95. Karl der Kühne von Burgund, 209 fort Siegern in die Hände. Dieselben fanden dort so viel Geld, daß sie es in Hüten unter sich verteilten, dazu kostbare Kleiderstoffe, goldeue und silberne Geräte in Fülle. In ihrer Einfalt hielten die Söhne des Gebirges die silbernen Teller- für zinnerne und gaben sie für eine Kleinigkeit hin. Einer fand des Herzogs kost¬ barsten Diamanten, der die Größe einer Walnuß hatte und von Karl selbst einer Provinz gleichgeschätzt wnrde. Er verkaufte den blitzenden Stein für einen Gulden; später ging er für 20000 Dukaten in die Hände des Papstes über, in dessen Krone er noch heute als erster Edelstein glänzt. 4. 0rfjIstd)t ßci SDJlUVtdt (1476). Voll Scham und Wut über seine Niederlage rüstete Karl so eilig, daß er schon nach wenigen Mouaten wieder mit einem neuen Heere in der Schweiz stand. Er belagerte Murten (am Murtener See, Kanton Freiburg), und hier kam es zu einer zweiten Schlacht. Als die Eidgenossen vor dem Kampfe knieeud Gott anriefen, brach auf einmal die Sonne strahlend durch das dunkle Gewölk; das erfüllte ihre Herzen mit freudiger Zuversicht. Un¬ widerstehlich war ihr Angriff, und Karl erlitt eine noch viel fürchterlichere Niederlage, als bei Graufon. 18000 Burgunder wurden erschlagen oder ertranken im Murtener See. Zum Gedächtnis dieses Sieges errichteten die Eidgenossen auf dem Schlacht- felde ein Haus zur Aufbewahrung der Gebeine der gefallenen Feinde und gaben demselben die Inschrift: „Dieses hat das Heer des mächtigen Herzogs Karl von Burgund zum Andenken hinterlassen!" Die Franzosen haben 1798 dieses Bein- haus aus Neid zerstört; ein Obelisk bezeichnet jetzt die Ruhmesstätte. 5. $ttrul§ ÄÄhNtN (1477). Nach dieser zweiten Nieder- lage gebärdete sich Karl der Kühne wie ein Wahnsinniger. Bald saß er in düsteres Schweigen versunken, bald sprang er auf, knirschte mit den Zähnen und zerraufte sich das Haar. Nun mußte er auch noch hören, daß der von ihm vertriebene verzog Renatus mit Hülfe der Schweizer Lothringen zurückerobert habe. Da raffte er feine letzte Kraft zusammen und zog nach Naney; aber hier erlitt sein geschwächtes Heer die dritte schreckliche Niederlage. Karl selbst wollte sich aus der Verwirrung retten, stürzte aber mit seinem Pferde in einen Übergefrornen Sumpf und wurde von einem Ritter mit der Lanze durchstochen. Erst nach drei Tagen fand man den Leichnam, den man mit der Axt heraushauen mußte. Herzog Renatus ergriff gerührt des Toten starre Hand und sprach: „Vetter, ihr habt uns viel Übles gethan; Gott habe eure Seele!" Darauf ließ er ihn mit allen Ehren bestatten. So verlor, wie ein Sprichwort sagt, Karl der Kühne bei Granson das Gut, Bei Murten den Mut und bei Naney das Blut. 6. 9Jl(lt*iß tiOU S^UVtJltUÖ. Als Karl der Kühne tot war, warb Kaiser Friedrich für feinen Sohn Maximilian um Karls hinterlassene Tochter Maria, und gern reichte diese dem Kaisersohne, den sie im stillen ins Herz geschlossen hatte, ihre Hand^ Ihre Ehe war überaus glücklich, wurde aber schon nach fünf Jahren durch den Tod getrennt. Maria stürzte nämlich aus der Falkenjagd mit dem Pferde und starb an der davongetragenen Verletzung. Maximilian war untröstlich. Von den burgundischen Ländern kamen durch diese Heirat nur die Niederlande an Österreich; das eigentliche Bnrgnnd riß Frankreich an sich. Kaiser, Weltgeschichte. 14