§ 22. Physische Beschaffenheit der Sonne. 31 kerer Vergrösserung und besonders deutlich auf einer Photo¬ graphie von zahllosen Wölkchen, die unseren „Schäfchen" nicht unähnlich sind, überdeckt oder „granuliert". Die Sonnenflecken, von denen die grösseren vornehmlich in zwei Zonen zu beiden Seiten des Äquators liegen, bewegen sich, ihre Gestalt allmählich ändernd, von West nach Ost über die Sonnenscheibe und erscheinen manchmal, nachdem sie an ihrem Ostrande verschwunden sind, am Westrande wieder. Man hat daraus auf eine Umdrehung der Sonne um ihre Achse von West nach Ost geschlossen und ihre Rotationszeit auf 25 Tage 4h 2gm berechnet. Eine andere Klasse von Erscheinungen hat man bei totalen Sonnenfinsternissen beobachtet. Die dunkle Mondscheibe er¬ scheint dann von einem hellen Lichtringe, der sogenannten Korona, umgeben, aus welchem bisweilen fingerförmige Hervor¬ ragungen, Protuberanzen, die sich durch ein matteres, rosa¬ farbenes Licht abheben, hervorbrechen. Die Spektralanalyse, welche es jetzt ermöglicht, die Protuberanzen zu jeder Zeit, nicht bloss bei Gelegenheit einer totalen Finsternis, zu be¬ obachten (Janssen und Lockyer 1868) giebt uns Aufschluss über das Wesen dieser Erscheinungen wie über die physische Be¬ schaffenheit der Sonne überhaupt. Nach ihren Ergebnissen ist die Sonne eine in Weissglut¬ hitze befindliche Kugel — ihre Temperatur wird an der Oberfläche auf 13000°, neuerdings auf 6250o, im Innern über eine Million Grad geschätzt —; unmittelbar über ihrer Oberfläche lagert eine dichte Schicht glühender, spezifisch schwerer Gase, die Photosphäre, von der hauptsächlich das Sonnenlicht ausgeht; diese geht ziem¬ lich allmählich in eine weniger heisse und weniger dichte Gas¬ hülle, die Chromosphäre, über, in welcher wie auch in der vorigen Dämpfe terrestrischer Elemente, namentlich des Na¬ triums, Calciums, Magnesiums, Eisens, Nickels u. a. nach¬ gewiesen sind. Die äusserste Hülle endlich besteht nur aus sehr leichten Gasen, namentlich Wasserstoff, und wird nur bei ^ einer totalen Sonnenfinsternis uns als Korona sichtbar. Aus dem Innern des Sonnenkörpers brechen zeitweise Gasmassen infolge des ungeheuren Druckes, unter welchem sie stehen, hervor und lodern als riesenhafte Flammensäulen bis zu 30000 Meilen Höhe auf; wir nennen sie Protuberanzen, wenn wir sie von der Seite sehen, dagegen erscheinen sie uns als Sonnenfackeln, wenn sie in ihrer Richtung sich auf uns zu bewegen, sodass wir gleichsam auf ihren Scheitel blicken. Diese Gasmassen kommen in der Höhe der Sonnenatmosphäre in Gebiete viel geringeren Druckes, breiten sich also über viel weitere Räume aus und erfahren dadurch eine starke Ab¬ kühlung und Verdichtung, sie bilden auf diese Weise dichte Wolken, die das Sonnenlicht teilweise abfangen und uns als