Allgemeine Einleitung. 219 trennend, daß diese sich nicht befruchten konnten. Der Haupt¬ zug im Antlitze Europas ist das Hochgebirge der Alpen. Das¬ selbe ist als eine Fortsetzung der großen Faltengebirge zu betrachten, welche die Mitte Asiens in ostwestlicher Richtung durchziehen. Der Balkan und der weit geschwungene Bogen der Karpaten sind die Zwischenglieder nach dem Kaukasus hin, und die Pyrenäen bilden das Endstück der großen Faltenlinien. Ziem¬ lich in der Mitte Westeuropas gelegen, gliedern die Alpen dieses in ebenso viele Gebiete, als Abdachungsseiten vorhanden sind. Auch wenn die großen Inseln und Halbinseln vom Rumpfe Europas nicht so tief abgeschnürt wären, würde die Westhälfte Europas doch durch die Gliederung in verschiedenartige Gebiete einen Vorzug von der Osthälfte, die ein solches, den weiten Raum gliederndes Gebirge nicht besitzt, behaupten können Nach allen Seiten rinnen die Ströme, wichtige Verkehrsadern bildend und fruchtbare Talland¬ schaften aneinander gliedernd. Ihr Zwischenland ist so schmal, daß es fast überall ohne allzu große Schwierigkeit au die Haupt¬ verkehrsader angeschlossen und in den Kreis seiner Segnungen hineingezogen werden kann. Anders in Osteuropa, wo eine solche zentrale Gebirgswasserscheide fehlt, und wo nur wenige, wenn auch größere Ströme entstehen, die wohl zum Teil wichtige Ver¬ kehrsstraßen und Kulturlinien bilden, aber ein zu breites Zwischen¬ land von ihren Segnungen ausschließen. Durch das Hochgebirge der Alpen wurde der Verkehr der ringsum wohnenden Völker, wenn auch nicht völlig unterbrochen, so doch sehr erschwert. Die Kultur wögen, die von Südeuropa ausgingen, brachen sich an der hohen Felsenmauer; sie mußten nach W abschwenken und konnten erst auf dem Umwege über Westeuropa weiter nach dem 0 fluten. — Die mittlere Höhenlage Europas beträgt 300 m Einen großen Einfluß auf die Kulturentwicklung der meisten europäischen Völker hat ferner die Enge des Raumes, der ihnen als Wohnsitz zugefallen war, ausgeübt. Die Raummenge zwang in Westeuropa bei der fortschreitenden Volksvermehrung zu immer gründlicherer Ausnutzung der natürlichen Hülfsmittel, die die Landesnatur darbot. Aber nur durch eine stärkere An¬ spannung der geistigen Kräfte des Volkes und durch weitere Ver¬ vollkommnung der Verwaltung war dies zu erreichen. So wurde durch den Zwang der Natur, der in dem großräumigen Ost¬ europa fortfiel, die geistige, wirtschaftliche und staatliche Ent¬ wicklung der westeuropäischen Völker gefördert, und hieraus erklärt sich der kulturelle Vorsprung, den z. B. Großbritannien, Deutschland und Frankreich als Staaten vor Rußland haben. In klimatischer Hinsicht ähnelt Südeuropa den Gebieten Nordafrikas und Westasiens, mit denen es das trockene Mittel¬ meerklima mit verhältnismäßig geringen winterlichen Nieder¬ schlägen gemeinsam hat. Klimatische Beziehungen zu Asien treten ferner in Osteuropa hervor, indem sich der Steppengürtel Zentral¬ asiens durch das südliche Rußland bis in das Herz des Erdteils Einfluß des Raumes. Klima.