet mehr und mehr in das österreichische Kielwasser hinein, und haben wir erst einen Schuß am Rhein abgefeuert, so ist es mit dem italienischösterreichischen Kriege vorbei, und statt dessen tritt ein preußisch-französischer auf die Bühne, in welchem Österreich, nachdem wir die Last von seinen Schultern genommen haben, uns so viel beisteht oder nicht beisteht, als seine eigenen Interessen es mit sich bringen. Daß wir eine sehr glänzende Siegerrolle spielen, wird es gewiß nicht zugeben. Gott, der Preußen und die Welt halten und zerschlagen kann, weiß, warum es so sein muß, und
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wir wollen uns nicht verbittern gegen das Land, in welchem wir geboren sind, und gegen die Obrigkeit, um deren Erleuchtung wir beten . . . Wie Gott will, es ist ja alles doch nur eine Zeitfrage; Völker und Menschen, Torheit und Weisheit, Krieg und Frieden, sie kommen und gehen wie Wasserwogen, und das Meer bleibt. Es ist ja nichts auf dieser Erde als Heuchelei und Gaukelei . . . Den spezifischen Patriotismus wird man allerdings mit dieser Betrachtung los; aber es wäre auch jettf zum Verzweifeln, wenn wir auf den mit unserer Seligkeit angewiesen wären.
Bismarck betonte damals, nur einen Verbündeten habe Preußen in der deutschen Frage, ‘rvemt es ihn zu erwerben und zu behandeln verstünde', das deutsche Volk; von sich sagte er: Wenn ich einem Teufel verschrieben bin, so ist es ein teutonischer'. Von seinem Eintritt ins Ministerium war wie früher, so auch 1860 wieder die Rede. Er äußert sich darüber in einem Briefe an seinen Bruder.
14. Aus dem Briefe an den Bruder.
12. Mai 1860.
Es ist nicht anzunehmen, daß ich gar keine Bedingungen machen würde, wenn ich in dieses Kabinett eintreten sollte. Wollte ich bereitwillig in die Galeere hineingehen, so müßte ich ein ehrgeiziger Narr sein; jeder große Gesandtschaftsposten, auch der Petersburger, der, abgesehen vom Klima, der angenehmste von allen ist, ist ein Paradies im Vergleich mit der Schinderei eines heutigen Ministergeschäftes, besonders des auswärtigen. Wenn mir aber die Pistole auf die Brust gesetzt wird mit ja und nein, so habe ich das Gefühl, eine Feigheit zu begehen, wenn ich in der heutigen, wirklich schwierigen und verantwortungsvollen Situation „nein" sagte.. Ich tue ehrlich, was ich kaun, um unbehelligt nach Petersburg (zurück)zugelangen und von dort der Entwicklung
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in Ergebenheit zuzusehen; wird mir aber der ministerielle Gaul dennoch vorgeführt, so kann mich die Sorge über den Zustand seiner Beine nicht abhalten, aufzusitzen.
Nach Friedrich Wilhelms IV. Tode, 2. Januar 1861, ging die Regierung an den Prinzregenten als König Wilhelm I. über. Da Bismarck auch in seinen Berichten aus Petersburg stets hervorhob, Preußen müsse eine der Nationalkraft entsprechende Großmachtstellung erlangen, so veranlaßte ihn der König, auf einer Urlaubsreise in Baden-Baden sich ihm vorzustellen, und forderte ihn dann auf, seine Ansichten über die deutsche Frage näher zu entwickeln. B. setzte darauf in einer Denkschrift den Gedanken des konstitutionellen Nationalstaates eingehend auseinander, brachte also die Einheitsfrage mit der Verfassungsfrage in Verbindung; die Bundesverfassung sei unter Mitwirkung einer Volksvertretung umzugestalten; da solche ‘zum Teil mit sehr weitgehenden Befugnissen in jedem deutschen Staate besteht, so kann eine analoge Einrichtung für die Gesamtheit unmöglich an und für sich als eine revolutionäre angesehen werden'. Der Kriegsminister Roon betrieb Bismarcks Eintritt ins Ministerium. Diesem tönte jedoch 2. Juli 1861 ‘das Kommando: An die Pferde! mit schrillem Mißklang' in feine Gefühle, und er hoffte, ‘das Gewitter gehe vorüber'; doch 'drücken' wolle er sich nicht. Den König erschreckten Bismarcks „revolutionäre" Gedanken, und er empfand deutlich, daß sie für Preußen eine sturmvolle Zukunft bringen würden. Nach mehreren Beratungen mit ihm verfügte der Herrscher seine Ernennung zum Gesandten in Paris, 22. Mai 1862.
15. Aus Dem Briefe an den Kriegsminister von Roon.
2. Juni 1862.
Sobald ich etwas zu berichten, b. H. den Kaiser unter vier Augen gesprochen habe, werde ich dem König eigenhändig schreiben. Ich schmeichle mir noch immer mit der Hoffnung, daß ich Sr. Majestät weniger unentbehrlich erscheinen werde, wenn ich ihm eine Zeitlang aus den Augen bin, und daß sich noch ein bisher verkannter Staatsmann findet, der mir den Rang abläuft, damit ich hier
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noch etwas reifer werde. Ich warte in Ruhe ab, ob und was über mich verfügt wird. Geschieht in einigen Wochen nichts, fo werde ich um Urlaub bitten, um meine Frau zu holen, möchte dann aber doch Sicherheit haben, wie lange ich hier bleibe. Auf achttägige Kündigung kann ich mich hier dauernd nicht einrichten. Der Gedanke, mir ein Ministerium ohite Portefeuille i) zu geben, wird hoffentlich allerhöchsten Ortes nicht Raum gewinnen; bei der letzten Audienz war davon nicht die Rede, die Stellung ist nicht praktisch: nichts zu sagen und alles zu tragen haben, in alles unberufen hineinstänkern, uno von jedem abgebissen, wo man wirklich mitreden will. Mir geht Portefeuille über Präsidium, letzteres ist doch nur eine Reservestellung; auch würde ich nicht gern einen Kollegen haben, der halb in London wohnt.2) Will er nicht ganz dahinziehen, so gönne ich ihm von Herzen, zu bleiben, wo er ist, und halte es nicht für freundschaftlich, ihn zu drängen. Herzliche Grüße an die Ihrigen. Ihr treuer Freund und bereitwilliger, aber nicht mutwilliger Kampfgenosse, weuu's sein muß, im Winter noch lieber, als — bei die Hitze.
16. Aus dem Briefe an denselben.
9. Juni 1862.
Meine Sachen und Wagen sind noch in Petersburg, ich muß sie irgendwo unterbringen; außerdem habe ich die Gewohnheiten eines achtbaren Familienvaters, zu denen gehört, daß man irgendwo einen festen Wohnsitz hat, und der fehlt mir eigentlich seit Juli vorigen Jahres, wo mir Schleinitz zuerst sagte, daß ich versetzt würde. Sie tun mir unrecht, wenn Sie glauben, daß ich mich sträube, ich habe im Gegenteil lebhafte Anwandlungen
1) Aktenmappe, dann — bestimmter Verwaltungszweig (Ressort).
2) Bernstorff dachte daran, den Minifterposten mit dem des Gesandten zu vertauschen.
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von bem Unternehmungsgeist jenes Tieres, welches auf bem Eise tanzen geht, wenn es ihm zu wohl wirb. . . Unseren srennblichen Nachbar hier habe ich ruhig und behäbig gesnnben, sehr wohlwollend für uns, sehr geneigt, bie Schwierigkeiten der „deutschen Frage" zu besprechen; er kann seine Sympathien keiner ber bestehenden Dynastien versagen, aber er hofft, baß Preußen bie große, ihm gestellte Aufgabe mit Erfolg lösen werbe, bie bentsche nämlich, bann werbe bie Regierung auch im Innern Vertrauen gewinnen. Lauter schöne Worte. Um zu erklären, baß ich mich bisher nicht recht wohnlich einrichte, sage ich bett Fragern, baß ich in kurzem für eiuige Monate Urlaub zu nehmen gebenke, um bann mit meiner Frau wieberzukommeu.
17. Aus bem Briefe an denselben.
15. Juli 1862.
. . . Ich bin nicht sehr gesuub, unb biefe provisorische Existenz mit Spannung auf „ob unb wie" ohne eigentliche Geschäfte beruhigt bie Nerven nicht. Ich ging meiner Ansicht nach auf 10 bis 14 Tage her unb bin nun 7 Wochen hier, ohne zu wissen, ob ich in 24 Stuubeu noch hier wohne. Ich will mich bem Könige nicht atts-brängen, ittbettt ich in Berlin vor Anker liege, unb gehe nicht nach Hanse, weil ich fürchte, aus ber Durchreise burch Berlin im Gasthof auf unbestimmte Zeit angenagelt zu werben.
Aus Bernstorsss Brief ersehe ich, baß es bem Könige vor ber Hanb nicht gefällt, mir bas Auswärtige zu Übertragen. Der König ist, wie mir Bernstorff schreibt, zweifelhaft, ob ich währenb ber gegenwärtigen Session nützlich sein könne, unb ob nicht meine Berufung, wenn sie überhaupt erfolgt, zum Winter aufzuschieben sei. — Unter diesen Umständen toieberhole ich heut mein Gesuch um 6 Wochen Urlaub, was ich mir wie folgt motiviere. Einmal bin ich wirklich einer körperlichen Stärkung burch
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Berg- und Seeluft bedürftig; wenn ich in die Galeere eintreten soll, so muß ich etwas Gesundheitsvorrat sammeln, und Paris ist mir bis jetzt schlecht bekommen mit dem Hundebummelleben als Gar^ou. Zweitens muß der König Zeit haben, sich ruhig aus eigener Bewegung zu entschließen, sonst macht Se. M. für die Folgen die verantwortlich, die ihn drängen. Drittens will Bernstorff jetzt nicht abgehen, der König hat ihn wiederholt aufgefordert, zu bleiben, und erklärt, daß er mit mir wegen des Auswärtigen gar nicht gesprochen habe; die Stellung als Minister ohne Portefeuille finde ich aber nicht haltbar. Viertens kann mein Eintritt, der jetzt zwecklos und beiläufig erscheinen würde, in einem späteren Moment als eindrucksvolles Manöver verwertet werden.
Ich denke mir, daß das Ministerium allen Streichungen im Militäretat ruhig und deutlich opponiert, aber die Kammer das Budget vollständig durchberaten läßt. Das wird, wie ich annehme, im September geschehen sein. Dann geht das Budget, vou dem ich voraussetze, daß es für die Regierung nicht annehmbar ist, an das Herrenhaus, falls man sicher ist, daß die verstümmelte Budgetvorlage dort abgelehnt wird. Dann könnte man es an die Abgeordneten zurückgeben, mit der Aufforderung zu neuer Beratung. Je länger sich die Sache hinzieht, desto mehr sinkt die Kammer in der öffentlichen Achtung. Sie wird müde werden, hoffen, daß der Regierung der Atem ausgeht. Wenn sie mürbe wird, fühlt, daß sie das Land langweilt, dringend auf Konzessionen seitens der Regierung hofft, um aus der schiefen Stellung erlöst zu werden, dann ist m. E. der Moment gekommen, ihr durch meine Ernennung zu zeigen, daß man weit entsernt ist, den Kampf aufzugeben, sondern ihn mit frischen Kräften aufnimmt. Das Zeigen eines neuen Bataillons in der ministeriellen Schlachtordnung macht dann vielleicht einen Eindruck, der jetzt nicht erreicht würde; besonders wenn vorher etwas mit Redensarten von Oktroyieren und Staats-
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streichen gerasselt ist, so hilft mir meine alte Repntation von leichtfertiger Gewalttätigkeit, und man denkt: „Nanu geht's los".
Vielleicht ist dies alles Rechnung ohne den Wirt, vielleicht entschließt sich Se. Majestät niemals dazu, mich zu ernennen, denn ich sehe nicht ein, warum es überhaupt geschehen sollte, nachdem es seit 6 Wochen nicht geschehen ist. Daß ich aber hier den heißen Staub von Paris schlucken, in Cafes und Theatern gähnen soll, dazu fehlt aller Grund, die Zeit ist besser im Bade zu verwenden.
Ich bin doch erstaunt von der politischen Unfähigkeit unserer Kammern, und wir sind doch ein sehr gebildetes Land; ohne Zweifel zu sehr. Wie sind wir Deutschen doch in den Ruf schüchterner Bescheidenheit gekommen? Es ist keiner unter uns, der nicht vom Kriegführen bis zum Hundeflöhen alles besser verstände, als sämtliche gelernte Fachmänner, während es doch in anderen Ländern viele gibt, die einräumen, von manchen Dingen weniger zn verstehen als andere, und deshalb sich bescheiden und schweigen.
Mehr als sechs Wochen verlebte B. in Südfrankreich (köstliche Reisebriefe schrieb er namentlich aus dem Seebade Biarritz). Nach herrlichen Erholungstagen eilte er auf Drängen Roons nach Berlin und stand am 22. und^23, September 1862 vor Wilhelm I., der wegen des Konflikts mit dem Äbge-ordnetenhause bereits seine Abdankungsurkunde aufgesetzt hatte. Bismarck brachte durch seine Erklärung, die Befehle des Königs ‘auch dann zu befolgen, wenn sie seinen persönlichen Eigenschaften nicht entsprächen', den Herrscher von Rücktrittsgedanken ab und wurde zum Ministerpräsidenten ernannt. Roon war 'der einzige’ unter den Ministern, der ‘sich der Wirkung und des Zwecks' dieser Tatsache ‘bewußt war'. Wilhelm I. und Bismarck, in ihrem innersten Wesen sehr verschieden geartet, daher oft in tiefgreifenden Meinungsgegensätzen zueinander1), führten eine neue Zeit herbei voll sagenhaften Glanzes.
x) Bismarck mußte die folgenschwersten Beschlüsse seinem ‘alten Herrn' förmlich abringen und konnte oft die Kämpfe gegen ihn ‘ge»
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Vierter Abschnitt.
Der Ministerpräsident und Bundeskanzler als Schöpfer des neuen Deutschen Reiches.
(1862—187L)
I. Bis zum deutsch-französischen Kriege.
(1862—1870.)
An demselben Tage, an dem B. der Vorsitz im Staatsministerium 'zunächst vorläufig' übertragen wurde, am 23. September 1862, lehnte das Abgeordnetenhaus die Kosteu der Heeresorganisation ab unb empfing B. als „feudalen Junker" mit größtem Mißtrauen, obwohl er sich versöhnlich gesinnt zeigte.
18. Aus der Rede in der Budgetkommission des preußischen Abgeordnetenhauses.
30. September 1862.
Ter Konflikt wird zu tragisch aufgefaßt und von der Presse zu tragisch dargestellt... Tie große Selbständigkeit des einzelnen macht es in Preußen schwierig, mit der Verfassung zu regieren . . . Eine Verfassungskrisis ist eine Ehre. Wir sind zu kritisch. Tie öffentliche Meinung wechselt; die Presse ist nicht die öffentliche Meinung, und man weiß, wie sie entsteht. Es gibt zu viel katiliuarische Existenzen, die ein Interesse an Umwälzungen haben; die Abgeordneten aber haben die Aufgabe, die Stimmung zu leiten, über ihr zu stehen. Wir haben zu heißes Blut, wir haben die Vorliebe, eine zn große Rüstung für unsern schmalen Leib zu tragen; nur sollten wir sie auch nützen. Nicht aus Preußens Liberalismus sieht Deutschland, sondern auf seine Macht. Bayern, Württemberg und Baden mögen dem Liberalismus indulgieren,
mütlich nicht aushalten'. Der König ließ sich in bezug auf die Armeeverhältnisse von keinem beeinflussen, holte z. B. nicht einmal Bismarcks Rat ein, als es sich nach Roons Abgange um Ernennung eines neuen Kriegsministers handelte.
darum wird ihnen doch keiner Preußens Rolle anweisen.
Preußen muß seine Kraft zusammenhalten auf den günstigen Augenblick, der schon einigemal verpaßt ist. Preußens Grenzen sind zu einem gesunden Staatskörper nicht günstig. Nicht bimfr Reden und Majoritätsbeschlüsse werden die großen Fragen der Zeit entschieden das ist der Fehler von 1848 und 1849 gewesen'—, sondern durch Eisen und SB lut«1) ’. ^
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19. Aus dem Briefe an den sächsischen Minister von Neust.
16. Oktober 1862.
In betreff unserer inneren Angelegenheiten ist es meine nächste Absicht, gegen das wachsende Übergewicht des Hauses der Abgeordneten und des parlamentarischen^/. ,v, Beamtentums die Schwerkraft der Krone zu wahreu und ./ 1 ~~) zu stärken. Ich halte diese Aufgabe für lösbar, ohne mit positiven Bestimmungen der Verfassung zu brechen, und werde dabei bemüht sein, konstitutionelle Empfindlichkeiten soweit wie möglich zu schonen und die unbestrittene Heer-
*) Dieses Wort blieb lange verhängnisvollen Mißverständnissen ausgesetzt. B. selbst hat es am 28. Januar 1886 im Abgeordnetenhause folgendermaßen erklärt: ‘Segt eine möglichst starke militärische Kraft, mit anderen Worten möglichst viel Blut und Eisen in die Hand des Königs von Preußen, dann wird er die Politik machen können, die Ihr wünscht, mit Reden und Schützenfesten und Liedern macht sie sich nicht, sie macht sich nur durch „Blut und Eisen". Das ist die Sache. Ich wäre vielleicht verstanden worden, wenn ich nicht zu viele Rivalen auf diesem Gebiete, Deutschland herzustellen, gehabt hätte'. — In diesem Zusammenhange seien Geibels Verse angeführt: Was habt ihr denn, ihr neunmal Weisen,
Mit eurem Witz gebracht zustand,
Eh' euch der Held mit Blut und Eisen Gewaltig schuf ein Vaterland?
Und jetzt, nachdem er ohne Wanken Zum Hafen euer Schiff gelenkt,
Nun wollt ihr kritteln, schmähn und zanken,
Statt Gott auf euren Knien zu danken,
Daß er euch solchen Mann geschenkt?
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strafe des Verfassungslebens, sobald es geht, wiederzugewinnen, immer aber eingedenk sein, daß unser Verfassungseid die „Treue dem König" voranstellt.
Die inneren Gegensätze waren nicht ohne Einflnß barauf, bafj B. sich entschloß, ans berrt Hauptfelde seiner Tätigkeit, in ber auswärtigen Politik, entschieben unb kraftvoll vorzugehen, also ben Kampf um bie Bunbesreforrn unb bie Vorherrschaft in Deutschlanb zu eröffnen. Da er aber erkannt hatte, baß bie deutsche Frage eine europäische war, so suchte er zunächst Preußen bie ihm in Europa gebührenbe Stellung wieberzuver-schaffen unb tat ben ersten Schritt zum Anschluß' an eine Großmacht burch ben sehr geschickten unb vorsichtigen Vertrag mit Rußl anb vom 8. Februar 1863. In Warschau war Enbe Januar ein Aufstanb ausgebrochen; Napoleon zeigte sich ben Polen günstig, unb ber leitenbe russische Minister Gortschakow suchte einen russisch-französischen Bunb herbeizuführen, ber für Preußen eine bebenfliche Fessel geworben wäre. Dieser Gefahr ging B. kühn entgegen: jener Vertrag ‘entschieb bie Partie'. Unter bestimmten Voraussetzungen würbe ben Russen bas Überschreiten ber preußischen Grenze gestattet, Preußen machte einige Regimenter mobil. Die Angelegenheit kam im Abgeorbneten-hause zur Sprache.
20. Aus der Rede zur polnischen Frage im Abgeordnetenhause.
26. Februar 1863.
Es war nichts Überraschendes, daß die Herren Abgeordneten polnischer Nationalität, welche unter Ihnen sitzen, diesen äußeren Anlaß benutzten, um den antipreußischen Tendenzen, welche von Ihnen in diesem Hause wiederholt vertreten sind, einen neuen Ausdruck zu geben.
Befremdlicher war es, daß die Interpellation der polnischen Fraktion von deutschen Abgeordneten mitunterzeichnet war. Die Neigung, sich für fremde Nationalitäten und Nationalbestrebungen zu begeistern, auch dann, wenn dieselben nur auf Ko-
ft eit des eigenen Vaterlandes verwirklicht werden tonnen, ist eine politische Krankheitsform, deren geographische Verbreitung sich ans Deutschland leider beschränkt (£>eiterfeit. Beifall rechts) . . .
Der Abg. Waldeck 1), bei Besprechung derjenigen Vor-/ kehrungsntaßregeln, welche von Sr. Majestät hinsichtlich der Grenzen getroffen worden sind, verglich die Einstellung der preußischen Reserven mit dem Verkauf der hessischen Landeskinder nach Nordamerika. Der Abg. v. Unruh deutete unter Ihrem Beifall, Ihrem lebhaften Beifall an, daß, wenn aus den Vorkehrungen, welche die Regierung zur Sicherung unserer Grenzen und unserer Industrie getroffen hat, auswärtige Verwicklungen entstehen sollten, Sie die Mittel zur Landesverteidigung dem Könige verweigern würden. Heißt das nicht dem Auslande zurufen : „Kommt her, der Augenblick ist günstig"?. . .
Diese Drohung, Preußen dem Auslande gegenüber wehrlos zu stellen, ist zum Glück eine ohnmächtige, aber es drängt sich dabei die Bemerkung auf, daß die Tendenzen, die Worte, die Namen von 1848 wieder in dem Vordergründe der Bühne erscheinen. Die europäische Revolution ist solidarisch in allen Ländern; es ist natürlich, daß eine Bewegung in Polen, welche nach vorliegenden Beweisen unter Mazzinis?) Mitwirkung vorbereitet ist, und welche nach bekannten Tatsachen unter Mieroslawskis^) Mitwirkung ausgeführt wiro, daß dieselbe von* den revolutionären Elementen aller Länder ihre Unterstützung findet. Unter diesen Umständen, meine Herren, schlägt man Ihnen
1) Er hatte gemeint, der ..Gendarmendienst", den Preußen Rußland leiste, müsse .jedem Preußen die Schamröte ins Gesicht treiben", und von „abenteuerlicher Politik im Dienst des Absolutismus^ gesprochen.
2) M. hatte einen Geheimbund, das „junge Italien", gestiftet und lebte als Flüchtling in der Schweiz.
3) M. hatte 1848 einen Ausstand in Posen erregt, war aber 1849 in Baden durch die preußischen Truppen unter Prinz Wilhelm besiegt worden.
