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Vilder
aus
der deutschen und brandenburgisch-preußischen
Geschichte.
Für Volksschulen bearbeitet
Dr. K. Zaenicke, und Jr. SLohrer,
flöttigl. Gymnasial-Direktor Bolksschul-Rektor
Kreuzburg, O./Schl.
Erster Teil
(für die Mittelstufe):
Die drei Deutschen Kaiser, der Große Kurfürst und die preußischen Könige.
Als Recensionsexemplar
von der Verlagshandlung ergebenst überreiclit mit der Bitte, einen Abdruck des Referats gefälligst einsenden zu wollen.
/ ^ Preis: Mark
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Bilder
19 DA 415
aus
der deutschen und brandenburgisch-preußischen
Ge e.
Für Volksschulen bearbeitet
Dr. A. Iaenicke, und Jr. SLohrer,
Aönigl. Gymnasial-Direktor Volksschul-Rektor
Kreuzburg, O./Schl
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«Erster Teil
(für die Mittelstufe):
Die drei Deutschen Kaiser, der Große Kurfürst und die preußischer
YT
Berlin,
>eidmannsche Buchhandlung. 1891.
56
„Ans Vaterland, ans teure, schließ Dich i Das halte fest mit Deinem ganzen Herzen."
Schiller.
Uorrvort.
Die unterzeichneten Verfasser haben sich zu dem Versuche vereinigt, die von der Wissenschaft sicher begründeten geschichtlichen Thatsachen mehr als bisher üblich, der Volksschule zugänglich zu machen und diese Thatsachen in einen tieferen, engeren und daher verständlicheren Zusammenhang zu bringen, als es bisher in den geschichtlichen für Volksschulen bestimmten
I Lehrbüchern oder Leitfäden zu geschehen pflegte.
Denn warum sollen Begebenheiten und Ereignisse, welche längst von der Wissenschaft teils als feststehend, teils als schief ober verkehrt bezeichnet worden sind, nicht in der richtigen Fassung ben Schülern ber Volksschule mitgeteilt werben? Bilbenb für ben Verstcmb und das Herz eines Kindes können aber nur solche Dinge sein, welche Ursache und Wirkung erkennen lassen; darum führen wir in unserm Buche zwar einzelne „Bilder" aus der heimischen Geschichte vor Augen, verbinden aber diese Bilder zu einer in sich geschlossenen Gesamtansicht der Entwickelung unseres Vaterlandes.
Unserer eigentlichen Ausgabe, welche wir nach dem angegebenen Gesichtspunkte im zweiten Teile bieses Buches zu lösen unternahmen, schicken wir in betn vorliegenben ersten Teile eine kürzer gefaßte Geschichte ber Hohenzollern voraus, welche für bie Mittelstufe der Volksschulen bestimmt ist und, den bekannten Forderungen Sr. Majestät des Kaisers und Königs entsprechend, mit ber Gegenwart beginnt. Wir erzählen aber nur bie Geschichte ber drei Deutschen Kaiser, um dann nach einem kurzem Überblick auf die Vorgeschichte der Hohenzollern sofort auf den Großen Kurfürsten überzugehen und die Zeit zwischen ihm und Kaiser Wilhelm I. nachträglich zur Darstellung zu bringen.
Wir haben uns hierbei durchaus an die bezüglichen Bestimmungen der Königlichen Regierungen zu Breslau vom 23. Februar 1888, zu Potsbam vom 3. März 1890, zu Hannover vom 26. Februar 1891 , zu Magbeburg vom
Vorwort.
11. Mai 1891 ü. a., sowie an den reichen Stoff des geradezu klassischen Buches: „Ergänzungsheft zum Seminarlesebuche 1. Vaterländisches" gehalten1).
Da die kirchlichen Begebenheiten völlig sachlich erörtert worden sind, so dürfte ihre Behandlung bei keinem Bekenntnisse Anstoß erregen und der Gebrauch unseres Buches von keiner Art von Volksschulen ausgeschlossen sein.
Kreuzburg, den 31. Juli 1891.
Dr. Jaenicke. Stohrer.
Vaterländische Gedenktage.
18. Januar (1701) Preußen wird ein Königreich.
18. Januar (1871) Wiederaufrichtung des Deutschen Reichs. 27. Januar (1859) Kaiser Wilhelm II. geboren.
9. März (1888) Kaiser Wilhelm I. gestorben.
22. März (1797) Kaiser Wilhelm I. geboren.
6. Mai (1882) Kronprinz Friedrich Wilhelm geboren.
15. Juni (1888) Kaiser Friedrich III. gestorben.
3. Juli (1866) Schlacht bei Königgrätz.
1. September (1870) Kaiser Napoleon in Sedan gefangen genommen.
18. Oktober (1813) Schlacht bei Leipzig.
18. Oktober (1831) Kaiser Friedrich III. geboren.
22. Oktober (1858) Kaiserin Auguste Viktoria geboren.
]) Wir verweisen die Lehrer zum weiteren Stndium auf: Jaenicke, „Knrze Weltgeschichte," Verlag von E. Trewendt, Breslau, 1890.
I. Die drei Deutschen Rainer.
I. König Wilhelm I., seit 1871 Deutscher Kaiser.
1861-1888.
a. Ginleitung.
§ l. Jeder Deutsche hat ein weiteres und ein engeres Reich und Vaterland. Das weitere Vaterland ist das Deutsche Reich, ®taat-welches aus mehreren deutschen Staaten zusammengesetzt ist und von einem Kaiser beherrscht wird. Das engere Vaterland ist derjenige Staat, dem wir gerade angehören; es kann ein Königreich sein, z. B. Preußen, Bayern oder Sachsen, oder ein Großherzogtum, z. B. Oldenburg, oder ein Herzogtum, z. B. Braunschweig, u. s. w. So war es aber nicht immer, sondern es gab eine Zeit, wo wir nur ein engeres Vaterland hatten, wo also kein mächtiges Deutsches Reich vorhanden war.
Dieses wurde erst durch den preußischen König Wilhelm I., den Großvater unseres jetzt regierenden Kaisers Wilhelm II., am 18. Januar 1871 geschaffen-
Vor dem Jahre 1871 bestand nur ein machtloser Deutscher Bund ohne einen Kaiser an der Spitze; es war ein ganz lockerer Verein der deutschen Staaten, unter denen der Kaiser-staat Österreich und das Königreich Preußen die größten waren. Da zwischen beiden fortwährende Eifersucht herrschte, so konnte Deutschland nicht erstarken, und die Nachbarländer, besonders Frankreich, machten sich unsere Schwäche wohl zu nutze, b. Wilhelms I. Kriege.
§ 2. Wilhelm 1. erkannte schon vor seinem Regierungs- Wilhelmsl. mitritte, daß nur ein tüchtiges Heer Abhülfe schaffen konnte; Bedeutung, und als er daher 1858 seinen erkrankten Bruder, den König Friedrich Wilhelm IV., zu vertreten hatte, sorgte er vor allem für die Vermehrung und Verbesserung des preußischen
Jaenicke u. ©totjrer, Deutsche Geschichte T. 1
2 Die drei Deutschen Kaiser.
Heeres. Am 2. Januar 1861 starb sein Bruder, und er selbst gelangte zur Herrschaft. Da er am 22. März 1797 geboren ward, zählte er schon 64 Jahre, als er den Thron bestieg, und trotzdem führte er noch drei große Kriege, durch die er sein hohes Ziel, die Einigung Deutschlands unter der Führuug Preußens, glücklich erreichte. Diese drei Kriege waren:
1. der Dänische Krieg 1864;
2. der Deutsche Krieg 1866;
3. der Deutsch-französische Krieg 1870—1871.
Der § 3. Den Krieg gegen Dänemark unternahm König
Dänische Wilhelm 1. noch im Bunde mit Österreich. Der König von Krieg 1864. Dänemark war nämlich zugleich Herzog der deutscheu Länder Schleswig-Holstein und Lauenburg. Er machte aber Schleswig zu einer dänischen Provinz, stellte dänische Beamte an, rottete die deutsche Sprache aus und führte in Kirche und Schule die dänische Sprache ein. Dies durften Österreich und Preußen als die mächtigsten deutschen Staaten nicht zugeben. Beide sandten deshalb Truppen nach Schleswig-Holstein. Die schwierigste Arbeit in diesem Kriege, die Erstürmung der Düppeler Schanzen, fiel den Preußen zu, welche der ritterliche Prinz Friedrich Karl befehligte. Nach einer siebenwöchentlichen Belagerung und Beschießung erfolgte am 18. April 1864 der Sturm auf dieses Bollwerk. Trotz des mörderischen Kanonen- und Gewehrfeuers der Dänen drangen die Preußen todesmutig vor und eroberten nach vierstündiger schwerer Arbeit die Schanzen. Nachdem die Dänen auch aus ihrem letzten Zufluchtsorte, der Insel Alfen, vertrieben waren, verstand sich ihr König zum Frieden; er trat Schleswig-Holstein und Lauenburg ein Österreich und Preußen ab. Holstein wurde von Österreich, Schleswig von Preußen verwaltet; Lauenburg aber trat Österreich an Preußen gegen eine Geldentschädigung ab.
Der § 4. Trotz der gemeinsam errungenen Erfolge dauerte
Deutsche die alte Eifersucht zwischen Österreich und Preußen fort. Krieg 1866. Als daher wegen der Verwaltung von Schleswig - Holstein Parteien^ Streitigkeiten entstanden, entbrannte 1866 der Deuts che Krieg, an dem alle deutschen Staaten teilnahmen. Zn Preußen hielten die norddeutschen Staaten außer Hannover, Sachsen, den beiden Hessen und Nassau; zu Österreich traten diese und alle süddeutschen Staaten über.
Die brei Deutschen Kaiser. 3
Der Krieg wurde wie 1864 nach beit Plänen des großen Der Krieg Schlachtenbenkers von Moltke geführt. Binnen drei Tagen im Men. waren bie Hanptstäbte Hannovers, Sachsens und Kurhessens ohne Blutvergießen besetzt. Die Hannoveraner versuchten zwar sich mit ben Bayern zu vereinigen, würben aber, nachbem sie bei Langensalza gesiegt hatten, eingeschlossen nnb gefangen genommen. Auch ber Feldzug gegen bie Sübdeutscheu am Main verlief für bic Preußen günstig.
Der Hauptkriegsschauplatz war Böhmen. Hier stanb bie Der Krieg österreichische Hauptmacht unter bem Oberbefehlshaber Benebek. Böhmen. Die Preußen rückten mit brei Heeren unter bem Kronprinzen Friebrich Wilhelm, bem Prinzen Friebrich Karl nnb bem General Herwarth von Bitten selb uugehinbert in Böhmen ein. Ehe sie sich aber zu einem Hauptschlage vereinigen konnten, hatten sie eine ganze Reihe von Gefechten zu bestehen, bie alle in bie Zeit vom 26.—29. Juni fielen. Da bas österreichische Heer ber preußischen Tapferkeit und bem Schnellfeuer bes Züubuabelgewehrs nicht stanbhalten konnte, zog sich Benebek auf bie befestigten Höhen von Königgrätz (Säbotva) zurück. Inzwischen hatte ber greise König Wilhelm, ber mit Bismarck nnb Moltke auf bem Kriegsschauplätze eingetroffen war, ben Oberbefehl über sämtliche preußische Truppen übernommen. Im Hauptquartiere würbe beschlossen, benFeinb am folgen ben Tage anzugreifen. Es war bies ein gewagtes Unternehmen, beim Benebek hatte eine wohlbefestigte Stellung eingenommen uub war an Zahl ber preußischen Heeresmacht überlegen, ba ber preußische Kronprinz noch weit entfernt stanb.
