3n den Anfängen desjenigen Zeitalters der deutschen Geschichte, in dem wir noch heute leben, in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, hat bekanntlich einer unserer gemütvollsten Dichter den Satz geprägt: „Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen." Es war zu den Zeiten, da unser Volk, durch den Jammer des 30jährigen Krieges ziemlich seßhaft gemacht, zum ersten Male wieder in einigen seiner hervorragenden Söhne an der friedlichen Eroberung der Welt teilnahm, wie sie große Reisen ver¬ mitteln, und in der die Angehörigen unserer Nation, soweit sie solche Reisen noch nicht unternehmen konnten, sich wenigstens sehr eingehend und eifrig an geographischen und ethnographischen Schilderungen ferner, un¬ bekannter Weltteile labten. Es waren Anfänge, die wir heute, in einer Seit ständigen Unterwegsseins, in Jahrzehnten, in denen selbst der deutsche Globetrotter etwas Gewöhnliches wird, mit stiller Freude auch auf diesem Gebiete als Anfänge eben unseres Zeitalters begrüßen können. Indes, zu derselben Zeit, in der so eine Erweiterung des Weltbildes durch Über¬ windung der Erdräume einzutreten begann, vollzog sich ein nicht minder wichtiger und viel rascher fortschreitender Vorgang, der zu diesen räumlichen Vorgängen parallel geht. Es ist, wenn man es so ausdrücken will, das Reisen in ferne Zeiten. 3n der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts kam aus tiefsten Gründen der Kulturellen Fortentwicklung unseres Volkes jener ge¬ schichtliche Sinn aus, der heute in der Überzeugung, daß jedes Ding sich verändere und jedes seine Entwicklung habe, eine der fundamentalsten Glaubensansichten unserer Zeit geworden ist. Man darf es für heute wohl ausfprechen, daß jemand, der nicht entwicklungsmäßig, und das heißt in begründeter Form historisch denkt, eigentlich nicht ganz als Sohn feiner Periode betrachtet werden Kann. Mit der Durchbildung dieses historischen Sinnes ist bann aber, darüber Kann nicht der geringste Zweifel fein, eine