Englands neueste Geschichte. — England und Frankreich in den Kolonien: Afrika. Nr. 12. 2. 3. A. England ist 1815 aus den Kriegen reich an Macht (Kapland, Ceylon, indische Kolonien, Mauritius und Trinidad, Malta und Helgoland) und Ansehen hervorgegangen. — Die Parlamente von Grofsbritannien und Irland sind seit 1801 vereinigt. — Es herrschten Georg III. 1760/1820, — Georg IV. 1820/30 — Wilhelm IV 1880/37, Viktoria 1837/ B. 1. Nach innen geht die Entwicklung auf Ausgleichung der Gegensätze und Förderung von Handel und Industrie. 1829 Emancipation der Katholiken. (Testakte aufgehoben.) Seitdem wachsende Bedeutung der Katholiken (In England 1786 60 000 K. — 1835 580 000 K. — 1895 1 300 000 K.). 1830 Aufhebung der Sklaverei in den Kolonien (Wilberforce). 1832 Wahlgesetz. (1867 und 1884 weiter demokratisiert.) Den rotten boroughs das Wahlrecht genommen und den grofs gewordenen Fabrikstädten gegeben. 1837 Systematische, auf gesetzlichem Boden sich bewegende Bestrebungen in Irland gegen die Verbindung mit England. (O’Connel arbeitet für den Repeal, d. h. den Widerruf der Verbindung mit England.) 1846 Korngesetze durch (den „grofsen abtrünnigen“ Tory) Robert Peel aufgehoben. — Freihandel. 1850 Den Juden Zutritt in das Parlament zugestanden. (Rothschild.) 1851 Wachsende Bedeutung von Handel und Industrie. — Erste allgemeine Industrieausstellung in London. — Die liberalen (Whig) Ministerien (Canning, Palmerston, Gladstone) zeitigen wider Willen die gröfseren Ansprüche der Iren (Fenier). Wachsende Erfolge derselben: 1869 1. Die Abfindung der anglikanischen Kirche, die von den katholischen Iren unterstützt werden mufste (!), durch Gladstone erreicht. Die Landpacht von den Pächtern auf Parnells Anregung grundsätzlich verweigert (Landliga), da der Boden eigentlich den irischen Pächtern und nicht den 10 000 Landlords gehöre. Der englische Pächter Boykott. Eine Milderung der Pachtbestimmungen wird erreicht. Selbstregierung Irlands (Home rule) jetzt das letzte Ziel der infolge von Geschichte, Sprache und Religion den Engländern widerstrebenden Fenier. Ihre Gegenpartei die Unionisten. Die vorwiegende Pflege des Erwerbs hat ungeheueren Reichtum, aber auch Massenarmut gebracht. Das Verdrängen der Iren nach Amerika hat sie hier erstarken und den Engländern vielfach noch unbequemer werden lassen. 2. Nach aufsen. a. Europa. Die unzulängliche Landmacht (Krimkrieg) nötigt England, welches anfänglich überall volks¬ tümliche Bewegungen unterstützte (Griechenland, Italien, Schweiz), mehr und mehr, allen Konflikten in Europa aus dem Weg zu gehen (Pontusfrage 1871). Weder Polen (1863), noch Dänemark (1864), noch Belgien (1870) fanden Hülfe. Dieser Politik entsprechend wird Hannover aufgegeben (1837), ebenso die jonischen Inseln (1863), auch Helgoland (1890). b. In Amerika wird der Besitzstand durch eine Politik erhalten, die klug die Interessen der Kolonisten schont und namentlich in neuester Zeit jedem Streit mit den Vereinigten Staaten (Monroe-Doktrin) vorsichtig ausweicht (Alabamafrage, San - Juanfrage, Fischerei im Behringsmeer). — In Australien wird der umfassende und nicht angefochtene Bestand durch dieselben Mittel erhalten. (Verbrecher¬ kolonie aufgegeben, Wolleproduktion im Mutterlande verwertet u. a. m.) c. In Afrika dagegen entwickelt England eine gewaltige Energie. Sein Ziel ist, möglichst alles brauch¬ bare Land allein zu besitzen. — 1875 bekriegte Wolseley die Aschanti und sicherte ebenfalls das Nigergebiet. — Die Erwerbungen im Süden (Kapland 1815, Port Natal 1847) sollten 1877 um Transvaal erweitert werden und führten, als dieses sich frei machte, 1884 zur Annexion von Brit. Betschuana- land und 1879 zur Unterwerfung des Küstenstrichs bis zur portugiesischen Delagoabai. (Prinz Ludw. Napoleon f im Kampfe mit Cetewajo). — In Ägypten erwarb England vom verschuldeten Khedive 1875 die Suezaktien und vollzog dann im Kampf gegen Arabi Pascha 1882 die Besetzung des ganzen Landes. Als Ober-Ägypten nicht mehr zu behaupten war (Gordon t in Chartum 1885), beschränkte man sich auf die Behauptung von Wadi-IIalfa und Suakim und iiberliefs des weiteren die Flankierung des Mahdi den befreundeten Italienern (Massauah 1886 besetzt). Weiter südlich wird der obere weifse Nil von Brit. Ostafrika aus im Auge