Schöner Tod. 109 sich sehr erschöpft fühlte, kniete er doch bei der heiligen Kommunion eine volle Viertelstunde in seinem Bette, indem er Gott für die vielen Beweise seiner Barmherzigkeit dankte, und mit einer Innigkeit, welche die Herzen aller Anwesenden rührte, iiber seine Sünden die tiefste Zerknirschung ausdrückte. Am 21. September, dem Tage des heiligen Matthäus, zwei Stunden nach Mitter¬ nacht, fühlte der Kaiser, daß seine Stunde gekommen sei. Lange war er sprachlos dage¬ legen, da rief er aus: „Nun ist es Zeit!" Man zündete die geweihte Kerze an und gab sie ihm in die rechte Hand, während er an die Schulter seines treuen Dieners Quixada ge¬ lehnt war. In der linken hielt er ein silbernes Kruzifix, welches schon die Kaiserin, ferne Gemahlin, in ihrer Sterbestunde getröstet hatte. Karl hatte dem Quixada anbefohlen, es für fein letztes Stündlein bereit zu halten. Eine Zeitlang war es an feiner Brust gelegen, und als jetzt vor feinem brechenden Auge der Erzbifchof vou Toledo Bartolome de Carranza Schloß Escorial. das Kreuz in die Höhe hob, heftete Karl feinen Blick lange und innig auf den Heiland. Der Erzbifchof betete den Psalm: »De profundis clamavi ad te, Domine.« Der Sterbende strengte sich an, das Kruzifix noch einmal zu umarmen und rief in einem so kräftigen Tone, daß man ihn im anstoßenden Zimmer hören konnte, „Ach Jesus!" dann sank er auf das Kiffen zurück und verschied ohne Kampf. Er hatte immer zu dem Heiland um die Gnade gebetet, daß er im Besitze seiner Verstandeskrüfte sterben könne. Sein Gebet hatte Erhörnng gefunden. Nachdem der Leichnam des Kaisers einbalsamiert und in einen bleiernen Sarg gelegt worden war, lag er drei Tage lang in der Kapelle ausgestellt. Art jedem Tage predigte einer der Mönche. Dann wurde er feierlich unter den Gebeten und Tränen der Mönche und Diener in Gegenwart einer zahlreichen Menge beigesetzt. — Philipp II. ließ ihn später ins Escorial übertragen.