— 44 — Untergang den Giftbecher trinken müsse. „Ach," schluchzte einer der Freunde, „wenn du nur nicht so ganz unschuldig stürbest!" — „Und wolltest du denn lieber," erwiderte Sokrates mit Lächeln, „daß ich schuldig stürbe?" Darauf sprach er mit ihnen von der Unsterblichkeit der Seele und von dem Wiedersehen nach dem Tode bis zum Abend. Dann nahm er den Becher, betete, daß sein Aus¬ gang von hinnen glücklich sein möchte, und leerte den Becher mit unverändertem, ruhigem Gesichte. Als das Gift zu wirken anfing, legte er sich nieder und hüllte sich in seinen Mantel ein. Man fragte ihn, ob er noch etwas verlange, aber er antwortete nicht mehr. Weinend drückten ihm die Freunde die Augen zu. Mit solcher Gelassenheit und Würde starb der weise Sokrates als ein Opfer der Bosheit und des Neides (399 v. Chr.). Erst nach seinem Tode erkannten die Athener ihr Unrecht. Die ganze Stadt legte Trauer an, als würde in jedem Hause ein Toter beweint. Seine Hauptankläger verurteilten sie zum Tode, die übrigen straften sie mit Landesverweisung. Ihm selbst errichteten sie eine prächtige Bild¬ säule und verehrten ihn fast wie einen Gott. Seine Lehren aber pflanzten sich durch seine Schüler fort und waren noch lange für viele eine reiche Quelle reinerer Sittlichkeit und Tugend, ohne daß sie jedoch den immer tiefern Verfall des griechischen Volkes im ganzen aufzuhalten vermochten. Alexander. Seit dem Ende des peloponnesischen Krieges war es aus mit dem Ruhme des griechischen Volkes, ja es hatte nachgerade die Ehre seines Namens so sehr vergessen, daß Griechen gegen Griechen von ihren Erbfeinden, den Persern, Unterstützung annahmen. Darum wurden sie auch in Bälde die Beute eines schlauen Eroberers, des Königs Philipp von Macedonien, dessen Sohn Alexander ihn noch an Größe und Ruhm überstrahlte. Mit ausgezeichneten Anlagen ausgerüstet, erhielt Alexander den größten Weisen damaliger Zeit, Aristoteles, zum Erzieher, den er auch anfangs so sehr liebte, daß er oft sagte: „Meinem Vater ver-