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vor, durch Annahme des heutigen Antrages1) Ihre Sympathie für uie polnische ^usurreftion zu befunden (Bewegung); ich habe keinen Beruf, die Absicht der Herren Antragsteller zu kritisieren. Tie tatsächliche Wirkung der Annahme des Antrages wird aber zweifellos in der ganzen Welt diejenige sein, daß die Annehmer desselben bis zu emem gewissen Grave Partei ergreifen für die polnische Insurrektion (Lebhafte Bewegung und Widerspruch).
Sie empfehlen der Regierung, wenn Sie anders die Resolution im Lichte einer Empfehlung auffassen wollen, die Begünstigung keiner der beiden Parteien. Daß die Regierung die Insurgenten nicht begünstigen würde, konnte das Abgeordnetenhaus von voruhereiu voraussehen; es bleibt also nur übrig, daß Sie die Insurrektion vor der Benachteiligung, die sie durch das Verhalten der Regierung erleiden köuute, schützen wollen (Bewegung).
Sie sagen, das Interesse Preußens fordere es; ich halte diese Ansicht für unrichtig, für unrichtig in dem Maße, wie es zweifellos ist, daß die Nachbarschaft des Kaisers Alexander für Preußen eine erfreulichere ist, wie die Mieroslawskis und eines propagandistischen Polens; ich halte es für unrichtig in dem Maße, wie es zweifellos ist, daß unser gesamter Handelsstand wie unser gesamtes Staatsinteresse dabei wesentlich impliziert ist, daß der polnische Aufstand eine möglichst kurze Dauer habe und bald einem geordneten, rechtmäßigen Zustande Platz mache.
Die Sympathien nach menschlichen Gefühlen können sein, wo sie wollen, die preußischen Interessen aber, meine Herren, nach den politischen Notwendigkeiten, nach der geschichtlichen Entwicklung, die Preußen gehabt, können nicht in dem Lager der Insurgenten gesucht werden.
Ich hatte gehofft, daß der Berichterstatter den An-
') Keiner der kämpfenden Teile sollte begünstigt, also auch keinem gestattet werden, preußisches Gebiet ohne Entwaffnung zu betreten. Der Abgeordnete von Sydel hatte diesen von der Kommission einstimmig angenommenen Antrag empfohlen.
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trag näher politisch motivieren würde. Ich war in dieser Hoffnung bestärkt, als ich in dem Berichte las, daß von der Existenz oder Nichtexistenz einer Konvention völlig abstrahiert werden solle. Nichtsdestoweniger fand ich beim Weiterlesen, daß die Konvention, diese Seeschlange der europäischen Presse, das Hauptmaterial zur Unterstützung des Berichtes liefert. Durch einen künstlichen Indizienbeweis, gestützt auf Zeitungslügen und Telegramme über ausländische parlamentarische Verhandlungen, wird die Behauptung unterstützt, daß ein 500 Quadratmeilen enthaltender Gürtel'dem Greuel der russischen Kriegführung preisgegeben wäre. Auf diesem Gürtel beruht im wesentlichen die Argumentation, und ich setze voraus, daß der sonst im Argumentieren so sehr bewanderte Herr Berichterstatter weitere Gründe nicht hat auffinden können, sonst würde er sie dem Berichte einverleibt haben. Fällt dieser Gürtel hinweg, so steht uns der Antrag in seiner Nacktheit als unmotivierte Behauptung in dem Berichte gegenüber. _ Nun, meine Herren, diese ganze Gürtelidee ist ein Phantasiegebilde, ist eine vollständig müßige Erfindung (Bewegung).
Tie Verabredungen, welche wir zum Schutze unserer nachbarlichen Interessen getroffen haben, sichern Preußen vollständig gegen jede Gefahr eines solchen Gürtelkrieges. Nach diesen Verabredungen, vor- wie nachher, bleibt jedes Überschreiten der Grenze, sei es durch russische, sei es durch preußische Truppen, von unserer Einwilligung vollkommen abhängig (Unruhe).
Eine solche Überschreitung hat bisher nicht stattgefunden, und wird mutmaßlich nicht stattfinden, weil die Insurrektion einen minder glücklichen Verlauf genommen hat, als von manchen Seiten vielleicht gehofft, von manchen befürchtet worden ist. Einstweilen jedoch haben diese Verabredungen und unsre sonstigen Anstalten die glückliche Folge gehabt, daß das Leben und das Eigentum der Bewohner unserer Grenzdistrikte geschützt worden
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ist, und namentlich auch, daß die polnische Insurrektion ihre ursprünglich unmittelbar an der preußischen Grenze errichteten Standlager weiter in das Land hinein verlegt hat.
Für diese Erfolge sind wir in gewissem Maße den Übertreibungen Tank schuldig, die von dieser Stelle (nach der Tribüne deutend) und von der Presse über den Inhalt der Konvention verbreitet worden sind.
Diese Übertreibungen tragen aber auch die Schuld an dem üblen Eindruck, den, soweit er vorhanden ist, die Konvention im Auslande gemacht hat.1) Hätten wir Verabredungen bis zu derjenigen Übertreibung abgeschlossen, welche hier tu Ihren Verhandlungen als Wahrheit zugrunde gelegt ist, so würden manche Empfindlichkeiten, von denen die Zeitungen sprechen, von denen mir aber amtlich nichts bekannt geworden ist, ganz unzweifelhaft berechtigt sein. Es gibt kaum eine absichtliche Entstellung, kaum eine Verdrehung, die in dieser Sache von der Presse nicht geübt worden wäre, zum großen Teil in der ohne Zweifel patriotischen Absicht, das Ausland auf die Abwege der Regierung aufmerksam zn machen und dasselbe zu avertieren, daß es Grund hätte, der preußischen Regierung in irgend einer Weise zu zürnen.
Diese Entstellungen, meine Herren, haben zum größten Teil das Material zu den aufregenden Verhandlungen geliefert, durch welche Sie Ihre und unsere Zeit in Anspruch genommen haben. Tiefe Verhandlungen, nach dem, was Tatsache ist, abgesehen von allen Behauptungen und Übertreibungen, kann ich Ihnen im wesentlichen als ein Luftgefecht bezeichnen. Einen sachlichen Erfolg werden Sie nach keiner Seite hin haben, nicht einmal nach derjenigen, die Regierung in Verlegenheit zu fetzen (Unruhe),
1) Der englische Botschafter meinte Bismarck gegenüber, Europa werde Einspruch erheben. l2Ber ist Europa?' „Verschiedene große Nationen". ‘(Bind sie bereits darüber einig?' Darauf konnte der Engländer nichts erwidern.
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wenn Sie die Unbequemlichkeit abrechnen wollen, daß wir unsere Zeit hier zur Abwehr von Angriffen, die auf fingierten Tatsachen beruhen, verbrauchen müssen, anstatt sie anderweit besser zu verwenden (Große Unruhe).
Der Widerstand des Abgeordnetenhauses gegen die Heeresreorganisationskosten währte fort.
21. Aus dem Briefe an John Motley.
17. und 18. April 1863.
- - - Ich bin genötigt, ungewöhnlich abgeschmackte Reden aus dem Munde ungewöhnlich kindischer und aufgeregter Politiker anzuhören, und habe dadurch einen Augenblick unfreiwilliger Muße, den ich nicht besser benutzen kann, als indem ich Dir von meinem Wohlbefinden Nachricht gebe. Ich habe niemals geglaubt, daß ich in meinen reifen Jahren genötigt werden würde, ein so unwürdiges Gewerbe wie das eines parlamentarischen Ministers zu betreiben. Als Gesandter hatte ich, obschon Beamter, doch das Gefühl, ein Gentleman zu sein. Als Minister ist man Helot. Ich bin heruntergekommen und weiß doch selber nicht wie.
April 18. — So weit schrieb ich gestern, dann schloß dre Sitzung; 5 Stunden Kammer bis 3 Uhr, dann 1 Stunde reiten, 1 Stunde Vortrag bei Seiner Majestät, 3 Stunden auf einem langweiligen Diner, dann 2 Stunden Arbeit, schließlich ein Souper bei einem Kollegen, der es mir übel genommen hätte, wenn ich seinen Fisch verschmäht hätte.
Heute früh kaum gefrühstückt, da saß mir Karolyi schon gegenüber; ihn lösten ohne Unterbrechung Dänemark, England, Portugal, Rußland, Frankreich ab, dessen Botschafter ich etn Uhr darauf aufmerksam machen mußte, daß es für mich Zeit fei, in das Haus der Phrasen zu gehen. In oresem ]ttze ich nun wieder, höre die Leute Unsinn reden und beendige meinen Brief; die Leute sind alle darüber
DSA. 45. Bismarcks Reden und Briefe. 4
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einig, unsere Verträge mit Belgien gut zu heißen, und doch sprechen 20 Redner, schelten einander mit der größten Heftigkeit, als ob jeder den andern umbringen wollte; sie sind über die Motive nicht einig, aus denen sie übereinstimmen, darum der Zank; echt deutsch, leider, Streit um des Kaisers Bart, quereile d’Allemand; etwas davon habt Ihr Anglo-Saxon Yankees auch. Diese Schwätzer können Preußen wirklich nicht regieren, ich muß dem Widerstand leisten, sie haben zu wenig Witz und zu viel Behagen, dumm und dreist. Dumm in seiner Allgemeinheit ist nicht der richtige Ausdruck; die Leute sind einzeln betrachtet zum Teil recht gescheut, meist unterrichtet, regelrechte deutsche Universitätsbildung, aber von der Politik über die Kirchturminteressen hinaus wissen sie so wenig, wie wir als Studenten davon wußten, ja noch weniger; in auswärtiger Politik sind sie auch einzeln genommen Kinder; in allen übrigen Fragen aber werden sie kindisch, sobald sie in corpore zusammentreten, massenweise dumm, einzeln verständig.
Diese Tropfen meiner eigenen Tinte werden Dir
wenigstens beweisen, daß meine Gedanken, wenn sie sich selbst überlassen sind, sich Dir zuwenden. Ich gehe nie an dem alten Logierhaus in der Friedrichstraße vorbei, ohne zu den Fenstern hinaufzusehen, welche mit einem Paar roter Pantoffeln verziert zu fein pflegten, die von den Füßen eines nach Aankeemanier sitzenden Herrn emporgehalten wurden; der Kopf des letzteren war unten und nicht sichtbar. Daun frische ich mein Gedächtnis durch die Erinnerung an „die guten alten Kolonialzeiten, als
wir herumstreifende junge Burschen waren" auf.
Der Verfassungskonflikt dauerte an. B., dem es in erster
Linie zu verdanken ist, daß neben dem Rechte des Parlaments die Macht der Krone ungeschmälert bestehen blieb, erklärte vor der erstaunten Welt in einer seiner bedeutendsten Kundgebungen, 15. September 1863, notwendige Grundlage jeder Neugestaltung des Bundes sei eine aus allgemeinen, ge-
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Heimen und direkten Wahlen hervorgehende Volksvertretung. 'Was das Parlament betrifft, so beruht unser Standpunkt auf materiellen preußischen Interessen, die mit denjenigen der Mehrheit der Nation identisch sind', schrieb er 8. Oktober 1863.
Daß seine rein preußische Jnteressenpolitik schließlich zur Lösung der deutschen Frage führen würde, das konnte damals
eigentlich niemand ahnen; er selbst aber war sich dessen un-
zweifelhaft bewußt. Die Möglichkeit, bei der Durchführung einer echt deutschen Politik die Feuerprobe zu bestehen, bot sich für Preußen zunächst durch die schleswig-holsteinische Frage. Sie lenkte die Blicke von den Landtagskämpfen auf eine Angelegenheit nationalen Interesses.
Nach dem Tode Friedrichs VII. bestieg dem Londoner Protokoll gemäß Christian IX. November 1863 den dänischen Thron, gab dem Drängen der Eiderdänen aus Furcht vor einer Revolution nach und genehmigte sofort die Gesamtstaatsverfassung, d. H. die Einverleibung Schleswigs, im Widerspruch zum Londoner Protokoll. Da dies weder vom Deutschen Bunde noch von den Mittel- und Kleinstaaten anerkannt worden war, so machte der Prinz Friedrich von Augusteuburg (von Juristen als anfechtbar bezeichnete) Erbanfprüche auf Schleswig-Holstein geltend. Für Bismarck gaben allein die Gründe der politischen Zweckmäßigkeit den Ausschlag. Im April 1863 hatte er der dem Kriege abgeneigten Fortschrittspartei zugerufen: ‘Ich kann Sie und das Ausland versichern: wenn wir, die preußische Regierung, es für nötig finden, Krieg zu führen, so werden wir ihn führen mit oder ohne Ihr Gutheißen'; infolgedessen tat bei einer stürmischen Friedensversammlung der Abgeordnete Schulze-Delitzsch den Ausspruch: „Wir wollen Preußen den Großmachtkitzel schon austreiben!" B. aber sagte beim Silvesterpunsch ganz ruhig zu seinem Schwager: 'Die np ewig Ungedeelten müssen einmal Preußen werden; das ist das Ziel, nach dem ich steute’ und sprach in einer Ministerialsitzuug Januar 1864 offen aus, die Erwerbung der Herzogtümer für Preußen fei ein erreichbares Ziel; der König indes hielt dies für allzu gefährlich. B. hatte nun sofort erkannt, daß Schleswig-Holstein nur daun befreit werden konnte, wenn die außerdeutschen Großmächte nicht eingriffen, und stellte sich daher zunächst auf den Boden des Londoner Protokolls, im Gegensatz zum Preußischen Abgeordnetenhause. Dessen Kommission
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lehnte die geforderte Anleihe von 12 Millionen Taler ab und beantragte, den König in einer Adresse um Anerkennung des Augustenburgers zu bitten.
Der Abgeordnete Virchow als Referent beschuldigte B., die schleswig-holsteinische Frage zu einer europäischen gemacht zu haben und eine gefahrvolle, antipreußische und antideutsche Politik zu treiben.
22. Aus der Rede über die Anleihe für den dänischen Krieg im Abgeordnetenhause.
18. Dezember 1863.
Ter Herr Referent hat eine eigentümliche Ansicht aufgestellt über dasjenige, was die europäischen Mächte in der dänischen Frage tun müßten, weil sie in Griechenland analoge Dinge getan hätten. Ich glaube, daß die europäischen Mächte sich nicht an juristische Spitzfindigkeiten und Deduktionen kehren, sondern daß sie ihren Verbindlichkeiten in ihren Interessen folgen.
Dann hat der Herr Referent meiner Beteiligung an den Verhandlungen erwähnt, infolge deren der Herzog von Augustenburg im Jahre 1852 seinen Abschluß mit Dänemark gemacht hat. Ich habe damals die Befehle meiner Regierung vollzogen und habe sie so vollzogen, daß Se. Durchlaucht der Herzog mir noch wiederholent-lich und bis in die neueste Zeit hinein, ebenso der Erbprinz, den Dank für die Art und Weise, wie ich sie vollzogen, ausgesprochen haben.
Doch ich kehre zu dem praktischen Gebiete zurück, indem ich, wenn ich mich auch nicht in die Adreßdebatte selbst einmische, doch annehme, daß dieselbe eine Episode in der Behandlung, die Sie unserer Anleihevorlage angedeihen lassen, bildet. Ich habe mich über den Zweck der Anleihe bereits in der Kommission ausgesprochen, und der Regierungskommissar hat in der letzten Sitzung hier meine Ansichten im wesentlichen resümiert. Die Auskunft, die damit gegeben ist, ist die, welche wir nach der
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jetzigen Lage der Sache geben können, und ich glaube, meine Herren, daß Sie selbst sich darüber auch nicht täuschen, daß irgend eine Regierung, auch die liberalste, im gegenwärtigen Augenblicke darüber nicht mehr sagen kann. Sie finden diese Erklärungen unzureichend und richten deshalb über die Köpfe der Minister hinweg eine Frage an Se. Majestät, um ausführlichere Erklärungen zu erlangen. Ich glaube, meine Herren, daß Sie die Fiktion, daß der König keine Kenntnis von der politischen Lage habe, daß er davon übel unterrichtet sei, und daß er durch Sie besser unterrichtet werden müsse, — daß Sie ebensogut wie ich das im Herzen als eine Fiktion ansehen, und daß wir daher in der Adresse die Vorbereitung zur Ablehnung unserer Anleihevorlage und die Motivierung dieser Ablehnung vor den Wählern und dem Volke zu sehen haben. Um zur Ablehnung zu gelangen, schieben Sie uns eine Politik unter, die wir eben nicht treiben. Ich habe schon in der Kommission bemerkt: wenn wir diese Politik trieben, so wäre es unsere Aufgabe gewesen, von Hause aus uns fest auf den Standpunkt des Londoner Traktates zu stellen und zu sagen: „Vertrag ist Vertrag, wir halten daran fest," und uns keine Brücken offen zu lassen, um von ihm je wieder loszukommen. Wenn wir diese Politik trieben, so könnte es uns ja nur willkommen sein, wenn Sie die Anleihe ablehnten und wir daraus die Folgerung zögen, daß wegen Mangels an Mitteln die eingezogenen Soldaten wieder nach Hause zu schicken seien, daß also nichts geschehen könne, und wir dem Bunde anzeigen müßten, Preußen ist nicht in der Lage, seine Bundespflichten zu erfüllen. Das würde eigentlich die konsequente Folge eines solchen ablehnenden Beschlusses im Sinne der Politik sein, die Sie uns unterschieben.
Unsere Politik ist eine andere, sie ruht auf dem von Ihnen im Adreßentwurfe zitierten Ausspruch Sr. Majestät, daß kein Fuß breit deutscher Erde verloren
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gehen solle, und daß ebenso kein Titel deutschen Rechtes geopfert werden solle. Ter Weg, den wir zu diesem Behufe gehen, scheint Ihnen nicht der richtige zu sein. Diesen Weg richtig zu wählen und ihn überhaupt zu wählen, ist aber Sache der Exekutive; soweit es in menschlichen Dingen überhaupt möglich ist, richtig in die Zukunft zu seheu, kann dies eben nur die Regierung, weil die Regierung nach der Lage der Geschäfte mit diesen Dingen vertrauter sein muß als Sie. Eine Versammlung von 350 Mitgliedern kann heutzutage die Politik einer Großmacht nicht in letzter Instanz dirigieren wollen, indem sie der Regierung ein Programm vorschreibt, welches in allen Stadien der ferneren Entwicklung der Sache befolgt werden folle — das ist nicht möglich! Aber durch Bewilligung der verlangten Anleihe, indem Sie der Regierung auf dem Wege folgen, den fie Ihnen offen darlegt, auf dem der Bundesexekution und der defensiven Vorbereitungen gegen die Verwicklungen, die daraus entstehen können — selbst wenn Sie der Regierung aus diesem Wege folgen, so schließen Sie ja damit den Übergang zu dem Programme, welches Sie selbst in dem Petitum der Adresse schließlich als Ihr eigenes aufstellen, in keiner Weife ab. Gelingt es Ihnen daher, meine Herren, das Ministerium zu überzeugen oder zu beseitigen, so ist in jedem Momente der Übergang dazu möglich; die Tinge liegen so, daß wir jeden Tag, wenn wir den Krieg wollen oder wollen zu müssen glauben, den Krieg haben können. Ter Krieg hebt bekanntlich alle Verträge auf, uuo Sie können, wenn Sie eine Staatsregierung haben, die Sie vollständig beherrschen, das Programm des künftigen Friedens dann vorschreiben sowie Verträge über das Erbrecht, die Verfassung und alles, was Sie mit dem Bajonett durchzusetzen imstande sein werden, erreichen. Diese Chance geht uns in keiner Weise verloren, wenn Sie einstweilen die geforderte Anleihe bewilligen; wenn die neuesten Nachrichten, über die ich aller-
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dinqs noch keine amtliche Bestätigung besitze, richtig sind, so werden wir sehr schnell in der Lage sein, von ^hnen einen größeren Kredit zu verlangen, und, schneller als wir dachten, dahin kommen, bei dem Bunde eiue werter ausgedehnte Kriegsbereitschaft beantragen zu müssen.
Die vorliegende Frage hat ihre zwei Seiten, bte föderale und die internationale. Ter Kredit, den wir jetzt von Ihnen fordern, betrifft die föderale Seite der Frage, die bundesrechtliche, daneben geht aber die internationale.
Ter Herr Referent hat uns vorgeworfen, daß wrr Schleswig nicht genannt hätten. Schleswig ist bei btefer Seite der Frage nicht beteiligt; wenn die Frage wegen Schleswig in den Vordergrund tritt, dann wird der Moment vielleicht gekommen sein, wo wir 50 bis 100 Millionen von Ihnen zu fordern haben, wie ich auch bereits in der Kommission angedeutet habe. Dieser jetzige, mäßige Kredit betrifft nur die föderale Seite der Frage.
Ich habe Ihnen angedeutet, daß wir die Zeit, wo vielleicht kriegerische Verwicklungen eintreten werden, nicht voraussehen können, und hinzugefügt, daß wir in der Lage, Krieg zu führen, sehr bald sein können, day wir in jeder Minute dahin gelangen können, wrr brauchen nur die Saiten etwas straffer anzuziehen, Schon allein die streitigen Punkte der holsteinischen, also der Bundesgrenze, geben das Material an die Hand, jeden Tag zu einem Kriege zu gelangen.
Besorgen Sie also nicht, daß diese Chance Ihnen entgeht, wenn Sie die Anleihe bewilligen. Wollen Sie aber Preußen hindern, die ihm bundesvertragsmäßig obliegende Pflicht zu erfüllen, dadurch daß Sie ihm die Mittel dazu verweigern, wollen Sie uns zwingen, die notwendigsten Verteidigungsmaßregeln zu unterlassen, die notwendigsten Maßregeln zum Schutze unseres Seehandels und zum Schutze unserer Schiffahrt, wollen Sie es dahin bringen, daß wir bei ausbrechendem Kriege dem kleinen
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Dänemark gegenüber in der Rolle des Minderstarken erscheinen, und der dänischen Landarmee eine numerische Übermacht verschaffen, indem Sie uns die Mittel verweigern, unsere Armee rechtzeitig zu stärken, dann laden ^re eme schwere Verantwortung sowohl vor dem Lande als auch vor Ihren eigenen Wählern auf sich (Bravo! Es)'
Virchow erwiderte, B. stürme ohne Kompaß in das Meer der äußeren Verwicklungen hinein und habe keine Ahnung von nationaler Politik. Am 22. Januar 1864 wurde die Anleihe abgelehnt, bet der Debatte darüber hatte Graf Schwerin gegen B.s Ausspruch protestiert, daß „niemand recht wage, steh als Preuße zu bezeichnen", und von Furcht vor den Demokraten und vor dem Auslaude gesprochen.
