72 Aus der Zeit der Kämpfe um Berfassung und die deutsche Einheit. Ms 1850. wir alle versammelt waren, und rief mit lauter Stimme und rotem Kopfe: „Da die Barrikaden verschwinden, so befehlen Seine Majestät, daß die Truppen von allen Straßen und Plätzen zurückgezogen werden sollen." Ich nahm sofort das Wort und sagte, das stehe ja im Widersprüche mit den Worten der Königlichen Proklamation, wo es nur heißt, daß da, wo eine Barrikade verschwinde, die vis-ä-vis stehenden Truppen zurückgezogen werden sollen. Der Minister donnerte mir aber entgegen: „An den Worten des Königs darf nichts geändert noch gedeutet werden." Ich fuhr fort, fragte, ob unter allen Plätzen auch die Schloßplätze zu verstehen seien, wo die rückkehrenden Truppen sich aufstellen konnten. Der Minister Bodel- schwingh donnerte mir aber nochmals dieselben Worte entgegen und befahl dann: „Und nun laufen und reiten Sie, meine Herren, um die Befehle des Königs zu überbringen, die Truppen sollen mit klingendem Spiel ab¬ ziehen." Seit dem Moment sah ich den Minister von Bodelschwingh nicht wieder; es waren die letzten Worte, welche er als Minister sprach. Ich suchte den König im ehemaligen ersten Zimmer der Gräfin Redens) fand ihn aber nicht, fand aber Graf Arnim schreibend, ich sragte ihn, wo ist der König, was machen Sie denn? Er erwiderte: „Ich formire das neue- Ministerium!" und ich las die Namen Auerswald, Schwerin?) — Ich sagte aber: „Das ist ja ganz wie in Paris, wie Guizot, Thiers, warten Sie doch damit noch." „Nein", war die Antwort, „es ist die höchste Zeit." Als ich ins Hallenkabinett des Königs trat, fand ich ihn auch dort nicht, zurückkehrend ins Speisezimmer, trat er auch ebeu ein; er sah die allgemeine Konsternation, und wir erzählten ihm den Bodelschwinghschen Auftritt. Er versicherte, keinen anderen Auftrag und keinen anderen Be¬ fehl gegeben zu haben als den, der in der Proklamation enthalten sei, und es müßte das sofort noch geändert werden. In demselben Moment kam aber schon das Füsilier-Bataillon 1. Garde-Regiments tambour battant über die Kurfürstenbrücke, darauf das vom Regiment Alexander, und die Menschenmasse stürzte nach. Der König befahl, die Brücke sollte besetzt und gesperrt bleiben; es war zu spät und unmöglich. Die Truppen rückten auf die Schloßhöfe und aus den Domplatz. Als die Brücke unbesetzt blieb, sagte ich zu Arnim: „Nun sind wir verloren!" denn ich sah alles vorher, was nun folgen würde. Ich ging hinunter zu den Truppen. . . . Als ich zurückkehrte in die Zimmer der Königin, beruhigte ich die desolirten Anwesenden damit, daß alle Truppen noch da seien und vom besten Sinn beseelt. Mit einemmal höre ich trommeln; ich stürze an das Fenster und sehe — das 1. Garde- Regiment aus dem Portal Nr. 1 abmarschiren über den Schloßplatz unter