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und höheren Sckulen.
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Bearbeitet
von
tv. Tochter,
Seminarlehrer in WunstoH.?
Mit 64 Abbildungen. .
Halle a. -S.
pädagogischer Verlag von Hermann Schroedel.
1907.
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Georg-Eckert-Institut BS78
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Allgemeine Lrdkunde.
Cin ßilfsbucb für den Unterriebt in Cebrerjeminaren
und höheren Schulen.
Bearbeitet
von
TV. Tochter,
Seminarlehrer in Wunstorf.
Mit 64 Abbildungen.
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Halle a. S.
pädagogischer Verlag von Bermann Schroedel.
1907.
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Vorwort.
Das vorliegende Buch ist als Hilfsbuch beim erdkundlichen
Unterricht in erster Linie für Lehrerseminare bestimmt. Für
diesen Zweck mag sein Umsang reichlich groß erscheinen, selbst
wenn den Belehrungen aus der Allgemeinen Erdkunde ein volles
Semester zugewiesen wird. Doch soll nach meiner Ansicht das
Buch auch nicht Seite sür Seite „durchgearbeitet" werden; denn
ein Lehrbuch kann nie den Lehrer ersetzen. Der Schüler muß
aber Gelegenheit haben, das im Unterricht Behandelte nachzulesen,
sich dabei gleichsam mit dem Buche nochmals über den Lehrstoff
zu unterhalten. Dabei ist es kein Nachteil, wenn die Lektüre ihm
hier und da ein weiteres Beispiel bietet, einen neuen Gedanken
in ihm anregt, und wenn er genötigt wird, längere Ausführungen
zu kurzer Wiedergabe zu verdichten oder umgekehrt einzelne An-
deutungen des Buches nach des Lehrers Darlegungen weiter aus-
zuführen. Er soll sich nicht sklavisch an den Text binden, sondern
sich in sreier Arbeit den Inhalt zu eigen machen, um bei der
Wiedergabe desselben die Form selbst zu finden. Ich habe immer
bemerkt, daß bei sehr knapper Fassung eines Lehrbuches die
schwächeren oder bequemeren Schüler leicht zum Memorieren des
Textes kommen, während strebsame vergeblich Gelegenheit zu
weiterer Durcharbeitung des im Unterricht Gebotenen suchen.
Selbstverständlich soll damit nicht einer breiten Darstellung das
Wort geredet sein; nur möge das Lehrbuch etwas mehr bieten
als eine kurze Wiederholung der Unterrichtsergebnisse.
Es ist weiter zu beachten, daß manche Abschnitte aus der
Allgemeinen Erdkunde schon im geographischen oder physikalischen
Unterricht der Präparandenanstalt behandelt werden und im
Seminar nur einer Wiederholung und Ergänzung bedürfen (Erd-
Magnetismus, Lawinen, Gletscher, Fjorde u. a.). Wo zudem, wie
es jetzt ja nicht ganz selten der Fall ist, der Geographieunterricht in
beiden Anstalten in einer Hand liegt, da kann der Lehrer schon
in der Präparandenanstalt diese Stoffe so behandeln, daß später
aus dem Seminar eine Wiederholung derselben hauptsächlich nach
dem Buche geschehen kann. Und wenn trotzdem der eine oder der
andere Abschnitt des Buches im Unterricht nur gestreift werden
kann, so ist das weiter kein Unglück. Ein dem Schüler lieb-
gewordenes Lehrbuch wird ihm auch noch später mancherlei bieten,
und nicht, wie mancher knappe Leitsaden, nach der Ausbildungs-
zeit von ihm srohen Herzens in die hinterste Ecke seiner Bücher-
sammlung gestellt werden.
IV
Wenn das vorliegende Buch auch in erster Linie als Hilfs-
buch beim Unterrichte gedacht ist, so wird es doch, wie ich hofse,
auch bei späterer Weiterbildung noch brauchbar sein. Natürlich
kann und soll es sür diesen Zweck nicht die größeren Werke er-
setzen, sondern möge vielmehr recht eindringlich zum Studium
derselben anregen. Namentlich gilt das sür die Bücher, die bei
der Abfassung der Arbeit neben vielen Spezialwerken vorzugsweise
benutzt wurden.*) Aber es ist eine Erfahrungstatsache, daß
mancher bei der weiteren Fortbildung gern zum altgewohnten
Lehrbuche greift und es als Lern buch benutzt, uachdem er es
mit Papier durchschießen ließ, um Ergänzungen, gegenteilige
Auffassungen u. dgl. anmerken zu können.
In der Anlage schließt das Buch sich dem vorgeschriebenen
Gange an. Soweit möglich, war ich bestrebt, nicht nur die Er-
gebnisse der neueren Forschung zu bieten, sondern auch die Wege
zu ihrer Gewinnung anzudeuten. Daß die angesührten Beispiele,
Übersichten und statistischen Angaben nur zur Veranschaulichuug
gegeben sind, bedars wohl kaum der Erwähnung. Ebenso ist
selbstverständlich, daß beim Unterrichte überall auf die eugere
Heimat Bezug zu nehmen ist, und daß der Schüler genötigt
wird, die in: Buche gegebenen Ausführungen möglichst auf
heimische Verhältnisse anzuwenden.
Eine bis ins einzelne gehende äußere Gliederung des Stoffes
ist absichtlich nicht durchgeführt, um bei der Benutzung des Buches
Lehrer und Schüler nicht zu beengen. In der vorliegenden
Fassung wird die Arbeit als Ergänzung zu jedem eingeführten
Lehrbuche der Erdkuude brauchbar sein. Im besonderen ist dabei
an die treffliche Erdkunde für Lehrerbildungsanstalten
von F. Wulle (Halle, Schroedel) gedacht.
Wunstorf im April 1907.
Techter.
*) Supan, A,, Grundzüge der physischen Erdkunde. 3. Aufl. 1903.
Leipzig, Veit und Ed. Wagner, H., Lehrbuch der Geographie. 7. Aufl.
1. Bd. 1903. Hannover, Hahn. Hann, Brückner u. Kirchhofs, All-
gemeine Erdkunde. 5. Aufl. 1897. Wien, Tempsky. Penck, A., Mor-
phologie der Erdoberfläche. 1894. Stuttgart, Engelhorn.
Inhaltsübersicht.
Seite
Einleitung: lvesen und Zweige der Erdkunde ....................................1
Kap. I. Der Erdkörpcr als Ganzes ..................................................................2
A. Entstehung der Erde ..................................................................2
B. G est alt und Größe der Erde ................................................4
1. Ubersicht ..............................................................................................4
2. Beweise für die Kugelgestalt der Erde .............................5
3. Die Erde als Rotationsellipsoid oder Sphäroid ..................6
a. Pendelbeobachtungen..................................................................6
b Gradmessungen ............................................................................8
4. Das Geoid ..........................................................................................10
5. Dimensionen der Erde .................................
C. Die physikalis ch en Eigenschaften des Erdkörpers 12
1. Dichte der Erde ................................................................................12
2. Eigenwärme der Erde ....................................................................13
a. Temperaturverhältnisse in der oberen Erdschicht..............13
b. Tiefentemperaturen ....................................................................14
c. Zustand des Erdinnern ............................................................14
3. Erdmagnetismus ..............................................................................15
a. Deklination — Jsogonen ..........................................................15
b. Inklination — Jso'klinen ..........................................................17
c. Intensität — Jsodynamen ......................................................19
d. Polarlichter ..................................................................................19
Äap. II. Die Gesteinshülle (Lithosphäre) ..........................................................20
A. Innerer Auf b au der Erdrinde ..........................................21
1. Gesteinsbildung ................................................................................21
a. Eruptivgesteine ............................................................................22
b. Sedimentgesteine..........................................................................23
2. Lagerung der Gesteine ....................................................................25
a. Ungestörte Lagerung der Schichtgesteine ............................25
b. Gestörte „ „ „ ............................25
c. Arten der Dislokationen ..........................................................27
d. Ursachen der Störungen in der Gesteinslagerung ..........30
3. Die Zeitalter der Erdgeschichte ....................................................31
a. Archäisches oder prözoisches Zeitalter; Urzeit ....................33
b. Primäres oder paläozoisches Zeitalter ................................33
c. Sekundäres oder mesozoisches Zeitalter ..............................35
d. Tertiäres oder känozoisches Zeitalter ..............................37
e. Quartäres oder anthropozoisches Zeitalter ........................38
f. Übersicht über die Gesteinsformationen ................................41
B. Gegenwärtige Bewegungen der Erdrinde ................41
1. Vulkanische Tätigkeit ......................................................................42
2. Erdbeben...................................................................52
3. Strandverschiebungen......................................................................57
VI
Seite
C. Umgestaltung der Erdrind e von außen............ 60
1. Verwitterung........................................... Gl
2. Absturz ................................................ 65
3. Abspülung ............................................. 66
4. Grundwasser und Quellen .............................. 68
5. Erosion und Sedimentablagerung beim fließenden Wasser 69
a. Das fließende Wasser ................................ 69
b. Die Flußerosion ..................................... 72
c. Die Ablagerung der Flußsedimente ................... 76
d. Die Deltas .......................................... 77
6. Meeresarbeit an den Küsten ............................ 79
a. Die Wirkungen der Brandung........................ 80
b. Die Wirkungen der Gezeitenströmung................. 84
c. Die Anschwemmungen an den Küsten................. 84
7. Gletscherwirkungen ...................................... 86
8. Windwirkungen.......................................88
a. Die zerstörende Tätigkeit des Windes................. 89
b. „ aufbauende „ „ „ — Dünen — Staub-
ablagerung .......................................... 89
1). Die Geländeformen.................................. 92
1. Die Ebenen ............................................ 92
2. Die Erhebungen........................................ 94
3. Tie Hohlformen ........................................ 97
tfnp. III. Wechselbeziehungen zwischen l'mtti und Meer ............... 99
A. Flächenv erteilung von Land und Wasser ......... 99
B. Niveau der starren Erdkruste; Höhen und Tiefen 100
0. Wagerechte Glied erung des Festlandes ........... 101
1. Die Halbinseln ......................................... 102
2. Die Inseln............................................. 102
a. Kontinentalinseln .................................... 103
b. Ursprüngliche Inseln............... ................. 105
3. Die Küsten............................................. 109
4. Die Fjorde............................................. HO
5. Die Seehäsen .......................................... 113
6. Kostenentwicklung und Maß der horizontalen Gliederung 114
D. Glied erung der Ozeane .............................. 115
Kap. IV. Die Wasserhülle (Hydrosphäre) ............................. 116
A. Grundwasser und Quellen .......................... 116
1. Grundwasser ........................................... 1UZ
2. Quellen ................................................ H7
B. Die Flüsse ............................................. 121
C. Die Seen............................................... 125
1). Das Meer .............................................. 128
1. Der Meeresboden ...................................... 128
a. Tiefenlotung ......................................... 128
b. Tiefe des Meeres .................................... 129
c. Form des Meeresbodens ............................. 129
d. Bedeckung des Meeresbodens ......................... 130
2. Das Meerwasser ....................................... 131
a. Chemische Zusammensetzung des Meerwassers ........ 131
b. Farbe des Meerwassers .............................. 133
c. Temperatur des Meerwassers ........................ 134
d. Meereis ............................................. ^
3. Die Bewegungen des Meeres ........................... 137
a. Wellen .............................................. ?37
b. Gezeiten............................................. 140
c. Meeresströmungen ................................... 145
VII
Seite
Kap. V. Die Lufthülle (Atmosphäre) ................................................................149
A. Zusammensetzung und Höhe der Lusthülle................149
B. Die Temperatur der Luft ......................................................151
1. Ein- und Ausstrahlung der Wärme ..........................................151
2. Abnahme der Lufttemperatur mit der Höhe............................155
3. Messung und Kartographie der Lufttemperatur....................157
C. Luftdruck und Winde ..................................................................162
1. Der Luftdruck ....................................................................................162
a. Schwere der Lust ........................................................................162
b. Veränderung des Luftdrucks mit der Höhe........................162
c. Horizontale Verteilung des Luftdrucks. Isobaren............163
2. Der Wind ..........................................................................................164
a. Minimum und Maximum des Luftdrucks. Entstehung
des Windes ..................................................................................164
b. Windgesetze....................................................................................165
c. Allgemeiner Kreislauf im Luftmeere ....................................167
d. Lokale Winde................................................................................170
e. Wirbelstürme ................................................................................171
D. Wasserdampf und Nied erschläge ......................................172
1. Der Wasserdamps in der Atmosphäre ......................................172
2. Die Niederschläge..............................................................................175
a. Formen der Niederschläge ........................................................175
b. Menge und Verteilung der Niederschläge ..........................177
c. Der Schnee. Lawinen ..............................................................179
d. Die Gletscher ................................................................................182
E. Das Klima..........................................................................................186
F. Das Wetter ........................................................................................188
Kap. YI. Überblick über die Pflanzen und Tiere der Erde ........................190
A. Die Pflanzenwelt ........................................................................190
1. Verbreitung der Pflanzenwelt ....................................................190
2. Vegetationstypen..............................................................................193
3. Vegetationslinien, Vegetationsregionen, Höhengürtel der
Vegetation ..........................................................................................198
4. Nutzpflanzen ......................................................................................199
B. Die Tierwelt .......................................... 202
1. Lebensbedingungen der Tierwelt ................................................202
2. Verbreitung der Tierwelt ..............................................................204
3. Tiergruppen und Tierreiche ..........................................................208
4. Meerestiere..........................................................................................211
Kap. YXI. Überblick über die Menschenwelt ....................................................212
A. Das Menfchengeschlecht und seine Verbreitung .. 212
1. Alter und Heimat des Menschengeschlechts..............................212
2. Verbreitung und Zahl der Menschen ........................................214
B. Die natürliche Gliederung des Menschengeschlechts. 215
1. Menschenrassen ..................................................................................215
2. Sprachen..............................................................................................218
C. D i e kulturelle Glied erung des Menschengeschlechts 219
1. Kulturstufen......................................................220
2. Wohnplätze..........................................................................................221
3. Staatsformen....................................................................................225
4. Religionsgemeinfch ästen..................................................................227
Namen- und Sachregister ....................................................................................229
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Einleitung.
Wesen und Zweige der Erdkunde.
Die Erdkunde oder Geographie ist die Lehre von der Erde
als Naturkörper und als Wohnplatz der Menschen. Sie beschäftigt
sich also einerseits mit der Natur unsers Erdballs und mit den
Kräften, denen er unterworfen ist. und die auf ihm tätig sind,
zeigt aber anderseits auch die Beziehungen zwischen der Erde und
der Entwicklung des auf ihr wohnenden Menschengeschlechts.
Für den Unterricht teilt man die gesamte Geographie in zwei
Abschnitte, die allgemeine oder physische Erdkunde und
die spezielle Erd- oder Länderkunde. Jene behandelt das
Erdganze und nimmt bei der Betrachtung der verschiedenen Er-
scheinungssormen der Erdoberfläche und der ihnen zu Gruude
liegenden Gesetze keine Rücksicht auf bestimmte Erdräume. Diese
beschäftigt sich mit einzelnen, in sich abgeschlossenen Raumgebieteu
und sucht das sür diese Charakteristische und sie von Nachbar-
räumen Unterscheidende zu erforschen.
Die allgemeine Erdkunde umfaßt vier Zweige:
1. Die mathematische oder astronomische Geographie.
Sie lehrt die Gestalt und Größe unsers Planeten kennen
und gibt Aufschluß über seine Bewegungen und über seine
Stellung im Weltsystem.
2. Die physikalische Erdkunde. Sie berücksichtigt die
Entstehung, die Gestalt und die physikalischen Eigen-
schaften des Erdballs und erforscht im besonderen die
Gesteins-, die Wasser- und die Lusthülle der Erde mit
ihren mannigfaltigen Erscheinungsformen und ihrer aeaen-
seitigen Beeinflussung.
3. Die Biogeographie. Ihre Aufgabe ist die Klarstellung
der fördernden oder hemmenden Einwirkung, welche die
starre Erdrinde, das Wasser und die Luft auf die Aus-
breitung der Pflanzen und Tiere ausüben.
4. Die Anthropogeographie (Kulturgeographie).
Sie betrachtet die Erde als Wohnstätte der Menschen
W. T echter, Allgemeine Erdkunde. 1
— 2 —
und behandelt die Entwicklung des Menschengeschlechts,
seine Verbreitung über die Erdräume und seine ver-
schiedenen Kulturstufen in Beziehuug zur Erde.
Bei den nachstehenden Ausführungen über die allgemeine
Erdkunde wird von der mathematischen Geographie abgesehen.
Die physikalische Erdkuude erfährt eiue eingehendere Darstellung
als die beiden letzten Zweige, da diese bei der speziellen Länder-
künde mehr in den Vordergrund der Behandlung treten.
Kap. I. Der (Lrdkörper als Ganzes.
A. Entstehung der Crde.
Unser Planet Erde ist ein Teil des Sonnensystems, das
außer ihm und der Sonne selbst noch eine große Anzahl von
Planeten, Kometen und Meteoriten umfaßt. Über die Entwicklung
der Erde lassen sich unbedingt zuverlässige Angaben bis jetzt nicht
machen. Unter den bezüglich derselben ausgestellten Hypothesen
(d. s. Voraussetzungen, von denen man bei einer sonst nicht
möglichen Erklärung einer Erscheinung ausgeht) scheinen die von
Kant*) und Laplace angegebenen der Wahrheit am nächsten zu
kommen. Man hat sie zu einer Hypothese vereinigt und diese
sast allgemein angenommen.
Nach der Kant-Laplaceschen Hypothese gehörten alle
Körper unsers Sonnensystems einst einer ungeheuer großen, sich
drehenden Nebelmasse an. Diese glühende Dunstkugel zog sich
infolge der Abkühlung im kalten Weltenraume zusammen und
nahm durch die Rotation eine sphäroidsörmige Gestalt an, zeigte
also eine Abplattung an den Polen und eiue Anschwellung in
der Gegend des Äquators. Die Aufbauschung am Äquator
wurde mit der zunehmenden Rotationsgeschwindigkeit immer
größer, und zuletzt lösten sich infolge der überwiegenden Fliehkraft
Teile der Duustmasse los und bildeten einen Nebelring, der sich
in der Aquatorebene der großen Kugel um diese herum bewegte.
Die nach außen hin schneller als an der Innenseite erfolgende
Abkühlung bewirkte Spannungen innerhalb der ringförmigen
Dunstmasse und ließ sie schließlich in mehrere Teile zerreißen.
Aus den Teilen des Ringes entstanden kleinere Nebelballen, _ die
gleich der Hauptmasse rotierten und die Ansänge der jetzigen
Planeten darstellten. Es wiederholte sich bei ihnen derselbe Vor-
gang: die Fliehkraft ließ sie am Äquator anschwellen, es lösten
sich Ringe ab (vergl. Saturn), diese zerrissen, und aus ihren
*) Kant, der große Königsberger Philosoph, lebte von 1724—1804,
Laplace, ein berühmter französischer Mathematiker und Astronom, von
1749—1827.
— 3 —
Teilen entstanden die Monde. So bildeten sich aus der anfangs
einheitlichen Masse die sämtlichen Teile unsers Sonnensystems.
Alle diese Kinder der Sonne, etwa 500 an der Zahl, behielten
die rotierende Bewegung bei; sie strahlten einen Teil ihrer Eigen-
wärme in den kalten Weltenraum aus, und die Abkühlung be-
wirkte eine Zusammenziehuug und Verdichtung ihrer Masse zu
mehr oder minder festen Körpern.
Diese sogenannte Abschleuderungstheorie wird durch ein
Experiment versinnlicht, das zuerst der Physiker Plateau in
Gent ausführte, uud das gleichsam den Entstehungsprozeß des
Sonnensystems im Wasserglase wiederholt. Plateau füllte ein
Glas mit Wasser, dem er durch Zusetzung von Alkohol genau
die spezifische Schwere des Olivenöls gegeben hatte. In dieses
Wasser senkte er mittels einer Pipette einen Tropsen Olivenöl,
der augenblicklich Kugelgestalt annahm und im Wasser schwebte.
Durch mehrere eingeführte Tropfen, die sich mit dem ersten ver-
einigten, vergrößerte er die Kugel. Wurde nun diese Olkugel
durch eine an einer drehbaren Achse befestigte und bis in die
Mitte der Kugel eingesenkte kleine Scheibe in rotierende Bewegung
versetzt, so plattete sie sich an den Polen ab, während am Äquator
eine Ausbauschung entstand. Bei langsam vermehrter Ge-
schwindigkeit der Drehung löste sich am Äquator der Kugel ein
Ring ab, der in der Drehungsrichtung die Kugel umkreiste und
bei vergrößerter Geschwindigkeit, die sich durch die Flüssigkeit auch
dem Olringe mitteilte, zuletzt zerriß, um kleine Kugeln zu bilden.
Diese umkreisten, wie vorher der Ring, die Hauptkugel und
drehten sich dabei in gleicher Richtung wie diese um ihre Achse. —
Sind bei diesem Versuche auch teilweise audere Kräfte mit tätig
als bei der Entstehung des Sonnensystems, so zeigt er doch die
hier wie dort sich äußernde Wirkung der Zentrifugalkraft.
Für die Wahrscheinlichkeit der Kant-Laplaceschen Hypothese
gibt auch die Spektralanalyse ein bedeutsames Zeuguis.
Sie beweist, daß die Sonne dieselben Stoffe in glühendem Zu-
stände enthält, aus denen unfere Erde besteht.
Die Erde wurde durch sortgesetzte Abkühlung und Zusammen-
ziehung allmählich aus einem glühenden Dunstball zu einer
glühendflüssigen Masse umgewandelt, die sich endlich mit einer
festen Erstarrungskruste umgab. Die Ausstrahlung ihrer Eigen-
wärme in den Weltenraum uahm ab, und die sie umgebenden
Wafserdämpse wurden verdichtet und sammelten sich in den Ver-
tiefungen der Erdrinde als Meer an. Die größeren Erhebungen
auf der Erde ragten als Land über das Wasser empor. Land
und Wasser bilden seit jener Zeit die bleibenden Grundformen
auf der Oberfläche unsers Planeten; ihre geographische Verteilung
hat sreilich im Lause der Zeit manchen Wechsel erfahren.
Anmerkung: In neuerer Zeit hat mau mehrfach versucht,
die Kant-Laplacesche Hypothese durch andere Theorien zu ersetzen.
Man nimmt z. V. an, daß aus ring- oder spiralförmigen, glühenden
1*
_ 4 —
Dunstmassen sich zuerst viele kleine Kugeln bildeten, die dann
gelegentlich zusammenstießen und infolge der beim Anprall er-
zeugten Hitze durch Zusammenschmelzen sich vereinigten. Für
diese Annahme scheint die Tatsache zu sprechen, daß wir mit dem
Fernrohre im Weltenranme noch jetzt glüheude Nebelmassen von
Ring- oder Spiralform erblicken, die keine größere Kugel um-
kreisen, und aus denen vielleicht in Millionen Jahren neue
Sonnensysteme sich bilden werden. Auch die Saturnringe, die
nach neuester Ansicht nicht Nebelmassen, sondern Anhäufungen
kleiner, starrer Weltkörper sind, führt man ebenso wie den
Asteroidenring als Beweis dafür an, daß zuerst kleine Himmels-
körper entstehen, die dann zu größeren sich vereinigen. Vielleicht
erklärt sich das wiederholt beobachtete plötzliche Ausleuchten neuer
Sterne im Weltenraum aus einem solchen Bildungsprozeß. —
Wenn auch durch diese und andere Theorien einzelne Schwierig-
keiten, welche jene ältere der Forschung bietet, beseitigt werden,
so bringt doch ihre Annahme zahlreiche neue Rätsel, und wir
können die Kant-Laplacesche Hypothese so lange sür richtig halteu,
als sie durch Besseres nicht ersetzt wird.
B. Gestalt und Grösze der Crde.
1. Hberstcht.
In der sagenhasten Vorzeit und den ersten historischen Jahr
Hunderten des griechischen Altertunis dachte man sich die Erde
als eiue vom Wasser umflossene oder aus diesem schwimmende
flache Scheibe. — Pythagoras, Aristoteles und andere Männer
lehrten dann die Kugelgestalt der Erde. Diese Anschauung hat
vom 4. Jahrhundert v. Chr. mehr als zwei Jahrtausende hindurch
als richtig gegolten; sie genügt sür viele praktische Fälle selbst
heute noch. — Am Ende des 17. Jahrhuuderts begann man zu
vermuten, daß die Vorstellung von der Kugelgestalt der Erde
nicht ganz zutreffend sei und sich der Wahrheit nur nähere.
Namentlich durch Gradmessungen und Pendelbeobachtungen er-
kannte man bald, daß die Erde an den Polen flacher gekrümmt
ist als am Äquator und statt der vollkommenen Kugelform die
Gestalt eines Sphäroides*) hat. — Seit einigen Jahrzehnten
hat man dann eingesehen, daß auch die Ausicht von der sphäroidalen
Form der Erde der Wirklichkeit nicht ganz entspricht, sondern
daß die Erde — hier wie vorher ganz abgesehen von den lln-
ebenheiten ihrer Oberfläche — nicht unbeträchtliche Abweichungen
von der Gestalt eines regelmäßigen Sphäroids besitzt. Seitdem
bezeichnet man die heute uoch nicht genau bestimmte Gestalt der
Erde als Geoid.
*) Von gr. spliaira, Kugel.
— 5 —
2. Meweise für die Kugelgestalt 6er Krde.
Für die Kugelgestalt der Erde hat man folgende Beweise
aufgestellt, die freilich nur darlegen, daß unser Planet eine
allseitig gekrümmte, der Kugelform ähnliche Gestalt besitzt,
und von denen einige, wie Nr. 5 und 6, nur eine einseitige
Krümmung der Erdoberfläche beweisen.
1. Der Horizont erscheint überall kreis-
förmig, soweit nicht Unebenheiten aus der
Erde die Kreissorm beeinträchtigen.
2. Der Halbmesser des Horizontes ist
kleiner, als er unserer Sehweite nach in
einer völligen Ebene sein müßte.
3. Der Horizont vergrößert sich mit
der Erhöhung des Standpunktes.
Anmerkung: Die Gesichtsweite
für eine bestimmte Höhe läßt sich leicht
berechnen (Fig. 1):
A aob ^ A abn Fig. i.
denn ^ bao = ^ ban
^ abo = onb (Sehnentangentenwinkel = dem
Peripheriewinkel, der mit ihm
auf gleichem Bogen steht.)
also auch ^ aob = ^ abn
ao : ab = ab: ao -j- on
mithin ab 2 = (ao on) ao, oder wenn ab = g, ao = k,
on = 2r ist:
g2 = (h -|- 2r) k
g = ]/ (2r -f- k) k;
oder nach dem Lehrsatz des Pythagoras
ab 2 = am2 — bin2
= (r + h)2 — r2
= r2 -\- 2rh. —)— k2 —- r2
= 2rh + h2 oder (2r -(- k) Ii
ab oder g = / (2r + h) h.
Da auch für die höchsten Punkte der Erde h gegen 2r ver^
schwindend klein ist, so kann man ohne merkbaren Fehler 2r
statt 2r -f- h setzen und erhält g = / 2 rk.
4. Hohe Gegenstände werden allmählich (erst die Spitze,
dann der Fuß) sichtbar, wenn man sich ihnen nähert; sie ver-
schwinden allmählich (erst Fuß, zuletzt Spitze), wenn man sich
von ihnen entsernt.
5. Bei Reisen in der Richtung der Meridiane erscheint der
Polarstern verschieden hoch; überhaupt bietet dabei der Sternhimmel
einen verschiedenen Anblick. (Fig. 2; ^ a > ^ b).
6
C. Bei Reisen in der
Richtung der Parallelkreise
wird ein Unterschied in der
wirklichen Zeit (Sonnenuhr)
beobachtet.
7. Bei einer Mond-
sinsternis erscheint der Quer-
durchschnitt des Kern-
schattens der Erde stets
kreisförmig begrenzt; der
Schatten bildet also einen
Kegel, den unter allen Um-
ständen nur eine kugel-
sonnige Erde werseu kann.
Figur 2.
8. Alle bekannten
Planeten haben Kngelge-
statt, höchst wahrscheinlich
also auch die Erde.
9. Die allen Körpern innewohnende Kohäsionskrast ver-
leiht — wenn sie allein wirkt — flüssigen Massen nur Gleiche
gewicht aller Teile bei der Kugelgestalt. Die Erde war srüher
seurigslüssig, muß also Kugelgestalt angenommen haben.
3. Die Erde crts ^otntionsell'iploid obcv Spßärotfc.
Nachdem die Vorstellung von der Kugelgestalt der Erde mehr
als zwei Jahrtausende unangefochten als zutreffend gegolten
hatte, stiegen am Ende des 17. Jahrhunderts Zweifel an ihrer
Richtigkeit auf. Sie wurden — da man die rotierende Ve-
wegung der Erde längst kannte — veranlaßt durch die theoretischen
Erörterungen über die Wirkung der Fliehkraft auf die Forin
einer rotierenden Masse und durch die Beobachtung, daß die
Schwerkraft aus der Erde nicht überall gleich ist, sondern vom
Äquator nach den Polen hin zunimmt. Genaue Pendel-
beobachtungen und Gradmessungen zeigten dann, daß die Erde
in der Tat nicht die Gestalt einer vollkommenen Kugel hat.
a) Pendelbcobachtunflen. Die Schwingungsdauer eiues
Pendels hängt von der Pendellänge ab. Gleich lange Pendel
schwingen am selben Orte gleich schnell. Bei Pendeln von ver-
schiedener Länge verhalten sich die Schwingungszeiten wie die
Quadratwurzeln aus deu Peudellängen. Ein Sekundenpendel
nennt man ein solches, das eine Schwingung genau in einer
Sekunde macht, also 86164 Schwingungen in einem Sterntage
(24 Std. 56 Min. 4 Sek.) vollführt.
Als der französifche Astronom Jean Richer 1672 von
Paris (49" N) nach Cayenne (5° N) reiste, fand er, daß sein
mitgenommenes Sekuudeupendel in Capenne langsamere
Schwingungen (in einem Sterntage also weniger als 86164)
— 7 —
machte. Er mußte das Pendel um etwa 22/3 mm verkürzen, da-
mit es wieder in jeder Sekunde eine Schwingung ausführte.
Nach seiner Rückkehr nach Paris machte das verkürzte Pendel
mehr als 86164 Schwingungen, und erst eine Verlängerung um
die vorher abgenommene Größe ließ es wieder als Sekunden-
pendel brauchbar werden.
Der Grund für diese Erscheinung liegt erstens darin, daß
die Fliehkraft auf der rotierenden Erde der zum Mittelpunkte der
Erde hinstrebenden Schwerkraft an einem Orte in der Nähe des
Äquators stärker
entgegenwirkt, als
an einem Punkte
in höheren Breiten.
Sie ist am Äquator
wegen der größeren
Entfernung der
Oberfläche von der
Drehungsachse
(Figur 3 m > n)
ohnehin schon größer
und wirkt dazu noch
der Schwerkraft
direkt, also in
stärkerem Maße ent-
gegen als an dem
anderen Orte, an
welchem nur ein Teil der überdies geringeren Fliehkraft als
Gegenwirkung zur Schwerkraft in Betracht kommt. So lag also
in "den Beobachtungen am Pendel an und sür sich noch kein Be-
weis gegen die Kugelgestalt der Erde vor. Jedoch schlössen die
Physiker Newton (1643—1727) und Huyghens (1629—1695^)
aus ihnen, daß die Erde am Äquator gleichsam angeschwollen
und nach den Polen hin abgeplattet sein müsse. Weitere Pendel-
versuche au verschiedenen Orten haben bei Berücksichtigung der
genau berechneten Fliehkraft gezeigt, daß die Abweichungen bei
den Schwingungszahlen des Pendels nicht allein von der Stärke
und Richtung der wirkenden Fliehkraft verursacht werden können,
daß vielmehr die Schwerkraft am Äquator sich in geringerem
Maße äußern muß als weiter nach den Polen hin. Da aber,
wie Newton nachgewiesen hat, die Anziehung im umgekehrten
Verhältnis zum Quadrate der Entfernung steht, so muß der
zweite Grund sür die zuerst von Richer beobachtete Erscheinung
darin liegen, daß ein Ort am Äquator weiter vom Mittelpunkte
der Erde, dem Sitze der Schwerkraft, entfernt ist als ein solcher
in höheren Breiten, daß also in der Tat die Erde nicht Kugel-
gestalt hat, sondern an den Polen abgeplattet ist.
*) Sprich: njuten und heuchens.
a. Richtung u. Stärke der Fliehkraft,
b. „ „ „ „ Schwerkraft.
b) Gradmessungen. Die Abweichungen der Erde von der
Kugelform sind noch genauer, als es mittels der Pendelversuche
möglich mar, durch 'viele Gradmessungen festgestellt. Freilich
hatten die ersten Messungen nur den Zweck, die Dimensionen der
als kugelförmig angesehenen Erde zu ermitteln; durch spätere
Messungen wurde aber dabei unzweifelhaft die Abplattung unseres
Planeten an den Polen erwiesen.
Die erste Gradmessung wurde von Eratosthenes (278—195
v. Chr.) vorgenommen. (Fig. 4) Er wählte dazu die Orte Alexandria
und Sr>ene am Nil, die seiner Meinung
nach auf demselben Meridiane lagen. Zur
Zeit der Sommersonnenwende spiegelte sich
die Sonne in einem tiefen Brunnen zu
Syene, stand also dort den Bewohnern im
Zenith, während gleichzeitig zu Alexandria
der Schattenmesser einen Schattenwinkel
von 71/5 °, also 1/5o des Kreisumfauges
zeigte. Die Entfernuug beider Orte mußte
demnach Vso des Erdinnfanges betragen.
Die wirkliche Entfernung von Sr>ene nach
Alexandria nahm Eratosthenes zu 5000
Stadien an und berechnete mithin den Erd-
umfang zu 50.5000 = 250000 Stadien.
Nimmt man für ein (attisches) Stadium
= 185 111 ein, so ermittelte Eratosthenes
nach heutigem Maß den Erdumfang zu
4K 250 km, während ein Meridian in Wirk-
lichkeit etwa 40000 km lang ist.
Eine große Hilfe gewährte bei späteren
Gmdmessungen die vom Holländer Snel-
lius 1615 zuerst angewandte Trian-
gulationsmethode. Bei dieser wird,
um die Entfernung zweier Orte A und B
(Fig. 5) voneinander, also auch, um die
Länge des etwa zwischen diesen Punkten
liegenden Meridianstückes zu bestimmen,
zwischen die beiden Orte ein Netz von Drei-
ecken gelegt, deren Ecken weithin sichtbare
Punkte (Kirchtürme, Bergspitzen u. s. w.)
bilden. Es genügt nun, daß man eine
Seite, z. B. An, mißt und die Größe
Figur 4.
sämtlicher vou den Dreiecksseiten gebildeter Winkel seststellt, um
dann mit Hilfe trigonometrischer Rechnung die Größe aller Drei-
ecke und auch die Entfernung AB gu sinden.
Unter Anwendung der Triangulation führte nun der
Franzose Picard 1670 im nördlichen Frankreich die erste genauere
Gradmessung aus und ermittelte die Länge eines Meridian-
grades zu 111209 in. 1735 bis 1743 fanden B 0 uguer und
— 9 —
L a Cond amine auf der Hochebene
von Peru als entsprechende Zahl
110608 m, 1736 Manp ertius uud
Clairaut in Lappland 111946 m.
Diese Ergebnisse zeigen mit der
Pieardschcn Messung zusammen aufs
deutlichste, daß ein Meridiangrad
am Äquator kleiner ist als nach den
Polen zu. Viele neuere genaue
Gradmessungen haben diese Wahr-
heit bestätigt.
Die Gradmessungen haben also
ergeben, daß ein voller Erdmeridian
kein Kreis, sondern eine Ellipse ist.
Dadurch wurde die schon aus den
Pendelbeobachtungen gefolgerte Ab-
plattung der Erde an den Polen
überzeugend nachgewiesen. Da die
Erde diese Gestalt insolge ihrer
Rotation angenommen hat, so be-
zeichnet man sie als Rotations-
ellipsoid oder Sphäroid.
Daß die Grade auf einem
elliptischen Meridian im Gegensatz
zu den eines Kugelmeridians uugleich lang sind, zeigt Fig. 6.
Rechts ist ein halber
kreisförmiger, links
ein halber elliptischer
Meridian dargestellt.
Die Horizontale AB
gebe den Durchschnitt
der Aquatorialebene
an, P bezw. P1 seien
Pole. Die Senk-
rechten oder Nor-
malen, welche man
in zwei Punkten a
und b des Kreis-
bogens errichtet, sind
verlängerte Halb-
messer und schneiden
sich in o. Die Normalen in je zwei anderen beliebigen Punkten,
einerlei ob diese dem Äquator oder den Polen nahe liegen, schließen,
sobald sie miteinander denselben Winkel (hier 11«) bilden, ein
gleiches Stück des Kreisbogens ein, also ad = mn. Auf einer
Kugel sind demnach sämtliche Meridiangrade gleich groß.
Bei dem Sphäroid, dessen Meridiane statt der Halbkreise
halbe Ell ipfen sind, ist die Sache anders. Die Normalen schneiden
Figur 6.
— 10 —
sich nicht alle in einem Punkte. Sind zwischen zwei Paar Nor-
malen in der Nähe des Äquators bezw. des Poles die Winkel-
abstände gleich (ov = o'v' = o" v"; Bogen wv = w'v' = w"v"),
so sind die zwischen ihnen liegenden Stücke des Meridians un-
gleich, und zwar ist das am Äquator liegende kleiner als das
dem Pol benachbarte, weil die Ellipse gegen den Äquator hin
stärker gekrümmt ist (a'b' ^ m'n'). Auf einem Sphäroid wird
also die Länge der Meridiangrade vom Äquator nach den Polen
zu größer.
4. Dcrs Geoid.
Bei^ den wiederholt mit großer Genauigkeit ausgeführten
Gradmessungen ergaben die Resultate stets kleine Abweichungen,
die man srüher nur als Beobachtungsfehler oder lokale Unregel-
Mäßigkeiten anzusehen und durch rechnerische Methoden möglichst
aus das kleinste Maß zurückzuführen pflegte. Ahnliche Ungenauig-
feiten gegen die rechnungsmäßig festgestellte Zahl der Schwin-
gungen wiesen viele Pendelbeobachtuugen auf. Man hatte längst
beobachtet, daß das Bleilot von der Richtung, die ihm die allge-
meine Schwerkraft gibt, in der Nähe von Gebirgen n. s. w. durch
die Anziehung, welche diese Massen ausüben, abgelenkt wird.
Außer diesen lokalen Lotabweichungen wurden aber auch Ab-
lenkungen von der Normalen an solchen Orten gefunden, wo
eine ablenkende Gesteinsmasse äußerlich nicht wahrzunehmen ist.
Diese regionalen Lotabweichungen ziehen sich oft über weite
Strecken hin und deuten eine Verschiedenheit in der Dichte der
Bodenschichten an. Besonders ausfällig war die Beobachtung,
daß das Sekundenpendel auf den ozeanischen Inseln länger sein
mußte als — unter gleicher geogr. Breite — an den Küsten der
Kontinente oder gar im Innern der letzteren, obwohl das Wasser
viel geringere Dichte hat als die Erdschichten des Festlandes.
Man schloß daraus, daß das Niveau des Meeres mitten im Ozean
dem Erdmittelpunkte näher sein müsse als an den Küsten der
Erdteile. So ergaben die Pendelversuche auch für das Meer das-
selbe, was die Gradmessungen sür das Land vermuten ließen,
daß nämlich die wahre Erdgestalt nicht genau dem regelmäßigen
Rotationsellipsoid gleiche. Man nennt die wirkliche, freilich bis
jetzt noch nicht im einzelnen festgestellte Gestalt der Erde das
Geoid. Wir haben uns seine Oberfläche als eine allseitig
gekrümmte Fläche zu denken, die aus vielen Einzelflächen von
größerer oder geringerer Krümmung, welche ineinander übergehen
und stets ihre kouvexe Seite nach außen kehren, zusammengesetzt
ist. Sie geht, gegen die Kontinente hin allmählich ansteigend,
innerhalb dieser etwas über das regelmäßige Sphäroid hinaus,
liegt hingegen im Ozean dem Erdmittelpunkte näher als die
Sphäroidsläche.
An der Erforschung der wirklichen Erdgestalt arbeitet gegen-
wärtig die „Vereinigung der internationalen
11 —
Erdmessung". Sie ist 1886 hervorgegangen aus dem Unternehmen
der „europäischen Gradmessung", zu dem sich durch Veitritt der
übrigen Staaten Europas die ursprünglich von Preußen 1861
ans Vorschlag des Generals Baeyer ins Leben gerusene „mittel-
europäische Gradmessung" erweiterte.
5. Dimensionen hex Krde.
Um die Dimensionen der Erde zu bestimmen, ist es ersorder-
lich, statt des unregelmäßigen Geoids ein ideelles Sphäroid zu
Grunde zu legen, das sich den Ergebnissen der Gradmessungen
und Pendelbeobachtungen möglichst anschmiegt. Als Dimensionen
der Erde gelten heute noch allgemein die Werte, welche der Königs-
berger Astronom Bessel (1786—1846) 1841 aus den Resultaten
von zehn Gradmessungen berechnete:
Halbmesser des Äquators . = = 6377,397 km
Halbe Erdachse.....= b = 6356,079 „
Unterschied der beiden Linien .... 21,318 km, mithin
Abplattung —= ???-
Durchmesser des Äquators . = 2a= 12 754,8 km
Erdachse.......= 2b = 12 712,2 „
Umfang des Äquators . . . . = 40070,368 km
Umfang der Meridianellipse . . = 40003,423 ,,
Meridian quadraut......= 10000,856 „
Länge des Aquatorgrades . . . = 111,307 „
Länge des mittleren Meridiangrades = 111,121 „
Oberfläche der Erde ungefähr . . = 510 Millionen qkm
Volumen der Erde ungefähr . . = 1083 Milliard. cbkm
Nimmt man statt des Erdsphäroids eine Kugel von gleichem
Inhalte an, so ergeben sich (stark abgerundet):
Radius...........= 6370 km
Größter Kugelkreis......= 40000 „
Meridiangrad........= 111
Oberfläche.........= 510 Mill. qkm
Eine deutsche geographische Meile
= Vis Aquatorgrad.....= 7 420 m
Eine deutsche Quadratmeile . . . = 55 qkm
Eine Seemeile (eine Minute des
Meridiangrades) = 111 ^ - = 1852 m
Die Grade der Parallelkreise nehmen an Länae vom Äquator
nach den Polen hin ab:
Breite 0» 10° 20« 30« 40» 50« 60» 70° 80°
Länge in km 111,3 108,0 104,6 96,5 85,4 71,7 55,8 38,2 19,4
— 12 —
Unser Grundmaß, das Meter, lunrbe von der französischen
Nationalversammlung als der 10000000. Teil eines Meridian-
quadranteu festgesetzt und nach einer Gradmessung zwischen Düu-
kirchen und Barcelona 1799 eingeführt. Man ging dabei von
der Ansicht aus, damit ein feststehendes und jederzeit wieder auf-
findbares Naturmaß gefunden zu haben. Spätere Gradmessungen
haben aber gezeigt, daß ein Meridianquadrant größer als
10000000 m ist (nach Bessels Berechnung 10000856 m). Doch
behält man den int Pariser Archiv aufbewahrten Platiuftab als
Urmaß des Meters bei, unbekümmert darum, welchen Teil vom
Erdquadranten er darstellt.*)
C. Die physikalischen Eigenschaften
des Erdkörpers.
1. Dichte bev (£vbe.
Durch viele sehr genaue Beobachtungen und Berechnungen
die sich teils auf die durch die Nähe eiues Berges verursachten
Lotabweichungen, teils auf das verschiedene Verhalten des Pendels
auf einen: Berge und in gleicher frei liegender Höhe (Ballon),
teils auf die Ablenkungen der Kugeln einer Drehwage durch
genäherte Bleikugeln stützen, hat man die mittlere Dichte der
Erde zu 5,5 berechnet, d. h. die Erdmasse ist 5,5 mal so schwer,
als eine Wasserkugel von gleichem Volumen sein würde.
Da das spezifische Gewicht der Massen, welche die Erdrinde
bilden, nur 2,5—3 beträgt, so muß das Innere nnsers Planeten
erheblich schwerer fein und an Dichte die Durchschnittszahl 5,5
bedeutend übertreffen. Wahrscheinlich haben sich die Stoffe des
Erdkörpers schon bei der Entwicklung der Erde so geordnet, daß
die schwersten der Mitte zustrebten und die leichtesten am weitesten
vom Erdmittelpunkte entfernt blieben.
Man unterscheidet deshalb vier Gürtel oder Sphären des
Erdkörpers.-
1. die Barysphäre (von barys = schwer) des Erdinnern,
2. die Lithosphäre oder Gesteinshülle (von litlios
== Gestein) der Erdrinde,
3. die Hydrosphäre oder Wasserhülle (von hydor
= Wasser),
4. die Atmosphäre oder Lufthülle (von atmos
= Dunst.
Die Dichte-Verteilung in der Erdrinde ist sehr
*) Andere Längenmaße sind: 1 Tvise — 1,949 m, 1 ftaden (früheres
Tiesenmaß) = 1,83 m, 1 französische Meile = 4,444 km, l englische Metle
= 1,609 km, 1 russische Werst = 1,067 km, l römische Mette = 1,48 km.
— 13 —
verschieden. Darauf deuten sowohl die regionalen Lotabweichungen
(S. 10)., als auch die auffallende Tatsache, daß am Fuße mancher
Gebirge die lokalen Lotabweichungen entgegengesetzte Richtung
zeigen, als wirke die Gebirgsmaffe nicht anziehend, sondern ab-
stoßend auf das Lot. So hat man in der Poebene Beobachtungen
angestellt, bei denen das Bleilot nicht von den Alpen angezogen,
sondern nach Süden abgelenkt wurde, und am südlichen Kaukasus
fand man ähnliche Erscheinungen. Da alle diese Beobachtungen
in der Berechnung selbstverständlich auf den Meeresspiegel reduziert
wurden, so lassen sie sich nicht durch verschieden große Entfernung
der Beobachtungsstation vom Schwerpunkte der Erde erklären.
Das vom Gebirge gleichsam abprallende Lot deutet vielmehr
daraus hin, daß die Dichte der Erdschichten in der vom Gebirge
abgewandten Gegend eine größere ist als un Gebirge selbst.
Vielleicht erklärt sich so auch die merkwürdige Erscheinung bei
Pendelbeobachtungen auf ozeanischen Inseln (S. 10) durchweine
größere Dichte der Erdrinde unter den Ozeanen als im Sockel
der Kontinente, ohne daß die Annahme einer im Meere etwas
tieser als unterhalb der Kontinente liegenden Geoidoberfläche zu
sallen braucht.
2. Eigenwärme 6er Krde.
a) Temperaturverhältnisse in der oberen Erdschicht. Die
obere Erdschicht zeigt, entsprechend der über ihr liegenden
Atmosphäre, sehr erhebliche Schwankungen der Temperatur
iu den einzelnen Tages- und Jahreszeiten. Besonders stark sind
diese an den Stellen, die einer Bedeckung durch die Vegetation
oder den Schnee entbehren und deshalb von den Strahlen der
Sonne rasch erwärmt werden, ihre Wärme aber auch schnell
wieder ausstrahlen. Die Wärme in den obersten Schichten pslanzt
sich durch Leitung nach unten hin sort, gelangt aber, da die Ge-
steine schlechte Wärmeleiter sind, nichr in große Tiefe. So kommt
es, daß die täglichen Temperaturschwankungen schon in einer
Tiese von 1—lx/2 m aufhören. Die jahreszeitlichen Wärmeunter-
schiede sind freilich weit tiefer hinab zu spüren; sie reichen bis zu
der neutralen Schicht, in welcher die Temperatur stets eine
gleiche bleibt. Diese neutrale Schicht, bis zu welcher hin die
Wärmeverteilung namentlich durch Insolation (Wirkung der
Sonnenstrahlen) bestimmt wird, liegt in Deutschland etwa 20 m
tief. Sie nähert sich in den Tropen insolge der dort herrschen-
den geringen jährlichen Temperaturschwankungen bis aus etwa
6 m der Erdoberfläche. Hier zeigt sie eine recht hohe Temperatur,
während diese in den Polargegenden sehr niedrig ist. In Sibirien
ist z. B. der Erdboden bis in erhebliche Tiesen hinab beständig
gesroren, so daß selbst die Sohle des 116 m tiesen Schergin-
schachtes bei Jakutsk noch im Eisboden liegt; er taut im Sommer
nur wenige Fuß ties auf und ermöglicht dadurch das Gedeihen
der Vegetation.
— 14 —
Die neutrale Schicht zeigt überall eine etwas höhere Tem-
peratur, als das Jahresmittel der Luftwärme an deui betreffenden
Orte beträgt. Die Temperatur nimmt also von der Erdober-
fläche nach dem Erdinnern hin im allgemeinen zu. Diese Er-
scheinung tritt noch deutlicher bei Beobachtung der Temperatur
in größeren Tiefen hervor.
b) Tiefentemperaturen. Das Hervordringen warmer Quellen
aus der Erde ließ neben dem Aufsteigen heißer Dämpfe
und den mannigfaltigen vulkanischen Erscheinungen seit langer
Zeit vermuten, daß die Erde im Innern eine hohe Eigenwärme
besitze. In Bergwerken beobachtete man längst, ehe bestimmte
Messungen angestellt wurden, daß mit der größeren Tiefe die
Temperatur erheblich zunimmt. Um hierüber genaueren Auf-
schlich zu erhalten, hat man in neuerer Zeit vielfach in Berg-
werken, in Bohrlöchern oder bei Tunnelbauten die Temperatur
in verschiedenen Tiefen gemessen und namentlich festzustellen
gesucht, um wieviel Meter die Tiefe vergrößert werden mich, da-
mit die Erdwärme dort um 10 C. steigt. Dieses Tiefenmaß
nennt man eine geother mische Tiefen st use. Freilich blieben
diese Messungen immer auf verhältnismäßig geringe Tiefen be-
schränkt; denn selbst bei den 'tiefsten Bohrungen zu Schladebach
(im Kreise Merseburg) mit 1748 m (1650 ni it. d. Meeresspiegel)
und zu Paruschowitz (Kreis Rybnik in Oberschlesien) mit 2003 m
Tiefe (ca. 1750 m it. d. Meeresspiegel) beträgt die dnrchsenkte
Erdschicht wenig mehr als V3200 des Erdradius von 6370 km.
Alle Messungen haben ergeben, daß eine allgemein gültige mittlere
geothermische Tiesenstuse nicht sestzustellen ist; sie mag für die
obere 1000—2000 m dicke Erdschicht etwa 33 m betragen. Zum
ungleichen Wachstum der Erdwärme nach dem Erdimtern hin
tragen mancherlei Umstände bei, vor allem das ungleiche Wärme-
leituttgsvermögen der Gesteine; so ergaben die Messungen an
mehreren Orten oft recht verschiedene Resultate. Im Schlade-
bacher Bohrloch fand man die Tiefenstnse zu 35,7 m, im Parnscho-
witzer zu 34,1 m und in dem 340 m tiefen Bohrloch zu Neuffen
in Württemberg nur zu 11,3 m. Jedenfalls ist anzunehmen, daß
die Erdwärme nach dem Mittelpunkte der Erde hin beständig zn-
nimmt.
c) Zustand des Erdinnern. Von dem Zustande des Erd-
innern fehlt uns jede sichere Kenntnis; es lassen sich nur Ver-
mutungen über seine Beschaffenheit aussprechen. Im Anschluß
an die Erkenntnis von der Zunahme der Erdwärme in der Tiefe
und an die Beobachtungen von Lavaansflüfsen bei vulkanischer
Tätigkeit hat man lange Zeit geglaubt, das Erdinnere sei von
einer glutslüssigen Masse, dem Magma*), ausgefüllt. Daß sich
unter der starren Erdkruste Magma befindet, ist wohl _ kaum
zweifelhaft; ob aber der innere Kern der Erde glutflüssig ist, er-
*) Griech. — Teig.
— 15 —
scheint sehr ungewiß. Neuerdings nimmt man vielfach an, daß
das Erdinnere alle Aggregatzustände in lückenlosem Ubergange
zeigt, daß also unter der starren Rinde zähflüssige und unter
diesen leichtflüssige Massen liegen, und daß der innere Kern aus
Gas besteht. Diese Anordnung würde der Ansicht von der mit
der Tiefe stets wachsenden Temperatur sich anpassen. Dem Ein-
wände, daß der ungeheure Druck der aufliegenden Massen der
Bildung von Gasen im Erdkern widerspreche, hält man die Tat-
sache entgegen, daß für viele Körper eine sog. kritische Temperatur
nachgewiesen ist, d. h. eine Wärme, bei welcher der Körper im
gasähnlichen Zustand? sich befinden muß, wie groß auch der auf
ihm lastende Druck sein mag. Wenn dieser kritische Punkt z. B.
für Wasser 580° C. beträgt, so dürfte bei 8000» bis 10000" kein
Körper sich mehr in den flüssigen Zustand überführen lassen.
Diese Temperaturen sind aber gering gegen jene, welche man für
das Erdinnere annehmen muß. „Man hätte sich dann das Erd-
innere als einen unendlich heißen Gasball von voller Starrheit
oder Ruhe der Moleküle zu denken, was unfern Vorstelluugen
vom Aggregatzustand der Körper allerdings Schwierigkeiten bietet.
Nur die Eigenschaft bliebe jener erstarrten Masse in gasähnlichem
Zustande, daß sie sich bei vermindertem Druck sofort ausdehnt. Auch
diese Anschauung bleibt so lange Vermntuug, als man nichts
Näheres weiß über die wirklich vorbandene Dichte im Erdzentrum
und nicht nachgewiesen ist, daß unsere Erdrinde imstande ist, einer
solchen gewaltigen von innen wirkenden Spannkraft die Wage
zu halten." (Wagner.)
Im Gegensatz zu dieser Ansicht nehmen viele Forscher an,
daß im Innern der Erde ein mächtiger Metallkern von rund
10000 km Durchmesser ruht, der hauptsächlich aus Eiseu (spez.
Gewicht 7,8) besteht. Zwischen dem Eisenkern und der etwa
1500 km dicken Gesteinskruste vermutet mau eine Schicht von
mehr oder minder glutflüssigem Magma. Es ist jedoch falsch,
für das Vorhandensein einer solchen zusammenhängenden Magma-
masse die vulkanischen Ausbrüche als Beweismittel heranzuziehen,
da die Vulkanherde kaum tiefer als 50 km liegen dürften.
Vielmehr muß man annehmen, daß in der starren Erdrinde
kleinere Magmamaffen als „Nester" eingebettet sind.
3. Erdmagnetismus.
a) Deklination — Jsogoncn. Hängt man einen Magnetstab
an einem Faden so auf, daß er sich frei in der horizontalen Ebene
bewegen kann, fo nimmt er eine solche Lage an, daß der eine
Pol nach Norden, der andere gen Süden weist, und zeigt auch
nach jeder Störung aus dieser Ruhelage das Bestreben, die vorige
Richtung wieder einzunehmen. Hieraus folgt, daß die Erde wie
ein großer Magnet wirkt, der von einem in der Süd-Nord-Rich-
tung gehenden Strome durchzogeu wird. Das eigentümliche
— 16 —
Verhalten des Magnetstabes war schon lange vor unserer Zeitrech-
nung den Chinesen bekannt. Sie pflegten wohl einen Magnet-
stab auf einen im Wasser schwimmenden Kork oder Strohhalm
zu legen, um so_ bei Landreisen mittels dieses Wegweisers die
einzuschlagende Richtung feststellen zu können. Seit dem 12. Jahr-
hundert ist die Richtkrast der Magnetnadel für den Seefahrer ein
unentbehrliches Mittel zur Orientierung geworden.
