Der Sieg der Zünfte über die Geschlechter. 199 Lande fehlten. Es begann die eigene Sitte, daß die Landleute selbst von weither in der Stadt wohnen wollten und nur zur Ernte und Feldbestel¬ lung aufs Land gingen. Aber nicht bloß der einfache Landmann handelte so, auch der Adel und die Klöster kauften sich gern in der Stadt an, um ihre Produkte besser abzusetzen und an dem Reize des städtischen Lebens teilzunehmen. 52. Der Sieg der Zünfte über die Geschlechter. (Nach: Dr. I. Müller, Zünfte und Geschlechter im vierzehnten Jahrhundert, in Zeit¬ schrift für deutsche Kulturgeschichte, Jahrg. 1856. S. 372 — 393. F. W. Barthold, Ge¬ schichte der deutschen Städte. Leipzig, 1851. Bd. III. S. 252—261. Bd. IV. S. 1 — 18. 69-73. G. Schmoller, Straßburg zurZeit der Zunftkämpfe. Straßbnrg, 1875. S.4—25.) A)q§ Zunftwesen hat seine Wurzel, wenigstens indirekt, zwar in den Überwachungsmaßregeln der Regierenden, doch ließen diefe es sich nicht besonders angelegen sein, die aufschießende Pflanze zu ziehen oder umsichtig und bewußtvoll zu pflegen. Zugeständnisse und Beschränkungen, Privilegien und Verbote durchkreuzten sich; in jener staatsrechtlichen Verwirrung wäh¬ rend der Bildung der Landeshoheit, als die Befugnisse der königlichen Macht und die Rechte der Territorialherrschaft, durch altes Herkommen und durch Reichsgefetze noch wenig geschieden, vielfach ineinander griffen, erfolgten die widersprechendsten Bestimmungen. Was die einen privilegierten, verwarfen andere; wenn der Vorfahr sich gnädig bewiesen, so mochte es dem Nach¬ kommen einfallen, das fchon Gediehene wieder umzustürzen. Jene Zeit war den Einigungen überhaupt nicht gewogen; fchon Kaiser Friedrich I. untersagte sie. Seine Nachfolger, besonders Friedrich II., hielten ein schwankendes Verfahren ein. Bald gab dieser übereilte Vergünstigungen, dann, wenn er sich von den staatsrechtlichen Verhältnissen unterrichtet, oft auch aus persönlichen Rücksichten, erfolgte unwürdiges Zurücknehmen der günstigen Verfügungen. Wenige Fürsten des Mittelalters haben so wie er die Bedeutsamkeit des Gewerbstandes mit staatsmännischem Blick erkannt, aber durch Verhältnisse beengt und bedrängt mußte er die nach oben streben¬ den Kräfte niederhalten, um der weltlichen und geistlichen Großen versichert zu bleiben in dem Kampfe um das Ziel der Hohenstaufen. Infolgedessen hatten die Städte, wenn sie für die nach Entfaltung im Innern und für die nach außen strebenden Kräfte die nötige Luft schaffen wollten, weit mehr Schwierigkeiten und Kämpfe zu bestehen, als die Stifter und Klöster, ihre Vorgänger in dem System der genossenschaftlichen Einigung. In verschiedenen Abstufungen lagerte eine hemmende Macht über ihrem Streben: Könige, Landvögte, Burggrafen, erbliche Stadtvögte, geistliche Fürsten und Prälaten. Besonders die geistlichen Regenten, die im Beginn zum Emporblühen der Städte, zur ersten Entwickelung ihrer materiellen