Doch ber König vertraute ber Tapferkeit seiner Solbaten uub sanbte noch in betreiben Nacht bem Kronprinzen ben Befehl, sofort mit seinem Heere nach bem Schlachtfelbe aufzubrechen.
So entbrannte am 3. Juli 1866 bie Schlacht bei Königgrätz, ^ Die burch welche ber Krieg entschteben würbe. Um 8 Uhr morgens -^chlacht bei griff Prinz Friebrich Karl ben Feind herzhaft an. Aus 700 om99ra»-Feuerschlünben sanbten bie Österreicher Tob nnb Verberben in bic Reihen ber Preußeu; boch tobesmntig hielten biese aus, obgleich Taufenbc bah insanken. Gegen Mittag erschien enblich ber Kronprinz nnb warf sich mit Ungestüm bem Fcinbe in bie Seite. Mit neuem Mute braugen nun auch bie anbern Truppen vor unb vertrieben ben Feind aus seinen Stellungen. Der Sieg war errungen.
Friede.
Der Norddeutsche Bund.
DerDeutsch-
sranzösische
Krieg.
Ursachen.
4 Die drei Deutschen Kaiser.
Mit dieser Schlacht war der Krieg fast beendet; denn schon am 3. Augnst wurde mit Österreich und den einzelne!: deutschen Staaten Friede geschlossen.
Preußen erhielt drei neue Provinzen: Schleswig-Holstein, Hessen-Nassau und Hannover. Da sich der Deutsche Bund schon vor dem Kriege aufgelöst hatte, gründete jetzt König Wilhelm den Norddeutschen Bnnd, zugleich aber schloß er mit den süddeutschen Staaten ein Schutz- und Trutzbündnis. Im Falle eines Krieges sollte König Wilhelm den Oberbefehl über alle deutschen Truppen übernehmen.
Der König sagte von diesen Erfolgen: „Der Feldzug war kurz aber glorreich, glücklicher, als es irgend jemand von uns zu hoffen gewagt. Aber das war nicht unser Verdienst, sondern Gottes gnädiger Beistand. Auf den Knieen haben wir Gott zu dauken dafür. Darum jetzt keine Überhebung, nicht Übermut, sondern Demut."
§ 5. Preußen war durch die Erfolge vou 1864 und 1866 sehr mächtig geworden. Von den Heldenthaten des preußischen Heeres wurde in der ganzen Welt erzählt. Dies verdroß die eitlen Franzosen, die sich für das ruhmreichste Volk der Erde hielten. Mit Neid sahen sie auf die Vergrößerung Preußens, und obwohl sie 1866 gar nicht mitgekämpft hatten, schrieen sie doch unaufhörlich: „Rache für Sadowa!" und verlangten als Entschädigung die Abtretung des linken Rheinufers an Frankreich. Da aber ein vernünftiger Grund zum Kriege nicht vorlag, so mußte die französische Regierung nach einem Anlaß zum Kriege gegen Preußen suchen. Ein solcher fand sich, als ein hohenzollernscher Prinz znm Könige von Spanien ausersehen wurde. Der Prinz lehnte zwar ab, aber der französische Kaiser Napoleon III. stellte an unsern König das Ansinnen, er solle erklären, daß der Prinz niemals wieder an eine Bewerbung um den spanischen Königsthron denken werde. Als Wilhelm diese thörichte Forderung in echt königlicher Weise ablehnte, erklärte Napoleon am 19. Juli 1870 den Krieg. Das deutsche Volk aber antwortete:
„Sie sollen ihn nicht haben, den freien deutschen Rhein,
Ob sie wie gier'ge Raben sich heiser danach schrein.
Sie sollen ihn nicht haben, den freien deutschen Rhein,
Bis seine Flut begraben des letzten Manns Gebein."
(Nie. Becker.)
Die drei Deutschen Kaiser. 5
Napoleon hatte gehofft, die süddeutschen Staaten würden zu ihm übergehen, sah sich aber bitter getäuscht. Denn ganz Deutschland stand auf wie ein Mann und war von einer Begeisterung und Opferfreudigkeit ergriffen, wie kaum je zuvor.
„Lieb' Vaterland magst ruhig sein:
Fest steht und treu die Wacht, die Wacht am Rhein!" *) Binnen 14 Tagen standen drei große Heeressäulen au der französischen Grenze. Den Oberbefehl über sämtliche deutsche Streitkräfte hatte der König selbst übernommen, die Führung der einzelnen Heere aber vorzugsweise dem Kronprinzen und dem Prinzen Friedrich Karl übertragen. Der Schlachtplan war wieder von Moltke ausgearbeitet worden.
Zwei Siege des Kronprinzen bei Weißen bürg (am 4. August) und bei Wörth (am 6. August), sowie ein Sieg der beiden anderen Heere auf den Höhen von Spicheren (am 6. August), verschafften den deutschen Truppen den Eingang nach Frankreich; die Badenser schritten zur Belagerungvon S t ra ß b u r g.
Darauf kam es am 16. und 18. August in der Nähe von Metz bei Mars la Tour2) [thur] und Grauelotte3) zn sehr blutigen Schlachten. Der Marschall Bazaine [basähnj wurde hierdurch mit einem großen französischen Heere in die Festung Metz geworfen und von dem Prinzen Friedrich Karl eingeschlossen. Jetzt versuchte der Marschall Mac Mahon frnak ma-öng] die belagerte Stadt zu entsetzen; aber die Deutschen kamen ihm zuvor und drängten ihn gegen die Festung Sedan hin. Hier erfolgte am 1. September unter dem Oberbefehl des Königs Wilhelm4) durch die Schlacht bei Sedan die vollständige Einschließung des französischen Heeres. Kaiser Napoleon, der sich ebenfalls in Sedan befand, mußte seine Person und die Festung übergeben. lOOOOO Mann streckten hier die Waffen, und 400 Kanonen fielen in die Hände der Deutschen. Napoleon wurde als Gefangener nach Schloß Wilhelmshöhe bei Kassel geschickt; sein Volk aber wollte nichts mehr von ihm wissen und setzte ihn ab.
Das Sieb: „Die Wacht am Rhein" würbe bereits 1840 von
Schneckenburgcr gebichtet; ebenso Beckers Sieb: „Sie sollen ihn nicht
haben".
2) Vergl.: „Die Trompete von Vionville" von F. Freiligrath.
3) Vergl. „Die Rosse von Gravelotte" von K. Gerok.
4) Vergl.: „Seban" von E. Geibel.
Vorbe-
reitungen.
Deutsche
Siege.
Seban,
l.Septcmf),
1870.
6 Die drei Deutschen Kaiser.
Straßburg Neue große Anstrengungen hatten keinen Erfolg mehr, und Metz. Ende September ergab sich Straßburg^) unb vier Wochen späterMetz; hier wurden 180000 Mann zu Gefangenen gemacht und 1300 Geschütze erbeutet, ein glänzender Erfolg ber Waffen, wie ihn bie Welt bis bohrn nicht gesehen.
Nach mehreren anberen glücklichen Schlachten war ber Paris, größte Teil ber deutschen Heeresmacht nach Paris vorgerückt unb hatte es völlig eingeschlossen. Das Hauptquartier lag in Aufrichtung Versailles swenlälcb!. unb hier versammelten sich, am 18. des neuen Januar 1871, im prächtigen Königsschlosse 40 deutsche Fürsten Deutschen un^ Prinzen, Vertreter ber Freien Städte, zahlreiche Generale is! Januar unb Minister, enblich Offiziere unb Mannschaften aller Truppen-1871. gattungen, um ben ruhmreichen König Wilhelm I. von Preußen zum ersten Deutschen Kaiser feierlich auszurufen^). Alle beutschen Fürsten unb Freien Städte hatten ihre Einwilligung dazu gegeben. König Wilhelm nahm für sich unb seine Erben bie hohe Würbe an mit betn Wunsche zu Gott, „allzeit Mehrer bes Reichs zu sein, nicht in kriegerischen Eroberungen, sonbern an ben Gütern unb Gaben bes Friedens." Damit war bas so lange ersehnte beutsche Einigungswerk zu einem glücklichen Abschlüsse gebracht worben. Friede. Am folgenden Tage unternahmen bie Pariser Truppen
ben letzten ber blutigen Ausfälle, aber ohne Erfolg. Balb bar auf ergab sich bie Hauptstabt. Es kam zum Frieben. Frankreich mußte Elsaß-Lothringen abtreten unb 4000 Millionen Mark Kriegskosten zahlen.
DesKönigs Unter den Ratgebern des Königs unb späteren Kaisers Ratgeber, ragten brei Männer hervor: der Kriegsminister von Roon, der bei der Neuordnung des Heeres thätig war; der große Schlachtendenker Hellmut von Moltke, den der dankbare König in den Grafenstand erhob; und der erste Staatsminister Preußens und Bundeskanzler zugleich Otto von Bismarck. Dieser große Mann war Mitbegründer des Deutschen Reiches und stieg allmählich zum Grafen, zum Fürsten und unter Kaiser Wilhelm IL zum Herzog empor. Seit 1890 lebt er als Privatmann ans seinen Gütern, am liebsten in Friedrichsruh bei Hamburg.
*) Vergl.: „O Straßburg" von Mareard.
2) Zur Benutzung wird empfohlen das im Leipziger Schulbilderverlage erschienene Bild: Die Kaiserproklamation.
Die drei Deutschen Kaiser.
7
c. Jas Deutsche Weich.
§ 6. An der Spitze des Deutschen Reiches steht ein Deutsche erblicher Kaiser, der immer zugleich König von Preußen J^fnoerz ist. Er ist der oberste Kriegsherr und hat über Krieg, Frieden und Bündnisse zu entscheiden. Die Reichsgesetze werden vom Bundesrat, d. i. von den Vertretern der deutschen Fürsten, und vom Reichstage, d. i. von 397 Vertretern des deutschen Volkes, gemeinsam gegeben. Der höchste Beamte im Reiche ist der Bundeskanzler. Den einzelnen Staaten bleiben alle Angelegenheiten wie bisher überlassen, nur das Heer-,
Marine-, Zoll-, Post- und Telegraphenwesen werden vom Reiche verwaltet.
Was der Kaiser versprochen, das hat er gehalten. Das Macht nach Deutsche Reich wurde durch seine stets zunehmende Macht einund Hort des Friedens: denn nicht nur das Landheer, sondern auch die Marine wurde beständig vergrößert und verbessert.
Im Innern festigte sich das Reich durch Einführung gleicher Münzen, Maße, Gewichte und einer einheitlichen Gerichtsverfassung.
In wahrhaft väterlicher Weise sorgte der Kaiser für die Arbeiter-unteren Volksklassen durch die Arbeitergesetze^), welche den gesetze. Arbeitern in Krankheits- und Unglücksfällen, bei Arbeitsunfähigkeit und im Atter kräftige Unterstützung aus der Reichskasse sichern.
