— 87 — durch dieses Porträt des Königs Gunst zu gewinnen, beging sie einen Ehebruch. Ich wende mich mit Abscheu ab von ihrem Bilde; ich werde es niemals wieder an¬ sehen". „Das sind eigentümliche, kleinliche Anschauungen, mein Kind", sagte die Kurfürstin achselzuckend. „Ich be¬ wundere vielmehr die List und Verschlagenheit der Prin¬ zessin, wodurch sie es erreichte, die Aufmerksamkeit des Königs auf sich zu lenken. Zur Gewalt können wir armen Frauen nicht greifen, wenn uns Unrecht geschieht; wir müssen entweder dulden oder uns durch List Genugthuung zu verschaffen suchen". Wiederum hefteten sich die Augen der Kurfürstin fest ans das Gesicht der Schwiegertochter, diese aber hielt jetzt den Blick standhaft aus. „Nun, so würde ich dulden", sagte sie mit fester Stimme. „Einer Untreue gegen meinen Gemahl würde ich mich am allerwenigsten schuldig machen". Sie wollte noch mehr erwidern; in diesem Angen¬ blicke aber kam ein Lakai, um ihr zu melden, daß ein fremder Herr, ein kaiserlicher Offizier, sich die Erlaubnis ausgebeten habe, ihr seine Aufwartung zu machen. Er¬ staunt blickte Sophie Dorothea auf den Diener. „Hat der Herr nicht seinen Namen genannt?" fragte sie. „Nein," antwortete der Diener; „er sagte mir nur, daß er ein Bekannter Euer Durchlaucht sei aus der Zeit, als Euer Durchlaucht noch in Celle weilten. Weitere Aufklärung gab er mir nicht11’ „Führe den Herrn in meine Gemächer", befahl die Prinzessin; „ich werde sogleich erscheinen". Mit einer Verbeugung verabschiedete sie sich von der Kurfürstin und ging nachdenklich davon. Als sie gegangen war, sagte diese leise für sich: „O Du tugendstolzer Engel! Was gilts, die Zeit ist nicht fern, wo ich Dir dennoch eine Falle stelle, in welcher Du Dich sangen sollst. Doch nuu hinweg, damit ich erfahre, wer der Herr ist, der Deine Bekanntschaft sucht".