— 113 — Speeres oder sonstigen Wahrzeichens in die Hand des Bräutigams über¬ gab. Mitgabe (Mitgift) von Gütern aus dem elterlichen Haus erfolgte in ältester Zeit nicht. Am Morgen nacb ber Hochzeit pflegte dann der Mann seinem Weibe Geschenke zu geben, daher diese die Morgen gäbe genannt wurden. Alle diese Tatsachen bildeten den ursprünglichsten Inhalt der Worte Ehe und Gemahl. Ehe (ahd. ewa, mhd. ewe, e) hieß ur¬ sprünglich nur Vertrag, Friedens- oder Rechtsordnung, und darum der Hüter des Rechts Ewald oder Ewart. Mahl, der Stamm des Wortes Gemahl (ahd. mahal, mhd. mahel) bedeutete Volksversammlung oder ge¬ richtliche Verhandlung, und weil die Eheschließung in öffentlicher Ver¬ sammlung der Gemeinde (mahal) oder im Ring der Freunde vorgenommen ward, übertrug sich der Name mahal auf die Vorgänge der Eheschließung. Mahal ward der Ehevertrag, mahalscaz (Mahlschatz) die Brautgabe und gimahalo der Ehemann, gimahala das Weib genannt. — Zu Recht be¬ standen nur die Ehen zwischen Mann und Weib gleicher Geburt (eben¬ bürtig), nicht die zwischen Freien und Unfreien. Der Mann, der ein Mädchen niederen Standes Heiratete, gab deren Verwandten keinen Munt- schätz, nur ihr die Morgengabe; dafür entstand später die Bezeichnung „Ehe auf bloße Morgengabe", die daun in dem barbarischen Latein, be¬ sonders der Langobarden, matrimonium ad morganaticam Hieß, woraus nun die Bezeichnung morganatische Ehe geworden ist. Die Kinder aus Ehen mit Sklavinnen folgten der ärgern Hand. — Wer aber nicht Heiratete, Hieß Hagestolz, ahd. hagustalt ober hagastalt, mhd. hage- stolz. Das Wort sagt uns den Grund der Ehelosigkeit. Hag war ein umfriedigter kleiner Besitz (stalt von got. staldan ----- besitzen), ein Gut, das seinem Eigentümer, meist jüngeren Söhnen, nicht gestattete, eine Familie zu begründen. Die Frau war dem Manne unterworfen, er durfte sie züchtigen, im Falle der Not auch wohl verkaufen. Mußte er sie, was außerordentlich fetten vorkam, der Untreue zeihen, dann übte er selbst die Strafe, öffent¬ lich vor den Verwandten, vor den Dorfgenoffen. Die Ehebrecherin ward nackt ans dem Haufe getrieben und durch die Straßen der Dörfer ge¬ peitscht. Xrotz allem war doch die Stellung der Frau nicht niedrig, ihre Behandlung nicht roh; denn dem weifen, treuen Weibe gab jeglicher Germane eine tiefe Verehrung; und die Macht tugendhafter Frauen war es, die dem Römer Tacitns das große Ehrenwort abzwang: „Mehr wirken dort gute Sitten als anderswo gute Gesetze." Die altgermanische Eheschließung war eine rein bürgerliche Rechtshandlung; Io ist es auch heute. Daher Bürgerliches Gesetzbuch § 1317: „Die Ehe wirb dadurch geschlossen, daß die Verlobten vor einem Standesbeamten persöu- 1 } unb öü gleichzeitiger Anwesenheit erklären, die Ehe miteinander eingehen za wollen. Der Standesbeamte muß zur Entgegennahme der Erklärung bereit fein." Bär. Deutsche Geschichte. I. s