Gott hatte das lange Leben Kaiser Wilhelms reich ge- Tod segnet. Ein schönes Familienglück war ihm beschieden. Ge- LUhelms. liebt und hochgeehrt von seinem Volke, feierte er mit seiner hohen Gemahlin, der Kaiserin Augusta (Prinzessin von Sachsen-Weimar) im Jahre 1879 die Goldene Hochzeit, und 1886 konnte er sein 25jähriges Regierungs-Jubiläum begehen.
Besonders festlich aber gestaltete sich die Feier seines 90. Geburtstages im Jahre 1887; aber ein Jahr später war er nicht mehr unter den Lebenden. Tief gebeugt durch die schwere Erkrankung seines Sohnes (§ 7), wurde er am 9. März 1888 durch einen sanften Tod aus diesem thatenreichen Leben abgerufen; die ganze Welt einigte sich in aufrichtiger
*) 1883 kam das Krankenversicherungsgesetz, 1884 das Unfallversicherungsgesetz und 1890 unter Kaiser Wilhelm II. das Jnvaliditäts-und Altersversicherungsgesetz zustande.
8 Die drei Deutschen Kaiser.
Trauer; denn soviel Ehrfurcht und Liebe genoß noch nie zuvor ein Herrscher auf Erden. Im deutschen Volke aber wird das Andenken an diesen großen Kaiser in alle Ewigkeit fortleben. Kaiserin Seine Gemahlin, die Kaiserin Augusta, war das [euch;
Augujta. jeude Vorbild einer rechten Landesmutter. Ihre Gedanken und Bestrebungen waren einzig dem Wohle und der Pflege der Kranken, der Mühseligen und Beladenen gewidmet. Unvergessen wird ihre Wirksamkeit in den deutschen Frauenver-einen und während des Krieges 1870/7 1 sein. Anfang des Jahres 1890 folgte sie ihrem hohen Gemahl im Tode.
2. Friedrich III. Deutscher Kaiser, König von Preußen. 9. März bis 15. Juni 1888.
Als § 7. Der Kronprinz Friedrich Wilhelm folgte seinem
Kronprinz. Vater Wilhelm I. ans dem Kaiser- und Königsthron und nannte sich Friedrich III. Er wurde am 18. Oktober 1831 geboren und von seinen Eltern und hervorragenden Lehrern vortrefflich erzogen. Zu seiner Ausbildung besuchte er die Universität (Hochschule) zu Bonn und vermählte sich mit der königlichen Prinzeß Viktoria von England (Kaiserin Friedrich). Wegen seiner schönen ritterlichen Gestalt und seines leutseligen Wesens wurde er vom Volke unbeschreiblich geliebt und mit Stolz „Unser Fritz" genannt. Wie innig aber auch er sein Vaterland und Volk liebte, hat er in den schönen Worten ausgesprochen: „Ich bin stolz darauf, Gut und Blut einzusetzen für die heiligsten Güter des Vaterlandes" und „Ich kenne kein größeres Ziel meines Strebens, als das Glück und die Wohlfahrt meines Vaterlandes." Seiner Kriegsthaten 1866 und 1870/71 ist schon gedacht worden.
Seine Im Jahre 1887 erkrankte er an einem tückischen Hals-
Krankheit. Übel, welches keine Kunst der Ärzte zu heilen vermochte.
Schwer leidend suchte er in Italien Heilung, und hier empfing er die Nachricht von dem Tode seines geliebten Vaters. Trotz seiner übermäßigen Leiden begab er sich unverzüglich Kaiser nach Charlottenburg bei Berlin, um die Regierungsgeschäfte und König, zu übernehmen. Seine weisen und menschenfreundlichen Regierungsgrundsätze hat er in zwei Schreiben „An mein Volk"
und „An den Reichskanzler" öffentlich fund gethan. Aber er
fand nicht mehr Zeit, seine Pläne zu verwirflichen, denn am Tod. 15. Juni 1888 erlöste ein sanfter Tod den „kaiserlichen
Die drei Deutschen Kaiser. 9
Dulder" von seinen Leiden. Während seiner Krankheit hat er gezeigt, wie ein Held „leidet, ohne zu klagen." Ihm folgte sein ältester Sohn
3. Kaiser Wilhelm II., seit dem 15. Juni 1888
a. Wilhelm II. als jJfrirtj und Kronprinz.
§ 8. Unser Kaiser und König Wilhelm II. wurde am Erziehung 27. Januar 1859 geboren. Dnrch seine Eltern und vor- und erster treffliche Lehrer (Doktor Hinzpeter) erhielt er eine sehr gute Unterricht. Erziehung. Neben dem Unterricht im Lesen, Schreiben,
Rechnen und anderen Gegenständen wurde er auch in fremden Sprachen unterwiesen. Damit aber auch sein Körper recht kräftig würde, mußte er fleißig turnen, schwimmen, rudern, exerzieren und retten. Bei diesen körperlichen Übungen zeigte er große Ausdauer und Willenskraft.
Zu seiner weiteren Ausbildung besuchte der Prinz das Auf dem
Gymnasium zu Kassel. Die Lehrer durften mit ihm feine®
Ausnahme machen, denn seine hohen Eltern hatten es so Hochschule, bestimmt. Nach gut bestandener Prüfung verließ er die Anstalt und erhielt als Auszeichnung für seinen Fleiß eine Denkmünze.
Zur Vollendung seiner wissenschaftlichen Ausbildung bezog Prinz Wilhelm die Hochschule (Universität) zu Bonn ain Rhein.
Hier widmete er sich zwei Jahre mit Ernst den Wissenschaften, nahm aber mich gern an dem fröhlichen Leben und Treiben der Studenten teil.
Wie alle Hohenzollern wurde auch Prinz Wilhelm ein Militärische tüchtiger Soldat. Seilt Großvater, Kaiser Wilhelm I., sprach zu ihm, als er in das 1. Garde-Regiment zu Fuß in Potsdam
eintrat: „Gehe hin und thue Deine Schuldigkeit, wie sie Dir bildung.
gelehrt wird. Gott sei mit Dir!" Der Prinz verrichtete wie jeder andere Offizier seinen Dienst. Durch Gehorchen lernte er die Kunst des Befehlens, und so stieg er von Stufe zu Stufe bis zum General-Major empor. Ans dieser letzten Stellung wurde er auf den Thron berufen.
Damit er auch erfahre, wie die Provinzen und der ganze Staat regiert werden, ließ er sich von ausgezeichneten Verwaltungsbeamten unterweisen.
Im Jahre 1881 vermählte sich Prinz Wilhelm mit der Ver-Prinzessin Auguste Viktoria von Schleswig-Holstein, uwhlung. Sie ist nun unsere Kaiserin. Durch ihre Anmut, Herzens?
Regierungs-
antritt.
Erster
Reichstag.
Sorge für das Land.
10 Die drei Deutschen Kaiser.
güte unb wahre Frömmigkeit erwarb sie sich bald die Liebe und Verehrung des deutschen Volkes. Gott schenkte dem hohen Fürstenpaare sechs Söhne. Der älteste, Kronprinz Friedrich Wilhelm, wurde am 6. Mai 1882 zu Berlin geboren, b. Wilhelms II. Wegierung.
§ 9. Am 15. Juni 1888 bestieg der noch jugendliche Prinz denThron seinerVäter als W i l h e lm II.,D e u t s ch e r K ai ser, König von Preußen. Er übernahm damit die Sorge für fast 50 Millionen Unterthanen. Bald nach seinem Regierungsantritte eröffnete er den Deutschen Reichstag im Königlichen Schlosse zu Berlin. Fast sämtliche deutsche Fürsten und die Vertreter des ganzen deutschen Volkes waren zu dieser Feierlichkeit nach Berlin geeilt. Sie gaben dadurch zu erkennen, daß Deutschland nach wie vor einig sei, und daß sie auch dem neuen Kaiser treu ergeben sein wollen in gnten und bösen Tagen. Kaiser Wilhelm aber gelobte vor dieser hohen und glänzenden Versammlung „ein gerechter uud milder Fürst zu sein, Frömmigkeit und Gottesfurcht zu pflegen, den Frieden zu schirmen, den Armen uud Bedrängten ein Helfer, dem Rechte ein treuer Wächter zu sein."
Des Kaisers festes und würdevolles Auftreten erfüllte das deutsche Volk mit Freude und erweckte Vertrauen. Er ist seitdem unermüdlich ans das Wohl seiner Unterthanen bedacht. Über alles, was im Deutschen Reiche vorgeht, läßt er sich berichten, und Übelstände sucht er zu beseitigen.
Um den Frieden dem Vaterlande zu erhalten, machte der Kaiser vielen europäischen Fürsten Freundschaftsbesuche. Mit dem frohen Bewußtsein, den Frieden gesichert zu haben, kehrte er in die Heimat zurück.
Damit aber das Deutsche Reich auch gegen feindliche Angriffe geschützt sei, sorgt er für ein starkes, kriegsbereites Heer und für eine mächtige und tüchtige Kriegsflotte. Durch die Erwerbung von Helgoland hat er mich schon für die Vermehrung des Reiches gesorgt.
Um die Lage der Arbeiter zu verbessern, setzte er das von seinem Großvater Wilhelm I. begonnene Werk der Arbeiten gesetzgebuug fort. Er war bemüht, auch im Alter und bei eingetretener Arbeitsunfähigkeit für sie zu sorgen. Alle Personen, die in einem Dienstverhältnis stehen, erhalten mit dem vollendeten 70. Lebensjahre eine Altersrente (Unter-
Der Große Kurfürst unb die preußischen Könige.
11
stützimg) von 106-191 Mark; die Invalidenrente beträgt 114—415 Mark. Der größte Teil dieser Smnme wird aus der Reichskasse gezahlt.
So hat bisher noch kein Fürst für die arbeitenden Klassen
gesorgt.
Möge der Segen Gottes ruhen auf unserm Kaiser und Könige und auf seinem ganzen Hause! Das schönste Land hieuiedeu, es ist mein Vaterland.
Nichts raube ihm den Frieden, geschützt durch Gottes Hand. Drin waltet mild und weise mein Kaiser väterlich.
Ein Loblied, das ihn preise, sing' ich herzinniglich. Gerechtigkeit vor allem füllt seine edle Brust.
Zu ihm darf man nur wallen, des guten Rechts bewußt.
Wo Not und Eleud drücket, da spendet er so reich.
Dem Herzen, das ihn schmücket, kommt keins der andern gleich. Mein teurer Kaiser throue noch lang im Vaterland!
Leicht sei dem Haupt die Kroue, das Zepter seiner Hand.
(Dunker.)
11, Der Grohe Kurfürst und die preußischen Könige.
