Die ersten Regierungsjahre des Tiberius. 427 oder jener Weise Andeutungen zu geben, so dass der Senat auch hier nichts zu thun hatte, als seinen Willen zu errathen und zu befolgen. In ähnlicher Weise aber wurde auch bei den übrigen Wahlen verfahren. Das Einzige, was dem Volke gelassen wurde, war die Verkündigung (renuntiotio) der Wahlen in den Volks¬ versammlungen. Während er aber somit alle Gewalt in seiner Person ver¬ einigte, so meinte er doch, wenigstens in der früheren Periode seiner Herrschaft, nicht auf den Ruhm bei der Nachwelt ver¬ zichten zu sollen, und es fehlt in dieser Periode allerdings nicht an Handlungen und Bestrebungen, von denen wir nicht ohne Beifall Kenntniss nehmen können. Er liess sich die Rechtspflege angelegen sein und wohnte deshalb den Gerichtssitzungen der Prätoren häufig bei; er steuerte dem Uebermuth der Schauspieler und dem Unfug, der bei ihren Vorstellungen häufig vorkam; er lehnte die Erbschaften ab, die ihm zum Nachtheil der Verwandten der Erblasser aus Schmeichelei oder Furcht zugewendet wurden; er setzte durch reiche Geschenke Senatoren, die ohne ihre Schuld verarmt waren, in den Stand, ihre Stellung zu behaupten; er baute auf eigene Kosten neue Tempel und Heiligthümer und stellte die verfallenen wieder her, und als im J. 17 zwölf Städte Kleinasiens durch ein Erdbeben fast völlig zerstört wurden, so zeigte er sich sofort bereit, ihrer Noth durch einen mehrjährigen Steuererlass und durch ein bedeutendes Geldgeschenk abzuhelfen, wie er denn überhaupt bemüht war, das Wohl der Provinzen durch seine Fürsorge zu fördern. Auch dies verdient noch eine gewisse Anerkennung, dass er den ihm wiederholt angebotenen Ehrennamen „Vater des Vaterlands“ beharrlich ablehnte und es nicht duldete, dass der Senat sich am ersten Tage des Jahres durch einen Eidschwur zum Gehorsam gegen seine Anordnungen verpflichtete. Daneben kamen aber schon in derselben Periode die An¬ klagen wegen Majestätsverbrechen in Uebung, welche in der Kaiserzeit vorzugsweise als Mittel der Verfolgung und Unter¬ drückung gebraucht wurden. Die Majestät war jetzt nicht mehr, wie zur Zeit der Republik, Eigenschaft und Attribut des Volks, sondern des Kaisers, und die Anklagen wurden unter schlechten Kaisern, oft wegen der geringfügigsten Dinge und gegen die