Das achtzehnte Jahrhundert.
I. Die Gesellschaft im 18. Jahrhundert.
1. Das bürgerliche Leben.
1. Stadtbild im 18. Jahrhundert.
„Ich weiß, daß dieser Ort aus den Beschreibungen hinlänglich bekannt ist,
doch wird es nicht ermüden, wenn ich dessen Erwähnung tue, was meine Verwunde¬
rung erweckt, da ich dergleichen in meinem Leben noch nicht gesehen hatte. Ich
sah hier große Vorstädte, darin schöne Häuser, Paläste und Gärten, allenthalben
schöne Alleen; die gemauerten Brücken, ja die Stadtmauern, alles war angemalt,
die Spitzen der Kirchen, die man kaum vor den hohen Wohnhäusern hervorragen
sehen konnte, waren vergoldet. Wir fuhren in das Alt-Ranstädter Tor, und der
Brühl, so eine lange, nicht abzusehende, sehr breite und gerade Gasse mit den
schönsten Wirtshäusern, bezauberte uns. Schlechte oder Giebelhäuser, die man an
andern Orten häufig findet, ward man hier gar nicht gewahr. Die meisten hatten
vier oder fünf Stockwerk, waren massiv gebaut und entweder mit einem grünlichen
Schwefelgelb oder mit einer anderen Farbe, auch wohl mit biblischen Historien von
oben bis unten nach der Kunst in dunkelbraun mit aschgrauen Figuren bemalt.
Viele hatten schöne Erker, vergoldete Verzierungen, oben Galerien und Statuen
oder waren auch von unten bis oben mit Bildhauerarbeit ausgeziert. Die Fenster-
luchten waren aus einem Stein gehauen, die Fenster selbst in der Vertiefung mit
großen Glasscheiben in hölzernen Einfassungen eine Elle lang, wovor von oben bis
unten die schönsten Blumentöpfe standen mit Lorbeer--, Rosmarin- und Myrten¬
bäumen, allerlei Levkojen, gelbe Veilchen und andern Blumen, wozwischen zuweilen
kleine grüne Vogelbauerchen hingen, in welchen sich die Nachtigall beim Kühlen zu
ihrer Zeit, auch andere singende Vögel hören ließen."
(„Tagebuch des Predigers Johann Christian Müller", teilweise veröffentlicht von Lina Scheel,
Leipz. Tagebl. 1908, 2. Jan.)
„Die Gassen insgesambt sind gleich angeleget / lang und breit / mit Kiesel¬
steinen ausgepflastert / und abhängig / damit das Wasser seinen Abschuß habe.
Sie werden rein und sauber gehalten / wie denn nicht allein so wohl unter dem
Thomas- als Rannstädter Thoren gewölbete steinerne Goßsteine und Rennen liegen /
durch welche der Unflat und Regenwasser aus der Stadt in den Stadtgraben geleitet
wird / sondern es hält auch überdas E. Edl. Rath gewisse Pferde-Kärner / welche
täglich herum fahren und den Ausschutt und Kehricht vor denen Haußthüren in
enden Gassen ausladen und aus der Stadt führen müssen. Die Gäßgen sind zwar
etwas enger als die Strassen und Gaffen / jedoch ist keine so enge / daß nicht ein
Wagen / zur Noth auch zweene neben einander ungehindert fortfahren köndten.