I. Der Große Kurfürst 1640—1688* a. Ginleitung.
§ 1. Unser Herrscherhaus führt seinen Namen nach der Stammburg Hohenzollern, welche aus einem steilen Fels der Schwäbischen Alb gelegen ist. Von hier aus erwarbeu die Hohenzollern späterhin die Burggrafschaft Nürnberg hinzu, und 1415 übertrug der Deutsche Kaiser Sigismund dem Burggrafen Friedrich für seine vielfachen Verdienste die damals noch unansehnliche Mark Brandenburg. Dieses ursprünglich sehr arme Ländchen gehörte zu den 7 Kurfürstentümern, welche das alte Deutsche Reich umfaßte; es war durch die vorausgegangenen Herrscher völlig ausgesogen, verödet und verwüstet. Aber die hohenzollernschen Kurfürsten verstanden es in hohem Grade, zunächst Ruhe und Sicherheit in der Mark fest zu begründen, dann das Gebiet derselben zu vergrößern, die Volksbildung zu heben. Recht und Gerechtigkeit zu pflegen und den allgemeinen Wohlstand der Bewohner stetig zu fördern.
12 Der Große Kurfürst und die preußischen Könige.
Kurfürst Joachim II. führte 1539 die Reformation, welche von Dr. Martin Luther ausgegangen war, in sein Land ein; Kurfürst Johann Sigismund machte durch Erbschaft zwei große Erwerbungen: 1614 am Rhein und Westfalen (Kleve, Mark und Ravensberg) und 1618 Ostpreußen. Der eigentliche Begründer des brandenbnrgisch-preußischen Staates wurde aber erst Friedrich Wilhelm der Große Kurfürst. Denn dieser hochbegabte Herrscher verschmolz zuerst die weit auseinander gelegenen Landesteile zu einem innerlich zusammenhängenden Staate; er stellte die tiefgesunkene Waffenehre der Deutschen wieder her, und er gewährte allen seinen Unterthanen volle Glaubensfreiheit, b. Friedrich Wilhelms Jugend.
Jugend. § 2. Friedrich Wilhelm verlebte seine Jugend, fern von den Stürmen des Dreißigjährigen Krieges, in Holland. Hier hatte er an seinem Vetter, dem tapferen Prinzen von Oranien, das Vorbild eines weisen und guten Regenten und an den fleißigen, Ackerbau, Viehzucht und Handel treibenden Holländern das Muster eines glücklichen Volkes.
Als ihn einst seine Kameraden zum Bösen verführen wollten, widerstand er ihnen heldenmütig mit den Worten: „Ich bin es meinen Eltern, meiner Ehre und meinem Vaterlande schuldig." Am andern Tage verließ er die Hauptstadt und begab sich in das Feldlager Oraniens, der gerade damals die Festung Breda belagerte. Dieser empfing ihn herzlich und sprach zu ihm: „Vetter, ihr habt eine größere That gethan, als wenn ich Breda erobert hätte."
c. Wegierung nach außen.
§ 3. Nach seinem Regierungsantritte im Jahre 1640 Zustand der wütete noch acht Jahre der große Krieg. Brandenburg wurde Mark, von den Feinden, besonders von den Schweden, furchtbar heimgesucht; Städte und Dörfer lagen in Trümmern, die Felder waren verödet, und unter der verarmten Bevölkerung wüteten Pest und Hungersnot. Alle Hoffnung auf eine bessere Zukunft war erloschen.
Waffenstill- Um den Verwüstungen seines Landes ein Ende zu machen, stand mit schloß der Kurfürst vor allem mit den Schweden einen Waffen-den stillstand; dann entließ er die unzuverlässigen Regimenter Schweden. jcjneg Vaters und gründete ein, wenn auch kleines, so doch tüchtiges stehendes Heer, das ihm unbedingt gehorchte. Sein
Der Große Kurfürst und die preußischen Könige.
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tüchtigster General war Derfflin ger^, der aus einer niedrigen Familie stammte.
Durch sein mannhaftes Auftreten erwarb er sich im Westfälischen Frieden, der den langen Krieg 1648 been- Friede,
digte, einen bedeutenden Länderzuwachs: Hinterpommern, Hal- Ländererberstadt, Minden, Kammin und später Magdeburg. Werbungen.
In Frankreich regierte damals Ludwig XIV., der durch Ludwig
viele ungerechte Kriege sein Land zu vergrößern suchte. Auch xlVl
auf Deutschland hatte er es abgesehen. Mitten im Frieden verwüstete er die Pfalz und raubte dem Deutschen Reiche Straßburg Straß bürg. Zu seinen gefährlichsten Gegnern gehörte Deutschland Friedrich Wilhelm. Um ihn daher vom Kriegsschauplätze am entrissen. Rheins wegzulocken, veranlaßte er die Schweden zu einem Einfall in die Mars3). Diese marschierten wirklich in Bran- ^ Die denburg ein, raubten, brannten und mordeten, daß der mär- T-af(^n br|c fische Bauer sich nicht zu helfen wußte. Da eilte der Kurfürst s^ar{ 1675 vom Rhein herbei und traf bei Fehrbellin^) auf den Fehrbellin. Feind. Mit den Worten : „Folget mir, tapfere Soldaten, ich, euer Fürst und nun euer Hauptmann, will siegen oder ritterlich sterben!" führte er seine tapferen Scharen den Schweden entgegen. Nach zwei Stunden blutigen Kampfes warf er den Feind in wilde Flucht. Friedrich Wilhelm verfolgte ihn bis Vorpommern und eroberte dieses Land.
Nun versuchten es die Schweden mit einem neuen Einfall _ Die in Ostpreußen. Aber auch hier war der Kurfürst rasch zur ™
Stelle; in eisiger Winterkälte setzte er ihnen mit seiner Reiterei Ostpreußen und den Fußtruppen, die er auf Schlitten fortschaffen ließ, ein. über das Frische und Kurische Haff nach und verfolgte sie bis unter die Mauern von Riga.
Und dennoch verhinderte Ludwig XIV., daß der Kurfürst im Friedensschlüsse für seine kühnen Thaten eine Entschädigung an Land erhielt; er mußte sich mit dem Kriegsruhme, den er
a) Vergl.: „Der Derfslinger" von F. von Sallet und „Elle und Schwert" von M. Veit.
2) Vergl.: „Wie der Große Kursürst den Mord verabscheute" von Hesekiel.
3) Vergl.: Wie der Große Kurfürst an die märkisch en
Bauern schrieb" von Hesekiel. — „Wie der Große Kurfürst den Schweden zeigt, was eine Harke ist" von Hesekiel.
4) Die Erzählung vom Stallmeister Emanuel Froben ist sagenhaft; doch licö: „Fehrbellin" von Minding.
14 Der Große Kurfürst und die preußischen Könige.
erworben hatte, zufrieden geben. Erzürnt darüber brach er in richtiger Ahnung der Zukunft in die Worte aus: „Möge einst aus meiner Asche ein Rächer erstehen!"
Auch der Kaiser bereitete ihm 1675 eine bittere Ent-Liegnitz, täuschung. Damals starb nämlich der letzte Herzog von Liegnitz, Brieg und Brieg und Woh lau, und diese Länder hätten nach einem Wohlau. frü(jeren Vertrage eigentlich an Brandenburg fallen sollen; Leopold I. zog sie aber für sich ein und gab dem Kurfürsten dafür nur einen dürftigen Ersatz, den Schwiebuser Kreis.
d. Jriedrich Wilhelms Sorge für fein Land.
Ackerbau u. § 4. Für die Wohlfahrt des Landes war der Kur-Gewerbe. ' fürst unablässig besorgt. Er selbst gab auf seinen Gütern das Beispiel einer Musterwirtschaft für Viehzucht, Ackerbau, Obst- und Gemüseanpflanzungen und Kartoffelbau; er rief tüchtige Ansiedler aus dem Westen, welche wüste Landstriche zu bebauen hatten; und armen Landleuten gab er Saatkorn, Zugvieh und Ackergeräte zur Bestellung der Felder, Holz und Geld zum Aufbau von Wohnungen und Wirtschaftsgebäuden. Jeder Bauer mußte bei seinem Hause einen Garten anlegen und jeder Bauernsohn vor seiner Verheiratung sechs Obst- und sechs Eichbäume gepflanzt haben. Mit Freudeu nahm er 20000 französische Protestanten, welche Ludwig XIV. aus der Heimat vertrieben hatte, in seinem Lande auf. Viele ließeu sich in Berlin nieder und führten mancherlei Gewerbe ein, Webereien, Seiden-, Hut- und Strumpffabrikation.
Handel. Um den Handelsverkehr zu beleben, legte der Kurfürst
zwischen Oder uud Spree den Friedrich-Wilhelms- oder Müllroser Kanal an; auch richtete er zwischen den entlegensten Orten des Landes regelmäßige Posten ein.
Für die Bildung des Volkes sorgte er durch Gründung von Schulen.
Tod. Im Jahre 1688 starb der Große Kurfürst. Er hinterließ seinem Sohne ein Heer von fast 30000 Mann, einen
gefüllten Staatsschatz und ein blühendes Land.
Friedrich Wilhelm ist „der Begründer des Glanzes und Ruhmes des braudeuburgisch-preußischeu Staates."
Luise Seine Gemahlin war die fromme Prinzessin Luise
Henriette. Henriette von Oranien, der man das schöne Lied: „Jesus, meine Zuversicht" zuschreibt.
Der Große Kurfürst und die preußischen Könige. 15
2. Kurfürst Friedrich III., seit 1701 König Friedrich I. 1688-1713.
§ 5. Der Nachfolger des Großen Kurfürsten war sein Eigen-
Sohn Friedrich III. Er besaß nicht die hervorragenden ,d)artcn‘
Eigenschaften seines Vaters, aber den Ruhm und das Ansehn des Hauses Brandenburg wußte er zu erhalten und zu vermehren. Von Natur gutmütig, wohlwollend und milde, besaß er große Vorliebe für Pracht und Glanzt). Sein Streben war ans die Erwerbung der Königskrone gerichtet; denn er herrschte über ein Land, das größer war als manches Königreich, und gebot über ein mächtiges Heer. Als um diese Zeit mehrere europäische Fürsten eine Erhöhung ihres Titels erfuhren, da regte sich auch in Friedrich der Wunsch nach der Königskrone. Doch dazu gebrauchte er die Genehmigung des Kaisers, und als er diese gegen Zusicherung eines Hilfsheeres für die bevorstehenden Kriege erhalten hatte, setzte er sich am 18. Janimr Erwerbung 1701 zu Königsberg unter Entfaltung großer Pracht feierlich preu^Len die Königskrone aufs Haupt und nannte sich fortan £ömg§*
„Friedrich I., König in Preußen." Mit dieser That frone,
wollte Friedrich seinen Nachfolgern sagen: „Ich habe euch einen 18. Sanuor Titel erworben, macht euch desselben würdig; der Grund zu 'u ' eurer Größe ist gelegt."2)
Zum Andenken an diese wichtige Begebenheit hatte er den „Schwarzen Adlerorden" mit der Inschrift: „Jedem das seine" gestiftet.
§ 6. Friedrich verschönerte die Hauptstadt des jungen Bauten.
Königreichs durch die Erbauung des Königlichen Schlosses, des Zeughauses (Ruhmeshalle) und anderer Gebäude. Seinem berühmten Vater, dem Großen Kurfürsten, errichtete er ein herrliches Reiterstandbild auf der Langen Brücke.
Mit großer Freigebigkeit unterstützte er zahlreiche Wohlthätigkeitsanstalten, besonders das von dem frommen Gelehrten August A. H. HermannFranckezu Halle a. d. Saale gestiftete großeWaisenhaus. Francke.
