- 116 — V. Die Anion und einige Sekten der evangelischen Kirche. 1. Die Union, Die Kirche der Jetztzeit zerfällt in zwei große Abtheilungen: in die katholische und in die evangelische. Beide theilen sich wieder in zwei Hälften: die katholische in die griechisch- katholische und römisch -kathlische, die evangelische in die lutherische und resormirt e. Zwischen den Bekennern der griechisch-katholischen und denen der römisch-katholischen Kirche stehen die „unirten Griechen" welche sich zwar strenge an die Lehre der griechischen Kirche halten, aber den Papst als Oberherrn der Kirche anerkennen. Zwischen den Luthe¬ ranern und Reformirten ist ebenfalls eine Union (Vereinigung) zu Staude gekommen und zwar in der unirten Kirche. Die Lutheraner unb Reformirten unterscheiden sich in der Lehre von dem Abendmahl und in der Lehre von der Gnadenwahl, stehen aber übrigens beide auf dem gemeinsamen Boden des reinen, lautern Gotteswortes. Daher ist es natürlich, daß sie zu verschiedenen Zeiten den Versuch gemacht haben, sich einander zu nähern und auch äußerlich zu einer kirchlichen Gemeinschaft zu verbinden. Wir wissen aus einem früheren Abschnitt, daß schon die Reformatoren zusammentraten, um eine Ausgleichung der Unterschiede beider Kirchen herbeizuführen. Damals scheiterte zwar dieser Versuch, aber der Gedanke an eine Vereinigung war einmal angeregt und das Verlangen darnach trat von Zeit zu Zeit immer wieder hervor, besonders stark zu Anfang unsers Jahrhunderts. ES war nach der Zeit des allgemeinen Abfalls während der französischen Revolution und der darauf folgenden Napoleonischen Gewaltherrschaft wieder neues Leben in der Gott entfremdeten Christenheit erwacht. Das gemeinsame Ringen mit den Unterdrückern hatte den Völkern ihr politisches Dasein wiedergegeben und alle Herzen, ohne Unterschied des Bekenntnisses, füblten sich in dem Gedanken vereinigt: Der Herr hat große Dinge an unS gethan! Die drei Monarchen von Preußen, Oesterreich nnd Rußland reichten sich, obgleich sie drei verschiedenen Kirchen angehörten, die Hand zu dem Bunde, der den Zweck hatte, den allge¬ mein christlichen Glanben wieder zur Herrschaft zu bringen, und auch durch die Völker ging ein Streben nach religiöser Gemeinschaft. Diesem Streben verdankt die Union ihre Entstehung. Schon am 18. Juli 1798 batte König Friedrich Wilhelm HI. den Wunsch ausgesprochen, „daß beideConsessionen (Bekenntnisse) der blei¬ benden Verschiedenheiten ungeachtet durch eine gemeinsame Agende*) einander näher gebracht werden mochten." Bei Gelegenheit der 300- *) Agende nennt man das Buch, welches die kirchlichen Vorschriften über die bei den gottesdienstlichen und sonstigen kirchlichen Amtshandlungen des Geistlichen zu beobachtende äußere Form (Ritus) und die bei denselben in Anwendung zu brin¬ genden Anreden, Gebete, Lollecten, SegenSformeln » s. w. enthält.