23. Aus der Rede über die Anleihe im Abgeordnetenhause.
22. Januar 1864.
Wenn er (Graf Schwerin) zuvörderst davon ausging, daß er ein guter Preuße sei und ihm dies Zeugnis von niemand verweigert werden würde, so stimme ich damit vollständig überein; ich gehe noch weiter, ich halte ihn sogar in seinem Herzen für einen monarchischen Preußen (Bewegung und Heiterkeit), aber man kann doch von ihm seinem Könige gegenüber sagen, was Goethe vom Doktor Faust dem Köuige der Könige gesagt werden läßt: „Fürwahr, er dient euch auf besondre Weise," deshalb glaube ich auch, daß es mit der Partei, die der Herr Abgeordnete vertritt, ein Ende nehmen wird und zum Teil schon genommen hat, wie mit dem Doktor Faust, im ersten Teil nämlich (Murren); ob dem ersten Teil auch noch der zweite Seil nach Analogie des Faust folgen werde, muß die Zukunft lehren. Gewiß ist, daß die Zahl dieser guten Preußen sich von Tag zu Tag vermindert. Wo ist die Majorität geblieben, an deren Spitze sich der Herr Redner selbst als Minister befand? Ich habe schon früher
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gesagt, wäre diese Partei stärker, als sie es leider ist, so ließe sich mit (Stimmen links: dieser auch nichts machen!) ihr rechten und reden.
Zu den Behauptungen, die der Herr Redner bestritten, ohne daß ich sie aufgestellt hatte, gehört diejenige, daß Preußen von Deutschland geschieden werden müsse. Meine Herren! Das ist ja schon geographisch unmöglich, ein Blick auf die Karte lehrt das schon. Es fragt sich in Deutschland nur, wer soll führen? — oder wie der Herr Vorredner sich ausgedrückt hat, „wer soll im andern aufgehen?" Wenn aber die beiden Großmächte einig sind, wie in diesem Fall, so glaube ich, daß, solange die jetzige politische Gestaltung in Deutschland besteht, ihnen diese Führung unstreitig gebührt. Es handelt sich nur darum, klarzustellen, wo und wer ist Deutschland, und was denkt man sich unter deutschen Interessen? Diese Frage kann in betreff der politischen Interessen so vielfach beantwortet werden, wie es in dem Arndtschen Liede in bezug auf die geographischen Verhältnisse geschieht. Ich bin ferner mit dem Herrn Redner darin ganz einig, daß wir uns nicht an einem Abgrunde befinden, wenn die Verfassung beobachtet wird, sobald sie eben nur allseitig beobachtet wird (Ruf: Jawohl! Bewegung und Heiterkeit), sobald Nt Ctrl
nicht danach trachtet, ihr eine Auslegung zu geben, die sie, ihrem klaren Sinne nach, nicht hat, und die mit der preußischen, bei uns publizierten Verfassung nicht vereinbar ist, und daß dieses von Ihnen nicht geschieht!, das ist es, was ich vorhin behauptet habe. In bezug auf die gestern von mir aus einer Depesche gemachte Mitteilung bemerke ich, daß ich darin nicht ein Programm ausgestellt1), durch welches die Erfolge absolut präjndiziert worden wären; ich habe gesagt, wenn die Lösung derselben, welche von der Bundesmajorität erstrebt wird, sich nicht als möglich erweist, so sei es not-
x) Der Abgeordnete Graf Schwerin hatte dies geäußert.
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wendig, eine andere Lösnng ins Auge zu fassen, jedenfalls aber den zwölf Jahre lang bestehenden Zustand nicht wieder aufkommen zu lassen.
Ter Herr Vorredner hat aus einem Worte, welches ich in der Kommission gesagt habe, gefolgert, daß die Mittel- und Kleinstaaten es sich gesagt sein lassen würden, daß es keine deutschen Interessen gäbe, und daß sie infolgedessen nur ihre eigenen zu Rate ziehen würden, und daß die eigenen Interessen sie auch zur Anlehnung an das Ausland bestimmen könnten. Meine Herren! Wenn der letzte Fall einträte, so werden wir auch vielleicht wieder erleben, was wir schon erlebt hab eit; jeder Staat folgt schließlich seinen Interessen. Gehen Sie auf die Geschichte zurück, so werden Sie finden, daß mein Wort vollkommen richtig ist, so unwillkommen es Ihrem Ohr auch klingen mag; es gilt von allen Regierungen, was einer ihrer Souveränes mir einst selbst sagte: „Kommt es zum Äußersten, so ist mir das Hemd näher als der Rock." Nur glaube ich in der Tat nicht, daß die dauernden Interessen diese Staaten nötigten, sich an das Ausland anzulehnen, sondern daß ihnen ihre dauernden Interessen empfehlen, sich an die beiden deutschen Großmächte anzuschließen. . . .
Ich muß dem Herrn Vorredner ferner darin widersprechen, als hätte ich behauptet, daß das Recht allein bei den Bajonetten liege. Ich habe nur behauptet, das Recht ließe sich in europäischen Streitigkeiten, wo ein kompetenter Gerichtshof nicht besteht, nur durch die Bajonette geltend machen. Wenn ich mich recht erinnere, so knüpften sich meine Worte daran, daß der abwesende Referent dem gleichfalls abwesenden Peruice?) vorwarf, daß seine Ansichten Winkelauffassungen seien, und ich be-
‘) Wilhelm I. von Württemberg.
2) Ein Professor, der in einem Rechtsgutachten die Ansprüche des Gottorpschen Hauses verfocht.
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merkte darauf, daß bei dem Mangel eines Gerichtshofes in Europa Winkelansichten, wenn es ihnen gelinge, die Mehrheit der Bajonette zu gewinnen, die Eigenschaft hätten, daß sie mitunter siegreich blieben.
Der Herr Vorredner hat ferner als Motiv unserer Handlungsweise die Furcht vor der Demokratie und Furcht vor dem Auslande der Regierung untergeschoben. Ich glaube, der Herr Redner kennt mich lange genug, um zu wissen, daß ich Furcht vor der Demokratie nicht kenne. Hätte ich diese, so stände ich nicht an diesem Platze oder würde das Spiel verloren geben (Große Bewegung. Rufe: Ein Spiel! Ein Spieln — Ich lasse mich ans Worte nicht ein; rechten Sie nicht über Ausdrücke, rechten Sie über die Sache! — Ich fürchte diesen Gegner nicht, ich glaube sicher, ihn zu besiegen (Ruf: Oho!); ich glaube, das Gefühl, daß es so kommen werde, ist Ihnen nicht mehr ganz fern (Heiterkeit).
Was dagegen die Furcht vor dem Auslande betrifft, so bestreite ich die Richtigkeit dieses Ausdruckes. Man kann Vorsicht Furcht, man kann Mut Leichtfertigkeit nennen. Der Mut nimmt meines Erachtens diesen Charakter an, wenn man einer Regierung, die für das Schicksal eines großen Landes verantwortlich ist, zumutet — wie mir das in der Kommission von feiten des Herrn Referenten geschehen ist — auch gegen die erdrückendste Übermacht, die sich von Hause aus zu den Waffen herausstellt, Preußen zu den Waffen greifen zu lassen. Meine Herren! Das kann eine Regierung nicht, das kann der einzelne, der entschlossen ist, seine Person daranzusetzen. Eine Regierung hat nicht das Recht, das Land, dessen Schicksal ihr anvertraut ist, gegen eine von Hause aus erdrückende Übermacht ohne Not ins Feld zu führen, womit ich keineswegs gesagt haben will, daß in dem vorliegenden Falle uns eine solche erdrückende Übermacht gegenüberstünde. Ich halte überhaupt noch heute wie in der Kommission die Politik der freien Hand, des Gewahrtfeins jedes Standpunkts Ihnen gegenüber aufrecht.
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Als die große Mehrheit der Abgeordneten die Anleihe ablehnte, war es B. bereits gelungen, Österreich an seine Seite zu ziehen, obwohl es die Loslösung beider Herzogtümer von Dänemark nicht im Auge hatte. Im Gegensatz zum Deutschen Bunde vereinbarten Österreich und Preußen, „die künftigen Verhältnisse in den Herzogtümern nur in gegenseitigem Einverständnis festzustellen", — diese Fassung, deren Tragweite Österreich nicht erkannte, wurde von B. durchgesetzt. Zunächst verlangten beide Mächte von Dänemark die Zurücknahme der Gesamtstaatsverfassung. Als die Dänen dies hartnäckig zurückwiesen (wie B. erwartete) in trügerischer Hoffnung auf Englands Hilfe, begann der siegreiche Kampf. Auf einer von England zustande gebrachten Konferenz wurde nun Waffenstillstand vereinbart, doch die Unterhandlungen blieben ergebnislos (12. Mai bis 26. Juni). Neue Erfolge der beiden Mächte führten zum Wiener Frieden Oktober 1864.
24. Aus dem Briefe an den österreichischen Minister Grafen Rechberg.
4. Oktober 1864.
. . . Der König hat gewiß manche Beweise geliefert, daß es ihn nicht nach dem Gute seiner Nachbarn, nach der Unterdrückung deutscher Fürsten gelüstet. Wir haben feinen deutschen Staat in die Lage gebracht, Schutz gegen uns zu bedürfen; wir sind in der Defensive gegen Übergriffe und Überhebungen der Bundesmajorität und ihrer einzelnen Mitglieder. Ein Bund, in welchem die europäische Politik Preußens und Österreichs von der Majorität der Kleinstaaten dirigiert werden soll, ist schlimmer als keiner, und wenn ich die Wahl zwischen der Unterwerfung unter solche Ansprüche und der offenen Feindschaft der Mittelstaaten haben soll, so ziehe ich die letztere vor.
Gemeinsam die deutsche Politik leiten können wir nur, wenn wir die übrigen Bundesmitglieder jederzeit daran gewöhnen, daß Preußen und Österreich gegen Ausschreitungen, wie die Exekutionspolitik in Holstein eine war,
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vereint und mit aktiver Entschiedenheit auftreten. Deshalb braucht kein deutscher Fürst für seine Unabhängigkeit besorgt zu sein, oder auch nur aus die Beteiligung an gemeinsamen Entschließungen zu verzichten, zu der er nach dem Maß seiner Kräfte berufen ist.
Die Torheit der bisher leitend gewesenen Bundesglieder zeigt sich m. E. am deutlichsten darin, daß ihnen die Einigkeit zwischen Wien und Berlin unwillkommen ist, daß sie dieselbe zu lösen hofften. Gelänge ihnen letzteres, so wäre überhaupt von Deutschland als politischer Einheit und vom Bunde nur noch so lange die Rede, als Friede ist; mit dem ersten Kriege, bei dem ein deutscher Staat beteiligt wäre, würde dann das Gebäude einstürzen und die Schwächeren jedenfalls sicherer als die Stärkeren unter seinen Trümmern begraben. Deshalb sollten die kleineren Staaten Gott für unsere Einigkeit danken, unter deren Schutz sie bestehen. Schonen wir daher unsere gegenseitigen Beziehungen um jeden Preis; durch ihre Pflege und Stärkung dienen wir Deutschland, indem wir es gemeinsam beherrschen, nicht gewalttätig, wie der Protektor den Rheinbund, sondern bundesfreundlich, wie die ersten unter unseres Gleichen. Zu diesem Zwecke sehe ich uns als verbündet an. Verlieren wir aber den Zweck ans dem Auge, hören wir auf, ihn aktiv zu betätigen, so vermindern wir die Lebenskraft unseres Bündnisses; die bloße Besorgnis vor Angriffen des Auslandes ist auf die Dauer weder bei Ihnen noch bei uns stark genug, um die innige Gemeinschaft der Politik zu erhalten, in welche uns die gemeinsame Aktion in der dänischen Sache so glücklich versetzt hat.
Der gemeinsame Besitz der Herzogtümer verschärfte den Gegensatz zwischen den beiden deutschen Großmächten. Denn Österreich erkannte zu spät, daß mit der schleswig-holsteinischen Frage die deutsche zusammenfiel, und machte daher den Vorschlag, den Augusteuburger als Herzog einzusetzen. B. äußerte 29. Mai 1865 in einer Sitzung des Staatsministeriums: "Ein
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Krieg mit Österreich wird früher oder später doch nicht zu vermeiden sein, nachdem die Politik der Niederhaltung Preußens von der Wiener Regierung wieder aufgenommen ist. Allein den Rat zu einem großen Kriege gegen Österreich können wir Seiner Majestät nicht erteilen; der Entschluß dazu kann nur aus der freien Königlichen Überzeugung selbst hervorgehen. Würde ein solcher gefaßt, so würde das gesamte preußische Volk ihm sreudig folgen.' Auch mit Rücksicht auf die auswärtige Lage war B. zunächst einem Vertrage mit Österreich nicht abgeneigt; er ward am 14. August 1865 in Gastein abgeschlossen und 'verklebte den Riß im Bau'. Da Österreich diesen Vertrag aber 'in einem gegen Preußen geradezu feindseligen Sinne auszubeuten suchte' und sich dadurch selbst ins Unrecht setzte, so erweckte 93.1) schließlich im Könige die Überzeugung, 'für den Frieden getan zu haben, was mit Ehren tunlich war', nunmehr aber die Verteidigung angriffsweise führen zu müssen, und zwar nicht wegen der Herzogtümer allein, sondern um 'den höheren Preis', die deutsche Frage.
25. Brief an König Wilhelm I.
2. Mai 1866.
Eurer Majestät lege ich die aus Wien soeben eingegangene telegraphische Mitteilung ehrfurchtsvoll vor. Sie gewährt keine Aussicht, daß Österreich entwaffnen werde, wohl aber, daß es uns noch einige Tage zur Vervollständigung seiner Rüstungen hinhalten will, bevor es einen anderen Ton gegen Euere Majestät anschlägt, gestützt auf einen Vorsprung, den wir nicht mehr einholen können.
Von der Börse wird mir heute mitgeteilt, daß Finanzmaßregeln verderblicher Art (Zwangsanleihe?) in Wien beabsichtigt werden, und daß die hiesige Kausmannschaft,
*) Im Oktober 1865 sicherte sich B. in Biarritz durch Unterredungen mit Napoleon dessen Neutralität. Vielleicht bestärkte er den Kaiser in der Hoffnung auf Kompensationen dadurch, daß er darüber schwieg oder ausweichend antwortete. Jedenfalls trennten sich beide ohne bestimmte Abmachung.
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einschließlich der Ältesten! die Untätigkeit der königlichen Regierung den uns überflügelnden Rüstungen Österreichs gegenüber unbegreiflich und für das Land im höchsten Grade beunruhigend und gefährlich findet.
Dieses Gefühl, welches Eurer Majestät Minister nicht erst feit heute beherrscht, ist das allgemeine in der Stadt geworden, seit die der Regierung schon früher bekannten Tatsachen in das Publikum gedrungen sind. Die Ausbrüche desselben, falls sich, was Gott verhüte, herausstellen sollte, daß der Schutz des Landes tatsächlich schon versäumt ist, werden ohne Zweifel sehr lebhafte sein.
B. zwang den Deutschen den unvermeidlichen Bruderkrieg auf; seinen Namen nannten damals die meisten mit Abscheu, und am 7. Mai wurde sogar ein Attentat auf ihn unter-nornmen. Das Ziel des Kampfes gegen^Ästerreich war für ihn von Anfang an nur die Beseitigung des Dualismus zugunsten y Preußens; dann ‘galt es, die alte Freundschaft mit Österreich $ tmjlje.tzugewinnen'. Daher Ijutte er nach dem alle Welt überraschenden Siege bei Königgrätz 'die undankbare Aufgabe,-'’*/,' Wasser in den brausenden Wein zu gießen und geltend zu -?a,v ^ machen, daß wir nicht allein in Europa leben, sondern mit noch^ drei Nachbarn'. Deren Einmischungsgelüsten trat er mit ebenso kühner Entschlußkraft wie kluger Geschmeidigkeit entgegen unb t
ließ keinem Zeit, aus dem deutschen Kriege Vorteil zu ziehen —■ vielleicht seine größte diplomatische Tat. Dem Kaiser Alexander teilte er mit, die ‘ganze nationale Kraft der Deutsche 'üK benachbarter Völker' werde er gegen jeden, der ihn an der Machterweiterung Preußens hindere, ins Feld führen; Frankreichs Einmischung gegenüber drohte er, ‘jedes Mittel ohne “auf irgend einen Parteistandpunkt zur Kräftigung
des Widerstandes der Nation’ anzuwenden; vor allem aber gelang es ihm, durch Einsetzen seiner ganzen Persönlichkeit, den König zu seinen Anschauungen zu bekehren und mit Österreich sofort ins reine zu kommen. Auf die deutsche Einheit mußte vorläufig verzichtet werden, dafür erlangte Preußen bedeutende Gebietserweiterung und trat nach Beilegung des Verfassungskonfliktes an die Spitze des als konstitutioneller Bundesstaat begründeten Norddeutschen Bundes.
Wiederholt sprach B. aus, er erblicke in dem Bunde ‘nur
, dre erste Etappe zur Einheit'; mit der Zeit werde 'alles Weitere Preußen von selbst zufallen'. War früher Preußens Macht und die alleinige Richtschnur seiner Politik, so wurde es ” u Ci* • -letzt die deutsche Einheit unter Preußens Führung. Mit den süddeutschen Staaten, die er über Napoleons Kompensationsgelüste verständigte, schloß er geheime Schutz- und Trutzbünd-msse und erreichte dadurch im Kriegsfall die militärische Einheit, ebenso wie die wirtschaftliche durch Erneuerung und Erweiterung des Zollvereins; 1868 tagte zuerst ein deutsches Zollparlament. Wider Erwarten schnell wurde es zum Vollparlament.
26. Aus Der Rede über den Verfassungsentwurf im konstituierenden Norddeutschen Reichstage.
4. März 1867.
ohne Zweifel etwas in unserem Nationalcharakter, was der Vereinigung Deutschlands widerstrebt. Wir hätten die Einheit sonst nicht verloren oder hätten sie bald wiedergewonnen. Wenn wir in die Zeit der deutschen Größe, der ersten Kaiserzeit, zurückkehren, so finden wir, daß kein anderes Land in Europa in dem Maße die Wahrscheinlichkeit für sich hatte, eine mächtige nationale Einheit sich zu erhalten, wie gerade Deutschland. Blicken Sie im Mittelalter von dem russischen Reiche der Rnrikschen Fürsten bis zu den westgotischen und arabischen Gebieten in Spanien, so werden Sie finden, daß Deutschland von allen die größte Aussicht hatte, ein einiges Reich zu bleiben. Was ist der Grund, der uns die Einheit verlieren ließ und uns bis jetzt verhindert hat, sie wiederzugewinnen? Wenn ich es mit einem kurzen Worte sagen soll, so ist es, wie mir scheint, .ein gewisser Überschuß an bem Gefühle männlicher Selöständigkeit.' welcher in Deutschland den einzelnen, die Gemeinde, den Stamm veranlaßt, sich mehr auf die eigenen Kräfte zu verlassen als auf die Gesamtheit. Es ist der Mangel jener Gefügigkeit des einzelnen und des Stammes zugunsten des Gemeinwesens, jener
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Gefügigkeit, welche unsere Nachbarvölker in den Stand gesetzt hat, die Wohltaten, die wir erstreben, sich schon früher zu sichern. Tie Regierungen haben im jetzigen Falle ein gutes Beispiel gegeben. Es war keine unter ihnen, die nicht wesentliche Bedenken, mehr oder weniger berechtigte Wünsche dem bisher erreichten Ziele hat opfern müssen. Liefern auch wir den Beweis, daß Deutschland in einer sechshundertjährigen Leidensgeschichte Erfahrungen gemacht hat, die es beherzigt, daß wir — und wir alle, die wir hier sind, haben es selbst erlebt — uns die Lehren zu Herzen genommen haben, die wir aus den verfehlten Versuchen von Frankfurt und Erfurt ziehen mußten. Das Mißlingen des damaligen Werkes hat in Deutschland einen Zug der Unsicherheit, der Unzufriedenheit herbeigeführt, der sechzehn Jahre lang gedauert hat, und der schließlich durch eine Katastrophe, wie die des vorigen Jahres — nach irgend einer Seite hin, wie es Gott gefiel — seinen Abschluß finden mußte. Das deutsche Volk hat ein Recht, von uns zu erwarten, daß wir der Wiederkehr einer solchen Katastrophe vorbeugen, und ich bin überzeugt, daß Sie mit den verbündeten Regierungen nichts näher am Herzen liegen haben, als diese gerechten Erwartungen des deutschen Volkes zu
ersüllen (Lebhaftes Bravo von allen Seiten)!
Diese Gedanken führte B. am 11. März näher aus und rechtfertigte den Verfassungsentwurs gegen die verschiedenen Einwände.
27. Aus der Rede über den Verfassungsentwurf im konstituierenden Norddeutschen Reichstage.
11. März 1867.
Es hat nicht unsere Absicht sein können, ein theoretisches Ideal einer Bundesverfassung herzustellen. Wir haben uns zur Ausgabe gestellt, in Erinnerung und in richtiger Schätzung, glaube ich, derjenigen Widerstands-
DSA. -15. Bismarcks Reden und Briefe. 5
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fräste, an welchen die früheren Versuche in Frankfurt und Erfurt gescheitert sind, diese Widerstandskräfte so wenig, als es irgend mit dem Zweck verträglich war, herauszufordern. Wir haben es für unsere Aufgabe gehalten, ein Minimum derjenigen Konzessionen zu finden,
! welche die Sonderexistenzen auf deutschem Gebiete der Allgemeinheit machen müssen, wenn diese Allgemeinheit ! lebensfähig werden soll; wir mögen das Elaborat/ baZi^l dadurch zustande gekommen ist, mit dem Namen einer ' Verfassung belegen oder nicht, das tut zur Sache nichts.
Wir glauben aber, daß, wenn es hier angenommen wird, j| für das deutsche Volk die Bahn frei gemacht wor-I den ist, und daß wir das Vertrauen zum Genius unseres eigenen Volkes haben können, daß es auf dieser Bahn den Weg zu finden wissen wird, der zu seinen Zielen führt
II (Bravo!).
