§. 88. Bevölkerungsverhältnisse. 301 die östlichen Alpen nach Italien gekommen, denn noch zur Zeit der römischen Kaiser soll in einzelnen kleinen Alpengemeinden tuskisch (rhätisch) gesprochen sein. In Italien hatten sie zuerst die Ebenen nördlich des Po inne, wurden dann aber durch die gallische Einwanderung südwärts gedrängt und besetzten zunächst das Land zwischen Po und Apennin, welches die Umbrer inne hatten. Hier sind z. B. Felsina (Bologna) und Ravenna tuskische Gründungen. Bald aber über¬ schritten sie den Apennin und nahmen Besitz von dem Lande, welches vom Arno, der Tiber und der Meeresküste eingeschlossen ist und noch heute in seinem Namen, Toscana, an das alte Volk erinnert. Hier entwickelten sie sich zu Seefahrern, und Caere, nicht fern von der Tibermündung, wurde ihr Haupthafen. Durch ihre Raubzüge zur See machten sie das ganze westliche Mittelmeer unsicher. Da das eigentliche Tuscien nur schlechte Häsen bot, so eroberten sie die Küstenstriche von Campanien, wo sie ähnlich wie im eigentlichen Tuscien einen Bund von zwölf Städten gründeten. Mit den Karthagern vereint suchten sie von hieraus dem griechischen Handel und den griechischen Kolonien in dielen Gegenden ein Ende zu machen, aber die Seeschlacht von Khmä (474), in derselben Zeit, in welcher die Griechen sich der Perser (Sala¬ mis!) und der Karthager (Himera!) erwehrten, brach die Seeherrschaft der Etrusker, die dann auch später zu Lande der Macht der Römer er¬ lagen. Aber bis zu den Zeiten des Augustus hielt sich die tuskische Sprache in diesen Gegenden. — Ausgezeichnet war die Begabung der Etrusker für mechanische Künste, aber der hohe Schönheitssinn der Hellenen mangelte ihnen; ihre Thon- und Broncefabriken, ihre Gold- Tchrrtiebe arbeiteten wesentlich für den Luxus der reichen Kaufherren, und man achtete statt auf innere Vollendung mehr auf Entfaltung äußerer Pracht. Wie weit die etruskischen Religionsformen und das etruskische Ritual auf Rom Einfluß gehabt haben, ist im Einzelnen uicht zu bestimmen ; das Augurenwesen stammt aber jedenfalls von dort. An der Nordwestküste des Landes finden wir ein zweites stamm- fremdes Volk, die Ligurer, als östlichsten Ausläufer des Iberischen Volksstammes, den wir in Spanien genauer kennen lernen werden. Sie haben keine geschichtliche Bedeutung gewonnen und verloren sich unter den Galliern, welche seit 400 in Italien auftraten. Ueber den großen und kleinen St. Bernhard von Gallien aus in Italien ein¬ dringend, bemächtigte sich dieses Volk zuerst der Landstriche jenseits des Po, wo Mediolanum (Mailand) burch bie Jnsubrer, Brixia r< ^■ uni) ^crona durch bie Cenom anen gegrünbet würben. Bald erschienen sie auch im Süden des Po, wo besonders die Senonen lna.(?alIlLa' ^ Sinigaglia) sich an Der Ostküste des Landes ausbreiteten. Der griechischen Kolonien in Unteritalien ist schon wiederholt Erwähnung gethan. Die oben ausgezählten Volkselemente waren es, welche die Römer m langwierigen Kämpfen bis zum Anfange des zweiten punischen Krieges sich unterwarfen und später durch planmäßig angelegte Kolonien auch m der Art mit sich verschmolzen, daß in der Kaiserzeit ganz Italien