836 Handelsgeographie. stehende zu verbessern und vor allem eine immer besser und billiger werdende Erzeugung der Waren anzubahnen, und in diesem Bestreben hat er anregend und fördernd auf die Arbeitsleistungen und auf die Kultur ganzer Länder eingewirkt. Dazu gehört aber eine möglichst eingehende Kennt¬ nis von den Erzeugungsbedingungen der Länder, von deren Boden, Klima und von der Arbeits¬ kraft ihrer Bewohner. So hat der Handel, der in die neuerschlossenen Länder des „Schwarzen Erdteils" eindringt, nicht bloß Absatzgebiete zu suchen, sondern vor allem Erzeugungsgebiete zu schaffen. Schon um tüchtig zu verdienen, mußte der Handel sich bemühen, die Kaufkraft der von ihm mit Waren beschickten Länder zu erhöhen. Denn Kauflustige zu finden ist minder schwierig, als die Käufer zahlungsfähig zu machen. Hier hat also der Handel eingegriffen, in¬ dem er den Empfangenden zur Arbeit veranlaßte und neue lohnende Kulturen einführte, mit deren Ertrage die empfangenen Waren bezahlt werden konnten. Bon nicht minder hoher Be¬ deutung als die Frage nach dem Wie und Wo der Erzeugnisse ist die Frage nach dem Wege, der einzuschlagen ist, um die Forderungen des Angebots und der Nachfrage auszugleichen, die Güter mit möglichst großem Vorteile, d. h. möglichst gut, billig und schnell, von einem Orte nach dem anderen zu befördern. Der Handel mußte sich also unausgesetzt um die Verbesserung der Verkehrswege, um das Auffinden und Beschaffen neuer bemühen, die besser und sicherer waren als die alten. Diese neuen Wege, z. B. die Pazifik-Bahnen Amerikas, die Hafengebiete, in welche wichtige Schiffahrtslinien münden, ziehen dann die menschliche Besiedlung an sich, verdichten die Bevölkerung und erhöhen im allgemeinen ihren Wohlstand. (So ist z. B. das ganze Gebiet der Unterelbe wohlhabend geworden durch den Hamburger Handel.) Wie sehr aber zur Her¬ stellung guter und billiger Verkehrswege die Kenntnis der Örtlichkeit, der atmosphärischen Ein¬ flüsse, vor allem der Luftströmungen, und der ozeanischen Erscheinungen (Meeresströmungen, Eisbedeckung, Gezeiten usw.) vonnöten ist, das liegt auf der Hand. Solche Kenntnisse haben sich nicht nur auf die bereits vom Handel berührten Länder zu erstrecken, sondern auch auf die, welche von ihm berührt werden könnten. Die Summe aller dieser Kenntnisse zu beschaffen und zu verarbeiten, das ist die Aufgabe der Handelsgeographie. Es tritt noch hinzu als notwendige Voraussetzung die Kenntnis der fremden Sprachen. Die Handelsgeographie ist einer der schwierigsten Wissenszweige eben wegen der wachsenden Anforderungen an die Länder- und Verkehrskunde, wegen der wechselnden Bedürfnisse der ver¬ schiedenen Wirtschaftsgebiete, die durch die Mode wie durch ihre Zahlungsfähigkeit bedingt werden. Sie ist endlich wandelbar durch die wechselnden Bedingungen der Gütererzeugung, die z. B. heute die Herstellung einer gewissen Ware in irgendeinen! Lande nicht mehr ratsam erscheinen lassen können, weil es sich herausgestellt hat, daß sie in einem anderen besser und billiger geliefert werden kann. Kulturen erstehen und gehen wieder zugrunde oder suchen vielmehr vorteilhaftere Stätten auf, sobald sich solche darbieten. So hat z. B. auf deutschem Boden der Anbau von Farbpflanzen (Krapp, Waid) einfach aufgehört, der Flachs- und der Rapsbau ist in Deutschland eine Selten¬ heit geworden, der Anbau des Zuckerrohrs in Andalusien lebt fast nur noch in der Erinnerung. Die Cochenillezucht ist im Erlöschen. Obwohl Amerika seine Kulturpflanzen und Haustiere erst von Europa empfangen hat, drohte es den Getreidebau und die Viehzucht der Alten Welt zu ver¬ nichten. Die einst so berühmten Wollen Deutschlands und Frankreichs werden durch die Austral- und La Pläta-Wollen in der Güte fast erreicht und in der Menge weit übertroffen. Abgesehen vom persönlichen Vorteile, dem wohlverdienten Lohne der Arbeit, den der red¬ liche Handel liefern kann, ist er also auch imstande — im allgemeinen wenigstens —, fördernd auf die Kultur der Menschheit einzuwirken,' ihm ist aber auch die Aufgabe gestellt, volkstümlich (national) zu sein. Unsere fetzigen Staaten sind nicht nur historisch-nationale Bildungen, sondern namentlich unter der Einwirkung eines vielgegliederten Zollwesens haben sie sich auch zu wirt¬ schaftlichen Interessengemeinschaften, zu national abgegrenzten Wirtschaftsgebieten ge¬ staltet. Der einzelne Kaufmann arbeitet nicht nur für sich, sondern zum Besten der ganzen Volks¬ gemeinschaft und hat seinen Eigennutz den wirtschaftlichen Gesamtausgaben des Vaterlandes