336 Buch VIII Europa. Cap. V. Frankreich. Besitzungen in Frankreich und daher jetzt Versammlungspunkt englischer Schmuggler und französischer Verbannter, sind mit zahllosen Klippen umsäumt. Auch an der nun folgenden Halbinsel der Normandie, die sich vom innersten Winkel der Bucht von St. Michel 15 Meilen weit nord¬ wärts bis zum Cap de la Hogue erstreckt, wechselt die Küstenbildung; doch findet sich nirgends ein erträglich guter natürlicher Hafen. Daher hat Frankreich, welches an der gefammten Canalküste keinen einzigen tüchtigen Kriegshafen befaß, in den Jahren 1783— 1854 hier mit ungeheuren Kosten bei Cherbourg einen künstlichen Hafen geschaffen, indem man große Bassins im Festlande ausgrub und die allen Winden offene Rhede der Stadt durch einen gewaltigen, eine halbe Meile langen Molo gegen die Weststürme absperrte. Es ist dieser Hafen das gro߬ artigste Werk der Wasserbaukunst aller Zeiten. — Nun solgt bis zur Mündung der Seine die Bucht der Normandie mit flacher, hafen¬ loser Küste, und noch dazu von Klippen, den sogenannten Calvados, umsäumt. Dazu kommt noch, daß hier, wie an der ganzen Küste des Canals, eine von den englischen Küsten herüberkommende Strömung die mitgebrachten Sinkstoffe in und vor den französischen Häfen ablagert, welche daher steter Ausbaggerung bedürfen. So ist es auch hier wieder ein Flußhafen, der den größeren Verkehr allein an sich zieht. Die kleineren Seeschiffe früherer Zeit gierigen sämmtlich den Fluß aufwärts bis Rouen, welches als Seehafen für Paris sich daher großer Blüthe erfreute, und auch jetzt noch wird fein Hafen jährlich von etwa 1000 Seeschiffen Besucht; aber für dm eigentlichen Großverkehr hat König Franz I den Hafen Havre de Grace geschaffen, der jährlich von 3000 Schiffen besucht wird. Eine Sandbank, auf welcher die Befesti¬ gungswerke liegen, zieht sich vor der Küste hin; in der jchmalen Wasser¬ gasse zwischen ihr und der Küste sind 7 Hafenbassins und ein Vorhafen ausgegraben. Doch können die Schiffe nur zur Fluthzeit in den Hafen gelangen, und für Kriegsschiffe ist er nicht tief genug. Von Havre bis zur Müuduug der Somme, 18 Meilen weit, tritt ein Kalksteinplateau mit senkrechten, bis gegen 300 Fnß hohen, meistens felsigen Wänden an die Küste heran, nirgends eine günstige Bucht bildend. Der heftige Wogendrang des Canals unterwäscht dabei stets die weichen Kalkmassen, die dann nachstürzend einen Trümmerwall vor der Küste bilden, der allmählich zu lockerem Schutt zertrümmert, die wenigen Hafen der Küste ausfüllt und ihre Eingänge verstopft, an einigen Stellen aber auch fruchtbare Marschen bildet. Erst in der neueren Zeit sind hier höchst kostspielige Schutzbauten unternommen worden. Daher sind früher vielbesuchte Häfen an dieser Küste jetzt verödet, z. B. St. Valery, westlich von Dieppe, von wo aus Wilhelm der Eroberer nach England gieng. Dieppe selbst hat säst nur noch Küstenverkehr. ; , Jenseits der Marschen an der Somme, wo Abbeville die Grenze der Seeschiffahrt bezeichnet, beginnt die Dünenkette, welche theilweife zu Inseln zerbrochen, die Süd- und Südostküste der Nordsee bis zur Nord-