Aber feine Hofhaltung kostete mehr, als die der übrigen Hohenzollern, welche sich durch weise Sparsamkeit auszeichneten.
Die Folge davon war, daß eine Erhöhung der Stenern notwendig wurde, die vom Volke sehr drückend empfunden wurde.
1) „Friedrich I. König in Preußen" von Gruppe.
2) Vergl.: „Friedrich I., König in Preußen" von O. F. Gruppe,
16 Der Große Kurfürst und die preußischen Könige.
3. König Friedrich Wilhelm I. 1713—1740.
Eigen- _ § 7. Friedrichs I. Sohn und Nachfolger, Friedrich schäften. Wilhelm L, schlug ganz entgegengesetzte Wege ein, um seinen Staat zu Ansehn zu bringen. Denn Prachtliebe und die Beschäftigung mit Kunst und Wissenschaft waren ihm zuwider: er hatte vielmehr die tüchtige Ausbildung seines Heeres und die Hebung des allgemeinen Wohlstandes seiner Unterthanen im Sinne.
Er war überaus sparsam und einfach in seinem ganzen Wesen, dabei von früh bis spät arbeitsam, aber derb, heftig und jähzornig. Alle zitterten vor ihm, namentlich die Beamten, weil er von ihnen dieselbe Pflichttreue wie von sich selbst verlangte. Denn er lebte nach dem Ausspruche: „Zur Arbeit sind die Regenten erkoren!" Wie sehr er die Heuchelei haßte, dagegen wahre Frömmigkeit im Herzen trug, beweist ein anderes Wort von ihm: „Ich bin kein Frömmler, aber Gott vor
alles in der Welt und alles mit Gott!"
Das Heer. § 8. Obwohl der König der eifrigste und tüchtigste
Soldat in ganz Europa war, liebte er doch den Frieden. Für das Heer verwendete er große Summen, denn er wußte sehr wohl, daß die Sicherheit des Landes von der Tüchtigkeit seines Heeres abhing. Sein berühmter Exerziermeister war der Fürst Leopold von Dessau, den das Volk später den „alten Dessauer" nannte. — Weltberühmt war des Königs Garde-Regiment zu Potsdam, das aus lauter Riesen bestand.
Ackerbau. Zur Hebung des Wohl stau des erließ er ausführliche
Bestimmungen über Ackerbau, Obstzucht, Pferdezucht und Wollweberei. Er zog fleißige Ackerbauer in das Land und siedelte in Ostpreußen 15000 Salzburger Familien an, die ihres lutherischen Glaubens wegen hatten auswandern müssen.
Damit aber seine Unterthanen womöglich alle Gewerbe selber ausübten und alle Lebensbedürfnisse selber hervorbrächten, erhob er an den Grenzen des Landes sehr hohe Zölle, welche die Einfuhr fremder Waaren erschweren oder gar unmöglich machen sollten.
Je weniger er auf gelehrte Bildung Wert legte, desto Volksschule, mehr that er für das Volksschulwesen, dessen eigentlicher Begründer er ist; denn fast 2000 Volksschulen wurden von ihm ins Leben gerufen. Er bestimmte, daß jedermann angehalten werde, seine Kinder in die Schule zu schicken, damit sie
Der Große Kurfürst und die preußischen Könige.
17
im Lesen, Schreiben, Rechnen und in der christlichen Religion unterrichtet würden.
Nur des Abends gönnte er sich eine Erholung im Tabaks- Tabakskollegium. Das war eine Versammlung von Ministern und kollegmm. Generalen, die bei Tabak und Bier ihre Meinungen frei äußern durften und alle Ereignisse in Staat und Gesellschaft besprachen.
Am 31. Mai 1740 starb Friedrich Wilhelm mit den Tod. Worten: „Herr Jesu, du bist mein Gewinn im Leben und
im Sterben." Seinem Nachfolger hinterließ er einen Schatz von 26 Millionen Mark und ein wohlgerüstetes Kriegskeer von 83000 Mann.
4. König Friedrich II. der Große 1740—1786.
a. Friedrichs Jugend.
§ 9. König Friedrich Wilhelm L wollte ans seinem Erziehung. Sohne einen tüchtigen Soldaten, einen sparsamen Hausvater und einen gläubigen Christen machen. Der Prinz aber fand vielmehr Gefallen am Lesen französischer Bücher, am Zeichnen und Flötenspiel. Dies machte dem Vater viel Sorge, und er behandelte deshalb den Prinzen mit so großer Strenge, daß dieser ans den Gedanken kam, mit seinem Freunde, dem Lieutenant von Katte, nach England zu entfliehen.
Der Plan wurde aber entdeckt und über die Schuldigen ein Kriegsgericht niedergesetzt. Der Prinz erhielt Festungshaft, während Katte vor seinen Augen zu Küstrin den Tod erleiden mußte.
Von nun an ging in Friedrich eine Wandlung vor; er versprach seinem Vater in einem sehr demütigen Briefe stets gehorsam sein zu wollen und wurde aus der strengen Haft entlassen. Darauf arbeitete er ein Jahr mit größter Gewissenhaftigkeit an der Küstrin er Regierung.
Nachdem er sich auf den Wunsch seines Vaters mit der Ver-Prinzeß Elisabeth Christine von Braunschweig vermahlt mählung. hatte, erhielt er das Schloß Rheinsberg bei Neu-Ruppin Rheinsberg, und den Befehl über ein Regiment. Als Oberst desselben zeichnete er sich hier so sehr aus, daß ihm der König sein früheres Leben völlig verzieh und auf dem Sterbebette den Ausspruch thun konnte: „Mein Gott, ich sterbe zufrieden,
weil ich einen so würdigen Nachfolger habe!"
Jaenicke u. Styhrer, Deutsche Geschichte I, 2
18 Der Große Kurfürst und die preußischen Könige.
b. Friedrichs Kriege.
Thron- § 10. Friedrich II. bestieg am 31. Mai 1740 den
Besteigung, preußischen Königsthron. In demselben Jahre starb der Deutsche Kaiser Karl VI. und hinterließ seiner Tochter Maria Theresia seine österreichischen Erbländer. Mehrere deutsche Fürsten machten ihr aber den Besitz streitig, und auch Friedrich erhob auf die schlesischen Herzogtümer Liegnitz, Brieg, Wohlan und Jägerndorf wohlbegründete Ansprüche. Da Maria Theresia auf (Schlesien nicht verzichten wollte, kam es zu drei Kriegen; es waren dies der
1. Schlesische Krieg (1740—1742),
2. Schlesische Krieg (1744—1745),
3. Schlesische oder Siebenjährige Krieg (1756 —1763).
1. Schlesi- Ende 1740 überschritt Friedrich die schlesische Grenze, bescher Krieg siegte die Österreicher 1741 bei Mollwitz (unweit Brieg) und
VfJ* zwang Maria Theresia nach einem zweiten Siege in Böhmen zum Frieden von Breslau, in welchem er den größten Teil Schlesiens und die Grafschaft Glatz erhielt.
2. Schlesi- Da Maria Theresia gegen ihre anderen Feinde mit großem scher Krieg Glücke kämpfte, fürchtete Friedrich, sie könne ihm Schlesien
11745&1§ m^e^er entreißen, und rüstete sich daher zu einem zweiten Kriege; er schlug diesmal die Österreicher bei Hohenfriedberg in Schlesien. Nach weiteren Siegen erlangte er im Frieden von Dresden eine Bestätigung des Breslauer Friedens.
3. Schlesi- § 11. Maria Theresia konnte den Verlust Schlesiens nicht scher oder verschmerzen und verband sich daher mit Frankreich, Rnß-frfpi land, Schweden und Sachsen gegen das kleine Preußen.
bis 1763. Zu Friedrich hielt nur England. Zwischen diesen Parteien brach nun der so bedeutsame Siebenjährige Krieg aus. Preußen stand dem halben Europa gegenüber. Es ging aber aus dem Kampfe nicht nur als Sieger, sondern auch als europäische Großmacht hervor.
„So hat er gestanden, der preußische Held
Vor Kaiser und Zaren und Frankreich im Feld;
Für deutsche und preußische Ehre
Trug siegreich er Waffen und Wehre."
Friedrich begann selber den ersten Feldzug, 1756, um seinen Gegnern zuvorzukommen. Er besetzte Sachsen nnd
Der Große Kurfürst und die preußischen Könige. 19
besiegte 1757 die Österreicher bei Prag^). Die Niederlage bei Kollin zwang ihn jedoch zum Rückzüge nach Sachsen; dafür erfocht er aber Ende des Jahres 1757 zwei glänzende Siege: am 5. November bei Roßbachs in der Nähe von Merseburg, wo General Seidlitz mit der kleinen „Berliner Wachtparade" die Reichsarmee über den Hänfen ritt, und am 5. Dezember bei Leuten^) in der Nähe von Breslau. Das Heer der Österreicher war hier dreimal so stark wie das Friedrichs. Als er am Abend vor der Schlacht mit seinen Offizieren Beratung hielt, schloß er mit den Worten: „In kurzem haben wir den Feind geschlagen oder wir sehen uns nie wieder." Vor Beginn des Kampfes sangen die Soldaten unter Begleitung der Musik das Lied: „Gieb, daß ich
thu' mit Fleiß!" Der König horchte auf, und ein Offizier fragte: „Befehlen Euer Majestät, daß ich's ihnen verbiete?"
„Das laß Er bleiben," erwiderte ernst der König, „mit solchen Leuten wird mir Gott gewiß den Sieg verleihen." Schon nach drei Stunden war der Feind in die Flucht geschlagen und Schlesien gerettet. Ermattet lagen am Abend die Preußen auf dem Schlachtfelde. Da stimmte ein alter Soldat das Lied „Nun danket alle Gott" an, und das ganze Heer stimmte ein4).
Das Jahr 1758 brachte wieder einen herrlichen Erfolg; denn die Russen erlitten bei Zorndorf (unweit Küstrin) eine vollständige Niederlage und gaben ihren Plan, auf Berliu loszugehen, anf. Dagegen wurde der König in seinem wenig geschützten Lager beiHochkirch (umveit Bautzen) von den Österreichern überfallen und zum Rückzüge genötigt.
Das Jahr 1759 war für ihn das unglücklichste des ganzen Krieges. Denn die Österreicher und Russen vereinigten sich
*) Hier fiel der General von Schwerin, der Sieger von Mollwitz
2) Das preußische Volk sang damals:
„Es lebe durch des Höchsten Gnade Der König, der uns schützen kann:
So schlägt er mit der „Wachtparade"
Noch einmal 80000 Mann."
ferner:
„Und wenn der große Friedrich kommt Und klopft nur auf die Hosen,
So läuft die ganze Reichsarmee,
Panduren und Franzosen."
3) Vergl.: „Wie schön leuchtet der Morgenstern" von I.
Sturm.
4) Vergl.: „Der Choral von Leuten" von Besser.
Prag.
Kollin.
Stoßbach.
Leuten.
Zorndorf.
Hochkirch.
2*
20
Der Äroße Kurfürst unb bie preußischen Könige.
Kunersdorf, diesmal bei Kunersdorf (unweit Frankfurt a. O.), vernichteten ben größten Teil feines Heeres unb brachten ben König
durch ^bie furchtbare Nieberlage fast ber Verzweiflung nahe.