behalten. — England hat jetzt in Afrika den ausgedehntesten und wertvollsten, nur von Frankreich teilweise bedrohten Besitz (namentlich sucht es die grofsen Ströme) und bemüht sich, wenigstens im Osten einen Zusammenhang von Alexandria bis zur Kap¬ stadt herzustellen, die Nebenbuhler aber zu isolieren. Am rücksichtslosesten treibt es diese Ab¬ sperrungspolitik gegen Transvaal und gegen die Oranje-Republik. d. Asien. Das äufserst reiche Indien, dessen Bezwingung 1858 vollendet wurde, wird nach innen gesichert durch eine bedeutende Armee und ein Humanität und Bildung sicherndes Regiment. Vielfach ist auch bereits die Selbstverwaltung eingeführt. — Auch der 1875 gegebene Kaisertitel wirkt ver¬ söhnend. — Rufsland gegenüber, das unaufhörlich näher rückt und bereits Merw besetzt und Pamir erreicht hat, werden starke Befestigungen angelegt und Afghanistan (1879) als „Pufferstaat“ einge¬ richtet. In Hinterindien treten in steigendem Mafse französische Interessen in Mitbewerb (1879). — Perim (1855), Singapore (1819), Hongkong (1841) sind nur strategisch und merkantil wichtige Punkte. C. England beherrscht mit seinen Flotten die Meere und ist durch seine Klugheit, Zähigkeit und seine Kapitalmacht noch immer die erste Macht in den fremden Weltteilen. Deutsche Kolonien. Als deutsche Kolonien wurden, nachdem 1880 der Erwerb des wertvollen Samoa vom Reichstag abgelehnt worden, 1884 die Küste von Togo und Kamerun (Nachtigal), S.-W.-Afrika (Lüderitz) und Ostafrika (Peters) gewonnen; ebenso wurden der Nord-Osten von Neu-Guinea, Neu-Britannien, Neu- Irland und andere australische Inselgruppen durch Flaggenhissen (1884) in Besitz genommen. Diese Verhältnisse wurden dann später durch Abkommen mit dem Sultan von Sansibar (L885), England (1890) und Frankreich (Dez. 1893) genauer geregelt. Die einträglichste Kolonie, Togo, konnte 1895 bis über den Niger ausgedehnt werden- rums Mascara c. Marokko Barka J o Tel el Kebir Kairo 1832 Tripolis Fessan % Wadi H - Timbuktu o O'Gando d-See tuüolf-S. Oltafrika Tand Arutv t»r»t chellen ia Deutsch- N Tabora Ostafrika Baga eopold Salam Benguela <9 Mossamedes Deutsch¬ em Südwest- Afrika j Betscliuana Praetdria • Kimberlej^fcSC^1: ' Wh,a Oranje Kapland 1815 CZ1 E=J CD Englisch Französisch, Portugiesisch „Deutsch, Frankreich und seine Kolonien. A. Frankreich, das durch seine ausgedehnte Küste weit mehr auf überseeische Unternehmungen, als auf Händel mit Deutschland und Italien hingewiesen ist, hat doch stets seine Interessen vorwiegend im Osten gesucht und darüber wertvolle Kolonien eingebüfst. B. So verlor es 1755/63 während des 7*jährigen Krieges Canada, Louisiana u. a. und erreichte 1798/99 durch die ägyptische Expedition nur, dafs es Malta in die Hand der Engländer brachte und, in Indien von denselben weit überholt wurde. 1875 u. 82 Die Nachwehen des deutsch-französischen Krieges ■ und sein krankhaftes Mifstrauen gegen Deutschland verhinderten Frankreich, rechtzeitig sein Interesse in Ägypten zu wahren, wo französisches Geld und fran¬ zösisches Genie den Suezkanal erbaut hatte. — Statt seiner wufste England wieder sich in den Besitz des Landes zu setzen und sich zum Eigentümer des Kanals zu machen. Viel besser nahm es seinen Vorteil wahr, als es, 1830/47 von Deutschland stets unbehelligt, Algerien (Bugeaud gegen Abd - el - Kader) unterwarf, dies südwärts aus¬ dehnte und ostwärts um 1881 Tunis erweiterte, 1883 den Anfang zur Unterwerfung Madagaskars machte, 1884 und seinen Besitz in Cochinchina um Anam und Tong- king vergröfserte. Die Besserung der Beziehungen zu 1893 94 Deutschland gestattete ihm ferner, von Siam das Land bis an und über den Mekong zu nehmen und in Afrika von Senegambien und Tunis aus eine Ver¬ bindung nach Timbuktu herzustellen. Eine Umklam¬ merung des deutschen Togogebietes nach Dahomey hin scheint nicht zu gelingen, wohl aber wird von dem französischen Kongolande aus vielleicht die An¬ näherung an den mittleren Nil ! erreicht. 1895 Die Unterwerfung Madagaskars erfolgreich fortgesetzt. C. Frankreich nimmt in Afrika wie in Hinterindien einen bedeutsamen Wettkampf mit England auf und dürfte dem¬ selben ein recht unbequemer Gegner werden. — Seine An¬ sprüche auf eine gebietende Stellung am Mittelmeere ver¬ schärft den Gegensatz zu England und — zu Italien.