lassen. Freilich war ihm auch in den Tagen seines Glückes das Leid niemals erspart geblieben, der herbste Schmerz aber traf ihn jetzt am Ziele seines Lebens, da sein einziger, teuerer Sohn von unheilbarer Krankheit befallen wurde. Noch weilte dieser in Italien, wohin die Ärzte ihn gesandt, als dem greisen Herrscher- rasch das Ende nahte. Anfangs März begannen die Kräfte des Kaisers zu versiegen, doch erledigte er fort und fort die not¬ wendigsten Negieruugsgeschäfte, denn selbst auf dem Sterbelager meinte er: „Ich habe keine Zeit, müde zu fein." Am 8. März unterzeichnete er noch ein ihm vorgelegtes Schriftstück, erörterte mit seinem Enkel, dem Prinzen Wilhelm, wichtige Fragen der Zukunft und unterhielt sich mit den sein Bett umstehenden Lieben und dem ihm Trost spendenden Geistlichen, und am Morgen des 9. März entschlief er still und ohne Kampf zum ewigen Frieden. Die Kunde von seinem Hinscheiden durcheilte blitzesschnell die deutschen Gaue, und von den Alpen bis zum Meere hüllte sich alles in tiefe und gerechte Trauer. Aber auch außerhalb der Grenzen unseres Vaterlandes ergriff die Nachricht von des Kaisers Tode die Gemüter, denn auf dem ganzen Kreis der Erde fühlte man, daß ein Siegesheld und Friedensfürst die Welt verlassen, wie die Menschheit nur wenige gesehen. 62. Friedrich III und Wilhelm II. Dem Sohne und Nachfolger Wilhelms I, dem Kaiser Fried¬ rich III, war es leider nicht lange vergönnt, sich als Herrscher auf dem Throne zu bewähren. Trotzdem ist auch sein Name ehrenvoll in die Bücher der Geschichte eingezeichnet, denn er gehörte zu den hervorragendsten Mitarbeitern an dem großen Werke der deutschen Einigung. In den Kämpfen von 1866 und 1870 wußte er als Heerführer die glänzendsten Siege zu erringen, und im Frieden verstand er es, durch den Zauber seiner Persönlichkeit die Herzen des ganzen Volkes zu erobern. Sein stattliches Äußere/seine ritterliche Erscheinung, seine Einfachheit und Biederkeit, sein leut¬ seliges und frohsinniges Wesen und seine Begeisterung für alles Schöne uud Edle nahmen jedermann für ihn ein und gewannen ihm auch im Fluge die Süddeutschen, die er im Kriege gegen Frankreich zu führen hatte. Und der günstige Eindruck, den er während des Feldzuges auf sie gemacht, wurde bei seinen späteren Besuchen in Baiern, Würtemberg und Baden noch befestigt, so daß man sich dort je länger je mehr mit dem einst so gehaßten Preußentum befreunden lernte. Er selbst begrüßte mit lebhafter Freude und Genugthuung die Gründung und Entwickelung des deutschen Reichs, zu dessen Leitung er von der Vorsehung be-