Jm^ ^zahre 1760 versuchten bie Österreicher unb Russen sich in Schlesien wieberum zu vereinigen. Friebrich vereitelte aber ihr Unternehmen unb besiegte bie Österreicher bei Panten Siegnitj. an ber Katzbach unweit Liegnitz vollstänbig. Daraus eilte
er nach Sachsen, um bie Feinbe für ihren Plünberungszug Torgau. nach Berlin zu strafen; er traf die Österreicher bei Torgau
unb bracht^sie zum Weichen. Hier hatte ber General Zielens viel zum Siege beigetragen.
Friebrich war 1761 in seinen Mitteln fast ganz erschöpft; auch bie englischen Hilfsgelber hörten auf. Er konnte baher eine offene Felbschlacht nicht mehr wagen unb bezog bei Bunzelwitz. Bunzellvitz an ber heutigen Eisenbahuhaltestelle Königszelt ein befestigtes Lager. Schweidnitz und Kolbcrg gingen verloren.
-j-Elisabeth. Da starb 1762 seine erbittertste Feinbin, bie Kaiserin
Peter 111. Elisabeth von Rußlanb; ihr Nachfolger Peter III., fein begeisterter Freunb, schloß sofort Frieben und schickte ihm Hilfs-Burkers- truppen, mit benen er bie Höhen von Burs er S bor f bei dorf. Schweibnitz stürmen unb biefe Festung selbst einnehmen konnte. Freiberg. Nachbem sein Bruber Heinrich bei Freiberg in Sachsen
Friebe zu ebenfalls glücklich gefochten hatte, kam enblich 1763 ber Friebe Hubertus- von Hubertusburg (unfern Dresben) zustanbe. Darnach bürg. durfte Friebrich jetzt enbgültig Schlesien behalten; sein Ruhm ging burch alle Lande, und Preußen trat in bie Reihe ber europäischen Großmächte.
Erwer- Schon vorher hatte Friebrich Ost-Frieslanb erworben,
burtgen. un^ als er im Bnube mit Rußlanb und Österreich auch einen Teil Polens, nämlich Westpreußen und den Netzebezirk, erhielt, umfaßte fein Staat beinahe 200 000 qkm mit 5*/z Million Einwohnern.
c. Iriedrich II. als Landesvater.
§ 12. Friebrich war ebenso bebeutenb als Landesvater, wie als Feldherr und Staatsmann. Er betrachtete sich als ben „ersten Diener" bes Staates, ber ununterbrochen thätig
J) Vergl.: „Zieten" von F. von Sollet.
„Der alte Zielen" von Fontane.
Der Große Kurfürst und die preußischen Könige. 21
sein müsse. An großen Festen und Lustbarkeiten fand er kein Gefallen; dagegen hatte er seine Freude daran, wenn er einem armen Manne ein Haus bauen konnte. Nach den Kriegen suchte er vor allem den Landbau, der ganz darniederlag, wieder zu heben. Er gab deshalb den Landleuten Zugvieh und Samenkorn zur Bestellung des Ackers, erließ ihnen die Steuern und unterstützte sie, wo er nur konnte. Aus Holland und der Schweiz ries er tüchtige Landwirte in seinen etaat, welche sumpfige und wüste Strecken trocken legen und urbar machen mußten. Auch deu Anbau der Kartoffeln führte er allgemein ein.
Wie er den Adel des Landes durch Geldvorschüsse unterstützte, so half er dem Bürgerstande durch Einrichtung von Fabriken und anderen gewerblichen Anlagen auf. Er gab dazu große Summen von seinen eigenen Ersparnissen her. Bald blühten manche Gewerbe auf, so die Leinwand- und Tuchweberei in Schlesien und in der Mark, die Wollspinnerei, Metallbearbeitung u. a. m. Einen gewaltigen Aufschwung nahmen auch der oberschlesische Bergbau und das Hüttenwesen.
Zur Belebung des Handels legte der König neue Handelswege und Kanäle an, gründete er Städte und Dörfer; und gauz besondere Fürsorge wandte er hierbei den neu erworbenen polnischen Landesteilen zu. Denn die Bewohner dieser Gegenden lebten in den jämmerlichsten und elendesten Zuständen. Sie wohnten in schmutzigen Lehmhütten mit den Haustieren meist unter einem Dache und waren selbst halb vertiert. Freie Bürger und Bauern gab es nicht; die Bewohner waren vielmehr meist Knechte, die von dem Adel des Landes hart und ungerecht behandelt wurden. Lesen und schreiben konnte fast niemand, und von Religion und Gesittung war nichts zu spüren. Wie viel Sorge, Arbeit und Geld war da nötig, um diese verödeten Landesteile in den heutigen blühenden Zustaud zu versetzen!
Friedrich gestaltete endlich auch das Rechtswesen^) gänzlich um; er hielt darauf, daß jedem sein Recht zu teil wurde, denn er sagte: „Der geringste Bauer, ja der Bettler ist ebenso ein Mensch wie der König. Vor dem Gesetz sind alle gleich."
Bei allen diesen Sorgen um den Wohlstand und die
Bekannt ist die sagenhafte Erzählung von der Mühle zu Sanssouci.
Landbau.
Gewerbe.
Handel.
Rechts-
wesen.
22 Der Große Kurfürst und hie preußischen Könige.
Rechtssicherheit der Unterthanen bürste der König die Verbesse-Heer. rung und Vermehrung des Heeres nicht aus den Augen lassen; denn die Nachbarn blickten mit Neid auf das Emporkommen Preußens und hätten ihm gern Schaden zugefügt.
Im Jahre 1786 starb Friedrich in seinem Lieblingsaufenthalte Sanssouci ^ßang-ßußie^ bei Potsdam, bewundert von seinem Volke und hochgeachtet von ganz Europa, das ihn
mit Recht den „Großen" nannte. Im stunde des Volkes
aber lebt er fort als „der alte Fritz".
5. König Friedrich Wilhelm II. 1786—1797.
Seine § 13. Friedrich Wilhelm II., der Neffe Friedrichs II.,
Eigen- war ein König, der viel guten Willen, Geist und Pflichtgefühl,
schäften und aber ein so weiches Gemüt besaß, daß er sich von seiner
Erwer- Umgebung zuweilen hintergehen und nicht immer gut beraten ließ,
ungen. g.r l^bte besonders die Musik und die Dichtkunst, in der
gerade damals das vollkommenste und beste geleistet wurde: denn in jener Zeit lebten Lessing, Goethe und Schiller, die größten Dichter des deutscheu Volkes.
Friedrich Wilhelm hatte, ebenso wie sein Sohn, eine unruhige Zeit durchzumachen. Denn die Franzosen, welche ihren rechtmäßigen König Ludwig XVI. abgesetzt und enthauptet hatten, errichteten eine Volksherrschaft und fingen mit aller Welt Händel an. Auch Preußen mußte uuter ihrer Eroberungssucht viel leiden, und der König gab daher, um sein Land vor größerem Schaden zu hüten, die Besitzungen auf dem linken Rheinufer von selbst auf, erhielt aber das Versprechen, durch andere Gebiete in Deutschland selbst entschädigt zu werden. Auch erwarb er große Teile des Königreichs Polen und in Süddeutschland die schönen Ländchen Ansbach und Bayreuth.
6. König Friedrich Wilhelm III. 1797—1840.
a. Woi' seinem WegierungscrnlriLt.
§ 14. Friedrich Wilhelms II. Sohn und Nachfolger schäften, war Friedrich Wilhelm III. Er zeichnete sich besonders durch seine Herzensgute und Wahrheitsliebe aus und mochte den nicht leiden, welchen er bei der Unwahrheit betraf. Seine wahre Frömmigkeit drückte er in dem schönen Worte aus: „Ich möchte um vieles nicht über ein Volk herrschen, welches
Der Große Kurfürst und die preußischen Könige. 23
keine Religion hätte." Er war einfach, sparsam, ordnungsliebend und unermüdlich thätig. Irr treuer Sorge für seine Unterthanen brachte er Ordnung und Sparsamkeit in die Verwaltung, so daß er in den ersten acht Regierungsjahren 70 Millionen Mark Staatsschulden bezahlen konnte.
In seiner hohen Gemahlin Luise, einer Prinzessin von Luise. Mecklenburg-Strelitz, hatte ihm Gott ein edles Kleinod gegeben.
Sie war eine Frau von wunderbarer Schönheit und großer Herzensgüte, leutselig und voll frommen Glaubens. Das einfache uud glückliche Familienleben des hohen Paares gab ein herrliches Vorbild für das ganze Land, um so mehr, als an den meisten anderen Fürstenhöfen Europas große Sitteulosigkeit und Verschwendungssucht herrschten.
b. H'reußens Wngtücksjahre.
§ 15. Gegen Ende des vorigen Jahrhunderts trat in Napoleon. Frankreich ein gewaltiger Eroberer auf. Er hieß Napoleon Bonaparte und war der Sohn eines Advokaten (Rechtsanwalts) auf der Insel Korsika. Vom armen Lieutenant schwang er sich zum Kaiser der Franzosen empor. Länder erobern war seine Lust und Kriegführen seine Freude. Er wollte die ganze Welt beherrschen und bekriegte deshalb ein Volk nach dem anderen. Seine Verwandten machte er zu Fürsten und Königen, uud die Lander verschenkte er wie eine Ware. Im Jahre 1806 bewirkte er auch die Auflösung des alten fast tausendjährigen Deutscheu Reiches; denn 16 deutsche Fürsten thaten sich in dem Rheinbund zusammen, sagten sich vom Reiche los und erkannten den Kaiser Napoleon als ihren Schutzherrn an. Der letzte Kaiser des alten Reiches, Franz II., legte deshalb seine Krone nieder und nannte sich fortan Franz I.
„Kaiser von Österreich/' So ruhmlos endete damals das Deutsche Kaiserreich!
§ 16. Friedrich Will) e lm III. wollte gern seinem Volke die Krieg mit Leiden desKrieges ersparen. Er hatte sich deshalb von dmBündnissen 5{?gQg0n gegen Napoleon ferngehalten. Dies kam aber dem Staate nicht zugute. Denn als schließlich der Krieg dennoch notwendig wurde, stand Preußen ohne Bundesgenossen da, und der kriegerische Geist des Volkes war erloschen uud mußte durch harte Schläge erst wieder erweckt werden. Das Heer bestand noch aus vieleu Ausländern und war mangelhaft ausgerüstet und schlecht verpflegt; den Offizieren aber fehlte es an der nötigen Tüchtigkeit.
