— 35 — einzigen Auge die Erde und die Stätten der Menschen überschaut. Seine Gemahlin war Frigga, die Beschützerin der Ehe, einer seiner Söhne Thor, der Gott des Donners, der über Wind, Regen und Wolken gebietet und sich in den zugleich furchtbaren und wohlthuenden Erscheinungen des Gewitters offenbart. Neben ihnen wurde namentlich Hertha, die fruchtbringende, segenspen¬ dende Mutter Erde, verehrt. Loki war der böse, unheilstiftende Gott und Hella die Göttin der Unterwelt, die in abschreckender Gestalt im Dunkel der Erde wohnt. Außerdem gab es für die alten Deutschen noch eine Menge Wesen, welche zwischen den Göttern und Menschen mitten inne standen, als: Elfen, Nixen, Kobolde, Riesen und Zwerge. Jenen Göttern aber diente man nicht in Tempeln, sondern in heiligen Hainen, auf hohen Bergen, an heiligen Quellen oder Seen und brachte ihnen nicht selten auch Menschenopfer. Die im Streite Gefallenen kommen nach dem Glauben der alteu Deutschen in die schöne Himmels- bürg Walhalla, wo sie ein ewiges glückliches Leben führen, am Tage unter den Augen Wodans kämpfen und am Abend mit den Göttern beim Gelage sitzen. Die ruhmlos Gestorbenen dagegen kommen nach dem kalten Niflheim (Nebelheim), wo die finstere Hella herrscht. Ihre Abstammung leiteten die alten Deutschen von einem Gotte Tuisko her. Sie zerfielen in eine Menge Völkerschaften, von denen die Katten im heutigen Heffen, die Hermunduren in Thüringen, die Cherusker nordwestlich vom Harze, die Longobarden an der unteren Elbe, die Vandalen am Nord- abhange des Riesengebirges, die Semnonen an der schwarzen Elster und Spree, die Burgunden an der Warthe und Netze, die Goten an der Weichsel, die Friesen an der Nordsee, die Angeln und Sachsen in Holstein wohnten. Erst zu Anfang des 3. Jahrhunderts n. Chr., als sich die Angriffe auf das Römer¬ reich mehrten, begannen sich die einzelnen Völkerschaften zu größe¬ ren Bündnisfen zu vereinigen. So bildete sich der Bund der Sachsen im Norden, der Bund der Franken im Westen und der Bund der «Sueben, dessen Bestandteile später meist in den Ale¬ mannen aufgingen, welche die Gefilde des deutschen Sudwestens im Besitz hatten. Nachdem die Römer unter Cäsar bis an den Rhein und in den ersten Regierungsjahren des Augustus bis an die Donau vorgedrungen waren, suchten sie das Innere von Germanien selbst zu erobern. Drusus, der tapfere und geliebte Stiefsohn des Kaisers, unternahm hintereinander vier Feldzüge in das nord¬ westliche Deutschland. Als er auf dem letzten derselben auch die Elbe überschreiten wollte, trat ihm ein Weib von übermensch¬ licher Größe entgegen und mahnte ihn warnend und drohend zur 3*