218 Verkehrswege im Mittelalter. § 70.
Seefahrer. Zu diesen müssen wir Pytheas von Massilia zählen, welcher um
340 v. Chr. eine Fahrt nach Britannien und zur ultima Thüle unternahm.
Unter dieser letzten erreichbaren Insel wird eine der Shetlandinseln vermutet.
Zur Zeit der Ptolemäer fuhren Handelsschiffe der Griechen von den ägyptischen
Häfen am Roten Meere aus nach Südostasrika und nach Indien.
Weiter muß hier an Vorkehrungen erinnert werden, welche in den alten
orientalischen Reichen für den Verkehr getroffen wurden. Bekannt ist, daß im
Perser reiche eine große Staatsstraße von Snsa nach Sardes führte. Sie
hatte eine Länge von 2500 km, war mit 111 Stationen besetzt, diente aber nur
Regierungszwecken: die reitenden Boten des Großkönigs mußten seine Briefe auf
dieser Straße in etwa acht Tagen befördern.
Bei den Römern erregt unsere Aufmerksamkeit besonders das Wegenetz,
welches sie so dauerhaft durch ihr Reich gelegt haben, daß noch heute Reste dieser
Römerstraßen vorhanden find. Längs derselben waren Meilensteine in einem
Abstand von 1000 römischen (Doppel-) Schritten (1480 m) voneinander auf¬
gestellt; den Ausgangspunkt für die Berechnung aller Entfernungen bildete die
„goldene" Meilensäule auf dem Forum in Rom.
Merkwürdig war der Verkehr, der zur Zeit der ersten römischen Kaiser vom
Lande der Serer (China) aus mit dem Abendlande mitten durch Asien über
die Mongolei und Ostturkestan unterhalten wurde, um den Römern die Seide
zu bringen. Auch iu der folgenden Zeit diente die „Seidenstraße" zur Pflege
der Handelsbeziehungen zwischen dem fernen Osten und dem europäischen Westen.
2. Im Mittelalter wurde durch die Araber mit der Ausbreitung ihrer
Herrschaft über Westasien, Nordafrika und Südeuropa auch der Handelsverkehr
in diesem großen Gebiete zu Wasser und zu Lande befördert. Mittels des Kamels
machten sie die Sahara zugänglich; ihre Karawanen drangen hier bis zum Niger
vor. Einen weiteren mächtigen Ausschwung erhielt das Verkehrswesen durch die
Kreuzzüge. Der Weg, den diese die Donau abwärts nach Konstantinopel und
Kleinasien einschlugen, blieb für den Handel geöffnet. Dazu kam der Seeweg
durch das Mittelmeer, den die Flotten der Genuesen und Venetianer nach dem
Morgenlande benutzten. So herrschte in den Mittelmeerländern äußerst reges
Leben. Die italienischen Städte blühten auf und traten bald auch mit den
Städten Mitteleuropas in Verbindung. Eine Haupthandelsstraße zog von Venedig
über Bozen und den Brenner nach Innsbruck, von da über den Fernpaß nach
Füssen, Augsburg. Nürnberg und über den Thüringer Wald nach Erfurt, ja
nach Hamburg und andern Städten in Norddeutschland. Eine andere Straße
sührte den Rhein abwärts Über Köln nach Brügge und Antwerpen. Zwischen
Wien, Straßburg und Paris war die Kaiserstraße angelegt; in nordöstlicher
Richtung ging ein Straßenzug zum Bernsteinland in Ostpreußen.
In die Nord- und Ostsee brachte die Hansa vom 13. bis zum 15. Jahr-
hundert rühriges Leben. Nach Bergen, London, Brügge, ja bis in den Finnischen
Meerbusen, um von da Nowgorod zu erreichen, liefen ihre Schiffe. — Alle diese
Verhältnisse erfuhren aber einen mächtigen Umschwung durch die Entdeckungen,
die das 15. Jahrhundert brachte. Mit ihnen beginnt
3. die Neuzeit, in welcher das Mittelmeer seine Bedeutung verlor, weil der
große Verkehr auf den Atlantischen Ozean und die andern Weltmeere überging.
Die Morgenröte des neuen Tages stieg über Portugal herauf, dessen See-
lente, angeeifert durch den Geist und die Tatkraft des Prinzen Heinrich,
„des Seefahrers", von 1415 an die Westküste Afrikas zunächst bis nach Guinea
entdeckten. Es folgte nun eine Großtat der andern, die Entdeckung Amerikas
durch den Genuesen Kolumbus (1492) in spanischen Diensten, die Aufsindung
des Seewegs nach Indien um das Kap der Guten Hoffnung durch den Portn-