III. Das Norddeutsche Tiefland. 55 Lüneburg und Stade trifft man Gipslager und Salzquellen, und die Tief- bohrnngen um Celle haben ansehnliche Petroleumlager erschlossen, deren Aus- dehnung bis gegen Holstein vermutet wird, so daß hier vielleicht noch ein „deutsches Pennsylvanien" erblüht. Infolge der geringen Ertragfähigkeit des Bodens be- stehen die Siedelungen der Heide meist in Einzelhöfen und kleinen Dörfern. Die Bevölkerungsdichte bleibt streckenweise sogar unter 20 Einw. aus 1 qkm. Politisch gehört das Moor- und Geestland zur preußischen Provinz Hannover und zum Groß Herzogtum Oldenburg. Die größeren Ortschaften, alle zur Provinz Hannover gehörig, liegen meist am Rande der Heide: an der Aller Celle und Verden, gegen die Elbe hin Lüneburg, Harburg, Stade, zwischen Weser und Ems Oldenburg, die Hauptstadt des Großherzogtums Oldenburg, und Aurich (in Hannover). Landschaftliches. Die eigenartige, wenngleich herbe Schönheit der Heide wie des Moores findet immer zahlreichere Verehrer. Dichter und Dichterinnen preisen deren eigenartige Reize, so Annette v. Droste, Theodor Storm, Martin Greif, Klaus Groth, Hermann Allmers u. a., Künstler suchen vielfach dort ihre Motive und Vorwürfe (die Malerschule zu Worpswede), und zur Blütezeit bringen Vergnügungszüge aus den umliegenden Großstädten Tausende von Naturfreunden in diese Landschaft. 4. Das Marschland. Verbreitung, Bodenbeschaffenheit und Entstehung. Längs der Küste und den Flußmündungen ziehen die Marschen hin, ein vollkommen flaches, baumloses Gebiet, dessen Boden aus feinstem Tonschlamm (Schlick, Silt), Sand und massenhaften Resten von Meerestieren (bis zu 50°/0) besteht. Sie sind ein Anschwemmungsland der Flüsse und des Meeres, die ihre Sedimente hinter dem durch Sturmfluten zertrümmerten Dünenwall absetzten. Daher liegt die Marsch nur wenig höher als das Meer. Vor der Flut muß sie durch Dämme, Deiche genannt, geschützt werden. Allmählich werden die Deiche, die mitunter mehrere Meter hoch sind, weiter gegen das Watt vorgeschoben und dadurch neues Marschland gewonnen. Durch zahlreiche Kanäle wird das allzureichliche Wasser der Marschen abgeführt. Ihre Schleusen, Siele geheißen, dienen dazu, dem sich ansammelnden Wasser während der Ebbe den Ausfluß zu gestatten, ihm aber bei der Flut das Eindringen zu verwehren; denn die eingedeichten Marschen liegen zur Flutzeit unter dem Spiegel des Meeres und der angrenzenden Flüsse. Erzeugnisse. Dank ihrem milden Seeklima eignen sich die Marschen am besten zu Weideland, weshalb sie denn auch das trefflichste Mastvieh und gute Pferde liefern. Aber auch Acker- und Gartenbau lohnen reichlich; bekannt sind die Vierlande bei Hamburg durch ihren Gemüsebau und ihre Blumen- zncht, das Alte Land durch seine Obsthaine. Die Marschen sind überhaupt von unerschöpflicher Fruchtbarkeit. Begreiflicherweise wächst daher die Bevölkerungsdichte mit der Annäherung an das Meer, die Marsch ist mit Einödhösen und Dörsern übersät, man rechnet (ohne die Bevölkerung der großen Seestädte) 60 Einw. auf 1 qkm, was bei dem Mangel jedweder Industrie beträchtlich erscheint.