Allerdings weist die Magnetnadel nicht — wie man noch
im Mittelalter allgemein angenommen zu haben scheint
— genau nach Norden. Ihre Achse sällt nicht vollkommen
mit der Mittagslinie in eine Richtung', sondern sie bildet
mit ihr einen Winkel, den man Mißweisung oder
Deklination*) nennt. Da die Magnetnadel an vielen Stellen
auf der Erde von der Mittagslinie nach Osten, an anderen hin-
gegen uach Westeu abweicht, so unterscheidet man eine östliche
oder negative ( ) uud eine westliche oder pösitive (+) Dekli-
nation. Beide Arten der Mißweisung sind nicht überall gleich
groß, ja ihr Betrag ist sogar au einem und demselben Orte zeit-
lichen (täglichen, jährlichen, säkularen) Schwankungen unterworfen.
In Mitteldeutschland beträgt die Deklination gegenwärtig etwa
-f- 11°. Wie groß an einem Orte die magnetische Deklination
ist, kann man uuschwer seststelleu. Mau beobachtet, welchen
Winkel die Achse der Magnetnadel mit der leicht zu bestimmenden
Richtung der Mittagslinie bildet, wobei freilich zu beachten ist,
daß nicht immer die magnetische Achse der Nadel mit der
geometrischen Längsachse derselben zusammenfallt.^)
Verbindet man auf der Karte die Orte mit gleicher Dekli-
nation durch Linien miteinander, so entstehen als magnetische
Kurveu die sog. Jfogonm.***) Das Gebiet des Atlantischen
Ozeans, das ostliche Amerika, ganz Afrika, fast ganz Europa,
Kleinasien und Arabien uud die Westhälfte Australiens haben
westliche, die übrigen Erdräume östliche Deklination. Merkwürdiger-
weise liegt in Ostasien ein inselsörmiges Gebiet westlicher Miß-
weisung, und in der Mitte des Großen Ozeans ist ein ebensolches
mit verminderter östlicher Deklination. Da die Deklination eines
Ortes, ganz abgesehen von täglichen Schwankungen, mit der Zeit
sich ändert (bei uns nimmt sie in etwa 9 Jahren um 10 ab), so
haben die Jsogonen nicht immer gleiche Lage, und die
*) Von Tat. declinare, abweichen.
**) Um die Richtung der Mittagslinie zu bestimmen, errichtet man
auf einer horizontalen, dem direkten Sonnenlichte ausgesetzten Fläche einen
senkrecht stehenden Stab und ziehtum dessen Fußpunkt als Mittelpunkt mehrere
konzentrische Kreise. Am Vormittage und am Nachmittage merkt man
sich dann diejenigen Punkte, in denen das Ende des Schattens denselben
Kreis trifft. Verbindet man von diesen Punkten je zwei auf demselben
Kreise liegende durch Gerade und zieht eine gerade Linie von den Mitten
dieser Sehnen zun: Zentrum der Kreise, so gibt diese Linie die Richtung
der Mittagslinie an.
***) Von gr. isos, gleich und gonos, Winkel.
— 17 —
entsprechenden'"Karten behalten ihre Gültigkeit nur für eine Reihe
von Jahren. Die 0-Jsogone, auf der die Magnetnadel genau
Fig. 7.
nord-südlich steht, geht jetzt durch das östliche Amerika, Skan-
dinavien, Rußland (Petersburg — 1"), Arabieu und Australien.
Eine durch die Achse der Magnetnadel gelegte und senkrecht
auf dem Horizonte stehende Ebene bestimmt den magnetischen
Meridian. Er stellt den Weg dar, den jemand nehmen würde,
der immersort seiner Magnetnadel nachginge. Würden solche
Wanderungen von verschiedenen Stellen der nördlichen Halbkugel
aus unternommen werden, so würdeu die Wege in einem Punkte
zusammentreffen. Dieser Puukt, in dein alle magnetischen Merl-
diane der nördlichen Halbkugel sich vereiuigen, liegt unter 70,50 N
und 97°40' W im nördlichen Amerika nahe dem Kap Murchison.
Er heißt der magnetische Nordpol uud wurde zuerst von
James Roß 1831 erreicht. Der entsprechende magnetische
Südpol ist nahe 73°20'8 und 146« (3 zu suchen. Beide Pole
fallen also mit den Rotationspolen der Erde nicht zusammen;
die magnetischen Meridiane weichen deshalb in ihrem Verlaufe
von den astronomischen etwas ab. Da außerdem die Verteilung
des Erdmagnetismus eine ungleichmäßige ist, so sind die
magnetischen Meridiane Linien doppelter Krümmuug und unter-
scheiden sich hierdurch vou den anderen Meridianen.
b. Inklination — Jsoklinen. Bringt man eine Magnetnadel,
die um eine durch ihren Schwerpunkt gehende horizontale Achse
leicht drehbar ist, in die Richtung des magnetischen Meridians,
W. Techter, Allgemeine Erdkunde. 2
— 18 —
fo neigt sich an den meisten Orten das eine Ende derselben der
Erde zu, weil es von dieser angezogen wird. Die Nadel bildet
also mit der Horizontebene einen Winkel; man nennt ihn die
Neigung oder JnkliNation*). Etwa in der Gegend des
Erdäquators gibt es^ aus jedem magnetischen Meridian eine
Stelle, an welcher die Jnklinationsnadel keine Neigung zeigt.
Eine Linie, die diese Orte verbindet, heißt der magnetische
Äquator. Nähert man sich von diesem aus den magnetischen
Polen, so nimmt die Inklination zu; au den magnetischen Polen
selbst steht die Nadel vertikal**).
Die Linien, welche die Orte gleicher Inklination verbinden,
heißen Jsoklinen. _ Sie lausen ungefähr den Parallelkreisen
entlang; doch entspricht ihre Lage dieseu nicht ganz, weil die
magnetischen Pole nicht mit den astronomischen zusammenfallen,
und weil die maguetische Kraft der Erde nicht gleichmäßig verteilt
ist Der magnetische Äquator, auf dem die Inklination = 0 ist,
steigt in Ostasrika uud Südasien bis etwa 10" N hinaus, während
er in Brasilien im Vergleich zum Erdäquator eine Ausbiegung
nach Süden hat.
Fig. 8.
*) Von lat. clinare, neigen.
**) Je weiter man die Jnklinationsnadel aus der magnetischen Nord-
Süd-Nichtung dreht, desto größer wird ihre Neigung, bis sie bei recht-
winkliger Lage zum magnetischen Meridian senkrecht steht. Dies erklärt
sich dadurch, daß infolge der Drehung die in horizontaler Richtung wirkende
Kraft des Erdmagnetismus immer mehr und mehr gegen die vertikal
wirkende magnetische Anziehung an Einfluß auf die Nadel verliert. Diese
Eigenschaft der Jnklinationsnadel kann man benutzen, um aus einfache
Weise die Richtung des magnetischen Meridians zu bestimmen.
— 19 —
Außer der örtlichen Verschiedenheit zeigt die Inklination gleich
der Deklination tägliche, jährliche und säkulare Schwankungen.
Sie beträgt jetzt in Mitteldeutschland etwa 65°.
c. Intensität — Jsodynamen. Wie man aus der ver-
schiedenen Schwingungsdauer des Pendels erkannte, daß die An-
ziehungskrast der Erde nicht überall in gleichem Maße wirkt, so
hat man in ähnlicher Weise aus den Schwingungen einer aus der
Ruhelage abgelenkten Jnklinationsnadel festgestellt, daß die
Größe der magnetischen Kraft der Erde (Intensität des Erd-
Magnetismus*)) nicht überall dieselbe ist. Sie nimmt im all-
gemeinen vom Äquator nach den Polen hin zu. Die Linien,
welche aus der Karte Orte von gleicher Intensität der magnetischen
Kraft verbinden, heißen Jsody namen**). Die Linie schwächster
Wirkung weicht nur wenig von dem magnetischen Äquator ab.
Die Punkte, an denen die Intensität ihr Maximum erreicht, fallen
nicht genau mit den magnetischen Polen zusammen; es gibt sogar
auffälligerweise auf jeder Halbkugel zwei Zentren größter
magnetischer Kraft. Auch die Intensität des Magnetismus ist
ähnlichen Schwankungen unterworfen wie die Deklination und
die Inklination.
d. Polarlichter. Mit dem Erdmagnetismus stehen die Polar-
lichter im Zusammenhang. Früher beobachtete man diese Licht-
erscheinungen nur in höheren Breiten der nördlichen Erdhalbkugel
und nannte sie deshalb Nordlichter. Seitdem man aber erkannt
hat, daß diesen Nordlichtern aus der südlichen Erdhälste ganz
ähnliche Südlichter entsprechen, hat man für diese Erscheinungen
den passenderen Namen Polarlichter in Gebrauch genommen.
Das Polarlicht bietet je nach dem Orte, von dem aus man es
beobachtet, einen ganz verschiedenen Anblick. Die allgemeinste
Erscheinungsform, die auch in unseren Breiten vorkommt, ist die,
daß sich über dem Nord- oder Südhorizont ein Bogen von meist
weißem _ oder gelblichem Lichte ausspannt, der an seiner unteren
Seite ein scharf begrenztes, dunkles Himmelssegment abschließt,
nach oben aber Strahlen aussendet, deren Richtung der Stellung
einer frei aufgehängten Magnetnadel im allgemeinen entspricht.
Im Norden Skandinaviens zeigt das Nordlicht häufig leuchtende
Strahlenbündel, die zu wogenden Bändern oder Draperien an-
geordnet sind. In noch höheren Breiten nimmt die Erscheinung
an Glanz und Vielseitigkeit der Form wieder ab, tritt aber mit
der größeren Annäherung an die magnetischen Pole immer
häusiger auf. — Über die Ursachen zur Entstehung der Polar-
lichter vermag man zurzeit noch keine vollständig befriedigende
Aufklärung zu geben. Da mit dem Auftreten eines Polarlichtes
meist erhebliche Schwankungen der Magnetnadel verbunden sind;
da die Orte, an denen die Lichterscheinungen ziemlich gleichartigen
*) Von lat, intendere, ausdehnen, spannen; Intensität, innere Stärke.
**) Von gr, dynamis, Krast.
2*
— 20 —
Anblick bieten, in ungefähr konzentrischen Kreisen um die
magnetischen Pole liegen, und da die aufschießenden Strahleu
des quer über deu maguetischeu Meridian gespannten Lichtbandes
etwa gleiche Richtuug mit der Jnklinationsnadel haben, so sah
nmu früher die Polarlichter als unmittelbare Wirkuugen des
Erdmagnetismus an. Jedoch handelt es sich bei der Entstehung
der Polarlichter jedeusalls uamentlich um elektrische Ausgleichungen.
Wahrscheinlich entstehen infolge der Rotation der wie ein großer
Magnet wirkenden Erde elektrische Ströme, welche der Atmosphäre
bedeutende Mengen von Elektrizität zuführeu. Da die unteren
Luftschichten diese schlecht leiten, so kann eine sofortige Verteilung
der Elektrizität nicht stattfinden. In den äquatorialen Gegenden
werden große Mengen der Elektrizität von der aufsteigenden Luft
mit in die oberen, besser leitenden Schichten hinaufgenommen,
und hier strömeu sie den Polen zu. In deu Polargegenden
kommen dann Ausgleichungen zwischen der in der Erde ent-
haltenen negativen und der von den Tropen herbeigekommenen
positiven Elektrizität zustaude, deren Wirkungen in den Polar-
lichtern sichtbar werden, so daß man diese Lichterscheinungen
wohl als „magnetisch-elektrische Ungewitter" bezeichnet hat.
Wie man von der Entstehung der Polarlichter uoch keine
volle Keuntnis besitzt, so ist es auch bisher unmöglich anzugeben,
wo der Grund sür die Erscheinungen des Erdmagnetismus liegt.
Soviel ist aber durch vielfache Beobachtungen festgestellt, daß
zwischen dem Erdmagnetismus und der Sonne enge Beziehungen
bestehen. Insbesondere hat man beobachtet, daß in der Zeit
größter Veweguugen auf der Sonnenoberfläche, die sich durch das
Erscheinen von Sonnenflecken uud Gaseruptionen (Protuberanzen)
kennzeichnet, auch die Magnetnadel die bedeutendsten täglichen
Schwankungen macht, und daß außerdem daun die Häufigkeit
uud Intensität der Polarlichter eine größere ist. So entspricht
der 11jährigen Periode der Sonnenflecke eine ebensolche bezüglich
der magnetischen Schwankungen und der Erscheinungsformen des
Polarlichtes. „Unter allen Arten von Erfcheinuugeu, die wir
auf der Erde beobachten können, zeigt sich keine fo empfindlich
gegen die Ereignisse in nnserm Sonnensystem, wie der Magnetismus
der Erde. Er scheint das Band zu sein, das unsere Erde am
engsten mit anderen Himmelskörpern verknüpft." (Hann).
Kap. II. Die Gesteinshülle. (Äthosphäre.)
Die Gesteinshülle unserer Erde, die der Wasserhülle (Hydro-
sphäre und, mit dieser teilweise zugleich, der Lufthülle (Atmosphäre)
als Unterlage dient, tritt mit ihrer Oberfläche nur auf dein
festeu Lande zu Tage; auf dem größten Teile der Erdoberfläche
ist sie vom Wasser bedeckt. Die Flächenausdehnung des letztereu
— 21 —
schätzt man auf 366 Mill. qkm, so daß von den 510 Mill. qkm
der gesamten Erdoberfläche nur 144 Mill. auf das Land entfallen.
Land und Wasser stehen also an Fläche im Verhältnis von rund
2:5. Die Verteilung des Landes über die Erdoberfläche ist nicht
gleichmäßig. Aus der nördlichen Halbkugel überwiegt das Wasser
nur etwas (Verhältnis des Wassers zum Lande 1,5:1); auf der
südlichen hingegen übertrifft es an Flächenraum das Land ganz
bedeutend (Verhältnis 6:1). Wie dick die feste Erdrinde ist, entzieht
sich unserer Beobachtung, so daß wir darüber keine Kenntnis
haben.
A. Innerer Aufbau der Erdrinde.
1. GeftemsbiLdung.
Wie die gebirgsbildenden Fels arten (zu denen anch alle
lockeren Bodenbedeckungen, wie Sand, Löß, Humuserde u. s. w.,
gezählt werden müssen) entstanden sind, können wir uns ver-
stellen, wenn wir beobachten, daß noch jetzt auf vierfache Art die
Bildung solcher Gesteine vor sich geht. Aus tätigen Vulkanen
quellen feuerflüssige Massen heraus, die langsam erkalten
und erstarren. Staubteilchen, Sandmassen, Schlamm, Gerölle
werden auf mechanischem Wege vom Winde oder vom
strömenden Wasser zusammengetragen und aufeinander ge-
schichtet; durch Bindemittel werden sie unter dem Druck der auf-
liegenden Massen allmählich verkittet und verfestigt. Im Wasser
chemisch gelöste Stoffe (Salze, Kalke, Kieselsäure) schlagen
sich nieder und bilden mit der Zeit feste Massen (vergl. Tropsstein-
bildungen, Niederschlag aus sog. hartem Wasser in Wasserkesseln).
Endlich helfen organische Wesen zur Bodenbildung. Der
Torfboden entsteht durch Absterben von Pflanzenteilen; Korallen-
tierchen bauen Felsriffe auf, und im Wasser, namentlich im
Meere, sinken sort und fort die Reste von Milliarden absterbender
Tiere in die Tiese und lagern sich dem Boden ein.
Auf dieselbe Weise haben sich in früheren Zeiten all die
Bodenschichten, die Felsarten gebildet, die wir jetzt als Massen
von zum Teil außerordentlicher Härte in der mannigfaltigsten
Struktur*) und Lagerung in der Gesteinshülle unserer Erde vor
uns haben. Dabei sind sie natürlich durch die Berührung mit
feuerflüssigen oder hoch erhitzten Gesteinen oder durch den
Ungeheuern Druck aufliegender Massen aus chemischem oder
mechanischem Wege vielfach umgestaltet worden.
Alle gebirgsbildenden Felsarten sind also entweder aus dem
Erdinnern hervorgequollen, oder sie haben sich durch Aufschichtung
*) D. i. das durch Größe, Form, Lage und Verbindungsweise der
Gesteinselemente bestimmte Aussehn des Gesteins. Von lat. stmctüra^au.
— 22 —
vieler von außen her kommenden Ablagerungen gebildet. Die
ersteren nennt man Ausbruchs- oder Eruptivgesteine*),
die andern Absatz- oder Sedimentgesteine^).
a. Eruptivgesteine. Die Eruptivgesteine sind durch Erkalten
von einst feuerflüssigem Magma entstanden. Jedes Gestein ist
eine durchaus gleichförmige Masse und zeigt keine Spur einer
Schichtung. Es besteht aus vielen durch Bindemittel verkitteten
Kristallen, deren Größe und Zusammensetzung aber je nach der
Art des Gesteins verschieden ist. Diese verschiedene Struktur der
Gesteine führte man früher namentlich auf ihr ungleiches Alter
zurück und unterschied zwischen älteren, plutonischen (Granit,
Syenit, Porphyr u. a.) und jüngeren, vulkanischen Eruptiv-
gesteinen (Trachyt, Phonolith, Vasalt). Jetzt neigt man mehr
der Ansicht zu, daß die Größe der Kristalle vor allem von der
Geschwindigkeit des Festwerdens abhängt. Ersolgte das Erkalten
des Magmas allmählich in großer Tiefe, so bildeten sich große
Kristalle, und das Gestein wurde grobkörnig (Granit); sand die
Erstarrung dagegen an der Erdoberfläche und darum rascher statt,
so wurde die Masse kleinkristallinisch (Basalt) und in einzelnen
Teilen wohl gar amorph, d. h. sie zeigt keine Gesteinselemente
mehr und ist gleichmäßig wie Glas.
Das Hervorquellen des Magmas aus dem Erdinnern wurde
durch den Druck einbrechender Erdschollen oder durch die Kraft
hochgespannter Gase verursacht. Die älteren Eruptivgesteine
wurden vor allem durch die erstgenannte Ursache aus der Masse
des Magmas emporgetrieben und drangen in Spalten und Gänge
der vorhandenen Schichten ein oder durchbrachen die Schichtgesteine
in mächtigen Blöcken, sog. Stöcken, meist schon in der Tiefe er-
starrend. Man bezeichnet sie wohl als Tiefen- oder Gang-
g est eine. Von ihnen würden wir wenig zu sehen bekommen,
wären nicht die sie überdeckenden Schichten vielerorts wieder ab-
getragen worden. Die jüngeren Eruptivgesteine sind in der
Regel durch vulkanische Kräfte aus dem Erdinnern emporgerissen,
haben oft das überdeckende Erdreich völlig durchbrochen und sich
in noch flüssigem Zustande in Strömen oder als Decken ^aus-
gebreitet, bis sie infolge schneller Abkühlung an der Erdoberfläche
bald erstarrten. Man nennt sie deshalb wohl Erg ußg est eine.
Da alle Eruptivgesteine einheitliche Massen ohne Schichtung
sind, so heißen sie auch Massenge st eine. Im allgemeinen sind
sie gegen Verwitterung und Zerklüftung weit widerstandsfähiger
als die Schichtgesteine. Einige von ihnen (z. B. Granit) haben
sreilich die Eigentümlichkeit, daß sie durch ebenflächige oder etwas
gewölbte Klüfte in gewaltige Bänke zerteilt werden, aus denen
dann mit der Zeit durch die in senkrechten Spalten beginnende
Verwitterung große, unregelmäßig geformte Blöcke entstehen
*) Von lat. eruptio, das Hervorbrechen.
**) Von lat. sedimentum^ieberfchlag, Bodensatz.
— 23 —
(Brockengipfel). Andere Massengesteine (z. B. Quarzporphyr)
bilden Absonderungen in unregelmäßig polyedrischen Stücken;
wieder andere, namentlich Basalte, zerklüsten in sechskantigen
Säulen, wie solche in großartiger Form die Fingalshöhle zeigt.
b. Sedimentgesteine. Auf ganz andere Weise, als die Eruptiv-
gesteine gebildet'wurden, entstanden die Sedimentgesteine.
Ihre einzelnen Teile wurden entweder aus wässerigen Lösungen
auskristallisiert oder auf mechanischen: Wege von schon vor-
handenen Landmassen durch das Wasser oder durch den Wind
zusammengetragen. Dabei' wurden Reste von Pflanzen und
Tieren, die zur Zeit ihrer Bildung existierten, vielfach mit ein-
geschlossen; sie sind entweder in Mineralmasse umgewandelt
(Versteinerungen) oder nur als Abdrücke erhalten. Die abgesetzten
seinen Gesteinsteilchen wurden dann durch Bindemittel (z. B.
Kieselsäure) und durch den Druck der später aufgelagerten Massen
zu festen Gesteinen zusammengefügt. Solange vollständig gleiche
Gesteinselemente in demselben Verhältnisse abgesetzt und mit-
einander vermischt wurdeu, entstand eine gleiche Gesteinsmasse,
die eine einzige Schicht von größerer oder geringerer Dicke bildete.
Bei etwas veränderter Zusammensetzung der Gesteinselemente
mußte aber über der ersten schon eine andere Schicht von ab-
weichender Farbe oder anderem Korn entstehen, und wenn dann
in einer folgenden Periode gewisse Gesteinselemente verschwanden
und neue an ihre Stelle traten, so wurde natürlich über der
zweiten wieder eine andere, von ihr verschiedene Schicht abgesetzt.
Darum zeigen alle Sedimentgesteine mehr oder weniger deutlich
erkennbare Schichten, nämlich plattenartige, durch zwei ziemlich
parallele Flächen, die Schichtflächen, begrenzte Gesteinsmassen,
von denen jede das Ablagerungsprodukt einer Zeitperiode ist.
Jede Schichtfläche, die aber keineswegs eine Klüftung zu sein
braucht, beweist eine Änderung in der Ablagerung des Gesteins.
Diese Schichtung sindet sich nur bei Sedimentgesteinen, die darum
auch nn Gegensatz zu den Massenaesteinen geradezu Schicht-
gesteine genannt werden.
Die Struktur der Sedimentgesteine ist sehr verschieden.
Viele haben gleich den Massengesteinen Kristalle als Gesteins-
demente, sind also kristallinisch; bei noch zahlreicheren aber sind
die Elemente hauptsächlich Trümmer srüher schon vorhandener
Gesteine, und diese heißen klastische Gesteine. Nach ihrer Struktur
teilt man die Sedimentgesteine wohl ein in kristallinische
Schiefer, in Sedimentgesteine von kristallinischer
aber doch nicht klastischer Beschassenheit und in klastische
Gesteine.
Die kristallinischen Schieser sind den Eruptivgesteinen
durch ihre kristallinische Struktur und durch die Gleichheit der sie
bildenden _ Mineralien (namentlich Quarz, Feldspat, Glimmer)
ähnlich; sie unterscheiden sich aber von ihnen durch ihre schicht-
sörmige Lagerung. Über ihre Entstehung sind die Ansichten
— 24 —
geteilt. Die jüngeren kristallinischen Schiefer sind jedenfalls ur-
sprünglich klastische Gesteine gewesen, die erst nachträglich durch
den ungeheuren Druck der aufliegenden Massen ihre kristallinische
Struktur erhielten. Von vielen Forschern wird auch für die
ältesten Schiefer eine gleiche Umwandlung, die noch durch die
hohe Temperatur der tieferen Schichten begünstigt wurde, an-
genommen; andere dagegen halten sie sür ursprünglich kristallinische
Gebilde. — Zu den kristallinischen Schiefern gehören Gneis und
Glimmerschiefer, die ältesten aller Schichtgesteine, die wahrscheinlich
in mächtigen Lagern den ganzen Erdkreis umspannen. Sie
bilden die Unterlage aller jüngeren Gesteine und sind deshalb
an den meisten Stellen von diesen überlagert. In Deutschland
bestehen aus ihnen große Teile des Böhmer- und Bayrischen
Waldes, des Fichtel-, Erz- und Riesengebirges; sie sind ferner
namentlich in den Zentralalpen und in Skandinavien mächtig
entwickelt.
Andere kristallinische oder doch nicht klastische
Gesteine sind das Steinsalz, der Gips, der körnige Kalkstein
oder Marmor, der dichte Kalkstein, der poröse Kalkstein (Travertin,
Kalktuff), die Kreide, der Dolomit, der Quarzit, viele Eisenerze
und auch die Kohlen (Anthracit, Steinkohle, Braunkohle, Torf).
Die Mehrzahl zeigt kristallinische Struktur, die aber nicht ur-
sprünglich ist, sondern erst durch Umbildung der Ablagerungen
entstand. Viele Kalksteine waren z. B. ursprünglich klastische
Gesteine und sind nachher umkristallisiert. Auch bei den Kohlen
ist die klastische Struktur verwischt, aber ohne daß sich eine
kristallinische gebildet hat.
Die klastischen Gesteine, die aus Trümmern schon vor-
her existierender Gesteine bestehen, sind entweder vulkanischen oder
nichtvulkanischen Ursprungs und kommen in beiden Gruppen so-
wohl unversestigt, als auch durch Bindemittel zusammengebacken
vor. Vulkanischen Ursprung haben die vulkanischen Aschen,
Sande und Bomben, die oft in großen Mengen lose zusammen-
gehäuft sind. Wenn sie sich mit Wasser vermischen, so bilden sie
einen Schlamm, der dann zu vulkanischem Tuff und Traß erstarrt.
Sind die Trümmer bei klastischen Gesteinen nicht vulkanischen
Ursprungs, nicht verfestigt und dabei verhältnismäßig groß, so
bilden sie Schutt, wenn sie eckig und kantig sind; Geröll, Ge-
schiebe, Kies oder Schotter nennt man sie, wenn sie abgerundete
Form haben. Durch Verfestigung entstehen hieraus Konglomerates).
Verfestigter Quarzsand heißt Sandstein; besteht der Sandstein
aus Resten der verschiedensten Gesteine, so nennt man ihn Grau-
wacke. Durch Zersetzung von Feldspatgesteinen entstehen unter
Beimischung von Partikelchen ganz fein zerriebener Masse von
Quarz, Kalkstein u. s. w., die vom Wasser als Schlamm fort-
geführt werden, die verschiedensten Tone. Sie kommen als reiner
*) Von lat. couglomeräre, zusammenhäufen.
— 25 —
Ton, Lehm (durch Sand verunreinigter und durch Eisenver-
binduugen gelb oder braun gefärbter Ton), Löß (kalkhaltiger,
poröser Ton) oder Latent (eisenschüssiger Lehm, in den: noch
Überreste der zersetzten Gesteine enthalten sind) in der einen oder
der anderen Form fast überall vor. Wird ein Gemenge von
Ton und Schlamm etwas verfestigt, so entsteht Schieferton, der
wieder dnrch größere Verfestigung zu Tonschiefer umgewandelt
wird und als solcher einen Hauptbestandteil vieler alter Gebirge
bildet (Rheinisches Schiefergebirge). Mergel ist ein verfestigtes
Gemenge von Ton und Kalkschlamm.
2. Lagerung bex Gesteine.
a. Ungestörte Lagerung der Schichtgesteine. Bei der Ent-
stehung der Sedimentgesteine lagerte sich immer eine Schicht aus
einer schon verhandenen ab. Wo also eine spätere Störuug in
der Lagerung nicht eingetreten ist, liegt stets die jüngere Schicht
auf der ältereu. Eine durch ihre mineralische Eigenart auffallende
Gesteinsschicht, die zwischen gewöhnlichen Steinschichten eingelagert
ist, nennt man, besonders wenn sie zu technischer Verwertung
sich eignet, ein Flöz
oder auch wohl ein Lager.
Das Gestein, auf welchem
das Flöz liegt, heißt sein
„Liegendes", dasjenige,
von den: es überdeckt ist,
sein „Hangendes". In
Fig. 9 ist Schicht 1 das
Liegende, Schicht 3 das
Hangende sür das Flöz 2.
Diese senkrecht zu den
Schichtflächen gemessene Dicke einer Schicht heißt ihre Mächtigkeit.
Gewöhnlich behält eine Schicht aus große Strecken hin ungefähr
dieselbe Mächtigkeit bei. Wird sie aber nach einer Richtung hin
immer dünner, bis sie endlich ganz verschwindet und das Liegende
und Hangende zusammentreffen, so sagt man, „sie keilt sich aus".
(Schicht 2.) Endigt eine Schicht ohne Auskeilen an einen:
anderen Gestein oder an der Erdoberfläche, so bezeichnet man
das als „Ausgehen der Schicht" uud nennt ihr äußerstes Ende
das Ausgehende oder einen Schichtkopf. (Schichten 1 uud 3).
b. Gestörte Lagerung der Schichtgesteine. Alle Sediment-
gesteine lagerten sich ursprünglich in mehr oder weniger horizontal
liegenden Schichten ab. Durch Bewegungen der Erdrinde (tektonische
Vorgänge*) wurden aber sehr häusig Störungen oder
Dislokationen**) der Schichten bewirkt, so daß diese in-
*) Von gr. tekton, Baumeister.
**) Von lat. dis-, auseinander, und locäre, an einen Ort setzen.
\
— 26 —
folge von Bruch, Aufbiegung oder Faltung ganzer Erdschollen
geneigte oder auch senkrechte Stellung erhielten. In der berg-
männischen Ausdrucksweise bezeichnet man horizontale Schichten
als „söhlige", senkrechte als „saigere" und solche, die vou der
wagerechten Richtung bis höchstens 15° abweichen, als „schwebende".
Bei der Lagenbestimmung einer gestörten oder dislozierten Schicht
nennt man die Himmelsrichtung, in der sie sich erstreckt, ihr
„Streichen", ihre Neigung gegen die Horizontfläche aber ihr
„Fallen". Das
Streichen einer Schicht
wird durch den Winkel
bestimmt, den eine
längs ihrer Grenzfläche
gezogene horizontale
Linie (8t — 8t Fig. 10)
fiiqux 10. mit dem Meridian
bildet; ihr Fallen gibt
der Winkel an, den eine auf der Schichtfläche senkrecht zur
Streichungslinie gezogene Linie (F — F) mit der Horizontebene
einschließt. Auf geologischen Karten pflegt man das Streichen
und Falleu der Schichten durch das Zeichen ^ anzugeben, wo-
bei die Basislinie die Streichungsrichtung, der Pfeil die Fall-
richtuug bezeichnet; den Winkel des Fallens schreibt man in
Graden neben den Pfeil. Horizontal liegende Schichten werden
durch 4-, saiaere durch gekennzeichnet. — Wenn die Schichten
eines Berges mit dem
Abhänge desselben
gleiche Fallrichtung
haben, so sallen sie
„r e ch t s i n n i g"
(Fig. IIa); ein Fallen
Figur Ii. gegen das Gehänge
heißt „widersinnig"
(Fig. 11 d). Traten vor oder während der Bildung neuer Gesteins-
schichten keine Dislokationen der schon vorhandenen ein, so
lagerten die neuen Schichten sich parallel den älteren aus diesen
ab. Eine solche Anordnung parallel übereinander liegender
Schichten heißt eine gleichförmige oder konkordante
Lagerung (Fig. 9). Es ist dabei gleichgültig, ob die Schichten
ihre ursprüngliche Lage behalten haben, oder ob sie nachträglich
gestört sind; ihre Fallrichtung ist gleichfalls hier ohne Bedeutung.
Jede Schicht in einer konkordanten Lagerung hat mit ihren
liegenden und hangenden Schichten gleiche Streichungs- und
Fallrichtung. Die konkordante Lagerung ist immer ein Beweis
für die stetig erfolgte Absetzung der betreffenden Gesteine uud
läßt darauf schließen, daß die fraglichen Schichten entweder noch
ihre anfängliche Stellung behalten oder doch die gleichen Störungen
— 27 —
Figur 12.
Anlagerung.
erfahren haben. Setzten sich jedoch neue, unter sich parallele
Schichten an schon gestörte an, oder überlagerten sie solche, so
bilden sie mit diesen
in der Fallrichtung
einen Winkel. Man
redet dann von un-
gleichförmiger
oder diskon-
kordanterLagerung
(Fig. 12. 13. 14.).
Die an- oder überge-
lagerten Schichten sind
stets jünger als die
anderen und haben geringere Neigung als diese. Nehmen die
jüngeren Schichten einen kleineren Bezirk ein als die älteren, so
redet man von einer Anlagerung (Fig. 12). Wenn die
jüngeren Schichten die Schichtköpfe der älteren ganz überdecken,
so liegt eine diskonkordante Überlagerung vor, die zu einer
übergreifenden oder transgredierenden wird, wenn der Ver-
breitungsbezirk der jüngeren
Schicht über den der älteren,
stark dislozierten hinaus-
reicht (Fig. 13). Die letzte
Art der Lagerung beweist,
daß ein Meer, aus dem die
jüngeren Schichten sich ab-
setzten, eine Fläche überdeckte,
die unmittelbar vorher Land
war (Transgression^ der
Meere). Falls die jüngeren
Schichten die inselartig aus
Figur 13.
Uberlagerung.
ihuen Hervorraaenden älteren umaebeu, ist eine Umlaaernna
vorhanden (Fig. 14).
Figur 14.
Umlagerung.
c. Arten der _ Dislokationen. Die Störungen in der
Lagerung der Gesteinsschichten sind in ihren Einzelerscheinungen
*) Von lat. transgredi, überschreiten.
\
28 —
Figur 15.
Verwerfung.
sehr verschieden; sie lassen sich aber alle auf zwei Hauptformen
zurückführen, die Verwerfung oder Bruch und die Faltung.
1. Verwerfung. In der festen Erdrinde entstehen nicht
selten, vorwiegend durch Zusammenziehen (Kontraktion) derselben
infolge der fortschreitenden Abkühlung der ganzen Erde, mehr oder
weniger vertikal verlaufende Spalten und Risse, welche oft viele
Lagen von Gesteinsschichten durchdringen. Die zu den beiden Seiten
einer Bruchspalte liegenden Rindenstücke bezeichnet man als Flügel.
Gerät ein solcher Flügel ins Gleiten oder Sinken, so kommen
die gleichartigen, ursprünglich zusammenhängenden Schichten
beider Flügel in eine verschiedene Höhenlage. Mitunter sinkt ein
Flügel so tief, daß die
Schichtköpfe des anderen zu
Tage treten. Eine solche
Störung in der Lagerung
der Gesteinsschichten nennt
man Verwerfung
(Fig. 15); den Vertikal-
unterschied gleicher Schichte::
an der Bruchspalte bezeichnet
man als Sprunghöhe.
Sinkt bei einer Verwerfung
ein Flügel schräg unter den
anderen hinab, so daß letzterer auf den
gesunkenen hinaufgeschoben erscheint,
so heißt die Verwerfung eine Über-
schiebnng (Fig. 16). Meistens ent-
stehen bei einer Verwerfung statt einer
mehrere einander ziemlich parallele
Bruchspalten, so daß also mehrere
kleine Verwerfungen stattfinden. Einen
solchen Bruch nennt man
einen Staffelbruch.
(Fig. 17). Das von
Bruchspalten rings um-
zogene Stück der Erd-
rinde heißt eine Scholle;
mehrere benachbarte
Schollen bilden ein
S ch o l l e n l a n d. In
einem solchen erscheint
der Rand der höher
liegenden Scholle häufig
schon als ein Gebirge,
wenn man ihn von der
tieser gelagerten Scholle,
e« ]8 dem Senkungsfeld
Grabenversenkung. (F^6- 18 s), aus betrachtet.
Figur 16.
Uberschiebung.
Figur 17.
Horst mit Staffelbrüchen.
— 29
Sinken um eine Scholle herum die anliegenden ab, so bezeichnet man
das stehengebliebene Stück als Horst (Fig. 17). _ Horste sind z. B.
der Thüringerwald und der Harz. Durch Einsinken einer Scholle
zwischen parallel verlausenden Brüchen entsteht ein Graben
oder eine Grabenversenkung (Fig. 18); Beispiele einer
solchen sind die Oberrheinische Tiesebene, das Leinetal bei
Göttingen und das Tote Meer. Wenn, wie bei den Graben-
Versenkungen, die Spalten parallel lausen oder nur wenig
konvergieren, so redet man von Tasel-
brüchen. Als Bruchnetz (Fig. 19)
bezeichnet man hingegen ein System
von unregelmäßig ziehenden Sprüngen.
An einem solchen lassen sich häusig
peripherische und Radialbrüche unter-
scheiden. Durch dasEntstehenvonBruch-
netzen sinken oft annähernd kreissör-
mige Schollen in die Tiese und
bilden dann einen Kesselbruch. (Veisp.:
Ries im deutschen Jura, Böhmen).
2. Faltuug. Bei den vertikalen
Dislokationen, deren Hauptform die
Verwerfung ist, sinken Schollen in die Tiefe und werdeu dabei zu-
nieist, da sie hier geringeren Ramn einnehmen müssen, stark
zusammengepreßt und gebogen. Infolgedessen üben sie einen
bedeutenden seitlichen Druck aus die au den Rändern der Bruch-
spalten liegenden Nachbarschichten aus und verschieben diese ent-
weder in borizontaler Richtuug (vergl. Überschiebung bei der
Verwerfung) oder bewirken eine Auffaltuug derselben. Letztere
tritt namentlich dann ein, wenn eine seitliche Verschiebung der
gepreßten Schichten durch harte Widerstände (Gebirge) gehemmt
wird. Durch eine solche Faltung der Gesteinsschichten ist die
Bildung der meisten Gebirge bewirkt. So entstanden die Alpen
durch einen von S und SO kommenden seitlichen Druck, der durch
das Absinken des jetzt von der Poebene bedeckten Gebietes ver-
anlaßt wurde; die gehobeneu und gefalteten Schichten bedeckten
vor ihrer Auffaltung einen um 120 km breiteren Raum als
heute. Sind die gebogenen Schichten nach außen erhaben, so
bilden sie einen Sattel; zeigen sie sich hingegen nach innen
ausgebogen, so daß die Biegung nach außen konkav ist, so bezeichnet
man diese als Mulde (Fig. 20).
Flg. 19-
Bruchnetz.
Fig. 20.
— 30 —
Bei einem Sattel fallen die Schichten (Schenkel der Falte)
vom Scheitel de£ Sattels ab; man bezeichnet diese Stellung der
Schichten als antiklinal (Fig. 20 aa) und nennt deshalb die Falte
auch Antiklinalsalte*). Die entsprechenden Bezeichnungen
bei einer Mulde sind synklinal (Fig. 20 8 8) und Sy nklinalfalte.
Die Sättel der Falten sind nicht selten durch Verwitterung und
Abtraguug teilweise zerstört; iu geologischen Profilen ergänzt
man das Fehlende durch punktierte Linien, sog. Luftsättel (Fig. 21).
Jsokliuale Falten entstehen, wenn die Schenkel zweier be-
nachbarter Falten durch starke Pressuug fast parallele Lage zu
eiuander erhalten. Bilden die Schenkel der Falten infolge noch
weiteren Zusammenpressens einen nach oben offenen Winkel, so
redet man von Fächerfalten (Fig. 21).
Fig.
Jsoklinale Falten,
Fächerfalten.
fyhcotrr:
Fig. 22.
3. Gleichsam den Uber-
gang zwischen Verwerfung
und Faltung bildet die
Flexnr der Schichten
(Fig. 22). Bei ihr sind wie
bei der Verwerfung zwei
Teile einer ungefähr hori-
zontalen Schicht in ver^
schiedeneHöhenlage gebracht,
aberohnedaßderZusammeu-
hang zwischen dem sinkenden
und dem stehengebliebenen Flügel zerrisseu ist. Man kann also
„eine Flexur als Verwerfung ohne Bruch charakterisieren."
ü. Ursachen der Störungen in der Gesteinslagerung, über
die Ursachen der Lagerungsstörungen sind die Forscher bis heute
noch nicht einig geworden. In der ersten Hälfte des 18. Jahr-
Hunderts fand die auch von A. v. Humboldt (1769- 1859) ver-
tretene sog. Elevationstheorie**) am meisten Anklang. Sie
erklärte alle Lagerungsstörungen der Erdrinde als Wirkungen
der Spannkraft von Dämpfen, die im Erdinnern eingeschlossen
seien, und nahm vulkanische Ausbrüche uud Erdbeben als im-
mittelbare Ursachen der Rindenverschiebungen an. Diese Theorie
*) Von gr. anti, gegen und klinein, neigen; syn, mit; isos gleich.
**) Von lat. eleväre, erheben.
— 31 —
wurde aufgegeben, als man erkannte, daß die Vulkane nicht durch
Auftreiben der Erdschichten, fondern durch Aufschüttung von
Auswurfsmaterialien entstehen. Heute bekennen sich die meisten
Forscher zur sog. Kontraktionstheorie*), die namentlich
von Suefj**) begründet wurde. Nach ihr ist die Ursache der
Gesteinsbildung hauptsächlich in der Abkühlung der Erde und
dem dadurch bewirkten Zusammenschrumpfen der festen Erdkruste zu
suchen. Wenn das Magma unter der starren Erdrinde erkaltet
und sich zusammenzieht, so entsteht zwischen ihm und der sesten
.Kruste ein Hohlraum. In diesen streben, der Schwerkraft folgend,
Teile der einbrechenden Rinde hinab, werden dabei aber zusammen-
gepreßt und bewirken nun wieder einen seitlichen Druck auf
benachbarte Schichten, die dadurch gefaltet werden. Nach dieser
Theorie kommt als Grundbewegung einzig das Sinken der
Schichten in Betracht und als alleinige Form von Hebung die
Faltung, die aber auch zuletzt wieder aus der Schwerkraft beruht,
welche an der betreffenden Stelle eine in tangentialer Richtung
wirkende Kraft auslöst. Vulkane und Erdbeben sind also weniger
Ursache als Begleiterscheinungen der Lagerungsstörungen und
zeigen sich daher besonders häufig au den Bruchlinien der Erdrinde.
Wenngleich aber diese Kontraktionstheorie, auf die sich auch
die vorstehenden Ausführungen über Dislokationen der Gesteins-
schichten stützen, heute noch die meisten Anhänger hat, so sehlt
es doch nicht an Stimmen, die sich gegen sie erhoben haben, und
die teils die aus der Erdkontraktion sich ergebende Faltung der
Schichten als Ursache der Verwerfung und Schollenbildung au-
geben, teils Hebung von Schollen ohne Faltung derselben als
vereinbar mit der Kontraktionstheorie hinstellen, teils aber auch
geradezu letztere durch ihr Gegenteil, die Expansionstheorie^),
ersetzen wollen. Nach der Expansionstheorie dehnt sich die Zone
zwischen Kern und Kruste der Erde beim Erstarren aus und
hebt einzelne Teile. der Erdrinde, dadurch in ähnlicher Weise
dieselben Vorgänge hervorrufend, die man bisher als Folge des
Sinkens von Schollen erklärt.
3. Die Jeitcrl'ter 6er Krdgescbicbte.
Mit der Erforschung der Erdgeschichte beschäftigt sich die
Geologie. Da es unmöglich ist, das absolute Alter einer Gesteins-
schicht anzugeben, so muß sich die historische Geologie daraus
beschränken, die verschiedenen Schichten zu beschreiben und nach
ihren: relativen Alter zu bestimmen, also festzustellen, ob das
eine Gestein jünger oder älter ist als das andere. Im allgemeinen
läßt sich das relative Alter der Gesteinsschichten aus ihrer Lagerung
erkennen. Durchsetzt z. B. ein Massengestein in der Form von
*) Von lat. contrahere, zusammenziehen.
**) Ed. Sueß, Das Antlitz der Erde. Wien 1901.
***) Vvn lat. expandere, ausdehnen.
\
— 32 -
Gängen andere Gesteine, so ist es fraglos jünger als diese und
erst nach ihrer Ablagerung in die vorhandenen Spalten hinauf-
gepreßt worden. Bei den Schichtgesteinen ist im allgemeinen dir
Schichtfolge für das relative Alter der Gesteine maßgebend, so
daß also eine Schicht jünger ist als ihr Liegendes, da sie sich auf
diesem erst absetzte, dagegen älter als ihr Hangendes, sür das sie
wieder die Unterlage bei dessen Ablagerung bildete. Schwieriger
wird schon die Altersbestimmung, wenn durch starke Störungen,
namentlich durch Überschiebungen oder vollständiges Umkippen
einer Anzahl von ausgerichteten Schichten, die ursprüngliche
Lagerung sehr verändert wurde. Da weiter Schichten, die sich
zu gleicher Zeit, aber an verschiedenen Orten absetzten, je nach
der Beschaffenheit der zu ihrer Bildung verwandten Gesteins-
elemente ganz verschiedene Mineralien uud Struktur aufweisen
können, da ferner durch Verwitterung uud Abtragung von einer
Schichtenreihe oft eine oder mehrere Schichten verschwanden, ehe
wieder neue abgesetzt wurdeu, so daß diese unmittelbar auf sehr
viel ältere zu liegen kamen, und da endlich bei umfangreichen
Transgressionen der Meere (Überflutungen des Landes) nicht selten
ganz juuge Gesteine unmittelbar auf den ältesten Sediment- oder
Massengesteinen abgelagert wurdeu, so ist es in den meisten
Fällen ganz unmöglich, aus der Aufeinanderfolge der Gesteins-
schichten ihr Alter zu bestimmen. Da kommen dem Geologen die
in den Gesteinen erhaltenen Versteinerungen von Pflanzen und
Tieren zu Hilfe. Jede Zeitperiode hat ihre charakteristischen
Pflanzen- und Tierformen gehabt, die sich von den einer anderen
und namentlich von den jetzigen Lebewesen scharf unterscheiden.
Ihre fossilen (d. h. durch Graben zu sindenden) Reste sind in den
Gesteinen, die in der betreffenden Periode gebildet wurden, ein-
geschlossen, indem sie entweder in Mineralmasse umgewandelt
wurden oder doch Abdrücke ihrer Form im Gestein hinterließen.
Diese Versteinerungen (Petresakten^) sind deshalb leitend
(Leitsoffüien) bei der Altersbestimmung der Gesteinsschichten, und
man bezeichnet sie darum wohl als die „Denkmünzender Schöpfung".
Allerdings ist dabei zu beachten, daß, wie jetzt, in jeder Zeitperiode
in den einzelnen Raumgebieten der Erdoberfläche voneinander
verschiedene Pflanzen- und Tiergattungen vorkamen, und daß das
Land andere Lebewesen als das Wasser, das tiefe Meer andere
als die Flachseen, das Salzwasser des Ozeans andere als das
Süßwasser der Flüsse und Seen oder das Brackwasser an den
Flußmündungen enthielt.
Die gesamte Zeit, in der die seste Erdrinde sich bildete, teilt
man in fünf Zeitalter ein; ein Zeitalter umfaßt wieder mehrere
Perioden, eine Periode mehrere Epochen. Die Gesteine,
welche in demselben Zeitalter entstanden, saßt man als Gesteins-
gruppe zusammen, die aus einer gleichen Periode herrührenden
*) Von gr. petros — Stein und lat. facere — machen.
— 33 —
dagegen als System (Formation). Die Namen der einzelnen
Systeme bezw. Perioden sind teils nach gewissen Gesteinsarten,
teils nach geographischen Ortsnamen, teils aus anderen Gründen
gewählt. Bei den nach Gesteinsarten benannten Systemen ist
besonders zu beachten, daß sie nicht ausschließlich aus der be-
treffenden Felsart bestehen. So ist z. B. das Gestein des Kreide-
systems auf Rügen und an anderen Orten weiße Schreibkreide,
in der Sächsischen Schweiz Quadersandstein, im Hannoverschen
Mergelkalk und plastischer Ton und an anderen Stellen von noch
anderer Beschaffenheit. Der Systemname will eben nur besagen,
daß diese Gesteine sich in demselben Zeitabschnitte bildeten, in
welchem (z. B. aus Rügen) die Kreide entstand.
Die süns geologischen Zeitalter heißen: archäisches oder pro-
zoisches, primäres oder paläozoisches, sekundäres oder mesozoisches,
tertiäres oder känozoisches und quartäres oder anthropozoisches,
wobei die mit „zoisch" (vom griech. zoos = lebendig) zusammen-
gesetzten Namen bedeuten: Zeit ohne Lebewesen, Altertum,
Mittelalter, Neuzeit der Lebewesen, Zeitalter des Menschen.*)
a. Archäisches oder prozoisches Zeitalter, Urzeit. Die
Bildungen dieses Zeitalters sind die ältesten Bestandteile der
festen Erdrinde (das sog. Urgebirge), nämlich die kristallinischen
Schieser (Gneis, Glimmerschiefer, Urtonschieser oder Phyllit) und
die ältesten Eruptivgesteine (Granit, Syenit). Sie unterscheiden
sich von allen späteren Bildungen durch das Fehlen von Fossilien,
obgleich der eingelagerte Graphit, reiner Kohlenstoff, darauf hin-
deutet, daß damals schon Organismen, vermutlich Algen, aus
der Erde vorkamen. — Zentralalpen, Schwarzwald, Wasgenwald,
Böhmerwald, Erzgebirge, Riesengebirge.**)
b. Primäres oder paläozoisches Zeitalter« Es umsaßt fünf
Systeme:
1. Kambrium (nach der Landschaft Eambria d. i. Wales
benannt).
2. Silur (nach dem alten britischen Volksstamm der Silurer
im heutigen Wales, wo man dieses System besonders entwickelt
fand und zuerst genauer untersuchte).
3. Devon (nach der englischen Grafschaft Devonshire).
Alle drei Systeme enthalten besonders Tonschiefer, Grauwacke
und Kalkstein; ihnen sind häufig eingelagert Eisen-, Kupfer-,
Blei- und Zinkerze, und in manchen Gegenden werden sie von
goldführenden Quarzzügen durchsetzt. — Rheinisches Schiesergebirge,
Harz, Thüringen.
4. Karbon oder Steinkohlenformation. Dieses
System hat seinen Namen davon, daß in ihm verhältnismäßig
*) arcliaios = uranfänglich, palaiös = alt, mesos — mitten, kainös =
neu, äntJiropos — der Mensch.
**) Von den Verbreitungsbezirken der Systeme sind im Text nur die
wichtigsten in Deutschland angegeben; andere sind nach den geologischen
Karten des Atlas aufzusuchen.
W. Techter, Allgemeine Erdkunde. 3
V
— 34 —
häufig Steinkohlenlager vorkommen. Die unterste Schicht ist der
Kohlenkalk (so genannt, weil der Kalk zur Kohlenformation gehört,
nicht wegen Beimengung von Kohle), und auf ihm liegt das
produktive Kohlengebirge, das zwischen Schichten von Kohlen-
sandstein und Kohlenschieser Flöze von Steinkohlen enthält. Der
Kohlenkalk ist eine marine Bildung, also aus Ablagerungen des
Meeres entstanden, die übrigen Schichten hingegen sind Strand-
bildungen. Die Kohlen sind aus Bäumen umgebildet, welche
meistens riesige Schachtelhalme, Baumsarue oder sog. Siegelbäumen
und Schuppenbäumen (Lepidodendren) waren und an den
Küsten der Meere dichte, sumpsige Wälder bildeten. — Die
schichtweise Wiederholung von Kohlenflözen deutet darauf hin,
daß die betreffenden Gebiete mehrmals von Meeren überflutet
wurden, welche die in der trockenen Zwischenzeit üppig ausge-
schlossene Vegetation unter Schlamm und Sandmassen begruben.
Die meisten Kohlenlager finden sich an den Ufern einstiger (sog.
karbonischer) Meere (Ober- und Niederfchlesieu, Westfalen, Belgien,
England und Nordamerika), andere dagegen an den Küsten von
srüheren kontinentalen Seebecken (Böhmen, Saarbrücken). Am
Ende der Karbonzeit fanden auf der Erde große tektonische Ver-
änderungen mit bedeutender Gebirgsbildung statt. Damals sind
wahrscheinlich gewaltige Gebirge entstanden, die den größten der
Jetztzeit an Höhe und Ausdehnung nicht nachstanden. Sie wurden
aber in den folgenden Zeiten meistens wieder abgeräumt und
sind uur in Resten erhalten. Auch quollen in der Karbonzeit
und in der folgenden Periode riesige Mengen von eruptiven
Gesteinen hervor, und neben Graniten entstanden vor allem
Porphyrmassen.
5. Perm oder Dyas.*) Der erste Name ist dem System
nach dem russischen Gouvernement Perm, in dem es sich über
weite Räume ausdehnt, gegeben; den zweiten hat es erhalten,
weil es aus zwei Hauptgliedern besteht, dem Rotliegenden und
dem Zechstein. Den Karbonschichten liegt zunächst das Rot-
liegende aus. Es bildete sich vor allem aus den Trümmern
älterer Gebirge und zeigt namentlich groben Sandstein und
Konglomerate. Da von fossilen Pflanzenresten sich uur Land-
pflanzen im Rotliegeuden vorfinden, daneben aber in ihm Fifche
und Amphibien vorkommen, so wird es dadurch als eine Strand-
bildung charakterisiert, zu der das Material wahrscheinlich durch
die Flüsse herbeigeschafft wurde. Als echte Meeresbildung erweist
sich hingegen der das Rotliegende vielerorts bedeckende Zech stein,
der aus schwarzem, kupserreichem Schiefer und grauem Kalkstein
besteht und als Beweis seines marinen Ursprungs außer fossilen
Meerestieren reiche Gips- und Steinsalzlager (Zierenberg bei
Berlin, Staßsurt) einschließt. — Harzrand, Thüringer Wald,
Sudeten.
*) Griech. Zweiheit.
- 35 —
c. Sekundäres oder mesozoisches Zeitalter. In ihm ent-
standen drei Systeme: Trias, Jura und Kreide.
1. Trias.*) Das Triassystem hat seinen Namen davon
erhalten, daß es in Deutschland, wo man es zuerst eingehend
untersuchte, im allgemeinen aus drei verschiedenen Formationen
sich zusammensetzt, dem Buntsandstein, dem Muschelkalk und dem
Keuper. Der Buntsandstein, die unterste Schicht der Trias,
besteht aus Sandsteinen, die in der Regel rötlich, hin und wieder
auch grau, weiß oder grünlich gefärbt sind. Er ist höchst wahr-
scheinlich meistens eine Strandbilduug, da er bei vollständigem
Fehlen mariner Fossilien Reste von Schachtelhalmen und Farnen
und an einigen Orten (z. B. bei Hildburghausen) aus seinen
Schichten Fußabdrücke von riesigen Landtieren enthält. Der
Muschelkalk hingegen ist eine Ablagerung des Meeres und
birgt deshalb sehr wenige Spuren von Pflanzen, dafür aber
zahlreiche Überreste von Seetieren. Die dritte Abteilung der
Trias, der Keuper, ist ein Gemenge von bunten Mergeln und
Sandsteinen. Im Keuper liegen viele Versteinerungen von
Pflanzen, aber nur wenige tierische Reste; in seinen obersten
Schichten hat man — im Gegensatz zu deu bisher unter den Land-
tieren vorherrschenden Reptilien (Sauriern) — die ältesten Spuren
von Säugetiereu gefuuden. Die Trias ist sehr reich an Salz-
lagern; man hat diese Formation deshalb wohl geradezu als
„Salzgebirge" bezeichnet, obgleich ja auch in anderen Systemen
(z. B. im Silur—Nordamerika; Dyas —Sperenberg, Staßfurt;
im Tertiär—Wieliczka) Steinsalz eingelagert ist. Die Trias ist
vermutlich zumeist an den Küsten, in Meeresbuchten oder in
seichten Binnenmeeren, zum Teil auch wohl auf dem Lande ent-
standen; die Salzlager haben sich teilweise wahrscheinlich in
abflußlosen Seen oder in Lagunen am Meeresuser abgesetzt. —
Westseite des Wasgenwaldes, Ostseite des Schwarzwaldes, Oden-
wald, Spessart, Hessisches Bergland, Thüringen.