Wenn zu diesem Zweck, nach unserer Ansicht wenigstens, das Gegebene hinreicht, so begreife ich vollständig, daß viele Wünsche unbefriedigt bleiben, daß man daneben noch eine Menge anderer Tinge gewünscht und gleich r gewünscht hätte. Ich begreife aber nicht, wie man, weil I diese Wünsche bisher unerfüllt geblieben sind, das Ge-: botene ablehnen will und dabei doch behaupten, man wolle überhaupt eine Verfassung, die Deutschland zur Einheit führen könne. Es sind Einwendungen bisher laut geworben und Wünsche geltend gemacht von zwei Seiten, r ich möchte sagen, von der unitarischen und von der Par-tikularistischen Seite; von der unitarifchen dahin gehend, daß man auch von diesem Verfassungsentwurf,
I wie von dem früheren, die Herstellung eines konstitutio-’ nellen, verantwortlichen Ministeriums erwartet hat Wer sollte dieses Ministerium ernennen ? Einem Konsortium von 22 Regierungen ist diese Aufgabe nicht zuzumuten; es würde sie nicht erfüllen können. Ausschließen können Sie aber 21 von 22 Regierungen von der Teilnahme an der Exekutive ebensowenig. Es wäre der Anforderung
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nur dadurch zu genügen gewesen, daß eine einheitliche Spitze mit monarchischem Charakter geschaffen wäre. Dann aber haben Sie keine Bundesverhältnisse mehr, dann haben Sie die Mediatisierung derer, denen diese monarchische Gewalt nicht übertragen wird. Diese Mediatisierung ist von unseren Bundesgenossen weder bewilligt noch von uns erstrebt worden. Es ist hier angedeutet worden: man könne sie mit Gewalt erzwingen, von anderen: sie werde sich zum Teil von selbst ergeben. Wir glauben nicht, daß deutsche Fürsten in größerer Anzahl bereit sein werden, ihre jetzige Stellung mit der eines englischen Pairs zu vertauschen.
Die Basis dieses Verhältnisses soll nicht die Gewalt sein, weder den Fürsten noch dem Volke gegenüber (Bravo!) Die Basis soll das Vertrauen für die Vertragstreue Preußens sein (Bravo!), und dieses Vertrauert b_arf utdjt erschüttert werden, solange man uns die Vertragstreue hält (Sehr gut! Bravo!).
Schwerer, als die Einwendungen vom unitarischen Standpunkte, und ernstlicher gemeint sind meines Erachtens diejenigen vom partikularistischen. Unter Partikularismus denkt man sich sonst eine widerstrebende Dynastie, eine widerstrebende Kaste in irgend einem Staate, die sich der Herstellung gemeinsamer Einrichtungen aus Sonderinteressen entgegenstellt. Wir haben es heute mit einer neuen Spezies von Partikularismus zu tun, mit dem parlamentarischen Partiknlarismns (Heiterkeit).
Früher hieß es vom dynastischen Standpunkte aus: „Hie Waiblingen, hie Welfe!", jetzt heißt es: „Hie Landtag, hie Reichstag!"
Das Recht, das der preußische Landtag hat, zu unseren Vereinbarungen hier nein zu sagen — dieses Recht hat ein jeder Landtag, so klein und groß er fein mag; denn wir wollen nicht in einer gewalttätigen, sondern in einer rechtlichen Gemeinschaft leben.
Die Herren, die so kurzweg hier das Wort aufsprechen,
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daß der preußische Landtag das Produkt unserer Arbeiteu in den und den Fällen verwerfen oder genehmigen werde — ihre Legitimation dazu ist schon vorgestern angezweifelt worden. Aber ich möchte Sie fragen: was würden Sie sagen, wenn heutzutage eine der verbündeten Regierungen schon von Hause aus erklärte: „Wenn dies und das nicht in der Verfassung steht, so nehme ich sie uuter allen Umständen nicht an!"; wenn ein Stand oder eine Klasse dieselbe Erklärung abgäbe; wenn ein Mitglied der mecklenburgischen Ritterschaft aufträte und sagte: „Wenn unsere Rechte nicht geschont werden — und sie wiegen auf der Wagschale der Gerechtigkeit gerade ebenso schwer, wie die des preußischen Landtags — so spielen wir nicht mit!"
(Sehr gut!).
Ich erinnere Sie daran, meine Herren, als die Versuche von Frankfurt und von Erfurt mißlangen — der
jl< '4-1--von Erfurt "nicht so sehr, wie hier gemeint wurde, durch
.das Widerstreben der beteiligten Regierungen, wenn ich auch nicht behaupten kann, daß unsere preußische Regie-P rnng damals mit der wünschenswerten Energie ihre Auf-V" £ gäbe vertreten hätte; er scheiterte meines Erachtens da-
~ ^ ^ ^ran, daß Hannover und Sachsen einfach auf die öster-
reichische Armee, die hinter Olmütz stand, mehr Vertrauert hatten als auf den Treikönigsbnnd (das war wohl das Durchschlagende, wenn es auch eine Menge anderer Ursachen gegeben haben mag) — ich erinnere Sie daran, daß man für uns, die wir damals unter dem Namen der preußischen Junkerpartei die Verantwortung für das Mchtzustandekommeu vor der Öffentlichkeit auf uns laden mußten, kein Wort finden konnte in der öffentlichen Presse, das stark genug war, um „diesen unwürdigen Mangel an Vaterlandsliebe" zu brandmarken, der dahin führte, „aus Standesinteressen lieber einen Juukerstaat von der Größe der Mark Brandenburg zu gründen" — und was dergleichen von Ihnen bereits vergessene Zeitungsartikel waren, die auf uns Schmach und Vorwurf häuften, weil wir
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das Werk gehindert hätten, das wir zustande zu bringen nicht in der Lage waren. Ich habe, als hier vorgestern dasselbe Recht für deu preußischen Landtag in Anspruch genommen wurde, in der ganzen Versammlung keinen Ausruf des Erstaunens gehört — anßer dem, den ich in meinem Innern unterdrückte. Ich glaube, meine Herren, diejenigen, die dieses Wort anssprachen, unterschätzen denn doch den Ernst der Situation, in der wir uns befinden. Glauben Sie wirklich, daß die großartige Bewegung, die im vorigen Jahre die Völker vom Belt bis an die Meere Siziliens, vom Rhein bis an den Pruth und den Dnjestr zum Kampf führte, zu dem eisernen Würfelspiele, in dem um Königs- und Kaiserkronen gespielt wurde; — daß die Millionen deutscher Krieger, die gegeneinander gekämpft und geblutet haben auf den Schlachtfeldern vom Rhein bis zu den Karpathen, — daß die Taufende und Abertausende von Gebliebenen und der Seuche Erlegenen, die durch ihren Tod diese nationale Entscheidung besiegelt haben, mit einer Landtagsresolution ad acta geschrieben werden können (Bravoi) — meine Herren, dann stehen Sie wirklich nicht auf der Höhe der Situation!
Wir wollen den Grad von Freiheitsentwicklung, der mit der Sicherheit des Ganzen nur irgend verträglich ist. Es kann sich nur handeln um die Grenze: wieviel? was ist mit dieser Sicherheit auf die Dauer verträglich? was ist jetzt mit ihr verträglich? ist ein Übergangsstadium Nötig? wie lange MUß dies dauern? (Sehr gut! Bravo v.
Es muß einen Zeitraum geben, in welchem die Existenz des Bundesheeres nicht von zufälligen Schwankungen der Majorität abhängt. Wenn diese Einrichtung, die Bundesarmee, vorläufig diejenige Bafis, welche am vollständigsten ausgebildet ist, diejenige Basis, die wir am unentbehrlichsten brauchen, durch ein jährliches Votum in Frage gestellt werden sollte, meine Herren, es würde mir das — verzeihen Sie mir, wenn ich ein Gleichnis brauche aus einem Beruf, in dem ich mich früher befand — den Ein-
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druck eines Deichverbandes machen, in welchem jedes Jahr nach Kopfzahl, auch der Besitzlosen, darüber abgestimmt wird, ob die Deiche bei Hochwasser durchstochen werden sollen oder nicht. Aus solchem Teichverbande würde ich einfach ausscheiden, da wäre mir das Wohnen zu unsicher, und ich würde mich der Gefahr nicht hingeben, daß einmal diejenigen, welche die Wirtschaft mit freier Weide wünschen, über diejenigen, die mit bestellten und wasserfreien Äckern arbeiten, die Oberhand gewännen und alle durch eine Wasserflut zugrunde gingen.
|| Was ferner Die Machtfrage betrifft, so halte ich die]} 1 Verewigung von Nord- und Süddeutschland jedem An-E griffe gegenüber in allen Fragen, wo es sich um die Sicher- i heit des deutschen Bodens handelt, für definitiv gesichert.
I Jm Süden kann kein Zweifel darüber sein, daß, wenn er
in seiner Jntegrität'gesährdet werden sollte, Norddeutschland ihm unbedingt brüderlich beisteht (lebhaftes Bravoo, im Norden ist kein Zweifel darüber, daß wir des Beistandes Süddeutschlands gegen jeden Angriff, der uns treffen könnte, vollständig sicher sind. (Bravoy
Ich weiß nicht, ob ich während der Generaldiskussion ^ noch weiter Veranlassung habe, das Wort zu nehmen
oder einer meiner Herren Kollegen. Für den Augen-
; blick wüßte ich dem, was ich gesagt habe, nichts weiter hinzuzufügen, als die nochmalige Aufforderung: Meine Herren, arbeiten wir rasch! Setzen wir Deutschland sozusagen in den Sattel! Reiten wird es schon
können! (Lebhafter Beifall,)
Polnische Abgeordnete legten dagegen Verwahrung ein, daß ehemals polnisches Gebiet dem Norddeutschen Bunde einverleibt würde. Darauf erwiderte B. am 18. März 1867 (Auszüge aus seiner Rede s. in Ziehens Quellenbuche Nr. 78). Am 1. Juli trat die Verfassung des Norddeutschen Bundes in Kraft, am 14. wurde B. zum Bundeskanzler ernannt; er hatte dazu ‘'gerade die richtige Blutmischung in sich, da er
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. väterlicherseits von einem preußischen Edelmann, mütterlicher*
■ feit3 von einem Leipziger Gelehrten abstammte'.
Roon, der sich „entsetzlich stumpf" fühlte, dachte an Rück-
I tritt.
28. Brief an den Kriegsminister von Roon.
30. Oktober 1867.
Es wird mir sehr schwer, auf Ihren Brief zu antworten, weil ich ein herzloser Egoist in diesem Sprudel geworden bin, dicke Steinkruste politischer Erwägung angesetzt, die meine von Jugendheimweh getragene Freundschaft für Sie erst mit einem Pommerfchen Fußtritt sprengen muß, damit ich Ihnen ganz ehrlich beistimmen kann mit dem Votum auf sechs Monate Urlaub, ^chjürchte nicht, daß das Kriegsministerium in der Zeit Schaden leidet; d^azu haben Sie zu gute Schule herangezogen; aber im Kollegium der Gespielen bleibe ich „unter Larven die" einzige fühlende Brust", und dem König gegenüber ist ber Beistand Ihrer politischen Autorität gar nicht ; zu ersetzen, da niemand so viel Salz* mit dem Herrn ' gegessen hat, wie Sic. Aber es wäre schlechter, als ich'* geworden bin, wenn ich auf Ihre treue Hingebung für^ { y den „Dienst" spekulierte, und es wäre unklug, da ich hoffe, daß ber Frühling, wenn wir beibe leben, uns wieber nebeneinanber in Front sieht. — Ich möchte Sie nur um Änberung eines Passus in Ihrem Schreiben an ben König bitten, ich habe ihn angemerkt. Ich halte biesen Personenwechsel im Ministerium nicht ratsam unb fürchte, baß er meine Stellung sehr viel mühsamer unb schwerer machen Ttnirbe; aber von allen solchen Wechseln kann ich nicht basselbe sagen, ba kommt mehr bas Beharrungsvermögen Sr. Majestät in Betracht.
'—"Ihrem Vertreter möchte ich bitten vor allem ben objektiven Stanbpunkt bes Staatsmannes zu empfehlen, ber nicht im wilben Reffortpatriotismus fragt: „was kann ich noch kriegen?", fonbem als Gesamtpreuße: „was muß
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ich haben und was kann ich vertragen?". Gott helfe Ihnen zu alter Rüstigkeit und gebe Ihnen allen reichen Segen in ^.eib und Leele, den ich Ihnen allezeit bort ganzem Herzen wünsche.
Treu der Ihrige.
' 10ß *om Juni bis Dezember 1869 nahm B., der seit Herbst 1866 von körperlichen Leiden häufig heimgesucht ward, Ur-^ub und verbrachte ihn auf dem aus dem „Nationaldank" (nach Beschluß des Abgeordnetenhauses) von iy5 Mill. Mark erstände* nen Ritterguts Varzin in Hinterpommern, bei Schlawe (zwischen Köslin und Stolp). Im August wandte sich Roon in „seinem empörten preußischen Pflichtgefühle" an B. mit der i »rage, ob bte Marinebeamten nicht mehr preußische, sondern I Bundesbeamte sein sollten.
29. Aus dem Briefe an denselben.
27. August 1869.
• • • Staatsrechtlich aber vermag ich die Bestimmungen der Bundesverfaffung in Art. 53 nur dahin auszulegen, daß die Norddeutsche Marine eine Bundesmarine ist Wir haben dieses Resultat bei Herstellung der Verfassung sorgfältig und bewußterweise erstrebt uud darin nicht eine Verminderung der Stellung des Königs gesehen, zu der ich gewiß nicht die Hand geboten hätte, sondern einen Verzicht der übrigeu Bundesstaaten zugunsten Sr. Majestät bezüglich der Marine, wie er analog in betreff des Post-und Telegraphenwesens und mancher anderen juristischen Gebiete stattgefunden hat. Die Form, in welcher der König Kaiserrechte in Deutschland) übt, hat mir niemals eine besondere Wichtigkeit gehabt; an die Tatsache, daß er sie übt, habe ich alle Kraft des Strebens gesetzt, die mir Gott gegeben, und daß unser Herr der Gebieter über die deutschen Seekräfte in vollstem Maße ist, steht außer Zweifel. Sollen wir denen, die nicht den Namen Preußen führen, die Unterordnung, ohne welche die Einheit unmöglich ist, durch äußerliche
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Formen erschweren? Gewiß nicht; in verbis simus fa-ciles1), und in der Sache bleibt es dasselbe, mögen Sie die Marine Preußisch, Teutsch oder Norddeutsch nennen. Tie freiwillige Unterordnung ist doch ein großer Gewinn, und an der Freiwilligkeit hat der Name einen wesentlichen Anteil. Ich hoffe zu Gott, daß die Zeit kommen wird, wo unsere Söhne es sich zur Ehre rechnen werden, den Söhnen des Königs in einer Teutschen Flotte und im Deutschen Heere zu dienen. Dazu aber müssen wir uns Freunde mit dem ungerechten Mammon der Redensarten machen und nicht als Preußen, wie an jeder anbeten Spitze, auch au ber bes Partikularismus stehen. Sie sehen, baß ich mit nationaler Schwärmerei prinzipiell nicht auf Ihrer Seite stehe, obschon ober weil ich mit Begeisterung Preuße uno Vasall des Königs, ja des Markgrafen von Branbenburg bin unb bei entstehender praktischer Spaltung bis zum letzten Atemzüge bleiben werbe.
Am Tage darauf geriet B. in die größte Aufregung über eine von Roon gegengezeichnete Kabinettsorder, die seinen Vorschlag — B. war damals zugleich Generalpostdirektor des Norddeutschen Bundes — betr. die Ernennung eines Beamten zum Postdirektor bemängelte.
30. Aus dem Briefe an denselben.
29. August 1869.
Niemand kann verlangen, daß ich Gesundheit, Leben und selbst den Ruf der Ehrlichkeit oder des gefunden Urteils opfere, um einer Laune zu dienen. Ich habe feit 36 Stunden nicht geschlafen, die ganze Nacht Galle gespien, und mein Kopf ist wie ein Glühofen, trotz Umschläge. Es ist aber auch um den Verstand zu verlieren. Verzeihen Sie meine Aufregung, nachdem Ihr Name unter der Sache steht, aber ich kann ja nicht annehmen, daß Sie bei der Form der Unterschrift sich bie Sache angeeignet
*) In Worten seien wir nachgiebig.
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oder auch nur geprüft haben. Ich selbst überlasse dergleichen dem makellosen Philippsborn, aber nicht dem Kabinetts-Mühler oder . . . (Name einer Frau). Da mag der Kuckuck noch Bundes- resp. Postkanzler sein, wenn man mit solchen Abfertigungen zur Ruhe verwiesen wird. Wenn der Karren, auf dem wir fahren, zerschlagen werden soll, so will ich mich wenigstens vom Veroachte der Mitschuld freihalten. Es ist Sonntag, sonst fürchte ich, daß ich mich an Leib und Seele schädigen würde, um meinem Ingrimm Luft zu machen. Wir sind vielleicht beide zu zornig, um die Galeere weiter rudern zu können. Gute Nacht, wollte Gott, ich könnte schlafen.
Aus ben 1869 in G. Hesekiels „Buch vom Grafen 93." zuerst veröffentlichten Familienbriefen ließ sich ersehen, baß bem „eisernen" Kanzler anch ein reiches Gemütsleben unb warme Herzenstöne nicht freinb waren. Immer schneller unb in immer weiteren Kreisen vollzog sich bie Wanblung, bie aus B., bem 'bestgehaßten', ben populärsten Mann Europas machte.
Am 24. Februar 1870 stellte Lasker im Norbbeutschen Reichstage ben Antrag, man möge bie Bestrebungen Babens, sich bem Bunbe anzuschließen, bankbar begrüßen unb förbern. B. sah in biesem Drängen ein Mißtrauensvotum unb fürchtete, ber voreilige Eintritt Babens würbe Bayern vielleicht zur Anlehnung an Österreich ober Frankreich treiben.
31. Aus ber Rede im Norddeutschen Reichstage über Badens Anschluß.
24. Februar 1870.
Solange ich Bundeskanzler und auswärtiger Minister bin, muß die Politik nach meiner Einsicht gemacht werden, und wenn Sie ihr Steine in den Weg legen, ihr Knüppel in die Räder schieben, so hindern Sie diese Politik, und die Verantwortlichkeit für diese Verhinderung, ja selbst die unzeitige Nötigung, mich auszusprechen, die Verantwortlichkeit für die Folgen tragen Sie, die Antragsteller und Redner, nicht ich. — Wissen
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Sie alles besser wie ich, so setzen Sie sich hierher, und ich werde mich auf jene Stühle setzen und will diejenige Kritik üben, die mir eine 20jährige Erfahrung in den Geschäften deutscher Politik an die Hand geben wird. Aber ich versichere Sie, mein Patriotismus wird mich schweigen lassen, wenn ich fühle, daß Sprechen zur Unzeit ist.
Wenn man den Eintritt Badens in den Norddeutschen Bund wünscht, so kann doch unmöglich einer von uns dies als ein Definitivum, als einen definitiven Abschluß der deutschen Frage betrachten wollen, sondern wir werden darüber einig sein, daß es nur das Mittel sein kann, für das gesamte Deutschland, zwischen Norddeutschland und dem gesamten Süden Deutschlands diejenige engere Vereinigung herbeizuführen, die wir alle erstreben, mag es sein, in welcher Form es will, und die ich dahin definieren möchte, daß wir die intimsten gemeinsamen Institutionen, über die wir uns beiderseitig in voller Freiwilligkeit einigen können, herbeiführen, aber in voller Freiwilligkeit, ohne Drohung, ohne Pression, ohne Druck. Der verstimmte, gezwungene Bayer ooer Württembergs in der engsten Genossenschaft kann mir nichts helfen, und ich würde immer vorziehen, noch ein Menschenalter zu warten, als Zwang nach dieser Richtung hin zu üben.
Bei der Beratung des Strafgesetzbuchentwurfs war Abschaffung der Todesstrafe beantragt worden. B. erklärte sich dagegen und wollte auch davon nichts wissen, daß sie in den Staaten, wo sie aufgehoben war, aufgehoben bliebe.
32. Aus der Rede im Norddeutschen Reichstage über die Todesstrafe.
23. Mai 1870.
Wir sind gegen Sonderrechte, gegen Sondereinrichtungen, gegen die Vorurteile einzelner Regierungen und einzelner Stämme, ja selbst gegen die Rechte
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einzelner Regierungen und einzelner Volksstämme mitunter, weil wir uns der Größe unserer Ziele bewußt waren, mit Härte verfahren — ich darf wohl sagen: mit Härte, wenigstens mit Strenge. Wir
haben unverrückt unser nationales Ziel im Auge behalten; wir haben nicht links, nicht rechts gesehen, ob wir jemandem wehe täten in seiner teuersten Überzeugung. Meine Herren, aus diesem Geiste haben wir unsere Kraft, unseren Mut, unsere Macht geschöpft, zu handeln, wie wir getan. Sobald uns dieser Geist verläßt, sobald wir diesem Geiste entsagen, sobald wir ihn vor dem deutschen Volke und seinen Nachbarn aufgeben, so legen wir damit Zeugnis ab, daß die Spannkraft, mit der wir vor 3y2 Jahren an dieser Stelle unseren Ausgang nahmen, in dem Sande des Partikularismus, des Partikularismus der Staaten und des Partikularismus der Parteien, erlahmt ist. Wir werden die Quelle, aus der wir die Berechtigung schöpften, hart zu sein und mit eisernem Schritt zu zermalmen, was der Herstellung der deutscheu Nation in ihrer Herrlichkeit und Macht entgegenstand (stürmischer Beifall außer von den sozialdemokratischen Plätzen) — ich srene mich des Zeugnisses, das mir durch die Mißbilligung der Gegner deutscher Einheit und deutscher Größe gegeben wird.
II. In Frankreich.
(1870—71.)
B. behandelte die französischen Gebietserweiterungsgelüste lange ^dilatorisch', stellte indes 'niemals irgend jemandem die Abtretung auch nur eines Kleefeldes' in Aussicht, damit kein 'Schandfleck auf unserer Politik hafte'. Die französische Regierung glaubte Sommer 1870, in der SSahl1) des Prinzen Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen zum König von Spa-
*) Wie weit und aus welchen Beweggründen B. auf diese Wahl Einfluß geübt hat, darüber läßt sich noch nicht sicher urteilen; er hoffte doch wohl, im Rücken eines unversöhnlichen Gegners sich einen Bundesgenossen zu schaffen.
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nien einen geeigneten d. H. nur Preußen und nicht das deutsche Nationalgefühl berührenden Vorwand zum Kriege gegen Preußen gefunden zu haben, und richtete an den in Ems weilenden König beleidigende Zumutungen. B. faßte die ihm darüber zugegangene amtliche Mitteilung meisterhaft kurz, aber genau den Tatsachen entsprechend zusammen, so daß die französische Anmaßung fofort hervortrat und vom Könige auf der Stelle zurückgewiesen zu fein schien, veröffentlichte die „Emser Depesche", wozu Wilhelm I. ihn ausdrücklich ermächtigt hatte, und wußte dadurch das deutsche Nationalgefühl mächtig zu entflammen. „Wiederum war er es und kein anderer, der das Rad des Schicksals vorwärts stieß." Am 18. Juli erließ er eine Note an die Vertreter für die deutschen und anderen Regierungen (f. Ziehens Quellenbuch Nr. 79), nahm am 19. die Kriegserklärung aus der Hand des französischen Geschäftsträgers entgegen und begab sich am 31. mit dem Könige ins Feld. B. wußte durch seine geniale Staatskunst Frankreich völlig zu vereinzeln; er und Moltke setzten nach der Schlacht bei Sedan die Kapitulationsbedingungen fest. (Der Brief an die Gattin vom 3. September sowie der vom 5. März 1871 findet sich in Ziehens Quellenbuche Nr. 80 f.).
