Zehnter Abschnitt. 1. Die Donau. — 2. Wien. 1. Die Donau.*) Weltstellung der Donau. Das Donaugebiet ist mehr von gewaltigen Gebirgsmauern umgürtet, als irgend ein anderes großes Flußsystem Europa's. Im Süden erheben sich die Alpen und ihre Fortsetzungen in Jllyrien und der türkischen Halbinsel, im Norden die Karpaten, die böhmischen Berge und der deutsche Jura. Im Ganzen kann man also die Donau als ein in hohem Grade ifolirtes und auf sich selbst beschränktes Flußsystem be- zeichnen. Desto wichtiger sind aber die verschiedenen Oeffnungen und Thore, welche die Natur in diesen Mauern gelassen und die der Mensch zum Verkehr benutzt hat. Diese Thore führen überall in mehr oder weniger benachbarte Fluß- und Ländergebiete hinüber, und von jeher passirten zahlreiche Völkerschaften, bewaffnete Armeen, Handelszüge und Karawanen durch sie aus und ein. Am meisten geöffnet ist die Donau bei ihren Quellen und an der Mündung. Darum von beiden Endpunkten her ein bestündiges weltgeschichtliches Einströmen, von der Mündung nach Westen herauf, von den Quellen nach Osten hinab. Von der Mündung kamen und kommen die Völker und Produete des Orients, von der Quelle strömt das Leben des Occidents herein. Bei den Quellen bietet sich zunächst der Rhein und hinter ihm Frank- reich dar. Hier fand, da der deutsche Jura kein Hinderniß abgiebt, eine völlige Verschmelzung des Donaugebietes mit Deutschland, besonders mit dem Flußgebiete des Rheins, Statt; stets führten hier gangbare Straßen, in neuerer Zeit auch Kanäle zum Rhein hinüber. Diese Verschwisterung der Donau mit dem Rhein, auf die schon im Nibelungenliede hingedeutet wird, ist sogar uralt. Mit Hülfe des Mains, des Rheins, der Straßen *) I. G. Kohl a. a. O.