— 79 — Mit den zeichnenden Künsten wetteiferte die Dichtkunst. Italien hatte seinen Ariost, den Dichter des „Rasenden Roland," und Tor¬ quato Tafso, den Dichter des „Befreiten Jerusalems." Beide lassen die üppige Phantasie jener Kraftperiode frei walten und sind daher recht eigentlich Romantiker. Die Spanier erfreuten fich an dem satirisch-humoristischem Roman „Don Quixote" ihres Cervantes, und an den Dramen ihres Lope de Bega, denen im 17. Jahrh, die Schauspiele des religiös-mystischen, mit unerschöpflicher Phantasie be¬ gabten Cal deron folgten. In England verfaßte und spielte William Shakespeare, geb. in Stratford und gestorben daselbst 1616, seine wahrhaft klassischen Theaterstücke, in Deutschland dichtete Hans Sachs, der Meistersänger, und schrieb Johannes Fischart seine kühnen Sa¬ tiren, die nicht zum kleinsten Teile gegen die Verderbnis der mittel¬ alterlichen Kirche gerichtet sind. Dieselbe kühne Entfaltung mächtiger Persönlichkeiten, wie in Kunst und Wissenschaft, zeigt sich auch im Staatswesen. Hier sind es die Fürsten, die frei schalten und schaffen wollen. Sie haben den alten Lehnsverband gesprengt, sie betrachten das ererbte Land als Fami¬ lienbesitz, verwenden die Einkünfte desselben nach ihrem Belieben wie ein Privatvermögen, treiben auf eigene Hand von ihrem Kabinet aus Politik und ordnen selbst Religion und Sittlichkeit ihrem Staats¬ interesse unter. Wir haben es an Franz I. gesehen. Bei den roma¬ nischen und halbromanischen Völkern, bei den Italienern, Spaniern, Franzosen und Engländern tritt dies deutlicher hervor, als bei dem deutschen Kaiser, der von vielen Landesfürsten so abhängig war, daß er sich fast ganz auf feine Erblande beschränken mußte. Zuweilen artete die unabhängige Königsgewalt in Tyrannei aus, die keine Schranken kannte. Despoten wie Philipp II., Heinrich VIEL, Maria die Katholische, Katharina von Medici vergossen das Blut ihrer Unterthanen in Strömen, und die Stände (die Vertreter des Adels, der Geistlichkeit und der Ratskollegien in den größeren Städten) hießen in sklavischer Unterwürfigkeit alles gut, was der Gebieter thun wollte. Kämpfe gegen die Übermacht unabhängiger Fürsten kamen allerdings vor, aber sie konnten nur bei übermenschlicher Ausdauer, Widerstands¬ fähigkeit und Opferfreudigkeit zum Ziele führen, wie der Fieiheitskampf der Niederländer. Am härtesten, grausamsten und blutigsten waren die religiösen Kämpfe. Als das Papsttum nach dem Trienter Konzil sich ans seiner Unthätigfeit aufraffte zur Gegenreformation und im Bunde mit den katholischen Fürsten die Inquisition mit Folter und Scheiterhaufen ausrüstete, die bestialische Versolgnngswut roher Sol- datenhausen entfesselte und den religiösen Fanatismus durch jesuitische