2. Jura. Dieses System ist nach dem Schweizer Jura
benannt worden, in dem es vorherrschend ist, uud wo es zuerst
eingehend studiert wurde. Es besteht aus drei Abteilungen, die,
von unten nach oben, schwarzer Jura oder Lias, brauner Jum
oder Dogger und weißer Jura oder Malm**) heißen. Das
Jurasystem umsaßt vor allem Kalkstein und Mergel nebst
Schiefertonen; Sandsteine und Eruptivgesteine treten zurück. Die
drei Arten des Jura lassen sich, wie im Schweizer Jura, so auch
im Schwäbisch-Fränkischen Jura deutlich unterscheiden. Der
schwarze Jura (Lias), aus duuklem Kalk mit Ton, Mergel
und Schiefer bestehend, liegt hier vor den steil ansteigenden
Höhen ausgebreitet und ist von Flüssen tief durchschnitten, so
*) Griech. = Dreiheit.
**) Die Bezeichnungen Lias (spr. laiätz), Dogger und Malm (spr. mälm)
sind die Namen für die Juraschichten in England.
3*
V
— 36 —
daß an den Rändern der Täler die helle Kenpernnterlage hervor-
scheint. Der Dogger bildet meist die schmale Zone der steilen
Abhänge, namentlich die Vorhöhen der Rauhen Alb, während
der Malm, ein Heller, fester Kalk, mit seinen weißen Felswänden
sich oft mauerartig erhebt und sich dann zum wasserarmen Plateau
verbreitert.
Der Jura ist aus den Ablagerungen von Meeren entstanden
und enthält deshalb zahllose Versteinerungen von Seetieren. In
unglaublicher Mannigfaltigkeit birgt er Überreste von Ammoniten
und Belemniten. Die Ammoniten, schon in der Triaszeit vor-
kommend, waren Kopffüßer mit spiralförmig gewundenem Gehäuse
von Linsen- bis Wagenradgröße. Von den Belemniten, die an
die heutigen Tintenfische erinnern, sind die fingerförmigen unteren
Spitzen ihrer inneren Kalkgerüste sehr häufig gefunden und als
„Donnerkeile" bekannt geworden. Die wichtigste Rolle unter
den Wirbeltieren der Jurazeit spielen die Reptilien; man hat
darum die Juraperiode wohl das „Reptilzeitalter der Erde"
genannt. Besonders häufig unter ihnen war der Ichthyosaurus,
ein 3—13 m langes Meerreptil von Delphinsorm mit spitzem
Kopfe, Rückenflosse und zum Schwimmen eingerichteten Füßen.
Auch der Plesiosaurus lebte im Meere; er hatte bei kurzem
Leibe einen unverhältnismäßig langen Hals und einen starken
Schwanz, so daß er aussah, „als ob man eine Schlange
durch den Leib einer Schildkröte gezogen hätte". Namentlich
reich an Versteinerungen ist der Solnhofener Schiefer, ein im
oberen Jura liegender schieferiger Kalk, der in einer seichten Bucht
als Kalkschlamm abgesetzt wurde. In ihm sand man u. a. die
Überreste des Pterodaktylus, eines fliegenden Sauriers von
Sperlings- bis Rabengröße, der den Übergang von den Reptilien
zu den Vögeln darstellt. Auch der durch seine gezahnten
Kiefer und durch seinen Schwanz den Fluchechsen nahestehende
Urvogel, Archäopterix genannt, wurde in Solnhosen gefunden.
Er hatte die Größe eines kleinen Raben. — Schweizer Jura,
Deutscher Jura, Weserkette.
3. Kreide. Dieses System umfaßt außerordentlich viele
und verschiedene Gesteine. Außer der in den obersten Schichten
vorkommenden weißen Schreibkreide (Rügen, Dänemark, Südost-
England), die dem ganzen System den Namen gegeben hat, ge-
hören zu ihm namentlich die sog. Quadersandsteine (Sächsische
Schweiz) und daneben reine Kalksteine, mergelige Kalksteine und
Mergel. Man pflegt das ganze System in die untere und obere
Kreide zu gliedern. Beide Abteilungen unterscheiden sich wesentlich
in den eingeschlossenen Versteinerungen, die in der unteren Kreide
an die Juraperiode anschließen, in der oberen dagegen vollständig
neue Formen pflanzlicher und tierischer Organismen zeigen.
Merkenswert ist besonders, daß in diesem System zuerst Pflanzen
auftreten, die den heute vorkommenden sehr ähnlich sind, (echte
Nadelhölzer, Magnolien, Tulpenbaum, Eichen, Buchen, Palmen
— 37 —
u. a.), und daß von den Tieren zwar Säugetieren nur spärlich,
Vögel schon häusiger und vor allem neben Reptilien zahllose kleine
Seetiere aus ihren erhaltenen Überresten als Lebewesen jener
Zeit erkennbar sind. Die in den obersten Schichten des Systems
austretende weiße Schreibkreide ist sast ausschließlich aus den
Schalen mikroskopisch kleiner Meerestierchen (Foraminiferen)
gebildet. Zur Kreidezeit hat das Meer, wenn auch nur als
flache Becken über älteren Erdschollen, sehr große Räume der bis
dahin trockenen Erdrinde überdeckt. In den untersten, aus Sand-
steinen gebildeten Schichten des Kreidesystems sind nicht selten
Kohlenlager enthalten (die sog. Wealdenkohle^, z. B. im Deister).
Das Kreidesystem breitet sich sast über ganz Norddeutschland
aus, ist aber meistens von späteren Bildungen überlagert. —
Rügen, Provinz Hannover, Sächsische Schweiz, Nordabhang
des Harzes.
d. Tertiäres oder kiinozoisches Zeitalter. In dem tertiären
Zeitalter, der Neuzeit, hat die Erdoberfläche bedeutende Um-
formungen erfahren und im großen und ganzen ihre heutige
Gestalt erhalten. Die Veränderungen wurden hervorgerufen
durch gewaltige tektonische Umwälzungen, durch massenhaftes
Hervordringen eruptiver Gesteine und durch ausgedehnte Ab-
lagerungen von Sedimentschichten. Damals wurden die größten
der heutigen Gebirge aufgefaltet (Alpen, Pyrenäen, Himalaya,
Kaukasus, Anden, nordamerikanische Kettengebirge u. a.), so daß
sich jene Zeit als eine Periode lebhaftester Geknrgsbildung dar-
stellt. Dazu nahm die vulkanische Tätigkeit, die in dem meso-
zoischen Zeitalter nur verhältnismäßig unbedeutend war, in der
Tertiärzeit eine gesteigerte Lebhaftigkeit an, ähnlich wie am Ende
der Karbonzeit. Es drangen vorwiegend Basalte und Trachyte
aus dem Erdinnern hervor und schufen neben vielen einzelnen
Bergkuppen größere Berge und ganze Gebirge (Vogelsberg,
Rhön^ u. a.) Art neugebildeten Sedimentgesteinen brachte die
Tertiärzeit namentlich Kalke, Mergel, Tone, weiche Sandsteine
und Konglomerate. Die damals entstandenen Tiefseeablagerungen
sind noch jetzt meistens von Ozeanen bedeckt; die uns zugänglichen
Tertiärgesteine sind vorwiegend Strand- und Flachseebildungen
oder Schichten, die auf dem Lande unter Mitwirkung von Flüssen
oder Seen, von Gletschern oder des Windes gebildet wurden.
Unter ihnen ist besonders der Nummulitenkalk verbreitet, ein
Kalkstein, der außerordentlich große Mengen von münzenförmigen
Kalkschalen der Nummulitm**), einer Familie der Foraminiferen,
enthält, ja oft fast ausschließlich aus ihnen besteht. Von den
weichen Sandsteinen kommt der Flysch, eine sandig-mergelige
Ablagerung, in den Alpen und an anderen Orten vor. Eine
andere Sandsteinart mit grobem Korn und grünlicher Färbung
*) Wälderkohle, von engl, weald (spr. uild) — Wald.
*¥) Von lat. nuramulus, Münze.
V
— 38 —
ist die Molasse.*) Sie tritt so häufig auf, daß mau nach ihr
die gesamten Tertiärgesteine auch wohl das Molassegebirge nennt.
Unter den tertiären Konglomeraten herrscht in den Alpen die
feste Nagelfluh (Rigi) vor. In den vom Meere abgesetzten
Schichten der Tertiärzeit befinden sich Salz- und Gipslager: in
den Süßwasserbildungen liegen so ausgedehnte Flöze von Braun-
kohlen, daß man wohl das ganze Tertiärsystem als Braun-
kohlenformation bezeichnet hat.
Man pflegt das Tertiärsystem in das ältere und das
jüngere Tertiär einzuteilen. Die Bildungen der älteren
Zeit sind vornehmlich Meeresablagerungen (Nummulitenkalk,
Flysch, Molasse, Nagelfluh u. a.) und wurden noch vielfach zu
Gebirgen aufgefaltet. Die jüngere Tertiärzeit brachte Haupt-
sächlich Sedimente der Vinnenseen und Flüsse (Molasse, Ton,
Mergel, Sand) und süllte meistens nur schon vorhandene Becken
aus. Aus der älteren Periode stammt auch das uuter dem
Namen Bernstein bekannte Harz mehrerer Arten von Nadelhölzern.
Es wird an der damals vom Meere überschwemmten Küste
Ostpreußens gefunden und gibt uns in den zahlreichen Ein-
schlüssen Kunde von der Jnsekrenwelt der känozoischen Zeit.
Die fossilen Pflanzen des Tertiärsystems zeigen meist anderen
Charakter als die des vorhergehenden Zeitalters. Neben echten
Nadelhölzern treten sehr viele Laubbäume auf. In Mitteleuropa
wuchsen — wie die erhaltenen Reste beweisen — in der älteren
Tertiärperiode vorwiegend tropische Pflanzen, während später
die Bäume den jetzt in diesen Strichen vorhandenen entsprachen.
Auch näherten sich die Tiere der Tertiärzeit in ihren Formen
mehr denen der Gegenwart; namentlich waren Säugetiere und
Vögel in großer Zahl und vielen Arten vorhanden. Besonders
ausfällig sind die erhaltenen Reste gewaltiger Rüsseltiere (Ma-
stadon).
e. Quartäres oder anthropozoisches Zeitalter. Nach dem
Aufbau der größten Gebirge auf der Erde in dem tertiären
Zeitalter haben die Schichten der Erdoberfläche in der Quartärzeit
gewaltige Verwerfungen oder Faltungen nicht mehr erfahren.
In den Hauptzügen war die jetzige Oberflächenform beim Beginn
dieser Zeit bereits vorhanden; aber durch die andauernde Ab-
tragung der Gebirge einerseits und durch das massenhafte Absetzen
von neuen, quartären Schichten anderseits ist sie dennoch im
einzelnen ganz bedeutend ausgestaltet worden. Durch Ablagerungen
des Meeres wurden allerdings nur die Küstengebiete verändert;
dafür entstanden aber Seenabsätze an vielen Stellen der Kontinente,
und vor allem wurden durch den von Gletschern herbeigeführten
Gesteinsschutt und durch die von Flüssen oder vom Winde fort-
bewegten Erdmassen weite Gebiete überdeckt.
*) Von lat. mollis, weich
— 39 —
Die quartärert Sedimente gleichen im allgemeinen^ dem
Material, welches noch gegenwärtig von Flüssen und Gletschern
abgelagert oder vom Winde zusammengetragen wird; es sind
Gerolle und Geschiebe, welche meist zu Konglomeraten zusammen-
gebacken wurden, Sand, Lehm und Ton. Bei den in früheren
Seebecken oder in Flußtälern abgesetzten Sinkstoffen _ läßt sich
demnach ihre Entstehung leicht erklären; über die Mitwirkung
der Gletscher und des Windes bei der Entstehung quartärer
Schichten mögen einige Worte folgen.
In der Quartärzeit traten — aus noch unbekannten Ursachen
—ganz bedeutende Klimaschwankungen ein, so daß lange Perioden,
in denen das Klima dem gegenwärtigen etwa gleich war, mit
anderen, merklich kälteren wechselten. In diesen kälteren Zeiten,
bei denen schon eine Temperaturabnahme von 4—5°C. genügte,
um die Schneegrenze etwa 1000 m tiefer zu rücken, senkten von
sehr vielen Gebirgen sich ganz gewaltige Gletscher (s. S. 86) in
die umliegenden Ebenen hinab. Besonders ausgedehnte Eisströme
rückten damals von Skandinavien über das Gebiet der Nord-
und Ostsee nach Süden vor und bedeckten zuletzt ganz Nordeuropa
bis ungefähr zu einer Linie von Englands Südküste über Nord-
frankreich und an der Nordgrenze der deutschen Mittelgebirge
entlang quer durch Mittelrußland zum Ural mit einer dicken
Schicht von Inlandeis, wie es heute noch in Grönland liegt.
Noch umfangreicher war die Vergletscherung Nord-Amerikas, die
bis über die kanadischen Seen hinaus nach Süden reichte und
etwa^ 8 Mill. qkm bedeckte. Die Gletscher brachten in ihren
Moränen Unmengen von Gesteinsmassen mit, die teils in den
Grundmoränen (s. S. 86) zerrieben wurden und als „Geschiebe"
(Mergel, Lehm, Sand) weite Flächen der nordeuropäischen Tief-
ebene überlagern, teils aber in den oberen Moränen als größere
Stücke mitgeführt und später zerstreut abgesetzt (erratische*) Blöcke,
Findlinge) oder zu oft ziemlich hohen Moränenwällen zusammen-
geschoben wurden. (Bsp. Nordrand der Alpen, Hügel südlich vom
Gardasee, am Ausgang des Tales der Dora Baltea, in Branden-
bürg, in der Lüneburger Heide u. a.). Nach einer solchen „Eiszeit"
folgte dann eine wärmere Periode, in der auf den vom Eise
befreiten Gebieten _ üppiges Leben sich entfaltete, bis eine neue
Vergletscherung wieder alles ertötete. Solcher Eiszeiten kennt
man heute drei, und jede hat reiche Gletscherablagerungen hinter-
lassen. Die Perioden zwischen den Eiszeiten nennt man Int er-
glacialzeiten. Seit der letzten Eiszeit sind 20000—25000
Jahre verflossen; auf so viel Jahre schätzt man nämlich die Zeit,
welche nötig war, um die nach ihrem Aufhören entstandenen
Anschwemmungen der Gewässer zu bilden. Wie lange die einzelnen
Eiszeiten und die Jnterglacialzeiten währten, ist nicht zu be-
stimmen; doch nimmt man für letztere eine längere Zeitdauer
*) Von tat. erräre, umherirren.
— 40 —
als die obengenannte an, so daß wir von der letzten Eiszeit eine
kürzere Zeit entfernt sind, als diese von der vorletzten, und wir
also vielleicht mitten in einer neuen Zwischeneiszeit stehen, der
wieder eine Vergletscherung folgen kann.
Das Klima der Jnterglacialzeiten war wahrscheinlich ein ver-
hältnismäßig recht trockenes. Man schließt das aus der Ent-
stehung gewaltiger Schichten von Löß, der z. B. in China über
500 m mächtig ist und in etwas veränderter Form als „schwarze
Erde" (Tschernosiom) im südlichen Rußland weite Strecken deckt.
Seine Entstehung ist namentlich der Wirkung des Windes zuzu-
schreiben, der von den Gebirgen und aus Wüsten die feinsten
Teile des verwitterten Gesteins als Staub hinwegführte und in
benachbarten Ebenen absetzte. In vielen Fällen waren diese
Ebenen Grassteppen, deren Pflanzendecke infolge der nieder-
geschlagenen Staubmassen sich mit der Zeit erhöhte, während die
absterbenden Wurzeln seine, meist vertikal gerichtete Hohlräume
in dem etwas verfestigten Löß zurückließen. Der Lößboden, aus
Tonstaub mit Salz- uud Kalkgehalt gebildet, wurde an vielen
Stellen vom Wasser ausgelaugt und so zu einer sehr fruchtbaren
Erdschicht umgewandelt.
Die Tier- und Pflanzenwelt der alteren Quartärzeit schließt
sich unmittelbar an die des Tertiärzeitalters an uud hat sich ohne
große Veränderungen zu den heutigen Formen weiterentwickelt.
Freilich sind manche Tiersamilien im Lause der Zeit ausgestorben,
und von ihnen findet man hin und wieder Knochen, ja ganze
Skelette in den quartären Bodenschichten und im Eise Sibiriens
erhalten. So liegen in vielen Höhlen massenhafte Reste des jetzt
verschwundenen Höhlenbären, und in Sibirien werden nicht selten
vollständige Skelette riesiger Elefantenarten (Mammut) auf-
gefunden.
Wenn bezüglich der Tier- und Pflanzenwelt kaum eine Grenze
zwischen Tertiär- und Quartärzeit zu ziehen ist, so wird letztere
deutlich durch das Erscheinen des Menschen bestimmt. Zwar ist
es nicht ganz unwahrscheinlich, daß auch schon in der Tertiärzeit
Menschen lebten, doch sichere Spuren derselben (Steinwerkzeug
u. s. w.) sind erst in den älteren Quartärschichten erhalten ge-
blieben.
Man pflegt das Quartärsystem wieder in zwei Abteilungen
zu gliedern, in das Diluvium*) und das Alluviumwobei
man zum Alluvium die seit der letzten Eiszeit entstandenen
Bodenbildungen rechnet (Ablagerungen an Küsten, in Binnen-
seen und in den Überschwemmungsgebieten der Flüsse, Torf,
*) Lat., Wasserflut. Die Eiszeiten brachten neben dem Sinken der
Temperatur eine außerordentliche Vermehrung der Niederschläge („Pluvial-
periode"), die wieder eine gewaltige Vergrößerung abflußloser Seen be-
wirkten. So sind z. B. der Kaspyche See, der Aralsee und der Große
Salzsee nur kümmerliche Reste einstiger weit ausgedehnter Wasserflächen.
**j Lat., Schwemmland.
41
Humuserde, Dünen). Da aber die seit der letzten Vereisung ver-
strichene Zeit im Verhältnis zu den Jnterglacialzeiten nur kurz
ist und möglicherweise durch eine abermalige Vergletscherung zu
einer Zwischeneiszeit werden kann, da.weiter Tiere und Pflanzen
in beiden Teilen der Quartärzeit nur geringe Unterschiede aufweisen,
so ist eine solche Gliederung unnötig und kaum zu rechtfertigen.
k. Übersicht über die Gesteinsformationen. Wenn man die
Gesteinsschichten nach ihrer Entstehungszeit ordnet und dabei mit
den jüngeren beginnt, so ergibt sich folgendes Schema:
I. Quartärbildungen (anthropozoisches Zeitalter):
Alluvium, Diluvium.
II. Tertiäre Gesteinsgruppe (känözoisches Zeitalter):
Jüngeres Tertiär.
Älteres Tertiär.
III. Sekundäre Gesteinsgruppe (mesozoisches Zeitalter):
i obere Kreide.
Krnde j^ere „
weißer Jura (Malm).
Jura \ brauner Jura (Dogger).
| schwarzer Iura (Lias).
Keuper.
Trias Muschelkalk.
! Buntsandstein.
IV. Primäre Gesteinsgruppe (paläozoisches Zeitalter):
Duas ! Sechstem.
\ Rotliegendes.
Karbon.
Devon.
Silur.
Kambrium.
V. Archäische Gesteinsgruppe (prozoisches Zeitalter):
Urtonschiefer (Phyllit), Glimmerschiefer, Gneis.
Eruptiv gestein e:
Heutige Eruptivgesteine: Lava, Asche.
Junge „ Trachyt, Phonolith, Basalt.
Mittlere „ Porphyr, Syenit, Granit.
Alte „ Syenit, Granit.
B. Gegenwärtige Bewegungen der Erdrinde.
Obwohl die Gegenwart solche gewaltigen Veränderungen der
festen Erdkruste, wie die geologische Vergangenheit sie mit sich
brachte, nicht kennt, so haben doch die Bewegungen der Erdrinde
(Endogene Vorgänge.)*)
*) Von gr. endon, innen und gennao, ich erzeuge.
— 42 —
auch heute nicht ausgehört. Die hierher zu rechnenden Erschei-
nungen offenbaren sich bei der Tätigkeit der Vulkane, in den
Erdbeben und als Strandverschiebungen.
1. 'Nul'Kcrniscbe HcitigKeit.
Die^ gewöhnliche äuszere Form eines vulkanischen Berges
ist die eines abgestumpften Kegels, der oben eine trichterförmige
Vertiefung zeigt. In diese Vertiefung, den Krater, mündet ein
aus dem Erdinnern emporsteigender Gang, der Eruptionskanal.
Bei nicht tätigen Vulkanen ist der Eruptionskanal meist durch
hineingefallene Aschenmengen und Schlacken, mehr noch durch die
herausgestiegene und erkaltete Magmamasse verstopft.
Ein vulkanischer Ausbruch pflegt durch unterirdische Getöse
und Erschütterungen des Bodens eingeleitet zu werden.
„Mit surchtbarer Gewalt durchbrechen hochgespannte Dämpfe und
Gase die Decke im Eruptionskanal, und Dampfwolken steigen
zum Himmel empor. Die Stein- und Aschenmassen, welche den
Krater erfüllen, werden in bedeutende Höhen geschleudert; ge-
schmolzene Laven gelangen nach oben und erfüllen den Krater
mit ihrer rötlich glühenden Masse. Rasch wiederholen sich, von
einem dumpfen Dröhnen begleitet, die Explosionen, und neue,
kugelförmig geballte Dampsmassen dringen aus dem Krater her-
vor. Bei ruhiger Luft erheben sie sich senkrecht und mit großer
Gewalt und treiben die darüber befindlichen, bereits sinkenden
Dampfkugeln immer höher hinauf. So erreichte am 26. April 1872
die Dampffüule über dem Vesuv eine Höhe von 5000 m. Ist das
weitere Wachstum derselben nicht mehr möglich, so nehmen die
oberen Dampfmassen die Gestalt einer langgestreckten Wolke an,
welche durch die in den oberen Luftregionen herrschenden Winde
oft einseitig verweht wird und die mitgeführten Stoffe an den
Rändern der Säule, bei starkem Lustzuge auch in größerer Ent-
sernung von ihr, herabfallen läßt. Wegen ihrer charakteristischen
Gestalt bezeichnete man sie in Italien von jeher als Pinie. Sie
spiegelt des Nachts die Glutröte der Lavamassen im Krater
wieder und verbreitet dann weithin einen Feuerschein. Gase,
Wasserdänrpse und feine Teile vulkanischen Staubes sind es,
welche die Pinie bilden. Infolge heftiger Bewegung zeigen sich
in der vulkanischen Wolke die elektrischen Erscheinungen in ebenso
großartigem Maßstabe entwickelt wie in den Gewitterwolken.
Blitze durchzucken die Lust, und immerwährende Donner begleiten
den heftigen, wolkenbruchartig herabstürzenden Gewitterregen, der
ost mehr Schaden anrichtet als die ausgeworfenen Aschen und
Schlacken. Bäche und Flüsse, die vorher nicht bestanden, stürzen
sich eilenden Laufes die Abhänge des Vulkans hinab und schassen
tiefe Rinnen und Gräben. Endlich ermattet die Macht der her-
vordringenden Dämpfe, und das benachbarte Erdreichs ist voll-
ständig wieder ausgetrocknet: da entquillt einer Seitenspalte ein
— 43 —
Lavastrom und wälzt sich, die Kulturen wie die Wohnstätten der
Menschen auf seinem Psade durch seine fürchterliche GlM ver-
nichtend, die Abhänge des Berges hinab. In der Regel ist da--
mit die furchtbarste Gewalt der Eruption gebrochen." (Peschel.)
Natürlich gehen nicht alle vulkanischen Ausbrüche in der geschil-
derten Weise vor sich; äk sind in ihren Erscheinungssormen
wie in ihren VerderblicheiMVirkungen außerordentlich verschieden.
Besonders merkwürdig verlies die Katastrophe, von der im Mai
1902 die westindische Insel Martinique heimgesucht wurde. Nach-
dem der Ausbruch der Montagne Pelee am 5. Mai und in den
beiden folgenden Tagen so ziemlich in der gewöhnlichen Weise
geschehen war, und der Berg sich anscheinend etwas wieder be-
ruhigt hatte, stürzte sich ganz plötzlich am Morgen des 8. Mai
lawinengleich eine ungeheure, aus Dampf und glühender Asche
bestehende und unaufhörlich von Blitzen durchzuckte Wolke die
Berghänge abwärts auf die Stadt St. Pierre, die im Nu iu
FlamÄien stand und mit 30000 Bewohnern in wenigen Minuten
vernichtet wurde.
Da ein vulkanischer Ausbruch sast immer in der ganzen Um-
gebung des Vulkans furchtbare Verheerungen anrichtet, so hat
man seit langem auf etwaige Vorzeichen einer Eruption
geachtet; allein alle gewonnenen Beobachtungen erwiesen sich nicht
als allgemein gültig. In der Umgegend des Vesuvs versiegen
nicht selten vor einem Ausbruch die Brunnen; bei den in die
Schneeregion aufragenden Vulkanen Islands oder Kamtschatkas
schmilzt oft infolge der einer Eruption vorangehenden Erhitzung
des Gesteins die Schneedecke des Berges, und noch häufiger
künden Erdbeben einen Ausbruch an. Aber alle diese Vorzeichen
sind nicht verläßlich, da nicht selten ganz ohne ein solches der
Vulkan in Tätigkeit tritt. Bedeutsamer sind schon in dieser
Hinsicht die Veränderungen, die durch Hebung des Grundes im
Krater vor eiuem Ausbruch zu entstehen pflegen; aber unbedingt
sicher wird ein solcher auch durch sie nicht angekündigt.
An Auswurfsmaterialien kann eine Eruption vulkanische
Asche, Schlacken und Lava hervorbringen; mitunter werden
auch von dem nicht vulkanischen Gestein des Untergrundes Bruch-
stücke abgerissen uud in die Höhe geworfen. Die vulkanische
Asche besteht aus seinen, hell- oder dunkelgrau gesärbten Gesteins-
teilen, die teils durch Reibung der emporgeschleuderten Schlacken
aneinander, mehr aber durch vollständige Zertrümmerung von
Gesteinen insolge der Dampsexplosionen gebildet wurden. Sie
gibt der aufsteigenden Dampssäule, in der sie mit emporgerissen
wird, eine dunkle Färbung. Infolge ihrer Feinheit wird sie oft
sehr hoch in die Luft hinaufgeführt (beim Vesuv 1822 über
3000 in, beim Krakatau in der Sundaftraße 1883 noch ganz be-
deutend höher). Wegen der Leichtigkeit ihrer einzelnen Teilchen
kann ein starker Lustzug sie weithiu verwehen. Im Jahre 512
flog z. B. die Asche vom Vesuv bis Konstantinopel, 1835 vom
V
— 44 —
Coseguina (in Nicaragua) 2000 km in die See hinaus, und die
Asche des Krakatau verbreitete sich 1883 über eine Fläche, die fast
I1', mal so groß ist als ganz Deutschland, ja die feinsten Teile
derselben haben damals jahrelang in außerordentlich hohen Luft-
schichten sich gehalten und, die Erde mehrmals umkreisend, eigen-
tümliche Dämmerungserscheinungen hWvorgerufen. Die Menge
der bei einer Eruption ausgeworfenen ^he ist mitunter ungeheuer
groß. Der Vesuv brachte bei seinem eksten bekannt gewordenen
Ausbruch 79 n. Chr. so viel Asche hervor, daß die Städte Pom-
peji, Herkulanum und Stabiä von einer 3—6 m dicken Schicht
bedeckt wurden, und doch ist diese Aschenmenge noch gering im
Vergleich mit denjenigen anderer Eruptionen. So wurde z. B.
vom Vulkan Gunung Tambora auf der Sundainsel Sumbawa
1815 eine Aschenmenge ausgeworfen, die man auf 100 cbkm schätzt.
Da die bei einer Eruption emporgestoßenen Wasserdämpse sich in
der Luft verdichten, so stürzen während des Ausbruchs gewaltige
Wassermassen aus die Umgebung des Kraters herab; bei Vulkanen,
die Schneedecken oder Gletscher tragen, wird außerdem oft durch
Abschmelzen der Schnee- und Eismasfen bei einer Eruption sehr
viel Wasser erzeugt. So stürzen nach allen Seiten reißende Gie^-
bäche vom Berge herab und bilden durch Vermischung mit der
vulkanischen Asche verheerende Schlammströme, die später zu vul-
kanischem Tuff erstarren. — Außer der sein zerriebenen Asche
schleudert der Vulkan auch gröbere Auswürfe empor, die man,
je nach der Größe der einzelnen Stücke, als vulkanische Blöcke,
vulkanische Bomben (Kopfgröße) und Lapilli oder Rapilli (Nuß-
größe) bezeichnet und unter dem Namen Schlacken zusammen-
faßt. Sie fallen meistens in der Nähe des Kraters nieder,
werden mitunter auch weithin verstreut. So schleuderte der Vesuv
1900 einen Block von 30000 kg Gewicht weit fort, und 1533
warf der Cotopaxi Felsstücke von 3 in Dicke 900 m hoch und
22 km weit. Die kleineren ausgeworfenen Lavaklumpen erstarren
gewöhnlich schon in der Luft und nehmen dabei eine gedrehte oder
gewundene Form an. (Fig. 23.) Größere kommen in noch
glühendem Zustande zur Erde und werden da-
bei breitgeschlagen. — Außer den genannten
Auswürfen bringt ein vulkanischer Ausbruch
aus dem Erdinnern in den meisten Fällen noch
glühendflüfsiges Magma, Lava genannt, her-
vor. Die Lava ist meist basaltischer oder
trachytischer Art, und enthält, solange sie
Fig. 23. flüssig ist, große Mengen von Wasserdampf
und anderen Gasen. Diese entweichen aus der dünnflüssigen
Lava in Blasen, so daß das erkaltete Gestein ziemlich massig und
blasenfrei ist. In der zähflüssigen Lava bleiben die Blasen und
bewirken in der erstarrten Masse sehr viele Hohlräume. Die
größere oder geringere Flüssigkeit der Lava hängt namentlich
davon ab, ob die Mineralien, aus denen die Masse besteht, leichter
— 45 —
oder schwerer schmelzbar sind; sie beeinflußt wieder die Schnellig-
feit, mit der ein Lavastrom sich fortbewegt. Man hat Laven
beobachtet, die dünnflüssig wie Wasser waren und in der Stunde
20—30 km zurücklegten; andere wieder bewegten sich in dieser
Zeit nur 0,5 km fort. Je mehr die Lava erkaltet, desto mehr
verlangsamt sich ihr Fortschreiten, das ja außerdem stets von der
Neigung der überströmten.Bergwand abhängig ist. Die Erkaltung
eines Lavastromes geht an der Sohle und an der Oberfläche
desselben rasch vor sich, so daß er oft schon wenige Stunden nach
seinem Ausfließen betreten werden kann. Das Innere des
Stromes bleibt hingegen noch lange glühend und fließt nicht
selten aus der erstarrten äußeren Schicht nach unten ab. Aus
diese Weise entstehen röhrenartige Höhlungen, deren Decke sreilich
oft später einbricht. Die Zeit, welche ein Lavastrom bis zur voll-
ständigen Erkaltung braucht, ist sehr verschieden. So war ein im
August 1832 dem Vesuv entquollener Strom schon am 17. Ok-
tober desselben Jahres vollkommen erkaltet; hingegen wurde 1830
am Ätna bei einem 43 Jahre vorher ausgeflossenen Strome noch
das Hervordringen heißer Dämpfe beobachtet. Daß ein Lava-
ström im allgemeinen recht lange Zeit bis zur vollkommenen Ab-
kühlung gebraucht, rührt daher, daß die zuerst erkaltete äußere
Schlackenschale die Wärme schlecht leitet, und daß die ausgestrahlte
Wärme teilweise einen Ersatz in der bei der Kristallbildung frei
werdenden hat. Die Oberfläche erkalteter Lavamassen zeigt mannig-
fache Formen. Kühlt sich ein Lavastrom unter starker Dampf-
entwicklung rasch ab, so zerfällt er in einen lockeren Trümmer-
Hausen (Blocklava); erfolgt die Erstarrung allmählich, so bildet
das immer zäher werdende Magma breite Flächen (Fladenlava);
findet dabei vor dem völligen Erkalten noch eine Weiterbewegung
statt, so entstehen wunderliche Windungen und Verzerrungen in
der Lavamasse (Gekröselava). Aus einem noch nicht völlig er-
kälteten Lavastrome bilden sich mitunter durch das heftige Aus-
strömen von Wasserdämpfen, welche kleine Lavafetzen mit sich
reißen, niedrige Schlackenschornsteine. (Fig. 24.) Die Lavamengen,
welche eine Eruption her-
vorbringt, sind oft außer-
ordentlich groß. Der Skap-
tar Jökull auf Island ent-
sandte 1783 zw ei Lavaströme,
die 80 und 45 km lang
waren, und deren Masse
man auf 27000 Mill. cbm
schätzt.
Nach der Art der aus- _ ^
geworfenen Materialien sind
die Ausbrüche der Vulkane OA
sehr verfchieden. Beim Ve-
suv vollzieht sich die Eruption gewöhnlich in der vorhin
46
beschriebenen Weise und bringt Schlacken, Asche und Lava hervor.
Letztere fließt dabei meist aus dem Hauptkrater aus, während sie
beim Ätna aus Seitenspalten des Berges hervorquillt. Solche
Ausbrüche, die sowohl Auswürfe als Ergüsse liefern, nennt man
gemischte Eruptionen. Manche Vulkane, z. B. die der Insel
Hawaii, haben dagegen reine Lavaeruptionen, und wieder
andere bringen nur Asche, keine Ergüsse. Eine reine Aschen-
eruption ohne Lava fand z. B. beim Entstehen des Monte nnovo
statt, der 3538 in zwei Tagen mitten in der Ebene der Phlegrä-
ischen Felder bei Neapel von Auswürflingen zu einem 134 m
hohen Berge aufgebaut wurde. Mitunter hat ein Ausbruch je-
doch auch gar keine oder doch fast keine Magmaauswürse, sondern
besteht nur im Ausstoßen gewaltiger Dampsmasseu, so daß man
in diesem Falle weniger von einer Eruption als von einer vul-
kanischen Explosion reden muß. Eine solche sand z. B. 1888 in
Japan statt, wo beim Ausbruche des vorher als erloschen ange-
sehenen Bandaisan infolge heftiger Dampfexplosionen die ganze
Spitze des 1840 in hohen Berges weggeblasen wurde. Magma
kam dabei nicht empor, und die fortgeschleuderten Massen waren
lediglich abgesprengte Teile des Berges. (Fig. 25.) Von den
genannten Arten der Eruptionen sind die gemischten Eruptionen
bei weitem am häufigsten. Zu beachten ist auch, daß zwischen
den verschiedenen Ausbruchsformen alle möglichen Übergänge
vorkommen, ja daß ein und derselbe Vulkan mitunter den
Charakter der Eruption wechselt und bald mehr Asche, bald vor-
wiegend Lava liefert. Die Art des ausgeworfenen Materials ist
abhängig von der Menge des im Magma enthaltenen Wasser-
dampses. Ist wenig Wasserdamps vorhanden, so quillt Vorzugs-
weise nur Lava aus der Tiese hervor; mit der zunehmenden
Menge des Dampses gegenüber der Magmamasse wird aus dem
reinen Lavaausbruch eine gemischte Eruption bzw. eine Aschen-
eruption oder gar, wenn das Magma sast ganz fehlt, eine
Dampfexplosion.
Figur 25.
47
Aus dem Vorstehenden erhellt, daß das Entstehen eines
Vulkanberges lediglich durch die Aufhäufung der Auswurfs-
Materialien geschieht. Da unter den Eruptionen die gemischten
vorherrschen, so zeigen die meisten Vulkane abwechselnd Schichten
von Asche (Tuff), Schlacken und Lavamassen. Solche Berge
heißen geschichtete oder Stratovulkane*). Aus gleichartigem
Material ausgeschüttete Vulkane nennt man homogene. Kommt
bei einem Ausbruche zähflüssiges Magma aus dem Schlote empor,
so staut es sich vor dessen Mündung zu einem glockenförmigen
Berge, der durch nachdringende Massen immer höher getrieben
wird. Eine derartige Bildung, die durch einmalige Eruptiou, also
gleichsam aus einem Gusse entsteht, nennt man Quellkuppe, auch wohl
Domvulkan. Sie unterscheidet sich in der äußeren Form von den
Schichtvulkanen durch das Fehlen eines Kraters. (Fig. 26.)
der Eisel, im Westerwald^ im Hessischen Berglande (Meißner,
Vogelsberg), in der Rhön, im Elbsandsteingebirge und in dem
Lausitzer Gebirge zu finden.
Der Verfall der Vulkane geht schneller vor sich als der
anderer Erhebungen und wird vor allem durch chemische und
mechanische Kräfte bewirkt. Bei den tätigen Vulkanen dringen
aus zahlreichen Spalten Wasserdämpfe und verschiedene Gase
(Schwefelwasserstoff, schweflige Säure, Chlorwasserstoff u. a.) her-
vor und zersetzen und zermürben die Bergwände. Die sast immer
eine Eruption begleitenden Erschütterungen des Vulkans veran-
lassen, daß von den Kraterwänden ein Stück nach dem andern
abbröckelt, und gewaltige Dampsexplosionen blasen nicht selten
beträchtliche Teile des oberen Berges, ja mitunter den ganzen
Gipfel hinweg. Dazu schwemmen die bei dem Ausbruch ent-
stehenden Gießbäche, im Verein mit den atmosphärischen Nieder-
schlägen überhaupt, nicht geringe Mengen des ohnehin losen und
durch die vorgenannten Umstände noch mehr gelockerten Gesteins
in die Ebene hinab. Sie bilden mit der Zeit radial verlausende
Schluchten (Barrancos), die vom Gipfel zum Fuße des Berges
hin immer breiter und tiefer werden. (Vgl. die äußere Form
* Von lat. Stratum, das Hingebreitete, die Schicht.
Figur 26.
r
. Dünnflüssiges Magma breitet
sich auf der Erdoberfläche rasch
zu vulkanischen Decken aus.
Solche Lavadecken haben oft
große Ausdehnung. Auf dem
Hochlande von Dekan in Vor-
derindien gibt es eine Basalt-
decke, die über eine dein Deut-
scheu Reiche etwa gleich große
Fläche ausgebreitet ist. Kleinere
vulkanische Decken und Quell-
kuppen sind sehr zahlreich in
V
— 48 —
eines halb geöffneten Regenschirms!) Da natürlich namentlich
der Kraterrand allen diesen Zerstörungen ausgesetzt ist, so erweitert
und verflacht sich der Krater durch die nach innen fallenden ab-
gebröckelten Teile immer mehr, wird auch nicht selten an der
einen Seite ganz geöffnet und erhält so statt des geschlossenen
einen hnseisensörmig verlausenden Rand (Somma am Vesuv,
Santorin). Von besonderer Wichtigkeit für den Bau eines
Vulkanberges und für die Erhaltung seiner Form ist es, ob die
Eruptionsstelle dieselbe bleibt oder sich an andere Punkte des
Vulkans verschiebt. Im ersten Falle werden bei tätigen Vulkanen
.gewöhnlich die hinweggeführten Massen durch neue ersetzt, so daß
der Berg in den meisten Fällen seine ursprüngliche Forin und
Höhe so ziemlich behält. Finden aber die Eruptionen aus seit-
licheu Spalten heraus statt, so entstehen» salls sie nicht bedeutend
sind, an den Berghängen vi^le kleine K?ater (am Ätna mehrere
hundert), oder aber es wird durch Zusammenstürzen der über den
Spalten liegenden Teile des Berges die Gestalt desselben ganz
verändert. Dasselbe tritt ein, wenn der Vulkan zwar zentrale
Ausbrüche behält, diese aber ihre Stelle verlegeu. Dadurch ent-
stehen an Stelle eines größeren Berges oft viele kleinere Kegel
mit Kratern. So zählt man in den Phlegräischen Feldern bei
Neapel aus einem Räume von 220 qkm 27 kleine Vulkane, und
aus dem Isthmus von Auckland in Neu-Seeland rief das Wandern
der Eruptionsstelle auf einer Fläche von ca. 500 qkm nicht weniger
als 63 Krater hervor.
Die Tätigkeit der Vulkane ist meistens keine gleichmäßige
und andauernde, es wechseln vielmehr gewöhnlich Zeiten ae-
steigerter Tätigkeit mit oft langen Perioden der Ruhe ab. Bei
manchen Vulkanen liegen zwischen zwei Ausbrüchen jahrhunderte-
lange Ruhepausen, und wieder andere sind faft beständig
in Tätigkeit. Unter den europäischen Vulkanen ist der
Stromboli (Liparische Inseln) der tätigste. Aus einigen Off-
nungen innerhalb seines Kraters dringen zischend Därnpse her-
vor; aus anderen steigt in Pausen von etwa einer halben Stunde
Lava aus, die von gewaltigen Dampfblasen emporgetrieben und
beim Platzen dieser als Schlacken in die Höhe geworfen wird,
worauf die Lavamasse sinkt, um dann von neuem emporzusteigen.
Diese Tätigkeit zeigt der Vulkan schon seit mehr als zwei Jahr-
tansenden faft ununterbrochen, doch nicht ganz gleichartig, da er
1889 und 1891 auch Lavaströme zum Meere sandte. Die meisten
Vulkane sind aber nur periodisch (intermittierend) tätig. Zu
dieser Art gehört der Vesuv. Er galt im Altertum für erloschen
und soll damals bis zum Gipfel mit Bäumen bewachsen gewesen
sein und ein großes, slaches, mit wilden Reben bestandenes Krater-
bassin gehabt haben, in welchem angeblich Spartacus nnt seinem
Sklavenheere Schutz suchen konnte. Den ersten historisch be-
alanbigten Ausbruch hatte der Berg am 23. und 24. August des
Jahres 79 u. Chr., und durch diesen wurden die Städte Pompeji,
49
Herculanum und Stabiä verschüttet. Bis 1631 werden nun 17
Ausbrüche berichtet; der Berg blieb wiederholt 100—200 Jahre
ruhig und war seit dem 12. Jahrhundert wieder mit Vegetation
bedeckt. Nach dem furchtbaren Ausbruche von 1631 bis jetzt hat
der Berg reichlich 50 größere Eruptionen gehabt (1760, 1794,
1822, 1833, 1872, 1906). Der in der Nähe liegende Vulkan
Epomeo aus Jschia war vou 36 v. Chr. bis 1302 uutätig, hatte
dann eine gewaltige Eruption und gilt seit diesem Jahre als er-
loschen. Schon aus diesen wenigen Beispielen erhellt, daß die
Tätigkeit der meisten Vulkane in höchst unregelmäßigen Zwischen-
räumen sich äußert, und daß man deshalb mit nur geringer
Sicherheit einen Vulkan als erloschen bezeichnen kann.
Das Erlöschen der vulkanischen Tätigkeit nach einem
Ausbruche ersolgt ganz allmählich. Noch lange Zeit nach der
Eruption deuten aus der Erde heroorströmende Dämpse und Gase,
sowie heiße Quellen den vulkanischen Herd in der Tiese an. Von
diesem ist deshalb schwer zu sagen, ob er vollständig erkaltet ist,
oder ob der Vulkan sich nur in vorübergehender Ruhe befindet,
gleichsam schläft, um nach kürzerer oder längerer Zeit seine ver-
derbenbringende Tätigkeit wieder aufzunehmen. Die Ruhezeit
kann Jahrhunderte hindurch andauern, ohne daß das Ausströmen
von Gasen u. dgl. aufhört. So stößt die Solfatare, ein seit
1198 ruhender Vulkan bei Pozzuoli, noch immer Wasserdämpfe
und Gase aus. Die Ausströmungen von Wasserdämpsen (auch
aus Lavaströmen) bezeichnet man als Fumarolen und den durch
die Gasausströmungen charakterisierten Zustand als Solsataren-
zustand. Nimmt die vulkanische Tätigkeit noch mehr ab, so hört
das Hervordringen von Wasserdämpsen auf. Dafür aber ent-
stehen nicht selten Gasquellen, die Kohlensäure ausströmen
(Mosetten, z. B. die Hundsgrotte bei Agnano, die Dunsthöhle
bei Pyrmont), heiße Quellen oder Quellen, deren Wasser Kohlen-
säure enthält (Säuerlinge). Diese Anzeichen früherer vulkanischer
Tätigkeit findet man häufig in der Eifel, am Taunus, am Vogels-
berge, in der Rhön und im nördlichen Böhmen. Sie bilden die
letzten lebendigen Spuren der in der betreffenden Gegend einst
tätigen Vulkane und verschwinden meist erst nach außerordentlich
langer Zeit. Erst mit ihrem Aufhören kann die vulkanische
Tätigkeit in dem fraglichen Gebiete als vollständig erloschen an-
gesehen werden. Man schätzt die Zahl der in historischer Zeit
tätigen Vulkane aus 300—350 und die der erloschenen fast doppelt
so hoch.
Die geographische Verbreitung der Vulkane ist sehr
ungleichmäßig. (S. Atlas.) Es ist aussällig, daß tätige Vul-
kane im Innern der großen Kontinente meist sehlen, dasür aber
an den Küsten und aus den ozeanischen Inseln in großer Zahl
vorkommen und dazu im allgemeinen reihensörmig angeordnet
sind. Nahezu drei Viertel aller heute tätigen Vulkane liegen an
den Küsten des Großen Ozeans. Sie ziehen sich in mehreren
W. Techter, Allgemeine Erdkunde. 4
— 50 —
Bogen von Neu-Seeland nach Neu-Guinea, von dort über Gilolo
und die Philippinen nach Formosa, weiter über die japanischen
Inseln nach Kamtschatka und über die Aleuten nach Alaska.
Vom Eliasberg nach Süden hin liegen viele jetzt erloschene, aber
noch am Schlüsse der Tertiärzeit tätige Vulkane., Am Kaskaden-
gebirge beginnt wieder die Reihe der tätigen Vulkane und zieht
sich, mit einigen Unterbrechungen, über Mexiko, Zentralamerika,
Ecuador, Peru und Chile bis ins südliche Patagonien hin. Das
Innere des so umrandeten Beckens hat in der Mitte die Riesen-
vulkane der Hawaii-Inseln und außerdem noch wenige radial
verlausende Vulkanreihen (Japan—Ladronen, Neu-Seeland—Sa-
moa), ist aber im allgemeinen arm an tätigen Vulkanen (von
den unterseeischen abgesehen). Außer dem Großeu Ozean haben
noch das Mittelmeer, das Karibische Meer und die Sundasee an
ihren Küsten Vulkanreihen. Die Ränder des Atlantischen und
des Indischen Ozeans (abgesehen von den Antillen bezw. von
den Sundainseln) sind arm an Vulkanen. Da die Mehrheit der
Vulkane an den Meeresküsten liegt, so hat man früher unter Be-
rücksichtigung der wichtigen Rolle, die der Wasserdamps bei den
Eruptionen spielt, daraus gefolgert, daß die Nähe des Meeres
eine wesentliche Bedingung für das Entstehen von Vulkanen sei.
Dieser Annahme widerspricht nicht die Tatsache, daß in Mittel-
europa eine Kette von erloschenen Vulkauen sich von der Auvergne
bis nach Böhmen hinzieht; denn auch diese Linie war früher Küste
alter Meere. Das Irrige dieser Anschauung wurde aber erkannt,
als man in Tienschan, also im Herzen der asiatischen Landmasse,
in der Mandschurei 800 Km von der Küste und in Zentralasrika
tätige oder doch erst vor kurzem erloschene Vulkane sand. Nicht
die Nähe des Meeres, sondern das Vorhandensein großer Bruch-
spalten in der Erdrinde ist für das Entstehen von Vulkauen
bedingend. Solche Brüche ziehen sich häusig an der Küste der
Kontinente hin und sind bestimmend gewesen für die Verbreitung
der Meere, und darum kann die Häufung der Vulkaue an der
Meeresküste nichts Auffälliges haben. Daß Vulkane an der Küste
des Atlantischen Ozeans — mit Ausnahme Westindiens und
Mittelafrikas — fehlen, kommt daher, daß die Küsten von alten
Schollen und nicht, wie die des Großen Ozeans, von jungen
Faltengebirgen gebildet werden. Die Bedeutung der großen Bruch-
linien für die Entstehung von Vulkanen wird dadurch deutlich
erwiesen, daß an der großen Grabenversenkung, die von Syrien
über das Tote und das Rote Meer zum Nyassa-See zieht,> neben
vielen erloschenen einige noch heute tätige Vulkane liegen. (Fig. 27.)
Wo mehrere Bruch linien sich kreuzen, entstehen ost ganze Gruppen
von Vulkanen (Azoren, Kanarische Inseln u. a.).
Über unterseeische Vulkane hat jtnan naturgemäß wenige
Beobachtungen machen können. Daß aber dem Meeresboden
vulkanische Ausbrüche keineswegs gefehlt haben, zeigt einesteils
die Menge lockeren Auswurfsmaterials in den Tiefseeablagerungen,
anderseits die
mehrmals beob-
achtete Entste-
hung vulkani-
scher Inseln mit-
ten im Meere.
Dafür spricht
ferner der Um-
stand, daß die
meisten Koral-
leninseln der
Südsee Sockel
mit den steilen
Böschungen der
Vulkanberge ha-
ben. Endlich hat
man einigemale
aufzufällig vor-
überfahrenden
Schiffen gerade-
zu beobachten
tonnen, wie in-
folge untersee-
ischer Erupti-
onen Bodener-
schütterungen
auf dem Schiffe
sich als Stöße
bemerkbar
machten, wie
Wassersäulen
von größerer
oder geringerer
Höhe sich * er-
hoben, und wie
Asche und Bims-
steinstücke aus
dem Wasser em-
porgeschleudert
wurden. Auf
solche unter-
seeischen Aus-
brüche sührt
man das Ent-
stehen der sog.
Erdbeb enslut-
wellen (©. 57)
zurück.
Die Ursache
für das Auf-
steigen des
Magmas bei
Figur 27
— 52 —
den Eruptionen und die Herkunft des dabei tätigen Wasserdampfes
hat die Forschung bisher noch nicht vollständig befriedigend zu
erklären vermocht. Ohne Frage spielt der - Wasserdampf beim
Empordringen des Magmas eine sehr wichtige Rolle, und die
durch ihn bewirkten Explosionen offnen gewöhnlich den Eruptions-
kanal oder sprengen auch mitunter einen neuen Schlot durch die
Gesteinsschichten. Da aber bei reinen Lavaausbrüchen die Dampf-
explosionen fast gänzlich zurücktreten, so muß in solchen Fällen
eine andere Kraft die Lava heben. Man nimmt hier als wirkend
die Zusammenziehung der Erdrinde an, die das Magma gleich-
sam hervorquetscht, und diese Annahme wird gestützt durch das
häusige Vorkommen der Vulkane an den großen Bruchlinien der
Erdrinde. Der letztgenannte Umstand weist zugleich daraus hin,
daß der Wasserdamps bei den Eruptionen dadurch entsteht, daß
Meerwasser oder Wasser aus den atmosphärischen Niederschlügen
durch die Gesteinsspalten bis zu den Vulkanherden hinabsickert.
Demnach müssen diese in nicht sehr erheblicher Tiefe unter der Erd-
oberfläche liegen, so daß zu diesen sog. „Magmanestern" inner-
halb der starren Erdkruste das bekanntlich auch festes, spalten-
freies Gestein allmählich durchdringende Wasser hinabgelangen
kann. Seit der Entdeckung von tätigen Vulkanen inmitten großer
Landmassen gewinnt jedoch die Anschauung, daß das Magma an
und sür sich Wasserdampf enthält, innner größere Berechtigung.
Auch führt man das Entstehen von Eruptionen darauf zurück,
daß die in der Tiefe liegenden Gesteine, welche infolge des un-
geheuren Druckes der aufliegenden Massen einen erhöhten Schmelz-
pnnkt haben, zum Schmelzen kommen und als Magma austreten,
sobald durch eine Spaltenbildung der Druck verringert und ihr
Schmelzpunkt daher erniedrigt wird. Jedoch auch dann ruft
meist das durch die Spalten hinabsickernde Wasser die gewaltigen
Dampfexplosionen und damit die furchtbaren Ausbrüche hervor.
2. Erdbeben.
Wir beobachten nicht selten, daß der von uns bewohnte Erd-
boden, den wir im allgemeinen als fest und unbeweglich anzn-
sehen gewöhnt sind, durch das Fahren eines schlverbeladeuen
Wagens, durch das Rollen eines Eisenbahnzuges, durch das Nieder-
fallen gewichtiger Lasten und durch Ansannnlung großer Menschen-
massen in geringem Maße erschüttert wird. Mit Hülse sehr
empfindlicher Instrumente hat man außerdem nachgewiesen, daß
sowohl die abwechselnde Erwärmung und Abkühlung der obersten
Erdschicht infolge der täglichen Temperaturschwankungen, als auch
Stöße des Windes und der Brandung an den Küsten oder Luft-
druckschwankungen schwache Erzitterungen des Erdbodens bewirken
können. Allen diesen Erschütterungen der Erdrinde liegt eine
von außen kommende Ursache zu Grunde. Neben ihnen gibt es
53
aber auch solche, die unzweifelhaft von einer unter der Erd-
oberfläche liegenden Stelle ausgehen, und diese sich mehr oder
weniger ruckweise äußernden Erschütterungen nennt man Erd-
bebe n.
' Die Wirkungen, welche ein Erdbeben hervorruft, sind je
nach seiner Stärke und Dauer außerordentlich verschieden. Mit-
unter sind die Stöße so schwach, daß nur eigens zu ihrer Beob-
achtung hergestellte, sehr empfindliche Instrumente (Seis-
mographen*) von ihnen beeinflußt werden. Häufig ist die Er-
schütterung so stark, daß Bäume und Sträucher schwanken, Häuser
Risse erhalten oder wohl gar einstürzen und Menschen zu Boden
geworfen werden. In einzelnen Fällen ist die Wirkung eines
Erdbebens so surchtbar, daß wohl kein anderes Naturereignis in
gleichem Maße Zerstörungen zu verursachen und Schrecken zu
verbreiten vermag. In wenigen Minuten werden dann ganze
Ortschaften zerstört, im Erdboden bilden sich Risse und Spalten,
und größere Erdschollen versinken in die Tiefe; Tausende von
Menschen finden einen schrecklichen Tod. Bei dem Erdbeben in
Lissabon am 1. Nov. 1735 wurden in 6 Minuten mehr als die
Hälfte sämtlicher Häuser zerstört, wobei mehrere tausend Menschen
umkamen; der Quai am User des Tajo sank in die Tiefe und riß
weitere Tausende, die sich dorthin geflüchtet hatten, mit hinab. In
Japan wurden am 28. Oktober 1891 bei einem Erdbeben über
7000 Menschen getötet, über 17 000 verivundet und sast 200000
Gebäude ganz, über 70000 teilweise zerstört. In Südamerika
sanden allein 1868 über 70000 Menschen durch Erdbeben ihren
Tod. Erst in jüngster Zeit, am 18. April 1906, wurde die
prächtige Stadt San Franziska durch ein Erdbeben mit nach-
folgender Feuersbrunst sast gänzlich vernichtet, und wenige
Monate später, am 16. August 1906, erlitt Valparaiso in Chile
ein ähnliches Schicksal, desgleichen im Januar 1907 Kingston auf
Jamaika,
Die Wirkungen, welche ein Erdbeben an den verschiedenen
Orten des erschütterten Gebietes hervorruft, sind sehr ungleich.
Sie werden namentlich bedingt durch die Art der Bewegung,
welche der Erdboden an
den einzelnen Stellen des E" a ^
betroffenen Bezirks macht,
und diese Bewegung ist
wieder abhängig von der
Entstehung und Fortpflan-
zung des Stoßes. Je-
der Erdstoß geht aus von
einer Stelle unter der Erd-
oberfläche,dem Erdbebenzen-
trum oder richtiger, da es Figur 28.
Gr. seismös, Erschütterung.
