Reformation und 16. Jahrhundert. 121 auch wenn sie wie Kaiser Rudolf in Untätigkeit gewähren ließen, desto mehr wurden sie int eigenen Lande bedrängt durch die Forderungen der ständischen Opposition, wie durch die Aufregung im Volke. Und wohl erkannten sie einen drohenden Zusammenhang dieser Opposition in allen Besitzungen ihres Hauses. So waren ihnen nur zwei Wege geöffnet. Entweder sie mußten selbst Protestanten werden, und das war ihnen längst unmöglich; oder sie mußten die gefährliche Lehre und die Ansprüche, welche sie in die Seeleu der Menschen wars, mit Entschlossenheit vernichten,in ihrem eigenen Lande, überall. Der Habsburger kam, welcher das versuchte. Unterdes war der Mut der alten Kirche durch große Siege, die sie in andern Ländern erfochten hatte, hoch gestiegen. Das heftige Aufbrennen der ständischen Opposition in kaiserlichen Ländern unter schwachen Regenten drängte die Freunde der Kirche zu gemein¬ samem Handeln. Gegen die drohende Offensivbewegung der katholischen Partei vereinigten sich protestantische Fürsten, wie einst zu Schmalkalden, wieder zu einer Union; die katholische Partei ant¬ wortete durch die Liga; den Protestanten aber lag die Verteidigung, der Liga ein Angriff ant Herzen. Das war die politische Lage Deutschlands vor dem dreißig¬ jährigen Kriege; eine trostlose Lage. Das Mißbehagen war all¬ gemein, ein Zug von Trauer, die Neigung, Übles zu prophezeien sind bedeutsame Zeichen dieser Zeit. Jeder tückischen Mordtat, die durch ein Flugblatt dem Volk verkündet wird, ist eine Betrachtung über die schlechte Zeit angehängt; ans zahlreichen Predigten und erbaulichen Schriften schallt schmerzliche Klage über die Verderbtheit der Menschen, die unseligen, argen, letzten Jahre vor dem Welt¬ ende. Und doch ist, wie wir deutlich erkennen, die Sittenlosigkeit im Lande nicht auffallend größer geworden. Der Wohlstand ist in den Städten, selbst auf dem Laude im Wachstum, es wird viel regiert, überall bessere Ordnung, größere Sicherheit des Daseins. Allerdings hat sich mit dem Reichtum Genußsucht und Luxus ver¬ mehrt, schneller dringen neue Moden ein, auch in den untern schichten des Volkes erwacht die Begehrlichkeit, mannigfaltiger ist das Leben und teurer, und häufiger zeigt sich Gleichgiltigkeit gegen dos Gezänk der Geistlichen. Uns gilt dies nicht als ein nationales Unglück, es ist die nicht immer anmutige Folge größerer Ansprüche,