Bilder aus der Sahara. 213 Grenzen mehr, unaufhörlicher, immer gellender werdender Auschrei lohst die convulsivischeu Zuckungen der verzückten Brüder; die Er- matteten treten zurück, von anderen wird die Lücke ausgefüllt, und der tolle Tanz geht weiter bis der Meister winkt. Nach einem letzten Zigarit verlassen die Damen rafch den Zuschauerraum, die Brüder wischen sich die perlenden Schweißtropfen vom verklärten Angesichte, kühlen sich an der Cisterne und verlassen dann insgesamt ihr Haus, um dem Rufe des Muezzin zu folgen; genügend vor- bereitet betreten sie nun die Moschee, in der sie Gesang und Gebet wieder aufnehmen. Wer aus der Snljnnx. I. Der Wüstenaraber und die Karawane. — Am Brunnen. — II. Eine arabische Erzählung. — Sprichwörter. *) I Will man das Wefen der „Freiheit" so recht in Fleisch und Bein erkennen und zu der Überzeugung gelangen, daß die abend- ländischen Deklamationen und Revolutionen, welche die Bestrebungen zur Realisierung dieses Begriffes veranlaßt haben, so lange, d. h. immer sich um leere Abstraktionen drehen werden, als man nicht auf ein civilisiertes, sozial geordnetes Leben verzichten will, so mache man sich auf einige Monate zum Araber und unternehme, mit ge- kreuzten Beinen aus schwankendem Kamele sitzend, die Reise vom Mittelländischen Meere quer durch die Sahara nach dem Sudan. Wie sieht es in dem Kopfe eines Karawanen-Arabers aus? Der Mann hat weder Haus noch Feld, er kennt keine Stadt, keine Behörde, keine Dienstpflicht, keine Steuer, weiß nichts von Rente, Börse, Eisenbahnen, Presse, Polizei, Konstitutionen, Nationalitäten- kämpf. Alle Jdeenkreife dieser Dinge fehlen in feinem Kopfe. Ist dieser darum leer oder unklar? Der Araber der Sahara schreitet immer gerade aus durch das Flugsandmeer, die Augen auf dasselbe Gestirn geheftet. Sein Leit- stern wechselt nicht wie die sogenannten Prinzipien, nach denen die hochcivilisierten Nationen sich vorwärts arbeiten. *) Aus meinem Buche: Außereuropäische Völker. Kassel, 1885.