97 VII—X. EUROPA. 129. Nur die gegen Süden und Westen gelegene Hälfte des jetzt unter dem Namen Europa begriffenen Erdteils tritt im Alter¬ tum allmälig aus dem Dunkel hervor und zwar die Landschaften im Norden der Donau (des Istros, den schon Herodot ganz Europa durch- schneiden lässt) nicht vor der römischen Kaiserzeit: nur ein halbes Jahrhundert früher das nördliche Gallien. Relativ alte Culturgebiete sind hier allein die Küstenländer des Mittelmeeres,, namentlich die drei grossen in dasselbe vortretenden Halbinseln, deren sehr ungleiche historische Bedeutung der schon von den griechischen Geographen be¬ merkten Verschiedenheit ihrer natürlichen Gestaltung entspricht. Nicht allein die Nähe des früher civilisirten Orients, vorzüglich auch der Inselreichtum des Asien und Europa scheidenden Meeresteiles, die vielfache Horizontalgliederung der Küsten durch tief einschneidende Golfe, der reiche Wechsel von Höhen und Tiefen auf verhältnissmässig engem Gesammtareal, hat dem griechischen Halbinsellande den Vorrang unter allen Culturländern Europas gegeben. Die italische Halbinsel ist viel einförmiger gestaltet, sowohl nach ihrem Küsten¬ umrisse (besonders der Ostseite), als nach dem Bau ihres einzigen grossen Gebirgssystems: doch gewährt ihr die bei überwiegender Längenausdehnung nur mässige Breite in fast noch höherem Grade als den nordgriechischen Landschaften den Vorteil eines bis ins Innere vorherschenden Seeklimas. Die westliche oder iberische Halbinsel zeigt unter allen das Mittelmeer begrenzenden (auch mit Einschluss Kleinasiens) am meisten den dem benachbarten Africa sich annähern¬ den Charakter der Starrheit schon in ihrer ungegliederten Horizontal¬ form, noch mehr durch die Massenerhebung ihrer Binnenräume in Form ausgedehnter Hochebenen mit rauhem continentalem Klima und mangeln¬ der Bewässerung, im schärfsten Gegensätze zu den Küstenlandschaften. Wiederum ist von allen drei europäischen Halbinseln diese west¬ liche am schärfsten vom grossen Stamm des Continents geschieden durch die fast gleichmässig hohe, nirgends tief eingeschnittene, nur an ihren West- und Ostenden auf schmalem Baum leichter zu umgehende Pyrenäenkette. Mit dieser verglichen besitzt das Alpensystem, welches in seiner nach dem innern Stamme des Continentes hin vorgerückten Lage H. Kiepert’s Leitf. d. alten Geographie. 7