33. Aus Felvzugsbriefeu an die Gattin.
23. September 1870.
Ich habe mit den Franzosen schon dreimal stundenlang verhandelt, sie bekamen aber über das Elsaß noch immer so schweres Bauchgrimmen, daß wir abbrechen mußten. Fünftausend Millionen Franken glauben sie zahlen zu können und schienen bereit dazu, wenn wir ihnen Straßburg ließen. Aber ich sagte ihnen, von dem Gelde wollten wir erst später reden, vorher die deutsche Grenze feststellen und dicht machen. Tenn sobald sie zu Kräften kämen, griffen sie uns doch wieder an, sagte ich, was sie unter ganz pomphaften Friedensschwüren bestritten. Alles schon dagewesen.
Es gelang B. schließlich, die sehr schwierigen Verhandlungen mit den süddeutschen Regierungen durch Nachgiebigkeit in Äußerlichkeiten zu gutem Ende zu führen und nicht ohne heftige
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m^e uut Wühelm I. den Titel eines Deutschen Kaisers zu erneuern. „Es wird kein Haupt über Deutschland leuchten, das S retne™ sollen Tropfen demokratischen Oles gesalbt rs diesen ^usspruch Uhlands in der Frankfurter Nationalversammlung^ 1848 machte B. dadurch wahr, daß er das allgemeine, gleiche und geheime Wahlrecht von der Verfassung des Norddeutschen Bundes auf das Reich übertrug. Die neue Verfassung des Deutschen Reiches, die den Gegensatz zwischen Absolutismus und Parlamentarismus, zwischen Sondertum und nationalem Gedanken auszugleichen sucht, trat El- ^anuor 1871 in Kraft, und am 18. verlas B. in Versailles die Botschaft Kaiser Wilhelms I. an das deutsche Volk, c r graste B. zur Begründung der nationalen Einheit entfesselt hatte. Am 6. März verließ er Versailles.
Fünfter Abschnitt.
Der Reichskanzler.
(1871—1890.)
Alle Parteien mußten mehr oder weniger von ihrem Erze zu dem Metalle liefern, aus dem B. das neue Reich formte.
Denn rastlosen (Geistes erfaßte er die Bedeutung der wechselnden Zertströrnungeu, benutzte sie in verschiedenem Maße und in verschiedener Weise, nahm sich aber einzig und allein die nationalen Interessen zur Richtschnur. — Und mit welchem Winde er auch segelte, nie ließ er die Hand vom Steuer.
. Mörz 1871 wurde der erste Deutsche Reichstag// I
tn Berlin eröffnet, B. als Reichskanzler in den erblichen Fürsten st and erhoben uud ihm der Besitz Friedrichsruh müz^Aj i bem toachfertwalde (im Herzogtum Lauenburg) verliehen. Wie,^*^ sehr Wilhelm I. Bismarcks Verdienste neidlos anerkannte, hat #»$*£♦'•♦* er oft bewiesen, z. B. nach der Enthüllung des Nationaldenk-mals auf dem Niederwalde am 4. Oktober 1883 durch benX^tUi Gruß, den er dem abwesenden Reichskanzler sandte als „Herbeisührer ber mächtigen Ereignisse unb Leiter berfelben 8um grandiosen Friede..,»
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34. Aus dem Briefe an den Bruder.
23. Juli 1871.
Lieber Bruder! Mögest Du Dein Fest morgen in Gesundheit und Freude erleben, und Gott Dir in dem neuen Lebensjahre mit seinem Segen zur Seite stehn. Es geht mit den letzten Jahren unseres Lebens wie mit allen Abwärts-Bewegungen, sie vergehn in steigender Beschleunigung. Ich kann nicht sagen, daß mir diese schnelle Förderung angenehm wäre; denn so deutlich ich mir gegenwärtig halte, daß jeder Tag der letzte sein kann, so gelingt es mir doch nicht, den Gedanken liebzugewinnen. Ich lebe gern. Es sind nicht die äußern Erfolge, die mich befriedigen und fesseln, aber die Trennung von Frau und Kind würde mir erschrecklich schwer werden. Worin mich Gott aber am meisten gesegnet hat und worin ich am eifrigsten um Fortdauer dieses Segeus bitte, das ist die friedliche Wohlfahrt im Hause, das geistige und körperliche Gedeihen der Kinder, und wenn mir das bleibt, wie ich zu Gott hoffe, so sind alle anderen Sorgen leicht und alle Klagen frivol. In dem Sinne nur erwähne ich, daß meine amtliche Stellung bei allem äußeren Glanze dornenvoller ist, als irgend jemand außer mir weiß, und meine körperliche Fähigkeit, alle die Galle zu verdauen, die mir das Leben hinter den Kulissen ins Blut treibt, ist nahezu erschöpft, meine Arbeitskraft den Ansprüchen nicht mehr gewachsen. In meinen eignen Geldangelegenheiten habe ich kein Glück, vielleicht kein Geschick, jedenfalls nicht die Zeit, mich darum zu bekümmern. Die neue Dotation ist, wie ich denke, sehr wertvoll, bisher aber brachte sie mir nur eine Ausgabe von 85000 Talern. Die Einnahmen stehen mir erst vom 1. Jan. 72 an zu. Bis dahin mache ich Schulden. Immer wären 30000 Tlr. eine schöne Revenue, nur muß man nicht Fürst dabei sein. Auf diesen Schwindel werde ich mich wohl nicht mehr recht einleben; wenn Herbert mit Gottes Hilfe
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lebt und mehr Talent dafür hat, so ist die Revenue für eine fürstliche doch von der Art, daß sie sehr zu Rat gehalten sein will. . .
Wegen seines Gesundheitszustandes weilte B. den größten Teil des Jahres 1872 in Varziu, obschon Kampf mit Rom, Kreisordnung und andere wichtige Fragen auf der Tagesordnung der preußischen Politik standen. Roon war mit dem zunehmenden Einfluß der Liberalen nicht einverstanden und reichte 8. Dezember sein Entlassungsgesuch ein. Auf die Nachricht davon antwortete B. sofort.
35. Aus dem Briefe an den Kriegsminister von Roon.
13. Dezember 1872.
Ich reise, nicht weil ich mich gesund fühle, sondern weil ich für Pflicht halte, die Situation mit Sr. Majestät und mit Ihnen mündlich zu besprechen.
Mein Gewerbe ist ein solches, in dem man viele Feinde gewinnt, aber keine neuen Freunde, sondern die alten verliert, wenn man es 10 Jahre lang ehrlich und furchtlos betreibt. . . Tas muß ich tragen, wenn ich auswärtiger Minister bleiben und der König mich noch schneller aufreiben will, als ich ohnehin zugrunde gehe. Im Innern habe ich den Boden, der mir annehmbar ist, verloren durch die. . . Desertion der konservativen Partei in der katholischen Frage. In meinen Jahren und mit der Überzeugung, nicht lange mehr zu leben, hat der Verlust aller alten Freunde und Verbindungen etwas für diese Welt Entmutigendes. Meine Federn sind durch Überspannung erlahmt; der König, als Retter im Sattel, weiß wohl kaum, daß und wie er in mir ein braves Pferd zuschanden geritten hat; die Faulen halten länger aus, aber ultra posse nemo obligatur1). Ich kann des Königs Preußischer Ministerpräsident nicht bleiben; will Se. Majestät mich als Reichskanzler und auswärtigen Minister
2) Über das Können hinaus ist keiner verpflichtet.
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behalten, so will ich versuchen, diesen Zweig weiter zu besorgen. Tie Verantwortung für Kollegen, auf die ich nur bittweisen Einfluß habe, und die Verantwortung für solche Ansichten und Willensmeinungen Sr. Majestät, die ich nicht teilen kann, vermag ich in meiner deprimierten Gemütsverfassung nicht mehr durchzufechten. Tie meine Bestrebungen kreuzenden Einflüsse sind mir zu mächtig und die. . . Überhebung und politische Unbrauchbarkeit der Konservativen hat meine Freudigkeit im Kampfe feit letztem Frühjahr gebrochen. Ter König muß also meines Ermessens neue, irrt Parteiwesen nicht verbrauchte Leute an die Spitze bringen und mich in Frieden ans mein diplomatisches Altenteil oder gänzlich ziehen lassen. Wir werden, wenn Gott uns Leben gibt, uns der großen Zeit, die wir gemeinsam durcharbeiteten, als alte Freunde gern erinnern.
Der Kaiser genehmigte das Abschiedsgesuch Roons nicht, ernannte ihn vielmehr im Einverständnis mit B. zum Ministerpräsidenten. Doch am 12. November erneuerte jener seine Abschiedseingabe.
36. Aus dem Briefe an den Kriegsminister von Roon.
20. November 1873.
Gott hat die Fahnenflucht unserer Junker von Thron und Evangelium zugelassen und dadurch unser Rüstzeug schwer geschädigt. Aber ich schöpfe auch hier wie 63, 66, 70 in all den Kämpfen, die wir, lieber alter Freund, Schulter an Schulter siegreich bestaudeu haben, Mut aus dem mich tief innerlich berührenden und leitenden Worte: „Gott widerstrebt den Hofsärtigen". Gefochten soll sein, das ist mir so klar, als ob Gott es mir auf deutsch direkt befohlen hätte. Ich stehe dienstlich auf der Bresche, und mein irdischer Herr hat keine Rückzngslinie, also: vexilla regis prodeunt1), und ich will, krank oder gesund, die
*) Die Feldzeichen des Königs winken.
DSA. 45. Bismarcks Reden und Briefe. 6
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Fahne meines Lehnsherrn halten gegen meine faktiösen Vettern, so fest wie gegen Papst, Türken imö Franzosen.
Durch Ihren Austritt bin ich vereinsamt, unter — Ministern — die einzige fühlende Brust. Ter Rest vom alten Stamm, der bleibt, ist faul; ich will nicht zu ihm sagen: „Heinrich, mir graut vor Dir", aber ich habe mitunter Lust, falls ich noch körperlich stärker bin, es ihn empfinden zu lassen.
Wir werden mündlich doch uoch manchen Rückblick auf die elf Geschichtsjahre tun können, die Gott uns zusammen hat durchkämpfen lassen, und in denen wir mehr von seiner Gnade erlebt haben, als wenigstens mein Verstehen und Erwarten faßte. Im Amte aber wird es einsam um mich sein, je länger, je mehr; die alten Freunde sterben oder werden Feinde, und neue erwirbt man nicht mehr. Wie Gott will. Im gelben Sitzungszimmer werde ich die Lücke auf Ihrem Sofaplatze nicht ausgefüllt finden und dabei denken: „Ich hatt' einen Kameraden" — man wird alt, das hat sein Gutes, man ist zufrieden mit Knochen und Leder an sich und anderen.
Als B. sein Werk nach außen gesichert glaubte, entnahm er aus den inneren Zuständen den Antrieb zu neuem Schaffen, das ebenfalls nur der Macht des Staatsganzen und der Nation zugute kommen sollte. 1877 durchdachte er „in schöpferischer Einsamkeit" wahrend zehnmonatlichen Urlaubes alle wirtschaftlichen und sozialen Fragen der Zeit und suchte sich bewußt in ihren Dienst zu stellen, ohne doch seiner persönlichen Selbständigkeit etwas zu vergeben.
37. Brief an den Staatsminister von Bülow.'
15. Dezember 1877.
Neben der Steuerreform und der Fertigstellung der im militärischen Interesse erforderlichen Eisenbahnen gehört die Verwirklichung der Reichsverfassung bezüglich des Eisenbahnwesens zu deujeuigeu Fragen, von deren Lösung ich meinen dauernden Wiedereintritt in die
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Geschäfte abhängig machen muß. Wenn die Ausführung des auf diesen Gebieten für notwendig Erkannten nicht durch ausreichende und spontane Mitwirkung aller in Preußen dazu kompetenten Organe sicher gestellt werden kann, so werde ich zwar, wenn meine Gesundheit es irgend gestattet, zum nächsten Reichstage erscheinen, aber nur um die Gründe meines definitiven Rücktritts öffentlich darlegen zu können. Ich werde nicht verschweigen können, daß ich keine Aussicht zu haben glaube, für die Behandlung der oben erwähnten Fragen in Preußen das Maß freiwilliger Mitwirkung zu finden, ohne welches ihre Lösung nicht möglich ist, und daß ich deshalb bei geschwächten Kräften die fernere Mitarbeit an den Geschäften ablehne, weil ich mich unvermögend fühle, sie bezüglich wichtigerer Fragen in die Wege zu leiten, aus denen ich die Verantwortlichkeit für die Gesamtleitung zu tragen bereit wäre.
Ew. Exzellenz ersuche ich, von vorstehenden Andeutungen auch Sr. Majestät gelegentlich sprechen zu wollen, namentlich um die von der „Kreuzzeitung" gebrachte Lüge zu widerlegen, als ob ich die Entlassung von Hofbeamten Sr. Majestät je zugemutet hätte. Ich habe Feinde am Hofe, aber deshalb werde ich die Ehrerbietung gegen meinen Aller gnädigsten Herrn nicht verletzen. Die Hauptsache für mich ist, daß ich im Staatsministerium Kollegen finde, welche die Maßregeln, die für die Sicherheit und die Interessen Preußens und des Reiches notwendig sind, energisch und freiwillig fördern. Diese Förderung durch Bitten und Überreden zu gewinnen, dazu reichen meine Kräfte nicht aus, und wenn ich Beschlüsse in dem erstrebten Sinne erreiche, so unterbleibt die Ausführung. Mit meinem Namen aber für das Gegenteil meiner Bestrebungen öffentlich einzustehen, kann von mir nicht verlangt werden.
Kühn ergriff B. auch auf dem Gebiete der Handelsund Zollpolitik die Zügel und begann 1879 den Übergang vom Freihandel zum gemäßigten Schutzzoll; dadurch daß er
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ihm die Kirchenpolitik zum Opfer brachte, erlitt seine bis dahin unermeßliche Volkstümlichkeit schwere Einbuße, obschon er dem Deutschen Reiche eine Stellung zwischen den europäischen Großmächten und dadurch eine Art von Übergewicht sicherte.
Seit den Attentaten auf Wilhelm I. 1878 führte B. den Kampf wider die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie durch ein Ausnahmegesetz; da er alle seine Kräfte leidenschaftlich in den Dienst des Staates und des Nationalgefühls stellte, so haßte er ebenso leidenschaftlich alle, die jenen zu stürzen und dieses in den Staub zu ziehen suchten. Als positive Ergänzung zu dem sozialen Kampfe begann er mit der Kaiserlichen Botschaft vom 17. November 1881 die Sozialgesetzgebung, wie Wilhelm I. aussprach: „allein ein Werk großer Voraussicht Bismarcks", zunächst im Gegensatz zu den Konservativen und den liberalen Anschauungen seiner Zeit.
38. Aus der Rede über den Unfallversicherungsentwurf
im Deutschen Reichstage.
2. April 1881.
Seit dem Sozialistengesetz ist immer an mich die Mahnung herangetreten von amtlicher, hochstehender Seite und aus dem Volke: es sei damals versprochen, es müsse auch positiv etwas geschehen, die Ursachen des Sozialismus, insoweit ihnen eine Berechtigung beiwohnt, zu beseitigen. Tie Mahnung ist bis zu diesem Augenblick an mich toto die1) herangetreten, und ich glaube nicht, daß mit der sozialen Frage, die seit 50 Jahren vor uns schwebt, unsere Söhne oder Enkel vollständig ins Reine kommen werden. Keine politische Frage kommt überhaupt zu einem vollständigen mathematischen Abschluß; sie stehen auf, haben ihre Zeiten und verschwinden schließlich unter anderen Fragen der Geschichte; das ist der Weg einer organischen Entwicklung. Ich halte es für meinen Beruf, diese Frage ohne Parteileidenschaft, ohne Aufregung in Angriff zu nehmen. Ich habe das Gefühl, daß der Staat auch für seine Unterlassungen verantwortlich werden kann. Ich
x) Tag für Tag.
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bin nicht der Meinung, daß das „laisser faire, laisser aller“, das reine Manchestertum in der Politik: „Jeder sehe, wie er’s treibe, jeder sehe, wo er bleibe", „Wer nicht stark genug ist zu stehen, wird niedergerannt und zu Boden getreten", „Wer da hat, dem wird gegeben; wer nicht hat, dem wird genommen" — daß das im Staat, namentlich in dem monarchischen, landesväterlich regierten Staat Anwendung finden könne. Im Gegenteil, ich glaube, daß diejenigen, die auf diese Weise die Einwirkung des Staates zum Schutz des Schwächeren perhorres-zieren, ihrerseits sich dem Verdacht aussetzen, daß sie die Stärke, die ihnen, sei es kapitalistisch, sei es rhetorisch, sei es sonstwie beiwohnt, zum Gewinn eines Anhangs, zur Unterdrückung der anderen, zur Anbahnung einer Parteiherrschaft ausbeuten wollen und verdrießlich werden, sobald ihnen dieses Beginnen durch irgend einen Einfluß der Regierung gestört wird. Vor dem Verhungern ist der invalide Arbeiter durch unsre heutige Gesetzgebung geschützt. Nach dem Landrechte wenigstens soll niemand verhungern. Ob es nicht dennoch geschieht, weiß ich nicht. Tas genügt aber nicht, um den Mann mit Zufriedenheit auf fein Alter und feine Zukunft blicken zu lassen; und es liegt in unserm Gesetze auch die Tendenz, das Gefühl menschlicher Würde, welches auch der ärmste Deutsche meinem Willen nach behalten soll, wach zu erhalten, daß er nicht rechtlos als reiner Almosenempfänger dasteht, sondern daß er ein Pefulium1) an sich trägt, über das niemand außer ihm verfügen kann.
39. Aus der Rede über das Tabaksmonopol im Deutschen Reichstage.
12. Juni 1882.
Sozialistisch sind viele Maßregeln, die wir zum großen Heile des Landes getroffen haben, und etwas mehr Sozialismus wird sich der Staat bei unserem
*) — Vermögen.
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Reiche überhaupt angewöhnen müssen (Sehr richtig!). Wir werden den Bedürfnissen auf dem Gebiete des Sozialismus reformierend eutgegenkommen müssen, wenn wir dieselbe Weisheit beobachten wollen, die in Preußen die Stein- und Hardenbergsche Gesetzgebung bezüglich der Emanzipation der Bauern beobachtet hat. Auch das war Sozialismus, dem einen das Gut zu nehmen, dem anderen zu geben, ein sehr viel stärkerer Sozialismus als ein Monopol. Ich freue mich, daß man diesen Sozialismus geübt hat, und ich hoffe, wir werden mit der Zeit Ähnliches für die Arbeiter erreichen. Sie werden genötigt sein, dem Staate ein paar Tropfen sozialen Öls im Rezepte beizusetzen, wie viel, weiß ich nicht, aber es wäre meines Erachtens eine große Vernachlässigung der Pflichten der Gesetzgebung, wenn sie die Reform auf dem Gebiete der Arbeiterfrage nicht erstreben würde, vou _ der wir den Anfang Ihnen jetzt gebracht haben. Sozialistisch war Herstellung der Freiheit des Bauernstandes; sozialistisch ist jede Expropriation zugunsten der Eisenbahnen; sozialistisch ist die ganze Armenpflege, der Schulzwang, der Wegebau, das heißt der Zwang zum Wegebau, indem ich auf meinen Grundstücken einen Weg für die Durchreisenden unterhalten muß. Das ist alles sozialistisch. Wenn Sie glauben, mit dem Worte „Soziamus" jemand Schrecken einflößen zu können oder Gespenster zu zitieren, so stehen Sie auf einem Standpunkte, den ich längst überwunden habe und dessen Überwindung für die ganze Reichsgesetzgebung durchaus notwendig ist.
40. Aus der Rede über das Sozialistengesetz int Deutschen
Reichstage.
9. Mai 1884.
Geben Sie dem Arbeiter das Recht auf Arbeit, solange er gesund ist; geben Sie ihm Arbeit, solange er gesund ist; sichern Sie ihm Pflege, wenn er krank ist;
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sichern Sie ihm Versorgung, wenn er alt ist — wenn Sie das tun und die Opfer nicht scheuen und nicht über Staatssozialismus schreien, sobald jemand das Wort Altersversorgung ausspricht, wenn der Staat etwas mehr christliche Fürsorge für den Arbeiter zeigt — dann glaube ich, daß die Herren vom Wydener Programm i) ihre Lock-pfeife vergebens blasen werden, daß der Zulauf zu ihnen sich sehr vermindern wird, sobald die Arbeiter sehen, daß es den Regierungen und den gesetzgebenden Körperschaften mit der Sorge für ihr Wohl Ernst ist. Ich glaube, daß fie bei den Regierungen nicht an dem Ernst zweifeln. Aber in betreff der gesetzgebenden Körperschaften ist bisher die Überzeugung, daß eZ den Herren ernst darum zu tun wäre, etwas für die Arbeiter zu schaffen, noch nicht sehr durchgedrungen .... Können Sie, die Mehrheit von Ihnen, wirklich ehrlich sagen, daß Sie in entgegenkommender Weise ans dem Gebiete der Leistungen zugunsten der Arbeiter die Regierung unterstützt hatten? Ich glaube, wenn Sie die Hand aufs Herz legen, können Sie das nur zu Wahlzwecken aussprechen, aber nicht behaupten und nicht nachweisen. Sie betrachten das als eine lästige Sache, um die Sie herumkommen und die Schuld der Regierung zuschieben möchten; aber Sie arbeiten nicht mit dem Eifer, den die Sache verdient.
Die letzte Rede, die B. im Reichstage gehalten hat, bezog sich auf den Gesetzentwurf betreffend die Alters- und Jnvaliditäts-versicherung der Arbeiter.
