53 Es formte unmöglich Alles in peruanischer Sprache dem Inka klar gemacht werden. Was jedoch Atahualpa von der unvernünftigen Rede verstehen konnte, beantwortete er mit großer Vernunft und Mäßigung. Der Pater geriet!) darüber vermöge seiner Dummheit in Wuth, schlug immer auf sein Brevier und schrie: „Da steht's! da steht's l" Ruhig nahm der Inka das Buch, hielt es — unbekannt mit europäischer Schreib¬ kunst — an's Ohr und sagte: „Es schweigt, es sagt mir nichts," und warf es gleichgültig zur Erde. „Ha, verfluchter Heide!" rief bei diesem Anblick der Pfaff, — „so verhöhnst du Gottes Wort? Christen, habt ihr's ge¬ sehen? Auf, zum Gewehr, zum Gewehr! Rächet diese Entheiligung an diesen ruchlosen Hunden!" Pizarro winkte und im Augenblick waren alle Säbel entblößt, die Peruaner an der Seite des Inka wurden niedergehauen, er selbst von Pizarro fortgeschleppt, indeß draußen die beiden Kanonen los¬ gebrannt wurden, die mehr durch das plötzliche Aufblitzen des Feuers und den entsetzlichen Knall, als durch ihre verheerenden Wirkungen, Schrecken und Flucht verbreiteten. Ein Heer von vielleicht 30,000 Menschen, das in der Ebene zerstreut stand, ward so von ein paar Schüssen verscheucht, wie ein Fliegenschwarm durch einen Schlag auf den Tisch. Aber der Fanatismus der Spanier war mit diesem Triumph noch nicht zufrieden. Die Reiterei schwang sich auf die Pferde, setzte den Fliehenden nach und metzelte so lange unter den Indianern, als es der Tag erlaubte. Man rechnet auf 4000 Peruaner, die an diesem Tage ermordet sein sollen. Die Beute an Gold und Silber war unermeßlich. 3. Atahualpa's Tod (1533). Der unglückliche Inka, den die erste Ueberraschung in eine dumpfe Erstarrung versetzt hatte, sah sich bei seinem Erwachen mit unaussprech¬ licher Angst von seinen Freunden verlassen, mitten im Kreise der furcht¬ baren Fremdlinge, die sich an seinem Anblick weideten. Er weinte, er zit¬ terte und wußte nicht, was er thun, was er sagen sollte. Als er aber sah, mit welcher Gier die Spanier in dem erbeuteten Golde wühlten, er¬ bot er sich, ihnen von diesem Zierrath (denn weiter hatte das gelbe Metall für ihn keinen Werth) das ganze Zimmer voll, so hoch man reichen könne, zu verschaffen, wenn man ihn dafür in Freiheit setzen wolle. Die Spa¬ nier erstarrten fast vor freudiger Bestürzung bei diesem Versprechen. Pizarro hielt ihn beim Wort, zog in der angegebenen Höhe einen schwar¬ zen Strich um alle vier Wände des 22 Fuß langen und 16 Fuß breiten Zimmers und gab ihm sein Wort, daß er ihn ganz gewiß frei lassen wolle, wenn er sein Versprechen erfülle. Es wäre den Peruanern, nachdem sie sich von dem ersten Schrecken erholt hatten, ein Leichtes gewesen, noch jetzt die wenigen Spanier zu über¬ wältigen, aber die Liebe zu ihrem gefangenen Könige war so groß, daß sie um seinetwillen die furchtbaren Feinde lieber gar nicht reizen wollten. Sie beeiferten sich dagegen, die von ihm verlangten goldenen Gefäße aus allen Häusern und Tempeln des ganzen weiten Reichs zusammen zu holen und