162 Kranzes, der erschrickt vor einem polnischen Dorfe. Keine Bäume um das Dorf, unter zwanzig Dörfern besitzt nur eins eine Kirche, aber auch diese giebt dem Dorfe kein besseres Ansehen, denn sie ist nichts mehr als eine schwarzgraue große Bretterbude, vor deren Thür sich auf ebener Erde ein niedriges offenes Balkengerüst befindet, in welchem die Glocken hängen. Dagegen ragen überall riesige Kreuze in die Luft. Jedes Ende des Dor¬ fes, jeder Kreuzweg, selbst mancher Hof besitzt sein Kreuz. Es starrt ge¬ wöhnlich weit über die Hütten empor, besteht aber aus nichts weiter als zwei plumpen Balken, oft sogar aus zwei rohen Baumstämmen, welche durch gedrehte Weidenruthen mit einander verbunden sind. Die Kreuzwuth der polnischen Bauern ist sehr groß. Häufig pflanzen sie vor ihre Höfe eine junge Fichte, um die emporgewachsene in ein Kreuz umzuwandeln. Die Krone wird abgeschlagen, die Aeste desgleichen, ein Querholz oben daran gebunden und der fromme Schmuck der polnischen Dörfer ist fertig. Ein schlechter Schmuck sind noch die hohen Schwengel der Brunnen, die wie riesenhafte Wagebalken hoch über dein First der Hütten in der Luft schweben. Jeder Hof hat seinen Brunnen, der nichts mehr als ein vier¬ eckiges Loch ist, dessen Erdwände durch Holzbohlenstücke abgesteift sind. Die Bewohner dieser tristen Dörfer passen zu Dorf, Feld, Wiese und Wald. Es sind schlotternde mißvergnügte Gestalten, die Männer in langen, wollenen weißen Kitteln, ungeheuren Stiefeln, in denen die Füße mit dicken Strohwickeln umwunden stecken, Ungeheuern Schafpelzmützen und Beinkleidern von der gröbsten Leinwand; die Frauen in weißem Rock und turbanartigem Kopftuch, am Oberkörper im bloßen Hemd. Gewöhn¬ lich tragen sie auch eine Schürze vor dem Leibe und eine zweite auf dem Rücken, deren Bänder auf der Brust über Kreuz laufen und auf dem Rücken zusammengebunden find. Die Männer gleichen entweder wandelnden Baumstümpfen oder auf¬ rechtgehenden Eisbären. Die dumme Miene der schnurrbärtigen Gesichter und die langen steifen Haupthaare erhöhen das Ungeniüthliche ihres An¬ blicks. Die Frauen sind gewandter und lebendiger, der leichtere Sinn des Geschlechts hebt sie besser über die drückenden Verhältnisse empor. Auch die Jugend hofft noch und will gefallen. Die Tracht der Burschen ist kleidsamer. Sie tragen schwarze niedrige Filzhüte, das leinene Hemd hängt kuttenartig über die Beinkleider und wird von einem breiten rothwollenen Hüftgürtel zusammengehalten. Auch die Mädchen verhüllen die Brust durch nichts weiter als das dünne Hemd, welches durchweg den Schnitt eines deutschen Männerhemdes hat. Aus allen Gesichtern aber spricht das Verhältniß der Knechtschaft; Trägheit, Lebensunlust, Scheu und Angst zeigen sich schnell in Blick und Geberde. Wo möglich, weicht der Bauer dem Edelmann und städtisch Ge¬ kleideten — denn jeden solchen hält er für einen Edelmann — aus^ Aber wenn es nicht möglich, so entblößt er schon auf vierzig bis fünfzig Schritte Entfernung sein Haupt und geht bis zur Erde niedergebeugt, die Mütze dem