\
— 54 —
meistens eine Linie oder Fläche ist, dem Erdbebenherd. Von
diesem pflanzt sich die Bewegung nach allen Seiten wellenförmig
und — gleichartige Gesteinsmassen vorausgesetzt — mit gleicher
Geschwindigkeit fort. (S. Fig. 28.) Der Ort E, welcher genau
über dem Erdbebenherd Z liegt, wird zuerst von einer Welle ge-
troffen und erhält den stärksten, senkrecht von unten kommenden
Stoß. Man nennt ihn das Epizentrum. Je weiter eiu
Punkt der Erdoberfläche vom Epizentrum entfernt ist, desto
später und in desto schrägerer Richtung wird er von
einem Stoße getroffen. Trifft die Erschütterung die Ober-
fläche unter einem großen Winkel, so erteilt sie ihr eine
stoßweise oder sukkussorische Bewegung, während diese wellen-
förmig oder nndulatorisch erscheint, wenn der Winkel sehr spitz
ist. Darum äußert die Erschütterung im Epizentrum ihre stärksten
Wirkungen, so daß dort mitunter Menschen und Häuser in die
Höhe geschleudert und Leichen aus den Gräbern geworfen werden.
Mit der Entfernung eines Ortes vom Epizentrum nimmt auch
die an ihm bemerkbare Wirkuug des Erdbebens ab.
Von besonderer Bedeutung für die Intensität des Erdbebens
ist die Beschaffenheit des Untergrundes an der betreffenden Stelle.
Zahlreiche Beobachtungen haben gezeigt, daß die Erschütterungen
im lockeren Boden verderblicher wirken als bei festem Gesteins-
Untergrund, vorausgesetzt, daß die Aufschüttungen von Schwemm-
land nicht eine große Mächtigkeit besitzen. Ist das hingegen der
Fall, so wird der Stoß durch die lockereu Schichten gleichsam
gedämpft, und seine Wirkungen an der Erdoberfläche erscheinen
abgeschwächt. Bei leichten Erschütterungen üben selbst lockere
Bodenbedeckungen von geringer Dicke solche abschwächende Wirkung.
Man kann deshalb sagen: „Unter sonst gleichen Verhältnissen
hat Felsland mehr, aber schwächere Beben, als seichter Auf-
schüttungsboden,: Aufschüttungsboden von großer Mächtigkeit da-
gegen wenig und schwache Beben." (Supern.)
Die Verbreitung der Erdbebenwellen ist sowohl hin-
sichtlich der Größe des berührten Gebiets, als auch bezüglich der
Geschwindigkeit des Fortschreitens von mancherlei Umständen ab-
hängig. Im allgemeinen erschüttern starke Stöße eine größere
Fläche und pflanzen sich auch schneller sort als schwache. Ein
bestimmtes Verhältnis zwischen der Intensität des Bebens und
der Ausdehnung des Schüttergebietes besteht jedoch nicht; oft ver-
breiten sich sogar starke Stöße über ein viel geringeres Gebiet
als schwache Erschütteruugen. So blieb das heftige Erdbeben,
durch welches 1883 die Stadt Casamicciola auf Jschia gänzlich
zerstört wurde, auf die kleine Insel beschränkt, während das
schwache mitteldeutsche Beben von 1872 sich über eine Fläche gleich
der Hälfte des preußischen Staates erstreckte. Mitunter machen
sich starke Erdbeben noch in sehr weit entfernten Gegenden
bemerkbar und ziehen wohl gar die Hälfte der Erdoberfläche in
Mitleidenschaft. Die japanischen Beben von 1891 und 1894
— 55 -
wurden von den Instrumenten der Beobachtungsstationen zu
Potsdam und Wilhelmshaven angezeigt, und das argentinische
Beben von 1895 wurde sowohl in Rom uud Charkow (13 500 km),
als auch tu Tokio (17400 km) bemerkt. Das kalifornische und
das chilenische Beben von 1906 beeinflußten die Seismographen
vieler europäischer Erdbebenstationen. Für die Größe des
Schüttergebiets ist die Tiefenlage des Erdbebenherdes von wesent-
lichem Einfluß, so daß Beben mit tiesliegenden Herden weitere
Verbreituug haben als solche, die von Stellen nahe der Erd-
obersläche ausgehen. — Die Geschwindigkeit, mit der Erd-
bebenwellen fortschreiten, ist bei starken Stößen größer als bei
schwachen. Sie beträgt im Mittel 300 bis 1000 m in der
Sekunde und wird wesentlich beeinflußt von der Beschaffenheit
des Gesteins, in dem die Welle sich fortpflanzt. Dichtes Gestein
leitet die Erschütterung besser fort als lockere Schichten, und
häufiger Gesteinswechsel beeinträchtigt die Fortpflanzungsgeschwin-
digkeit. Die geringen Erschütterungen des Bodens, die sich bei
einem Beben aus weite Gebiete erstrecken (Fernbeben), pflanzen
sich bedeutend rascher sort als die unmittelbar fühlbaren Wellen
im eigentlichen Erdbebenbezirk und haben eine mittlere Schnelligkeit
von 2 bis 5 km in der Sekunde. Die großen Geschwindigkeiten
in den Fernbeben und die ungeheure Ausdehnung des Schütter-
gebietes erklären sich aus der Art der Verbreitung der Wellen.
Diese pflanzen sich nicht, wie in Fig. 28 angenommen, konzentrisch
fort, sondern exzentrisch mit wachsender Schnelligkeit nach dem
Erdinnern zu, weil mit der Tiefe sich auch die Dichtigkeit des
Gesteins steigert. Auch bilden die Stoßstrahlen nicht gerade
Linien, sondern sie werden beim Durchschneiden verschieden dichter
Schichten so gebrochen, daß sie sich hyperbolisch nach oben biegen.
(Fig. 29.) Es können also auch die wagerecht vom Zentrum aus-
gehenden Strahlen, ja
selbst bis zu einem ge-
wissen Winkel die ins
Erdinnere gerichteten zur
Oberfläche gelangen, und
gerade die durch diese
Linien angedeuteten Wel-
len haben auf ihrem Wege
in der Tiefe eine größere
Geschwindigkeit als die
längs der Oberfläche ver-
laufenden. Mg, 29.
ctL der Fortpflanzung der Erdbebenwellen
Erdbeben ist in man- (nach A. Schmidt),
chen Gebieten sehr be-
trächtlich, während andere äußerst selten von einer Erschütterung
heimgesucht werden. Besonders oft kommen Beben in vulkanischen
Gebieten und in den Gegenden vor, welche großen Bruchlinien
V
— 56 —
benachbart sind und sehr gestörte Erdschichten haben. Zu den von
Erschütterungen oft betroffenen Ländern gehören Italien, Griechen-
lanb, die Schweiz, das Gebiet der Ostalpen, der West- und Nord-
rand Südamerikas, Zentralamerika, Kalifornien, Island, viele
Südseeinseln und vor allem Japan. In letzterem Lande beob-
achtete man in den Jahren 1885—1889 599 Beben, also durch-
schnittlich 120 in einem Jahre. Die Zahl der einzelnen Stöße,
deren jedes Beben gewöhnlich mehrere bringt, war in diesem
Zeiträume natürlich ganz erheblich größer. * Sehr wenig Er-
schütterungen hat das große Tiesland in Norddeutschland, Ruß-
land und Nordasien erfahren. — Die Dauer eines Stoßes beträgt
meist nur einige Sekunden; aber das Erzittern des Bodens währt
oft noch mehrere Minuten nachher. Nur fehr selten besteht das
Erdbeben aus einem einzigen Stoße; in der Regel erfolgen in
kürzeren oder längeren Zwischenräumen mehrere Stöße, und oft
vergehen Jahre, ehe die Erde au der erfchütterteu Gegend wieder
vollständig ruhig ist.
Die Ursachen der Erdbebeu können dreisacher Art sein,
und man unterscheidet nach ihnen vulkanische Beben, Ein-
sturzbeben und tektonische Beben.
a) Die vulkauischeu Beben geheu deu Ausbrüchen eines
Bülkaus voran oder begleiten dieselben. Sie werden namentlich
durch die Dampfexplosionen im Eruptionskanal hervorgerufen
und hören meist auf, sobald die deu Schlot verstopfenden Massen
herausgeschleudert sind uud die Lava austritt. Gewöhnlich haben
vulkanische Beben geringe Verbreitung, rufen aber trotzdem uicht
selten furchtbare Verheerungen hervor.
b) Die Einsturzb eb en werden dadurch veranlaßt, daß die
Wandungen von Hohlräumen in der Erde (entstanden durch Auf-
lösung von Steinsalz, Gips, Kalk u. s. w.) zusammenstürzen und
Erschütterungen hervorrufen, die an der Oberfläche als Beben
sich bemerkbar machen. Gleich den vulkanischen Beben erstrecken
die Einsturzbeben sich auf kleine Gebiete.
c) Die tektonischen oder Dislokationsbeben kommen
vorzugsweise in der Nähe großer Bruchlinien der Erdkruste und
in jüngeren Faltengebirgen vor. Schon dieser Umstand deutet
daraufhin, daß sie infolge noch andauernder Dislokationen im
Bau der Erdkruste hervorgerufen werden. Die tektonischen Beben
haben meist weite Verbreitung, lange Dauer und große Heftigkeit.
Bei ihnen ist das Schüttergebiet je nach der Ausdehnung des
Erdbebenherdes gewöhnlich eine lange Linie oder eine weite
Fläche. Danach unterscheidet man die tektonischen Beben in
lineare und in Flächenbeben. Im Gegensatz dazu bezeichnet man
die unter a und b genannten Erdbeben, deren Herd sehr beschränkt,
also etwa punktförmig ist, als zentrale Beben; jedoch können
auch Dislokationsbeben zentral sein. Diese genetische Einteilung
gewinnt freilich erst dann volle praktische Bedeutung, wenn man
— 57 —
inistand e ift, für jedes Beben die Ursache bestimmt anzugeben
Das ist aber in vielen Fällen bis jetzt noch nicht möglich.
Teebeben und Erdbebenfluten. Ahnliche Erschütterungen,
wie sie ein Erdbeben im sesten Lande hervorruft, erleiden
auch die Wassermassen der Meere. Man nennt sie Seebeben.
Sie entstehen durch Ausbrüche unterseeischer Vulkane oder durch
Lagerungsstörungen im Meeresboden. Die Stöße pflanzen sich
vom Meerboden durch das Wasser fort und werden auf zufällig
vorüberfahrenden Schissen auch als solche empfunden, mitunter
so stark, daß sie den Eindruck hervorrufen, als sei das Schiff auf
ein Riff aufgefahren. Ein donnerartiges, unterseeisches Getöse
pflegt die Erscheinung zu begleiten, indes Wellenbewegungen oft
gänzlich fehlen. — Ruft ein Seebeben im Meeresspiegel und an den
Küsten nur geringe Bewegungen des Wassers hervor, so sind im
Gegensatz dazu die sog. Erdbebenfluten von außerordentlich
vernichtender Wirkung. Bei ihnen tritt in der Regel das Meer
erst weit von der Küste zurück, um dann in ungeheurer Welle
mit unglaublicher Gewalt zum User zurückzufluten und dieses zu
verheeren. Dieser schreckliche Vorgang pflegt sich mit kurzen
Pausen mehrmals zu wiederholen. Die Erdbebenfluten verbreiten
sich meist mit ungemeiner Schnelligkeit über die größten Ozeane.
So lief die ungeheure Flutwelle, welche durch den letzten Krakatau-
Ausbruch 1883 erzeugt wurde, und die an den benachbarten
Küsten Javas und Sumatras reichlich 20 m hoch war, um Süd-
afrika herum bis nach dem Kap Hoorn in Südamerika; sie legte
die 14000 km lange Strecke in 17 Std. zurück und hatte noch beim
Kaplande in Afrika eine mittlere Geschwindigkeit von 700 km
in der Stunde.
8. Strcrndverl'cbteBitvtcjen.
Wir haben gesehen, daß die Erdbeben in ruckweisen Ver-
schiebungen von Teilen der festen Erdrinde bestehen. Die Wir-
kungen dieser plötzlichen Erschütterungen bemerken wir als Stöße
oder Schwankungen; aber nach dem Beben können wir Lagen-
Veränderungen der Erdschollen in der Regel nicht erkennen. Im
Gegensatz zu den Erdbeben kommen auch Bewegungen großer
Teile der Erdkruste vor, von denen uns nur die eintretenden
Lagenveränderungen Kunde geben, während wir die Bewegungen
selbst nicht unmittelbar verspüren.
Diese Krustenbewegungen bestehen in Aufwölbungen oder
Senkungen großer Erdschollen und erfolgen äußerst langsam, so
daß man sie als säkulare*) Hebungen und Senkungen
bezeichnet. Sie sind im Innern des Landes wegen des Fehlens
von Vergleichungspunkten überaus schwer zu erkennen, aber an
den Küsten durch Verschiebung der Strandlinie deutlich bemerkbar.
*) Von lat. saeculum. Jahrhundert.
— 58 —
Da diese Linie, verglichen in ihrer Lage mit festen Punkten der
Küste, nach langen Zeiträumen in einigen Gegenden höher hin-
ausgeschoben, in andern gesenkt erscheint, so hat man die Strand-
Verschiebungen als säkulare Hebung bzw. Senkung bezeichnet.
Bei der Beobachtung einer solchen Strandverschiebung bleibt aber
ungewiß, welcher Teil sich bewegt hat, ob also bei einer Hebung
der Küste diese emporgestiegen ist, oder ob das Meeresniveau
sich gesenkt hat. Darum hat man (nach dem Vorschlage von
E. Sueß) für obige Bezeichnungen die Ausdrücke positive und
negative Niveauveränderung gewählt. Man spricht von
einer positiven Niveauveränderung, wenn der Meeresspiegel steigt
oder das Land sich senkt, und eine negative Veränderung ist
gleichbedeutend mit einer Senkung der Meeres oder einer Hebung
des Landes. (Vgl. die Bezeichnungen für das Steigen und
Fallen des Quecksilbers im Thermometer.) Supan setzt dafür
die Benennungen kontinentale Strandverschiebung, wenn
sie zugunsten des Landes geschieht, und marine Strandver-
schiebung, wenn das Meer dabei gewinnt. Da diese Ver-
Schiebungen im wesentlichen durch wirkliche Hebungen und
Senkungen des Landes hervorgerufen werden, so mögen hier die
alten Ausdrücke Hebung und Senkung als Bezeichnungen für das
Aufsteigen bezw. Untertauchen der Küste beibehalten werden, zu-
mal sie mehr als jene Neubenennungen geeignet sind, deutliche
Vorstellungen zu wecken.
Die Beispiele wirklicher Strandverschiebungen
infolge von Bewegungen der Erdkruste sind bei weitem nicht so
zahlreich, als man noch vor nicht gar langer Zeit annahm, und
bei der Feststellung solcher Niveauveränderungen kommen leicht
Täuschungen vor. Die meisten Fälle von Vorrücken des
Landes in das Meer hinaus entstehen nicht durch Hebung der
Küste, sondern durch Anhäufung von Schwemmland, wodurch
Häfen versanden, einstige Seestädte vom Meere abgeschnitten
werden (Ravenna, einst Hafenstadt, jetzt 7 km von der Küste
entfernt) und Inseln Landverbindung mit dem Kontinente
erhalten. Auch die Anwesenheit von Seetieren in den sog.
Reliktenseen, die angeblich Reste ehemaliger, das Land bedeckender
Meere sind, beweist nicht immer, daß das Land sich^ gehoben hat,
da die Seetiere oft durch Wanderung die Flüsse hinauf dorthin
gelangt sind. Selbst das sicherste Merkmal einer erfolgten Hebung
des Landes, das Vorkommen von Bänken mariner Muschelschalen,
kann zu Irrtümern insofern Veranlassung geben, als diese
Muscheln auch durch Menschen auf das Land gebracht sein können,
wie man es z. B. für die mit dem Namen „Küchenabfälle"
(Kjökkenmöddinger) belegten Muschelhaufen in Jütland nach-
gewiesen hat. — Noch zweifelhafter sind die angeblichen Anzeichen
für erfolgte Senkung des Landes. Die im Meere aufgefundenen
Reste ehemaliger Städte, Wälder oder Torfmoore können durch
örtliche Senkungen oder durch Abrutschen ihrer Unterlage dorthin
— 59 —
gelangt sein, ohne daß die Küste im allgemeinen sich gesenkt
hat. Ein Zusammensacken des durchfeuchteten Bodens im Strom-
delta ist gleichfalls ein lokaler Vorgang, der mit einer echten
Krustenbewegung nichts zu tun hat.
Trotz alledem steht fest, daß in manchen Gegenden wirkliche
Strandverschiebungen durch Krustenbewegungen erfolgt sind und
auch noch in der Gegenwart vor sich gehen. Ein besonders deut-
liches Beispiel für die Hebung des Landes bietet die Westküste
Skandinaviens. An ihr hat man drei, an einigen Stellen sogar
fünf übereinanderliegende Strandlinien gefunden. (Fig. 30.)
Fig. 30.
Das sind wagerechte, in die schrägen Hänge der Felsen ein-
geschnittene Flächen, die sich oft über lange Strecken hinziehen
und fast den Eindruck von sorgsam angelegten Kunststraßen
machen. Da sie weit über dem Bereich der höchsten Flutwelle
sich befinden und teils bis 180 m hoch liegen, anderseits aber
auf ihrer wagerechten Fläche keine Spur von Gletscherschlisfen
zeigen, also nicht durch Gletscher ausgeschabt sein können, so
bleibt für ihre Erklärung nur die Annahme, daß das Meer einst
bis zu ihrer Höhenlage den Strand bespülte. Die Brandungs-
welle deZ Meeres kann die Strandlinien aber auch nicht allein
hervorgerufen haben; denn diese finden sich auch an den Wänden
enger Fjorde bis tief in das Land hinein, und in diesen schmalen
Buchten kann die Brandung des Meeres unmöglich in solcher
Weise gewirkt haben. Es muß vielmehr angenommen werden,
daß das Meer in Verbindung mit dem Eise jene Linien heraus-
arbeitete, und auf die Mitwirkung des Eises dabei deutet auch
das Vorkommen der Strandlinien fast nur in hohen Breiten hin.
Die Frage, auf welche Weise das Meer mit jenen hochliegenden
Stellen in Berührung gekommen ist, hat man verschieden beant-
wortet. Von allen Erklärungen hat die Ansicht die größte
Wahrscheinlichkeit, daß das Land sich langsam aufgewölbt hat.
Genaue Messungen haben ergeben, daß die stärkste Hebung
zwischen der Wasserscheide und der Ostsee in einem elliptischen
Gebiete stattsand, beffen Längsachse die Linie Kristiania-Hapa-
randa darstellt. Von hier ab nahm die Aufwölbung nach allen
— 60 —
Seiten hin ab. Mit diesen Beachtungen steht in Übereinstimmung
die eigentümliche Tatsache, daß die Strandlinien an den Fjorden
landeinwärts allmählich ansteigen. — Eine solche der Küste ab-
gewandte Steigung zeigen auch die Strandlinien an den Binnen-
seen in Nordamerika, die Reste ehemaliger Seebecken der Diluvial-
zeit sind. Auch sie beweisen eine allmähliche Aufbiegung der Erdrinde;
denn wenn die heutigen Seen aus den einstigen großen Becken
lediglich durch Verdunstung oder einfaches Abfließen des Wassers
ohne Lagenänderung des Untergrundes entstanden wären, müßten
jene Linien horizontal verlaufen.
Wenngleich auch die Entstehung der alten Strandlinien als
Beweise für die säkulare Hebung des Landes der Vergangenheit
angehört und bis in die Eiszeit zurückreicht, so gehen derartige
Krustenbewegungen auch heute noch vor sich und sind durch
genaue Beobachtungen unzweifelhaft nachgewiesen. Säkuläre
Senkungen des Landes lassen sich viel schwerer mit Gewißheit
feststellen, als Hebungen desselben, da einesteils das Meer die
gesunkenen Küsten der Beobachtung entzieht, anderseits aber
gerade hierbei, wie früher erwähnt, örtliche Strandveränderungen
durch Abrutschen, Zusammensinken der Küstengebiete u. dgl. sehr
leicht irreführen. Als Folgen solcher Senkungen sieht man die
Entstehung der Fjorde (©. 111), die Abgliederung von Halbinseln und
kontinentalen Inseln an, wenngleich auch diese Erscheinungen
nicht selten andere Ursachen haben. Von vielen Forschern wird
nach Darwins Vorgange auch die Bildung von Koralleninseln
zu umfassenden Senkungen des Landes in Beziehung gebracht.
(S. 106.) In einzelnen Fällen ist nachgewiesen, daß ein und das-
selbe Gebiet sich periodisch abwechselnd hob und dann wieder
senkte. Für eine derartige örtliche Lagenveränderung bietet die
Ruine des alten Serapistempels am Golf von Pozzuoli ein
vielgenanntes Beispiel. Der noch ums Jahr 200 n. Chr. nnver-
sehrte Tempel wurde später zerstört. Drei jetzt noch stehende Säulen
sind in einer Höhe von 3'/z bis 6 m von Bohrmuscheln angenagt.
Sie beweisen, daß das Meer sie bis 6 m Höhe bespülte, nachdem
sie 3j/2 m hoch von Schutt umlagert waren. Die Küste muß
sich also wenigstens 6 in gesenkt haben, um später wieder empor-
zusteigen.
0. Umgestaltung der Erdrinde von auhen.
(Exogene Vorgänge.)*)
Alle bisher besprochenen Veränderungen in der Gestalt der
festen Erdoberfläche, hervorgerufen durch Verwerfung, Faltung
oder andere Lagerungsstörungen, durch vulkanische Vorgänge,
Erdbeben oder Strandverschiebungen, sind im letzten Grunde
*) Von gr. exö, draußen; endon, innen: gennao, ich erzeuge.
— 61 —
Folgen der Änderungen, die die Eigenwärme der Erde betreffen.
Da sie aus dem Innern der Erde heraus entstehen, so faßt man
sie wohl unter der Bezeichnung „endogene Vorgänge" zusammen.
Ihnen gegenüber stehen die Erscheinungen, welche von außen her
eine Umgestaltung der Erdrinde bewirken, und die man deshalb
„exogene Vorgänge" nennt. Fast alle haben ihre letzte Nr-
sache in den Wirkungen der Sonne aus die Erdoberfläche. Teil-
weise werden sie durch direkte Einwirkung der Sonnenstrahlen
hervorgerufen, zum andern Teile aber durch die von der Sonne
wieder veranlaßten Bewegungen des Wassers und der Luft
bewirkt, wobei chemische Prozesse und Wirkungen der Schwerkraft
gleichfalls tätig sind. Die wechselnde Erwärmung und Abkühlung
läßt in Verbindung mit chemischen Vorgängen die Gesteine an
der Erdoberfläche verwittern, die entstandenen Trümmer stürzen
unter dem Zuge der Schwerkraft hinab oder werden vom Winde,
vom strömenden Wasser oder vom Eise abwärts geführt und
helfen dabei wieder in mannigfaltiger Weise andere Stellen der
Oberfläche zerstören, bis sie endlich abgelagert werden und vor-
läufig zur Ruhe gelangen. Selbst das einsickernde Regenwasser
untergräbt und zerstört nicht selten die oberen Schichten der
Erdrinde.
Die exogenen Vorgänge, deren Resultate sich als Zerstörung,
Abfuhr und Ablageruug darstellen, gleichen allmählich die Un-
ebenheiten der Erdrinde aus, indem sie die Erhöhungen abtragen
und die Vertiefungen auffüllen. Wenn wir im folgenden die
einzelnen Vorgänge nacheinander betrachten, fo ist dabei von
vornherein festzuhalten, daß sie meistens sich gegenseitig ergänzen,
und daß bei jedem Vorgange Zerstörung uud Aufbau eng mit-
einander verbunden sind. Nur die Verwitterung an sich wirkt
ausschließlich zerstörend, wenn sie auch zugleich das Material zu
neuen Ablagerungen schafft.
1. Verwitterung.
Wo das Gestein frei an der Erdoberfläche liegt oder von
nur dünnen Erd- oder Pflanzendecken überlagert ist, wird es von
Temperaturschwankungen der Tages- und Jahreszeiten be-
einslußt. Wenn auch diese Schwankungen das Gestein nur bis
zu geringer Tiefe hinab berühren, fo genügen sie doch, eine Ver-
änderung der obersten Schichten hervorzurufen. Mit jeder
Steigerung der Temperatur dehuen diese sich aus, und bei ab-
nehmender Erwärmung ziehen sie sich wieder zusammen. Da
aber die tieferen Schichten diese Bewegungen wegen ihrer gleich-
bleibenden Temperatur nicht mitmachen, so müssen Spannungen
im Gestein entstehen, die endlich parallel zur Oberfläche laufende
Sprünge erzeugen und ein Abblättern der oberen Schichten be-
wirken. Jede durch Abkühlung bewirkte Zusammenziehung der
oberen Gesteinsschichten verursacht außerdem in diesen Partien
V
— 62 —
Spannungen, die zur Oberfläche parallel verlaufen und senkrecht
zu ihr liegende Sprünge entstehen lassen. Bei wechselnder Tem-
peratur klaffen die Sprünge auseinander und verengen sich
wieder und bewirken so endlich eine Lockerung des oberen Gesteins
und ein Zerfallen desselben in Trümmer. Hat ein Gestein voll-
kommen gleichförmige Struktur, so äußert sich die Verwitterung
als Abblättern oder Abspringen dünner Schalen; im andern
Falle reißen die Teile, welche den geringsten Widerstand bieten,
am tiefsten ein, und es bilden sich kleine Blöcke. Wenn das zer-
trümmerte Gestein durch Wind oder Wasser nicht weggeführt
wird, fo hört die Verwitterung in der Tiefe, bis zu welcher die
Temperaturschwankungen reichen, zuletzt auf; wird aber die unter-
liegende feste Gesteinsmasse vom Schutt entblößt, so beginnt der
Vorgang von neuem.
Die Verwitterung wird außerordentlich beschleunigt, sobald
Wasser in die Gesteinsspalten dringt und dort gefriert. Das
sich bildende Eis beansprucht größeren Raum als das Wasser
(welches bekanntlich bei +4° C. seine größte Dichtigkeit hat) und
zersprengt dadurch die Gesteine. Auch die in die Risse ein-
dringenden Pflanzen wurzeln üben bei fortschreitendem
Wachstum eine sprengende Wirkung aus.
So wird also das Gestein durch Temperaturschwankungen,
durch das Wasser und durch die Pflanzenwelt auf mechanische Weise
gelockert und immer mehr zerkleinert. Man nennt diese Art der
Gesteinszerstörung die mechanische Verwitterung. Sie
sindet nur an der Oberfläche der Gesteine bis zu einer geringen
Tiese hinab statt und hört aus, sobald eine genügend starke Decke
von Schnee, Eis, Schutt u. dgl. das Gestein bedeckt. Besonders
großartige Wirkungen zeigt sie in Gebieten mit häufigen und
starken Temperaturschwankungen (Sahara) und in höheren Breiten
mit scharfen Winterfrösten.
Neben der mechanischen arbeitet die chemische Verwitterung
in erfolgreichster Weise an der Umgestaltung der Erdoberfläche, indem
sie die Gesteine teils vollständig auslöst, teils durch Zersetzung der
Bindemittel in ihrer Struktur lockert. Die chemische Verwitterung
ist namentlich an das Vorhandensein von Feuchtigkeit gebunden,
und damit wird dem Wasser eine zweite wichtige Rolle in dem
Verwitterungsprozeß zugewiesen. Freilich kann reines Wasser
nur wenige Mineralien lösen; aber das auf der Erde vorkommende
Wasser enthält fast immer geringe Mengen von Kohlensäure oder
von Humussäure, die es aus der Lust oder verwesenden Pflanzen-
teilen aufnimmt, sowie mancherlei andere Beimischungen (so in
den Tropen häusig etwas salpetrige Säure).
Die Mineralien verhalten sich gegen die chemische Ver-
Witterung sehr verschieden. Reiner Kalk, Gips (schwefelsaurer
Kalk), Steinsalz und Gesteine, die Beimischungen von Kalk oder
Feldspat haben, werden vom Wasser entweder ganz aufgelöst oder
— 63 —
doch zersetzt; andere hingegen, namentlich Quarz- und Ton-
gesteine, widerstehen der chemischen Verwitterung, soweit sie nicht
lösliche Bindemittel aufweisen. Eruptivgesteine werden in der
Regel um so schneller zersetzt, je grobkörniger ihre Struktur ist, so
daß z. B. Granir rascher verwittert als Vasalt.
Bei der chemischen Verwitterung wirken die P s l a n z e n ebenfalls
in hervorragender Weise mit. Ihre Wurzeln können im lebenden
Zustande vermöge der in ihnen enthaltenen organischen Säuren
durch Endosmose den Gesteinen mineralische Bestandteile ent-
ziehen, und bei ihrem Absterben entwickeln sie die sog. Humus-
säure, die zersetzend auf Gesteine einwirkt. Selbst scheinbar nackte
Felswände werden durch Organismen angegriffen. In den
Alpen, den Pyrenäen, dem Wasgenwalde und andern Gebirgen
hat man gefunden, daß mikroskopisch kleine Organismen die
Felswände überziehen und sogar in die feinsten Poren des
Gesteins eingedrungen sind. So ist das Faulhorn in den Berner
Alpen von ihnen bis tief in das Innere des Berges hinein zer-
fressen, „angefault", wie der Name andeutet. Ebenso bekleiden
manche kleine Flechten kahle Felsen mit einem staubartigen
Überzuge und zersetzen nach und nach ihre Unterlage.
Da das Wasser in die feinsten Spalten und Poren der Ge-
steine eindringt, so reicht die chemische Verwitterung von der
Oberfläche tiefer hinab als die mechanische. Sie kann unter
Umständen noch in bedeutender Tiefe die Klüfte, in denen Wasser
hinabsickert, durch Zersetzung ihrer Wandungen erweitern und —
namentlich in Kalkgebirgen — zu großen Höhlen umgestalten.
Eine dichte Pflanzendecke gewährt den Gesteinen gegen die
chemische Verwitterung allerdings dadurch einen gewissen Schutz,
daß sie das Wasser zurückhält. Wo aber mehr Niederschläge
fallen, als die Vegetation aufnehmen'kann, oder wo — wie in
den Tropen — sehr üppiger Pflanzenwuchs durch Verwesung viel
Humussäure erzeugt, da greift die chemische Verwitterung erst
recht tief und schafft einen „tiefgründigen" Boden. — Nicht
selten findet man, daß Gesteine an der Oberfläche eine harte
„Verwitterungskruste" zeigen, während im Innern die Zersetzung
weiter fortschreitet. Die Erscheinung erklärt sich daraus, daß in-
folge starker Verdunstung das Wasser in dem Gestein emporsteigt
und durch die mitgeführten Lösungsprodukte die Poren verstopft.
Ebenso wird durch Zuschlemmung der feinen Gesteinsösfnungen
mit unlöslichen Bestandteilen der chemischen Verwitterung nach
der Tiefe hin eine Grenze gesetzt.
Obgleich mechanische und chemische Verwitterung meistens
zusammen^ an der Zerstörung der Gesteine wirken und sich gegen-
seitig ergänzen, Jo ist doch in vielen Gebieten die eine Art
vorherrschend, während die andere mehr oder weniger zurücktritt.
In Wüsten, wo der kahle Boden schnell von den Sonnenstrahlen
stark erwärmt wird, aber auch die Wärme rasch wieder ausstrahlt,
— 64 —
ist infolge der bedeutenden Unterschiede zwischen Tag- und Nacht-
temperatur die mechanische Verwitterung sehr groß, obgleich
Frostwirkungen hier wegen der mangelnden Feuchtigkeit fehlen;
chemische Verwitterung tritt des fehlenden Wassers wegen ganz
zurück. Letztere ist auch in den Hochgebirgen und in höheren
Breiten gering, da kaltes Wasser das Gestein weniger beeinflußt
als warmes; dagegen ist dort die mechanische Zertrümmerung
der nicht vom Schnee bedeckten Gebirge durch den häufigen und
scharfen Frost ganz gewaltig. Kontinentales Klima begünstigt
infolge der großen Temperaturschwankungen die mechanische,
ausgeprägtes Seeklima durch die vielen Niederschläge die chemische
Verwitterung. In den dichten Tropenwäldern, wo Wärme, große
Feuchtigkeit und reiche Vegetation zusammenwirken, greift die
Umgestaltung des Bodens auf chemischem Wege besonders tief,
während die mechanische Verwitterung der Gesteine fast gar nicht
in Frage kommt.
Bodenbildung durch Verwitterung. Durch die mecha-
nische Verwitterung wird das feste Felsgestein in Steinschutt
(Blöcke, Geröll und Sand) ausgelöst. Aus diesem entsteht, vor
allem durch die chemische Verwitterung und durch die Vermischung
der Verwitterungsprodukte bei ihrer Wegführung und Ablagerung,
die fruchtbare Erdkrume, die befähigt ist, eine Vegetation zu
ernähren. Nach seiner Zusammensetzung teilt man den Boden
in verschiedene Arten. Sandboden enthält wenigstens 80 °/0 Sand,
Tonboden mindestens 65 °/0 Tonmasse; Lehmboden ist ein Gemenge
von Ton und seinem Sand; Mergel setzt sich aus höchstens 75 °/o
Ton, mindestens 15% Kalk und noch anderen Beimischungen
zusammen. Aus zersetztem Gestein und verwesenden Pflanzen-
resten entsteht durch Vermengung beider zu etwa gleichen Teilen
der Humusboden. Bei seiner Bildung sind in erheblicher Weise
die Regenwürmer dadurch beteiligt, daß sie große Mengen Erde
nebst vielen Pslanzenstossen verschlingen und wieder ausscheiden.
In tropischen Gegenden werden durch chemische Verwitterung
mächtige Lagen von Laterit^) gebildet. Dieser Boden ist ein
sandig-lehmiger Verwitterungsrückstand, ähnlich unserm Lehm;
er hat durch starken Eisengehalt ziegelrote Färbung erhalten.
Würden die Verwitterungsprodukte an Ort und Stelle liegen
bleiben, so würden sie die ganze Landoberfläche zudecken und dem
weiteren Fortschreiten der Verwitterung Einhalt tun, so daß die
Umgestaltung der Erdoberfläche durch Verwitterung, namentlich
die Herausarbeitung der vielgestaltigen Verwitterungsformen
(S. 67) nur in beschränktem Maße möglich wäre. Die Gesteins-
trümmer bleiben aber nur in der vollkommenen Ebene an Ort
und Stelle liegen, soweit der Wind sie nicht von hier fortschafft.
In allen Gegenden, die nur im geringsten geneigt sind, werden
sie jedoch außer vom Winde noch durch Absturz infolge ihrer
*) Von lat. later, Ziegelstein.
— 65 —
eigenen Schwere oder durch die Arbeitsleistung des bewegten
Wassers entfernt. Die Abfuhr der Verwitterungsprodukte bezeichnet
man als Denudation oder Entblößung.^)
2. Absturz.
Die durch Verwitterung entstandenen Gesteinstrümmer stürzen
von steilen Abhängen infolge ihres eigenen Gewichts hinab,
sobald die Neigung der Fläche bedeutend genug ist, daß die
Reibung überwunden werden kann. Der Absturz geschieht meistens
gleich nach ihrer Lostrennung, bisweilen jedoch auch erst dann,
wenn die unterliegende Felswand durch Regenwasser schlüpfrig
geworden ist. Die herabgestürzten Trümmer häufen sich am
Fuße des Abhanges zu Schutthalden auf. Diese wachsen mit
der Zeit weiter ins Tal hinaus und bedecken den Fuß des Berges
immer höher. Sie haben einen bestimmten Böschungswinkel,
der bei trockenen Schuttmassen ungefähr 30° beträgt und im
allgemeinen immer gleich bleibt. Schaffen neue Schuttmassen
auch für kurze Zeit steilere Böschungen, so wird doch bald durch
Abrutschen der steiler ansteigenden Teile eine der vorigen gleiche
Böschung bewirkt. Wie ein Haufen trockenen Sandes durch
Aufschütten neuer Sandmassen zwar höher wird und am Fuße
einen größeren Umsang erhält, aber stets den gleichen Böschungs-
winkel zeigt, so stehen auch bei Schutthalden das Hinauswachsen
an der Felswand und das Vorwärtsschreiten vom Fuße derselben
in die Ebene hinaus im gleichen Verhältnis. Da die Gesteins-
trümmer selten gleichmäßig über die ganze Fläche des Abhanges
hinabrollen, vielmehr den in diesen etwa vorhandenen Rinnen
— sog. Steinschlagrinnen — folgen, so entstehen namentlich am
Ende solcher
Rinnen oft be-
deutende Schutt-
Halden. (Fig. 31.)
Sie würden die
Gehänge immer
höher hinauf ver-
hüllen und zuletzt
völlig bedecken,
so daß steilere
Böschungen ganz
verschwinden
müßten, wenn ihr
weiteres Anwach-
sen nicht durch
mancherlei Um-
stände gehemmt
lat. denudare, entblößen.
W. Techter, Allgemeine Erdkunde. 5
Stirr 31
— 66 —
würde. Das geschieht vorwiegend durch die Flüsse. Sie führen
von den Halden, sobald diese bis an ihr Bett vorgedrungen
sind, Material hinweg und bewirken dadurch ein Nachrutschen
von oben her und eine Erniederung der Halde.
Neben dem Herunterfallen kleiner Gesteinstrümmer, die erst
nach und nach zu großen Mengen anwachsen, kommen auch mit-
unter Abstürze gewaltiger Felsmassen auf einmal vor — die
Bergstürze. Sie entstehen dann, wenn sehr steil ansteigende
oder gar überhängende Teile eines Berges die feste Verbindung
mit ihren liegenden Schichten verlieren. Letzteres kann geschehen
durch Klüstung des Gesteins, durch chemische Verwitterung unter-
liegender weicher Schichten oder dadurch, daß eine eingelagerte
tonige Schicht stark durchfeuchtet wird, so daß ihr Hangendes
ins Glitschen kommt. Ebenfalls geraten alle durch die Nagearbeit
eines Flusses oder der brandenden Meereswelle, sowie durch die
Ausbeutung von Steinbrüchen unterhöhlten Gehänge in Gefahr
abzustürzen. Bergstürze kommen in allen Hochgebirgen vor und
richten gewöhnlich außerordentlichen Schaden an. Durch den
Absturz am Roßberge in den Alpen (östlich vom Rigi) wurden
1806 z. V. drei Dörfer verschüttet, und der 1881 geschehene furchtbare
Bergsturz von Elm (im Kanton Glarus), veranlaßt durch die
Anlage eines Steinbruchs, bedeckte das Tal und die gegenüber-
liegende Berglehne mit einer Schuttmasse von etwa 10 Mill. edm,
ja die beim Bergsturz von Kandersteg niedergegangene Felsmasse
schätzt man auf 1 edkm.
3. Abspülung.
Während die Wegschaffung der Verwitterungsprodukte durch
die Schwerkraft auf steile Hänge beschränkt bleibt, wird sie auf
sanft geneigten Flächen mittels der Abfpülung durch den Regen
bewirkt. Das auf der geneigten Unterlage abfließende Regen-
wafser nimmt die Gesteinstrümmer mit sich und setzt sie weiter
unten ab oder führt sie einem Flusse zu, der sie weiterhin ver-
frachtet. Die durch den Regen bewirkte Abspülung berührt die
ganze geneigte Fläche und unterscheidet sich dadurch von der an
eine Linie gebundenen ähnlichen Leistung der Flüsse.
Die Abspülung eines Geländes geschieht nur dann ganz gleich-
mäßig, wenn seine Neigung einheitlich und seine Fläche vollkommen
glatt ist. Im anderen Falle bilden sich zahllose kleine Rinnsale,
in deren Betten die Wegspülung der Verwitterungsrückstände
energischer vor sich geht, als bei der Abwaschung des zwischen
ihnen liegenden Geländes. Die bei der Abspülung fortbewegten
Gesteinsteilchen prallen auf ihrem Wege vielfach an den Unter-
grund an und scheuern ihn ab. Dadurch werden von diesem
wieder kleine Teilchen losgerissen und mit fortgeführt. Man
— 67 —
nennt die durch bewegte Trümmer hervorgerufene Lostrennung
von Gesteinsteilchen Korrosion.*)
Von Einfluß auf den Grad der Abspülung sind die Menge
der Niederschläge, die Neigung des Geländes und die
Beschaffenheit des Gesteins. Wo, wie in der Wüste, nur
selten Regen sällt, ist die Abspülung sehr gering. Gegenden mit
häusigen und heftigen Regengüssen erleiden starke Abspülungen,
desgleichen Stellen, wo schmelzende Schneemassen vorhanden
sind. — Steile Hänge werden von den dort rasch und kräftig
fließenden Gewässern mehr abgewaschen als sanfte Böschungen,
ja auf stark geneigten, nackten Felshängen bleibt oft von den
Trümmern nichts liegen, und dabei ist naturgemäß auch die
Korrosion beträchtlich. Doch findet auch auf sehr wenig geneigten
Flächen immerhin noch eine Abspülung statt, wenn sie sich auch
auf die feinsten Tonteilchen beschränkt;' die nach heftigen Regen-
güssen eintretende Trübung der fließenden Gewässer gibt davon
Zeugnis. — Endlich wird die Abspülung noch beeinflußt von der
Art des Gesteins. Durchlässiges Gestein, das einen Teil des
Regenwassers in sich aufnimmt, wird weniger abgewaschen als
undurchlässiges, auf dem die gesamte Regenmenge abfließt. Harte
Steine erleiden dabei geringere Korrosion als weiche, und die
von der chemischen oder mechanischen Verwitterung minder an-
gegriffenen Flächen werden selbstverständlich weniger abgespült
als andere.
Die Abspülung wird mehr oder weniger gehemmt durch die
Vegetation, einmal schon dadurch, daß die Pflanzenwurzeln das
Erdreich festhalten, namentlich aber, indem die Bedeckung des
Bodens das Abfließen des Regenwassers teilweise oder auch
ganz hindert.
Die Abspülung fördert die von der Verwitterung bewirkte
Veränderung der Oberflächengestalt des Landes ganz bedeutend
und bildet nicht selten geradezu typische Verwitterungsformen
heraus. So entstehen die vielgenannten Erdpyramiden dadurch,
daß aus einer Lage von Moränenschutt die Unterlagen großer
Blöcke nicht abgespült werden, während die Umgebung allmählich
der Abwaschung unterliegt. Wird aber von einer solchen Pyramide
der Block entfernt, der sie bislang wie ein Regenschirm vor der
Abspülung schützte, so wird auch das unter ihm liegende Erdreich
nach und nach weggewaschen. Derartige Erdpyramiden, die
mitunter 30 m hoch sind, gibt es z. B. bei Bozen und an anderen
Stellen der Südalpen, wie auch im Himalayagebirge. (Fig. 32.)
In Kalkgebirgen schafft das über steile Hänge rieselnde Wasser
besonders eigenartige Verwitterungsformen, wobei seine Eigenschaft,
reinen Kalk aufzulösen, in hervorragender Weise mitwirkt. Wie
schon die Entstehung der Erdpyramiden zeigte, genügt oft ein
kleines zufälliges Hindernis, wie ein Stein, das abfließende
*) Von lat. corrodere, zernagen.
5*
\
— 68 —
Wasser seitwärts abzulenken. Da nun Kalk leicht löslich ist, so
entstehen schnell Rinnen, die sich immer mehr vertiefen, während
Fig. 32.
Bildung der Erdpyramiden (Durchschnitt),
abc ursprüngliches Tal, def Ausfüllung des Tales durch Moränenschutt,
ghl jetziges Tal mit Erdpyramiden.
die zwischen ihnen liegenden Flächen weniger angegriffen werden
und sich mit der Zeit als scharfe Rippen herausheben. Letztere
sind nicht selten messerscharf und senden nach den Seiten wieder
kleine Nebenfurchen aus. Da das Gehänge neben leicht löslichen
überall widerstandsfähigere Teilchen hat, so ist seine Oberfläche
bald ein Gewirre von scharfen Kämmen und tiefen Rillen, so daß
die Fläche weit schwieriger zu überschreiten ist als mancher
Gletscher. Eine solche Verwitterungsform nennt man ein Karren-
oder Schrattenfeld. Karren entstehen nur aus Kalkgesteinen,
die keine Vegetation zeigen.
4. Grundwasser und Huell'en.
An der Umgestaltung der festen Erdrinde trägt das Grund-
wasser namentlich dadurch bei, daß es Teile des von ihm durch-
tränkten Gesteins auflöst. Das geschieht vorwiegend in Kalk-
gebirgen, und vor allem dann, wenn es als sog. „Kluftwasser"
die Spalten und Schichtungsfugen der Gesteine durchzieht. Dabei
werden durch die chemische Wirkung des Wassers nicht selten
Felsklüfte zu mehr oder weniger großen Gängen und umfang-
reichen Höhlungen erweitert, wobei freilich das in den Hohlräumen
hinfließende Wasser durch mechanische Leistung (Fortführung der
aufgelösten Stoffe, Ausnagung des Flußbettes) erheblichen Anteil
hat. Wenn trotzdem viele unterirdische Höhlen kein fließendes
Gewässer aufweisen, so liegt der Grund darin, daß es in andere,
vielleicht später entstandene Klüfte übergegangen ist. — In der-
artigen Höhlen ist das Wasser aber nicht nur zerstörend, sondern
auch aufbauend tätig. Vom fließenden Wasser werden oft Kies
und namentlich Lehmschichten auf dem Grunde der Höhle ab-
gelagert. So hat z. B. die 250 m lange Einhornhöhle bei
69
Scharzfeld am Südharz eine etwa 3 m dicke Bodenschicht aus
Lehm. Durch die Decke der Höhlen sickert Regenwasser, welches
meistens Kalk ausgelöst mitbringt. Bei der Verdunstung scheidet
es den Kalk teils an der Decke aus, von der es herabtropft, teils
auf dem Boden, auf den es fällt. Dadurch entstehen Tropf-
steine von oft wunderlicher Form. Die von der Decke herab-
hängenden Gebilde nennt man Stalaktiten*); die am Boden
aufsteigenden heißen Stalagmiten *). Da jeder Wassertropfen ihnen
neues Baumaterial zuführt, so wachsen sie mit der Zeit immer
mehr gegeneinander und verbinden sich mitunter zu Tropfstein-
säulen. Ebenso entstehen durch die aus den Überrieselungen der
Wandflächen sich niederschlagenden Kalkmassen eigenartige Bil-
dungen, die wie Draperien die Wände der Höhle bekleiden. Je
nach der Reinheit des abgesetzten Kalkes sind die Tropssteine hell
oder dunkler gefärbt. Bekannte Tropfsteinhöhlen sind im Unterharz,
im deutschen Jura und im Karst (Adelsberger Höhle). — Durch
Einsturz der Decke einer Höhle bilden sich mitunter trichter- oder
schüsselsörmige Vertiefungen, die Dolinen, in denen sich nicht
selten Seen finden. Übrigens entstehen Dolinen auch oft in
Kalkgebirgen durch chemische Verwitterung, wenn Tageswässer
und gelöste Stoffe in Spalten einen Ausweg nach unten finden
(Karst).
Das in den Quellen wieder zu Tage tretende Grundwasser
bringt häufig aufgelöste Mineralien mit (Salz, Kalk, Eisen u. a.),
besonders dann, wenn es kohlensäurehaltig ist oder infolge des
Aufsteigens aus großen Tiefen hohe Temperatur besitzt. Aus
dem als heiße Quellen hervorsprudelnden Wasser schlagen sich
die aufgelösten Stoffe bei der Abkühlung und raschen Verdunstung
gewöhnlich bald nieder und bilden an den Ausflußstellen sog.
Sinterkegel oder Sinterterrassen (Geysire auf Island, im National-
park am Aellowstone in Amerika, auf Neuseeland).
5. Krofion und Sedimentctbtcrgerung beim fließenden
a. Das fließende Wasser. Das die Abspülung bewirkende
Wasser der Niederschläge sammelt sich zu kleinen Rinnsalen und
wird in ihnen, soweit es nicht einsickert, den Bächen, Flüssen
und Strömen zugeführt. Es vereinigt sich dabei mit dem Wasser,
das in den Quellen der andauernd fließenden Gewässer aus der
Erde hervorbricht. So sammelt jeder Bach das fließende Wasser
aus einem bestimmten, durch Anschwellungen der Landoberfläche
(Wasserscheiden) ringsum begrenzten Gebiete, das man als sein
Einzugsgebiet bezeichnet. Das gesammelte Wasser sührt der
Bach entweder einem See bezw. Meere oder einem größeren Flusse
zu. (Von den versiegenden Steppenflüssen wird hier abgesehen).
*) Von gr. stalaktös, tröpfelnd; stälagma, das Getröpfelte.
Wasser.
®er Fluß vereinigt in seinem Einzugsgebiete diejenigen aller sich
in ihn ergießenden Bäche zu einem Flußgebiete, das wiederum
unter Umständen einen Teil eines größeren Stromgebietes aus-
machen kann. Auch das ausgebreitete Einzugsgebiet des Stromes
wird gleich den kleineren, in ihm liegenden des Flusses bezw.
Baches von Wasserscheiden umschlossen und durch sie von benach-
barten Einzugsgebieten abgetrennt. Von der Größe des Einzugs-
gebietes und von der Menge der auf diesen Raum herabfallenden
Niederschläge ist in erster Linie die Masse des vom Flusse sort-
geführten Wassers abhängig, auf die allerdings auch noch
mancherlei andere Verhältnisse einwirken.
Die Mündung eines Flusses ist stets der am niedrigsten
gelegene Punkt des ganzen Wasserlaufes. Jeder Teil des Laufes
liegt höher als der ihm nach der Mündung zu benachbarte, aber
niedriger als der von ihm aus nach der Quelle hin gelegene.
Die Quelle ist der höchste Punkt des Flußlaufes. Da ein Fluß
niemals in gerader Linie von der Quelle zur Mündung fließt
(warum nicht?), so ist sein Lauf länger als die direkte Entfernung
dieser beiden Punkte voneinander, und die Neigung der Sohle
seines Bettes muß daher im ganzen geringer sein als die einer
Geraden, die jene beiden Punkte verbindet. Weil die fließende
Bewegung des Wassers im Flußbette durch die Schwerkraft ver-
anlaßt wird, die einzelnen Wasserteilchen also gleichsam das
Bett hinabfallen, so bezeichnet man die Neigung, welche die Sohle
der Flußrinnen besitzt, als Gefälle. Das Gefälle, das für die
einzelnen Teilstrecken des Laufes sehr verschieden ist, bedingt in
erster Linie die Geschwindigkeit der Wasserbewegung. Namentlich
mit der Abnahme des Gefälles nach der Mündung zu hängt es
zusammen, daß der Fluß an seinem Ende die geringste Schnelligkeit
in der Bewegung, die schwächste Strömung zeigt. Würde der
Fluß auf feinem ganzen Laufe gleichmäßiges Gefälle haben, so
müßte — abgesehen von dem verschiedenen Einfluß der Reibungs-
widerstände — die Wasserbewegung von der Quelle ab bis zur
Mündung stetig zunehmen, ähnlich wie ein durch die Luft fallender
Körper beschleunigte Geschwindigkeit erhält, je länger er fällt.
Der im Gebirge liegende Oberlauf eines Flusses hat nicht selten
ein Gefälle von 5—10 m auf 1 km; Niederungsströme hingegen
zeigen meist eine Neigung von weniger als 0,10 m auf 1 km.
Bei einem Gefälle von 0,15 m hört in der Regel schon die
Schiffbarkeit eines Stromes auf. — Die Schnelligkeit der
Strömung ist weiterhin abhängig von dem Maße der Reibung,
die das Wasser an der Sohle und den Wänden des Bettes, also
an der benetzten Fläche mit all ihren Unebenheiten erfährt. Je
größer im Querdurchschnitt des Flusses die benetzte Fläche im
Verhältnis zur Wasserfläche ist, desto bedeutender muß natürlich
die Reibung sein. Darum fließt bei gleichem Gefälle und gleicher
Wassermasse ein Fluß in einer engen Rinne mit steilen Wänden
schneller als im breiten Bette mit sanften Böschungen, zumal
— 71 —
hier auch noch die Reibung der Wasseroberfläche an der Luft
beträchtlicher ist als dort. Da weiter im Flußdurchschnitt die
zunehmende Wassermasse das Verhältnis der Wasserfläche zum
Umfang zu Gunsten der ersteren verschiebt, insonderheit wei^das
hinzutretende Wasser der am meisten hemmenden, unebenen Sohle
entfernt bleibt, so wächst die Geschwindigkeit der Strömung mit
der Wassermasse. Darum haben selbst Niederungsströme bei
Hochwasser eine verdoppelte, ja verdreifachte Stromstärke.
An der Umgestaltung der festen Erdoberfläche wirkt das
fließende Wasser insofern mit, als es Erdreich und Gesteine los-
löst, mit sich fortführt und sie an andern Orten — oft in ver-
änderter Form — wieder ablagert. Die zum Abreißen und zum
Transport der festen Massen erforderliche Kraft äußert das Wasser
in dem unausgesetzten Stoß, den es ausübt. Die Größe dieser
Kraft und damit das Ergebnis dieser Arbeit hängen demnach
ab von der Masse des Wassers und der Schnelligkeit der Strömung,
die gemeinsam die Wucht des Stoßes bedingen. Die vom Wasser
zu leistende Arbeit, die wir hier kurz als Last bezeichnen wollen,
besteht in der Ausnagung des Bettes und in der Fortschaffung
der Trümmer, die der Fluß durch Erosion selbst erzeugt, oder die
von seinen Zuflüssen und durch die Abspülung des Üfergeländes
in seine Laufrinne gebracht werden. Zwischen dieser Last und
der Kraft des Wasserstoßes kann ein dreifaches Verhältnis vor-
kommen:
1. Die Last ist geringer als-die Kraft: dann wird die ge-
samte Last fortgeführt, und der Überschuß der Kraft dient der
Ausnagung oder Erosion*) des Bettes.
2. Last und Kraft sind gleich: dann wird die Last fortgeschafft;
es findet aber keine Tiefenerosion statt.
3. Die Last ist größer als die Kraft: dann wird nur ein
Teil der Last fortgeführt und das übrige abgelagert.
Da die Momente, welche sowohl die Last als auch die Kraft
beeinflussen, natürlich in jedem Teile des Laufes ganz verschieden
sind, so ist auch die Arbeitsleistung des Flusses aus jeder
Teilstrecke anders als auf der benachbarten. Bei Flüssen, die
vom Gebirge in die Ebene hinabfließen, zeigt sich aber im all-
gemeinen, daß die eben angegebenen Verhältnisse der Reihe nach
dem Ober-, Mittel- und Unterlaufe entsprechen. Im Oberlaufe
herrscht infolge der bedeutenden Wassergeschwindigkeit Erosion
vor; im Mittellause werden die Sinkstoffe meistens nur fortgeführt,
und in der Regel findet nur bei Hochwasser durch seitliche Aus-
nagung eine Verbreiterung der Flußrinnen statt; im Unterlaufe
wird wegen der verminderten Strömung trotz vermehrter Wasser-
masse mehr abgelagert als erodiert, so daß das Flußbett durch
Versandung erhöht wird. Einschneiden, Verbreitern und Erhöhen
der Flußrinnen charakterisieren also talabwärts die drei Haupt-
*) Von lat. erodere, ausnagen.
\
— 72 —
strecken des Flusses, ohne jedoch einzeln aus diese beschränkt zu
sein, da örtliche Verhältnisse mancherlei Änderungen in der
Arbeitsleistung des fließenden Wassers bedingen können.
d. Die Fluszerofion. Die Flüsse fließen in Rinnen dahin,
die sie sich in der Regel selbst ausnagen. Die Gruudform
des Flußbettes ist eine Rinne, die im Oberlause einen
V-förmigen, im Unterlauf einen ^-ähnlichen Querschnitt zeigt.