41. Aus der Rede über die Alters- und Jnvaliditäts-versicherung im Deutschen Reichstage.
18. Mai 1889.
. . . Es hat mich in keiner Weise überrascht, daß die sozialdemokratische Partei gegen dieses Gesetz ist. Wenn
*) Auf dem Schlosse Wyden in der Schweiz tagte 1880 ein internationaler Sozialistenkongreß.
eutp der Mitglieder der freisinnigen Partei gesagt hat: daß wir die Sozialdemokraten mit dieser Vorlage nicht gewinnen würden, ginge ans deren Auftreten hier dagegen hervor, so möchte ich darauf doch erwidern, daß dreier Redner zwei Dinge vollständig verwechselt: das Und die sozialdemokratischen Führer und die sozialdemokratischen Massen (Sehr richtig!) Die Massen, welche mit irgend etwas unzufrieden find, mit etwas, dem auch die Sozialdemokratie nicht würde abhelfen können, stimmen bei den Wahlen für die Sozialdemokraten, weil sie ihrer Unzufriedenheit durch eiue antigouveruemeutale Abstimmung eben Ausdruck geben wollen. Auf einem ganz andern Boden stehen die Herren, deren ganze Bedeutung, deren Herrschaft darauf beruht, daß die von ihnen geleiteten und mißleiteten Massen unzufrieden bleiben. Diese lehnen natürlich das Gesetz ab, weil es immer — es wird die Sozialdemokratie in ihrer Gesamtheit nicht versöhnen — doch ein Schritt auf dem Wege und eine Abfindung mit unserm eigenen Gewissen ist, daß wir wirklich berechtigte Unzufriedenheiten nach der Möglichkeit, die sich uns bietet und die der Reichstag uns gestattet, mildern wollen, eine Beruhigung unseres Gewissens für den Fall, daß das nicht hilft, sondern daß wir fechten müssen. Täuschen wir uns doch darüber nicht, daß wir mit der Sozialdemokratie nicht wie mit einer landsmannschaftlichen Partei in ruhiger Diskussion sind, sie lebt mit uns im Kriege (Sehr richtig!), und sie wird losschlagen gerade so gut wie die Franzosen, sobald sie sich stark genug dazu fühlt. Und diefe Stärke vorzubereiten — nicht der großen Partei, sondern der Führer — ist ja die ganze Aufgabe ihrer Politik, — und alles, was diese Stärke zum Losschlagen, zur Erzeugung des Bürgerkrieges, zur Herstellung des Massentritts der Arbeiterbataillone schädigen kann, hindern kann, hemmen kann, das werden sie natürlich bekämpfen, also wird ihnen auch jedes Entgegenkommen für die Leiden des armen Mannes, welches
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von Staats wegen geschieht, hinderlich sein; — das mindert die Unzufriedenheit, und Unzufriedenheit brauchen sie. Also das war natürlich vorauszusehen, daß sie dagegen stimmen würden.
Ich habe mich auch darüber nicht gewundert, daß die Herren von der freisinnigen Partei dagegen stimmen. Ich habe in dem Vierteljahrhundert und mehr, daß ich an dieser Stelle bin, noch nie von diesen Herren eine Zustimmung für irgend etwas gehabt (Oho! links), wenn ich allein vielleicht ausnehme vor Jahr und Tag die letzte Zustimmung zur letzten Hand, die an unsere Wehrverfassung gelegt wurde1). Ob Sie da aus Liebe zum Reich und in Minderung Ihrer Abneigung gegen meine Person gestimmt haben, oder in der fraktionsmäßigen Notlage Ihre Zustimmung oder Ihr Schweigen haben geschehen lassen (Rufe links: Pfui!). — Meine Herren, von „Pfui" ist da nicht die Rede, — erlauben Sie, daß ich da ganz offen rede; wer mir „Pfui" sagt, den nenne ich unverschämt (Bravo! rechts)! Ich will den Herrn gar nicht fragen — —^ Sie mögen die Wahrheit nicht hören; ich bin aber hier, um Ihnen die Wahrheit zu sagen; insultieren lasse ich mich nicht, dann insultiere ich wieder (Bravo! rechts). „Pfui" — ich weiß nicht, worauf sich das bezog; ich kann deshalb darauf nicht erwidern. Ich betrachte es als einen allgemeinen Ausdruck des Haffes, dessen Gegenstand ich seit Jahren hier an dieser Stelle für die Herren, welche dort (links) fitzen, gewesen bin. Als Christ kann ich das hinnehmen, aber als Kanzler, solange ich hier stehe, kämpfe ich dagegen und laffe mir dergleichen nicht sagen, ohne darauf zu reagieren.
Kennen Sie außer Ihrer teils schweigenden, teils ausdrücklichen Zustimmung zu unseren Wehrvorlagen irgend eine organische Bestimmung, von der Reichsverfassung angefangen bis an die heutige Vorlage, bei der die frei-
*) S. Nr. 42 dieser Auswahl.
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sinnige oder, wie sie früher hieß, die Fortschrittspartei der Regierung irgend entgegengekommen wäre, bei der sie das Bestreben gezeigt hätte, sich zu fragen: befestigen wir hierdurch das Reich oder nicht? Sie hatte sich vielleicht gefragt; aber wenn sie sich in ihrem innern Forum die Frage beantwortet hatte, — für welche Seite sie sich dann entschieden hat, zur Befestigung oder nicht, das zu entscheiden überlasse ich dem Urteil der Geschichte. Daß die Herren Welfen gegen die Vorlage sind, das geht aus anderen Gründen hervor als die Opposition der Fortschrittspartei. Ich sage von der Fortschrittspartei nicht, daß sie das Reich nicht will, aber sie will das Reich angebrachtermaßen nicht mit dieser Verfassung, nicht mit diesen Menschen an der Spitze. Wenn die Herren von der Fortschrittspartei selbst an der Spitze stünden, ich glaube, sie würden recht kräftig eingreifen, um das Reich nach der inneren Seite hin stärker zu machen; und ich glaube, sie würden weniger Opposition vertragen, als wir sie vertragen.
Aber auch von konservativer Seite wird gegen das Gesetz eine Opposition teils im ganzen, teils angebrachtermaßen geübt, die ich mit der Aufgabe der konservativen Partei nicht verträglich finde. Ich möchte jedem Konservativen, der hier gegen das Gesetz auftritt, mit dem Spruch des Dichters antworten: „Es tut mir lang' schon weh, daß ich dich iu der Gesellschaft seh'." Es liegt ja sehr nahe — les extremes se touchent —, daß Hyperkonservative — ich habe das oft in meinem Leben schon durchgemacht — sich unter Umständen, wenn sie zornig werden, im politischen Effekt von den Sozialdemokraten nur wenig unterscheiden (»eiterfeit). Ich möchte den Herren zurufen zur Erinnerung an den Boden des Vaterlandes und selbst der Partei, auf dem sie stehen: wie können Sie von seiten der Konservativen Partei auf diese Weise bem individuellen Zorn, dem Verdruß, dem lokalen Interesse Raum geben gegenüber einer Frage, welche die Gesamt-
heit des Reiches so bis in ihre innersten Tiefen berührt, wie das hier geschehen ist! Ich bin betrübt gewesen, in dem Berichte von der gestrigen Sitzung aus einem konservativen Munde unseren Gegnern das Zeugnis geliefert zu sehen, daß in dergleichen Sachen die Gutsinteressen, die lokalen, die persönlichen Interessen in erster Linie maßgebend sind, von den großen Reichsinteressen, von den nationalen, den christlichen Interessen aber gar nicht mehr die Rede ist. Das, meine Herren, ist kein konservatives Gebaren, und wer sich auf diese Seite der Kirchturmspolitik, des Lokalpatriotismus, des Provinzialpatriotismus stellt, der erfüllt die Aufgaben, die ein Mandat eines Reichstagsabgeordneten an ihn stellt, doch nur partiell, mit viel Schatten und wenig Licht. Es gibt auch in der engeren konservativen Partei immer noch Abstufungen, welche miteinander nicht vollständig einverstanden sind, und selbst wenn man sich noch enger faßt, so wird man nach der Eigentümlichkeit der Deutschen in der Selbständigkeit ihrer persönlichen Meinung finden, daß unter sechs Konservativen noch immer zwei auderer Meinung sind, als die andern vier, und ihre Meinung nicht fallen laffen. Das ist gerade ein Zeichen von dem urgermanifcheu Charakter der Konservativen. Die ganze deutsche Zerrissenheit ist entstanden auiTtnefern Überschuß von Selbständigkeit. Liberal zu sein — ja da schwimmt man eben mit dem Strom (fceitetfeit), und das geschieht. Der Franzose ist ja viel regierbarer wie der Germane.
Ich habe lange genug in Frankreich gelebt, um zu wissen, daß die Anhänglichkeit der meisten Franzosen an die Regierung, die gerade da ist und die jedesmal den großen Vorsprung hat, auch wenn sie schlecht regiert, aber doch schließlich auch die au das Land wesentlich damit in Verbindung steht, daß die meisten Franzosen Rentenempfänger vom Staate sind <Sehr richtig!) in kleinen, oft fehr kleinen Beträgen; von Portiers will ich nicht sprechen,
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das sind schon reiche Leute gegenüber den armen, die kleine Renten vom Staate haben. Die Leute sagen: wenn der Staat zu Schaden geht, dann verliere ich ' meine Rente, und wenn es vierzig Franken im Jahre sind, so mag er sie nicht verlieren, und er hat Interesse für den Staat. Es ist ja menschlich natürlich.
Wenn wir 700000 kleine Rentner, die vom Reiche ihre Renten beziehen, haben, gerade in diesen Klassen, die sonst nicht viel zu verlieren haben und bei einer Veränderung irrtümlich glauben, daß sie viel gewinnen können, so halte ich das für einen außerordentlichen Vorteil; wenn sie auch nur 115 bis 200 Mark zu verlieren haben, so erhält sie doch das Metall in ihrer Schwimmkraft; es mag noch so gering sein, es hält sie aufrecht. Sie werden das nicht leugnen, und ich glaube, daß, wenn Sie uns diese Wohltat von mehr als einer halben Million kleinen Rentnern im Reiche schaffen können, Sie sowohl die Regierung — da ist es nicht nötig — aber auch den gemeinen Mann das Reich als eine wohltätige Einrichtung anzusehen lehren werden. Deshalb möchte ich die Sache vom allgemein politischen Standpunkte aus betrachten.
Wenn wir jetzt die ganze Sache beiseite legen, dann ist sie in der Versenkung verschwunden. Wer sagt uus denn, ob wir über ein Jahr Zeit und Muße dafür haben? Ich habe mich für den holsteinischen Kanal bis 1870, sechs Jahre lang, von 1864 an, auf das lebhafteste interessiert. Ich bin von 1870 bis 1880 gar nicht wieder so weit zn Atem gekommen, daß ich hätte an den Kanal denken können. Wer sagt Ihnen denn, daß wir in der Lage sein werden, uns mit dieser Frage, zu der uns Gott im Augenblick noch die Muße gegeben hat, über ein Jahr noch zn beschäftigen? Ich wenigstens möchte das Vertrauen nicht unbedingt aussprechen.
So wurde B. ,,der Moses, der mit seinem Stabe auf den harten, dürren Stein schlug und das lebendige Wasser der
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sozialen Versicherung hervorquellen machte". Er war es auch, der aus nationalen Gründen die ersten Anfänge der deutschen Kolonialpolitik förderte (Auszüge aus seiner Rede vom 13. März 1885 s. bei Ziehen Nr. 82). Für die Wehrhaftigkeit des Reichs trat er wiederholt aufs nachdrücklichste ein, und drohende Kriegsgefahren wurden jedenfalls auch dadurch abgewendet. Nachdem er 1887 in langer Rede die Erhöhung der Friedenspräsenzstärke befürwortet hatte, setzte er ant 6. Februar 1888 die Notwendigkeit der Landwehrdienstpflicht bis zum 39. Lebensjahre in feiner berühmtesten und längsten Reichstagsrede auseinander (ihr Schluß findet sich bei Ziehen Nr. 83).
42. Aus der Rede über die politische Gesamtlage Europas im Deutschen Reichstage.
6. Februar 1888.
Wenn ich heute das Wort ergreife, so ist es nicht, um die Vorlage, die der Herr Präsident eben erwähnte, Ihrer Annahme zu empfehlen. Ich bin nicht in Sorge darüber, daß sie angenommen werden wird, und ich glaube nicht, daß ich irgend etwas dazu beitragen könnte, die Mehrheit, mit der sie angenommen wird und aus die allerdings im Jnlande wie im Auslande ein hoher Wert zu legen ist, zu steigern. Ich habe das volle Vertrauen zum Deutschen Reichstag, daß er diese Steigerung unserer Wehrkraft zu einer Höhe, auf die wir im Jahre 1867 bis 1882 allmählich verzichtet haben, daß er die uns wiedergeben wird, nicht in Ansehung der augenblicklichen Lage, in der wir uns befinden, sondern in voraussichtsvoller Beurteilung der Gesamtlage Europas. Ich werde deshalb, wenn ich das Wort ergreife, mehr über die letztere zu reden haben als über die Vorlage. Ich tue es nicht gern, denn in dieser Sache kann ein Wort, das ungeschickt gesprochen wird, viel verderben, und viele Worte können nicht viel nutzen. Ich tue es ungern; aber ich fürchte, daß, wenn ich fchweigen würde, dann nach den Erwartungen, die sich an die heutige Debatte geknüpft haben, die
Beunruhigung in der öffentlichen Meinung, die nervöse Stimmung in unserer und der fremden Bevölkerung sich eher steigern als mindern würde. Man würde glauben, daß die Sache so schwierig und so kritisch ist, daß ein auswärtiger Minister gar nicht wagte, die Situation zu berühren.
Ich könnte mich darauf beschränken, auf die Äußerungen zu verweisen, die ich von dieser selben Stelle vor etwas mehr als Jahr und Tag getan habe. Es hat sich seitdem in der Situation wenig geändert.
Die Freisinnige Zeitung hat mit besonders fettem Druck hervorgehoben, daß ich im vorigen Jahre gesagt habe: „Unsere Freundschaft mit Rußland hat in der Zeit unserer Kriege gar keine Unterbrechung erlitten und ist auch heute über jeden Zweifel erhaben. Wir erwarten von Rußland durchaus weder einen Angriff noch eine feindselige Politik." Daß dies durch den Druck hervorgehoben worden ist, ist vielleicht in der Absicht geschehen, mir die Anknüpfung daran zu erleichtern (Heiterkeit), vielleicht auch in der Hoffnung, daß ich inzwischen anderer Meinung geworden sein könnte und heute überzeugt wäre, ich hätte mich in diesem Vertrauen zur russischen Politik vor einem Jahr geirrt. Das ist nicht der Fall. Die Gründe, die dazu hätten Anlaß geben können, liegen teils in der russischen Presse, teils in den russischen Truppenaufstellungen.
Was die Presse anbelangt, so kann ich der ein entscheidendes Gewicht an sich nicht beilegen. Man sagt, in Rußland habe sie mehr zu bedeuten als in Frankreich. Ich bin gerade umgekehrt der Meinung: in Frankreich ist die Presse eine Macht, die auf die Entschließungen der Regierung einwirkt, in Rußland ist sie das nicht und kaun das nicht sein. In beiden Fällen aber ist die Presse für mich Druckerschwärze auf Papier, gegen die wir keinen Krieg führen. Hinter jedem Artikel in der Presse steht doch nur ein einzelner Mensch, der die
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Feder geführt hat, um diesen Artikel in die Welt zu schicken. Gegenüber den Stimmen der russischen Presse habe ich das unmittelbare Zeugnis des Kaisers Alexander selbst, nachdem ich seit mehreren Jahren vor einigen Monaten wieder die Ehre gehabt habe, von dem Zaren in Audienz empfangen zu werden. Ich habe mich auch da wiederum überzeugt, daß der Kaiser von Rußland keine kriegerischen Tendenzen gegen uns hegt.
Ich komme zu der andern Frage, der Frage derI^^H Truppenaufstellungen. Sie haben früher in aus ge-' dehntem Maße stattgefunden, sie sind in der jetzigen, bedrohlich erscheinenden Form namentlich seit 1879, nach Beendigung des türkischen Krieges, aufgetreten. Es hat ja sehr leicht den Anschein, als ob die Anhäufung russischer Truppen, die in der Nähe der deutschen und österreichischen Grenzen stattfindet, nur von der Absicht eingegeben werden könnte, eines der Nachbarländer unvorbereitet zu überfallen und anzugreifen. Nun, das glaube ich nicht.
Rußland kann keine Absicht haben, preußische Landesteile zu erobern; ich glaube auch nicht, österreichische. Ich gehe soweit in meinem Vertrauen, daß ich überzeugt bin, selbst dann, wenn wir durch irgend eine explosive Erscheinung in Frankreich, die niemand vorher berechnen kann und die von der heutigen Regierung in Frankreich sicher nicht beabsichtigt wird — wenn wir uns durch deren Eintreten in einen französischen Krieg verwickelt fänden, daß daraus der russische Krieg nicht unmittelbar folgen würde. Umgekehrt, werden wir in einen russischen Krieg verwickelt, so würde der französische ganz sicher sein. Keine französische Regierung würde stark genug sein, ihn zu hindern, auch wenn sie den guten Willen dazu hätte.
Aber Rußland gegenüber erkläre ich noch heute, daß ich keines Überfalls gewärtig bin, und nehme von dem, was ich im vorigen Jahre gesagt habe, nichts zurück.
Sie werden fragen, wozu dann die russischen Truppenaufstellungen in dieser kostspieligen Form? Ja, das sind
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Sragen, auf die man von dem Auswärtigen Kabinett, das dabei beteiligt ist, nicht leicht eine Aufklärung fordern kaun. Wenn man Erklärungen darüber zu fordern ansänge, fo könnten sie geschraubt ausfallen, und die Triplik ist auch wiederum geschraubt. Das ist eiue gefährliche Bahn, die ich nicht gern betrete. Truppenaufstellungen sind meines Erachtens Erscheinungen, über die man nicht — um einen studentischen Ausdruck zu gebrauchen — koramiert, kategorische Erklärungen fordert, sondern denen gegenüber man mit derselben Zurückhaltung und Vorsicht seine Gegenmaßregeln trifft. Ich kann also über die Motive dieser russischen Aufstellungen keine authentische Erklärung geben, aber ich kann mir doch als jemand, der mit der auswärtigen und auch mit der russischen Politik seit einem Menschenalter vertrant ist, meine eigenen Gedanken darüber machen; die führen mich dahin, daß ich annehme, daß das russische Kabinett die Überzeugung hat — und die Überzeugung wird wohl begründet sein —, daß in der nächsten europäischen Krisis, die eintreten könnte, das Gewicht der russischen Stimme in dem diplomatischen Areopag von Europa um so schwerer wiegen wird, je stärker Rußland an der europäischen Grenze ist, je weiter westlich die russischen Armeen stehen.
Wann eine orientalische Krisis nun eintreten kann? — Ja, darüber haben wir keine Sicherheit. Wir haben in diesem Jahrhundert meines Erachtens vier Krisen gehabt, wenn ich die kleineren und nicht zur vollen Entwicklung gekommenen abrechne: eine im Jahre 1809, die mit dem Friedensschluß^ endigte, der Rußland die Pruth-. f4 " t -' grenze gab; dann 1828; dann 1854 den Krimkrieg, und^ ^U ' 1877x— also in Etappen von ungefähr 20 Jahren von-^ M einander entfernt und etwas darüber; warum sollte denn^**: nun gerade die nächste Krisis früher als nach dem gleichen g, ^Zeitraum, also ungefähr 1899, eintreten, auch 22 Jahre später? Ich möchte wenigstens mit der Möglichkeit rech-
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neu, daß die Krisis hintangehalten werden kann und nicht sofort einzutreten braucht. Außerdem gibt es auch andere europäische Ereignisse, die in gleichen Perioden einzutreten pflegen. Beispielsweise polnische Aufstände. Früher hatten wir schon alle 18 bis 20 Jahre einen solchen zu gewärtigen. Vielleicht ist das auch ein Grund, warum Rußland so stark sein will in Polen, um solche zu verhindern. Ebenso Wechsel der Regierungen in Frankreich; sie pflegen auch alle 18 bis 20 Jahre einzutreten, und niemand kann leugnen, daß ein Wechsel in der Regierung Frankreichs eine Krisis herbeiführen kann, die es jeder beteiligten Macht wünschenswert machen muß, mit vollem Gewicht in sie eingreifen zu können — ich meine, nur auf diplomatischem Wege, aber mit einer Diplomatie, hinter der ein schlagfertiges und nahezu bereites Heer steht.
Wenn das die Absicht Rußlands ist, wie ich rein auf Grund des technisch-diplomatischen Urteils, das ich mir nach meiner Erfahrung bilde, viel eher vermute, als daß sie den ziemlich rüden Drohungen und Renommagen der Zeitungen entsprechen würde, so ist für uns absolut noch kein Grund, in unsere Zukunft schwärzer zu sehen, als wie wir es seit 40 Jahren überhaupt getan haben. Es ist ja die wahrscheinlichste Krisis, die eintreten kann, die orientalische. Wenn sie eintritt, so sind wir bei der gerade nicht in erster Linie beteiligt. Wir sind da" vollkommen, und ohne irgend welcher Verpflichtung zu nahe zu treten, in der Lage, abzuwarten, daß die im Mittelländischen Meere, in der Levante nächstbeteiligten Mächte zuerst ihre Entschließungen treffen und, wenn sie wollen, sich mit Rußland vertragen oder schlagen. Wir sind weder zu dem einen noch zu dem andern in erster Lrme in der orientalischen Frage berufen. Jede Großmacht, die außerhalb ihrer Interessensphäre aus die Politik der andern Länder zu drücken und einzuwirken sucht und die Dinge zu leiten sucht, die periklitiert außerhalb des Gebietes, welches Gott ihr angewiesen hat, die treibt
DSA. 45. Bismarcks Reden und Briefe. 7
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Machtpolitik und nicht Jntereffenpolitik, die wirtschaftet auf Prestige hin. Wir werden das nicht tun; wir werden, wenn orientalische Krisen eintreten, bevor wir Stellung dazu nehmen, die Stellung abwarten, welche die mehr interessierten Mächte dazu nehmen.
Es ist also kein Grund, unsere Situation im Augenblicke so ernst zu betrachten, als ob gerade die gegenwärtige Lage der Anlaß wäre, weshalb wir die gewaltige Vermehrung der Streitkräfte, die die Militärvorlage in Vorschlag bringt, heute versuchen sollten. Ich möchte die Frage der Wiedereinrichtung der Landwehr zweiten Aufgebots, kurz, die große Militärvorlage, mit der andern, der Finanzvorlage, ganz loslösen von der Frage, wie unsere augenblickliche Situation ist. Es handelt sich da nicht um eine momentan vorübergehende Einrichtung, es handelt sich um eine dauernde, um ein dauerndes Stärkerwerden des Deutschen Reiches.