24 Der Große Kurfürst und die preußischen Könige.
Der Krieg wurde aber notwendig, als Napoleon den König durch eine Gebietsverletzung aufs tiefste beleidigte. Die Heere rückten im Saalethal gegen einander, und in der Doppelschlacht bei Jena und Auerstädt (am 14. Oktober 1806) wurde das preußische Heer vollständig geschlagen und in wilde Flucht aufgelöst. Der König selbst entkam nur mit Mühe dem Schlachtgewühl. An Stelle des Übermuts trat jetzt eine zeitlang Mutlosigkeit und Verzagtheit. Die meisten Heerhaufen und Festungen ergaben sich ohne Schwertstreich auf Gnade und Ungnade1). Die königliche Familie ging nach Königsberg, später nach Memel. Napoleon aber zog in Berlin ein, plünderte die Kassen, nahm alle Kostbarkeiten weg und schickte sie nach Paris. Das Jahr In dieser großen Not schien endlich Rettung zu kommen; 1807. denn die Russen sandten dem Könige ein stattliches Hilfsheer. Aber auch das Kriegsjahr 1807 verlief unglücklich. Auf die unentschiedene Schlacht bei Ei lau in Ostpreußen folgte die vollständige Niederlage der Russen bei Fried land, ebenfalls in Ostpreußen; und da der russische Zar mit Napoleon Frieden schloß, so mußte auch der König die Waffen strecken. Er verlor in dem Frieden von Tilsit die Hälfte seines Staates, nämlich alle Länder zwischen Elbe und Rhein und mußte außerdem noch viele Millionen Kriegskosten zahlen. Damit er aber nie wieder sich erhebe, durfte er fortan nur 42 000 Soldaten halten. Überall sah es traurig aus. Städte uud Dörfer waren verwüstet, die Bewohuer verarmt; Handel und Gewerbe lagen darnieder. Das waren böse Zeiten für Fürst uud Volk. Herrlich aber offenbarte sich in dieser unglücklichen Zeit die Liebe des preußischen Volkes zu seinem edlen Herrscherhause. Gemeinsam und innig mit einander verbunden trugen Fürst und Volk ihr Leid, c. Preußens Erhebung und die Areiheilskriege. Preußens § 17. Preußen war wohl besiegt worden, aber seine Erhebung Kraft war nicht gebrochen. Noch gab es Männer, welche den 1808 Dauben an eine bessere Zeit nicht verloren hatten. Zu ihnen gehörte vor allem der König. Er zeigte sich in dieser unglücklichen Zeit als ein wahrhaft großer Mann, uud seine Gemahlin stand ihm treu mit ihrem Rate zur Seite. In dieser Zeit faßte der König den großartigen Entschluß, den Staat
Zu den Männern, welche in dieser trüben Zeit dem Könige Treue bewahrten und die preußische Wassenehre retteten, gehören: Blücher, Nettelbeck, Gneisenau, Schill, Courbiere [furbtährj und Hexmann,
Der Große Kurfürst und die preußischen Könige. 25
von Grund aus neu zu gestalten und zu diesem Zwecke den Mann in seinen Dienst zurückzurufen, den er schon früher als den tüchtigsten erkannt hatte: den Minister Fr ei Herrn vom Stein1). Mit Hilfe dieses großen und echt deutschen Staatsmannes verwirklichte er den Gedanken, alle Ltände des Volkes selbständiger und freier zu machen, damit ein jeder sich möglichst kräftig und herrlich entfalten konnte. In der drückendsten Lage befand sich damals der Bauernstand. (5t war noch erbunterthäuig, d. H. die Bauern dursten ihr Erbe nicht verlassen und über ihre Güter nicht frei verfügen. _ Sie mußten ihren Herren Abgaben zahlen und Dienste leisten.
Diese Erbunterthänigkeit wurde aufgehoben, und die Bauern erhielten das Recht, sich Grundeigentum zu erwerben. Dadurch wurde ein vollständig freier Bauernstand geschaffen, der im Kriegsfälle freudiger als bisher für seinen König und sein
Vaterland die Waffen ergriff.
Ebenso bewirkte die im Jahre 1808 erlassene Städteordnung bei den Bürgern der Städte größere Liebe für das Gemeinwesen und damit auch für den Staat; denn durch diese
Einrichtung erhielten die Bürger das Recht, ihre eigenen An-
gelegenheiten selbst zu ordnen.
Für die Umgestaltung des Heerwesens arbeitete der Umge-König mit dem General Gerhard von Scharnhorsts. Heerwesens. Preußen hatte sich im Frieden zu Tilsit verpflichten müssen, nicht mehr als 42000 Soldaten zu halten. Um diese Zahl
äußerlich nicht zu überschreiten, entließ der König immer nach einigen Monaten einen Teil der Truppen und zog dafür^ neue Rekruten ein. Auf diese Weise erhöhte er, ohne daß die Feinde es merkten, die Wehrkraft des Landes um das Dreifache.
Alle entehrenden Strafen wurden abgeschafft und statt der Werbung die allgemeine Wehrpflicht eingeführt. Jeder gesunde Preuße ist seitdem verpflichtet, Soldat zu werden und sein Vaterland gegen Angriffe zu verteidigen.
Die guten Folgen dieser Anordnungen blieben nicht ans.
Das ganze Volk arbeitete an seiner geistigen und sittlichen Wiedergeburt. Der „Turnvater" Jahn übte die Jugend Berlins in gesunder körperlicher Zucht und gab damit ein Bei-
a) Vergl.: „Das Lied vom Stein" von E. M. Arndt.
2) Vergl.: „DerWaffenschmied der deutschen Freiheit" von E. M., Arndt.
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Der Große Kurfürst und die preußischen Könige.
spiel für die beste Vorbereitung der preußischen Jünglinge zum Kriegsdienste. Die Königin Luise sollte freilich den Tag der Freiheit, nach dem sich ihr Herz so sehr sehnte, nicht mehr erleben; sie starb schon 1810.
Napoleons § 18. Im Jahre 1812 unternahm Napoleon I. mit gegen Ruß- ciner halben Million Streiter einen Feldzug gegen Rußland, land 1812. um auch dieses Land seinem Oberbefehle unterzuordnen. Er zog unter glücklichen Kämpfen bis gegen Moskau und rückte in diese Stadt, welche die Russen in Brand gesteckt hatten, ein. Er hoffte, daß Kaiser Alexander I. Frieden machen würde, sah sich aber hierin getäuscht und mußte den Rückzug antreten. Der außerordentlich strenge Winter, die vielen Entbehrungen und die rastlose Verfolgung durch die Russen lösten alle Zucht und Ordnung auf und vernichteten drei Viertel des Heeres. Napoleon verließ seine Truppen und eilte ans einem Schlitten durch Deutschlaud nach Frankreich. freiuTu§ l9- Die vollständige Niederlage Napoleons in Rußland krieget 9°^ ^as Zeichen zur allgemeinen Erhebung der niedergeworfenen Völker. König Friedrich Wilhelm siedelte von Berlin nach Breslau über, schloß mit Alexander von Rußland ein Büudnis und erklärte am 16. März 1813 an Frankreich den Krieg. Einige Tage zuvor — am 10. März, dem Geburtstage seiner verewigten Gemahlin — stiftete er den Orden des „Eisernen Kreuzes" zur Belohnung für Tapferkeit im bevorstehenden Feldzuge. Am 17. März aber erließ er den „Aufruf an Mein Volk"*), durch welchen er alle waffenfähigen Jünglinge und Männer zur Befreiung des Vaterlandes unter die Waffen rief. „Das Volk stand aus, der Sturm brach los!" Männer und Jünglinge, Edelleute, Bürger und Bauern traten in das Heer ein. Das ganze Volk arbeitete und lebte für den Krieg. Freudig boten Frauen ihren Schmuck, die Kinder ihre Spareinlagen zur Ausrüstung des Heeres dar. Die Herzen aber sandten heiße Gebete zu Gott empor, von
Das oSafir bem allein Hilfe kommt.
1813. Napoleon traf mit einem großen Heere in Deutschland
x) Vergl.: „Friedrich Wilhelm sprach zu den Seinen."
Volkslied.
„Vaterlandslied" von E. M. Arndt.
„Das deutsche Vaterland" von demselben.
„Deutscher Trost" von demselben.
Der Große Kursürst unb die preußischen Könige. 27
ein und führte es den verbündeten Preußen uud Russen entgegen. Er drängte sie zwar durch seine Siege bei Lützen (Groß-Görschen)*) uud bei Bautzen bis uach Schlesien zurück, bedurfte aber selbst so sehr der Ruhe, daß er einen Waffenstillstand annahm. In dieser Zeit schlossen sich England und Österreich dem Bunde an. Es wurden drei große Heere aufgestellt. Das Böhmische Heer unter dem Fürsten Schwarzenberg erlitt am 26. und 27. August bei Dresden eine Niederlage, siegte aber bei Kulm und Rollendorf; das Nordheer uuter dem Kronprinzen von Schweden siegte bei Großbeeren und Dennewitz und das Schlesische Heer uuter Blücher am 26. August au der Katzbach^). Als die Franzosen diesen Fluß überschritten hatten, rief Blücher aus:
„Nun, Kinder, habe ich genug Franzosen herüber, nun vorwärts!" Mit dem Rufe: „Es lebe der König!" setzte sich alles in Bewegung. Da der Regen das Gewehrfeuer verhinderte, so gebrauchten die Preußen Bajonett und Kolben.
Die Franzosen wurden niedergehauen oder fanden in den Fluten ihr Grab. Der herrlichste Sieg war erfochten. Für diese Waffenthat ernannte der König den General von Blücher zum „Fürsten von Wahlstatt," die Soldaten aber nannten ihn seit diesem Tage „Mar sch all Vorwärts."
„Am Wasser der Katzbach er's auch hat bewährt.
Da hat er die Franzosen das Schwimmen gelehrt.
Fahrt wohl, ihr Franzosen, zur Ostsee hinab
Und nehmt, Ohnehosen, den Walfisch zum Grab."
§ 20. Darauf vereinigten sich alle drei Heere in der Die Völker-
Ebene von Leipzig, wohin auch Napoleon seine Streitkräfte schlacht bei
zusammengezogen hatte. Hier wurde am 16., 18. und 19. ScWG-
Oktober 1813 die große Völkerschlacht bei Leipzig3) geschlagen, die Europas Geschick entschied. 500000 Streiter griffen in den gewaltigen Kampf ein und 1500 Kanonen sprüheten Tod und Verderben. Der Kanonendonner war so furchtbar, daß die Erde im weiten Umkreise erbebte und die Fenster zersprangen.
Napoleon, der anfangs im Vorteil war, triumphierte aber zu zeitig als Sieger, denn bei dem Dorfe Möckern hatte Blücher
*) Vergl.: „Auf Scharnhorsts Tod" von M. v. Schenkendorf.
2) Vergl.-. „Aus die Schlacht «n der Katzbach" von F. Rückert.
8) Vergl.: „Die Leipziger Schlacht" von E. M. Arndt.
„Das Lied vom Feldmarschall" von demselben.
Das Jahr 1814.
i
äÖ Der Äroße Kurfürst und die preußischen Könige.
einen herrlichen Sieg errungen. — Am 17. Oktober ruhten bie Waffen unb Napoleon, ber wohl ahnte, baß ihn bas Schlachtenglück verlassen habe, suchte ben Kaiser von Österreich burch große Versprechungen ben Verbünbeten abraenbig zu machen. Doch umsonst. — Am 18. Oktober entbrannte abermals ber Kampf. Es raar ber Tag ber Entscheibung. Nach fast übermenschlichen Anstrengungen neigte sich enblich ber Sieg auf bie Seite ber Verbünbeten, unb bem furchtbaren Würgen raurbe Einhalt gethan. Auf bett Knieen bansten Kaiser Aleranber, Kaiser Franz unb König Friebrich WilhelmIII. betn Herrn ber Heerscharen für ben großen Sieg. Napoleon aber, ber gänzlich geschlagen roorben raar, saß finster unb in sich gekehrt in ber Nähe einer Winbmühte unb biftierte feinen Generalen bie Befehle zum Rückzüge. Am folgenbcn Tage erstürmten bie Verbünbeten Leipzig unb schlugen bie Franzosen in raübe Flucht. Napoleons Herrschaft in Deutfchlanb hatte ein Eitbe. „O Leipzig, bu freunbliche Linbenstabt,
Dir roarb ein leuchtenbes Ehrenmal:
So lange rollet ber Zeiten Nab,
So lange scheinet ber Sonnenstrahl,
So lange bie Ströme zum Meere reisen.
