Der Staat der Athener. 15 in jedem Jahre neu gewählt wurden und unter welche die richterlichen, priester- lichen und Feldherrnpflichten verteilt wurden. Es war damals eine schwere Zeit für das Volk von Athen. Viele der ^^r- armen Bauern hatten in der Not von reicheren Leuten Geld zu hohen Zinsen entleihen müssen und waren dadurch in Verschuldung und erst recht in Bedrängnis gekommen; denn wenn sie die Schuld samt den Zinsen nicht bezahlen konnten, so wurde ihnen ihr Hos und Acker versteigert, und salls die Kaufsumme zur Bezahlung der Schuld nicht ausreichte, so verfielen sie selbst mit ihrer Familie in Schuldknechtschaft. So kam es, daß viele athenische Bauern völlig verarmten, gar manche sogar die Freiheit verloren. Andere Mißstände kamen hinzu. Zunächst waren die Gesetze noch nicht auf- geschrieben, wie man ja damals überhaupt die Schrift erst wenig anwandte, sondern sie wurden mündlich überliefert. Den adligen Richtern aber warf man vor, daß sie zuweilen parteiisch und sich selbst zum Vorteil Recht sprächen. Man wünschte daher, daß die Gesetze niedergeschrieben würden, damit man die Amtsführung der Richter prüfen könne. Endlich empfand die Bevölkerung es schwer, daß nur die Adligen politische Rechte hatten, im Rate sitzenAAN und Beamtenstellen bekleiden dursten. Auch Bürger und Bauern verlangten Anteil an der Staatsverwaltung. Da entschloß sich der Adel zunächst die Gesetze ausschreiben zu lassen und beauftragte den Drakon mit der Abfassung eines Gesetzbuches. Aber die @e®^ung. drakonischen Gesetze waren von außerordentlicher Härte; sie setzten z.B. auf Felddiebstahl die Todesstrafe. So wurde die Erbitterung des Volkes nicht beschwichtigt. Da wurde für das Jahr 594 Solon zum Archon gewählt, mit dem Aufträge, dem Staat Gesetze zu geben. § 12. Die Gesetzgebung Solons 594. Solon war ein Mann von ©oion 594. altem Adel und leitete sein Geschlecht von König Kodrus her; aber er war beim Volke wegen seiner gerechten, milden und gütigen Gesinnung allgemein beliebt. Er hatte als Kaufmann weite Reifen gemacht und reiche Erfahrungen gesammelt; er hatte über die Pflichten, die der Mensch gegen Gott und feine Mitmenschen hat, ernsthaft nachgedacht, weshalb man ihn nachher zu den sieben Weisen rechnete; er war auch ein Dichter, von dessen Gedichten uns noch einige erhalten sind. Das Vertrauen des Volkes hatte er besonders bei folgender Gelegenheit erworben. Die Athener lagen seit Jahren mit den Megarern in hartem Streit um die Insel Salamis; da aber alle Versuche sie zu ge¬ winnen fehlgeschlagen waren, so hatten sie endlich das Gesetz gegeben, daß bei Todesstrafe niemand wieder von der Eroberung der Insel sprechen solle. Da erschien eines Tages Solon in Heroldstracht, sich wahnsinnig stellend, auf dem