Daß es sich nicht um eine momentane Einrichtung handelt, das, glaube ich, wird einleuchtend gefunden werden, wenn ich Sie bitte, mit mir die Kriegsgefahren durchzugehen, welche wir seit 40 Jahren gehabt haben, ohne in eine nervöse Unruhe zu irgend einer Zeit geraten zu sein.
Wir haben im Jahre 1848, wo die Deiche und Schleusen zerbrachen, die bis dahin vielen Gewässern ihren ruhigen Lauf gewiesen hatten, gleich zwei kriegsschwangere Fragen zu verarbeiten gehabt: es war die polnische und die schleswig-holsteinische Frage. Das erste Geschrei nach den Märztagen war: Krieg gegen Rußland zur Herstellung Polens! — Bald darauf war die Gefahr, durch die schleswig-holsteinische Frage in einen großen europäischen Krieg verwickelt zu werden, außerordentlich nahe. Ich brauche nicht hervorzuheben, wie 1850 durch das Abkommen von Olmütz eine große Konflagration, ein Krieg im großen Stile, verhindert wurde. Es folgten darauf vielleicht 2 Jahre ruhigerer Art, aber voller Ver-
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stimmuug. Es war damals, als ich zuerst in Frankfurt Gesandter war. Im Jahre 1853 schon machten sich die Symptome des Krimkrieges fühlbar, von 1853 bis 1856 dauerte dieser Krieg; während der ganzen Dauer desselben befanden wir uns unmittelbar am Rande — des Abgrundes will ich nicht sagen, aber des Abhanges, auf dem wir iu den Krieg hineingezogen werden sollten. Ich erinnere mich, daß ich damals von 1853 bis 1855 genötigt worden bin, ich möchte sagen, wie ein Perpendikel zwischen Frankfurt und Berlin hin- und herzugehen, weil der hochselige König bei dem Vertrauen, das er mir schenkte, mich im Grunde als den Anwalt für seine unabhängige Politik benutzte, wenn der Andrang der Westmächte ihm gegenüber, daß wir auch unserseits Rußland den Krieg erklären sollten, zu stark und der Widerstand seines Ministeriums ihm zu weich wurde. Dann hat — ich weiß nicht wie oft — das Stück sich abgespielt, daß ich herzitiert wurde, daß ich eine mehr russenfreundliche Depesche für Se. Majestät zu entwerfen hatte, daß diese Depesche abging, daß Herr v. Mantenffel seinen Abschied verlangte und daß, nachdem die Depesche abgegangen war, ich mir von Sr. Majestät den Auftrag erbat, zu Herrn v. Mantenffel aufs Land oder sonst wohin zu fahren und ihn zn bewegen, daß er sein Portefeuille wieder übernehme. Jedesmal war aber doch das damalige Preußen dicht am Rande eines großen Krieges: es war der Feindschaft von ganz Europa außer Rußland ausgesetzt, wenn es sich weigerte, auf die westmächtliche Politik einzugehen, anderenfalls aber zum Bruch mit Rußland genötigt, vielleicht auf lange Zeit, weil der Abfall Preußens vielleicht am schmerzlichsten von Rußland empfunden worden wäre.
Wir waren also in unnnterbrochener Kriegsgefahr während des Krimkrieges. Derselbe dauerte bis 1856, wo er schließlich im Pariser Frieden seinen Abschluß fand und uns bei dieser Gelegenheit eine Art
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von Canossa bereitete im Pariser Kongresse, wofür ich bie Verantwortung nicht auf mich genommen haben würbe, unb von ber ich bamals vergeblich abgeraten habe. Wir hatten gar keine Notwenbigkeit, eine größere Macht zu spielen, als wir waren, unb bie bamaligen Verträge zu unterzeichnen. Aber wir antichambrierten, um schließlich zur Unterschrift zugelassen zu werben. Das wirb uns nicht wieber passieren (Heiterkeit).
Das war 1856. Schon im Jahre 1857 Bebrohte uns bie Neuf djate Iler1) Frage mit Krieg; bas ist nicht so bekannt geworben. Ich Bin bamals von betn hochseligen Könige im Frühjahr 1857 nach Paris geschickt worben, um mit bem Kaiser Napoleon über ben Durchmarsch preußischer Truppen zum Angriff auf bie Schweiz zu verhanbeln. Was bas zu bebeuten hat, wenn barauf eingegangen würbe, baß bas eine wettgreifenbe Kriegsgefahr werben konnte, baß bas uns in Verwicklung mit Frankreich sowohl als auch mit anberen Mächten führen konnte, wirb jeber einsehen, bem ich bies mitteile.
So kamen wir, ohne baß bas Kriegsgewölk auch nur ein Jahr ben Horizont uns freigelassen hätte, bis in bie sechziger Jahre hinein.
Schon 1863 war eine kaum mirtber große Kriegsgefahr, bie bem großen Publikum ziemlich unbekannt blieb, unb bie ihren Einbruck erst machen wirb, wenn bermaleinst bie geheimen Archive ber Kabinette ber Öffentlichkeit übergeben sein werben. Sie werben sich bes polnischen Auf-stanbes erinnern, ber 1863 stattfanb, unb ich werbe es nie vergessen, wie ich in jener Zeit bes Morgens ben Besuch zu haben pflegte von Sir Anbrew Buch an an, bem englischen Botschafter, unb Talleyranb, bem französischen Vertreter, bie mir bie Hölle heiß machten über bas unverantwortliche Festhalten ber preußischen Politik an ber
*) N., seit 1707 preußisch, hatte sich 1848 zur Republik erklärt. Die Sache wurde schließlich gütlich beigelegt.
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russischen und eine ziemlich drohende Sprache uns gegenüber führten; ant Mittag desselben Tages hatte ich nachher die Annehmlichkeit, im preußischen Landtage ungefähr dieselben Argumente und Angriffe zu hören, die die beiden fremden Botschafter am Morgen auf mich gemacht hatten (Heiterkeit). Ich hatte das rufig ausgehalten, aber dem Kaiser Alexander riß die Geduld, und er wollte den Degen ziehen gegenüber den Schikanen von feiten der West-mächte. Sie werden sich erinnern, daß die französische Kriegsmacht damals schon mit amerikanischen Projekten und in Mexiko engagiert war, so daß sie nicht mit der vollen Macht auftreten konnte. Ter Kaiser von Rußland wollte sich die polnischen Intrigen von seiten der anderen Machte nicht mehr gefallen lassen und war bereit, mit uns im Bunde den Ereignissen die Stirn zu bieten und zu schlagen. Sie werden sich erinnern, daß damals Preußen in seinem Innern in einer schwierigen Lage war, daß in Deutschland die Gemüter bereits gärten und der Frankfurter Fürstentag sich in der Vorbereitung befand. Man kann also zugeben, daß die Versuchung für meinen allergnädigsten Herrn, die schwierige innere Lage durch Eingehen auf ein kriegerisches Unternehmen im größten Stile abzuschneiden, daß die wohl vorhanden war, und es wäre damals ganz zweifellos zum Kriege gekommen von Preußen und Rußland im Bunde gegen diejenigen, welche den polnischen Ausstand uns gegenüber beschützten, wenn Se. Majestät nicht zurückgeschreckt wäre vor dem Gedanken, innere Schwierigkeiten, preußische wie deutsche, mit fremder Hilfe zu lösen (Bravo!), und wir haben damals, ohne die Gründe unseres Verfahrens gegenüber den uns feindlichen Projekten anderer deutscher Regierungen geltend zu machen, stillschweigend abgelehnt. Der Tod des Königs von Dänemark hat nachher alle Beteiligten auf andere Gedanken gebracht. Aber es bedurfte nur eines Ja statt eines Nein aus Gastein von Sr. Majestät dem König, und der große Krieg, der Koalitionskrieg, war
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schon 1863 vorhanden. Ein anderer als ein deutscher Minister würde vielleicht zugeredet haben aus Utilitätsrück-richten, als Opportunist, um unsere inneren Schwierigkeiten damit zu lösen; im eigenen Volke wie im Auslande hat man eben kaum eine richtige Vorstellung von dem Maß von nationalem Sinn und pflichttreuer Gewissenhaftigkeit Mavo! rechts), welches Monarchen und Minister beim Regieren deutscher Länder leitet (Allseitiges
Bravo).
Das Jahr 1864 — wir sprachen eben von 1863 — brachte neue, dringlichste Kriegsgefahr. Von dem Augenblicke an, wo unsere Truppen die Eider überschritten, bin ich in jeder Woche gefaßt gewesen auf die Einmischung des europäischen Seniorenkonvents (Heiterkeit) in diese dänische Angelegenheit, und Sie werden mir zugeben, daß das im höchsten Grade wahrscheinlich war. Schon damals aber haben wir wahrnehmen können, daß Österreich und Preußen, wenn sie geeinigt sind, doch nicht so leicht von Europa angegriffen werden konnten (Bravo!). Das hat sich schon damals gezeigt; die Kriegsgefahr aber blieb dieselbe.
1865 wechselte sie die Front, und es fing schon damals die Vorbereitung zu dem Kriege von 1866 an.
Es war die große Gefahr vorhanden, welche wir nur durch vorsichtige Benutzung der Umstände hintangehalten haben, daß aus diesem Duell zwischen Preußen und Österreich nicht ein großer europäischer Koalitionskrieg wiederum entbrannte, bei dem es sich um die Existenzfrage, um Kopf und Kragen handelte.
Das war 1866, uuD schon 1867 folgte die Luxemburger Frage, wo es doch auch nur einer etwas festeren Antwort von uns — wie wir sie vielleicht gegeben haben würden, wenn wir damals so stark gewesen wären, um mit Sicherheit einen guten Erfolg vorauszusehen — bedurfte, um den großen französischen Krieg schon damals herbeizuführen. Von da ab, 1868, 1869, find wir bis 1870 ununterbrochen in der Befürchtung vor dem Kriege,
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vor den Verabredungen geblieben, die zur Zeit des Herrn von Beust in Salzburg und anderen Orten zwischen Frankreich, Italien und Österreich getroffen wurden, und von denen man besorgte, daß sie auf unsere Kosten geschehen waren. Es war damals die Befürchtung vor dem Kriege so groß, daß ich in dieser Zeit als Ministerpräsident den Besuch von Kaufleuten und Industriellen erhalten habe, die mir sagten: „Diese Unsicherheit ist ja ganz unerträglich; schlagen Sie doch lieber los! Lieber Krieg, als länger in diesem Truck auf allen Geschäften zu verharren!" Wir haben ruhig abgewartet, bis auf uns losgeschlagen wurde, und ich glaube, wir haben wohl daran getan, uns so einzurichten, daß wir die Angegriffenen blieben und nicht die Angreifer waren.
Nun, nachdem dieser große Krieg von 1870 geschlagen war, frage ich Sie: Ist irgend ein Jahr ohne Kriegsgefahr gewesen? Anfangs der 70er Jahre — schon gleich, wie wir nach Hanse kamen, hieß es: „Wann ist der nächste Krieg? Wann wird die nächste Revanche geschlagen werden? In fünf Jahren doch spätestens?" Man sagte uns damals: „Die Frage, ob wir Krieg führen sollen und mit welchem Erfolg, hängt doch heutzutage nur von Rußland ab; Rußland allein hat das Heft in den Händen." — Auf diese Frage komme ich vielleicht später zurück. — Ich will einstweilen nur noch das_ vierzigjährige Bild durchführen, indem ich erwähne, daß im Jahre 1876 schon wieder die Kriegsunwetter im Süden sich zusammenzogen, im Jahre 1877 der Balkankrieg geführt wurde, der doch nur durch den in Berlin abgehaltenen Kongreß verhindert wurde, eine Konflagration von ganz Europa herbeizuführen, und daß nach dem Kongresse sich plötzlich ein ganz neues Bild uns im Ausblick nach Osten eröffnete, da Rußland uns unser Verhalten auf dem Kongreß übelgenommen hatte. — Ich komme vielleicht auch darauf später zurück, wenn meine Kräfte mir das erlauben.
Es trat dann eine gewisse Rückwirkung der intimen
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Beziehungen der drei Kaiser ein, die uns eine Zeitlang mit mehr Ruhe in Die Zukunft sehen ließ; aber bei den ersten Symptomen von der Unsicherheit der Beziehungen der drei Kaiser oder bort dem Ablaus der Verabredungen die sie-miteinander getroffen hatten, bemächtigte sich unserer öffentlichen Meinung dieselbe nervöse und, wie ich glaube, übertriebene Aufregung, mit der wir heute und die letzten Jahre zu kämpfen haben, — namentlich halte ich sre heute für besonders unmotiviert.
Ich bin nun weit entfernt, aus der Tatsache, daß ich sie heute für unmotiviert halte, den Schluß zu ziehen daß wir eine Verstärkung der Wehrkraft nicht bedürften' sondern umgekehrt. Daher dieses 40jährige Tableau, das ich eben, vielleicht nicht zu Ihrer Erheiterung, aufgerollt habe, und ich bitte um Verzeihung; aber wenn ich etn Jahr hätte fehlen lassen von denen, welche Sie doch alle schaudernd selbst mit erfahren haben, so würde man nicht deu Eindruck haben, daß der Zustand der Besorgnis vor großen Kriegen, vor weiteren Verwicklungen, deren Koalitionsergebnisse niemand vorher beurteilen kann, daß dieser Zustand ein permanenter ist bei uns, und daß wir uns darauf ein für allemal einrichten müssen; wir müssen, unabhängig von der augenblicklichen Lage, so stark sein, daß wir mit dem Selbstgefühl einer großen Nation, dte unter Umständen stark genug ist, ihre Geschicke in ihre eigene Hand zu nehmen, auch gegen jede Koalition, — (Bravo!) mit dem Selbstvertrauen und mit dem Gott-vertrauen, welches die eigene Macht verleiht und die Gerechtigkeit der Sache, die immer auf deutscher Seite bleiben wird nach der Sorge der Regierung —, daß wir damit jeder Eventualität eutgegeuseheu können und mit Ruhe entgegensehen können (Bravo!).
. Wir müssen, kurz und gut, in diesen Zeiten so stark fern, wie wir irgend können, und wir haben die Möglichkeit, stärker zu sein als irgend eine Nation von gleicher Kopfstärke in der Welt (Bravo!) — ich komme darauf noch
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zurück —, es wäre ein Vergehen, wenn wir sie nicht benutzten. Sollten wir unsere Wehrkraft nicht brauchen, so brauchen wir sie ja nicht zu rufen. Es handelt sich nur um die eine, nicht sehr starke Geldfrage, — nicht sehr starke, wenn ich beiläufig erwähne, daß Frankreich in den letzten Jahren 3 Milliarden auf die Verbesserung seiner Streitkräfte verwandt hat, wir kaum iy2 mit Einschluß dessen, was wir Ihnen jetzt zumuten (Hört, prti rechts).
Wenn ich sage, wir müssen dauernd bestrebt sein, allen Eventualitäten gewachsen zu sein, so erhebe ich damit den Anspruch, daß wir noch größere Anstrengungen machen müssen als andere Mächte zu gleichem Zwecke, wegen unserer geographischen Lage. Wir haben mindestens drei Angriffsfronten. Frankreich hat nur seine östliche Grenze, Rußland nur seine westliche (Grenze, auf der es angegriffen werden kann. Wir find außerdem der Gefahr der Koalition nach der ganzen Entwicklung der Weltgeschichte, nach unserer geographischen Lage und nach dem vielleicht minderen Zusammenhang, den die deutsche Nation bisher in sich gehabt hat im Vergleich mit anderen, mehr ausgesetzt als irgend ein anderes Volk. Die Hechte im europäischen Karpfenteich hindern uns, Karpfen zu werden (Heiterkeit), indem sie uns ihre Stacheln in unseren beiden Flanken fühlen lassen; sie zwingen uns zu eiuer Anstrengung, die wir freiwillig vielleicht nicht leisten würden, sie zwingen uns auch zu einem Zusammenhalten unter uns Deutschen, das unserer innersten Natur widerstrebt (Heiterkeit); sonst streben wir lieber auseinander. Wir müssen dieser Bestimmung der Vorsehung aber auch entsprechen, indem wir uns so stark machen, daß die Hechte uns nicht mehr tun, als uns ermuntern (Heiterkeit).
Wir hatte ja früher in den Zeiten der Heiligen Allianz eine Menge Geländer, an denen wir uns halten konnten, und eine Menge Deiche, die uns vor den wilden europäischen Fluten schützten. Da war der Deutsche Bund, und
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bte eigentliche Stütze unb Fortsetzung unb Vollendung bes Teutschen Bundes, zu beren Dienste er gemocht, war bie Heilige Allianz. Wir hatten Anlehnung an Rußlanb unb Österreich, und vor allen Dingen: wir hatten bie Garantie ber eigenen Schüchternheit, daß wir niemals eine Meinung äußerten, bevor die anderen gesprochen hatten (Heiterkeit). Das alles ist uns abhanden gekommen (Sehr gut! rechts); wir müssen uns selber helfen.
43. Aus der Mitteilung an den Deutschen Reichstag über das Hinscheiden Wilhelms I.
9. März 1888.
Es steht mir nicht zu, meine Herren, von dieser amtlichen Stelle aus den persönlichen Gefühlen Ausdruck zu geben, mit welchen mich das Hinscheiben meines Herrn erfüllt, bas Ausscheiden des ersten deutschen Kaisers aus unserer Mitte. Es ist dafür auch kein Bedürfnis, denn die Gefühle, die mich bewegen, sie leben in dem Herzen eines jeden Deutschen; es hat deshalb keinen Zweck, sie auszusprechen. Aber das eine glaube ich Ihnen doch nicht vorenthalten zu dürfen — nicht von meinen Empfindungen, sondern von meinen Erlebnissen —: daß inmitten der schweren Schickungen, welche der von uns geschiedene Herr in Seinem Hause noch erlebt hat, es zwei Tatsachen waren, welche Ihn mit Befriedigung und Trost erfüllten. Die eilte war, daß die Leiden Seines einzigen Sohnes und Nachfolgers, unseres jetzt regierenden Herrn, die ganze Welt — nicht nur Deutschland, sondern alle Weltteile, kann man sagen; ich habe noch heute ein Telegramm aus Neu-York in dieser Beziehung erhalten — mit einer Teilnahme erfüllt haben, die beweist, welches Vertrauen sich die Dynastie des deutschen Kaiserhauses bei allen Nationen erworben hat. Es ist Dies ein Erbteil, kann ich wohl sagen, welches des Kaisers lange Regierung dem deutschen Volke hinterläßt. Das Vertrauen,
— 107 —
das die Dynastie erworben hat, wird sich auf die Nation übertragen trotz allem, was dagegen versucht wird.
Tie zweite Tatsache, in der Se. Majestät einen Trost in manchen schweren Schickungen empfand, war die, daß der Kaiser auf die Entwicklung seiner Hauptlebensaufgabe, der Herstellung und Konsolidierung der Nationalität des Volkes, dem Er als deutscher Fürst angehört hatte, — daß der Kaiser auf die Entwicklung, welche die Lösung dieser Aufgabe inzwischen genommen hatte, mit einer Befriedigung zurückblickte, welche den Abend seines Lebens verschönt und beleuchtet hat. Es trug dazu namentlich in den letzten Wochen die Tatsache bei, daß mit einer seltenen Einstimmigkeit aller Dynastien, aller verbündeten Regierungen, aller Stämme in Deutschland, aller Abteilungen des Reichstags dasjenige beschlossen wurde, was für die Sicherstellung der Zukunft des Teutschen Reiches auf jede Gefahr hin, die uns bedrohen könnte, als Bedürfnis von den verbündeten Regierungen empfunden wurde. Tiefe Wahrnehmung hat Se. Majestät mit großem Troste erfüllt, und noch in der letzten Beziehung, die ich zu meinem dahingeschiedenen Herrn gehabt habe — es war gestern —, hat Er darauf Bezug genommen, wie Ihn dieser Beweis der Einheit der gesamten deutschen Nation, wie er durch die Volksvertretung hier verkündet worden ist, gestärkt und erfreut hat.
Ich glaube, meine Herren, es wird für Sie alle erwünscht sein, dieses Zeugnis, das ich aus eigener Wahrnehmung für Die letzten Stimmungen unseres dahingeschiedenen Herrn ablegen kann, mit in Ihre Heimat zu nehmen, weil jeder einzelne von Ihnen einen Anteil an dem Verdienste hat, welches dem zugrunde liegt.
Meine Herren, die heldenmütige Tapferkeit, das nationale hochgespannte Ehrgefühl und vor allen Dingen die treue, arbeitsame Pflichterfüllung im Dienste des Vaterlandes und die Liebe zum Vater lau de, die in unserem dahingeschiedenen Herrn
— 108 —
verkörpert waren, mögen sie ein unzerstörbares Erbteil unserer Nation sein, welches der aus unserer Mitte geschiedene Kaiser uns hinterlassen hat! Das hoffe ich zu Gott, daß dieses Erbteil bou allen, die wir an den Geschäften unseres Vaterlandes mitzuwirken haben, in Krieg und in Frieden, in Heldenmut, in Hingebung, in Arbeitsamkeit, in Pflichttreue treu bewahrt bleibe!
.. Anfangs blieb B. auch unter Kaiser Wilhelm II. in seinen Ämtern. ^ Bald aber kam es zwischen dem jungen, vom Verantwortlichkeitsgefühl durchdrungenen Herrscher und dem alten, an Machtfülle gewöhnten Kanzler zu einer völligen Entfremdung; am 18. März 1890 folgte B. der wiederholten Aufforderung des Kaisers^und reichte sein Entlassungsgesuch ein. Diese Art seines Sturzes schlug ihm und dem Empfinden des Volkes eine tiefe Wunde. B. zog sich in grimmiger Trauer nach Friedrichsruh zurück. Im Laufe der Jahre empfing er als Wahrzeichen der Einheit aus allen Teilen Deutschlands außerordentliche Huldigungen, namentlich am 80. Geburtstage. Der deutsche Reichstag zwar lehnte es mit 163 gegen 146 Stimmen ab, Glückwünsche darzubringen; der Kaiser aber (bei dem B. am 26. Januar 1894 in Berlin geweilt hatte), erschien persönlich in Friedrichsruh — wie bereits am 19. Februar 1894 —, ferner sämtliche Rektoren der deutschen Universitäten und etwa 6000 Studenten. Zu jenen sagte B.: 'Das Verdienst an der Gründung des Reichs teile ich mit den deutschen Fürsten, ihren Regierungen und der ganzen Volkskraft, sowie diese unsere Kriege durchgefochten hat’; den Studenten rief er zu: 'Geben Sie sich dem deutscheu Bedürfnis nach Kritik nicht zu sehr hin! Halten wir, was wir haben! Ohne Kampf kein Leben. Nur muß man in allen Kämpfen die nationale Frage doch immer als Sammelpunkt haben.'
