Europa — Schweiz. 883: Burgen und Klöstern eine neue Freiheit erhoben; daneben bestand noch eine Anzahl reichsuumittelbarer kleiner Gemeinwesen. Durch Reichsvögte ließ der Kaiser, dem die Hoheit über alles Gebirg zustand, über die unmittelbaren Landschaften die Strafrechts- pflege und beu Blutbann ausüben. Alö aber Albrecht von Habsburg, Rudolfs Sohn, die freien Reichsgemeinden in den Bergen hinter den Seen zur Anerkennung der öfter- reichischen Landesherrlichst zwingen wollte, erhoben sich die Männer der Waldstädte' gegen die Bedrückungen der Vögte nnd errangen ,die Freiheit, die sie im Kampf von M orgarten (1315) behaupteten. So entstand an der Schwelle deß 14. Jahrhun^ derts die schweizerische Eidgenossenschaft. Ihr Beginn war klein, doch wuchs sie in den nächsten Jahrhunderten durch heldenmütige Bekämpfung der Gegner und durch glückliche Erwerbungen zn einem Bunde, der über die herrliche Alpenlandschaft vom Hochgebirg bis zum schwäbischen Rhein, nnd anf der Südseite bis zum italischen Lago maggiore sich erstreckte. Sie rechnete sich anfangs noch zum deutschen Reiche, doch wurde der Reichsverband mit der Zunahme des päbstlichen und französischen Einflusses immer lockerer, nud nachdem Kaiser Max I. 1499 sie vergeblich angegriffen hatte, wurde sie dem Reiche völlig entfremdet. Von Maximilian II. ließen sich die Cantone' zum letztenmal die Bestätigung ihrer Freiheit ertheilen, und im westfälischen Frieden erkannte das Reich ihre Absonderung förmlich an. Nun galt die Eidgenossenschaft als ein eigner europäischer Staat und bestand aus folgenden Theilen: a) 13 Cantone, die theils städtische Gebiete waren, mehr oder minder aristokratisch regiert von kleinem und großem Rath, mit einem Bürgermeister oder Schultheiß an der Spitze: Zürich, Bern, Luzeru, Zug, Basel, Freiburg, Solothurn, Schaphausen^ theils Länder, demokratisch regiert mit einer Landsgemeinde und einem Landammann an der Spitze: Nri, Schwyz, Unt erwalden, Glarus, Appenzell, d) Schutz- genossen oder zugewandte Orte, nämlich Abtei und Stadt St. Gallen, Rhä- tien, Wallis, Biel, Genf, Fürstenthum Neuenburg, Mülhausen im Elsaß, c) Unterthanenlande oder eidgenössische Vogteien, die von einigen Can- tonen regiert wurden, nämlich ital. Vogteien südl. des Gotthard, Sargans und Rheinthal neben Vorarlberg, Baden nebst freien Aemtern; Murten^ Gransee (Grandson.)') *j Eine auffallende Erscheinung in der Geschichte dieser kleinen Republiken war der gewaltsame oder käufliche Erwerb von nahegelegenen Landstrichen, deren Bewohner sie durch Dottel der Nöthiguug zu ihren Unterthanen preßten. Zuerst eigneten sie sich das Habsburgische Erbgut, den Aar- und Thurgau an, verschafften sich dann große Besitzungen der Grasen von Toggenburg, nahmen den Mailändern das südl. des Gotthard gelegene schöne und reiche Liviner Thal jc. Diese annekt.rten Landstriche ließen sie durch Vögte regieren nnd bezogen daraus reiche Gefälle. Dieselben kleinen Gemeinwesen der Hoch? schweiz (besonders Uri), welche das ihnen zugedachte Uuterthanenjoch der Habsburger nnt so viel Freiheitsliebe und Todesmuth abgeworfen, legten dieses Joch nun auf ihre sogenannten Unterthanenlande, die sie mir tyrannischer Strenge in politischer Abhängige keit von sich erhielten und denen sie, trotz einiger kleinen Freiheiten uud Rechte, die sie ihnen ließen, oft empörende Gewalt anthaten. Dieser krankhafte Heißhunger nach Land- besitz und Gold, wohl durch die Siege über das mächtige Oesterreich und über Kar! den Kühnen von Burgund, sowie durch gemachte reiche Beute wiederholt angeregt, zieht wre ein häßliches Räthsel durch die schweizerische Geschichte, da er in schneidendem' Wider- jpruch mit der Art des einfachen, patriarchalischen Hirtenvolkes und mit der Natur deg