188 82. Der Neubau Preußens. Land abgelöst werden. Bei der Ablösung mit Land gab der Bauer dem Gutsherru für die zu leistenden Dienste einen Teil seines Ackers; doch sollte darauf gehalteu werden, daß dem Bauer wenigstens zwei Drittel der zum Hofe gehörenden Grundstücke verbleiben. Bei der Ablösung mit Geld betrug die Ablösungssumme das Fünfundzwanzig- sache der jährlichen 'Leistungen. Niemand wurde gezwungen, von der Wohltat der Ablösungen Gebrauch zu machen; aber jeder ergriff gern die Gelegenheit, Lasten los zu werden, die er schon lange ungern ge¬ tragen hatte. Durch die Errichtung von Kreditanstalten und Renten banken suchte die Regierung den Bauern die Ablösung zu erleichtern. Von diesen Kassen konnten sie das Ablösungskapital leihen und in jährlichen Abzahlungen allmählich abtragen. So wurde ein unabhängiger, selbständiger Bauernstand geschaffen. 3. Die Städteordnung. Die Städte waren bis dahin abhängig von königlichen Beamten; füllten aber die Bürger sich mit größerer Liebe dem Dienste des Vaterlandes widmen, so mußten ihnen auch größere Rechte au der Teilnahme der Stadtverwaltung zugestanden werden. Darum erließ der König ans Veranlassung des Freiherrn vom Stein am 19. November 1808 die S t ä d t e o r d n n n g , die den Städten das Recht gab, ihre Angelegenheiten unter Aufsicht der Re¬ gierung selbst zu verwalten. Nach dieser Städteordnung wählen die Bürger zu ihrer Vertretung die Stadtverordneten. In der Regel kann jeder Bürger wählen und gewählt werden. Die Wahl gilt immer für eine bestimmte Zeit und wird dann erneuert. Der ganzen Stadt ist ein Magistrat vorgesetzt, dessen Mitgliederzahl je nach der Größe der Stadt größer oder kleiner ist. Die Magistrats¬ mitglieder werden vou den Stadtverordneten gewählt. Der B ü r g e r m e i st e r sollte ans drei vorgeschlagenen Männern von der Regierung ernannt werden. Diese Städteordnung ist andern Staaten ein Muster geworden und hat viel zum Wiederaufblühen der deutschen Städte beigetragen. Später ist sie in einigen Punkten ab¬ geändert worden. ' ^ 4. Die Gewerbefreiheit. Wie die Bauern aus den Fesseln der Untertänigkeit, so wurden die Handwerker aus den Fesseln des Zunft zwanges befreit. Im Jahre 1810 wurde in Preußen die Ge¬ werbefreiheit eingeführt. Der Gewerbebetrieb war nun nicht mehr- abhängig von einer mit dem Besitz eines bestimmten Grundstückes verbundenen Gewerbeberechtigung oder von der Zugehörigkeit zu einer Körperschaft, der Zunft, sondern von der Lösung eines Ge¬ werbescheins und dem Nachweise der Befähigung. Diese Gewerbefreiheit ist den Handwerkern ebenso von Nutzen ge¬ worden, wie den Bauern ihre Befreiung von der Dienstbarkeit. 5. Die Anfänge der allgemeinen Wehrpflicht. Mit der wirtschaft¬ lichen Befreiung der breiten bäuerlichen Schicht ging die Neu¬ gestaltung des Heerwesens Hand in Hand. Sie ist vor allem Scharnhorst zu verdanken. Er wollte das preußische Heer zu einem wahrhaften Volksheer, das preußische Volk zu einem „Volk in Waffen" machen. Das Heer sollte nur aus einheimischen Mann-