Mittlere Geschichte. § 1- Das römische Reich und die Deutschen. Was wir von der altern Geschichte der Deutschen wissen, fliesst aus römischen und griechischen Quellen; sie lassen uns ahnen, dass man früh die grosse Gefahr erkannte, welche von Noiden liei dem römischen Weltreich drohte. Zwar der kimbrische Schrecken (113 101 v. Chr.) war von Marius zerstreut worden; Cäsar drängte nicht blos den Suevenfiirsten Ariovist 58 v. Chr. über den Rhein zurück, sondern überschritt selber, um das neu eiwoibene Gallien zu sichern, zweimal (55 und 53) dieser, (seitdem) Grenzstrom. Augustus hatte durch seine Stiefsöhne Drusus und Tiberius das Land südlich der Donau vom lacus Brigantinus an bis Iuvavia (h. Salzburg) erobern lassen und drei Provinzen: Rhaetia (Curia = Chur), Vindelicia (Augusta Vindelicorum = Augsburg), Noricum (Norcia) gebildet. Drusus gründete auch am Rheine die Provinzen Ger¬ mania superior oder prima (Moguntiacum und Castellum) und G. inferior oder secunda(Traiectum = Utrecht, Castra vetera = Xanten, Bonna, später Colonia Agrippina). Aber die Fortschritte durch Ver¬ führung und Heereszüge welche Drusus machte, der bis an die Albis vordrang, wurden durch seinen Tod (9 v. Chr.) unterbrochen und nachdem das rechtsrheinische Germanien durch des Cheruskers Arminius Sieg im Teutoburger Walde (9 n. Chr.) frei geworden war, blieb auch Germanicus’ Sieg bei Idistavisus an der Visara (16 n. Chr.) ohne Folgen, während andrerseits der Kampf des Cherus¬ kerbundes unter Armin mit dem süddeutschen Markomannenkönig Marbod und seine Ermordung das Auseinanderfallen der deutschen Stämme bezeugt. Auch der schwere Aufstand der Bataver und Friesen (Weissagerin Veleda) unter Claudius Civilis, 70—73, welcher sich am ganzen Niederrhein aufwärts bis zu den Treviri und Lingones erstreckte, änderte nicht das eigenthümliche halb diplomatische, halb militärische Hoheitsverhältniss Roms zu den Rheindeutschen. Um 100, unter Trajan, schrieb Tacitus sein Buch de origine, situ, moribus ac populis Germaniae. Unter Trajan (starb 117) hatte das römische Reich seine grösste Ausdehnung erreicht, auch auf Kosten Deutschlands, indem noch das Land zwischen der obern Donau und dem obern Rhein zugefügt wurde. Doch schon Trajan’s Nachfolger Hadrian (starb 137) gab jeden Plan weiterer Ver- grösserung auf und begann das römische Riesenreich durch Wälle und Gräben (Piktenmauer) zu sichern, wie er denn von Moguntiacum