— 22 — Beobachtungen. 1. Die Vereinigung der drei Reiche zu einem Großstaat schien eine schwere Bedrohung für Deutschland, zumal dies immer mehr in Auf¬ lösung geriet. 2. Doch es bildete sich im Norden nicht eine so kräftige königliche Macht aus wie im Westen. Die Beeinträchtigungen der königlichen Macht sind ähnliche wie in Deutschland (Wahlmonarchie, ständische Rechte). 3. Die Vereinigung deutscher Länder (Schleswig und Holstein) mit einem ausländischen Staat zeigt die Schwäche des Deutschen Reiches. 4. Diese Vereinigung mutzte die Dänen immer wieder dazu reizen, diese beiden Länder ganz in Dänemark einzuverleiben, und sie barg so eine schwere Gefahr für das Deutschtum in jenen Ländern, andererseits die Möglichkeit einer kriegerischen Verwicklung mit Deutschland in sich. § 63. Das Schisma und das Kaisertum. 1. Das Schisma. Dem Drängen der Römer nachgebend, die aus politischen, kirchlichen und wirtschaftlichen Gründen die Rückverlegung des päpstlichen Sitzes nach Rom wünschten, hatte Gregor XI. seine Residenz in Rom genommen. Als er aber 1378 starb, spaltete sich das Kardinalskollegium, dem jetzt allein die Papstwahl zustand, in eine römische und eine französische Partei, die aus denselben Gründen die Residenz des Papstes in Frankreich wünschte. So kam es zu einer zwiespältigen Wahl, und eine Kirchenspaltung entstand, von der niemand glaubte, daß sie Jahrzehnte lang dauern sollte! Die Päpste befehdeten sich gegenseitig, und so war es natürlich, datz das Ansehen des Papsttums eine gewaltige Einbuße erlitt; es gab schon viele Stimmen, die das Papsttum überhaupt für eine verwerfliche und darum abzuschaffende Einrichtung erklärten. 2. Das Kaisertum. Wenn jetzt das Kaisertum noch annähernd in seiner alten Macht¬ fülle bestanden hätte, so wäre ihm ganz von selbst die Entscheidung in dieser die ganze Christenheit angehenden Angelegenheit zugefallen, aber gerade jetzt war das Kaisertum auf einem Tiefstände angelangt, der es ihm unmöglich machte, entscheidend einzugreifen. Weder der unfähige Wenzel (1378—1400), der nach einer uner¬ sprießlichen Regierung von den Kurfürsten abgesetzt wurde, noch der machtlose Ruprecht von der Pfalz (1400—1410) waren imstande, das Ansehen des Kaisertums zu kräftigen und in der Angelegenheit des Papsttums als „Vogt der Christenheit" aufzutreten. Siegmuni 1410—1437. Die Kurfürsten hatten eingesehen, daß ein König, der nicht eine starke Hausmacht in seinem Besitz hatte, die Aufgaben des Königtums nicht erfüllen konnte — da sie nicht gesonnen waren, ihre Machtmittel