Justinian I. (527—565.) Kaiser Justinian I. besaß das glückliche Talent, aus seinen Umgebungen die rechten Männer für die Geschäfte des Krieges wie des Friedens heraus zu finden und ihre Fähigkeiten zum Vortheile des Staates zu verwerthen. Daher erreichte auch unter seiner Re¬ gierung das oströmische oder griechische Reich (auch byzan¬ tinisches Reich genannt) die höchste Stufe des äußeren Glanzes. Durch den berühmten Tribonian uud andere ausgezeichneten Rechtsgelehrten ließ er die römischen Gesetze in dem berühmten Ge¬ setzbuche Corpus juris zusammentragen, das allen späteren Ge¬ setzgebungen zu Grunde gelegt worden ist. Durch die Erbauung der prachtvollen Sophienkirche, eines Meisterwerkes der byzan¬ tinischen Baukunst, — nach deren Vollendung er mit stolzem Selbst¬ gefühle ausrief: „Salomo, ich habe dich übertroffen!" — und vieler anderen großartigen Bauanlagen erhöhte er den Glanz des Reiches und seines Namens. Für die Industrie wurde die Zeit seiner Regierung durch die Einführung des Seidenbaues wichtig. Auch an kriegerischen Ereignissen war Jnstinian's Regierung reich. Nachdem der seit seiner Thronbesteigung begonnene Krieg mit seinen östlichen Grenznachbarn, den Persern, durch einen Frieden mit dem König Chosross I. Nnschirwan beendet worden war, sandte er seinen Feldherrn Belisar, den ersten Kriegshelden seiner Zeit, nach Afrika gegen den Vandalenkönig Gel im er, der, nachdem er seinen Vetter, den schwachen Hilderich, vom Throne gestoßen und in das Gefängniß geworfen, die Verwendung Jnstinian's für den ge¬ fangenen, ihm befreundeten König unbeachtet gelassen hatte. 'Belisar eroberte innerhalb dreier Monate das Vandalenreich (534) und machte dasselbe, da Hilderich auf Gelimers Befehl ermordet worden war, nebst den Inseln Sardinien, Corstea und den Balearen, die sich freiwillig unterwarfen, zur griechischen Provinz. Der gefangene Gelimer wurde zu Koustantinopel im Triumphe aufgeführt und er¬ hielt hierauf von Justinian ansehnliche Landgüter in Galatien, wo er sein Leben in ländlicher Abgeschiedenheit beschloß. Um die Ermordung der Ämalasuntha, seiner Bundesgenossin, zu rächen, erklärte Justinian an Theodat den Krieg, und Belisar setzte im Jahre 535 nach Italien über. Rasch war Sicilien er¬ obert, und Belisar setzte seinen Siegeslauf durch Unteritalien fort, dessen Bewohner ihm, als dem Befreier von der arianifchen Bar¬ barei, willig die Thore ihrer Städte öffneten. Unzufrieden mit dem unschlüssigen Theodat, erhoben die Gothen ihren tapferen Feldherrn