Wirb noch ber späteste Enkel preisen Die Leipziger Schlacht."
Da inzwischen auch Bayern, Sachsen unb Würtemberg zu ben Verbünbeten übergetreten waren, löste sich ber Rhein-bunb auf. Der Krieg aber würbe in Frankreich fortgesetzt. „Die Heere blieben am Rheine stehn:
Soll man hinein nach Frankreich gehn?
Man bachte hin unb roieber nach.
Allein ber alte Blücher sprach:
„Generalkarte her!
Nach Frankreich gehn ist nicht so schwer.
Wo steht ber Feinb?"
„„Der Feinb? — bahier!""
„Den Finger b’rauf, ben schlagen roir.
Wo liegt Paris?" „„Paris? — bahier!""
„Den Finger b’rauf, bas nehmen roir!
Nun schlagt bie Brücken über’tt Rhein,
Ich benke, ber Champagnertvein
Wirb, tvo er wächst, am besten sein. Vorwärts!"
Der Große Kurfürst und die preußischen Könige. 26
Nach mehreren wechselvollen Schlachten hielten die Verbündeten am 31. März 1814 ihren Einzug in Paris. Napoleon wurde abgesetzt und erhielt die kleine Insel Elba im Mittelländischen Meere zu seinem Aufenthalte.
§ 21. Als die Vertreter der europäischen Fürsten noch in Wien damit beschäftigt waren, die zurückeroberten Länder zu verteilen, hieß es plötzlich: „Napoleon ist wieder da!" Er war im März 1815 von Elba entflohen und hatte bald wieder ein großes Heer beisammen. Damit zog er den Verbündeten entgegen. Bei Belle-Alliance ftäl-alliänM und Waterloo erfolgte das entscheidende Zusammentreffen. Hier standen Engländer und Norddeutsche unter Wellington. Blücher hatte ihm versprochen, mit seinem ganzen Heere zu Hülfe zu kommen. Auf dem Marsche ging es in dem von vielem Regen erweichten Boden nur langsam vorwärts; Blücher feuerte sein Heer zu größerer Eile an. „Es geht nicht!" antworteten die ermatteten Krieger. Da sprach Blücher tu tiefster Bewegung: „Wir müssen vorwärts. Ich habe es ja meinem Bruder Wellington versprochen. Hört ibr wohl? Wollt ihr denn, daß ich wortbrüchig werden soll?" Und so ging es vorwärts. Wellington hatte einen schweren Stand gehabt. Gegen Mittag lagen bereits 10000 Mann auf dem Boden. In dieser Not rief er: „Ich wollte, es wäre Nacht oder die Preußen kämen." Kaum hatte er ausgesprochen, so vernahm er schon die preußischen Kanonen im Rücken des Feindes. „Gottlob, da ist der alte Blücher!" rief Wellington freudig aus, und neu ermutigt gingen seine Truppen vor. Napoleon schickte seine bewährtesten Soldaten gegen die Preußen ins Feuer. Doch es war umsonst. Mit dem Rufe: „Rette sich wer kann!" ergriff das französische Heer die Flucht. General Gneisenan, Blüchers Freund und Ratgeber, übernahm die Verfolgung des Feindes. Napoleon wäre fast in Gefangenschaft geraten. Ohne Hut, Mautel und Krone war er aus seinem Wagen gesprungen uud zu Pferde nach Paris geeilt.
Blücher aber redete am andern Tage seine Soldaten mit folgenden Worten an: „Empfanget meinen Dank, ihr unübertrefflichen Soldaten. Nie wird Preußen untergehen, wenn eure Söhne und Enkel euch gleichen!"
Napoleon, der auf einem englischen Schisse entfliehen wollte, wurde gefangen genommen und auf die Insel St. Helena
1815.
30 Der Große Kurfürst und die preußischen Könige.
im Atlantischen Meere verbannt. Dort starb der Gewaltige, von aller Welt verlassen, im Jahre 18*21. Die Verbündeten zogen aber 1815 zum zweiten Male in Paris ein, setzten einen König auf den französischen Thron und schlossen mit diesem Frieden.
Die Mener Inzwischen hatten die europäischen Fürsten und ihre Ver-Bestim- trctcr sich in Wien versammelt, um die durch die Beseitigung lSlTwtd Napoleons notwendig gewordenen Gebietsveränderungen 1815. festzustellen und andere staatliche Verhältnisse neu zu ordnen. Darnach wurde das 1806 zugrunde gegangene Deutsche Reich nicht wieder aufgerichtet, sondern nur ein lockerer Deutscher Bund geschaffen, der sich aus 39 völlig selbständigen Staaten zusammensetzte. Aber Preußen erhielt doch seine Besitzungen zwischen Elbe und Rhein zurück und bekam außerdem noch mehrere Landesteile als Entschädigung für die früheren Verluste; es bestand seitdem aus einem größeren östlichen und einem kleineren westlichen Teile. Die östlichen Provinzen waren: Preußen, Posen, Pommern, Brandenburg, Schlesien und Sachsen, die westlichen: Westfalen und die Rheinprovinz, d. Iriedrich Wilhelm III. als Lcrndesvcrter.
§ 22. In der nun folgenden langen Friedenszeit war Friedrich Wilhelm unaufhörlich bemüht, den Wohlstand seines Volkes zu heben. Er bewirkte dies namentlich dadurch, daß er Zollverein, die Zollschranken, welche damals noch zwischen den einzelnen Provinzen bestanden, gänzlich fallen ließ; dann bewog er auch zahlreiche andere deutsche Staaten, untereinander ein Gleiches zu thun, damit innerhalb derselben die Waren überall zollfrei ein- und ausgeführt werden könnten. Dadurch wurden die Waren billiger, und der Handel nahm einen ungeahnten Aufschwung. Am 1. Januar 1834 gehörten diesem Zollverein schon 25 Millionen Bewohner Deutschlands an; später zeigte sich, daß jener Handels- und Verkehrsbuud auch die staatliche Einigung Deutschlands wesentlich vorbereitet hatte.
@rritv Handel und Gewerbe wurden gerade damals noch durch
duugen. mehrere Erfindungen auf Wege geleitet, die früher fein Mensch voraussehen konnte; denn um diese Zeit kamen die Dampfschiffe, die Eisenbahnen und die Telegraphen auf, welche das gewerbliche und geschäftliche Leben vielfach umgestalteten. Im Jahre 1825 fuhr das erste Dampfschiff auf dem Rheinstrom, und 1835 wurde die erste Eisenbahn (zwischen
Der Große Kurfürst und die preußischen Könige. 31
Nürnberg und Fürth) gebaut. Es entstanden unzählige Fabriken, und auch in ihnen arbeitete man meist mit Dampfmaschinen. z r>- • I • r r* i o l
Nach einer langen bewegten Regierung starb tfrtednch ^ U-
Wilhelm III. 1840, tief betrauert von seinem treuen Volke; HI. er ruht mit seiner edlen Gemahlin Luise in dem prächtigen 1840> Mausoleum (Grabgewölbe) zu Charlottenburg. Mit den Worten: „Meine Zeit in Unruhe, meine Hoffnung in Gott" hat der König selbst sein Leben kurz und schön bezeichnet.
König Friedrich Wilhelm IT« 1840—1861.
§ 23. Von den Söhnen Friedrich Wilhelms III. kam erst Friedrich WilhelmIV., dann Wilhelml. zur Regierung.
Ersterer war ein geistvoller, kenntnisreicher und kunstsinniger Fürst; sein treffender Witz und seine Leutseligkeit wurden allgemein gerühmt, und seine echte Frömmigkeit spricht sich in dem schönen Wahlspruche aus, den er hatte: „Ich und mein Haus, wir wollen dem Herrn dienen l" Seine Gemahlin war die bayrische Prinzessin Elisabeth Luise, eine Frau von großer Klugheit und Sanftmut.
Schon unter Friedrich Wilhelm IV. gab es eine große Partei, welche dem preußischen Könige die deutsche Kaiserkrone verschaffen wollte; aber der König wies sie von sich, weil er die rechte Zeit noch nicht für gekommen hielt. Denn die deutschen Fürsten waren nicht mit dem Herzen dabei, und die Unterthanen handelten eigenmächtig, als sie jene Krone anboten. Also kam damals die Einigung Deutschlands noch nicht zustande.
§ 24. Dagegen richtete der König sein ganzes Sinnen auf das Ansehen des Staates und auf die Wohlfahrt seines Volkes. Er errichtete zahlreiche Anstalten christlicher Liebe,
Kranken- und Waisenhäuser, und sorgte dafür, daß das Christentum in seinem Volke festere Wurzeln faßte; es sollte schon in den Volksschulen auf eine religiöse Erziehung größeres Gewicht gelegt werden. Die vielen Sorgen und Anstrengungen lähmten aber seine geistigen Kräfte; er wurde von einem schweren Gehirnleiden heimgesucht, dem er am 2. Januar 1861 erlag. Ihm folgte in der Regierung sein Bruder, König Wilhelm I., dessen ruhmreiche Geschichte schon im ersten Abschnitte dieses Buches erzählt worden ist.
Zeittafel.
(Dient zugleich als Inhaltsübersicht.)
Seite.
1415 Die Mark kommt an die Hohenzollern... 11
1539 Joachim II. führt die Reformation in Brandenburg ein....................................................12:
1618 Johann Sigismund erwirbt das Herzogtum Preußen 12
1648 Der Westfälische Friede.............................13
1640—1688 Friedrich Wilhelm der Große Kurfürst 11
1675 Schlacht bei Fehrbeliu ... 13
1688—1713 Friedrich III., als König Friedrich I. . 15
1701 Preußen wird ein Königreich . . 15
1713—1740 König Friedrich Wilhelm I.........................ia
1740 -1786 König Friedrich II. der Große. . . 17
1740—1741 der 1. Schlesische Krieg . 18-
1744—1745 der 2. Schlesische Krieg . 18
1756 —1763 der 3. Schlesische oder
Siebenjährige Krieg .... 18.
1786—1797 König Friedrich Wilhelm II. . . . 22
1797—1840 König Friedrich Wilhelm III. ... 22
1806 Schlachten bei Jena und Auerstädt 24
1807 Friede zu Tilsit......................24
1813—1815 die Befreiungskriege . . 26.
1840—1861 König Friedrich Wilhelm IV. . . . 31
1861 —1888 König Wilhelm I., seit 1871 Kaiser . 1
1864 der Dänische Krieg.....................2
1866 der Deutsche Krieg.....................2
1870/71 der Deutsch-französische Krieg. 4
1888 Kaiser Friedrich III.............................8
1888 Kaiser Wilhelm II. bis jetzt .... 9
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