9 Fjord fort, von welchem der Näroe-Fjord eine der verwickeltsten Aus¬ buchtungen bildet. Das Wetter, welches glücklicherweise eine Zeit lang schön gewesen war, fing wieder an zu drohen, und als wir das Boot bestiegen, fiel ein kleiner Regen. Dabei zogen ununterbrochen Wolken am Himmel heraus und setzten sich zuletzt an den Gipfeln der Felsen fest, welche meilenweit diese öde, ja schreckenerregende Gegend einschließen. Ich weiß nicht, welche Nebenumstände zu diesem Eindrücke beigetragen haben: doch hat sich meiner selten das Gefühl der Einsamkeit und Verlassenheit so sehr bemächtigt, als hier. Mein Begleiter war in tiefen Schlaf ver¬ sunken; die feuchte Luft ruhte still über dem Wasser, die Ruder schlugen in trägem Tacte in die rabenschwarze, unergründliche Tiefe, während dieselbe auf beiden Seiten von senkrechten Felswänden eingeschlossen war, ohne den geringsten Abhang oder Raum am Fuße derselben, so daß auch nicht einmal eine Ziege daneben hätte klettern können. Die Gipfel, so hoch sie an sich waren, erschienen noch höher, da sie in den Wolken verborgen blieben, welche gleichsam ein nasses Dach über uns, mit dem Wasserspiegel unter uns cvrrespondirend, bildeten. So oben, unten und von beiden Seiten eingeschlossen, ruderten wir in der zunehmenden Dunkelheit und dem dichten Regen weiter, bis wir einige Befreiung erhielten, als wir in den weitern, obgleich auch noch finstern Aurlands-Fjord einfuhren, in welchem die See ein natürlicheres und bewegteres Ansehen annimmt. Man kann kaum begreifen, daß eine solche Fahrt einen Theil der regel¬ mäßigen Reise zwischen Bergen und Christiania ausmacht. Wir übernachteten in Lekanger, einem Landungsplatz aus der Nord¬ seite des Sogne-Fjord, an einer Stelle, wo er Sy-Strand genannt wird. Welche Ueberraschung am andern Morgen, als sich das Wetter etwas auf¬ geklärt hatte! In einer Entfernung von zwei englischen Meilen zwischen der Kirche von Lekanger und dein Gasthause kamen wir an eine Reihe hübscher Wohnungen, mit prächtigen Obstgärten abwechselnd, vorüber. In dem Garten, welcher zur Predigerwohnung gehörte, standen Eichen und Wallnußbäume von ausgezeichneter Schönheit. Nicht weit von Lekanger sahen wir völlig gelbe und anscheinend ganz reife Kornfelder, welche gegen das unreife Grün jener bei Bergen und Bost einen gewaltigen Kontrast bildeten. Es ist auffallend, daß das Innere des Sogne-Fjord, in der unmittelbaren Nachbarschaft der bedeutendsten Erhebungen Norwegens und seiner ausgedehntesten Schneefelder, hinsichtlich des Klima's weit schöner zu nennen ist, als die Küste mit ihren unaufhörlichen Regengüssen. 2. Flüsse und Wasserfälle. Von allen Gegensätzen, welche Norwegen zu anderen Gebirgsgegenden darbietet, ist wohl die Häufigkeit fließender Gewässer das Ueberraschendste. Flüsse von hellem und funkelndem Grün brausen in den Thälern nach