Der Reichstag. 67 Die frühere gleichmäßige Verteilung der öffentlichen Grafen- vder Gaugerichte über das ganze Reich erlitt im Laufe der Zeit wesentliche Veränderungen. Die „Immunitäten" oder Ausnahme¬ gerichte, insbesondere die geistlichen, nahmen einen immer breiteren Raum ein. Ebenso vermehrte sich die Zahl der Hofrechte. In den größeren Gebieten endlich, welche sich zn einer gewissen landesherr¬ lichen Selbständigkeit herausbildeten (wozu auch vielfach die Ge¬ biete der Grafen selbst gehörten, indem diese sich zu erblichen Dyna¬ sten machten), entstanden landesherrliche Gerichte, welche den königlichen oder Grasengerichten in ihrer Einrichtung glichen, nament¬ lich in der Zuziehung von Schöffen. So wurden die Bezirke der Grasengerichte nach allen Seiten hin durchbrochen. Was davon noch übrig blieb, wurde unter Landgerichte gestellt. In den sächsischen Landen hießen diese Landgerichte Frei- oder Freigrafengerichte, woraus dann später die „heimlichen" oder „Behmgerichte" sich ent¬ wickelten. Sowohl von den königlichen Landgerichten, als oon den herrschaftlichen Gerichten fand Berufung an das königliche Hof- gericht statt. Eilftes Kapitel. Der Reichstag. 811 die Stelle der im Frankenreiche üblichen regelmäßigen Ver¬ sammlungen der Großen (der „März-" oder „Maifelder") traten im deutschen Reiche zeitweilige, je nach Bedürfnis einberufene Reichs - tage. Auf diesen Reichstagen erschienen zunächst die hohen Reichs¬ beamten, Herzöge, Markgrafen, Landgrafen, Grafen, ferner die geist¬ lichen Fürsten, Erzbischöfe, Bischöfe, Äbte, wahrscheinlich auch die Inhaber der großen Hofämter, als Berater und Vertraute des Königs. Ob uni) wie weit auch Vasallen zweiten Ranges zugezogen ober zuge¬ lassen worben seien, ist nicht recht klar. Vertreter ber Stäote er¬ schienen zum erstenmal auf einem Reichstage zu Hagenau 1255, und zwar zu dem besonderen Zweck der Herstellung eines Land- friedenv, wozu bie rheinischen Stäbte schon 1254 sich verbuubeu hatten. Ein zweites Beispiel ber Zuziehung stäbtischer Abgeordneter ist ans dieser Periode nicht bekannt.