511 Orotava liegt an dem sehr stellen Abhange eines Hügels; die Straßen schienen uns sehr verlassen; die Häuser von dauerhafter Bauart, aber von düsterem Ansehen, gehören fast alle einem Adel, den man vielen Stolzes beschuldigt, und der sich selbst mit den pomphaftesten Namen bezeichnet. Wir gingen längs einer sehr hohen Wasserleitung hin, die mit vielen Farrenkräutern bedeckt war, und besuchten dann mehrere Gärten, in denen die Fruchtbäume des nördlichen Europa's mit Orangen, Granat- und Dat¬ telbäumen vermischt stehen. Doch tragen die letztem hier nie Früchte. Ungeachtet wir durch die Erzählung so vieler Reisenden den Drachen¬ baum in dem Garten des Herrn Franqui kannten, so wurden wir doch nichts desto weniger durch seine ungeheure Größe in Erstaunen gesetzt. Man versichert, daß der Stamm dieses Baumes, der in mehreren sehr alten Documenten als die Grenzscheide eines Feldes erwähnt wird, schon im 15. Jahrhundert eben so ungeheuer war, als heut zu Tage. Seine Höhe schien uns 50—60 Fuß zu betragen; sein Umfang in der Nähe der Wurzeln beträgt 45 Fuß. Der Stamm theilt sich in eine große Menge von Aesten, welche sich in der Form eines Kandelabers erheben und sich mit Blätterbüscheln endigen, wie bei der Iucca, welche das Thal von Mexico ziert. Die Vertheilung giebt ihm ein anderes Ansehen, als das der Palmbäume ist. Bei dem Ausgang von der Villa Orotava führte uns ein schmaler und steiniger Weg durch einen schönen Kastanienwald in eine Gegend, die mit Gesträuch, mit einigen Arten von Lorbeer und baumartigen Haiden bedeckt ist. Der Stamm dieser letztern Pflanze erreicht hier eine außerordentliche Dicke, und die Blumen, mit denen sie einen großen Theil des Jahres über behängt ist, machen einen angenehmen Contrast mit denen des ll^xorlaum canariense (Canarisches Johanniskraut), das in dieser Gegend sehr häufig ist. Wir machten unter einer schönen, einzeln stehenden Tanne Halt, um uns mit Wasser zu versehen, welches in der Nähe reichlich hervvrquillt. Hier, in einer Höhe von 522 Toisen, genossen wir eines prächtigen An¬ blickes des Meeres und des ganzen nördlichen Theiles der Insel. Von nun an ging der Weg bis zum Krater beständig bergan, ohne Unterbrechung durch eine Thalschlucht. Bald hatten wir die Region der baumartigen Haiden, Nonte verde (Grüner Berg) genannt, hinter uns und kamen in das Gebiet der Farrenkräuter, welche indessen nicht wie im tropischen Amerika zu baumartiger Höhe aufschießen. Dann folgte ein Ge¬ hölz von Wachholderbäumen und Tannen, die sehr durch die Stürme gelitten hatten. Wir stiegen immer fort, einen engen Weg zwischen zwei Basalt¬ hügeln hinan, bis zur Ebene der Pfriemenkräuter (Plaine des Genets). 2iun hört plötzlich alle Vegetation auf; die Ebene ist mit Bimsstein bedeckt und ungeheure Blöcken von Obsidians, welche durch den Vulcan ausgeworfen wurden, liegen zerstreut umher. Alles verkündet eine tiefe *) Ein ganz schwarzer Stein, wie Glas.