2 I. Das theokratische Weltreich Karls des Großen. Die für die deutsche Geschichte wichtigste Erwerbung Karls ist die Eroberung des Sachsenlandes. Die Sachsen hatten sich gleichzeitig mit der Entstehung des Frankenstammes aus den Völker¬ schaften gebildet, die an der Nordseeküste und im Gebiete der heutigen Provinzen Westfalen und Lannover angesessen waren. Die Bewegung der Völkerwanderung hatte den Stamm nicht berührt, wenn auch nicht unbeträchtliche Teile an der Eroberung Britanniens sich be¬ teiligten: die Namen der angelsächsischen Königreiche zeigen dies noch. So kam auch bei den Sachsen keine einheitliche Stammes¬ gewalt auf der Grundlage eines Äeerkönigtums auf; es erhielten sich vielmehr die Zustände, wie Tacitus sie schildert. Man war sich wohl der gemeinsamen Stammeszugehörigkeit bewußt; zu gemeinschaft¬ lichen Unternehmungen ist es jedoch nie gekommen. Nur zu einzelnen Stammesteilen hatten die Frankenkönige hin und wieder freundliche, meist aber feindliche Beziehungen. Da die Sachsen unbequeme Grenz¬ nachbarn waren, die oft plündernd in fränkisches Gebiet einfielen, so wurde vielleicht schon früher ihre Unterwerfung versucht, doch stets ohne Erfolg. Auch Karl der Große hat nahezu ein Menschenalter gebraucht, um den starren Freiheitssinn dieses Volkes zu brechen. Auch er hatte es niemals mit einem Gesamtaufgebot der Sachsen zu tun; nur einzelne Völkerschaften, wie Westfalen (fala = Ebene), Engern, Ostfalen und Nordalbinger (Nordelbleute), standen ihm bei seinen Leereszügen gegenüber. Widukind ist erst von der Sage zum Äerzog des ganzen Stammes gemacht worden; allerdings war er Karls gefährlichster Gegner. Fast in jedem Frühjahr mußte Karl einen Feldzug in das Sachsenland unternehmen, um die immer wieder ausbrechende Em¬ pörung zu ersticken. Für die Erbitterung, mit der der Kampf geführt wurde, ist das Blutbad von Verden bezeichnend, das jedoch in den harten Gesetzen des Kriegsrechts seine Erklärung findet. Nur lang¬ sam gelang es, den sächsischen Adel für die fränkische Herrschaft zu gewinnen. Mit der Taufe Widukinds 785 hörte der Widerstand dieses Standes auf. ilttt die Masse der freien Bauern zu bändigen, mußte man zu weitergehenden Maßregeln greifen. Durch umfang¬ reiche Verpflanzungen in fränkisches Gebiet wurden sächsische Volks-, gruppen weithin zerstreut; an ihre Stelle traten fränkische Siedler, die als eine Art Besatzung, ähnlich den Äeerkolonien der Römer, das mit dem Schwerte Gewonnene sichern sollten. Von Anfang des Sachsenkrieges an war es Karl klar gewesen, daß eine völlige Unterwerfung ohne (Einführung des (El) rissen- tums unmöglich fei; so trat neben den Krieger der Missionar. Alle Ordnungen und Gesetze der Kirche wurden den Sachsen aufgezwungen