345 Norden ziehenden Handelsstraße, bevorzugt durch Privilegien der Kaiser und Fürsten, die um ihre Gunst buhlten, geachtet und gefürchtet durch seine politische Stellung, war es der Hauptspeditionsplatz für die Waaren geworden, die aus Italien, besonders aus Venedig, und aus der Le- vante nach den Hansastädten, nach England und Frankreich gingen. Es sandte seine eigenen Erzeugnisse, insbesondere Tücher, Eisenwaaren, Waffen, Pulver und Manufakturgegenstände aller Art, nach Süden und Norden und bezog dafür aus Venedig Leder, Baumwolle, Südfrüchte, Oel und Weine, aus Genua Spezereien und Tücher — Handelsartikel, welche seine Kaufleute auf die Messen nach Frankfurt, Leipzig, Bres- lau :c. brachten. Aus Holland und überhaupt von den nordischen Küsten- Plätzen bezogen sie Häringe und andere Seefische, die sie im Binnen- Handel vertrieben. Die Entdeckung des Seeweges nach Ostindien, die den Welthandel in ganz neue Bahnen lenkte, verminderte freilich die Bedeutung Nürnbergs für den Zwischenhandel; desto mächtiger aber hob sich sein Manufakturwaarenhandel durch die fort und fort sich stei- gernde Gewerbthätigleit. Eine Reihe von Erfindungen bezeichnet die Blüthe der Gewerbe; Rudolph erfand 136< > das Drahtziehen, Peter Henlein (Hele) 1507 die Taschenuhren, Recknagel 1517 das Feuer- schloß, Ebner 1553 das Messing, Lobsinger 1560 die Windbüchse und den Metalldruck, Lamprecht die Probirwagen. Durch die zunehmende Wohlhabenheit, die Handel und Gewerbs- fleiß mit sich brachten, durch das edle Selbstbewußtsein, das eine geach- tete äußere Stellung erzeugte, und durch die freie Bewegung, die eine republikanische Verfassung den Bürgern gestattete, entwickelte sich in der alten Noris ein Volksleben, dessen Kraft und Frische sich in ritter- lichen Spielen, wie dem „Gesellenstechen", dessen heiterer Humor sich in bunten Fastnachtsaufzügen, wie dem „Schembartlaufen", dem „Urban- reiten", und anderen Belustigungen, manifestirte. Während innere und äußere Kämpfe die Kraft des Volkes stählten, drückten Kunst und Wissen- schaft ihr den Stempel höheren Adels auf, und daß die Glanzperiode Nürnbergs zugleich eine Blüthezeit der Kunst wurde, das ist nicht allein den Koryphäen, die es zu seinen Bürgern zählte, das ist der gesamm- ten Bevölkerung zu verdanken. Denn gleichwie eine große politische oder kirchliche Bewegung nicht einzig, ja nicht einmal vorzugsweise ihren hervorragenden Leitern zugeschrieben werden darf, diese vielmehr nur die Träger des allgemeinen Zeitgedankens sind, so bilden auch die Heroen einer Kunstepoche gleichsam nur die Krystallisationspunkte, um die sich das Volksleben concentrirt. Es zeigt sich durch das ganze 15. und 16. Jahrhundert ein Streben und Ringen nach künstlerischer Gestaltung, von dem der einfache Handwerker, wie der geborene Künstler erfaßt war, dem der schlichte Bürger, wie der reiche Patricier huldigte. Man betrachte nur die Hauseinrichtungen jener Zeit: die prächtigen Oefen, das kunst- voll geschnitzte Täfelwerk, die reich verzierten Bettstellen, Truhen und