— 95 — Lieder erschollen zu des wahren Gottes Ehre. Von allen Seiten tönten feierlich die Glöcklein durch Wald und Flur und riefen die Neubekehrten zu gemeinsamem Gottesdienste. Um die Kirchen, die man mit aller Pracht, ihre Häupter majestätisch gegen den Himmel anstrebend, baute, lagerten sich demütig die niedrigen Hütten und erweiterten sich allmählich zu Dörfern und Städten. So wuchs in Deutschland unter der Pflege weiser Bischöfe überall das Christen¬ tum herrlich empor und fuhr fort, seine Früchte aufs reichste zu ent¬ falten. Nun begann aber unser Vaterland besonders durch einen ruhmvollen Herrscher auch in Bezug auf weltliche Macht der merk¬ würdigste Schauplatz der Geschichte zu werden — dieser Herrscher heißt Karl mit dem Beinamen der Große. Das römisch-deutsche Kaisertum. Karl der Oroße und seine Krönung in Wom. Karl, der Enkel Karl Martells und der Sohn Pipirts, der sich zum König der Franken emporgeschwungen, wurde am 2. April 742, wahrscheinlich zu Aachen, geboren. Ausgewachsen wie andere junge Franken, fand er an des Krieges Vorspielen: der Jagd, an Roß und Waffen, feine Freude. Im 19. Jahre zog er bereits mit zu Felde, im 26. bestieg er den Thron. Von da an war sein ganzes Leben zwischen beständigen Kriegen geteilt, so daß von 46 Jahren nur ein einziges ohne Feldzug verstrich. Am meisten machten ihm die Sachsen zu thun, die oft den kaum geschlossenen Frieden brachen und neue Unthaten verübten. Dieses kriegerische Volk bewohnte damals die weite Ebene zwischen der Elbe, dem Niederrhein uud der Nordsee. Geschützt durch uner¬ meßliche Wälder und Sümpfe, mehr aber noch durch angestammte Tapferkeit, hielt das Sachsenvolk unter allen deutschen Stämmen noch allein an den alten heidnischen Sitten fest, lebte mit den Franken, denen es sich nicht unterwerfen mochte, fast immer in Feindschaft