§ 104. Das deutsche Volk. 355 deutschen Krieger mit seinen großen blauen Augen, seinem rötlich-blonden Haare, wenn er mit Schlachtgeheul auf ihn losstürzte, standzuhalten. Auf dem Höhepunkte seiner Macht (15 v. Chr.) ist es dem Römerreiche gelungen, das Land südlich der Donau zu besetzen (Provinzen Vinde- licien, Rätien und Noricum), auch einen Landstrich von Regensburg bis zur Lahnmündung durch den Limes, einen Wall mit Kastellen, von denen eins der stärksten die S a a l b u r g bei Homburg war, von dem übrigen Germanien abzuschneiden; aber das Land östlich vom untern Rhein und weiter konnten sie nie dauernd überwältigen (Varus.uud Armin). Bald kehrte sich das Verhältnis sogar so um, daß die Deutschen als die gefährlichsten Feinde des sinkenden Reiches auftraten. Erzähle (nach § 85 und § 90 Mitte), wie unter den Stürmen der Völkerwanderung das Römerreich im W. unterging, und führe die von Germanen auf seinen Trümmern gegründeten Reiche auf! Bei so großer Ausbreitung nach außen hatten die Germanen in großer Zahl das Land östlich der Elbe verlassen; in diese infolgedessen dünner bevölkerten Gegenden rückten nun seit dem 6. Jahrhundert die ostwärts wohnenden Slaven nach, welche nur zum Teil in späteren Jahrhunderten wieder haben zurück¬ gedrängt werden können. Die Deutschen teilen sich nach der mit der Landesnatur wesentlich zusammenstimmenden Sprachentrennung (§ 95 Ende) in Ober- und Niederdeutsche. Mit dem weicheren Nieder- oder Platt¬ deutschen hat das Flämische, Friesische, Dänische, das deutsche Element im Englischen Ähnlichkeit, das Holländische ist sogar eigentlich nur ein Dialekt der niederdeutschen Sprache. Am rechten Ufer der obern Oder, ferner im nordöstlichen Pommern, an der obern Spree bis gegen die Lausitzer Neisse, im Gebiet der Warthe und' Netze, im Böhmisch-Mährischen Hügellande, zum Teil in den Tälern der Drau und Save sitzen Slaven; um die Rheinquellen und den obern Inn Romanen, ein kleiner Rest romanisierter Räter, der ein ver¬ dorbenes Latein (Ladinsch genannt) spricht. Die Wallonen an der Maas reden eine Art Platt-Französisch. Von jeher ist bei den Deutschen das S tamme s bewußtsein in so hohem Grade ausgebildet gewesen, daß ein allgemeines Volks bewußtsein sich erst sehr spät hat ausbilden können. Damit haben wir einen großen Fehler unseres Volkes bezeichnet, der selbst heute noch nicht völlig ver¬ schwunden ist. Kaum ein anderes Volk ist so oft unter sich gespalten, ja gegeneinander in den Waffen gewesen. Statt sich bewußt zu sein, ein großes teures Vaterland zu haben, an das man sich anschließen, das man 23*