Im Oberlaufe des Flusses wirkt das Wasser vorwiegend erodierend,
und zwar ist die Ausnagung viel mehr nach der Tiefe zu als
nach den Seiten hin gerichtet. Die Uferwände werden nur von
der durch den Wasserstoß verursachten Reibung angegriffen, und
dazu ist der Stoß des dahinfließenden Wassers nieist nicht un-
mittelbar gegen das User gerichtet. An der Ausnagung der Sohle
wirkt aber außer der Reibung des Wassers vor allem die schon
bei der Abspülung gekennzeichnete Korrosion des Untergrundes
durch die von der Strömung bewegten größeren und kleineren
Gesteinstrümmer mit. Der Betrag der Korrosion durch Trümmer
hängt ab von der Beschaffenheit und besonders von der Beweg-
lichkeit dieser durch die Strömung. Größere Gesteinsstücke, sobald
sie noch sortbewegt werden, greifen die Sohle mehr an als feine
Sinkstoffe; nur massenhaft eingelagerte große Blöcke, die sür
gewöhnlich im Flußbette festliegen, schützen gewissermaßen die
sohle gegen Erosion und beschleunigen eine seitliche Ausnagung
des Bettes. — Die vom Wasser in rollende Bewegung versetzten
Stücke des Flußgerölls werden durch das Anprallen aneinander
uud an den Untergrund allmählich zu Kies und Sand zerrieben
und gelangen meist nur in dieser Form in den Unterlauf des
Fluffes. Hier ist ihre Fortbewegung infolge der verlangsamten
Strömung sehr verringert, und darum können sie die Sohle des
Bettes weit weniger angreisen. Dazu kommt, daß die meisten
Flüsse in ihrem Unterlaufe mehr Sinkstoffe absetzen als fortschaffen,
so daß das Flußbett am Boden nicht vertieft, fondern oft erhöht
wird. Darum muß die gegen die Mündung hin vermehrte Wasser-
masse die Uferwände stärker angreifen als im Oberlaufe und sie
unterhöhlen und zum Einsturz bringen. Das wird noch dadurch
erleichtert, daß die Ufer am Unterlaufe gewöhnlich weniger feste
Massen sind als im Oberlaufe, und bei Flüssen in höheren Breiten
kommt noch die Mitwirkung des treibenden Eises hinzu. So
erhält das Flußbett im Querschnitt statt der V-Form des Ober-
laufes allmählich im Unterlaufe die L-!-Form.
Die Erosion wird außer durch die Stromstärke und die Art
und Menge des Gerölles in hervorragender Weise durch die
Besch assenheit des Gesteins beeinflußt, in welches die Fluß-
rinne eingegraben wird. Die mechanische Korrosion greift weiches
Gestein viel mehr an als harte Schichten, und dadurch entstehen
in der Sohle und in den Wandungen des Flußbettes Einbuchtungen
und Erhöhungen. Ahnliche Erscheinungen ruft — wenn auch in
geringerem Maße — die sog. chemische Korrosion durch Auflösung
— 73 —
und Zersetzung löslicher Gesteine hervor. Die Unebenheiten
erzeugen oft wirbelnde Bewegung des strömenden Wassers, und
diese Strudel arbeiten dann in erhöhtem Maße an der Ausnagung
des Flußbettes. Besonders wirksam ist ein Strudel dann,
wenn er einen Geröllblock mit herumwirbelt. In solchem Falle
wird nicht selten selbst in eine selsige Unterlage eine tiefe Höhlung
eingeschliffen, und es entsteht ein sog. Riesentops. Sehr heftig
fließende Gewässer haben mitunter in ihrem Bette viele Kessel
von verschiedener Form und Größe dicht beieinander, und während
diese von den Wirbeln immer tiefer gebohrt werden, erniedrigt
das Wasser mit Hilfe des fortgeschafften Gerölles die zwischen
ihnen liegenden Felsrücken mehr und mehr. Auf diese Weise
kann selbst ein kleiner, reißender Fluß sein Bett tief in hartes
Felsgestein eingraben und die gewaltigen Gebirgsklammen
mit ihren ost über 100 m aussteigenden senkrechten Wänden aus-
nagen. Freilich ist dabei zu beachten, daß in vielen Fällen ältere
Risse im Gestein und vorhergehende chemische und mechanische
Verwitterung die Arbeit des Wassers erleichterten und beschleunigten.
Die Steilwände dieser Klammen und auch anderer Flußtäler
zeigen ost an beiden Seiten Nischen, die dadurch entstanden
sind, daß eine rückläufige Strömung an jenen Stellen seitliche
Erosion bewirkte. (Fig. 33.) Noch weit großartiger als in den
Klammen unserer Gebirge zeigt sich die
Wirkung der Flußerosion in den Canons,
die besonders in den westlichen Hochebenen
Nordamerikas vorkommen. Hier haben
die vom Felsengebirge herabstürzenden
Flüsse (wie Colorado, Shoshone u. a.) in
die Bodenfläche Schluchten eingeschnitten,
die zuweilen mehrere hundert Kilometer
lang sind, und deren Wände 1000 bis
1500 m tief fast ganz senkrecht absallen,
so daß an ihnen die Lagerung der durch-
schnittenen Gesteinsschichten überraschend
deutlich zu erkennen ist. Daß die Canons
die Steilheit ihrer Wände viele Jahr-
hunderte hindurch bis jetzt bewahrt haben .
und nicht durch Verwitterung und Ab- '
spülung zu breiten Flußtälern geworden Fig. 33.
sind, ist vor allem eine Folge der Trockenheit
in jenen Gebieten. Durch die Flußerosion sind manche ansangs
mehr oder weniger ebene Flächen so umgewandelt, daß sie als
Gebirge erscheinen (Erosionsgebirge — Rheinisches Schiefergebirge,
Elbsandsteingebirge). Bei vielen Flüssen, die ihr Bett durch
Erosion nicht mehr tieser legen können, trifft man die Neigung,
es seitwärts zu verschieben und Bogen (Serpentinen) zu
bilden. Namentlich geschieht das von Niederungsflüssen, mit
langsamem Gefälle und reicher Sedimentablagerung, die zudem
V
— 74 —
ja meist Uferlandschaften aus lockerem Boden haben, in dem sie
ihr Bett ohne große Schwierigkeiten seitwärts verschieben können.
Um diese Erscheinung verständlich zu machen, ist es nötig, noch
ein paar Worte ergänzend über die Wasserbewegung in den Fluß-
rinnen nachzutragen.
Infolge der Reibungswiderstände nimmt die Wassergeschwindig-
keit im Flusse von den Usern zur Mitte und von 'unten nach
oben hin zu, erreicht jedoch wegen des Lustwiderstaudes deu
höchsten Wert nicht an der Oberfläche, sondern etwas unter der-
selben. Die größte Oberflächengeschwindigkeit findet sich immer
über der tiefsteu Stelle der Flußsohle. (Fig. 34.) Verbindet man
Figur 34.
Linien gleicher Geschwindigkeit im Querschnitt eines Flusses.
die Stellen größter Oberflächengeschwindigkeit im Flußlaufe mit-
einander, so erhält man den Strom strich, unter dem im
allgemeinen auch die tiefste Furche, der Talweg, liegt. Es folgt
aus dieser Verteilung der Wassergeschwindigkeit, daß bei niedrigem
Wasserstande im Stromstrich mehr Wasser abfließt als an den
Rändern, und daß umgekehrt bei Hochwasser
jenem mehr Wasser zugeführt wird als diesen.
Darum ist der Wasserspiegel der Flüsse keine
vollständig ebene Fläche, sondern zeigt, je
nach der mitgeführten Wassermenge, im
Querschnitt eine schwach konvexe oder konkave
Form.
Da das Wasser beim Weiterfließen stets
über den tiefsten Punkt des Bettes am
schnellsten dahineilt, so wechselt der Strom-
strich von der einen zur anderen Flußseite.
Mit der Geschwindigkeit der Wasserbewegung
wächst aber anch die Fähigkeit zu erodieren,
und so wird die dem Stromstrich nahe
liegende Userseite stärker angegriffen als die
andere. Der Fluß macht schlangenähnliche
Windungen und hat an der konkaven
Seite seiner Ufer stets größere Tiefe als
Figur 35. an der konveren (Figur 35). Das konkave
— 75 —
Ufer wird immer weiter unterwaschen, namentlich bei Hochwasser
und Eisgang, und der Fluß dringt hier landeinwärts, während
er an der gegenüberliegenden Stelle Sedimente absetzt. So
werden die Windungen des Flusses (Serpentinen) immer weiter
ausgedehnt. Freilich vermindern sich dabei insolge der wachsenden
Länge des Flußlaufes sein Gefälle und seine Fähigkeit !zu ero-
dieren, wodurch der Serpentinenbildung eine Grenze gesetzt ist.
Wenn dann vom Flusse selbst (etwa bei Hochwasser) oder durch
künstliche Regulierung des Laufes die Landbrücke zwischen einem
Bogen durchbrochen wird, so versandet der bogenförmige Lauf,
der anfangs noch als Nebenlauf bestehen bleibt, wegen des
gegen den neuen Lauf geringeren Gefälles und der verminderten
Wasserzufuhr immer mehr. Namentlich geschieht das am
Anfang und am Ende des Bogens, wo daZ schnell
fließende Wasser der geraden Laufstrecke mit dem langsamer be-
wegten im Bogen zusammentrifft, und wo infolge der Stauung
von Wassermassen reichlich Sedimente abgelagert werden. Es
entstehen zuletzt sichelförmige Seen (Altwasser), die nur auf kurze
Zeit bei Hochwasser noch mit dem Flusse in Verbindung treten.
Derartige Altwasser zeigen alle Niederungsflüsse (Rhein in der
Oberrh. Tiefebene).
Endlich arbeitet die Flußerosion in hervorragender Weise an
der Umgestaltung der Erdoberfläche in den Wasserfällen.
Einen Teil derselben kann man als M ü n d u n g s f ä l l e be-
zeichnen. Sie wurden dadurch hervorgerufen, daß ein über eine
hochgelegene Landschaft fließendes Gewässer am Rande derselben
plötzlich in ein niedriger liegendes Meer, in einen See oder in
einen tief eingeschnittenen Flußlauf hinabstürzte. Zu dieser Art
der Fälle gehören viele der norwegischen Wasserfälle, einige in
den Alpen und auch mehrere der kleinen Fälle in der Sächsischen
Schweiz; ebenfalls ist der Niagarasall wohl anfangs ein Mündungs-
fall (in den Ontariosee) gewesen. Jeder Mündungsfall zeigt das
Bestreben, durch Zersägung der hinter ihm liegenden Felswand
das Tal aufwärts zu wandern und dadurch zu einem Talfall zu
werden (vergl. Niagara). Talfälle entstehen meist dadurch, daß
der Flußlauf nach dem Überschreiten festen Gesteins in weiche
Felsschichten oder in Aufschüttungsboden eintritt. Hier wirkt
die Tiefenerosion natürlich weit schneller als auf fester Unterlage,
und es muß ein Wasserfall als Ausdruck des stärksten Flußgefälles
entstehen. So ist der Rheinsall dadurch hervorgerufen, daß der
Rhein erst aus einer Unterlage von festem Jurakalk fließt und
dann plötzlich unterhalb derselben lockere Diluvialschichten trifft.
Das Wasser arbeitet stets daran, die den Fall verursachende Fels-
wand zu zersägen und so das Gefälle zu vermindern. Nimmt
dabei die Härte der Gesteinsschichten von oben nach unten zu,
so wird der Wasserfall, bei dem das Wasser in einem Strahle
hinabschoß, allmählich in Kaskaden, Katarakte und endlich in
Stromschnellen umgewandelt. Liegen aber oben harte und unten
V
— 76 —
weiche Schichten, so werden letztere durch die wirbelnden Wasser-
Massen am Fuße des Falles ausgewaschen, und die oberen Schichten
brechen, ihrer Stütze beraubt, bald nach. Diese Erscheinung zeigt
der Niagarasall (Fig. 36). Immer wird durch die Erosion des
ErtrS.
Die Niagarafälle,
s — Sandstein, sch = weicher Schiefer, k = harter Kalkstein.
Wassers ein Rückschreiten des Wassersalles hervorgerufen. Der
Niagarnsall. der gleich dem Rheinsall durch ungleichmäßige Erosion
der Gesteinsunterlage in zwei Arme geteilt ist, hat von 1842 bis
1890 aus der kanadischen Seite einen Rückgang von 31,85 m,
auf der amerikanischen von 9,37 m erfahren und ist seit seiner
Umwandlung aus einem Mündungsfall 12 km vom Ontariosee
aufwärts geschritten.
c. Tie Ablagerung der Flichsedimente. Das fließende Wasser
führt Bestandteile der festen Erdrinde in dreierlei Form mit sich,
als chemisch aufgelöste Stoffe, als im Wasser schwebende Sink-
stoffe und als an der Flußsohle fortbewegtes Geschiebe. Die
chemisch gelösten Stoffe (Kalk, Salze u. a.) werden von dem
Wasser, dem sie beigemischt sind, zum größten Teile ins Meer
oder in einen See mitgeführt. Die fehr feinen, meist sandig-
tonigen Sinkstoffe, welche sich im bewegten Wasser lange Zeit
schwebend erhalten, werden dem Flusse meist durch die Abspülung
seines Einzugsgebietes zugeführt. Sie sind deshalb namentlich
nach heftigen Regengüssen in großen Mengen vorhanden und ver-
ändern die Farbe des Wassers oft in hohem Maße. (Vergl.
Hoangho --- gelber Fluß; Red River = roter Fluß u. a.) Ihrer
Feinheit wegen werden sie selbst bei geringerer Wassergeschwindig-
keit noch mitgesührt und deshalb gewöhnlich erst bei der Ein-
numdnng des Flusses in einen See oder in einen ruhigen Meeres-
teil abgesetzt, während ein stark bewegtes Meer und namentlich
eine Meeresströmung sie noch Hunderte von Kilometern weit sort-
schafft. Da alle Nebenflüsse dem Hauptslusse viele Sinkstoffe zu-
führen, so ist dieser im Unterlaufe sehr reich an solchen. Wenn
er hier seine Uferlandschaften überschwemmt, so setzt er große
Massen fruchtbaren Schlammes ab und befruchtet oadurch die
überschwemmte Landschaft (vgl. Nil). Als Gefchiebe bezeichnet
man das Material, das seiner größeren Schwere wegen selbst bei
starker Strömung nicht im Wasser schweben bleibt, sondern sich
auf der Sohle des Flußbettes ablagert und diese als Geröll,
Kies oder Sand bedeckt. Es gelangt durch Abspülung und Ab-
stürz in die fließenden Gewässer und wird außerdem von diesen
selbst durch Erosion der Wandungen des Bettes massenhaft ver-
mehrt. Zu seiner Fortbewegung 'ist größere Stromstürke erforder-
lich, wie sie namentlich das starke Gefälle der Gebirgsbäche und
das Hochwasser auch in Niederungsflüssen erzeugt. Darum muß
das gröbere Geröll in der Regel schon im Oberlaufe der Flüsse
liegen bleiben, und nur Kies und Sand gelangen bis in die
Ebene und zur Mündung. Sie bilden im Flußbette größere und
kleinere Bänke, von denen das Material durch die Strömung vom
oberen Ende sortgerollt und am unteren Ende angesetzt wird.
So wandern diese Bänke allmählich stromabwärts. Nur wo die
Bänke so hoch aufgeschüttet wurden, daß sie den Wasserspiegel
erreichten und durch Vegetation befestigt werden konnten, bleiben
sie als Auen längere Zeit an ihrer Stelle liegen, werden aber
auch dann durch Hochwasser immer gefährdet.
d. Die Deltas. Mit dem Namen Delta bezeichnet man das
von einem Flusse vor seiner Mündung, also außerhalb seines
eigentlichen Tales, angeschwemmte Land, das flächenartig auf
einer anderweitigen Grundlage aufgelagert ist. Da der Name
von der einem griechischen J ähnlichen Mündung des Nils her-
genommen ist, so hielt man früher bei der Belegung eines an-
geschwemmten Gebietes mit dem Namen Delta die Gabelung des
Flusses in zwei oder mehrere Arme und die Dreieckssorm des von
ihnen umschlossenen Landes sür wesentlich. Die Flußgabelung
ist aber nur ein nebensächlicher Vorgang, der oft lediglich davon
abhängig ist, daß der überlagerte Untergrund zufällig Uneben-
heiten hatte, oder daß durch Einwirkung des Meeres die Sedi-
mentablagerung ungleichmäßig erfolgte. Die Gabelung fehlt bei
manchen Deltas lz. B. Ebro), während anderseits Flüsse mit ge-
teilten Mündungen überhaupt kein Neuland bilden. Darumsieht
man eine Flußgabelung nicht mehr als ein wesentliches Merkmal
eines Deltas an.
Die Entstehung eines Deltas ist von mehreren Faktoren
abhängig. Vor allem ist dabei erforderlich, daß ein Fluß reich-
lich Sedimente bis an seine Mündung mitbringt, und daß er
sich in ein verhältnismäßig ruhiges Gewässer ergießt, welches die
abgelagerten Massen nicht gleich wieder zerstört und fortführt.
Die größeren Flüsse bringen ihrer im Unterlause geringen Strom-
eschwindigkeit wegen vorwiegend nur Schlamm und seinen Sand
is an ihre Mündung; kleinere Küstenflüsse mit starkem Gefälle
schaffen auch gröberes Geröll ins Meer. Die im Wasser schweben-
den oder aus der Flußsohle sortgeschobenen Sinkstosfe kommen bei
der Mündung des Flusses zur Ruhe, die gröberen zuerst, die
feineren in weiterer Entfernung. Die Ablagerung der im Wasser
schwebenden Stoffe wird besonders dadurch beschleunigt, daß
Schlamm aus Salzwasser sehr viel schneller zu Boden sinkt als
— 78 —
aus Süßwasser. Freilich wird bei starker Flußströmung das ms
Meer geführte Süßwasser als das leichtere auf dem schwerereu
Salzwasser ziemlich weit fortgeschoben, ehe es sich mit diesem ver-
mischt und seine schwebend erhaltenen Sedimente fallen läßt. Auf
diese Weise können, salls das Meer wenig bewegt ist und geringe
Ebbe und Flut hat, quer vor der Mündung Barren entstehen,
die dann weiter die ungestörte Absetzung der andern Sedimente
an der Flußmündung begünstigen. Meistens aber werden die
weit ins Meer hinausgeführten Sinkstoffe von den Meereswogen
bald weggerissen. Bieten jedoch, wie einst bei der Bildung des
Rheindeltas, Reste alter Dünen Schutz gegen die Meereswogen,
oder entstehen durch sog. Küstenversetzung (S. 83) Strandwälle
vor der Flußmündung, so wird dadurch die Bilduug eines Deltas
erleichtert. Wo hingegen Ebbe und Flut stark einwirken, oder
wo Meeresströmungen an der Mündung des Flusses vorbei-
streichen (z. B. Giroude), wird die Entstehung eines Deltas
häufig, jedoch durchaus nicht immer, unmöglich gemacht. Daß
außerdem säkulare und lokale Hebungen und Senkungen der Küste
bei der Bildung oder Erhaltung bezw. Zerstörung eines Deltas
eine nicht unwichtige Rolle spielen, liegt auf der Hand. So ist
die Entstehung des Deltas von mancherlei Umständen abhängig,
als deren wichtigste man wohl das Vorhandensein sedimentreicher
Ströme, die mehr Land aufbauen, als das Meer zerstören kann,
und einen durch örtliche Verhältnisse bedingten ausreichenden
Schutz der betreffenden Küstenstrecke gegen die Gewalt der Wogen
ansehen kann.
In vielen Fällen (Bsp. Elbe, Weser) werden die vom Flusse
mitgebrachten Sinkstoffe durch Flußströmung oder Flutbewegung
weit ins Meer hinausgeführt und dort abgelagert. Es bilden
sich dann unterseeische Schlammbänke, die von einzelnen Fluß-
rinnen durchfurcht sind. Man nennt sie submarine Deltas.
Sie wachsen mitunter durch weitere Anhäufung von Sedimenten
zu eigentlichen Deltas an, während anderseits auch letztere durch
Überflutung (namentlich infolge von Zerstörung der natürlichen
oder künstlichen Schutzwälle oder durch Senkung des Landes) zu
submarinen Bänken umgewandelt werden können. Das Rhein-
delta wird jetzt nur künstlich durch Deiche vor solchem Schicksal
bewahrt.
Wenn Flüsse, die viel Geröll und Schlamm^ mitführen, sich
in flache Binnenseen ergießen, so bauen sie nicht selten durch ihre
Aufschüttungen einen Damm quer durch den See oder füllen das
Seebecken mit der Zeit wohl ganz aus. So trennte die Lütfchine
durch ihre Ablagerungen den Thuner vom Brienzer See und
schuf das sog. Bödeli, auf dem Jnterlaken liegt.
Das Wachstum des Deltas ist nach Art und Schnelligkeit
sehr verschieden. Wenn bei der Einmündung eines Flusses in
ein ruhiges Meer das leichtere Flußwasser noch auf dem schwereren
Salzwasser weiterströmt, ohne sich gleich mit diesem zu mischen,
— 79 —
so nimmt es tri seiner Strömung die feinen Sinkstoffe meist mit
sich weit ins Meer hinaus. An den Seiten dieses Stromes, wo
sich Salz- und Süßwasser mischen, fallen die schwebend mitge-
führten Stoffe aber viel früher zu Boden und häufen zu beiden Seiten
der Flußrinne fubmarine Bänke auf, die allmählich höher wachsen
und landfest werden, so daß sie gleichsam eine Fortsetzung der
Flußufer darstellen. Aus diese Weise schiebt ein Fluß (z. B. der
Mississippi) sein Delta fingerförmig ins Meer vor (Atlas!). Eine
solche Deltabildung kann natürlich' nur auftreten, wenn der Fluß
seine Mündung wenig ändert. Im andern Falle, wenn die Ab-
lagerung der Sinkstoffe bald hier, bald dort geschieht, wächst das
Delta gleichmäßig an. Von Einfluß auf die Art der Delta-
bildung ist außerdem die Gestalt des überlagerten Untergrundes;
ebenso wirken dabei die Beschaffenheit und Menge der Sinkstoffe
und die Eigenart des betreffenden Meeres und seiner Küste mit.
Alle diese angeführten Umstände sind neben den positiven
und negativen Niveauveränderungen zugleich bedeutsam für die
Schnelligkeit, mit der ein Delta sich vergrößert. Von den großen
Stromdeltas wächst das Mississippidelta wohl am raschesten, aber
nicht an allen Mündungsarmen (Pässen) des Flusses gleichmäßig.
Der Südwestpaß schiebt sich jährlich um etwa 100 in vor, während
der Südpaß um 85 m, der Ostpaß sogar nur um 40 m jährlich
wächst. Beim Podelta betrug der Zuwachs in den Jahren von
1300—1600 jährlich 53 ha, von da ab bis 1830 aber 135 ha.
Diese Beschleunigung in dem Wachstum des Deltas rührt daher,
daß mit der fortschreitenden Eindeichung des Flusses mehr Sink-
stosse dem Meere zugeführt werden, während sie früher bei den
Überschwemmungen zum großen Teile im Stromgebiete abgelagert
wurden. Am schnellsten vergrößert sich wohl das Delta des
Terek, das jährlich um sast 500 m weiter ins Kaspische Meer
hinaus wächst.
Durch das Anwachsen des Flußdeltas werden mitunter vor-
gelagerte Inseln landfest, und benachbarte Flüsse bilden zusammen
ein Delta (Ganges und Brahmaputra; Rhein, Maas und Scheide).
Auch können dadurch selbständige Flüsse zu Nebenflüssen ihrer
Nachbarn werden, wie es z. B. mit dem PrutH (Donau) und
Red River (Mississippi) geschehen ist.
Die Meerescrrbeit cm den Küsten.
Gleich den fließenden arbeiten auch die stehenden Gewässer
beständig an der Umgestaltung der festen Erdrinde, indem sie
sowohl bestehende Oberflächenformen zerstören, als auch durch Ab-
lagerungen neue schaffen. Diese doppelte Leistung nimmt mit
der Größe der Gewässer zu und ist beim Meere viel bedeutender
als bei den kleinen Landseen. Wenn im folgenden nur von der
Arbeit des Meeres geredet wird, fo ist von vornherein zu be-
achten, daß die gleichen Erscheinungen, freilich in geringerem
- 80 —
Maße, auch bei den Seen vorkommen. — Die zerstörende Wirkung
des Meeres ist auf die Küstenzone beschränkt, während die aus-
bauende zum Teil auch im offenen Meere geschieht. Als Küsten-
zone sieht man den Teil des Festlandes an, der dieses wie ein
Saum umgibt und seine untere Grenze da hat, wo die dauernde
Bedeckuug des Landes mit Wasser anfängt, seine obere noch etwas
weiter landeinwärts, als die Küstenlinie beim höchsten Wasser-
stände zeigt, weil die brandenden Wellen Gesteinsmaterial noch
etwas weiter zu schleudern vermögen, als sie selber vordringen.
Wo an einer Küste Gezeiten (S. 140) bemerkbar sind, liegt die
Küstenzone zwischen den Grenzlinien des Hochwassers der Flut
und des Niedrigwassers bei Ebbe.
a. Die Wirkungen der Brandung. (Abrasion.) *j Die
Wellenbewegung des Meeres (S. 137) wird vor allem durch
den Wind erzeugt; darum laufen im offenen Meere die Wellen
in der Richtung des Windes. Diese fortschreitende Bewegung
wird gehemmt, sobald die Welle an die Küste stößt — es ent-
steht eine Brandung. Fällt die Küste mit steiler Böschung zuni
Wasserspiegel und in gleicher Weise noch merklich unter diesen
hin ab, so erfährt die Welle meist erst eine Hemmung, wenn sie
die Wand der Steilküste trifft. Von dieser wird sie zurück-
geworfen und gleichsam zusammengepreßt, als ob eine Welle von
gleicher Wucht ihr entgegenwirke. Dann sucht das Wasser nach
oben hin einen Ausweg und spritzt hoch empor, mitunter bis
30 m oder noch mehr. Jeder die Wand treffende Wellenberg übt
auf diese einen ungeheuren Druck aus, den man in einzelnen
Fällen auf 30000 kg pro qm berechnet hat. Eine solche Brandung
heißt Klippenbrandung. — Wesentlich anders erscheint die
Brandung an einer Flachküste, bei der sich das Land ganz all-
mählich unter das Wasser senkt. Da die Wellenbewegung im
Meere bis zu einer Tiefe von 200 in reicht, so stößt jede Welle
schon weit vor der Strandlinie auf den flachen Grund. Dadurch
erleidet ihr unterer Teil infolge der Reibung und der vom Ufer
zurückfließenden Wassermassen eine wesentliche Verzögerung in der
Bewegung, und das hat zur Folge, daß die Vorderseite des
Wellenberges steil wird und nach vorn überstürzt, daß sich die
Welle bricht. (Fig. 37.) Infolge der Reibung an dem Unter-
gründe ändert sich
aber außer der
Form der Wellen
auch ihre Rieh-
tung. Die im
offenen Meere
Figur 37. parallel zu ein-
Schema für die Entstehung der Brandungswelle einander vor dem
(nach Krümmel). Winde laufenden
__Wellen machen,
*) Von tat. abradere. abschaben.
— 81 —
wenn sie auf die Flachküste unter einem Winkel zukommen, eine
Schwenkung, so daß sie ziemlich parallel zur Küstenlinie den
Strand treffen, wie Fig. 38 schematisch zeigt. Eine solche
Brandung an einer
Flachküste heißt eine
Strandbrandung.
Die Wirkung der
Brandung auf die
Küstenzone ist einesteils
abhängig von der
Stärke der Wellen;
denn ihre Stoßkraft
nimmt mit der Wellen-
höhe zu. Sie muß also zur
Flutzeit erheblicher sein
als bei Ebbe und ihre
größte Gewalt bei
Sturmfluten erreichen,
weil hierbei der Einfluß
des auf die Küste ge-
richteten Windes hinzu-
kommt. Anderseits, und
zwar in noch bedeuten-
derem Maße, ist die
-------
■*.-^ {£rc4&ZZcri^/
Figur 38.
Wellen am Ufer (nach Supan).
Natur, und Gestalt Die K-Hälften der Wellen berühren den flachen
Kufiß bejhmmßllO früher als die -i-Hälften und erleiden
^ Veränderung, deshalb eine Verzögerung, so daß durch die
die sie durch die Vran- schnellere Bewegung der n-Hülften die Richtung
düng erleidet. Wo an ^ grellen geändert wird,
einer Steilküste die
Brandung uugehemmt gegen das Ufer schlägt, drängt jede Welle
mit großer Gewalt Wasser in alle Spalten des Gesteins imd
preßt dabei die in diesen enthaltene Luft zusammen. Beim Zurück-
weichen der Welle treibt letztere das Wasser wieder aus deu
Spalten hermis, und durch das sich fortwährend wiederholende
Spiel werden Gesteinsteilchen aus den Spalten herausgeführt,
diese erweitert und die Felsmassen mit der Zeit an den benetzten
Stellen gelockert. Diese Wirkung des brandenden Wassers wird
noch dadurch bedeutend gefördert, daß losgerissene Gesteinstrümmer
von den Wellen wie Geschosse gegen die Userwand geschleudert
werden. Es entsteht mit der Zeit an der Küstenböschung in der
Wasserlinie eine Hohlkehle, die sich mehr und mehr vertieft, bis
endlich das überhängende Gestein abbricht. So bildet sich all-
mählich an der schrägen Böschuug ein Steilabfall, ein Kliff,
heraus, dein ein ganz flacher Strand und eine aus der gröberen
Zerstörungsproduktion aufgehäufte Schutthalde vorgelagert sind.
(Fig. 39.) Durch die abgerissenen und auf der Plattform hin
und her bewegten Trümmer wird auch diese etwas erniedrigt,
W. Techter, Allgemeine Erdkunde. 6
— 82 —
Normalprofil der Kliffküste
(nach Penck).
aber doch wirft- sie mit zunehmender Breite innner hemmender
auf die Zerstörungsarbeit der Wellen. Deren Kraft wird durch
die Reibung an dent flachen Untergrund verringert, und mit der
Erbreiteruug der Plattform wird die Fortschaffung der am Kliff
abgebrochenen Gesteinstrmnmer erschwert. Dann kommt es häufig
am Fuße des Kliffs zur Bildung eines Schuttwalles, der das
Ufer vor weiterer Zerstörung schützt, bis er selbst durch besonders
heftige Brauduugeu bei Stnrmfluteu entfernt wird. Geschieht
das nicht, so kann nur eine Senkung des Landes den Stillstand
der Zerstörungsarbeit durch die Brauduug beendigen. Meist
werden- jedoch die Gesteinstrmnmer, die aus der Plattform hin
und her geworfen und dadurch zerkleinert werden, von dieser
dnrch Küstenströmungen entfernt.
Da große Wellen bis zu 200 rn Tiefe Sandmassen hin und
her bewegen können, so wird auch die vom Meere bedeckte Strand-
Plattform noch abgenagt. Daher kommt es wahrscheinlich, daß
die Tiefenlinien bis zu 200 m der Küste uugesähr parallel lauseu.
Die durch Korrosion entstehenden Terrassen sind freilich an den
meisten Küsten vom Wasser bedeckt; nur wo Hebung des Landes
stattfand, treten sie zu Tage (Strandlinien an der Küste Skan-
dinaviens). Auch au Biunenseen finden sich mitunter derartige
Uferterrassen.
Wie schnell die Brandung eine Steilküste zerstört und das
Kliff weiter landeinwärts verlegt, ist außer von der Gestalt der
Böschung uud von der Gewalt der Branduug auch in hohem
Maße von der Beschaffenheit und Lagerung des die Küste bilden-
den Gesteins abhängig. Weiches Gestein wird durch die Bran^
bitng leichter angegriffen als hartes, und wo Schichtköpfe der
Küste zugekehrt sind, geschieht die Zerstörung schneller als dort,
83
wo die Wellen die seewärts geneigten Schichtflächen bespülen.
Daher kommt es, daß Steilküsten meistens Bogensormen zeigen.
In die weicheren Schichten dringt die Brandung leichter vor und
arbeitet hier flache Busen heraus; die härtereu Gesteine wider-
stehen länger und treten zwischen den Busen als Kaps hervor.
(Vgl. Westküste Englands.) Mitunter kommt es vor, daß die
Brandung hohe Kaps von beiden benachbarten Busen her erfolg-
reicher angreift als von vorn und dadurch sie zu freistehenden
Pfeilern umgestaltet. Ein treffliches Beispiel dasür bieten die
sog. Nadeln an der Westküste der britischen Insel Wight. Es
sind Kalksteinpseiler, die aus der Brandung frei hervorragen, die
aber mit der Zeit abgenagt und zu Klippen erniedrigt werden
und endlich bis auf die Höhe der Strandplattform verschwinden
müssen.
Die Vergrößerung der Buchten landeinwärts durch die Bran-
dung würde bald zum Stillstand kommen müssen, wenn die
Trümmer der zerstörten Küste in der Bucht liegen blieben und
damit die Wirkung der Wellen durch die wachsende submariue
Terrasse und Schutthalde gehemmt würde. Die Wegschaffung der
Zerstörungsprodukte geschieht durch lokale, vom Winde erzeugte
Küstenströmungen und durch die Küstenversetzuug. Letztere
gestaltet sich so, daß schräg auflaufende Wellen die Gerölle auf
der Strandplattform seitwärts fortstoßen und das rückflutende
Wasser sie wieder senkrecht zur Küstenlinie zurückreißt. Durch
Wiederholung dieses Vorganges werden die Gerölle allmählich
innner weiter seitwärts von ihrem ursprünglichen Orte fort-
Au Flach küsteu wird in der Regel die Gewalt der Bran-
dungswelle aus dem flachen Untergrunde schon gebrochen, ehe sie
die Küstenlinie trifft. Darum ist hier die Wirkung der Brandung
gewöhnlich weit weniger zerstörend als an Steilküsten. Wird
jedoch durch anhaltenden heftigen Wind das Waffer gegen die
Küste gestaut, so wird der flache Strand oft in furchtbarer Weise
verheert. Die Bildung der Zuidersee, deren Gebiet bis auf einen
kleinen Binnensee noch zur Römerzeit sestes Laud war, die Ent-
stehung des Jadebusens 1218, des Dollarts 1277 und die Halligen
als Reste einst vorhandener größerer Landstriche geben davon
Zeugnis.
geschafft. (Fig. 40.)
Meer.
Figur 40.
Küstenversetzung (nach Supan).
— 84 —
b. Die Wirkungen der Gezeitenströmung. Die Gezeiten (vgl.
S. 140) unterstützen, wie schon bemerkt, die'Brandungswelle sehr
wirksam in ihrer zerstörenden Arbeit. Sie schaffen aber außer-
dem an den Küsten zwischen Inseln, in schmalen Busen, in Fluß-
Mündungen starke, wechselude Strömungen. Diese erodieren in
erheblichem Maße die Küste, namentlich auch in eugen Busen
und trichterförmigen Mündungen, wo also die Brandung weuig
ausrichten kann. Besondere Bedeutung haben sie dadurch, daß
sie in viel größerer Tiefe, als die Wellen vermögen, die Wasser
teile fortbewegen und so den Meeresgrund vor' der Küste stark
angreifen. Namentlich geschieht das, wo die Flut das Wasser
in spitz zulauseude Buchteu oder Trichterrnünduugen hoch hinauf-
treibt, so daß es mit dem Rückslnten bei eintretender Ebbe die
Zerstörungsprodukte der Küste und die Sedimente der Flüsse mit
sich fortreißt uud die betreffenden Stelleu oft bis auf deu Fels-
boden reinfegt. Je tiefer eine Bucht keilförmig ius Land hinein-
greift, desto kräftiger ist das wechselude Aus- uud Eiustrrnnen
des Wassers und desto größer natürlich die Wirkung des Gezeiten-
stromes. So dringt die Fuudybai, wo die Springflut das Wasser
bis zu 21 ni aufstaut, stäudig weiter ius Laud hiueiu, bis
endlich nach Durchuaguug des jetzt nur noch M km breiten Jsth-
mus Neu-Schottlaud vom Festlande losgetrennt sein wird. Es
ist auch höchst wahrscheinlich, daß vor allem die Gezeitenströmung
eiust den Landzusammenhang zwischen England uud Frankreich
zerstörte. Auf die kräftig erodiereude Ebbeströmuug führt mau
auch die Bildung der tiefen Fahrrinnen in dem Wattenmeer vor-
der Elb- und der Wesermündung zurück.
c. Die Anschwemmungen an den Küsten. Die Meeresarbeit
läugs der Küste ist aber uicht nur zerstörend, sondern auch auf-
bauend. Das Material zur Neubildung von Land sindet das
Meer in den Trümmeru der zerbrochenen Küste und in den Sedi
menten, die ihm die Flüsse zusühreu. Diese Stoffe lagert es teils
der Küste unmittelbar als Saum an, teils schafft es aus ihueu
vor der Küste Nehruugeu uud Inseln.
Wo das Meer die Ablagerungen an der Küste selbst vor-
uimmt, wirft es das Material entweder auf den Strand und
bildet dauu unter Mitwirkung des Windes Dünen (vgl. S. 90),
oder es lagert die Masse vor der Küstenlinie ab und läßt Sand-
bänke entstehen, die durch ueue Überlagerungen allmählich bis
zum Meeresspiegel emporwachsen. Dieses Wachstum wird be-
sonders gefördert, wenn die Bänke durch abgesetzten Schlick
fruchtbar gemacht und von Pflanzen besiedelt werden, da diese bei
jeder neueu Überflutung Schlamm zwischen sich festhalten. Wird
das neugebildete Land später infolge stetiger Erhöhung nicht
mehr von jeder regelmäßigen Flnt überspült, so bekleidet es sich
bald mit einer dichten Pflanzendecke und kann schon als Vieh-
weide benutzt werden, bis man es endlich durch Eindeichung
— 85 —
völlig vor dem Meere schützt. Solcher Gewinn von fruchtbarem
Lande geschieht namentlich da, wo benachbarte Flüsse reichlich
Schlamin mitbringen, und wo zugleich die Brandung nicht zu
heftig ist. An der friesischen Nordseeküste ist in zahlreichen
„Poldern" viel neues Land gewonnen.
In vielen Fällen wandert das von den Wellen an die Küste
geführte Material an dieser entlang (Küstenversetzung, vgl. S. 83).
Namentlich kommt das dort vor, wo eine von der Flut oder von
vorherrschenden Winden erzeugte Strömung längs der Küste
hinstreicht. So nimmt eine solche Strömung das durch die
Brandung vom Nordrande Spaniens losgerissene Geröll mit
und wirft es an die Küste der Gascogne, und ebenso führt ein
Meeresstrom einen großen Teil der von der Rhone mitgebrachten
Sedimente an die Küste von Languedoc. Eine von Dalmatien
her an dem Nordrande des Adriatischen Meeres hinstreichende
Strömuug süllt mit den Sinkstoffen der Küstenflüsse vom
Jsonzo bis zum Po die Lagunen vor der Poebene aus, und eine
Flutströmung schafft die Trümmer der Calvados in die
Seinebucht.
Wo zwei Strömungen im Meere zusammentreffen, oder wo
ein Fluß nicht weit von seiner Mündung auf eine Küsten-
strömung stößt, wird die Bewegung des Wassers gehemmt, und
die von den Strömungen mitgeführten Sinkstosfe fallen zu
Boden. Dadurch bildet das Meer Ablagerungen in der Form
von langgestreckten Inseln oder Strandwällen, die von der
festen Küste etwas entfernt sind und mit dieser flache
Strandseen (Haffe) einschließen. Ein Beispiel für derartige
Jnselbildung sind die Lidi vor der Pomündung. Die Strand-
wälle treten häusig in der Form von Nehrungen und Haken
aus. In der Danziger Bucht finden sich beide Arten nebenein-
ander. Während der Haken sich von Rixhöft bis Hela frei ins
Meer hinaus erstreckt, zieht sich die Frische Nehruug in einer
geschwungenen Linie von der einen Seite der Bucht zur andern.
Die Entstehung beider Bildungen ist wohl darauf zurückzuführen,
daß eine von Westen kommende Strömung infolge der Reibung
an der vorspringenden Küste verhindert wird, den innersten Teil
der Bucht zu treffen, so daß ihre Ablagerungen statt eines
Strandsaumes Strandwälle bildeten. Es ist anzunehmen, daß
viele Haken mit der Zeit zu Nehrungen sich entwickeln, wenigstens
deutet bei beiden Formen der von der Strömung glatt erhaltene
Außeustrand im Gegensatz zu der ausgezackten Strandlinie am
Haff bezw. Wiek auf die gleiche Entstehungsursache hin. Die
hinter den Inseln und Strandwällen liegenden Flachseen (Lagunen,
Haffe) werden in der Regel durch die Flußsedimeute und die von den
Strandwällen in sie hineingewehten Sandmassen rasch noch mehr
verflacht oder ganz ausgefüllt, falls uicht, wie einst an der
deutschen Nordseeküste, Sturmfluten die schützenden Wälle
— 86 —
zerstören. Selbstverständlich haben positive oder negative Niveau-
schwankungen auf die Bildung und Zerstörung aller vom Meere
bewirkten Landanschwemmungen den größten Einfluß.
Durch die zerstörende sowohl als durch die aufbauende
Tätigkeit des Meeres sind die Küsten einer beständigen Ver-
änderung unterworfen. An vielen Stellen tritt die Küste immer
weiter zurück, an andern schiebt sie sich vor; hier werden Buchten
herausgearbeitet, dort schon bestehende allmählich zugeschüttet;
bald entstehen vor der Küste Inseln durch Auflagerung neuer
oder durch Abtrennung älterer Landmassen, bald werden Inseln
vom Meere verschlungen (Halligen) oder wachsen mit dem Fest-
lande zusammen (Monte Argentario). An manchen Küsten werden
die Flußhäfen durch Meeresströmungen vor Versandung bewahrt
(Gironde), an andereil dagegen aus derselben Ursache zugeschüttet
(Loire, Seine). Im allgemeinen hat aber die zerstörende Arbeit
des Meeres größeren Erfolg als die aufbauende, und in dem
Kampfe zwischen Land und Meer gewinnt das letztere immer
größeren Raum.
7. Gtetscberrvirkungen.
(Vergl. S. 182.)
Die Bewegung der Gletscher ist eiue gleitend-fließende,
d. h. die ganze Eismasse gleitet infolge ihrer Schwere (und des
vou oben kommenden Druckes) talabwärts, wobei aber, entsprechend
der Wasserbewegung in einem Flusse, eine Verschiebung der ein-
zelnen Eisteilchen gegeneinander stattfindet. Diese fließende Be-
wegung des Gletschers setzt voraus, daß das Gletschereis keine
absolut starre, sondern plastische, „dickflüssige" Masse ist, die deshalb
auch allen Unebenheiten des überlagerten Untergrundes und
allen Erweiterungen und Verengungen des ausgefüllten Tales
sich anpaßt.
Beim Hinabgleiten erodiert der Gletscher die unter ihin
liegende Fläche, die bei Gebirgsgletschern in der Regel eine Tal-
sohle ist. Die Ausnagung des Untergrundes wird weniger nu-
mittelbar durch das Eis selbst, als durch die in ihm festgesrorenen
Gesteinsteile bewirkt. Diese reißen Schrammen in den Unter-
grund und brechen vorstehende Stücke von ihm los. Dabei werden
alle unter dem Eise liegenden Geröllstücke durch die Reibung an-
einander und am Untergrunde endlich gerundet, und infolge des
Druckes der aufliegenden Eismassen, wie auch durch die selbst
unter dem Gletscher tätige Verwitterung wird die ganze Schutt-
masse nach und nach zerkleinert und mehr oder weniger zu Grus,
Sand und Schlamm umgewandelt. Das gesamte unter dem
Gletscher liegende Gesteinsmaterial, das durch das von der Ober-
fläche des Eisstromes in die Spalten hinabstürzende Geröll be-
ständig vermehrt wird, nennt man Grundmoräne.
— 87 —
Wie an seinem Grunde, so erodiert der Gletscher das Gestein
auch an seinen Seitenwänden. Die dadurch ihrer Unterlage be-
raubten Teile derselben stürzen aus die Oberfläche des Gletschers,
welcher so zu beiden Seiten Streifen von Geröll erhält, die
Seitenmoränen. (Fig. 41.) Wenn sich zwei benachbarte Gletscher
zu einem Eisstrome oereinigen, so entsteht
aus den beiden inneren Seitenmoränen u
eine Mittelmoräne. Von den Seiten-
und Mittelmoränen fallen Geröllstücke
durch die Spalten des Gletschers bis aus
dessen Grund hinab und vermehren das
Material der Grundmoräne. Die auf
der Oberfläche des Eises bleibenden
Trümmer zeigen im Gegensatz zu den
abgeschliffenen Steinen der Grundmoräne
meist eckige, scharfkantige Formen.
Die gesamte Schuttmasse, welche der
Gletscher in den Grund-, Seiten- und
Mittelmoränen mit hinabbringt, wird
beim Abtauen desselben 'an seinem Ende
als End- oder Stirnmoräne auf-
gehäuft, soweit sie nicht der unter dem
Eise hervordringende Gletscherbach hin-
wegführt.
Geschieht jdas Abschmelzen des Glet-
schers längere Jahre hindurch an der-
selben Stelle, so muß das in den Moränen
herabgeschaffte Gesteinsmaterial zuletzt
einen ziemlich hohen Wall bilden, der ein Gebirgstal absperrt
und nur dem Gletscherbach einen Durchfluß gewährt. Nun gehen
aber die Gletscher infolge von Klimaschwankungen in manchen
Jahren zurück und rücken in andern wieder vor. Es ist leicht
einzusehen, daß ein rückschreitender Gletscher durch seine End-
moräne statt eines Walles ein lockeres Steinseld von ziemlich
gleichmäßiger Höhe ausschütten muß. Dringt der Gletscher aber
wieder vor, so können die vor ihm liegenden losen Schuttmassen ihm
nur geringen Widerstand entgegensetzen; sie werden vielmehr zum
größeren Teile fortgeschoben und zu Wällen und Hügeln von oft
beträchtlicher Höhe aufgehäuft.
Die Gletscher wirken demnach in doppelter Weise umgestaltend
auf die Form der Erdoberfläche, sie erodieren und lagern wieder
Gesteinsschutt ab. Bei den Hochgebirgsgletschern besteht die
Erosion einesteils in der Ausräumung der Täler von Verwitternngs-
schutt, andernteils in der Korrosion der Sohle und Wände dieser
Schluchten. Von der korrodierenden Wirkung der Gletscher zeugen
eingeritzte Schrammen und glattgeschlifsene Erhebungen (Rund-
Höcker) des Felsgesteins, das einst von Gletschern überdeckt war.
Da derartige Gletscherschliffe jedoch an den obersten Teilen der
e
Fig. 41.
Moränen,
a) Seiten-, b) Mittel-,
c) Endmoräne.
— 88 —
Wände eines von einem Gletscher durchzogenen Tales fast immer
fehlen, so ist anzunehmen, daß die Täler nicht erst dnrch Aus-
schabung entstanden sind, sondern die Gletscher schon vorhandene
Schluchten nur vertiefen. Hingegen führt man die Entstehung
der fog. Kare oder Zirkustäler, die steile Wandungen und einen mit
Schuttmassen bedeckten Boden haben und sich am oberen Ende vieler
Hochgebirgsmulden vorfinden, auf Gletschererosion zurück, da
gerade am Übergang von der Firnmulde in den Gletscher die das
Gestein zerstörenden Wirkungen des Schmelzens oder Wieder-
gesrierens von Schnee- und Eismassen infolge des wechselnden
Druckes besonders stark sind.
Aus den Schuttmassen der Moräne an ihrer Oberfläche und
am Grunde bauen die Gletscher vor ihrer Stirn oft bedeutende
Wälle auf. Solche finden sich am Ausgange sast aller ehemals
von Eisströmen durchzogenen Täler; besonders deutlich zeigt die
Karte sie südlich vom Gardasee in den Höhen von Eustozza und
Solserino und im Tale der Dora Baltea bei Jvrea. Auch ivo
— wie bei den Plateaugletschern Skandinaviens und beim In
landeis von Grönland — Oberflächenmoränen im allgemeinen
fehlen, wirkt das Geschiebe der stets vorhandenen Grundmoräne
in ähnlicher Weise aufbauend. So wurde zur Eiszeit das ganze
nordeuropäische Flachland von Moränenschutt überdeckt, der im
allgemeinen durch Zuschüttung der vorher vorhandenen Einsenkungen
die Oberflächenform ausgleichend umgestaltete, au manchen Stellen
aber auch durch Aufhäufung von Wällen neue Erhebungen ent-
stehen ließ. Ahnliche Umgestaltuugen erfuhr damals das nord-
amerikanische Tiefland, in dem jetzt Moränenwälle die wichtige
Wasserscheide zwischen den Einzugsgebieten des Mississippi und
des Lorenzstromes bilden.
8. Windwirkungen (^efTctüoat*)).
Es wurde schou früher darauf hingewiesen, daß der Wind
an der Umgestaltung der Erdoberfläche insofern mitwirkt, als er
die verwitterten Gesteinsteilchen fortführt und dadurch dazu
beiträgt, daß die Verwitterung immer tiefer greift. Wie das
Wasser bei der Abspülung, so wirkt auch der Wind flächenhaft;
aber er führt die Verwitterungsprodukte nicht nur wie jenes ab-
wärts, sondern auch aufwärts; feine Arbeitsleistung ist also weniger
als die des Wassers abhängig von der Schwerkraft und von der
Bodengestalt des Geländes. Darum kann der Wind auch Boden-
senken ansrämnen.
Das Gebiet, in dem der Wind die Verwitterungsprodukte
transportiert, umfaßt die ganze Erde, also auch jene Gegenden,
in denen die Abspülung wegen der fehlenden Niederschläge
(Wüsten) oder der niederen Temperatur (Hochgebirge) unwirksam
*) Von tat. flare, blasen; Deflation — Abblasung.
— 89 —
ist. Ja gerade in diesen Erdräumen wirkt der Wind am erfolg-
reichsten, da hier keine Vegetation den Boden schützend bedeckt
und zugleich die Gewalt des über die Erdoberfläche streichenden
Luftzuges hemmt. Verhältnismäßig gering ist seine Arbeits-
leistung hingegen in Kulturgegenden, wo der lockere Boden meist
von einer Pflanzendecke überzogen ist, die ihn vor der Fortführung
durch den Wind ebenso schützt, wie Schnee- und Eismassen, die
ihn überlagern, oder wie Feuchtigkeit, die seine Teile zusammen-
hält. Weil aber die wiffenschaftliche Beobachtung die Wüsten
und Steppen erst ziemlich spät berücksichtigte, darum hat mau
auch erst verhältnismäßig spät erkannt, welche große Bedeutung
der umgestaltenden Wirkung des Windes, die man unter der
Bezeichnung Deflation zusammenfaßt, beizulegen ist.
Der Wind arbeitet aber nicht nur durch die Fortschaffung
lockeren Bodens (Ablation*') an der Umformung der Erdober-
fläche, sondern er zerstört durch Korrosion auch feste Gesteiue und
schafft durch Ablagerung und Zusammenhäufung des fortgeführten
Materials neue Formen.
a. Die zerstörende Tätigkeit des Windes. Die Zertrümmerung
der Gesteine durch Windwirkung geschieht namentlich dadurch,
daß die vorn Winde über den Boden hinweggetragenen oder aus
der Bodeusläche fortgerollten Sandkörner durch Reibung anein-
ander oder an der festen Unterlage bezw. an dem Gestein, gegen
das sie geweht werden, sich immer mehr abschleifen und verkleinern.
Dabei werden alle nicht aus Quarz bestehenden Teilchen zu
Staub zerrieben und von dein zurückbleibenden reinen Quarzsande
getrennt. Größere Geröllstücke und feste Felsen erleiden durch
den wieder und wieder gegen sie getriebenen Sand mit der Zeit eine er-
hebliche Abnutzung und werden zuletzt — unter Mitwirkung der
Verwitterung — in immer kleinere Blöcke und Körner zerfegt.**)
^ Nicht unwichtig ist dabei der Umstand, daß die dnrch das
Sandgebläse losgetrennten Gesteinsteilchen sosort entfernt werden,
so daß der Windwirkung stets neue Flächen zmn Angriff sich dar-
bieten. Auf diese Weise werden die ungeheuren Sandmasseu der
Wüsten erzeugt, die z. B. in der westlichen Sahara nicht vom
Strande des^ Atlantischen Ozeans landeinwärts geführt sein
können, da die dort herrschenden Passate westwärts zum Meere
hiu streichen.
b. Die aufbauende Tätigkeit des Windes.
1. Dünen. Der Wind schafft dnrch die Ablagerung des
fortgeführten Gesteinsmaterials neue Formen der Erdoberfläche.
Während die feinsten, nicht aus Quarz bestehenden Gesteins-
trümmer als Staub vom Winde in oft große Höhen hinauf-
*) Von lat. ablatio, Wegnahme, Entfernung.
**) Es sei daran erinnert, daß die Fensterscheiben von Häusern, die in
der Rühe von Dünen oder Sandseldern liegen, mit der Zeit blind werden,
weil der gegen sie gewehte Sand sogar von dem harten Glase kleine
Stückchen abschlägt.
— 90 —
geführt und auf weite Gebiete verstreut werden, können die
schweren Sandkörner sich nur geringe Zeit in der bewegten Luft
erhalten; sie fallen bald zu Boden und werden überhaupt vor
wiegend unmittelbar an diesem fortbewegt. Wo Winde nur einer
Richtung vorherrschen, häufen sie die Sandkörner oft zu Dünen auf.
Man unterscheidet Strand- und Binnenlandsdünen.
Beide Arten entstehen auf dieselbe Weise; sie unterscheiden sich
nur durch die Herkunft des Baumaterials.
Zu den Stranddünen wird der Sand von den Meeres-
wellen ans Ufer gespült. Solange er vom Wasser noch regel-
mäßig benetzt wird, liegt er fest, so daß des Wanderers Fuß, der
den soeben von einer Welle überfluteten Landsaum betritt, einen
kaum merklichen Eindruck hiuterläßt. Ist aber der Sand von
den Wogen so hoch aufgeschüttet worden, daß nicht jede Welle
ihn benetzt, so trocknen Sonne und Wind ihn bald aus und ver-
wandeln ihn in eine lockere, zusammenhangslose Masse. Nun
nimmt der von der See herkommende und über den Strand hin-
streichende Wind die oben liegenden losen Körner mit uud treibt
sie landeinwärts. Wo der Wind sich vor einem Hindernisse
(Gebüsch, ansteigender Strand, Muschelhügel u. dergl.) staut,
bleiben die Sandkörner vor diesem liegen uud häufen sich nach
und nach höher an — es bildet sich eine Düne. Sie hat stets
nach der Seeseite zu eine sanfte, etwas konvexe und nach der
Landseite hiu eine steile Böschung. (Fig. 42.) Solange der Sand-
Haufen die Höhe des
Hindernisses nicht er-
reicht hat, hält der ent-
stehende Luftwirbel vor
letzterem einen kleinen
Raum frei. Endlich
wird auch dieser mit
Sand zugeschüttet und
das Hindernis völlig
bedeckt. Die Düne
wächst nun nach Maß-
gäbe des vorhandenen
Materials unddesWin-
des in die Breite und
Höhe weiter und kann
über 60 m hoch werden.
An der deutschen Nordseeküste sind die Dünen in der Regel nicht
über 30 m hoch, während sie auf der Kurischen Nehrung eiue
Höhe bis zu 60 m zeigen und an der französischen Küste südlich
der Gironde bis auf 80 m, an anderen Orten unter Umständen
noch höher emporwachsen. Stets aber haben sie eine sanfte
Böschung nach der Seeseite und eine steile nach dem Lande zu.
Sind bei der Entstehung der Dünen mehrere Hindernisse neben
einander vorhanden, oder zieht ein solches sich längs der Wasserlinie
Fig. 42.
Dünenbildung.
— 91 —
hin (ansteigender Strand), so werden statt einzelner Sand-
Hügel ganze Wälle aufgeschichtet, die der Küste parallel laufen
und oft in mehreren Reihen hintereinander liegen. An Küsten
mit vorherrschenden Landwinden (z. B. Pommern) fehlen die
Dünen.