Der nationale Held starb am 30. Juli 1898 und wurde seinem Willen gemäß im Sachsenwalde bestattet, 'ein treuer deutscher Diener Kaiser Wilhelms 1/ — diese Grabinschrift hat er selbst für sich bestimmt.
„Dort schläft in freier deutscher Erde Er, der sie groß genug gemacht,
Daß sie ein würdig Grab ihm werde.
Schlaf ruhig, Held, dein Deutschland wacht."
— 109 —
Merkworte
aus Bismarcks Reden und Briefen.
1. Behaglichkeit. Wir sind nicht hier in diesem Leben
zur Behaglichkeit, sondern schulden uns und unsere Kräfte dem Dienste Gottes, des Köuigs und des Landes. 28. VIII. 51.
2. Bier. Es wird bei uns Teutschen mit wenig so viel
Zeit totgeschlagen, wie mit dem Biertrinken.
28. III. 81.
Es gehört zum deutschen Bedürfnis, beim Biere von der Regierung schlecht zu reden.
12. VI. 82.
3. Byzantinismus. Ter Byzantinismus ist in unse-
ren Zeiten nie so weit getrieben worden, als in der Anbetung der Majoritäten.
30. XI. 81.
4. Charaktere. Gleichartige Charaktere stoßen sich ab
oder langweilen sich . . ., während bei ungleichartigen jeder den anderen ergänzt und bisher stumme Saiten in ihm anschlägt. 4. III. 47.
5. Furcht. Ein Appell an die Furcht findet im deut-
schen Herzen niemals ein Echo. 18. V. 68.
6. Geburt. Tie Geburt hat mir niemals als Ersatz
für Mangel an Tüchtigkeit gegolten.
91 oder 92.
7. Glauben. Nichts könnte mich zu dem Wunsche ver-
anlassen, einen Tag länger zu leben, wenn ich das, was der Dichter nennt: „An Gott und bessere Zukunft glauben", nicht hätte. 9. X. 78.
8. Grundbesitzer. Ter schlimmste Grundbesitzer ist
der Großgrundbesitzer, der in der Stadt wohnt, sei es in Paris, Rom oder Berlin. 14. II. 85.
9. Krieg. Ich betrachte auch einen siegreichen Krieg
— 110 —
an sich immer als ein Übel, welches die Staatskunst den Völkern zn ersparen bemüht sein muß.
29. VIII. 70.
10. Lernen. Ich schätze mich glücklich, überhaupt nicht
zu den Leuten zn gehören, die mit den Jahren und mit den Erfahrungen nichts lernen.
13. III. 67.
Monarchisch s. unter Preußen.
11. Mißtrauen. Mißtrauen ist Die erste Saat alles
Bösen, angewandt auf den Verkehr der Menschen unter sich, die Quelle fast jeder Bitterkeit und Feindschaft. 17. II. 47.
12. Mutter. Was eine Mutter dem Kind wert ist, lernt
man erst, wenn es zu spät, wenn sie tot ist.
24. II. 47.
13. National. Tie Neigung, sich für fremde Natio-
nalitäten und Nationalbestrebungen zu begeistern, auch dann, wenn dieselben nur auf Kosten des eigenen Vaterlandes verwirklicht werden können, ist eine politische Krankheitsform, deren geographische Verbreitung sich auf Deutschland leider beschränkt. 26. II. 63.
Es liegt ohne Zweifel etwas in unserem Nationalcharakter, was der Vereinigung Deutschlands widerstrebt. 4. III. 67.
Die nationale Ehre geht einem Volke wie das unsere über alles; ihr bringen selbst die Armen freudig ihr Opfer. 11. XII. 67.
Wir haben gerade in Deutschland an nationalem Empfinden und nationaler Lebendigkeit keinen erheblichen Überschuß. 28. XI. 85.
14. Partei. Nie bin ich Parteimann gewesen, ich bin
immer der Mann des Staates und des Königs geblieben. 12. IV. 86.
15. Populär. Ich frage gar nichts danach, ob eine Sache
populär ist, ich frage nur danach, ob sie vernünf-
— 111 —
tig und zweckmäßig ist; die Popularität ist eine vorübergehende Sache. 12. VI. 82.
16. Preußen. Tie großen Krisen bilden das Wetter,
welches Preußens Wachstum fördert.
15. II. 54.
Ter Volksgeist Preußens ist durch und durch monarchisch, Gott sei Tank!, uud dabei wird es auch . . . bleiben. 22. I. 64.
Tie Könige von Preußen sind niemals Könige der Reichen vorzugsweise gewesen. 15. II. 65. Für Preußen ist das monarchische Prinzip und das Königtum das Wertvollste. 24. I. 84.
17. Reform. Tas Wesen der Reform im Gegensatze zur
Revolution liegt in dem Bestreben, auf legalem Wege zu Änderungen des Gesetzes zu gelangen, letzterem aber zu gehorchen, solange es gültig ist.
17. XII. 73.
18. Revolution. Tas Wesen eines revolutionären
Standpunktes besteht immer darin, daß man das eigene Urteil, das eigene Belieben über das im Staate geltende Gesetz stellt. 17. XII. 73. Gewöhnlich ist es der geringe Teil der berechtigten Forderungen, welcher die wirksamsten Vorwände zur Revolution bietet und den Bewegungen nachhaltige und gefährliche Kraft verleiht.
27. V. 66.
20. (Schuldigkeit. Wir find nicht auf dieser Welt, um
glücklich zu sein und zu genießen, sondern um unsere Schuldigkeit zu tun. 26. VI. 51.
19. Scholle. Tas Verwachsen mit der Scholle ist ein
Grundzug deutschen Charakters und eine Wurzel seiner Kraft. 12. VI. 90.
21. Vaterland. Ich stelle stets das Vaterland über meine
Person. 27. III. 74.
Mein Ziel ist nur, auf einem Gebiete meinen Mei-
— 112 —
fter nicht zu finden, auf dem der Fürsorge für das Wohl meines eigenen Vaterlandes.
4. V. 86.
22. Verantwortung. Es ist eine der Krankheiten unse-
rer Zeit, die Scheu vor der Verantwortung.
1. III. 70.
23. Weg. Man kann nicht jeden Weg bis ans Ende
gehen. 15. IV. 71.
24. Welt. Wir sollen uns an diese Welt nicht hängen
und nicht in ihr heimisch werden. 16. VIII. 61
25. Zuneigung. Alle Zuneigungen bedürfen der Gegen-
seitigkeit, wenn sie dauern sollen. 7. XII. 70.
Zeittafel.
1815 1. April. Bismarck geboren in Schönhausen in der Altmark. 18. Juni: Schlacht bei Belle-Alliance. Zweiter Pariser Friede.
1827—32 Bismarck besucht in Berlin das Gymnasium. 1832—35 Bismarck Student in Göttingen und Berlin.
1839 Übernahme des Gutes Kniephos in Pommern.
1840 Regierungsantritt Friedrich Wilhelms IV.
1845 Übernahme des Stammgutes Schönhausen.
1847 Teilnahme an den Verhandlungen des Vereinigten
Landtages. Vermählung mit Johanna von Puttkanter.
1848 18. März: Revolution in Berlin.
18. Mai: Teutsche Nationalversammlung in Frankfurt.
B. nimmt am zweiten Vereinigten Landtage teil.
1849 B. Mitglied der zweiten preußischen Kammer.
1850—51 Tie preußische Verfassung wiro beschworen. Bismarck nimmt ant Erfurter Parlament teil.
1851—59 Bismarck Bundestagsgesandter in Frankfurt.
— 113 —
1853—56 Der Krimkrieg, österreichisch-preußisches Bündnis.
1858 Wilhelm, Prinz von Preußen, wird Regent.
1859 Bismarck Gesandter in Petersburg. Krieg Frank-
reichs und Sardiniens gegen Österreich. Die Einheitsbewegung in Deutschland beginnt wieder.
1861 Wilhelm I. wird König von Preußen.
1862 Verfassungskonflikt in Preußen. 22. Mai: Bis-
marck Gesandter in Paris. 23. September: Bismarck Ministerpräsident.
1863 Deutscher Fürstentag, ohne Wilhelm I., in Frank-
furt. Christian IX. besteigt den dänischen Thron. Österreich und Preußen erklären sich in der schleswig-holsteinischen Frage gegen den Bundestag.
1864 Krieg Österreichs und Preußens gegen Dänemark
in Schleswig-Holstein. Erstürmung der Düppe-ler Schanzen. Wiener Friede.
1865 Gasteiner Vertrag. Bismarck wird Graf.
1866 Bund auf 3 Monate zwischen Preußen und Italien.
7. Mai: Blinds Attentat auf Bismarck. Deutscher Krieg Preußens gegen Österreich. 3. Juli: Schlacht bei Köuiggrätz. Prager Friede. Auflösung des Deutschen Bundes.
1867—71 Norddeutscher Bund.
1868 Erstes Zollparlament.
1870—71 Deutscher Nationalkrieg gegen Frankreich.
1871 18. Januar: Kaiserproklamation in Versailles.
Frankfurter Friede. Erster deutscher Reichstag. Bismarck wird in den erblichen Fürstenstand erhoben.
1873 Die Maigesetze in Preußen. Kulturkampf.
1878 Zwei Attentate auf Wilhelm I. Sozialistengesetz.
Berliner Kongreß.
1879 Deutsch-österreichisches Schutzbündnis.
1881 Ankündigung der sozialpolitischen Gesetzgebung.
1883 Arbeiter-Krankenversicherungsgesetz. aeom-Eckert-tnstitut
DSA. 45. Bismarcks Reden und Briefe. ffcr Relationale
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E 3
Schul i'.bi’ .othek
— 114 —
1884 Arbeiter-Unfallversicherungsgesetz.
1885 Beginn der Kolonialpolitik.
1888 Wehrgesetz. 9. März: Friedrich III. Kaiser; 15 Juni:
Wilhelm II.
1889 Alters- und Jnvaliditätsversicherungsgesetz.
1890 Internationale Arbeiterschutzkonferenz in Berlin. Bismarck wird entlassen.
1898 30. Juli: Bismarck stirbt in Friedrichsruh.
Hilfsmittel.
Ausführliche Nachweise finden sich in der zum 80. Geburtstage des Fürsten von den Buchhändlern Schulze und Koller herausgegebenen Zusammenstellung der Bismarck-Lite-ratur (Leipzig, Gracklauer. 70 Seiten).
Hier sind in erster Linie folgende 14 bei Cotta in Stuttgart und Berlin erschienene Werke zn nennen:
1. Gedanken und Erinnerungen von Otto Fürst von Bismarck.
Zwei Bände.
2. Kaiser Wilhelm I. und Bismarck (Anhang zu den Gedanken
nnd Erinnerungen, Band I).
3. Aus Bismarcks Briefwechsel (Anhang zu den Gedanken
und Erinnerungen, Band II).
4. Fürst Bismarcks Briefe an seine Braut und Gattin. Heraus-
gegeben vom Fürsten Herbert Bismarck.
5. Bismarcks Briefe an seine Gattin aus dem Kriege 1870—71.
6. Briefwechsel des Generals Leopold von Gerlach mit dem
Bundestags-Gesandten Otto von Bismarck. Dritte Aufl.
7. Bismarcks Briefe an den General Leopold von Gerlach.
8. Bismarcks Briefwechsel mit dem Minister Freiherrn von
Schleinitz 1858—1861.
9. Wegweiser durch Bismarcks Gedanken und Erinnerungen.
Von Horst Kohl.
10. Die politischen Reden des Fürsten Bismarck. Historisch-kri-
tische Gesamt-Ausgabe besorgt von Horst Kohl.
11. Bismarckreden 1847—1895. Herausgegeben von Horst Kohl.
— 115 —
12. Fürst Bismarck. Sein politisches Leben und Wirken urkund-
lich dargestellt von Ludwig Hahn.
13. Bismarck-Jahrbuch. Herausgegeben von Horst Kohl. Sechs
Bände.
14. Aus Bismarcks Familienbriefen. Auswahl für die Jugend
von H. Stelling.
Außer diesen Werken*) sind besonders beachtenswert:
15. Abeken. Ein schlichtes Leben in bewegter Zeit.
16. Baumeister. Ausgewählte Reden des Fürsten von Bismarck.
17. Baumgarten. Bismarcks Stellung zu Religion und Kirche,
zumeist nach eigenen Äußerungen.
18. Blum, Hans. Das Deutsche Reich zur Zeit Bismarcks.
19. „ „ Fürst Bismarck und seine Zeit.
20. Böhm und Dove. Fürst Bismarck als Redner.
21. Busch, Moritz. Graf Bismarck und seine Leute.
22. „ „ Bismarck und sein Werk.
23. „ „ Unser Reichskanzler.
24. Dehn. Bismarck als Erzieher.
25. Heyck. Bismarck. (Mit guten Abbildungen.)
26. Keudell. Fürst und Fürstin Bismarck.
27. Kohl2), Bismarckbriefe. 8. Auflage.
28. Kreutzer. Otto von Bismarck. Zwei Bände.
29. Lenz. Geschichte Bismarcks. 2. Auslage.
30. Liman. Bismarck-Denkwürdigkeiten.
31. Lyon. Bismarcks Reden und Briese.
32. Marcks. Kaiser Wilhelm I. 5. Auflage.
33. Peuzler. Marksteine von Bismarcks Lebensweg. 3. Auflage.
34. „ Fürst Bismarck nach seiner Entlassung.
35. Poschinger. Preußen im Bundestage 1851—1857. 4 Bde.
36. „ Bismarck als Volkswirt.
37. „ Bismarck und die Parlamentarier.
38. Prutz. Bismarcks Bildung, ihre Quellen und ihre Äuße-
rungen.
‘) Manche der in Ziehens Quellenbuche S. 202 f. angeführten Werke (z. B. Friedjung) kommen natürlich auch für Bismarcks Leben in Betracht.
Horst Kohl ist als der eigentliche Begründer der wissenschaftlichen Bismarck-Biographie zu bezeichnen; er hat auch eine Zeittafel zu Bismarcks Leben herausgegeben.
— 116 —
39. Rosin. Grundzüge einer allgemeinen Staatslehre nach
Bismarck.
40. Sybel. Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wil-
helm I. 7 Bände.
41. Westarp. Fürst Bismarck und das deutsche Volk.
42. Zeitlin. Fürst Bismarcks sozial-, Wirtschafts- und steuer-
politische Anschauungen.
Von dem Werke des Franzosen Matter: Bismarck et son temps ist bisher der erste, 534 Seiten starke Band (1815
bis 1862) erschienen bei Alcan in Paris 1905.
Inhalts-Verzeichnis.
Einleitung ........................................................... 4
Erster Abschnitt.
Aus der Jugendzeit und den ersten Mannesjahren (1815-1847).
1. Aus dem Briefe an den Vater 25. Januar 1838 ...................... 11
2. „ „ „ „ „ „ 29. September 1838 .... 12
3. „ „ „ „ „ „ 8. August 1844 14
4. „ „ „ „ die Schwester 22. Februar 1845 .... 15
Zweiter Abschnitt.
Der Abgeordnete als Vorkämpfer für die preußische Monarchie (1847—1851).
5. Aus der Rede im preuß. Abgeorduetenhanse 21. August 1849 16
6. „ „ „ 6. Sept. 1849 24
7. ................................. „ 3. Dez. 1850 . 26
Dritter Abschnitt.
Der Gesandte als Vorkämpfer für die deutsche Einheit
(1851—1862).
I. In Frankfurt (1851—1859).
8. Aus dem Briefe an den Herausgeber der Kreuzzeitung, H. Wa-getter, 5. Juni 1851 28
9. Brief an den Minister von Manteuffel 16. März 1854 ... 29
10. Aus dem Briefe an den Minister von Manteusfel 4. Nov. 1856 31
11. Aus dem Briefe an den Generaladjntanten L. von Gerlach
15. Mai 1857 32
II. In Petersburg uud Paris (1859—1862).
12. Aus dem Briefe an den Minister von Schleinitz 12. Mai 1859 34
13. „ „ „ „ die Gattin 2. Juli 1859 .................... 35
— 118 —
Seite
14. Aus dem Briefe an den Bruder 12. Mai 1860 .......................... 36
15. „ „ „ „ „ Kriegsminister von Roon 2. Juni 1862 37
16- „ „ „ „ denselben 9. Juni 1862 .............. 38
17. „ .. n „ „ 15. Juli 1862 ................ 39
Vierter Abschnitt.
Der Ministerpräsident und Bundeskanzler als Schöpfer des neuen Deutschen Reiches (1862—1871).
I. Bis zum deutsch-französischen Kriege (1862—1870).
18. Aus der Rede in der Budgetkommission des preußischen Abgeordnetenhauses 30. September 1862 ............................... 42
19. Aus dem Briefe an den sächs. Minister von Beust 16. Okt. 1862 43
20. Aus der Rede zur polnischen Frage im Abgeordnetenhause
26. Februar 1863 .................................................. 44
21. Aus dem Briefe an John Motley 17. und 18. April 1863 . 49
22. Aus der Rede über die Anleihe für den dänischen Krieg im
Abgeordnetenhause 18. Dezember 1863 ............................... 52
23. Aus der Rede über die Anleihe im Abgeordnetenhause 22. Jan.
1864 .............................................................. 56
24. Aus dem Briefe an den österreichischen Minister Grafen Rech-berg 4. Oktober 1864 .............................................. 60
25. Brief an König Wilhelm I. 2. Mai 1866 62
26. Aus der Rede über den Verfassungsentwurf im konstituierenden Norddeutschen Reichstage 4. März 1867 ............................. 64
27. Aus der Rede über den Verfassungsentwurf im konstituierenden Norddeutschen Reichstage 11. März 1867 ............................ 65
28. Brief an den Kriegsminister von Roon 30. Oktober 1867 . 71
29. Aus dem Briefe an denselben 27. August 1869 ........................ 72
30. „ „ „ „ 29. August 1869 73
31. Aus der Rede im Norddeutschen Reichstage über Badens Anschluß 24. Februar 1870 ........................................... 74
32. Aus der Rede im Norddeutschen Reichstage über die Todesstrafe 23. Mai 1870................................................ 75
II. In Frankreich (1870—71).
33. Aus dem Briefe an die Gattin 23. September 1870
77
— 119 —
Fünfter Abschnitt.
Der Reichskanzler (1871—1890). Seite
34. Aus dem Briefe an den Bruder 23. Juli 1871.............................79
35. „ „ „ „ „ Kriegsminister von Roon 13. Sep-
tember 1872 80
36. „ „ „ „ denselben 20. November 1873 .... 81
37. Brief an den Staats-Minister von Bülow 15. Dezember 1877 82
38. Aus der Rede über den Unfallversicherungsentwurf im Deutschen Reichstage 2. April 1881 84
39. Aus der Rede über das Tabaksmonopol im Deutschen Reichstage 12. Juni 1882 ................................................ 85
40. Aus der Rede über das Sozialistengesetz im Deutschen Reichstage 9. Mai 1884 86
41. Aus der Rede über die Alters- und Jnvaliditätsversicherung
im Deutschen Reichstage 18. Mai 1889 87
42. Aus der Rede über die politische Gesamtlage Europas im Deutschen Reichstage 6. Februar 1888 ............................... 93
43. Aus der Mitteilung an den Deutschen Reichstag über das Hinscheiden Wilhelms I. 9. März 1888 ................................. 106
Merkworte aus Bismarcks Reden und Briefen ................109
Zeittafel................................................................112
Hilfsmittel ............................................................ 114
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11. Lessing, Minna von Barnhelm 1.20
12. Schiller, Der Parasit............1.—
Key to the Parasite................—.80
13. Schiller, Der Neffe als Onkel . —.80 Key to the Nephew as Uncle . . —.80
14. Benedix, Die Hochzeitsreise . —.80 Key to Wedding Trip (Asher) . . —.80
15. Goethe, Egmont.....................1.20
16. Lessing, Emilia Galotti . . . . 1.-
17. Lessing, Nathan der Weise . . 1.50
18. Kugler, Geschichte Friedrichs des
Grossen (Hangen)..................1.50
Key to the History of Frederick the Great (Bengough) .... —.80
19. Hauff, Wirtshaus im Spessart. . 1.50
; 20. Benedix, Das Gefängnis . . . 1.—
> 21. Fulda, Unter vier Augen . . . —.80
: 22. Heyse, Im Bunde der Dritte . . —.80
Entertaining Library for the young.
' With explanatory notes and complete vocabularies by D. Asher. I I. Hall, Uncle Sam’s money box. 1.— I 11. Edgeworth, Orlandino . . 1.—
Students Library
Übersetzungen aus dem Deutschen zur Rückübersetzung. (Schlüssel zur Engl. Übungs-Bibliothek.)
Nr. Jt
1. Benedix, The WeddingTrip (Asher) —.80
2. Kugler, History of Fred, the Great
(Bengough).....................- .80
3. Schiller, The Nephew as Uncle
(Hangen).......................—.80
4. Schiller, The Parasite (Hangen) . —.80
D. Asher’s Übungsbücher.
Jeder Band kart. Jt 1.—.
Vorzügl. zur Examen-Vorbereitung etc.
Die Fehler der Deutschen beim mündl. Gebrauch d. Englischen Sprache. 10. Aufl.
Exercises on the habitual mistakes of Germans in English conversation. 6‘h ed.
Key to the Exercises on the habitual mistakes of Germans in English conversation. 5th ed.
Die wichtigsten Regeln der Englischen Syntax. Anleitung zur Benutzung der „Fehler der Deutschen“ und „Exercises“. 2. Aufl.
E. Döhler’s Literatur-Übersichten.
An historical Sketch of English Literat u re. Kurzer Überblick über die Geschichte der englischen Literatur. 7. Aufl.
kart. v* —.60
Coup d’oeil sur l’histoire de Ia litte-rature fran^aise. Kurzer Überblick über die Geschichte der französischen Literatur. 10. Aufl. kart. M, —.60
Deutsches Lesebuch für höhere Schulen. SonRellwtg.Rirt,Zerntal,
unter Mitwirkung von F>. Sptefi und
H. Ruth.
Vorklasse I Septima . . . geb. M 1.80
II Oktava „ 1.50
I Teil, Sexta. 4. Auflage . ,, ,, 2.40
II. ,, Quinta. 4. Auflage ,, ,, 2.80
III. ,, Quarta. 3. Auflage ,, ,, 2.60
IV. ,, Tertia 4. Auflage . ,, ,, 3.60
V. ,, Unter-Sec. 3. Aufl. ,, 1.80
VI. ,, Oder-Sec. 2. Auflage ,, ,, 2.—
VII. ,, Prima. 2. Auflage . ,, 4.—
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