— 22 — Schrift überführen sönne, und schloß mit den Worten: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir. Amen." Auf den größten Teil der Versammlung machte diese Erklärung einen tiefen Eindruck, beson¬ ders auf Friedrich den Weisen, der nach der Sitzung das feste Auf¬ treten seines „Bruder Martin" nicht genug rühmen konnte. Freilich der Kaiser, dessen spanisch fanatischer Frömmigkeit jedes Rütteln an den äußeren Formen der kirchlichen Überlieferung zuwider war, konnte nicht sehr erbaut davon sein. Der Mönch werde ihn nicht zum Ketzer machen, äußerte er zu seinen Begleitern. Aber das gegebene Wort brach er nicht, er ließ Luther nicht gefangen setzen, vielmehr forderte er ihn selbst zur Abreise auf. Damit glaubte er jedoch auch der Verpflichtungen, die ihm das gewährte sichere Geleit auferlegte, enthoben zu fein. Wenige Wochen nachher entwarf er mit dem päpstlichen Nuntius ein Edikt (eine Verordnung), die über Luther als einen überführten Ketzer die Acht verhängte. Nun war das Leben des Glaubenshelden ernstlich bedroht, wer ihn tötete, erwarb sich ein Verdienst. Aber Friedrich der Weise wachte. Luther hatte den Weg durch Thüringen eingeschlagen, um seine Verwandten in dem Dorfe Möhra bei Eisenach zu besuchen. Unweit Altenstein ließ ihn der Kurfürst von bewaffneten Reitern auf¬ halten, festnehmen und auf die Wartburg bringen. Hier war er in sichrer Hut, niemand wußte, wohin ihn die vermummten, räuberähn¬ lichen Kriegsleute entführt hatten. Als „Junker Georg" verlebte Luther in feinem stillen Asyle einige Monate äußerlicher Ruhe, aber desto größerer innerer Thätigkeit. Auf der Wartburg begann er die Bibel¬ übersetzung, das gewaltigste Werk jener Zeit. Dadurch, daß er die heilige Schrift in die Muttersprache, in das volkstümliche Deutsch der Bürger und Bauern übertrug, senkte er erst die reformatorifchen Ideen tief in die Herzen des Volkes ein und erhob feine Landsleute auf eine Stufe der Bildung, von der sie vorher keine Ahnung gehabt hatten. Die lutherische Bibel hielt in jedem deutschen Haufe ihren Einzug, und viel benutzt, viel gelesen bewährte sie sich als eine Quelle des Trostes, der sittlichen Reinigung, des Nachdenkens und der sprach¬ lichen Schulung von Geschlecht zn Geschlecht. Luther hat dabei auch seine Freunde zu Rate gezogen, aber das Beste hat er selbst ge¬ than; viele Jahre lang (bis 1534) hat er daran gearbeitet, alles sorg¬ sam erwogen und die Sprache des Volkes wie kein anderer getroffen; er, der arme Bergmannssohn, wußte, welches Wort von Herzen kam und zum Herzen drang. Neben ihm hat Melanchthon, der feine Kenner des Griechischen und Hebräischen, einen wichtigen Anteil daran gehabt, er sorgte für Genauigkeit der Übersetzung. Durch Luthers Bibel ent¬ wickelte sich übrigens das Mitteldeutsche vollends zur Schriftsprache,