Da an einer vegetationslosen Stranddüne der Seewind den
Sand fortgesetzt die flache Böschung hinaustreibt und ihn im
Windschatten des Hügels an der dem Lande zugekehrten Seite
fallen läßt, so verschiebt sich die Düne weiter landeinwärts — sie
wandert. Die Geschwindigkeit dieses Fortschreitens ist je nach
der Stärke des Windes, nach der Beschaffenheit des Sandes uud
nach der Gestalt des hinterliegenden Geländes verschieden; sie
beträgt z. V. auf der Kurischen Nehrung jährlich 5—6 in.
Da die wandernden Dünen das hinter ihnen liegende Kultur-
land samt den Wohnstätten der Menschen mit völliger Vernichtung
bedrohen, so sucht man sie festzulegen. Das geschieht durch An-
Pflanzung von Gewächsen mit langen Wurzeln (Strandhalm,
Strandhafer u. a.), die sich mit dem dürstigen Nährboden be-
gnügen und mit der Zeit durch ihre verweseuden Reste dem
dürren Sande eine dünne Humusschicht geben, wodurch dann die
Anlegung von Kiefernwaldungen ermöglicht wird.
Die Binnenlandsdünen sind nach Entstehung uud Be-
schassenheit den Stranddünen ganz ähnlich; nur wird ihr Bau-
Material nicht vom Meere herbeigeschafft, fondern entsteht aus
der Zertrümmerung der binnenländischen Gesteine. Der Ursprungs-
ort ihres Sandes ist also nach der Richtung hin zu suchen, von
welcher der vorherrschende Wind kommt. Selbstredend haben sie
auch nach dieser Seite hin ihre flache Böschung, so daß z. B. die
Dünen am Westrande der Sahara ihren Steilabsall dem Ozean
zukehren. An Höhe übertreffen die Binnenlandsdünen die Strand-
dünen oft ganz bedeutend.
2. Staubablagerung. Die feinsten Teile zerstörter Ge-
steine, namentlich Kalk- und Tonpartikelchen, werden als Staub
vom Winde lange schwebend erhalten und ost sehr weit fort-
geführt; schließlich fallen aber auch sie zur Erde nieder. Ablage-
rungen von Staub kommen überall vor, selbst auf Inseln in-
mitten der Ozeane; aber nur in grasreichen Ebenen uud in ab-
flußlosen,^ größeren Wüsten benachbarten Gebieten erlangen sie
große Mächtigkeit. Auf geneigten Flächen entfernt die Abspülung
den niedergefallenen Staub sehr schnell wieder, und auf kahlem
Boden wirbeln die folgenden Windstöße ihn wieder aus und
sichren ihn weiter.
Besonders _ erfolgreich ist die Staubablagerung aus Gras-
steppen, wenu sie in der Nähe von Wüsten liegen, in welchen durch
das Zerfallen der Gesteine viel Staub erzeugt wird. Jede
Staubwolke überzieht die Pflanzen mit einer feinen Schicht. Der
Regen reißt den Staub aus der Luft gleichsam hernieder und
spült ihn von den Blättern und Halmen der Pflanzen zu Boden,
— 92 —
wo die Wurzeln ihn festhalten. So erhöht sich der Boden mit
der Zeit, und die Pflanzendecke folgt nach. Die von den Wurzeln
einst eingenommeneu Räume bleiben als feine, meist senkrecht
gerichtete Röhrchen in den allmählich sich verfestigenden Ablage-
rungen zurück. So entsteht der fruchtbare Löß (vgl. S. 40), der
in China, in den Prärien am Mississippi, in den Pampas Süd-
amerikas und im südlichen Rußland (Tschernosiom) mächtige Lager,
bildet, sich in geringerem Maße aber anch in Deutschland
vielerorts siudet (z. V. im Rhein- und Donautale, au der Mulde,
Uustrut, Saale, Werra, am Main und bei Quedlinburg).
D. Die Geländeformen.
Neben den gewaltigen tektonischen Veränderungen, denen die
Erdrinde in der Borzeit unterworfen war, haben endogene und
exogene Vorgänge von jeher an der Umgestaltung der Landober-
fläche mitgewirkt. Ihre Arbeit dauert, wie wir gesehen haben,
noch bestäudig fort, und daher sind auch die heutigen Formen
der Erdoberfläche andauernd dem Wechsel unterworfen. Die Ge-
staltnngslehre oder Morphologie des Laudes beschäftigt sich
mit der Erforschung dieser Formen, sucht sie zu klassifizieren und
namentlich ihre Entstehung und Umwandlung klarzulegen. Wir
beschräukeu uns hier darauf, eine kurze Übersicht über die Geläude-
formen zu geben, und betrachten dabei, zuerst die neutrale
Form — die Ebene, dann die Vollformen — die Erhebungen,
endlich die Hohlformen — Wannen und Täler. *)
1. Die Ebenen.
Als Ebene bezeichnet man eine Geländeform, bei der direkt
wahrnehmbare Höhenunterschiede zwischen benachbarten Punkten
mehr oder minder fehlen. Völlig eben sind freilich nur fehr
kleiue Flächen; meist wechseln sanft ansteigende, wellige Er-
Hebungen mit flachen Einfenkungeu, und nur im Verhältnis zu
ihrer horizontalen Ausdehnung erscheinen diese Gebiete uus eben.
Man nennt sie deshalb richtiger Flachböden. Wenn sie auch fast
wagerecht liegen, so sind sie doch nicht vollkommen horizontal,
sondern stets etwas geneigt, wie schon der Lauf der sie durch-
ziehenden Gewässer anzeigt.
Die Einteilung der Ebenen geschieht:
a. Nach ihrer' Höhenlage. Man unterscheidet: 1. Hoch-
plateaus (über 1500 m, im Sprachgebrauch meist als Hoch-
länder bezeichnet; Armenisches Hochland 2000 m, Hochland von
Ecuador 3000 m, von Bolivia 4000 m, von Tibet 5000 ni),
*) Für das weitere Studium der Morphologie des Landes sei ver-
wiesen auf die ausführliche Darstellung des Gegenstandes inSupan, Grund-
züge der physischen Erdkunde, Leipzig 1903, und namentlich m Penck,
Morphologie der Erdoberfläche, 2 Bde., Stuttgart 1894.
— 93 —
2 Hochebenen (über 200 m; Oberdeutsche Hochebene 500 m,
Neukastilien 600 m, Altkastilien 700 m), 3. Tiefebenen (unter
200 m). Die innerhalb der letzteren am tiefsten, doch noch über
dem Meeresspiegel gelegenen Gebiete heißen Niederungen, die
unter das Meeresnivean hinabgehenden Depressionen (Marsch-
gebiete an der holländischen und deutschen Nordseeküste, Umgebung
des Kaspischen Meeres — 26 m, Oase Suva in der Libyschen Wüste —
32 m, Jordantal nördlich vom See Genezareth [Spiegel — 208 m]
bis über das Tote Meer [Spiegel — 394 m] hiuaus). Wie
man die Depressionen auch als Tiefsenken bezeichnet, so nennt man
überhaupt Ebenen, die von Erhebungen umgeben sind, Senken
(Aralo-Kaspische Senke). Hat eine Senke längliche Form,
so heißt sie Mulde (Schlesien). Sehr lang gestreckte Mulden
mit parallelen Erhebungsrändern sind die Grabensenken
(Ostasrika, Jordantal). Senken von nicht länglicher Form werden
Becken genannt (Großes Becken im westlichen Nordamerika).
b. Nach der Entstehung teilt man die Ebenen ein in
1. ursprüngliche Ebenen oder Schichtuugs-Tasel-
l ä n d e r, 2. D e n u d a t i o n s - (A b r a s i o n s -) Flächen,
3. jüngere Flachböden. In den ursprünglichen Ebenen oder
Tafelländern sind die Schichten im allgemeinen in ihrer horizon-
talen Lage geblieben (Russische Tafel, die Wüsteutaselu in Asien
und Afrika, das Mississippi-Tafelland). Die Denudationsflächen
sind das Ergebnis völliger Abtragung ehemaliger Gebirge. Da
diese Zerstöruug der Gebirgserhebungen vornehmlich durch die
Brandung des Meeres bewirkt wurde, so bezeichnet man diese Ebenen
auch als Abrasionsflächen (Finnland, Belgien, Rheinisches Schiefer-
gebirge*). Die jüngeren Flachböden wurden meist durch Auf-
schüttung junger Schichten gebildet, wobei Wasser, Wind und
Gletscher tätig waren. Zu ihnen gehören ausgefüllte Seebeckeu,
Stromflachländer (Poebene, Oberrheinische Tiefebene, Gebiet des
Amazonenstromes), Deltabildungen, vom Meere abgesetzte Küsten^
säume, mit Staubablageruugen oder Eiszeitgeschiebe überdeckte
Flächen. Auch die Bödeu ausgetrockneter Seen (Gebiet am
Kaspischen See) rechnet man zu deu jüngeren Flachböden.
Die Umwandlung der Ebeueu geschieht durch dieselben
Vorgänge, denen ihre Entstehung zuzuschreiben ist, nämlich in
der Hauptsache durch Ausschüttung (Akkumulation*^) und durch
Abtragung (Denudation). So werden Flachböden durch die
Tätigkeit des Windes zu Dünenketten, durch diejeuige der Gletscher
Moränenlandschaften verwandelt (nördliches Alpenvorland).
Die erodierende Arbeit des Wassers bildet aus ehemaligen Hoch'
plateans oder Tafelländern Erosionsgebirge (Sächsische Schweiz,
Rheinisches Schiefergebirge). Selbstverständlich werden die Ebenen
*) Die Abrasionsfläche am Rhein hat erst durch die Flußerosion den
Charakter eines Gebirges erhalten (Erosivnsgebirge).
**) Vvn lat. aocumuläre, anhäufen.
— 94 —
außerdem durch Dislokationen vernichtet. Hierbei ist indes die
Zerstörung meist eine so vollständige, daß die entstehenden Formen
als umgewandelte Ebenen nicht mehr zu erkeuuen sind. Endlich
können vulkanische Ausschüttungen die Ebenen durch einzelne
Berge uuterbrecheu oder auch richtige Berglaudschasten aus
ihnen bilden.
2. Die Erhebungen.
Die Vollformen des Landes sind die Erhebungen. Als solche
gelten, wie aus dem vorigen Abschnitt ersichtlich, hier nicht einfach
die höher als das Meeresniveau liegenden Landmassen, sondern
die sich innerhalb der Flachböden oder zwischen solchen über sie
erhebenden Stellen mit stark wechselnder Neigung der Oberfläche.
Sie zeigen wenigstens zwei, meist aber mehrere Flächen, die
gegeneinander geneigt sind und bei ihrem Zusammeutreffeu einen
erhabenen Winkel bilden. Weil man früher eine solche Erhebung
schlaukweg Berg nannte, so pflegt man noch heute die gesamte
Lehre vou den Geländeformen als Orographie, Bergkunde, zu
bezeichnen. *)
Die Formen der Erhebungen sind sehr mannigfaltig. Eine
Erhebung mit sanft ansteigenden Seiten und flachen Gipfeln heißt
Hügel oder, wenn sie sich in längerer Erstreckung hinzieht,
Hügelkette. Die niedrigste, aus dem Flachlande sich kaum
merklich abhebende Form derselben ist die Bodenschwelle.
Zu den Hügelländern gehören die Dünen- und Moränenland
schasten. Eine aus der Umgebung zu beträchtlicher Höhe auf-
steigende Erhebung heißt als Einzelform Berg, als Großform
Gebirge. Heben zwei Flächen sich mit deutlich wahrnehmbarem
Höhenunterschied voneinander ab, so entsteht eine Land stufe
(Dün, Hainleite, Steigerwald, Frankenhöhe). Bei ihr ist die
Längenerstreckung sehr erheblich im Vergleich zum Höhenunterschied
beider Flächen. Ihre einfachste Form hat einen "^-Querschnitt,
der freilich durch Abtraguug meist verwischt ist. ~
Bei diesen Erhebungsformen heißt der untere Teil Fuß oder
Saum. Die ansteigenden Seitenflächen bezeichnet man als
Abhang, Gehänge oder Böschung. Der oberste Teil einer
Erhebung ist der Gipsel oder Scheitel. Hat er eine größere
Längenausdehnung, so daß die geneigten Flächen dachförmig ab-
fallen, so spricht man von einem Kamm oder, bei breiterem
Scheitel, von einem Rücken, bei scharfem, schneidensörmigem
Zusammentreffen der Abhänge hingegen von einem Grat. Die
Linie, in welcher die Böschungen sich vereinigen, heißt Kamm-
linie. Einzelne Berge werden nach ihrer Form wohl als
Kegel, Kuppe, Kopf, Spitze, Horn uud dgl. bezeichnet.
Bei der Einteilung der Gebirge berücksichtigt man ent-
weder ihre Form oder ihre Höhe oder ihre Entstehung:
*) Von griech. öros, Berg.
— 95 —
a. Nach der Form teilt man sie ein in:
1. Massengebirge. Es sind geschlossene Gebirgserhebungen,
die keine ausgesprochene Streichungsrichtung haben, dasür aber
meist strahlenförmig verlaufende Täler zeigen. Sie können
sowohl einzelne Gebirgskerne in größeren Gebirgen (Ortlergruppe,
Otztaler Alpen), als auch selbständige Erhebungen sein (Harz).
2. Kammgebirge. Sie haben bei deutlich erkennbarer
Längserstreckung einen schars hervortretenden Kamm (Teutoburger-
Wald). Ist statt des scharsen Kammes ein breiterer Rücken vor-
Händen, so bezeichnet man das Gebirge als Rückengebirge
(Thüringer Wald). Diesen Gebirgen sehlen, im Gegensatz zu den
Kettengebirgen, die Längstäler.
3. Kettengebirge. Sie haben gleiche Längsrichtung der
zu einem Gebirge vereinigten Erhebungen und bestehen meist aus
mehreren aneinander gereihten, parallelen Kammgebirgen. Daher
haben sie gleichlausende Kammlinien und überwiegend Längstäler.
Ost sind in ihnen auch kleinere Massen- und Plateaugebirge ent-
halten (Alpen, Anden). Sind Kettengebirge verschiedener Streichungs-
richtung eng aneinandergepreßt, so bilden sie einen Gebirgsknoten
(Pamir). Mehrere ziemlich parallel verlaufende Kettengebirge
ohne Gebirgsknoten und ohne ausgedehnte Ebenen zwischen ihren
Zügen bezeichnet man als Rostgebirge (Südchina).
4. Plateaugebirge. Ihnen ist eine breite und wenigstens
in einzelnen Teilen ebene Oberfläche eigen, so daß man sie als
hochgelegene Flachböden ansehen kann. Der Gebirgscharakter ist
ihnen in der Regel erst durch Erosion oder durch vulkanische
Tätigkeit gegeben worden (Rheinisches Schiefergebirge, Karst,
französisches Zentralplateau.)
5. Gruppengebirge oder Berggruppen. Sie zeigen
selbständige EinZelerhebungen, die mit ihrem Fuße verwachsen
sind (Siebengebirge).
b. Nach der Höhe*) unterscheidet man:
*) Unter der absoluten Höhe versteht man die Erhebung eines
Punktes über den Meeresspiegel. Depressionen haben negative Höhe. Der
Mehrbetrag der absoluten Höhe eines Punktes im Vergleich zu derjenigen
irgend eines Ortes in seiner Umgebung heißt seine relative Höhe über
letzteren!. Wenn man von der relativen Höhe eines Berges spricht, meint
man in der Regel seine Erhebung über die mittlere Höhenlage seiner
Umgebung.
Die mittlere Gipfelhöhe eines Gebirges erhält man, indem man
die Höhenzahlen aller Gipfel addiert und die Summe durch die Anzahl
der gemessenen Gipfel dividiert. Ebenso findet man als arithmetisches
Mittel aller Paßhöhen die mittlere Paßhöhe eines Gebirges. Das
Mittel aus mittlerer Gipfel- und Paßhöhe ist die mittlere K a m m h ö h e,
die sich also ergeben würde, wenn man durch Abtragung sämtlicher Gipset
eines Gebirges alle Einsattelungen desselben ausfüllte.
Die Bestimmung der Höhe geschieht l. durch Nivellement, 2. durch
trigonometrische Berechnung und 3. durch Messung des Luftdruckes mittels
des Barometers oder des Kochthermometers (vgl. S. 163).
— 96 —
1. Berg- und Hügelland (mittlere Gipfelhöhe von
200 — 500 m),
2. Mittelgebirge (500—1500 m),
3. Hochgebirge (über 1500 in).
c. Nach der Entstehung der Gebirge unterscheidet man,
je uachdem sie gebildet wurden durch tektonische Vorgänge, durch
Erosion oder durch vulkanische Ausschüttung:
1. Tektonische Gebirge. Als tektonische gebirgsbildende
Vorgänge lernten wir srüher (S. 28 ff.) Faltung und Bruch der
Erdschichten kennen. Man unterscheidet danach:
a) Faltengebirge (Schweizer Jura, Alpen, Himalaya,
überhaupt alle Kettengebirge). Eine besondere Art derselben sind
die Rumpfgebirge, bei denen die ehemals vorhanden gewesenen
Falten durch Verwitterung und Abtragung längst eingeebnet
sind (Skandinavisches Gebirge). Die Rumpfgebirge haben meist
altes Gestern uud sind in sehr frühen geologischen Perioden ent-
standen, während die jetzigen Faltengebirge aus der Tertiärzeit
herrühren.
b) Schollengebirge. Ihre hauptsächlichsten Arten sind die
Tafelschollengebirge (nördliches Hessisches Bergland), Schollenrand
gebirge (Erzgebirge) und Horstgebirge (Harz).
Zu beachten ist, daß Falten- und Schollengebirge, auch wenn
sie nur noch als Rumpfgebirge bestanden, durch später eintretenden
Bruch nicht selten umgeformt wurden.
2. Erosionsgebirge. Sie wurden durch die erodierende
Tätigkeit des Wassers aus Tafelländern umgebildet (Rheinisches
Schiefergebirge, Elbsandsteingebirge).
3. Vulkanisches Gebirge (Rhön). Da sie nur durch
geschlosseues Auftreten von Vulkanbergen eutstehen, so sind sie
weit seltener als Einzelberge vulkanischen Ursprungs.
Die Umwandlung der Erhebungen geschieht außer
durch die sie erzeugenden Vorgänge (tektonische Veränderungen,
Erosiou, Aufschüttung) namentlich durch die Verwitterung und
die Abtragung. Die Vollformen sind der Zerstörung besonders
stark ausgesetzt, und auch die gewaltigsteu Gebirge gehen stetig,
wenn auch langsam der Einebnung entgegen. Jedes Gebirge
stellt sich als eine Ruine dar, und seine Höhe wird durch sein
Alter und die Geschwindigkeit der Abtragung ebenso bedingt, als
durch die Stärke der bei seiner Bildung tätigen Kräfte. Die
heutigen Hochgebirge sind durchweg jüngeren Ursprungs, uud ge-
waltige Erhebungen aus älterer Zeit sind gegenwärtig nur mich
Mittelgebirge (Ural, Böhmer Wald) oder wenig über das Meeres-
Niveau aufragende Rumpflandschaften (Belgien, wo zu Ende
der Karbonzeit ein mächtiges Gebirge war). _ So stellen Hoch-
gebirge, Mittelgebirge, Bergland, Hügelland bis hinab zur ebenen
Rmnpflandfchaft Glieder einer stetigen Entwicklungsreihe dar.
Selbstredend ist das nicht so zu verstehen, als ob jeder Hügel
einstmals Teil eines Hochgebirges gewesen sei, und natürlich
— 97 —
können durch Dislokationen, Erosion oder Aufschüttung Störungen
dieser Umwandlung eintreten.
3. Die Kobtformen.
Als Begleiterscheinungen der Vollsormen und im Gegensatz
zu ihnen treten die Hohlsormen auf. Wenn auch dieser Name
im eigentlichen Sinne nur auf die unter das Meeresniveau hinab-
gehenden Einsenkungen paßt, wie sie neben wenigen Depressions-
gebieten der Boden der Meere und Seen zeigt, so gibt man ihn
doch den zwischen den Vollformen liegenden minder erhabenen
Teilen, gegen welche die Gehänge der Umgebung sich neigen.
Es gehören also auch die als Senken, Mulden oder Becken auf-
geführten Flachböden hierher. Von diesen Großsormen sehen wir
indes hier ab, auch von den mit Wasser gefüllten Einsenkungen,
die als Seen später besprochen werden (S. 125). Wir betrachten
nur die kleinen Hohlsormen, welche die seinere Modellierung der
Landoberfläche bewirken und entweder durch fließendes Wasser
hervorgerufen oder doch schon früh von diesem aufgesucht und
weiter ausgearbeitet wurden.
Die Arten der kleineren Hohlformen sind:
1. Wannen, d. h. geschlossene Einsenkungen mit ziemlich
ebenem Boden und allseitig nach diesem abfallenden
Gehängen.*)
2. Täler, d. s. langgestreckte, schmale, wenigstens nach
einer Seite offene Formen, die parallel verlaufende und
sich gegeneinander neigende Böschungen, sowie eine Sohle
mit einseitigem Gefälle haben.
3. Pässe, d. s. in Gebirgskämmen vorhandene tiefe Ein-
fattelungen, die von den beiden Böschungen des Kammes
her durch sich entsprechende Täler leicht zugänglich sind.
Besondere Beachtung unter den kleineren Hohlsormen ver-
dienen die Täler. Wenn bei ihnen von der gesamten Fläche
der Hohlsorm ein erheblicher Teil auf die Gehänge im Verhältnis
zur Talfohle entfällt, so spricht man von einem Tiestal. Fast
alle Gebirgstäler sind Tieftäler, mögen sie — wie in den meisten
Fällen — als Talfurche mit V-förmigem Querschnitt, als Klamm
oder Schlucht mit senkrecht aufsteigenden Wänden, oder in runder
Ausweitung als Zirkus vorkommen. Bei den Flachtälern
überwiegt hingegen die Talsohle gegenüber den Seitenwänden,
dte ost kaum noch als Gehänge des Tales erkannt werden können.
(Die drei großen Talungen, welche die Provinz Brandenburg
von Osten nach Westen durchsetzen.)
*) Der Ausdruck „Wannen" ist von Penck für „Becken" vorgeschlagen,
hat aber bisher nur wenig Eingang in die geogr. Literatur gesunden. Er
werde hier gebraucht für die leere Emsenkuna im Gegensatz zum mit
Wasser gefüllten Seebecken.
W. Tech ter, Allgemeine Erdkunde. 7
— 98 —
Uber die Entstehung und Benennung der Täler
sind die Ansichten der Forscher in vielen Fällen noch geteilt.
Im allgemeinen sind die Täler alte Gebilde. Wenn sie auch ihre
heutige Form in der Regel durch die Arbeit des Wassers er-
hielten, so haben doch meistens Bruch oder Faltung der Erd-
schichten, also tektonische Vorgänge, den Anlaß zu ihrer Ent-
stehung gegeben, und nur iu wenigen Fällen mögen sie lediglich
ein Erzeugnis der Erosion sein. " Daher läßt sich die übliche
genetische Einteilung der Täler in tektonische und Erosions-
täler nicht überall mit Sicherheit durchführen. — Nach ihrer
Richtung unterscheidet man die Täler in Längs täler, die
mit der Erhebungsachse des Gebirges und der Streichrichtung
der Schichten parallel laufen, in Quertäler, die senkrecht zum
Schichtenstreichen liegen, und in Durchbruchstäler, die einzelne
Gebirgsketten oder ganze Gebirge quer durchsetzen. Die Längs-
täler sind durchweg tektonischen Ursprungs, steigen zumeist sauft
an uud haben für die Besiedelung eines Gebirges große Bedeutung
(oberes Rhönetal). — Die Quertäler sind häufig reine Erosions-
täler und im allgemeinen steiler und enger als die Längstäler.
Sie öffnen sich nur nach einer Seite hin, haben als Hintergehänge
die Erhebungsachse des Gebirges und führen oft, wenn auf den
entgegengesetzten Seiten eines Kammes zwei Täler sich entsprechen,
zu Pässen hinaus (Tessin- uud Reußtal). Vielfach öffnen sie die
Längstäler nach den Seiten des Gebirges zu und erschließen den
Flüssen einen Ausweg nach dorthin (Rhone, Rhein). — Die
Durchbruchstäler, die man anch zu den Quertälern rechneu kann,
öffnen sich nach oben und nach unten. Ihre Entstehung kann
ganz verschiedene Ursachen gehabt haben. Ein Fluß staute z. B.
sein Wasser vor einem Querriegel seines Bettes so lange, bis der
Seespiegel mit der niedrigsten Lücke der vorgelagerten Erhebung
in einer Höhe war. Durch das über diese hin abfließende Wasser
wurde allmählich der Durchbruch bewirkt (Egerdurchbruch unter-
halb der Stadt Eger). Oder eine vorgelagerte Scholle hob sich
langsam und wurde dabei immer tiefer von dem über sie hin-
fließenden Wasserlause durchsägt. (Elbdurchbruch.) Ein besonders
interessantes Beispiel bietet der Durchbruch des Rheines durch
das Schiefergebirge. Da man an den Wänden des Haupttales
uud der Seitentäler bis 200 m Höhe über dem heutigen Fluß-
spiegel alte Talstuseu mit Flußgeröll nachgewiesen hat, so muß
das Zuflußgebiet einst höher gelegen haben als das Schieserplateau.
Da es jetzt riugs um dieses herum tiefer liegt, so ist es entweder
gesunken, oder das Plateau hat sich gehoben.
Die Täler erhöhen nicht nur die landschaftliche Schönheit
eines Gebirges, sondern sie sind auch von der größten Bedeutung
sür die Besiedelung derselben. Sehr deutlich tritt das bei den
Alpen hervor. Da die meisten Alpentäler sich nach Norden öffnen,
so haben Deutsche den größten Teil des Gebietes eingenommen.
Im Osten gewährten die in die ungarische Ebene gehenden großen
— 99 —
Täler den ©lauen Eingang, und die Italiener stiegen das Etsch-
tal hinauf in das Herz des Gebirges, während sie in den west-
liehen Teilen uur das äußerste Grenzgebiet besiedelten. — Einen
wie großen Einfluß die Täler auf die Wegsamkeit eines Gebirges
haben, zeigt ein Vergleich der Alpen mit den Pyrenäen, welche,
obgleich jenen an Höhe nachstehend, weit mehr den Verkehr
hemmen und eine ausgeprägtere Länder- und Völkerscheide sind
als die mit Tälern so reich bedachten Alpen.
Kap. III. Wechselbeziehungen zwischen Land
und Meer.
A. Flächenverteilung von Land und u>asser.
Von der Oberfläche der Erde sind bis jetzt die um die beideu
Pole liegenden Gegenden noch nicht erforscht. Die Größe des
unbekannten Gebietes im Norden schätzt man aus 4 bis 5 Mill. qkm,
die des südlichen auf 16 Mill. qkm. Es sind demnach etwa
490 Mill. qkm oder 96 °/0 der Gesamtoberfläche bekannt, uud
reichlich 20 Mill. qkm, alfo etwa die doppelte Fläche Europas,
harren noch der Erforschung.
Der weitaus größte Teil der Erdoberfläche ist vom Wasser
bedeckt. Man nimmt an, daß von den uubekauuten Gebieten
etwa 9 Mill. qkm dem Lande, 12 Mill. dem Wasser zukommen.
Dann würde die gesamte Landsläche 144, die Wasserfläche
366 Mill. qkm betragen, also zwischen beiden ein Verhältnis von
2 :5 oder genauer von 1: 2,54 herrschen.
Die Verteilung von Land und Wasser ist ungleich-
inäßig. Von der Oberfläche der nördlichen Halbkugel find 40 °/0
Land, während dieses aus der südlichen höchstens 17 °/0 beträgt.
Eigentümlich ist, daß die großen Landmassen nach Süden halb-
inselartig auslaufen, mit Ausnahme Australiens, das ganz der
Südhälfte augehört.
Man pflegt die bekannte Landmaffe in fünf Erdteile oder
Kontinente zu gliedern: Europa, Asien, Afrika, Amerika und
Australien. Die drei ersteu nennt man wohl die alte Welt, und
bezeichnet im Gegensatze dazu Amerika als neue Welt. Europa
und Asien faßt man auch unter dem Namen Eurasien zusammeu;
Amerika wird hingegen häusig in die Kontinente Nordamerika
und Südamerika geschieden.
Auch das Meer, das eigentlich nur eiue einzige zusammen-
hängende Masse bildet, teilt mau hergebrachterweise in fünf
Weltmeere, den Atlantischen, den Großen oder Stillen, den
Indischen Ozean, das Nördliche und das Südliche Eismeer. Von
den beiden letzteren Becken, als deren Grenze gegen die übrige
Wasserfläche bisher die Polarkreise galten, wird jedoch auch wohl
das Nordmeer als Teil des Atlautischeu Ozeans angesehen. Das
— 100 —
Südmeer teilt man den drei Ozeanen so zu, daß man die letzteren
— wie bisher — durch die Meridiane der drei südlichen Land-
spitzen (67 o W, 20° und 146° 0) gegeneinander abgrenzt, diese
Grenzen aber bis zum Südpol bezw. zu dem angenommenen
Kontinente am Südpol verlängert.
Die Größe der Erdteile und der Weltmeere ist folgende:
Mill. qkm Mill. qkni
Europa.........10 Großer Ozean ... 175
Asien.........44,2 Atlantischer Ozean . 90
Afrika.........29,8 Indischer Ozean . . 74
Amerika «mit Grönland) . . 41,9 Nördliches Eismeer. 13
Australien........8,9 Südliches Eismeer . 14
Unerforschte Polargebiete . . 9,2 -^—
144,0
Eur asten........54,2
Nord-Amerika......24,1
Süd-Amerika......17,8
B. Niveau der starren Erdkruste; Höhen und
Tiefen.
Während die hauptsächlichen Erhebungen des Landes schon
seit längerer Zeit bekannt sind, haben erst die Forschungen der
letzten Jahrzehnte genauere Nachrichten über die Meerestiefen
gebracht, so daß jetzt die bessereu Karten neben den Höhenkurven
(Isohypsen) auch Tieseulinien (Jsobathen) zeigen. Die Angaben
über Höhen und Tiesen gestatten es, unter Berücksichtigung der
Flächeuausdehuuug der eiuzelueu Erdräume die mittlere Höhe
des Landes und die mittlere Tiefe des Weltmeeres festzustellen.
Jene würde herauskommen, wenn alle Landerhebungen abgetragen
und auf das Tieflaud gelegt würdeu; diese würde eiue entsprechende
Einebnung des Meeresbodens ergeben.
Die mittlere Erhebung aller Landhöhen der Erde
beträgt 700 m, die Mitteltiefe des Meeres 3500 m. Die
mittlere Höhe der Kontinente (nach Wagner) und die mittlere
Tiefe der Weltmeere (nach Krümmel) betragen:
Europa..... 300 m Atlantischer Ozean . 3760 m
Asien..... 950 „ Großer Ozean . . . 4080 „
Afrika..... 650 „ Indischer Ozean . . 3650 „
;2?^Amerifa . . 700 „ Mitteltiefe des offenen Ozeanes . 3900 w
Sud-Amenka . . »80 der Mittelmeere. . . 1059..
Australien . . . 3o0 „ ^ ^ Randmeere . . 829 „
Mittlere Tiefe des Weltmeeres . 3500 in
Denkt man sich weiter mit dem gesamten Land die Becken
aller Meere ausgefüllt, so würde das Niveau der festen Erdrinde
2300 in unter dem jetzigen Meeresspiegel liegen. Man erhielte
so das mittlere Niveau der starren Erdkruste.
Die Tiefenkarten des Weltmeeres zeigen uns ferner, daß in
der Nähe der Festländer und namentlich in den Meeresteilen
— 101 —
zwischen diesen das Wasser nur eine durchschnittliche Tiefe von
200 m hat, indes die großen Flächen der Ozeane selbst Tiefsee-
becken sind. Sänke der Meeresspiegel also um 200 m, so würden
zwar die meisten Inseln landsest werden, die großen Umrisse der
Landmasse aber keine wesentliche Änderung der Form erfahren.
Außerhalb der Tiefenlinie von 200 m sällt der Meeresboden
schnell zu 2000—3000 m ab, nimmt aber dann nur äußerst
langsam an Tiefe zu. Die tiefste Stelle des Meeres wurde bis
jetzt im Großen Ozean in dem s. g. Marianengraben ostsüdöstlich
der Insel Guam (12° 40' N, 145° 40' 0) mit 9636 m gefunden.
Bei Betrachtung der Erhebungsverhältnisse der ganzen starren
Erdkruste muß man den Boden der Flachsee bis zu 200 m Tiefe
den Kontinenten zurechnen. Alles Land, welches über der Jsobathe
von 200 m liegt, bezeichnet man als Kontinentaltasel und
nennt im Gegensatz dazu Tiesseetasel den Teil der Gesteins-
hülle, der unter 2300 m Meerestiese (mittleres Niveau der Er-
starrungskruste) sich senkt. Den Übergang von der Kontinental-
tasel zur Tiesseetafel bildet der steile Kontinentalabhang in
einer Tiefe von 200—2300 m. Wäre das Meer trocken gelegt,
so würden also Kontinentaltafel und -abhang einen gewaltigen,
steil aufsteigenden Block, den Kontinentalblock, bilden. Er
umgibt den Nordpol und sendet nach Süden drei Lappen aus.
Zwischen den Lappen liegt die jetzt von den drei Ozeanen bedeckte
Tiesseetasel mit ähnlichen Erhöhungen und Vertiefungen, wie sie
die Kontinentaltafel zeigt.
Die Verteilung zwischen diesen drei Hanptsormen der
Erdkruste ist folgende (nach Wagner):
Kontinentaltafel + 8840 bis — 200m =34,3% der Erdoberfläche
Kontinentalabhang — 200 „ — 2300 „ = 9 °/0 „ „
Tiefenregion —2300 „ — (9636),, = 56,7% „
C. Wagerechte Gliederung des Festlandes.
Die heute vorhandenen Umrisse der Festländer sind das
Ergebnis mannigfaltiger Umgestaltungen, die die feste Erdrinde
im Lause der Zeit erfahren hat. Dislokationen der Erdschollen,
vulkanische Vorgänge und säkulare Hebungen oder Senkungen
des Landes sowohl, als die zerstörende und ausbauende Tätigkeit
des Meeres längs der Küste, also endogene und exogene Vorgänge
haben dabei mitgewirkt. Das Resultat ihrer einander vielfach
beeinflussenden Leistungen zeigt uns — soweit die Landumrisse
in Frage kommen — die Karte in der Unzahl von Landengen
oder Isthmen, Halbinseln und Inseln, die als Glieder der Kon-
tinente diesen angefügt oder vorgelagert sind, und in der viel-
gestaltigen Form der gesamten Meeresküste. Da aber die
umgestaltenden Kräste noch sortdauernd tätig sind, so sind auch
i^igcn Umrisse der Festländer beständigen Veränderungen
unterworfen.
1. Die Kccl'binsel'n.
Die Halbinseln können auf doppelte Weise entstehen: durch
Abgliederuug von dem Rumpfe des Kontinents oder durch Au-
gliederung au denselben, je nachdem das Meer infolge irgend-
welcher Umstände Teile des Landes überschwemmt oder vou diesem
zurückgedrängt wird. Die Geländeform einer abgegliederten
Halbinsel erweist sich stets als eine Fortsetzung des benachbarten
Teiles vom Kontinentrumps (z. V. Halbinsel Jstrien und West-
Hälfte der Balkanhalbinsel — Karst; Apennin in Italien — Alpen;
Bretagne und Normandie — westfranzösisches Plateau; Jütlaud
— baltischer Höhenzug; Hinterindien — südchinesische Alpen;
Kleinasien — armenisches Gebirgsland u. a.). Angegliederte
Halbinseln zeigen hingegen bezüglich des Aufbaues und der
geologischen Beschaffenheit ihrer Gesteinsschichten selbständigen
Charakter. Bei ihnen stellt meist eine in verhältnismäßig später
Zeit entstandene Tiefebene die Verbindung mit dem Festlands-
rümpfe her (z. B. Pyrenäenhalbinsel — aquitanisches Tiefland;
Plateau von Dekan — Ganges- und Jndustiefebeue; Krim mit
Jailagebirge, Peloponnes, Monte Gargano, Calabrien, Malakka —
die sie mit dem Hauptlaud verbindenden Gegenden aus Schwemm-
land oder audereu juugeu Sedimentschichten).
Die Halbinseln sind nach Zahl und Größe sehr ungleichmäßig
aus die einzelnen Kontinente verteilt. Ihr Flächenraum beträgt
(nach Supau) in Prozenten der Gesamtfläche des Kontinentes
(ohne die Inseln)
Nordkontinente: Südkoutiuente:
Europa......29,7 Australien.....1,4
Asien.......20,5 Südamerika.....0,4
Nord- u. Zentralamerika 10,9 Afrika.......0,0
Die Halbinseln sinden sich also vorwiegend an den nördlichen
Festländern; besonders zahlreich sind sie in Europa, das zudem
alle Hanptsormen der Halbinselbilduug aufweist.
2. Die Insetn.
Eine Insel ist ein ringsum vou Wasser umgebenes Landstück.
Demuach sind eigentlich auch die drei großeu Läudermasseu
Europa-Asieu-Asrika, Amerika und Australien Inseln. Der
Sprachgebrauch stellt sie jedoch nicht mit uuter diesen Begriff;
er bezeichnet sie vielmehr als fünf Festländer und rechnet zu deu
Juseln nur alle vom Meere umgebenen Landflächen, die kleiner
sind als das Festland Australieu (7,6 Mill. qkm).
Die Inseln können entweder durch Abtrennung vom Festland
oder durch Wachstum vom Meeresgrunde auf entstehen. Ihrem
— 103 —
Ursprung nach teilt man sie ein in festländische oder Kon-
tinentalinseln und in ursprüngliche Inseln. Nach ihrer
Lage unterscheidet man sie in festländische und ozeanische, je
nachdem sie nahe der Festlandsküste oder weit von ihr ab im
Ozean liegen.
Die gleichnamigen Gruppen in beiden Einteilungen decken
einander nicht ganz; denn von den nahe am Kontinent liegenden
Inseln sind manche ursprüngliche, dem Meersboden entwachsene
Inseln, die niemals Teile des Festlandes waren, (Vulkankegel,
Schwemmlandsbildungen), während anderseits z. B. Neuseeland,
viele Koralleninseln und die Fidschi-Jnseln als ehemalige Bestand-
teile eines Festlandes anzusehen sind. Wir folgen hier der Ent-
stehung der Inseln und unterscheiden in genetischer Einteilung
festländische oder kontinentale und ursprüngliche Inseln.
a. Kontinentalinseln. Kontinentalinseln sind, ähnlich wie
manche Halbinseln, durch Abgliederung vom Festlande entstanden.
Die Abgliederung wurde vor allem durch Senkung des Landes
herbeigeführt und durch die zerstörende Wirkung der Meereserosion
(Brandung, Gezeitenströmung, s. S. 80 ff.) gefördert. Durch die
Nagearbeit des Meeres allein entstanden viele kleine Küsteninfeln.
Da nur in seltenen Fällen, wie bei den friesischen Inseln,
die Loslösung der Inseln vom Festlande erst in geschichtlicher
Zeit vor sich ging, so läßt sich die einstige Zugehörigkeit der
kontinentalen Inseln zum Festlande meist nur durch geologische
Untersuchungen feststellen. Die Jnfeln müssen, gleich den abge-
gliederten Halbinseln, mit dem Festlande, dem sie einst angehörten,
in ihrer geologischen Beschaffenheit im allgemeinen übereinstimmen.
Diese Ähnlichkeit wird natürlich um so größer sein, je später die
Abtrennung ersolgte. Das gilt sowohl bezüglich des Vorkommens
gleicher Gesteins arten, namentlich der Sedimentschichten, als auch
hinsichtlich der Lagerungsverhältnisse der Schichten. Wo einer
Insel die jüngeren Gesteine des betreffenden Festlandes fehlen,
oder wo auf ihr die Dislokationen der gleichen Schichten des
Festlandes nicht nachweisbar sind, läßt sich im allgemeinen
annehmen, daß die Loslösung der Insel vor der Ablagerung jener
Sedimentgesteine bezw. vor der Störung der Gesteinslagerung
stattgefunden hat. Durch diesen sog. geologischen Nachweis
läßt sich dartun. daß z. B. die Schären Norwegens einst Stücke
des benachbarten Festlandes waren. Rügen und die dänischen
Inseln entsprechen in ihrer geologischen Beschaffenheit und sogar
in ihren Küstenformen dem jütischen Festlande. Ebenso zeigen
die Inseln an der Küste Dalmatiens den gleichen Kreidekalk wie
die naheliegenden Gebirge der Balkanhalbinsel, und ihre Längs-
ausdehnung entspricht genau den Streichungslinien dieser Höhen-
züge. Die Reihen der Kykladen im ägäischen Meere sind Fort-
setzungen von Euböa und Attika und erscheinen als Spitzen eines
versunkenen Gebirges. Sizilien zeigt in seinen Gebirgen das
Ende des Apennins, und Nowaja Semlja erscheint als nördliche
— 104 —
Fortsetzung des Urals. Die schon mehrfach erwähnte Ähnlichkeit
der Südküste Englands mit der Nordwestküste Frankreichs beweist
die frühere Zusammengehörigkeit beider Länder. Die Reihe
der Antillen bezeichnet den ehemaligen Nordrand Südamerikas,
und die Sundainseln sind bis Neuguinea hin früher Teile
des asiatischen bezw. australischen Festlandes gewesen. Die
Jnselguirlanden an der Ostküste Asiens deuten den einstigen Ost-
rand dieses Erdteils an, und die nach Amerika hinüberführende
Reihe der Aleuten ist die westliche Fortsetzung der Halbinsel
Alaska. Die Inseln des nordamerikanischen Archipels sind Schollen-
reste des einst weiter in die arktische Region reichenden Festlandes.
Bei allen diesen Beispielen, deren Zahl sich ja leicht vergrößern
läßt, sind die Inseln Abgliederungsinseln, also selbständig ge-
wordene Randstücke noch bestehender Festländer.
Der geologische Nachweis dafür, daß die Kontinentalinseln
durch Abgliederung vom Festlande entstanden sind, wird ergänzt
durch den sog. biologischen Beweis. Die ursprünglichen
Inseln zeigen immer eine gewisse Armut an Lebewesen und
namentlich an solchen Tieren, die sich nicht — wie Vögel und
Insekten — durch Eigeubeweguug zu ihueu hinbegeben können.
Darum fehleu ihueu Säugetiere und Reptilien nebst Amphibien
gewöhnlich ganz, wenn diese nicht durch Menschen zu ihnen
gebracht wurden. Die Kontinentalinseln stimmen hingegen in
ihrer Pflanzen- und Tierwelt im allgemeinen mit den Festlands-
gebieten überein, von welchen sie abgetrennt wurden. Diese
Übereinstimmung ist natürlich um so größer, je später die Los-
trennung erfolgte, je mehr alfo die auf dem Festlande sich ent-
wickelnden Arten auf sie übergehen konnten. Wenn deshalb von
zwei Inseln, die demselben Festlandsbezirke entstammen, der
einen mehr Arten der festländischen Lebewesen fehlen als der
anderen, so ist anzunehmen, daß sie älter ist als die andere, d. h.
daß sie eher vom Festlande abgetrennt wurde. So zeigt die
folgende Tabelle (nach Wallace), daß Irland früher von England
geschieden wurde, als dieses vom Festlande sich abtrennte.
Anzahl der Arten:
Festland England Irland
Säugetiere......... Reptilien und Amphibien . . . Landvögel......... Phanerogamen und Farne . . . etwa 90 (Deutschland) 22 (Belgien) 40 13 130 1425 22 4 110 970
Anderseits konnte auf den abgeschlossenen Inseln bei den
Lebewesen eine Veränderuug der Artenmerkmale leichter geschehen
— 105 —
als auf dem Festlande, wo die ungehinderte Vermischung mit
den Artgenossen ausgleichend wirkte. Darum entstehen auf Juselu
leichter einheimische Formen von Pflanzen und Tieren, die sich
von den verwandten Arten durch irgend eine Besonderheit unter-
scheiden und nur hier vorkommen. Der. größere oder geringere
Reichtum einer Insel an solchen ihr eigentümlichen Arten von
Tieren oder Pflanzen deutet auf die frühere oder spätere Los-
trennung vom Festlande hin.
Nicht gering ist aber auch die Zahl der Inseln, die als Reste
früherer, jetzt uutergegangener Landmassen erscheinen, und die
man deshalb als Restinseln bezeichnet. Da sie oft weit von
den jetzigen Festländern entfernt sind, so kann man sie leicht
irrtümlicherweise als ursprüngliche Inseln ansehen. Sie verraten
ihre ehemalige Zugehörigkeit zu Festländern ost nur durch geringe
Spuren kristallinischer oder sedimentärer Gesteine, und wo diese
reichlicher vorhanden sind, ist ihr geologischer Bau nicht selten
von dem des nächsten Kontinents recht verschieden. Man zählt
sie deshalb hinsichtlich ihres Ursprungs nicht diesem zu, Isondern
sieht sie als letzte Reste versunkener Festländer an. Solche Rest-
inseln sind z. B. Spitzbergen und Franz Joses-Land, die Falk-
landsinseln, Neuseeland mit seinen kleinen Nachbarinseln, die
Fidschiinseln und wahrscheinlich auch Madagaskar nebst den ganz
granitischen Seychellen.
d. Ursprüngliche Inseln. Die ursprünglichen Inseln sind
sämtlich vom Meeresgrund aus emporgewachsen. Ihre Entstehung
beruht entweder aus Hebung des Meerbodens oder aus Ablagerung
angeschwemmten Materials oder aus Ausschüttung vulkanischer
Gesteine oder endlich aus Korallenbauten, wobei natürlich zwei
oder mehrere Ursachen vereint tätig gewesen sein können. Reine
Hebungsinseln sind sehr selten; ein Beispiel einer solchen
ist die vor nicht langer Zeit aufgetauchte Klippeninsel Harrilaid
unweit Dagö an der Küste Esthlands. Dafür aber hat die Hebung
des Meerbodens großen Anteil an der Bildung mancher Korallen-
inseln. Anschwemmungsinseln finden sich häufig in der
Nähe von Flußmündungen oder im Bereich von Meeresströmungen.
Sie sind im allgemeinen niedrig und in ihrem Bestände meist
fortwährend von den Meereswogen bedroht und ähneln also in
mehrfacher Hinsicht den durch Anschwemmung entstandenen Inseln
in großen Flußläufen. (Vergl. S. 77.) Als Hauptgruppen der
ursprünglichen Inseln bleiben demnach Vulkaninseln und
Koralleninseln zurück.
1. Vulkaninseln. Vulkaninseln entstehen dadurch, daß
die unterseeischen Vulkane bei ihren Ausbrüchen so lange Material
aufschütten, bis sie den Meeresspiegel erreicht haben. Infolge
weiterer Aufschüttungen wachsen die Vulkaue über das Meeres-
niveau hinaus ost zu beträchtlicher Höhe empor. Als echte Vul-
kaninseln können demnach nur diejenigen Inseln angesehen werden,
welche ausschließlich aus vulkanischen Gesteinen bestehen. Enthält
— 106 —
eine Insel aber außer diesen noch alte kristallinische Gesteine
oder Sedimentschichten, so muß sie einst einem Festlande angehört
haben. Deshalb zählt man die meisten vulkanreichen Inseln im
Südosten und Osten Asiens zu den festländischen Inseln. Echte
Vulkaninseln sind z. B. Island, St. Thome im Busen von Guinea,
die Maskarenen (östlich von Madagaskar) und viele der Inseln
des Großen Ozeans, vor allem die Hawaii-Jnseln und die Samoa-
Gruppe. Vou den Kanarischen Inseln, deren Berge zwar fast aus-
schließlich Vulkangipfel sind, kann man nur einzelne zu den echten
Vulkaninseln rechnen, da die meisten auch Sedimentgesteine auf-
weisen und demnach einst wahrscheinlich dem Westrande Afrikas
angehört haben. Selbst die fast ganz vulkanische Insel Santorin
(in deu Kykladen) kann nicht als echte Vulkaninsel bezeichnet
werden, da die Hauptinsel Thera im Eliasberge kristallinische
Schiefer und Kalksteine enthält.
2. Koralleninseln. Die weitaus größte Zahl der ur-
sprüuglicheu Inseln ist durch die aufbauende Tätigkeit der Korallen
entstanden: Die Korallen sind kleine, gallertartige Seetierchen,
die ihrer weichen Masse durch Ausscheidung von Kalksubstanz
eine feste, becherförmige Stütze geben. Sie vermehren sich durch
Sprossung. Aus dem Muttertier wächst ein zweites heraus, das
ebenfalls ein Kalkgehäuse bildet. Beide Kalkbecher bleiben am
Grunde durch eine Röhre verbunden. Durch Wiederholung dieses
Knospungsvorganges entstehen Stöcke von baumartiger Gestalt, die
aus vielen tausend Einzeltieren zusammengesetzt sind. Sie
wachsen unter günstigen Bedingungen nach außen immer weiter
zu eiuer festen Kalkmasse, die lebende und tote Tiere gemeinsam
umschließt.
Die Lebensbedingungen der Riffkorallen, die hier
namentlich in Frage kommen, sind eine ständige Wassertemperatur
von wenigstens + 20° C., ungetrübtes Salzwasser, ein fester
Untergrund in höchstens 50—60 m Tiefe und fortwährende
Nahruugszufuhr durch Strömuugeu oder Wellenschlag des Meeres.
Das Vorkommen von Koralleuinseln ist deshalb Haupt-
sächlich auf die heiße Zone, auf die Gegeud zwischen den Wende-
kreisen beschränkt. Sie finden sich dort in großen Schwärmen
in der australischen Inselwelt und an den Ostküsten großer Inseln
und der Festlandsmassen Australiens, Afrikas und Südamerikas.
Die Westküsten dieser Kontinente sind sast ganz frei von Korallen-
bauten. Den Grund sür diese letztere auffallende Erscheinung
zeigt uns die Karte der Meeresströmungen. Da nämlich an der
Westküste der drei südlichen Ländermassen kalte Meeresströme von
Süden her bis über den Wendekreis des Steinbocks hinaus ent-
lang streichen, so liegt die Oberflächentemperatur des Meerwassers
dort unter 20" 0. Weil die Riffkorallen nur in geringer Tiefe
unter der Wasserfläche leben können, so umsäumen ihre oft über
100 m mächtigen Bauten die Küsten der Festländer oder Inseln,
oder sie ruhen auf den unterseeischen Landbildungen, die sich bis
— 107 —
nahe an die Oberfläche des Wassers erheben oder doch einst bei
der Bildung der Riffe erhoben haben. Dabei fehlen die Korallen-
riffe aber überall vor den Mündungen der Flüsse, da Süßwasser,
Brackwasser oder durch Flußsedimente getrübtes Meerwasser sie nicht
aufkommen läßt.
Wo die Korallenbildungen die Oberfläche des Meeres erreichen,
erscheinen sie teils als Küstenriffe, teils als eigentliche Korallen-
inseln von meist ringförmiger Gestalt. Die Küsten riffe
ziehen sich entweder hart an der Küste tropischer Meere hin
und heißen dann Saum- oder Strandrisse, oder sie sind als
Wallriffe durch einen Kanal in einer Breite von einigen hundert
Metern bis zu 10—30 km von der Küste getrennt. So liegt
das große Barriere-Risf 30 km vom Strande Ostaustraliens ent-
sernt. Beide Arten von Rissen brechen die Gewalt der anrollenden
Meereswellen und schützen so die Küste vor der zerstörenden
Wirkung der Brandung; aber sie erschweren den Zugang zu ihr
auch ganz erheblich. Auf weite Strecken hin bieten sie den Schiffen
zur Durchfahrt oft nur wenige Lücken, die sich namentlich dort
finden, wo ein ein-
mündender Fluß die
Riffbildung ver-
hinderte. Dieeigent-
lichen Korallen-
inseln oder Atolle
sind mehr oder
weniger geschlossene
Ringe von vielen
Inseln und
Jnselchen. Siehaben
nach außen meist
einen steilen Abfall
zu bedeutenden
Tiefen und um-
schließen gewöhnlich
eineflacheund ruhige
Lagune. Daß ein
Atoll fast immer
ein nicht völlig ge-
schlossener Ring ist,
sondern viele Lücken
aufweist, ist Haupt-
sächlich derzerstören-
den Wirkung der
Wellen zuzu-
schreiben, die ander-
seits aber auch ab-
gerissene Kalkleile auf die Inseln warfen und sie dadurch über
die Fluthöhe hinaus erhöhten.
Mg. 43.
Bildung der Koralleninseln
nach Darwins Theorie.
— 108 —
Während die Entstehung der Saum- und Wallriffe leicht zu
erklären ist, bietet diejenige der Atolle der Forschung viele
Schwierigkeiten. Unter den über die Atollbildung aufgestellten
Theorien findet die von dem englischen Forscher Darwin (1809—1882)
ausgesprochene Ansicht immer noch die meisten Anhänger,
wenngleich auch sie nicht für alle Atolle als zutreffend erachtet wird.
Nach Darwin sind Saumriff, Wallriff und Atoll nur verschiedene
Stadien desselben Vorganges. (Fig. 43.) Um eine Insel herum
bildete sich zuerst eiu Saumriff. Während des langsamen Sinkens
der Insel bauten auf dem natürlich mit versinkenden Riff die
Korallen immer weiter bis wieder zur Oberfläche des Wassers
empor, so daß allmählich das Riff durch eine Lagune von der
Insel getrennt wurde. In dieser Lagune selbst entstanden ge-
wohnlich keine Korallenbauten, weil das wenig bewegte Wasser
den Tierchen nicht zusagte und ihnen nicht genügend Nahrung zu-
führte. Bei weiterer Senkung des Meeresbodens entschwand zuletzt
die Insel, und es entstand ein Atoll. Das gesellige Auftreten der
Atolle in der Südsee führte Darwin auf das Vorhandensein großer
Senkungsfelder zurück. — Wenn diese Ansicht Darwins sich auch auf
die Entstehung der meisten Koralleninseln zwanglos anwenden läßt,
so versagt sie jedoch bei denjenigen, die bei einem Aufbau aus
festem Korallenkalk, nicht aus Trümmern, bis zu 100 m sich über
den Wasserspiegel erheben. Diese Inseln können nur durch
Hebung des Meeresbodens entstanden sein, und da sie sich auch
im Gebiet der niedrigen Atolle finden, so ist die Annahme einer
Faltung oder Aufbiegung des Meeresbodens neben der Senkung
desselben nicht abzuweisen.
An Pflanzen und Tieren sind die Koralleninseln im all-
gemeinen recht arm. Da die Inseln dem Meere entstiegen sind,
so können Pflanzen und Landtiere nur durch Einwanderung von
andern Ländern her zu ihnen gelangt sein. Die Samen von
Pflanzen werden durch den Wind, durch Meeresströmungen und
durch Vögel herbeigeführt, und so begrünt sich allmählich
die Insel, wenn auch die Arten der Pflanzen, namentlich der für
die Besiedelung der Inseln durch Menschen so wichtigen
Nahruugspflanzen, recht wenig zahlreich sind. Unter den letzteren
ist die Kokospalme die wichtigste; sie findet sich so ziemlich auf
allen Atollen, da ihre Nüsse durch die Meeresströmungen weithin
geführt werden. Unter den Tierarten sind diejenigen, die sich auf
weite Entfernungen durch das Wasser und durch die Luft fort-
bewegen können, naturgemäß am meisten vertreten. Vierfüßler,
Kriechtiere und audere an das feste Land gebundene Arten ge-
langen nur durch absichtliche Einführung oder zufällige Wanderung
auf schwimmenden Gegenständen u. dgl. zu den Koralleninseln
und finden sich dort deshalb nur spärlich.
— 109 —
3. Die Küsten.
Als Küste bezeichnet man die bald sanfter, bald steiler gegen
das Meer geneigte Böschung der Landoberfläche. Sie ist ein
mehr oder weniger schmaler Landstreifen, welcher sich längs der
Meeresufer hinzieht. Der untere Saum der Küste, also die Be-
rührungszone des Wasserspiegels mit dem Lande, heißt Strand.
Nach dem Grad der Neigung, welche die Böschung des
Landes gegen das Meer hin zeigt, teilt man die Küsten gewöhnlich
in Flach- und Steilküsten. Fällt das Land ganz allmählich zum
Meere hin ab, so redet man von einer Flachküste; ist der Abfall
schroff, so ist eine Steilküste vorhanden. Letztere kann ent-
weder ein von der Brandung eingenagtes Kliff (S. 81) zeigen
oder einfach durch den jähen Abfall des Gebirges (Norwegen)
gebildet werden. Da ferner, vom Meere aus gesehen, eine an-
steigende Küste viel steiler erscheint, als sie wirklich ist, so unter-
scheidet man (nach Wagner) besser vier Arten von Küsten, nämlich
Flachküste (der Küstenstreifen neigt sich unmerklich unter den
Wasserspiegel — deutsche Nordseeküste), ansteigende Küste
oder Steigküste (das Land hebt sich unter deutlichem Wiukel
von der Strandebene ab — Küste Mecklenburgs und Pommerns),
Kliffküste (über der Strandebene richtet sich eine wirklich steile
Uferböschung aus — Südküste Englands) und strandlose Steil-
küste (die Felsküste senkt sich unvermittelt ins tiefe Meer —
Fjordküste Norwegens).
Mit Rücksicht auf den geologischen Bau des der Küste
benachbarten Laudgebietes unterscheidet man Längsküsten, Quer-
küsten und neutrale Küsteu.
a) Längsküsten sind solche, die dem Streichen eines
Faltengebirges folgen. Sie sind deshalb in der Regel
auf lange Strecken hin geschlossen und ohne große
Einbuchtungen (Westküste Amerikas; Ostküste Italiens),
d) Q n e r k ü st e n sinden sich da, wo Faltengebirge gegen
das Meer hin ausgehen. Sie zeigen in der Mulde
zwischen den Erhebungen gewöhnlich Buchten und er-
schließen dadurch das Land von der Meerseite (Ost-
küste der Balkanhalbinsel; Westküste Kleinasiens; Jr-
lands und Englands Westküste),
c) Neutrale Küsten haben keine Beziehung zum Schichten-
bau des Hinterlandes. Sie finden sich da, wo Tafel-
länder mit ihren in der Hauptsache horizontal liegenden
Schichten in Staffelbrüchen zum Meere herabgehen
(Schollen küsten — Küste Vorderindiens, Pata-
goniens, Afrikas), oder wo Schwemmland vorherrscht
(S ch w e m m l a n d s k ü st e n — Küste Norddeutschlands,
Jütlands, Südküste der Vereinigten Staaten). Schollen-
küsten erschweren die Zugänglichkeit des Landes, weil
die an ihnen mündenden Flüsse aufwärts nur wenig
— 110 —
schiffbar sind. Schwemmlandsküsten sind sehr schwer
zugänglich, wenn große Flußmündungen fehlen oder
gar Dünenketten an ihr sich hinziehen (Eiserne Küste
Weft-Jütlands, Küsten der Landes und Südwestafrikas).
Längsküsten zeigt namentlich der Große Ozean, Querküsten
hingegen der Atlantische. Die geschlossene Gestadeform der Längs-
küste bezeichnet man deshalb wohl (nach Sueß) als pazifischen,
die wechselreiche der Querküste als atlantischen Küstentypus.
Während die endogenen Vorgänge die Küstenumrisse im
großen bestimmen, ist der Verlaus der Küsten im einzelnen das
Resultat exogener Wirkungen. Diese bilden in der Hauptsache
zwei Küstenformen heraus:
a) Glatte Küsten. Sie sind ein Erzeugnis der Meeres-
arbeit und mit ihrem in gerader Linie oder flachen Bogen sich
hinziehenden Verlauf und ihrer Armut an Inseln besonders
häufig an Flachküsten. (Küste der Landes in Frankreich, deutsche
Ostseeküste). Ihre besonderen Formen an der Flachküste sind die
Dünen-, Haff- oder Lagunen- und die Boddenküste
(Jütland,pommerfcheuud preußische Küste, Küste Rügens). Eine von
der Gezeitenströmung durchbrochene Dünenküste zeigt oft als
Doppeltste hinter dem glatten Verlauf der äußeren Linie eine
nicht selten mit Buchten versehene Wattenküste, deren Strand bei
der Ebbe srei vom Wasser ist, von der Flut aber überspült wird.
(Deutsche Nordseeküste.)
b) Gebuchtete Küsten. Sie haben tief in das Land ein-
schneidende Buchteu, die ihrer Form nach entweder lang und
schmal, trichterförmig oder rnnd sind. Die eigenartigsten Buchten
sind die Fj orde, die wegen ihrer Merkwürdigkeit und ihrer großen
Bedeutung für die Erschließung sonst sast unzugänglicher Küsten-
landschasten, z. B. Norwegens, eine ausführliche Besprechung
verdienen und diese nachträglich in einem kleinen besonderen Ab-
schnitte erhalten mögen. Den Fjorden ähnlich sind — außer
den Föhrden an Jütlands Ostküste — die trichterförmigen Rias
(Galizien, Bretagne, Südwestirland). Sie sind unterseeische Fort-
setzuugen von Tälern des Landes, die sich nach dem Meere hin
allmählich vertiefen. Wenn sie demnach als untergetauchte Täler
angesehen werden können, so ist doch wohl ihre Vertiefung und
eigentliche Ausgestaltung ein Werk der Meeresarbeit. Eine Ab-
art der Riasbuchten sind die langestreckten Buchten an Dalma-
tiens Küste, die als untergetauchte Längstäler tiefer sind denn
ihre quergerichteten Verbindungen mit dem Meere. Rund-
buchten sind entweder vom Meere eingenagt (Pyrenäen-Halbinsel,
Seinebucht), oder sie sind Einbruchsfelder (Westküste Italiens).
4. Die Morde.
a) Charakteristische Eigentümlichkeiten. 1. Die
Fjorde finden sich fast nur in höheren Breiten (über 40°) und
— 111 —
treten in der Regel gesellig auf. — Norwegen, Schottland (hier
Firth genannt), Westküste Nordamerikas, nördl. vom Columbia,
Spitze Südamerikas, polare Länder. 2. Sie besitzen Verhältnis-
mäßig große Länge bei geringer Breite. So ist der Sognefjord
bei einer Breite von 3—5 km fast 200, mit allen seinen Ver-
zweigungen fast 600 km lang, der Hardanger etwa 10 km
breit und 180 km lang, und der Lyfefjord, ein Arm des
Stavanger Fjords, ist bei 40 km Länge nur ^2-2 km breit.
3. Fast alle Fjorde haben sehr zahlreiche Verzweigungen (Karte!).
4. Die Wände der Fjorde sind meist ganz steil, mitunter senkrecht
aufsteigend und dabei oft 1000—1500 m hoch. 5. Besonders
eigentümlich sind die Tiefenverhältnisse der Fjorde. Im all-
gemeinen ist die Tiefe bedeutend, aber uicht überall gleich;
namentlich ist der Ausgang zum Meere hin viel flacher als die
Bucht selbst (Tiefe im Hardanger Fjord am Meere 200 m, weiter
aufwärts wechselnd von 300—700 m, 60 km vom oberen Ende
800 m; tiefste Stelle im Sognefjord 1242 m, weiter dem Meere
zu nimmt die Tiefe einmal bis auf 150 m ab). 6. Den meisten
Fjorden sind zahlreiche größere und kleinere Inseln, oft kahle
Felskuppeu, vorgelagert, die man in Skandinavien als Skjären
(Schären) bezeichnet.
d) Entstehung. Die Ansichten über die Eutstehung der
Fjorde haben vielfach gewechselt. Keinesfalls sind die Fjorde gleich
manchen andern Buchten als Resultat der Meeresarbeit anzusehen,
denn unmöglich kann die Brandung das oft harte Gestein mehr
als 100 km landeinwärts bis zu solcher Tiese ausgeuagt habeu
bei eitler so schmalen Angrisfsstelle am Eingänge der Buchten.
Vielmehr ist weiter hinein in den Fjord und namentlich in seinen
Verzweigungen von einer Brandung nichts zu spüren, da diese
sich schon am Eingänge und vor demselben an den Schären bricht.
Das Vorkommen der Fjorde nur in hohen Breiten deutet auf
eine Mitwirkung des Eises bei der Bildung dieser Buchten hin.
Jedensalls ist eine solche auch vorhanden gewesen, wie häusig
Gletscherschliffe in den Wänden beweisen. Die geringe Tiese der
Fjorde am Ein gange läßt sich dabei als Ablagerung der Moränen
deuten. Auch hat die frühere Ausfüllung der Fjordspalten durch
Gletscher ohne Frage ihre nachträgliche Zuschüttuug verhindert.
Es ist jedoch nicht anzunehmen, daß die ausfeilende Tätigkeit der
Gletscher allein die Fjorde, deren Sohle mitunter 2000 m uud
mehr tiefer liegt als die benachbarte Landschaft, ausgeschabt
haben soll. — Es sind die Fjorde fraglos untergetauchte Täler.
Dafür spricht außer ihrer Form auch der Umstand, daß sie meistens
auf dem Lande gewissermaßen ihre Fortsetzung in engen, oft von
Flüßchen durchzogenen oder von Gletschern ausgefüllten Tälern
haben. Bei der Austtaguttg der einstigen Täler haben Flüsse uud
Gletscher mitgewirkt. Infolge säkularer Senkung des Landes
(positiver Niveauveränderung) wurden die früheren Täler mit
Wasser ausgefüllt und zu Fjorden umgewandelt. Die vorhandenen
— 112 —
beckenartigen Vertiefungen in der Talsohle der Fjorde deuten
darauf hin, daß die ursprünglichen Flußtäler langgestreckte Seen
aufwiesen, deren Zuschüttung durch ihre spätere Ausfüllung mit
Gletschereis verhindert wurde. So erklärt sich die Entstehung
der Fjorde ganz ungezwungen und wird uoch verstündlicher, wenn
man bedenkt, daß z. V. an der Ostseite des skandinavischen Ge-
birges und an der Südseite der Alpen die seenreichen, tiefen
Flußtäler bei einer genügenden Senkung des Landes zu ganz
ähnlichen Buchteu werden müßten. Wie allerdings gerade bei
Norwegen die Strandlinien zeigen, ist das Land in Hebung
(negativer Niveauveränderung) begriffen; aber dieser Umstand
schließt keineswegs eine in srüherer Zeit geschehene Senkung aus,
die deu Betrag der bis jetzt ersolgteu Hebuug ganz erheblich über-
stieg. Die Fjorde sind demnach — wenigstens bei Norwegen —
als gesuukeue und noch nicht wieder vollständig aufgetauchte
Täler anzusehen. Die der norwegischen Küste vorgelagerten
Schären erscheinen dabei als einstige Landerhebungen, die mit
der ganzen Küstenlandschaft ebenfalls versanken und später wieder
emporkamen, wobei die Brandung des Meeres ihnen die meist
abgerundete, geglättete Form gab, aber auch allen lockeren Boden
nahm uud sie so zu kahlen Felsinseln machte. .
c) Vedeutuug (gezeigt an Norwegen). Die Fjorde Nor-
wegens verleihen der Landschaft einen unvergleichlichen Reiz. Eine
Fahrt durch ihre stilleu Gewässer mit den mannigfach geformten
hohen Wänden zu beiden Seiten, den hier uud da vorhaudenen
bebauten uud bewohnten Fleckchen Flachland am Fuße der düsteren
Felsen, die oben auf ihren Hängen oft Streifen „Zebrafchnee"
tragen, mit den von der Höhe herabstürzenden Schaumbächen und
den malerischen Fernblicken in die Seitentäler hinein, sührt den
Reisenden bis fast unmittelbar an das untere Ende der Firn-
und Gletscherfelder und zeigt ihm fo die Wunder des Hochgebirges
und die des Meeres beieinander. Es ist darum leicht verständlich,
daß die Fjorde alljährlich einen Strom von Reisenden nach Nor-
wegens Küste ziehen. Aber noch in manch anderer Beziehung
haben die Fjorde für Norwegen hohe Bedentuug. Ohne sie wäre
die schroffe Felsenküste sast unzugänglich, und Schiffahrt, Fischfang
und Handel, die Haupterwerbszweige der Norweger, könnten un-
möglich ohne die reiche Küstengliederung so hoch entwickelt sein.
Die ties in das Land eingreifenden Buchten lockten die Bewohner
geradezu aufs Meer hinaus, und die Gefährlichkeit des Seeverkehrs
an der zerrissenen, inselreichen Küste ließ die Schiffahrtskunde bei
ihnen schon früh zu hoher Blüte kommen. So wurden die Nor-
mannen im Mittelalter die Begründer ozeanischer Seefahrt, aller-
dings auch zeitweilig die gefürchteten Räuber, deren Schiffe in den
Fjorden sichere Zufluchtsstätten fanden, in welche die Feinde so
leicht nicht folgen konnten.
5. Die Seebcifen.
Da in der Jetztzeit mit ihrem hochentwickelten Schiffsverkehr
die Meere nicht allein Länder voneinander trennen, sondern auch
verbinden, so haben die Küsten eine große Bedeutung in Verkehrs-
geographischer Hinsicht. Diese liegt vor allem in ihrem Reichtum
an brauchbaren Seehäfen begründet. Die Anforderungen, die
in an an einen guten Seehafen stellen muß, sind in erster Linie
Schutz vor den Seewinden und vor der Meeresdünnung, den
durch die Winde aufgewühlten Wellen, und leichte Zugänglichkeit
von der Meerseite aus. Ferner muß er einen brauchbaren Anker-
grund besitzen, der weder zu tief (am besten 10—100 m), noch
rein felsig oder zu weich ist, und endlich am Lande geeigneten
Platz zu Hasenanlagen und Absiedlungen ausweisen. Wenn diese
günstigen Umstände vorhanden sind, so muß, damit sie völlig
ausgenutzt werden können, der Hasen noch ein reiches Hinterland
und gute Verbindung mit diesem haben oder an wichtigen Ver-
kehrslinien gelegen sein (z. B. Aden, Singapur, Southampton
u. a.). Einfache Flachküsten sind gewöhnlich hasenarm und daher
sehr fchwer zugänglich („Eiserne Küste" an Jütlands Westseite,
Deutfch-Südwestasrika). Die Häsen müssen hier durch offene
Ree.den ersetzt werden, also durch Ankergründe, die schutzlos vor
Wind und Wellen oft weit ab vom Strande liegen, und mit
denen der Verkehr von der Küste her durch slachgehende Boote,
meist durch starke Brandungen hindurch, vermittelt werden muß.
Unsere afrikanischen Kolonien haben fast nur offene Reeden.
Durch gewaltige Molen und Wellenbrecher können letztere zu
künstlichen Häsen ausgebildet werden. — Da die Ströme den
Niederungen zueilen, so sind die Flachküsten nicht selten reich an
Flußmündungshäsen. Allein viele große Ströme lagern an ihrer
Mündung eine solche Menge von Sinkstoffen ab, daß sie die An-
legung eines Hafens dadurch unmöglich machen (Rhone, Ebro).
Wo aber die Gezeitenströmung in der Flußmündung eine genügend
tiefe Fahrrinne offen erhält (Hamburg, London), da erlangen
diese Häfen bei leichter Verbindung mit dem Hinterlande durch
die große Wasserstraße eine hohe Bedeutung. Häusig haben der-
artige Flußmündungshäsen einen Vorhafen, in dem die
größten Seeschiffe entweder ihre Ladung ganz oder teilweise
löschen, wenn der Zugang zum Haupthasen sür sie nicht tief
genug ist (Bremerhaven-Bremen, St.Nazaire-Nantes, Swinemünde-
Stettin), oder wo sie die Flut abwarten, die sie weiter slußaus-
wärts bringr (Cuxhaven-Hamburg). Offene Buchthäfeu
bieten den Schiffen nur dann genügenden Schutz, wenn sie durch
eine Steilküste vor den vorherrschenden Winden gesichert sind
(Tafelbai); andernfalls müffen riesige Wellenbrecher gebaut werden,
um sie brauchbar zu machen. Geschlossene Buchthäsen (ein-
gestürzte Krater, Atolle) sind ausgezeichuete Häsen. Dasselbe
gilt von den meisten Häsen an ties einschneidenden Talbuchten
(Rias, Fjorde, Föhrden) namentlich dann, wenn sie zugleich
W. Techter, Allgemeine Erdkunde. 8
— 114 —
Fluthäfen sind (Brest, Neu-Iork, Liverpool). Freilich sind
die Fjorde gewöhnlich zu tief zum Ankern, und an ihren Steil-
wänden ist meist zu wenig Raum zu Ausiedlungen. Darinn
liegen außer Christiania und Drontheim die norwegischen größeren
Häsen sämtlich au der Außenküste, geschützt durch die Felsinseln.
Infolge der Flut können selbst Wattenhäsen sür die größten
Schiffe genügen, wenn der Ebbestrom im weichen Schlick die
Fahrrinne offen hält.
Vorgelagerte Küsteninseln oder Nehrungen, auch Korallen-
riffe bieteu oft an sonst hafenloser Küste den Schiffen eine sichere
Zufluchtsstätte (Wall- oder Dammhäfen; Lagunenhäfen — Ve-
nedig; Jnselhäsen, au der vorgelagerteu Jusel selbst — Bombay).
6. iiUtffeiteittimcüetuna; und 6er Horizontalen
Gliederung.
Wenn auch, wie wir gesehen haben, die Zugänglichkeit eines
Landes vom Meere aus in hohem Maße durch die Art der Küste
und die Beschaffenheit der Häfen an ihr bedingt wird, so ist sie
doch im allgemeinen abhängig von der Küstenentwicklung,
dem Verhältnis der Küstenlänge zum Flächeninhalte des Gebietes.
Man kann dieses und überhaupt das Maß der horizontalen
Gliederung auf verschiedene Weise ausdrücken:
1. indem man das Größenverhältnis zwischen den sämt-
lichen Gliedern eines Erdteils (Halbinseln, Inseln) und
seinem Rumpse augibt,
- 2. indem man die mittlere Meerferne für ein Land be-
rechnet und den Prozentsatz der küstennahen uud küsten-
sernen Zonen zum Gesamtflächeninhalte feststellt,
3. indem man die wirkliche Küstenlänge eines Landes
mit seinem kleinsten Umsange vergleicht, d. h. mit dem
Umfange, den das Gebiet als Kreis bezw. (bei großen
Flächen) als Kngelkappe haben würden. Die betreffenden
Werte für die großen Kontinente zeigt folgende Tabelle
(nach Wagner zusammengestellt):
Festland Verhältnis der Glieder (Halb- inseln, In- seln) zum Rumpfe Mitt- lere Meer- ferne Küsten- abstand In °/o zur Gesamt- fläche küsten- küsten- nahe ferne Gebiete I Flächen- inhalt des Fest- lanoes ohne In- seln 2JlilI.qkm Klein- ster Um- fang (U) Rohe Küsten- länge (L) Küsten^ ent- nutf- lung (U-L)
Europa Asten Nordamerika Australien Afrika Südamerika 1: 2 1 : 3 1 : 3 1: 4 l : 47 1 :88 340 780 470 350 870 550 62 61 58 55 53 56 38 39 42 45 47 44 9,2 41.5 20,0 7,6 29,2 17.6 10 700 21 900 15 500 9 700 18 600 14 600 37 200 70 600 75 000 19 500 30 600 28 700 1:3,5 1:3,2 1 :4,9 1:2 1 : 1,8 1:2
— 115 —
D. Gliederung der Ozeane.
Wie schon früher (S. 99) erwähnt, pflegt man neuerdings
die gesamte Wassermasse der Erde nicht mehr in die bekannten
süns Weltmeere zn gliedern, sondern sie drei Ozeanen zuzuteilen.
Diese Ozeane legen sich zwischen die nach Süden hin auslausen-
den Lappen des Kontinentalblocks, überdecken die drei großen
Tiefseetafeln und werden als selbständige Meeresbecken durch den
geschlossenen Kreislauf ihrer Meeresströmungen charakterisiert.
Die Formen dieser drei großen Becken werden im allge-
meinen durch den Verlauf der Jsobathe 200 m, also durch den
oberen Rand des Kontinentalabhanges bestimmt. Wo die Tief-
seetasel in den Kontinentalblock eindringt, entsteht ein offener
Meerbusen, d i. eine seitliche Erweiterung des Ozeans, die nicht
durch eine Bodenschwelle vom Weltmeere abgegliedert ist. (Busen
von Guinea, Bengalen, Arabien, Biscaya.) An sehr vielen Stellen
greifen jedoch die Ozeane auf die Kontinentaltafel hinüber. Sie
überfluteten entweder niedrig gelegene Teile derselben in oft
weiter Ausdehnung, oder sie drangen in Räume von bedeutender
Tiefe, die ihnen durch Einbrechen von Landschollen geschaffen
wurden. Im ersteren Falle entstanden Transgressions-
meere*); im letzteren bildeten sich Jngressionsmeere**).
Transgressionsmeere sind z. B. die Hudsonbai, der St. Lorenz-
golf, die Irische See, die Nordsee, die Ostsee, der Persische Golf,
die Java- und Borneo-See, der Golf von Siam, der Carpentaria-
golf, das Ostchinesische Meer. Sie haben alle eine geringe
mittlere Tiefe, die nur bei wenigen 100 m überschreitet. Zu den
Jngressionsmeeren zählt man das amerikanische und das euro-
päische Mittelmeer, das Schwarze Meer, das Rote Meer, das
Südchinesische Meer, das Japanische Meer, das Ochotskische Meer.
Sie alle haben eine Mitteltiese von über 200 in, ja einzelne haben
eine solche von 1000—2000 in mit Einsenkuugen bis zn 5000 rn
und darüber. Transgressions- und Jngressionsmeere werden unter
den Namen Neben meere zusammengefaßt. Sie sind im Gegen-
satz zu den offenen Meerbuchten durch Landvorsprünge, Halb-
inseln oder Inseln mehr oder weniger scharf vom offenen Ozeane
abgetrennt. Nach ihrer Lage zu der Landmasse teilt man sie ein
in Mittelmeere, die zwischen großen Kontinenten eingebettet
sind (europäisches und amerikanisches Mittelmeer, nördliches Eis-
meer, austral-asiatisches Mittelmeer), und Rand meere, welche
an der Außenfeite eines Kontinentes liegen und nach dem Ozean
hin durch Halbinseln oder Inselketten begrenzt werden (Nordsee,
chinesische Meere,_ Japanisches Meer u. s. w.). Sind Randmeere
durch große Kontinentalmassen vom Ozean geschieden, so bezeichnet
man sie wohl als Binnen - Randmeere (Ostsee, Hudsonbai,
Rotes Meer, Persischer Golf). Zwei Meere können miteinander
*) Vvn lat. transgredi, überschreiten.
**) Von Int. ingredi, hineingehen, eindringen.
8*
— 116 —
verbunden sein durch ein Zwischenmeer (Kanal, Sund), oder
durch eine Meeres st raße (Meerenge). Ein Zwischenmeer ist
da vorhanden, wo nahe Gegengestade auf längere Strecken hin
im großen und ganzen parallel verlausen (der Kanal zwischen
England und Frankreich, Skager Rak, Kattegat, Sund); nähern
sich nur Landvorsprünge einander, so wird eine Meeresstraße
gebildet (Straßen von Gibraltar, Aden u. a.). Die Nebenmeere
haben für die Kultureutwicklung der Menschen meist frühere und
größere Bedeutung gehabt als der weite Ozean. Bei ihrer ver-
hültnismäßig geringen Ausdehnung konnten die umwohnenden
Völker über das Wasser hinweg leicht miteinander in Verkehr
treten, und das um so mehr, je stärker die Küsten gegliedert waren.
Von besonderer Bedeutung in verkehrsgeographischer Hinsicht sind
die Mittelmeere geworden, namentlich dann, wenn sie zugleich
Durchgangsmeere sind. In dieser Hinsicht steht das europäische
Mittelmeer obenan. Es war im Altertum die für die Kultur-
eutwicklung bedeutsamste Wasserfläche, weil es die wichtigsten
Kulturvölker dreier Kontinente miteinander in Verkehr brachte;
in der Neuzeit hat es durch den Sueskanal als Durchgangsmeer
noch erhöhten Wert erhalten.
Kap. IV. Die Wasserhülle (Hydrosphäre).
Das Wasser auf unserer Erde ist in beständigem Kreislaus
begriffen. Auf dem festen Lande uud vor allem auf dem Meere
steigt fortwährend infolge der Verdunstung eine ungeheure
Menge von Wasserdampf in die Luft empor uud fällt dann in
flüssiger oder fester Form als Regen, Schnee oder Hagel wieder
hernieder. Ein Teil der Niederschläge sickert in den Erdboden
ein, durchtränkt als Grundwasser die oberen Schichten und
tritt in Quellen vielerorts wieder zu Tage. Das von dem
Lande nicht aufgesogene Wasser sammelt sich in kleinen und
größeren Rinnen uud eilt als strömendes Wasser weiter, bis
es von einem See oder dem weiten Meere aufgenommen wird,
um dann wieder von neuem den. Kreislauf zu beginnen.
A. Grundwasser und (Quellen.
1. Grundwasser.
Das vou den Niederschlägen in den Erdboden eindringende
Wasser sickert durch die oberen Lagen in die Tiese, bis es eine
undurchlässige Schicht trifft. Undurchlässig sind Tonschichten, so-
bald sie mit Wasser gesättigt sind. Lockerer Boden, wie Sand,
Kies, Geröll, und poröses oder zerklüftetes Gestein lassen das
Wasser leicht hindurch. Wenig durchlässig sind feste Felsmassen;
aber auch sie sind in ihren mikroskopischen Poren von Feuchtigkeit
durchtränkt (Bergfeuchtigkeit). Das in den oberen Erdschichten
enthaltene Grundwasser fehlt sehr wenigen Gegenden ganz; aber
— 117 —
es steht je nach der Niederschlagsmenge und nach dem Grade der
Verdunstung in den einzelnen Erdräumen in ganz verschiedener
Tiefe. In regenarmen, heißen Wüstengegenden sehlt es in den
oberen Erdschichten, während es sich, in niederschlagsreicheu Ge-
bieten dicht unter der Oberfläche findet. Der Spiegel der Brunnen
zeigt seinen Stand, der durch längere Perioden von trockenem
oder regenreichem Wetter sehr beeinflußt wird. Wo die undurch-
lässigen Schichten geneigt sind, folgt das Grundwasser in lang-
samem Strome dieser Neigung. Von den Höhen strömt es den
Niederungen zu und vom Lande nach dem Meere hin, so daß
man an der Küste bei Bohrungen fast immer auf Süßwasser
trifft. In Flußtäleru wechselt der Grundwasserstrom mitunter
die Richtung, indem er in Zeiten reichlicher Niederschläge zum
Flusse hinfließt, in trockenen Perioden dagegen den entgegen-
gesetzten Weg nimmt. Doch steht in der Regel das Grundwasser
in der Nähe offener Wasserläuse in dem porösen Uferlande höher
als der benachbarte Flußspiegel. In zerklüftetem Boden breitet
das Grundwasser sich nicht flächenartig aus, sondern es fließt als
Kluftwasser (S. 68) in den Spalten dahin und veranlaßt in Kalk-
gebirgen die Entstehung unterirdischer Höhlen mit ihren eigen-
artigen Tropssteingebilden. Da das Grundwasser in hohem Maße
den Pflanzenwuchs beeinflußt und unsere Brunnen speist, so hat
es eine große wirtschaftliche und gesundheitliche Bedeutung.
2. Huellen.
Wo das Grundwasser wieder zu Tage tritt, bildet es eine
Quelle. Nach der Höhenlage derselben gegen den Oberflächen-
spiegel des Grundwassers, welches sie speist, unterscheidet man
absteigende und aussteigende Quellen. Bei der ersten Art
liegt die Oberfläche des Grundwassers überall höher als die Aus-
flußstelle, und das Wasser hat ein natürliches Gefälle zu dieser
hin. _ Das zur aufsteigenden Quelle fließende Wasser befindet sich
wenigstens auf einem Teile seines Weges in der Erde tieser als
die Stelle, an welcher es hervorsprudelt, und wird durch Hydro-
statischen Druck zu ihr hinaufgepreßt.
Die einfachste Art der absteigenden Quellen sind die
sog. Quelltümpel. Bei ihnen fließt das dicht unter der Erd-
oberfläche stehende Gruudwasser zu Einsenkuugen des Geländes
hin und bildet hier ständig oder nur zeitweilig vorhandene Tümpel.
Ein solcher Quelltümpel, freilich in großartigem Maße, ist der
Neusiedler See, der uach anhaltender Trockenheit 1865 ganz ver-
schwand, sich aber bald darauf wieder füllte. Auch das nord-
westlich von Hannover liegende, zuflußlose und teilweise voin
Moore umgebene Steinhuder Meer ist ein Quelltümpel. Nicht
immer kommt es bei diesen Quellen zur Bildung einer größeren
Wasserfläche- häufig ruft das sich ansammelnde Grundwasser nur
grünende Niederungen und Sümpfe hervor. Ein interessantes
Beispiel der Sumpfbildung bietet Münchens Umgebung. Sie
hat in der Hauptsache nach Norden geneigte durchlässige Schotter^
schichten, die auf einer in gleicher Richtung fallenden uudurch-
lässigen Mergelunterlage ruhen. Südlich der Stadt liegt der
Grundwasserspiegel tief unter den mächtigen lockeren Schichten,
die darum trocken sind und zur Heidebildung neigen. Im Norden
Münchens nimmt der Schotter an Mächtigkeit ab, das Grund-
masser hingegen zu, bis es zuletzt zu Tage tritt und die aus-
gedehnten Sümpse bildet. (Dachauer und Erdinger Moos.) —
Von den zahlreichen Quellen der Talhänge gehören viele eben-
salls zu den absteigenden. Wird durch das Tal eine rechtsinnig
gelagerte undurchlässige Schicht angeschnitten, so fließt das auf
ihr angesammelte Grundwasser aus. Eine solche Quelle heißt
Schichtquelle (Fig. 44).
Schichtquelle,
a durchlässige Schichten,
b undurchlässige -Schicht,
Q Schichtquelle.
Figur 44.
sobildetsich eineSp alt-
quelle. (Fig. 46.)
Wenn das Liegende
und das Hangende
einer Wasser führenden
Schicht undurchlässig
sind, so kann es zur
Bildung einer auf-
steigenden Quelle
kommen. In Fig. 47
Befindet sich unter durchlässigem
Boden eine muldenförmig gebogene
undurchlässige Schicht, so sam-
melt sich das Grundwasser auf ihr
so lange, bis es über den niedrig-
sten Punkt des Muldenrandes hin-
weg einen Ausgang findet. So
entsteht eine Ü b e r s a l l q u e l l e.
(Fig. 45.) Wird das durch eine
solche Mulde gebildete Sammel-
decken des Grundwassers von oben
her durch eine Spalte angeschnitten,
V
Uberfallquelle.
a durchlässiger Boden,
b undurchlässige Schicht,
Q Uberfallquelle.
Figur 45.
Spaltquelle.
Figur 46.
ist a die durchlässige Schicht; ihr
Liegendes (1) und ihr Hangendes
(Ii) sind wasserdicht. In Schicht
a bewegt sich das Wasser wie in Fig. 47. Aufsteigende Quelle.
— 119 —
kommunizierenden Röhren. Es sammelt sich unten in der Mulde,
steigt nach beiden Seiten hin und fließt bei aus, sobald es in
beiden Schenkeln die Höhe von Q erreicht hat. Das Ausfließen
wird so lange dauern, als von ai her Wasser nachdrängt.
Künstlich geöffnete aufsteigende Quellen sind die artesischen
Brunnen (so genannt, weil sie zuerst in Artois in Frankreich
erbohrt wurden). Bei ihnen wird dem Wasser in der mulden-
förmig gebogenen Schicht a (Fig. 48) durch Durchbohrung der
undurchlässigen Schicht b ein Ausweg eröffnet, und es quillt
durch das Bohrloch zur Oberfläche empor, falls der Wasserdruck
stark genug ist, also das Ersatzgebiet des Wassers genügend
hoch liegt. Derartige artesische Brunnen sind in großer Zahl an-
gelegt worden. Sie sind sür die Besiedelung wasserarmer Gegen-
den oft von entscheidender Bedeutung geworden. Besonders zahl-
reich sind sie in Algerien und in den Oasen der Sahara, wohin
aus dem regenreichen Sudan uud deu nördlichen Gebirgen das
Grundwasser durch die Neigung der Gesteinsschichten geführt
wird. Mitunter öffnet die Natur selbst durch eine Spalte oder
eine Verwersungsklust an Stelle des künstlichen Bohrloches dem
Wasser einen Weg und schafft so eine aufsteigende Spaltquelle.
Wenn das Wasser der atmosphärischen Niederschläge die
oberen, an Kohlensäure reichen Erdschichten durchsickert, so nimmt
es von diesem Gas eine geringe Menge in sich aus und wird da-
durch besähigt, Teile der von ihm durchzogenen Gesteine auszu-
lösen. Besonders werden Kalkgesteine und «L-alzlager vom Grund-
wasser angegriffen, und das Wasser vieler Quellen enthält des-
halb kleinere oder beträchtlichere Mengen dieser Stoffe. Kalk-
haltiges Wasser bezeichnet man als hartes Wasser. Ist im
Wasser hauptsächlich Salz gelöst, so heißt es Sole. (Reichenhall,
Lüneburg, Soden a. d. Werra und im Taunus, Hall in Tirol,
Halle, Hallein u. a.) Je nach dem Vorherrschen anderer Mine-
ralien nennt man die Quellen Stahl-, Natron-, Jod-,
Schwefelquellen u. s. w.; wenn sie sehr reich an Kohlensäure
sind, spricht man von Sauerquellen (z. B. Niederselters im
Taunus). Viele Mineralquellen haben durch ihre Heilkraft
große Bedeutung und locken Taufende von Leidenden in die be-
treffenden Badeorte. Solquellen liefern außerdem große Erträge
— 120 —
von Kochsalz, und die an Kalk und Kieselsäure reichen Quellen
bilden durch ihre Ablageruugeu (Travertiu, Kieselsinter) neue
Formen der Erdoberflache. — Die Temperatur des Quellwassers
ist im allgemeinen von der Tiefe abhängig, aus der es stammt.
Kommt es aus dem nahe der Oberfläche stehenden Grundwasser,
so hat es die mittlere Jahrestemperatur des Ortes. Absteigende
Quellen, die ihr Wasser aus höher gelegeuen Gebirgsgegenden
mit Schuee- und Gletscherbedeckung bekommen, haben oft eine
niedrigere Temperatur als das Jahresmittel. Übertreffen die
Quelleu an Wärme die mittlere Jahrestemperatur, so nennt man
sie Thermen. Im allgemeinen steigt ihr Wasser aus beträcht-
licher Tiefe herauf, und daher sind sie gleich den Vulkaueu An-
zeichen starker Schichtenstörnngen in der Erdkruste; sie finden sich
auch namentlich häufig in der Nähe tätiger oder erloschener Vul-
kane und an großen Vruchspalteu. Mitunter werden sie auch
durch Erdbeben insofern stark beeinflußt, als ihre Temperatur
durch dieselbe erheblich erhöht oder erniedrigt wird, weil sich tiefere
Erdspalten infolge der Erschütterung öffnen oder schließen. Da
das Wasser durch die Erwärmuug erhöhte Fähigkeit zur Auf-
lösung von Mineralien erhält, so sind die meisten Thermen
Mineralquellen. Einige der bekanntesten in Europa siud zu
Karlsbad (74°), Gastein (71,5°), Wiesbaden (70°), Baden-Baden
(67°), Aachen (55°), Lenkerbad (51°), Teplitz (49°), Ems (47,5°).
Geysire. Eine eigentümliche Art von Quellen sind die
heißen, periodisch tätigen Springquellen, die man nach der be-
kanntesten und am genauesten erforschten von ihnen, dem Großen
Geysir auf Jslaud, Geysire nennt. Das Wasser in ihnen kocht
in bestiiumteu Intervallen auf und schleudert dabei große Wasser-
säulen springbrunnenartig in die Höhe. Der isländische Große
Geysir hat sich von Kieselsinter einen flach ansteigenden Kegel
von 8—10 m Höhe gebildet, auf desseu Spitze eiu etwa 2 m
tiefes, schüsselartiges Becken von 17 bis 21 m Durchmesser ist.
Von der Mitte dieses Bassins führt ein 5 m weiter Schlot mit
glattpolierten Wänden 231/2 m in die Tiefe. Gewöhnlich ist das
Becken mit kristallklarem Wasser gefüllt, das in der oberen Schicht
etwas über 80° heiß ist. Der Ausbruch wird durch heftigen,
unterirdischen Donner eingeleitet, das Wasser im Becken beginnt
zu wallen, große Dampfblasen steigen aus dem Zylinder empor
und schleudern das heiße Wasser in die Höhe. Bald jedoch tritt
wieder Ruhe ein, und die Dampfwolken zerstreuen sich. Nach
mehreren solcher kleinen Eruptionen erfolgt gewöhnlich täglich
einmal eiu großer Ausbruch. Der Donner verstärkt sich, das
Wasser im Becken wirbelt umher, aus dem Dunst mächtiger
Dampfblasen schießt ein etwa 3 in starker Strahl heißen Wassers
über 30 in hoch empor. Größere und kleine Strahlen verbreiten
sich nach allen Richtungen, einige senkrecht emporsteigend, andere
seitwärts sprühend. Nach etwa 10 Minuten fällt die Wassersäule
in sich zusammen; der Ausbruch ist vorüber, und das Wasser ist
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aus dem Becken und dem Steigrohr bis zu 2 m Tiefe ver-
schwunden. — Nach dem Vorgange Buuseus, der 1846 zehn Tage
lang den Geysir beobachtete, erklärt man die Erscheinung folgen-
dermaßen: Das Wasser in der Röhre strömt aus der Tiese zu,
und der Gesamtinhalt von Steigrohr und Becken wird von unten
her erhitzt. Die beobachteten Temperaturen (Fig. 49 links) nehmen
deshalb von oben nach unten zu.
Ein Auskocheu der Wasserschichten
kann aber erst dann erfolgen, wenn
die Erhitzung derselben den ihrer ^ 8J,f^
Tiefe und dem Druck der über- ^
liegenden Wassermassen entsprechen- r ^ ""
den Siedepuukt erreicht hat. (Fig. ^
49 rechts.) Wie sich aus der Zeich- . ^
nung ergibt, liegt die Wasserten:- ^ ^
peratnr dem Siedepunkte am nach- ^ n*w& * $
sten in der Mitte der Röhre ^
(ä 121,8«), wo sich eine einspringende -/ n6
Leiste befindet. Die Schicht ä braucht s
infolge der mit der Erwärmung q , ~
von unten her verbundenen Zirku- </^^rtn<Jcn,
lation nur um etwa 2 m, bis c, *^4^
zu steigen, um sosort in Dampf s.ruuA /
verwandelt zu werden. Das Wasser ' ^ >
oberhalb der Dämpfe wird empor- Figur 49.
gehoben und in die Luft geschleudert.
Es sällt abgekühlt in das Becken zurück uud bewirkt eine Unter-
brechung der Dampfentwickelung. Dieser Vorgang wiederholt
sich bei fortschreitender Erwärmung der ganzen Wassermasse in
innner kürzeren Zwischenräumen, bis endlich eine gewaltige
Dampfexplosion und die damit verbundene Verminderung des
Druckes auf die unteren Mafseu ein Aufkochen der gesamten
Wassermenge und die Haupteruption hervorruft. — Nahe dem
Großen Geysir liegt eine andere Springquelle, der Strokkr, der
durch hineingeworfene Steine und Erde zum Ausbruch angeregt
werden kann. Noch großartiger als auf Island sind die Geysire
im Nationalpark am Jellowstone in den Vereinigten Staaten,
die Wasserstrahlen 70—80 m und Dampfsäulen bis 300 m hoch
werfen. Doch auch sie werden noch übertroffen von dem gewaltigen
Waimangu-Geysir, der Ende 1900 auf der Nordinsel Nensee-
lands entstand und Wassermassen 200—250 m, Dampfwolken bis
zu 1000 in hoch emporschleudert.
B. Die Flüsse.
Schon früher (S. 69 ff.) sind die Flüsse hinsichtlich ihrer
Mitwirkung bei der Umgestaltung der festen Erdoberfläche be-
sprachen. Nachdem dabei über die Entstehung des Flusses, die
— 122 —
Auswaschimg seines Tales und die Mitführung und Ablagerung der
Sedimente im Flußbett und an der Mündung das Nötige gesagt
ist, bleibt hier noch eine Betrachtung des Flußlaufes in seiuem
Zusammenhange übrig.
Ein Einzugsgebiet, aus dem das gesamte aus Quellen oder
Niederschlägen stammende, oberflächlich abfließende Wasser in ge-
ineinsamem Abfluß dem Meere oder einem abflußlosen See zu-
geführt wird, nennt man ein Fluß- oder Stromgebiet. Die
größten Stromgebiete der Erde haben:
Amazonas mit 7000000 qkrn Laplata mit 3100000 qkm
Kongo „ 3 700000 „ Ob „ 3100000
Mississippi „ 3 250000 „ Nil „ 2800000 „
• In Europa haben folgende Flüsse große Stromgebiete:
Wolga mit 1460000 qkm Weichsel mit 193000 qkm
Donau „ 817 000 „ Elbe 145000 „
Dnjepr „ 527 000 „ Oder „ 110000 „
Rhein m.Maas 200000 „ Rhone „ 100000 „
Jedem Stromgebiete entspricht ein Stromsystem, das aus
einem Hauptflusse oder Strom, dessen Nebenflüssen, deren Zu-
slüsseu u. s. f. besteht. Das Binnenland hat in der Regel wenige
und große Stromsysteme, während an den Küsten zahlreiche
kleine Flußsysteme liegen, von denen die Karten meist nur wenige
darstellen.
Mitunter kommen Verbindungen zweier Strom-
syfteme vor. Sie können erstens im Quellgebiet dadurch ent-
stehen, daß die Wasserscheide über Seen oder Sümpfe geht und
diese zeitweilig bei reichlichen Niederschlügen oder dauernd nach
zwei Seiten hin Wasser entsenden. Eine solche Erscheinung heißt
Wasserteilung (Manytsch-Niederung, ostpreußische Seenplatte).
— Zweitens kommt es mitunter — wenn auch selten — vor,
daß ein Fluß sich in seinem Oberlaufe spaltet und eine Fluß-
gabelung oder Bifurkation*) bildet sObra: Warthe und
Oder; Hase, s.-ö. von Osnabrück: Ems und Weser; Cassiquiare:
Orinoko und Amazonas). Ein ähnlicher Fall einer unterirdischen
Verbindung zweier Stromgebiete findet sich an der oberen Donau,
deren Wasser unweit des Städtchens Tuttlingen zum Teil durch
die Klüfte des Kalkgesteins versinkt und dann 15 km südlich in
der Aachequelle wieder zu Tage kommt und nach dein Bodensee
abfließt. Endlich kommen solche Verbindungen sehr häusig als
sog. Flußvermischung im Mündungsgebiete der Ströme vor;
besonders in großen Deltas (Ganges und Brahmaputra).
Die Form der Stromsysteme ist von der Neigung des
Bodens innerhalb der Stromgebiete abhängig. Dacht sich der-
selbe in der Hauptsache nach einer Seite hin ab, so fließen die
*) bifurcus, lat. — zweizinkig, von furca, Gabel.
— 123 —
Flüsse mehr ober weniger parallel nach dieser Richtung und ver-
einigen sich unter spitzem Winkel (Loire und Allier; Werra und
Fulda), oder sie umziehen auch bogenförmig ein Becken, ehe sie
sich vereinigen (Seine, Kongo). Fließt der Hauptfluß am untern
Saume einer Abdachung entlang, so nimmt er als Saumfluß die
Gewässer der gegen seinen Laus abfallenden Fläche auf (obere
Donau; Aar). Sind im Stromgebiete zwei Abdachungen gegen-
einander geneigt, fo senden sie meist beide dem Hauptsluß ihre
Gewässer zu und bildeu, salls sie ungefähr gleich große Flächen
haben, ein symetrisches (Po, obere Oder, Amazonas), im anderen
Falle ein unsymetrisches Flußsystem (untere Oder, Seine, Kongo).
Wenn zwei ebenbürtige Flüsse sich vereinigen, so daß man nicht den
einen als Nebenfluß des andern bezeichnen kann, nennt man sie
Qnellslüsse; sie bilden erst von ihrer Vereinigung ab einen Hauptfluß
(Wytschegda und Suchona: Dwina; die Fulda hiugegeu ist eigent-
lich ein echter Nebenfluß der Werra, wie dies ja auch der dem
Hauptfluß gleiche Name der letzteren andeutet, denn „Werra" und
„Weser" sind zwei Formen desselben Stammes). Unter Zwillings-
strömen versteht man Flüsse, deren Quellen benachbart sind, und
die sich erst nahe der Mündung vereinigen oder benachbart münden
(Enphrat und Tigris, Syr und Amu, Ganges und Brahmaputra).
Verhältnismäßig selten findet ein Fluß sein Ende in dem
lockeren Boden des festen Landes. Er teilt sich dabei gewöhnlich
in viele Arme, die in trägem Laufe deu von dem Flusse selbst
hervorgerufenen, sehr flachen Schwemmkegel durchziehen und zu-
letzt im Sande versiegen oder seichte Sumpfseen bilden.
Die weitaus meisten Wasseradern ergießen sich in andere
fließende Gewässer, in einen See oder ins Meer. Die Stelle, an
der das geschieht, ist die Mündung des Flusses. Freilich läßt
sich sehr häusig nicht ein bestimmter Punkt als Ende des Fluß-
lauses bezeichnen, sondern in der Regel ist die Flußmündung ein
ausgedehntes Gebiet. Wenn ein Strom ohne Teilung und ohue
Erweiteruug seiner Talrinne mündet, so redet man von einer
einfachen Mündung. . Sie findet sich •— abgesehen von Neben-
flüssen — vor allem bei fließenden Gewässern, die ihre Sinkstoffe
zum größten Teile in einem durchslossenen See absetzen konnten,
und deren Mündung von der Branduugswelle des Meeres oder
der Gezeitenströmung wenig oder gar nicht erweitert wurde. Die
meisten Flußmündungen werden durch abgelagerte Sedimente
oder durch die ausnagende Tätigkeit der Meereswellen und Ge-
zeitenströme verändert. Bei allen Flüssen, die sich in einen
Binnensee ergießen, und auch bei vielen der ins Meer münden-
den Gewässer werden die mitgeführten Sinkstoffe vor der Münduugs-
stelle abgesetzt. Oft entsteht dadurch ein Delta. (Vgl. S. 77.)
In vielen Fällen verhindern aber die Meereswogen das An-
wachsen der abgelagerten Sinkstoffe bis zur Oberfläche des Wassers
und gestatten nur die Bildung von Flußbarren vor der Mündung.
Man spricht dann von einer Barrenmünduug. Dabei ist
— 124 —
indes zu beachten, daß auch das Meer infolge der Küstenversetzung
(S. 83) zu solchen Barren Material herbeischafft und Strand^
wälle aufschüttet. Mitunter wird an Schwemmlandsküsten durch
diese Anschwemmungen ein Fluß genötigt, in längeren Strecken
erst an diesen Strandbildungen entlang zu sließeu, ehe er einen
Ausgang zum Meere hin findet. Das sind die sog. verschleppten
M ü n d u n g e n (Senegal). Häufig entsteht infolge von Aufschüttung
solcher Strandwälle hinter denselben ein Strandsee oder Haff,
aus welchem dann das Wasser durch eine Lücke (Tief) ins Meer
abfließt. Solche Haffmündungen zeigen die Ostseeküste und
die Küste des Schwarzen Meeres, wo die russischen Flüsse Strand-
seen — hier Liman genannt — bilden.
Während die vorstehend genannten Mündungen mehr oder
weniger verschlossen sind, haben viele der in den Ozean gehenden
Flüsse osfene oder Trichtermündungen (Astuarien*). Bei
ihnen werden die mitgebrachten Sinkstoffe außer durch die Fluß-
strömung selbst durch die Wellen unruhiger Meere, durch vorüber-
streichende Meeresströmungen und besonders durch die Gezeiten-
ströme aus den Mündungen entfernt und diese selbst trichter-
förmig erweitert. Bei eindringender Flut wird nämlich das Fluß-
wasser durch das spezifisch schwerere Meerwasser nach oben ge-
drängt und sucht nun an Breite zu gewinnen, was es an Tiefe
verliert. Doch sind nicht alle trichterförmigen Mündungen als
Schöpfungen der Flüsse anzusehen und als Astuarien zu be-
zeichnen (Beisp. Laplata-Bai).
Wo Nebenflüsse in einen Hauptstrom münden, beobachtet man
häufig, daß die Mündungsstelle sich stromabwärts am Hauptfluß
im Laufe der Zeit verschiebt. Wenn diese Erscheinung bei Ge-"
birgsflüssen sich weniger deutlich erkennen läßt, weil die felsigen
Ufer in hohem Grade hinderlich sind, so ist sie aber bei
Niederungsflüssen ost so erheblich, daß die Nebenflüsse in der
Regel unter spitzem Winkel einmünden und oft eine Strecke mit
dem Hauptstrome fast parallel fließen, ehe sie ihn erreichen. (Die
Zuflüsse des Rheins in der Oberrheinischen Tiefebene, die Neben-
flüsse des Po u. v. a.) Wie Fig. 50 andeutet, tritt da, wo der
nieist schneller fließende Nebenfluß den lang-
samer sich bewegenden Hanptstrom trifft,
eine plötzliche Stauung des seitlich zuströmen-
den Wassers ein. Noch mehr ist das der Fall,
wenn bei Hochwasser das Wasser des Haupt-
stromes in den Nebenfluß eindringt. Infolge
der Verzögerung der Stromgeschwindigkeit
setzen Haupt- und Nebenfluß an dein inneren
Winkel ihres Zusammentreffens Schwemmland
an. Indem dieses halbinselförmig weiter
wächst, schiebt es die Mündung des Neben-
*) Lat. aestuarium, Flußmündung.
— 125 —
slusses weiter abwärts, so daß mitunter der Zufluß erst eiue
ganze Strecke am Hauptfluß entlang fließen muß, bis er sich mit
diesem unter einem kleinen Winkel zuletzt vereinigen kann. (Jll.)
C. Die Seen.
Während die großen, miteinander in Verbindung stehenden
Einsenknngen der Erdrinde von dein weiten Meere ausgefüllt
werden, zeigt das Festland in seinen kleineren, von Böschungen
rings umgebenen Hohlformen viele stehende Gewässer, die Seen
genannt werden. Sie gehören zu den jüngsten und darum der
Veränderung noch am ineisten unterworfenen Erscheinungen der
Wasserhülle unserer Erde.
Die Entstehung der Seen ist naturgemäß von denjenigen
Faktoren abhängig, welche einzeln oder im Zusammenwirken die
Hohlformen des Festlandes bilden. Diese mannigfachen Vor-
gänge lassen sich in letzter Linie auf Eiusenkung, Ausräumung
und Abdämmung zurückführen. Mau kann daher die Seen hin-
sichtlich ihres Ursprungs einteilen in:
1. Einsenkungsseen. Zu ihnen gehören:
a) Tekto nische Seen, welche die durch tektonische Vor-
gänge, insonderheit durch Grabenversenkuug, entstandenen
Becken ausfüllen. (Seen der syrisch - ostafrikanischen
Grabensenke vom See Tiberias bis zum Njaffa Ivergl.
Figur 27J).
d) Einsturzseeu — (Seen im Karstgebiet; Kraterseen sBol-
siner See uud Seen der Albaner Berge|).
e) Explosiv nsseen, deren Becken durch vulkanische Ex-
plosionen ausgesprengt wurden — (Maare der Eiset).
2. Ausräumungsseen. Sie liegen in Hohlsormen, die
in lockeren Bodenschichten durch die ausräumende Tätigkeit des
fließenden Wassers, der Gletscher oder des Windes entstanden sind.
Zu ihnen gehören die langgestreckten Seen in ehemaligen Fluß-
rinnen des norddeutschen Tieflandes.
3. Abdämmuugsseen. Sie süllen Hohlformen, die auf
unveränderter Grundlage durch Aufschüttung einer Umwallung
oder eines Dammes aus fremdem Material entstanden sind.
Sehr häusig sind sie durch unregelmäßige Aufschüttung von
Moränenschutt der Gletscher gebildet (Oberdeutsche Hochebene,
Norddeutsche Tiefebene), oder dadurch entstanden, daß Bergstürze,
Lavaströme, Eismassen u. dergl. eiuen Damm durch eine schon
vorhandene Senke zogen und oberhalb derselben das Wasser
aufstauten (viele Gebirgsseen). Eine besondere Gruppe uuter
diesen Seen bilden die sog. Abgliederungsseen, die von
größeren Wasserbecken durch die Anschwemmungen des Meeres
oder der Flüsse abgetrennt wurden (Strandseen, Haffe, Delta-
seen). Auch die vom Hauptstrome ganz abgeschlossenen Altwässer
(s- S. 75) kann man hierher rechnen, wenngleich sie auch zugleich
durch Ausräumung entstanden sind. Ihr Beispiel zeigt, wie bei
sehr vielen Seen mehrere Faktoren zur Herausbilduug der Beckeu
gemeinsam tätig gewesen sind, und daß deshalb mancher See
sowohl zur eiuen als zur anderen obiger Gruppen gezählt werden
kann. Als besondere Art von Seen pflegte man bisher die
Reliktenseen anzusehen, und mit diesem Namen im Gegensatz
zu deu ursprünglichen Landseen solche stehenden Gewässer kleineren
Umfangs zu bezeichnen, welche ehemals Teile des Meeres waren
und noch jetzt marine Tiere bergen. Seitdem aber erkannt wurde,
daß derartige Tiere in vielen Fällen aus dein Meere in das
Binnengewässer einwanderten, und daß viele Wassertiere sehr
wohl imstande sind, sich veränderten Lebensbedingungen anzu-
passen, ist der hauptsächlichste Beweis für deu Ursprung der sog.
Reliktenseen hinfällig geworden. Wenn auch von manchen Seen
angenommen werden kann (z. B. in Finnland und Südschweden),
daß einst bei tieferer Lage des Landes ihre Becken Senkungen
im Meeresgruude gewesen sind, so ist doch unnötig, sie den
anderen Landseen gegenüber als besondere Art von Seen anzn-
sprechen.
Nach dem Wasserhaushalt der Seen unterscheidet man
folgende Gruppen:
1. Blindseen, welche weder Zufluß noch Abfluß haben.
Sie erhalten ihr Wasser durch Grundwasser oder Quelleu und
durch die in sie abfließenden Niederschläge ihrer Beckenumrandung
(Kraterseeu, Maare u. a.).
2. Quellseen. Sie haben, außer den kleinen Gewässern
aus ihrer Umrandung, keinen Zufluß, erhalten ihr Wasser aus
Quelleu uud haben nach Fülluug ihres Beckens einen periodischen
oder dauernden Abfluß (viele ostafrikanische Seen).
3. Endseen mit Zufluß, aber ohne Abfluß. Je uach der
Menge des ihnen zugeführteu Wassers im Verhältnis zur Ver^
dunstung schwankt die Höhe ihres Spiegels bezw. bei flachen
Ufern die Größe ihrer Oberfläche. Da der Ausgleich zwischeu
Wasserzufuhr und Verdunstung bei den Endseen meist längere
Zeit erfordert, so bietet das Steigen oder Fallen der Seen ein
bedeutungsvolles Merkzeichen sür die Klimaschwankungen ihres
Gebietes (Steppenseen).
4. Flußseen. Sie haben einen deutlichen Zu- und Abfluß
und sind offene Seen, Erweiteruugen des Flußlaufes und zu-
gleich Läuteruugsbecken für den Strom. Ihr Wasserspiegel zeigt
geringe und sich schnell ausgleichende Schwankungen (viele Ge-
birgsseen, z. B. der Bodensee).
Weitaus die meisten Seen haben Süßwasser; einige da-
gegen, besonders die in Steppen gelegenen Endseen, sind salzig.
Die in sie einmündenden Flüsse bringen in ihrem Wasser Salze
mit, deren Menge mit der Zeit im See wächst, während das
Wasser verdunstet. Sehr geringer Salzgehalt eines Endsees deutet
deshalb darauf hiu, daß der See noch verhältnismäßig jung ist.
— 127 —
Besonders hohen Salzgehalt haben die östliche Bucht des
Kaspischen Meeres, Kara Bugas (16 °/0), der Große Salzsee in
Utah (21 o/o), der Urmia-See in Armenien (21 %), das Tote
Meer (24 °/0), der Eltonsee (27 %), der Rote See ans der Land-
enge von Perekop in der Krim (33 °/o).
An Größe sind die Seen außerordentlich verschieden. Die
bedeutendsten sind folgende:
Kaspischer See 440000 qkm Huron-See 62000 qkm
Oberer See 81000 „ Michigiu-See 58000 „
Viktoria-Njansa 75000 „ Tanganjika-See 35600 „
Aral-See 67000 „ Baikal-See 34200 „
In Europa:
Ladoga-See 18100 qkm Onega-See 9 200 qkm
Die Gesamtfläche aller Seen der Erde schätzt man auf
1700000 qkm; sie übertrifft also nur wenig die dreifache Größe
Deutschlands.
Die größte Tiefe haben von allen Seen in der Regel die
Einbruchsseen. Zu beachten ist, daß Größe und Tiefe der Seen
nicht voneinander abhängig sind; denn wenn auch die tiefsten
Seen meistens groß sind, so sind doch nicht alle großen Becken
zugleich auch tief. Als die tiefsten Seen gelten der Baikal-See
mit 1610 m uud das Kaspische Meer mit 1098 m, unter unsern
Alpenseen der Eomersee mit rund 400 m.
Das Erlöschen der Seen kann dadurch gescheheu, daß die
Wassermenge in dem Becken insolge Abflusses oder starker Ver-
dunstung verschwindet, daß einmündende Flüsse die Hohlsorm
durch ihre Sedimente allmählich zuschütten, und daß die Seen
vermooren. Viele Flußseen sind verschwunden, weil der Abfluß
sein Bett durch Erosion tiefer legte und zuletzt den See ganz entleerte.
Manche Tiesebenen int Oberlauf der Flüsse geben davon Zeugnis
(Oberrheinische Tiefebene). In Steppengebieten ist häusig der
Betrag des Wassers, das ein See durch Verdunstung verliert,
weit größer als die ihm durch Niederschläge oder Zuflüsse zuae-
führte Wassermenge, uud der See verschwindet allmählich. wo
ist der Salzsee im Staate Utah der Rest des einst so gewaltigen
Bonnevillesees, und die australischen Binnenseen, von denen der
Eyre-See jetzt weniger als 1 m tief ist, gehen ihrem Ende ent-
gegen. Auch der Tsadsee in Asrika hat insolge regenarmer
Perioden in der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts sehr an Aus-
dehnuug verloren trotz der großen Wassermenge, die der Schari
ihm zuführt. Aber auch dieser Fluß selbst hat an der Verringerung
des Sees mitgearbeitet durch die Ablagerungen von Sedimenten,
die allmählich das Ostufer zuschütteten. Eine solche Vernichtuug
eines Sees durch Zuschüttung seines Beckens kommt namentlich
reißenden Gebirgsströmen vor, wie die Talebenen am
— 128 —
oberen Ende des Genfer-, Urner- und Bodensees zeigen. Seit-
lich einmündende Flüsse bauen ihre Deltas mitunter ganz durch
den See hindurch und trennen die Wasserfläche in zwei Becken.
So wurde der Thuner vom Brienzer See durch die Lütschine
geschieden, und die Adda trennte den kleinen, nördlich vom Comer-
see gelegenen See vom Hauptbecken ab. Endlich verschwinden
manche Seen dadurch, daß sie allmählich zu Mooren umge-
waudelt werden.
D. Das ?Neer.
(Uber horizontale Ausdehnung und Gliederung
des Weltmeeres, vgl. S. 100 n. 115 ff.)
1. Der Meeresboden.
Da der Boden des Meeres der unmittelbaren Betrachtung
nicht in gleichem Maße zugänglich ist wie die Oberfläche des
festeu Landes, so ist unsere Kenntnis von ihm noch recht mangel-
hast. Erst die letzten Jahrzehnte haben durch ausgedehnte Ties-
seeforschungen uns manche wertvollen Ausschlüsse über Bau und
Bedeckung des Meeresbodens gebracht.
a. Tiefenlotung. Um die Meerestiefe zu messen, benutzt
man in flachen Meeren ein Handlot. Es besteht aus eiuer Leine,
an der ein Gewicht hängt, und bei welcher nach gewissen Merk-
zeichen die Länge des abgelaufenen Stückes leicht bestimmt werden
kann. Je tiefer das Gewicht einsinkt, desto schwerer muß es sein,
damit Meeresströmungen die Leine nicht mit sich forttragen, fo
daß sie nicht die senkrechte Entfernung zwischen Spiegel und
Boden des Meeres angibt. Dadurch ist der Verwendung der
Handlote eine Grenze gesetzt, und bei der Feststellung großer
Tiefen muß mau sich besonders konstruierter Tiefseelote bedienen.
Bei ihnen wird die Leine durch dünnen Stahldraht ersetzt, und
die Gewichte sind bis zu 100 kg schwer, lim Zeit und Mühe
des Heraushebens solcher Lasten zu sparen, sind die Tiefseelote
so eingerichtet, daß sie beim Aufstoßen auf den Grund das Gewicht
loslassen, dafür aber in zweckmäßig gebauten Behältern Boden-
proben und Wasser aus der Tiefe mit emporbringen, auch an
eingesenkten Thermometern die Tiefentemperatur anzeigen. Eines
der bekanntesten älteren Tiefseelote ist das von dem amerikanischen
Seekadetten Brooke 1854 ersuudene. Es besteht aus einer recht
großen Kanonenkugel, die von einem an: oberen Ende mit zwei
Scharnierhaken versehenen Stabe durchbohrt ist. Beim Aus-
stoßen auf den Boden lösen sich die die Kugel tragenden Drähte
von ihren Haken, so daß das schwere Gewicht in der Tiefe zurück-
bleibt. Andere Tiefseelote haben statt der Kanonenkugel Eisen-
ringe, wodurch es möglich wird, für verschiedene Tiefen ver-
schieden schwere Gewichte (bis zu 300 kg) zu verwenden.
— 129 —
Neuerdings hat man die Lotapparate noch sehr verbessert und
eigene Lotmaschinen gebaut. Bei ihnen ist der Draht auf Trommeln
gewickelt, die durch Zählwerke selbsttätig die Länge des abgelausenen
Stückes anzeigen. Das Herausholen des Drahtes erfolgt durch
Dampfkraft oder durch Maschinen mit elektrischem Antrieb.
b. Tiefe des Meeres. Die Tiefe des Meeres ist größer
als die höchsten Erhebungen des sesten Landes. Bemerkenswert
ist dabei, daß die tiefsten Stellen der Ozeane nicht in der Mitte
derselben, sondern unweit der Ränder liegen, wo von Vulkanen
begleitete Bruchspalten der Erdkruste vorhanden sind. Die größte
Meerestiefe, die bisher gefunden wurde, hat der südliche Pazifische
Ozean mit 9636 in im Marianengraben ostsüdöstlich der Insel
Guam (12° 40' N, 145° 40' O)*). Wenig geringere Tiefen wurden
gelotet in der Tongarinne (28° 44' 8, 176° 4' W) mit 9413 m
und im Kermadecgraben (30° 28' 8, 176° 39' W) mit 9427 m.
Im nördlichen Teile dieses Ozeans zeigte das Lot 8513 m in der
Tuscaroratiefe östlich von Japan. Die tiefsten Stellen im
Atlantischen Ozean sind nördlich von Puertorico (8256 m) und
in der Mitte des Ozeans nahe dem Äquator (7370 m); im
Indischen Ozean wurde die bedeutendste Tiefe südlich der Sunda-
inseln mit 6459 m gefunden.
Aber nicht nur die Tiefseetafeln der Ozeane selbst enthalten
sehr tiefe Einsenkungen, sondern auch in vielen Jngressions-
meeren hat die Lotung Tiefen von mehreren 1000 m festgestellt.
(Karibisches Meer zwischen Jamaika und Iukatan 6270 m;
europäisches Mittelmeer 4400 m südwestlich vom Kap Tainaron,
3700 m zwischen Sardinien und Süditalien, 3870 m südöstlich von
Rhodos; Schwarzes Meer 2618 in.) Die Transgressionsmeere
dagegen haben nur eine geringe Tiese. (Nordsee: Mitteltiefe 89 m;
größte Tiefe in der Rinne an der Südküste Norwegens 808 in;
Ostsee: 67 in bzw. 430 in; die britischen Randseen: 62 in
bzw. 260 in.)
c. Form des Meeresbodens. Der Meeresboden zeigt nicht
so starke Modellierung wie die Oberfläche des festen Landes.
Zwar haben tektonische und vulkanische Vorgänge auch an der
Umgestaltung des Meeresbodens teil, aber die exogenen Vorgänge,
welche die trockene Erdoberfläche so mannigfach verändern, be-
rühren den Meeresboden nur in geringem Maße. Verwitterung
und Denudation fehlen hier gänzlich oder wirken doch in anderer
Weise. Die Zersetzung des festen Bodens durch das Seewasser
ist sehr gering und schafft nicht neue Formen, da die Zersetzungs-
Produkte an Ort und Stelle liegen bleiben. Die Bewegung des
Meereswassers durch Windwellen reicht nicht unter 200 in hinab
und kann überhaupt keine tiefen Rinnen hervorrufen. Freilich
*) Zahlenangaben nach Krümmel, Der Ozean (Leipzig 1902), wo
- "r die Tonga- und Kermadec-Tiesen 176° 4' bz. 176° 39' ö. L. statt
w. L. r>t^>Mftch steht.
W. Techter, Allgemeine Erdkunde. 9
v
— 130 —
findet die Ablagerung von Sedimenten auch an: Meeresboden
statt; aber sie ist ntehr geeignet, vorhandene Unebenheiten ein-
zuebnen, als neue zu bilden. Daher zeigt der Meeresboden
hauptsächlich weite Becken und Mulden, die vou ausgedehnten
Landschwellen und Tafelländern mit sanften Böschungen inngeben
sind. Wenn die unterseeischen Plateaus sich namentlich in einer
Richtuug erstrecken, heißt man sie Rücken; nähern sie sich dem
Wasserspiegel, so bezeichnet man sie als Bänke. (Neufund-
landbank.)
d. Bedeckung des Meeresbodens. Über die Bedeckung des
Meeresbodens haben die bei den Lotungen mit heraufgebrachten
Bodenproben Aufschluß gegeben. Man hat gesuudeu, daß Fels-
gestein nur an wenigen Stellen vorkommt, nämlich da, wo starke
Gezeitenströme den Boden reingesegt, oder wo — wie in manchen
Meeresstraßen — unterseeische Strömungen die Ablagerung
lockerer Masseu verhindert haben. Fast durchweg bilden lose
Auflagerungen den Meeresboden. Sie sind teils kontinentalen,
teils marinen Ursprungs. In der Nähe der Küsteu ist der
Boden der Flachsee meist von Sand gebildet, der aus den von
der Brandung zertrümmerten Gesteinen entsteht oder von den
Flüssen dem Meere zugeführt wird. Dabei bleiben Kies und
Sand nahe an der Küste liegen, während der feine Schlamm
weiter hinausgeführt und durch Vermischung mit den Resten
von Seetieren zum Schlick umgewandelt wird. Solcher Schlick bedeckt
die Übergangsgebiete von der Flachsee zur Tiefsee und wird auch
iu deu meisten der tiefen Nebenmeere gesuudeu. Er ist in der
Regel blau gefärbt; doch liefern vulkanische Gestade granen
Schlamin, und an manchen Küsteu särbeu die vou deu Flüssen
herbeigeführten Sedimente oder gewisse organische Beimengungen
den Schlick grünlich oder rot. — Der Boden der Tiefsee bis zu
4000—5000 m ist vom Tiesseeschlamm bedeckt. Dieser besteht
nur zum geringen Teile aus Stoffen, die vom Lande stammen
'und durch den Wind oder durch Strömungen weithin geführt
werden (Staub, vulkanische Asche und — in höheren Breiten —
das vom schwimmenden Eis verfrachtete Material); zu 60—80°/o
ist er aus den Resten von Organismen gebildet. Zwar hört
das Pflanzenleben im Meere an der unteren Grenze der noch
vom Sonnenlicht durchleuchteten Wasserschicht (etwa 250 m) auf;
aber das Tierlebeu erfüllt alle Tiefen in erstaunlicher Mannig-
faltigkeit und Fülle. Namentlich tragen die mit dem gemein-
sarnen Namen „Plankton" belegten unzähligen Organismen, die
schwimmend, aber willenlos im Wasser umhertreiben, durch ihre
niedersinkenden Reste zur Bildung des Tiefseeschlammes bei. Die
kalk- und kieselhaltigen Schalen zahlloser abgestorbener Organismen
fallen, „eiuem leichten, kalkigen Schneeschauer" gleich, durch das
Wasser hinab. In mittleren und tropischen Breiten herrscht der
Kalkschlamm der Foramimserengattuug Globigerina vor (Globi-
gennenschlamm), während der Schlamm in den arktischen und
— 131 —
antarktischen Meeren hauptsächlich aus den Kieselpanzern der
Diatomeen gebildet ist (Diatomeenschlamm). — Mit der Tiese
des Meeres erhöht sich der Kohlensäuregehalt des Wassers, und
da außerdem der zunehmende Druck das kohlensäurehaltige Wasser
noch mehr kohlensauren Kalk ausnehmen läßt, als unter dein ge-
wohnlichen Luftdruck, so werden die niederfallenden Kalkschalen
in mn so stärkeren: Grade aufgelöst, je tiefer sie sinken. So er-
klärt, es sich, daß der Meeresboden bei mehr als 5000 m Tiefe
höchstens noch 10% organische Bestandteile enthält, dagegen vor-
wiegend aus Tiefseeton besteht. Dieser ist meist rot gefärbt
und scheint durch chemische Zersetzung vulkanischer Auswurfsstoffe
zu entstehen. An einigen Stellen ist er mit vielen Kieselschalen
winziger Gliedertierchen gemischt. (Radiolarienschlamm.)
2. Dcrs Weerwclsfer.
a. Chemische Ausammensetzunn des Meerwassers. Um die
chemische Zusammensetzung des Meerwassers zu erforschen, hat
man aus allen Tiefen mittels zweckmäßig konstruierter Schöpf-
apparate Wasserproben heraufgeholt und diese analysiert. Die
Analysen haben ergeben, daß im Oberflächenwasser der offenen
Ozeane durchschnittlich 35°/o0 sog. Meersalze vorhanden sind,
in einem kg Meerwasser also 35 g. Der Salzgehalt des Wassers
ist je nach der Ortlichkeit und der Tiese, woher die Wasserproben
kommen, schwankend; dagegen sind die den Salzgehalt aus-
machenden chemischen Bestandteile überall in sast gleichem Ver-
hältnis vorhanden. Unter den aufgelösten Stoffen herrschen
(nach Dittmar) die Chlorverbindungen mit etwa 89 °/0 bei weitein
vor, namentlich als Kochsalz (77,8°/0) und Chlormagnesium (10,9°/0).
An zweiter Stelle stehen unter den Meeressalzen die schwefel-
sauren Salze mit reichlich 10°/0. Von diesen sind vorhanden
schwefelsaure Magnesia oder Bittersalz (*4,7 °/o)^ welches mit dem
Chlormagnesium dem Meerwasser den bittern Geschmack gibt,
schwefelsaurer Kalk oder Gips (3,6%) und schwefelsaures Kali
(2,5°/0). Hingegen kommt der namentlich im Flußwasser auf-
gelöste kohlensaure Kalk im Meerwasser nur in ganz geringen:
Maße (0,3%) vor. Schon hieraus kann man solgern, daß die
chemische Zusammensetzung des Meerwassers nicht in erster Linie
durch das zugesührte Flußwasser bestimmt wird, zumal das in
jenem vorherrschende Kochsalz in diesem ganz zurücktritt. Man
hat deshalb früher den Salzgehalt des Meeres wohl aus große
Salzlager am Meeresgrunde zurückführen wollen; aber solche sind
durch Bodenproben nirgends nachgewiesen worden, können auch
nicht vorhanden sein, weil eine Lösung von so geringem Salz-
gehalte, wie das Meerwasser sie darstellt, direkte Niederschläge
nicht bildet. Man muß deshalb annehmen, daß dem Meerwasser
der Salzgehalt schon in der Urzeit, wenn auch in geringerem
Maße, eigen gewesen ist. — Der Salzgehalt der offenen
9*
\
— 132 —
Ozeane ist nicht überall derselbe; er schwankt an der Oberfläche
derselben von 31 °/0o bis 38°/00. Den größten Salzgehalt zeigt
das Wasser in der Gegend der Wendekreise, also im Gebiete der
Passate, weil durch letztere die Verdunstung gefördert wird. Nach
dem Äquator und noch mehr nach den höheren Breiten hin ist
das Meer weniger salzig. In den Nebenmeeren ist der Salz-
gehalt von der Stärke der Wasserverdunstung und von der
Menge des zugeführten Süßwassers abhängig, und beide Um-
stände sind hierbei um so einflußreicher, je'weniger die Neben-
meere mit dem Ozean offene Verbindung haben. Das europäische
Mittelmeer, das vom Ozean her nur eiue schmale und wenig
tiefe Meeresstraße als Zugang besitzt und starke Verdunstung hat,
zeigt einen Salzgehalt von 38 %o, das Rote Meer im nördlichen
Teile sogar 41°/0o, während derselbe in dem durch Flußwasser
stark ausgesüßten Schwarzen Meere auf 180/0o sinkt. Nordsee
und Ostsee werden weniger als die oben genannten Meere von
der Verdunstung berührt; darum hat die mit dem Ozean durch
breite Tore verbundene Nordsee noch im östlichen Teile 32,5 °/00
Salzgehalt, während derselbe im Skager Rak auf 30, im Belt
auf 18, im Kieler Hafen auf 15, nördlich von Rügen auf 8, in
der Danziger Bucht auf 6 bis 7 und im Bosnischen Meerbusen
auf 3°/oo sinkt, also sür die ganze Ostsee etwa 12 %o beträgt.
Bemerkenswert ist noch, daß in abgeschlossenen Nebenmeeren der
Salzgehalt in der Tiefe stärker ist als an der Oberfläche, in den
offenen Ozeanen dagegen bis zu 2000 m Tiefe etwas abnimmt
und dann weiter nach unten hin wieder ein wenig steigt.*) In
Gegenden, wo die Sonne eine schnelle Verdunstung des Wassers
bewirkt, gewinnt man aus dein Meerwasser das Kochsalz in großen,
flachen Becken (Salzgärten), die vom Meere aus mit Salzwasser
gefüllt werden.
An Gasen enthält das Meerwasser atmosphärische Luft und
Kohlensäure. Die Luft wird von dem Wasser bei Berührung mit
der Atmosphäre absorbiert, und zwar geschieht das um so mehr,
je kälter das Wasser ist. Da nun die Wassertemperatur mit der
Tiefe abnimmt, fo wächst der Luftgehalt. Im Bodenwasser der
tiefsten Ozeane sand man genau die Luftmenge, die das Wasser
bei derselben Temperatur an der Oberfläche aufgenommen haben
würde. Diese merkwürdige Erscheinung beweist, daß das in der
Tiese warmer Ozeane sich befindende Wasser einst in kalten
Regionen der Erde Oberflächenwasser gewesen sein muß.
(Vgl. S. 135.) Die Luft, welche von dem Wasser an seiner Ober-
fläche der Atmosphäre entnommen wird, ändert im Meere ihre
Zusammensetzung. In den oberen Wasserschichten übersteigt ihr
*) Zur Vergleichung wird der Salzgehalt einiger Binnenseen in %o
angegeben: Kasplsches Meer 13 (der fast ganz abgeschlossene Busen von
Kara Bugas aber 160), Urmiasee 210, Großer Salzsee in Utah 214, Totes
Meer 237, Roter See auf der Landenge von Perekop in der Krim 328.
— 133 —
Sauerstoffgehalt den der Atmosphäre (21%) etwas (wichtig für
die Kiemenatmer!), während er in der Tiefe infolge der Atmungs-
Prozesse der Tierwelt geringer ist. Deshalb deutet Reichtum an
Sauerstoff bei Tiefenwasser darauf hin, daß es vor kurzem von
der Oberfläche nach unten gelangt ist. Für einen solchen Aus-
tausch des Wassers zwischen Oberfläche und Tiefe spricht serner
der Umstand, daß die Kohlensäure, welche in allen Schichten von
der Ausatmung der Tiere herrührt, in den Tiefen nicht wesent-
lich mehr vorhanden ist als in den oberen Wasserschichten, wo
die Pflanzen sie doch wieder absorbieren.
Von dem Salzgehalt (und von der Temperatur) des Meer-
wafsers ist sein spezifisches Gewicht abhängig. Man bestimmt
dasselbe durch Eintauchen eines Aräometers und erhält dadurch
außer der Angabe des Salzgehaltes zugleich bei Zurückführuug
der gefundenen Werte auf eiue Normaltemperatur das spezifische
Gewicht des Wassers. Es beträgt 1,024—1,028, so daß also ein
Liter Meerwasser 1024—1028 g wiegt.
b. Farbe des Meerwassers. Die Farbe des Meeres ist ab-
Hüngig von der Durchsichtigkeit des Meerwassers, und diese wieder
ist desto größer, je weniger das Wasser getrübt ist. Da aber
größerer Salzgehalt und höhere Temperatur die Trübungen
schnell ausscheiden, so ist das Wasser der offenen Ozeane in
warmen Gegenden mehr durchsichtig als in kalten oder als das
Wasser der salzarmen Nebenmeere. Eine versenkte weiße Scheibe
ist je nach der Beschaffenheit des Wassers noch in einer Tiefe
bis zu 77 m eben erkennbar; aber die chemische Einwirkung des
Sonnenlichtes auf photographische Platten wurde noch in einer
Tiese bis 550 in nachgewiesen. Wie aber die Photographie des
Sonnenspektrums zeigt, nimmt die chemische Wirkung der Licht-
strahlen vom Rot bis zum Blau und Violett zu und ist am
stärksten in den sür unser Auge nicht sichtbaren ultravioletten
Strahlen. Demnach kann man schon aus der erheblich in die
Tiese reichenden chemischen Wirkung des Sonnenlichtes schließen,
daß _ die blauen und violetten Strahlen desselben vom Wasser
weniger absorbiert werden als die roten und gelben. (Tiere von
roter Färbung erscheinen deshalb schwarz, wenn sie sich in einer
Tiese von 20—30 m befinden.) Die Farbe des Meeres wird durch
Lichtstrahlen bestimmt, die von den auch im anscheinend reinen
Wasser vorkommenden seinen Trübungen reflektiert werden. Je
reiner das Wasser ist, je tiefer also die Reflexion stattfindet, desto
mehr herrschen blaue Strahlen vor; je kürzer der Weg der Licht-
strahlen im Wasser ist, desto mehr sind gelbe Strahlen den blauen
beigemengt, desto mehr grün erscheint demnach das Wasser. Da
aber — wie schon erwähnt — starker Salzgehalt und hohe
Temperatur die das Wasser trübenden Stoffe rasch sällen, so er-
scheint das Wasser der Ozeane kobaltblau, und zwar Vorzugs-
weise in warmen Gegenden, während es in kalten Strömungen
und in den polaren Seen mehr grün aussieht. Flache Neben-
meere und Küstenwasser haben im allgemeinen grüne Färbung,
die mit der Abnahme des Salzgehalts steigt und z. B. in der
Ostsee flaschengrün ist. — Andere Färbungen des Meeres, wie
rot, gelb, weißlich, — von dem Seemann bezeichnenderweise
Miß- oder Verfärbung genannt — rühren meist von massen-
Haft vorhandenem Plankton her. Das Gelbe Meer hat seinen
Namen von dem Lößschlamm erhalten, den der Hoangho ihm
zuführt; die Bezeichnung Rotes Meer ist vielleicht von den in
diesem Gewässer oft in ungeheurer Menge vorkommenden roten
Organismen hergenommen. Die Namen des Schwarzen und
des Weißen Meeres haben hingegen mit der Färbung des
Wassers nichts zu tun.
Das Meer leuchten, welches besonders schön in den
Tropenmeeren ist, wird durch Milliarden mikroskopischer Tierchen
hervorgebracht.
c. Temperatur des Meerwassers. Die Temperatur des
Meerwassers an der Oberfläche und in der Tiefe zeigt viel ge-
ringere und dazu entgegengesetzte Unterschiede als diejenige der
sesten Erdrinde. Während hier die Wärme nach dem Erdinnern
zn ganz außerordentlich steigt (vgl. S. 14), nimmt sie im Meere
mit der Tiefe ab, und die Unterschiede in der Temperatur zweier
Wasserschichten werden um so geringer, je tiefer diese liegen.
Die Temperatur der Oberfläche des Meeres weist gleich der-
jeuigen der Luft tägliche und jährliche Schwankungen auf, aber
iu viel geringerem Maße als letztere. Die tägliche Wärme-
schwankung beträgt in den tropischen Meeren kaum 10 C. und ist
in höheren Breiten mit ihrem vorherrschend bedeckten Himmel
noch geringer. Ebenso übersteigt in manchen Meeren der Tropen
innerhalb eines Jahres die höchste Wassertemperatur die niedrigste
nur um 1° C.; aber dieser Unterschied nimmt polwärts bis etwa
zum 40. o Br. etwas zu, um sich noch in höheren Breiten wieder
zu verringern. Die höchste durchschnittliche Monatstemperatur
hat das Meer auf der nördlichen Halbkugel im August, die
niedrigste im Februar; auf der südlichen Erdhälfte ist es um-
gekehrt. Doch ist der Wärmeunterschied im Mittel dieser extremen
Monate auf dem 40° X. kaum 10° C., auf der südlichen Halb-
kugel noch geringer. In Nebenmeeren und Küstengewässern hin-
gegen sind die Wärmeschwankungen weit beträchtlicher. Als
höchste Mitteltemperatur hat mcm_ im offenen Ozean + 29° C.
gefunden; in den polaren Gebieten ist das Wasser bis auf — 2° C.
und mehr abgekühlt. In eingeschlossenen Meeresbecken hat es
mitunter eine -f- 29° C. überschreitende Wärme (Rotes Meer + 32°,
Persischer Golf + 34°). Die Isothermen, welche die mittlere
Oberflächentemperatur des Wassers angeben, laufen natürlich im
allgemeinen mit den Breitenkreisen parallel, da die Wasser-
erwärmung in erster Linie von der Sonnenstrahlung (Insolation)
abhängt. Doch bewirken die Meeresströmungen nicht selten eine
— 135 -
starke Verschiebung der Isothermen und werden insonderheit da-
durch wichtig, daß sie kalten Erdräumen warmes Wasser zuführen.
Für Europa ist in dieser Hinsicht besonders der Golsstrom von
Bedeutung, der noch südlich von Neufundland 20,6« mittlere
Jahreswärme besitzt und trotz bedeutender Abkühlung auf seinem
weiteren Laufe doch der Nordwestküste Europas so viel Wärme
zuführt, daß selbst die nördlichsten Häfen Norwegens (71° N)
niemals vereisen. Diese Leistung und mit ihr die Bedeutung
des Golfstromes für das Klima Nordwesteuropas wird verständlich,
wenn man bedenkt, daß 1 edm Wasser, wenn es sich nur um 10
abkühlt, dabei so viel Wärme abgibt, daß 3000 cbm Luft davon
um 1° erwärmt werden.
Um die Wärmeverhältnisse des Wassers in der Tiefe des
Meeres verstehen zu können, muß man vorab beachten, daß
erstens das Salzwasser uicht wie das Süßwasser bei 0« C. gefriert,
sondern daß bei ihm der Gefrierpunkt um so tiefer liegt, je
größer der Salzgehalt ist. Während Ostseewasser schon bei — 1° C.
gefriert, geschieht das beim Ozeanwasser erst bei — 2,5° C.
Zweitens hat das Süßwasser seine größte Dichtigkeit stets bei
-j- 4° C., und seine Tiefentemperatur sinkt deshalb nicht unter
diesen Betrag. Das Meerwasser hingegen erreicht sein Dichtigkeits-
maximum erst bei — 4 bis — 5°C., je nach seinem Salzgehalt.
Endlich ist — namentlich sür salzreiche Nebenmeere mit starker
Verdunstung — der Umstand wichtig, daß das erhitzte Ober-
flächenwasfer rasch verdunstet, dadurch relativ salzreicher und
schwerer wird und in die Tiese sinkt. Infolgedessen hat z. B.
das europäische Mittelmeer selbst an den tiefsten Stellen noch
eine Temperatur vou 13 °, wobei freilich von großer Bedeutung
ist, daß durch die schmale und seichte Meerenge von Gibraltar
das kalte Tiefenwasser des Ozeans nicht eindringen kann. *) Die
Temperatur des Wassers im Ozeane nimmt in den oberen
Schichten bis etwa 1000 m Tiefe rasch ab, sinkt jedoch von da
ab nach unten hin sehr langsam, aber beständig, so daß sie am
Boden der Tiessee -j- 2» bis — 2° beträgt. Sie ist in polaren
Gegenden etwas höher als in äquatorialen. Man schließt daraus,
daß das in polaren Breiten fast bis zum Gefrierpunkte des
Salzwassers abgekühlte Oberflächenwasser allmählich in die Tiefe
sinkt und sich gegen den Äquator hin verschiebt. Diese Annahme
wird durch den S. 132 erwähnten verhältnismäßig hohen Lust-
gehalt des Tiefenwassers in äquatorialen Gegenden bestätigt.
Das tropische Tiefenwasser ist durchweg antarktischen Ursprungs.
Im Indischen Ozean kann es selbstverständlich nur von Süden
gekommen sein, und auch der Große Ozean ist gegen Norden
fast ganz geschlossen und öffnet sich breit nach Süden hin. Der
*) In den oberitalienschen Seen hat das Wasser, das an der Ober-
flache ebenfalls stark erwärmt wird, schon in einer Tiefe von 150 m nur
noch 4 brs 6° C.
V
Atlantische Ozean ist zwar nach beiden Seiten hin offen; aber
der nördliche Zugang ist viel weniger breit und wegen der Boden-
schwelle, aus der die Feiroer und Island liegen, auch weniger
ties als der von Süden her. Man hat den Querschnitt der
arktischen Psorte aus 900 qkm, den der antarktischen dagegen auf
25000 qkm berechnet. Daraus erklärt es sich, daß die tiessteu
Wasserschichten im nördlichen Atlantischen Ozean nur aus 4- 2°
bis + 10 abgekühlt sind, während die südlichen Becken eine
Tiesentemperatur von — 1° bis — 2» haben.
d. Meereis. Das in den Polarmeeren massenhaft vor-
kommende Eis ist zweifachen Ursprungs: entweder entsteht es
durch Gefrieren des Meerwassers und bildet dann weite Flächen,
oder es ist eine Süßwasserbildung und treibt in gewaltigen
Blöcken, Eisbergen, im Seewasser. Da das Meerwasser an den
seichten Stellen längs der Küsten und Inseln am schnellsten sich
abkühlt, so gefriert es hier zuerst. Es entsteht eine Eisdecke, die
sich nach und nach über große Räume ausdehnt und Feld eis
genant wird. Dasselbe ist anfangs zäh und biegsam. In einem
Winter wird es IV2—2 m dick und erreicht auch in mehreren
Jahren selten mehr als 4—5 m Stärke. Wenn nämlich das
Salzwasser gesriert, so scheidet es den größten Teil seines Salz-
gehalts aus und teilt ihn dem Wasser unter dem Eise mit, so
daß dessen Gefrierpunkt erniedrigt wird. Zugleich sinkt es hinab,
u:n leichterem und wärmerem Wasser Raum zu geben. Dabei
schützt das Eis als schlechter Wärmeleiter das Wasser unter ihm
vor weiterer Abkühlung. Bei zeitweiliger Erhöhung der Luft-
temperatur taut das Feldeis im Sommer ab. Es bilden sich
dann aus der Eisfläche kleine Riunsale und Tümpel von brackigem
Wasser, das jedoch nicht trinkbar ist, da auch das Eis bei seiuer
Bildung nicht ganz srei von Salz wnrde. — In den weiten
Flächen des Feldeises entstehen insolge von Temperaturunter-
schieden zwischen Wasser und Lust oder durch Bewegungen der
Eismasse, hervorgerufen durch Winde oder Strönmngen,_ gar
bald Risse und Sprünge, welche die zusammenhängende Eisfläche
in große Schollen zerteilen. Diese werden dann gegeneinander
getrieben, zerbrechen in der gewaltigen Pressuug, überschieben sich,
frieren wieder zusammen und bilden so das Packeis, dessen
Oberfläche ein Gewirr von Höckern und Klippen ist. Wie die
Pressungen des Eises eingeschlossene Schiffe aufs äußerste gefährden,
so bildet das unebene Packeis ein schwer zu überwindendes
Hindernis sür Schlittenreisen, und beide Umstände sind es,_ die
in erster Linie die Polarforscher an der Erreichung ihres Zieles
hinderten. Die Dicke des Packeises übertrifft naturgemäß die-
jenige des Feldeises und kann durch Übereinanderschieben mehrerer
Schollen wohl bis zu 50 in anwachsen. — Außer der lokalen
Bewegung des Eises durch Winde oder Gezeitenströmungen
scheinen sich die gesamten Eismassen des nördlichen Meeres
— 137 —
langsam von Osten nach Westen zu verschieben, wozu wahr-
scheinlich der vorherrschende Wind den Anlaß gibt. Bekanntlich
suchte sich Nansen (1893—96) diese Wanderung des Eises zu
nutze zu machen, um den Nordpol zu erreichen. Im Sommer
lösen sich am Außeurande der Eisflächen kleine Schollen ab und
werden von Meeresströmungen als Treibeis in niedere Breiten
geführt. So kommen durch die weite Pforte zwischen Grönland
und Spitzbergen alljährlich große Mengen von Treibeis in den
Atlantischen Ozeau und werden, ehe sie gänzlich verschwinden,
bis zum 40.° N südwärts getrieben. (Treibeisgrenze.)
Die in den Meeren vorkommenden Eisberge sind die ab-
gebrochenen Enden großer Gletscher der polaren Länder. Wenn
die Gletscher — wie z. B. auf Spitzbergen und Grönland — sich
bis ins Meer hinein fortschieben, so werden die unteren Teile
durch den Auftrieb des Wassers abgebrochen uud schwimmen
dann als Eisberge fort. Dieselben ragen durchschnittlich 20—40 m,
mitunter sogar 80—100 m aus dem Wasser hervor. Da das Eis
ein spez. Gewicht von 0,92 hat, so beträgt das untergetauchte
Stück etwa s/9 der Gesamtmasse (0,92 : 1,028). Wenn auch der
unter Wasser liegende Teil in der Regel breiter als der sichtbare
ist, so kann man doch die ganze Höhe des Eisberges aus das
6—7 fache des sichtbaren Stückes schätzen. Mit den arktischen
Strömungen gelangen die Eisberge im nordatlantischen Ozean
bis zu den vielbefahrenen Schiffahrtslünen zwischen Europa und
Amerika und werden hier zu einer nicht zu unterschätzenden Gefahr
für die Schiffe. Besonders gefährlich sind die gewaltigen Strudel,
welche entstehen, wenn ein Eisberg seine Gleichgewichtslage ver-
ändert und umschlägt. Letzteres wird vor allem dadurch verursacht,
daß das Eis, wenn es in wärmere Meeresteile gelangt, in der
Höhe des Wasserspiegels am meisten zerstört wird, so daß oft
größere Stücke ins Meer abrutschen. Im südlichen Polarmeere
sind die Eisberge tafelförmig gestaltet und zeigeu senkrecht ab-
fallende Wände von oft 60 m Höhe. Ob sie allein von Gletschereis
herrühren, ist noch zweifelhaft.
3. Die Weroegungen des Meeres.
a. Wellen. Wird auf eine Stelle der Wasseroberfläche durch
einen Luftstoß oder eiueu fallenden Gegenstand ein Druck ausgeübt,
so entsteht dort eine kleine Vertiefung im Wasserspiegel, da die
leicht beweglichen Wasserteilchen ausweicheu. Dadurch drückeu sie
aber wieder aus die benachbarten Teile und erzeugen, weil letztere nach
oben ausweichen, um die kleine Depression herum eine Erhöhung
des Wasserspiegels, einen Wellenberg. Dieser sinkt zusammen,
und an seiner Stelle entsteht, da das bewegte Wasser infolge des
Beharrungsvermögens seine abwärts gerichtete Bewegung über
die frühere Gleichgewichtslage hinaus beibehält, eine ringförmige
Vertiefung, ein Wellental. Dasselbe schafft an seiner äußereu
V
Peripherie wieder einen Wellenberg, und an seiner inneren Grenze
wird zugleich ein ebensolcher erzeugt, denn auch die Ausgaugsstelle
verharrt noch in dieser Bewegung. So pflanzt sich die Bewegung
der Wasserteilchen nach außeu hin fort, bis zuletzt die Reibung
die bewegende Krast aufgezehrt hat. Die einzelnen Wasserteilchen
werden bei dieser Wellenbewegung in geschlossenen Kurven, die
oben kreisähnlich, nach unten zu elliptisch siud, auf und ab geführt.
Beim Entstehen des Wellenberges schwingen sie auswärts und
etwas vorwärts; sinkt der Berg zum Tal zusammen, so gleiten
sie abwärts und zugleich rückwärts. Sie werden also in einer
Vertikalebene auf und ab geführt, ohne sich seitwärts von ihrem
Orte zu verschieben. Ein auf dem bewegten Wasser schwimmender
Gegenstand gerät deshalb wohl in schaukelnde Bewegung, bleibt
aber an seinem Orte, wenn auch die Form der Welle fortschreitet.
Es ist hierbei ähnlich wie bei einem vom Winde bewegten Korn-
felde, bei dem sich die Halme neigen und wieder aufrichten, aber
an ihrem Orte bleiben. Weht jedoch der Wind längere Zeit
hindurch aus derselben Richtung, so schiebt er die Wasserteilchen
der Welle auch zugleich etwas vorwärts, so daß ihre Bewegung
in nicht völlig geschlossene Kurven vor sich geht. Hierauf ist die
Entstehung der Triftströmungen zurückzuführen.
Der senkrechte Abstand vom höchsten Punkte eines Wellen-
berges bis zur tiessten Stelle eines Wellentals ist die Höhe der
Welle. Sie genau zu bestimmen, ist sehr schwer und trotz vieler
Versuche bis jetzt noch nicht befriedigend gelungen. Bei Beobach-
tungen ohne Messungen wird die Wellenhöhe gewöhnlich überschätzt,
indem der Beobachter die geneigte Ebene des Schiffdeckes als
horizontal annimmt. Das Schema Fig. 51 zeigt in ad die
wirkliche, in cd die
/ scheinbareHöhe einer
' Welle. Beischwachen
/ 1 ^ Winden sind die
Wellen höchstens
/ 2—4 m hoch und
auch bei starkem
Fig. 5i. Sturme selten über
Optische Täuschung beim Schätzen der Wellenhöhe 8—9ni. Die von den
(nach Krümmel). bewegten Wasser-
teilen beschriebenen
Knrven, die in der sichtbaren Welle nur mit ihrem oberen Teile
liegen, haben hingegen bedeutend größere Tiefenausdehuung.
Heftige Stürme können bei genügender Meerestiefe das Wasser
bis 200 m unter der Oberfläche aufrühren. Wird die Kurven-
bewegung der Wasserteile durch seichten Grund gestört, so über-
schlägt sich der Wellenkamm, die Welle brandet. Aber auch
auf offener und tiefer See bemerkt man die weißen Kämme der
sich überstürzenden Wellen, wenn der Seegang noch nicht aus-
gebildet ist, also der Wind noch nicht lange genug gewirkt hat,
— 139 —
um bis in größere Tiefen hinein die Wasserschichten in Bewegung
zu setzen.
Die Entfernung zwischen zwei benachbarten Wellenkämmen
heißt die Länge der Welle; die Zeitdauer zwischen dem Ein^
treffen zweier aufeinander folgenden Wellenberge wird als
Periode bezeichnet. Länge und Periode der Wellen stehen in
Beziehung zueinander und zur Geschwindigkeit, mit der die
Wellenform sich fortbewegt, und alle drei nebst der Wellenhöhe sind.
wieder von der Stärke des Windes abhängig. Bei orkanartigem
Sturme können die Wellen 15 Sek. Periode, 15 m Höhe, 350 m
Länge und 24 m Geschwindigkeit in der Sekunde (vgl. Eilzugs-
geschwindigkeit) haben.
Auch nach dem Aushören des Windes dauert die Wellen-
bewegung des Wassers noch geraume Zeit fort. (Warum?)
Solchen Seegang nennt der Seemann Dunnung, im Gegensatze
zu den unmittelbaren Windwellen, den „Seen". Weht bei noch
andauernder Dunnung der Wind schon aus anderer Richtung,
so durchkreuzen sich die Wellensysteme und erzeugen nicht selten
die den Schiffen so gefährlichen „Sturzseen" mit sich überschlagenden
Kämmen.
Weit gewaltiger und namentlich furchtbarer in ihren zer-
störenden Wirkungen als die Windwellen sind die Stoßwellen,
von denen schon bei Erwähnung der Erdbebensluten (S. 57) die
Rede war. Man nimmt ihre Länge bis 500—900 km, ihre
Geschwindigkeit bis 150—200 m, ihre Periode bis zu einer halben
Stunde und darüber an, während ihre Höhe die der Windwelle
nicht beträchtlich übersteigt.
Eine eigenartige und noch nicht genügend erklärte Bewegung
zeigt das Wasser in den sog. stehenden Wellen. In Binnenseen
und abgeschlossenen Meeresteilen bemerkt man mitunter, daß das
Wasser an einem Ufer ansteigt und gleichzeitig am entgegengesetzten
sinkt, also eine Art Schaukelbewegung, um eine wagerechte Achse
ausführt. Derartige Bewegungen wiederholen sich in bestimmten
Zwischenräumen oft stundenlang, werden aber immer schwächer,
bis sie endlich aufhören. Nach der am Genfer See, wo sie oft
vorkommen, üblichen Bezeichnung nennt man die stehenden Wellen
wohl „Seiches" (sp. ßesch). An
der Ostsee hat man dafür den *
Namen „Seebär" (verstümmelt n /
aus Bare ^ Woge). In der Regel
bewegt sich das Wasser um eine B„ Ji'
Achse, und dann spricht man
von einknotigen Wellen. Doch c, ^
hat man auch zweiknotige c <1 ^
stehende Wellen gefunden. Als c
Ursachen der stehenden Wellen ' \
werden rasche Veränderungen Fig. 52.
Stehende Wellen.
V
— 140 —
des Luftdruckes, plötzliche Windstöße von Bergen her und ähnliche
atmosphärische Einwirkungen angenommen. (Fig. 52.)
1>. Die Gezeiten. An den Küsten der offenen Ozeane und
der Nebenmeere, ja selbst — wenn auch in geringem Maße —
an denjenigen größerer Binnenseen bemerkt man, daß ungefähr
im Laufe eines Tages das Waffer zweimal gegen das Land hin
vordrängt und ebenso oft wieder zurücktritt. Beim Zurückweichen
des Wassers, der Ebbe, werden an der Flachküste weite Strecken
des Meeresboden bis aus einzelne Rinnen vom Wasser frei, so daß
man über sie hinweggehen kann. (Watten.) An den Steilküsten sinkt
der Wasserspiegel und läßt unter Umständen die vorliegende
Strandplattform hervortreten. Wenn das Meer seinen tiefsten
Stand, das Niedrigwasser, erreicht hat, beginnt es wieder zu
steigen. Es tritt die Flut ein, und das Meer überdeckt wieder
den bei der Ebbe vom Wasser entblößten Teil seines Grundes.
Den höchsten Stand der Flut nennt man Hochwasser. Ebbe und
Flut bezeichnet man zusammen als die Tiden oder Gezeiten.
Jede der beiden Bewegungen des Meeres dauert durchschnittlich
6 Std 121/5> Min. Wenn also um 12 Uhr mittags Niedrigwasser
ist, so herrscht um 6 Uhr 12 x/2 Min. abends Hochwasser, um
12 Uhr 25 Min. nachts wieder Niedrigwasser und um 6 Uhr
371/2 Min. morgens Hochwasser, um 12 Uhr 50 Min. Nieder-
wasser usw. Also nicht genau in 24 Std., sondern in 24 Std.
50 Min. wechseln Ebbe und Flut zweimal miteinander, so daß,
wenn heute 12 Uhr Hochwasser herrscht, es morgen um 12^ Uhr,
übermorgen um 1*° Uhr usw. zu erwarten ist. Es verspätet sich
also der Eintritt einer Ebbe oder Flut gegen die entsprechende
des vorhergehenden Tages um 50 Minuten.
Beobachtet man einen Monat hindurch die Gezeiten hinsichtlich
ihrer Höhe, so bemerkt man, daß die Flut am höchsten ist einige
Tage nach Neumond und nach Vollmond, am geringsten hingegen
zur Zeit der Mondviertel. Die hohen Fluten beim Neu- und
Vollmond heißen Springfluten, die niederen während der
Mondviertel taube oder Nippfluten. Auch die geographische
Breitenlage der Meere beeinflußt die Stärke der Gezeiten. Ebbe
und Flut sind zwischen den Wendekreisen am bedeutendsten und
werden vom Äquator nach den Polen zu schwächer.
Ebenso sind die Tiefenverhältnisse der Meere und
die Konturen der Kirsten nicht ohne Einfluß auf Ebbe und
Flut. Wenn schon das Ansteigen des Seebodens in der Nähe
der Küsten höhere Fluten bedingt, so werden solche besonders durch
Verengung von Buchten, Kanälen und Flußmündungen hervor-
gerufen. Darum sind die Gezeiten auf ozeanischen Inseln im
allgemeinen weit geringer als an Festlandsküsten. An den
Hawaii-Jnseln beträgt die Flut nur 0,30—0,50 m, während
sie im Bristolkanal bis zu 15 m, in der Fundybai sogar bis zu
21 m gemessen wurde. In Wilhelmshaven ist die mittlere Flut-
höhe 3,46 m, in Bremerhaven 3,30 in, in Cuxhaven 2,80 m, in
141
Hamburg 1,88 m; die Springfluten und namentlich die vom
Nordwestwind verursachten Sturmfluten sind aber beträchtlich
höher. — Wie weit die Flutwelle in die Flüsse hinaufsteigt, ist
außer von den für die betreffende Küste in Frage kommenden
allgemeinen Umständen namentlich von lokalen Ursachen (Breite
und Tiefe der Mündung, Flußströmung) abhängig. In die
Weser dringt die Flutwelle bis 67 km (unterhalb Bremens), in
die Elbe 150 km (oberhalb Hamburgs), in die Themfe bis 90 km
(oberhalb Londons), in den Lorenzstrom 750 km und in den
Amazonenstrom gar fast 1000 km ein.
Wie ist nun diese Erscheinung der Gezeiten zu erklären?
Da sich Ebbe und Flut von einem Tage zum andern um
50 Minuten verspäten, also ungefähr um die Zeit, welche der
Mond für einen Ort auf der Erde später als am vorhergehenden
Tage kulminiert, so hat man schon seit langer Zeit erkannt,
daß der Mond aus den Eintritt der Gezeiten von Einsluß ist.
Die verschiedene Höhe der Flut zur Zeit der oben genannten
Mondphasen weist serner darauf hin, daß die Stellungen des
Mondes zur Erde und zur Sonne für die Gezeiten nicht ohne
Bedeutung sein können. Die Ursachen sür das Entstehen von
Ebbe und Flut müssen also in den Einwirkungen liegen, welche
Sonne und Mond aus unsere Erde ausüben, und zwar kommt
hier die Anziehung in Frage, welche letztere von jenen beiden
Himmelskörpern erfährt. — Nach dem Newtonschen Gravitations-
gesetz stehen die Anziehungskräfte zweier Körper im geraden Ver-
Hältnisse ihrer Massen und im umgekehrten Verhältnisse der
Quadrate ihrer Entfernungen. Die Masse der Sonne ist rund
320000 mal so groß als die der Erde,*) uud diese hat wieder die
80 fache Masse des Mondes. Also ist die Masse der Sonne
320000. 80 mal so groß als die des Mondes. Da die Sonne
nn Mittel 150000000 km, der Mond 384000 km von der Erde
entfernt ist, so ist die Entfernung der Sonne von der Erde rund
400 mal so groß als die des Mondes. Die Erde erfährt demnach
*) Alle Zahlenangaben in der folgenden Ausführung sind der bequemen
Rechnung und des leichteren BeHaltens wegen stark abgerundet.
c
je
Fig. 53.
V
— 142 —
eine - 2' = IM mal fo starke Anziehung von der Sonne
als vom Monde. Wenn trotzdem der Mond in erster Linie den
Eintritt der Gezeiten bewirkt, so kann die Anziehung, die beide
Himmelskörper auf unsere Erde überhaupt ausüben, Ebbe und
Flut noch nicht verursachen. In Fig. 53 stelle 8 das anziehende
Gestirn dar, der Kreis um m die Erde, auf deren Äquator die
Zentrallinie trifft. Wirkte nur allem die vou S ausgehende
Anziehungskraft auf die Erde, fo würde diese zu 8 sliegeu. Dabei
müßte sie, falls ihre ganze Masse elastisch wäre, statt der Kugel-
sorm langgestreckte Gestalt annehmen, da a der geringen Ent-
fernung vou 8 wegeu starker als m uud m wieder stärker als 1)
angezogen würde. Punkt b wurde also zwar ebenfalls 8 zueilen,
aber gegen in und noch mehr gegen a zurückbleibeu, so daß sich
die Entfernungen nia und mb zu 111a' und ml)' vergrößerten.
Weil nun außer der von 8 ausgehenden Anziehung noch andere
Faktoren auf die Erde eiuwirken, fo fliegt sie zwar nicht zu 8
hin und nimmt auch infolge ihrer starren Kruste nicht langge-
streckte Form an, aber Veränderungen ihrer Gestalt treten, ent-
sprechend der obigen Annahme, dennoch ein, soweit die Wassermassen
der Erdoberfläche in Frage kommen. Der Einfachheit wegen
werde angenommen, die Erde sei rings von einer gleichmäßigen
Wasserschicht umgebeu. Infolge der verschieden starken Anziehung,
die a, m und b erfahren, vergrößern sich die Entfernungen ma
und mb zu ma' und mb'. Bei a zieht das Gestirn die Wasser
teilchen gleichsam von der festen Erde weg, und bei b zieht es
die feste Erde von den Wassermassen fort; in beiden Fällen wird
mithin eine Erhebung der Teilchen gegen ihre frühere Gleich-
gewichtslage stattfinden. Es entstehen also gleichzeitig an den
dem Gestirn zu- und abgewandten Stellen des Äquators Flut-
wellen. Da sich der Durchmesser ab zu a' b' verlängert, so muß
eine Verkürzung des rechtwinklig zu ab stehenden Durchmessers
cd zu c'd' eintreten. Während demnach die dem anziehenden
Gestirn zu- und abgewandten Orte der Erde Flut haben, herrscht
an den Stellen, die 90° von jenen entfernt sind, Ebbe; von ihnen
drängen die Wassermassen zu den Flutbergen hin.
Bei der Erzeugung der Gezeiten kommt also neben der Stärke
der Anziehung Überhaupt, die unsere Erde von einem Gestirn
empfängt, sehr wesentlich die Differenz in Betracht, welche
zwischen der Anziehung des dem Gestirn zugekehrten Teiles
der Erde, des Erdmittelpunktes und der gegenüberlie-
gen den Seite herrscht. Dieser Unterschied aber wird bedingt
durch das Verhältnis, in welchem die Länge des Erdhalbmessers
zur mittleren Entfernung des anziehenden Gestirns steht. Da
der Erdradius mit 6375 km nur etwa V24000 der Sonnenentfernung
ist, so werden die der Sonne zugekehrten Teile der Erde nicht
viel stärker, die ihr abgewandten nicht erheblich geringer ange-
zogen als der Erdmittelpunkt. Die Entfernungen der Punkte
a, in, b (Fig. 53) von der Sonne verhalten sich zueinander wie
(1 — V24000) : 1 : (1 + V24000). Die ihnen zuteil werdende An-
ziehuna steht demnach im umgekehrten quadratischen Verhältnis
il 4- V24000)2 : l2 : (1 — V24000)2 oder 576048001 : 576000000
; 575952001. Es beträgt folglich die Differenz in der Anziehung
der Punkte a und b = 96000, das ist Veooo der Anziehung, welche
m erfährt. — Diefe Differenz muß bei der Anziehung durch deu
Mond erheblich größer sein, weil der Erdradius etwa '/«» der
Mondentfernung beträgt. Die entsprechende Rechnuug zeigt
ll — '/e0) : 1 : (1 + Veo) als Verhältnis der Entfernung, und
(1 + Veo)2 : l2 : (1 — Veo)2 = 3721 : 3600 : 3481 als folches
der Anziehung, woraus sich eiue Differenz von 240 = V15 der ini
Erdmittelpunkte wirkenden Anziehung ergibt. Die Sonne ver-
wendet mit Veooo ihrer Gesamtanziehung also auf die Erzeugung
von Ebbe und Flut einen 400 mal so geringen Teil ihrer Kraft
als der Mond, der mit V15 seiner Anziehuugskraft bei der Gezeiten-
erzeugung mitwirkt. Da aber die anziehende Kraft der Sonne
auf die Erde 160mal so groß als die des Mondes ist, so verhält
sich ihre fluterzeugende Kraft zu der des kleineren Gestirns wie
160 ' 400 oder wie 2 ' 5. Also wirkt der kleiue Mond auf die
Gezeiten etwa 2'/zmal so stark ein als die große Sonne.
Es ist nun leicht einzusehen, inwiefern die Stellung des
Mondes zur Erde und zur Sonne die Stärke der Gezeiten beein-
flußt. Der Mond steht bei Neu- oder Vollmond mit der Sonne
und Erde in einer Linie. Also wirken beide Fluterzeuger
mit vereinter Kraft. (Fig. 54 a, b.) Beim ersten und letzten
Mondviertel wirkt die
Anziehung durch die
Sonne auf die Stellen
der Erde, an welchen
der Mond eine Ebbe
erzeugt. Die fluter-
zeugende Kraft des
Mondeswird alfo durch
diejenige der Sonne
gehemmt. (Fig. 54 c.)
In den beiden ersten
Fällen bewirken also
Sonne und Mond ge-
meinsam eine verstärkte
Flut (Springflut); in
den beiden andern
Mondstellungen ent-
steht eine verminderte
Flut (taube oder Nipp-
flut). Wenn man bei
jener die Höhe der Flut
durch die Werte 5^-2 — 7 ausdrücken will, so würden sie bei
je.
/tr.
S.
)ä
Ort.
£\^OA
Fig. 54.
V
— 144 —
dieser 5 ■— 2 = 3 betragen. Dabei ist freilich zu beachten, daß
die Flut auf der dem Monde zugekehrteu Seite, also die Zenit-
flnt, innner etwas beträchtlicher ist als die Nadirflut.
Da also der Moud in erster Linie der Erzeuger der Gezeiten
ist, so erklärt sich auch die tägliche Verzögerung dieser um 50
Minuten aus der täglich 51 Minilten später für einen Ort
eintretenden Kulmination des Mondes. Jedoch ist letztere
durchaus nicht zugleich der Zeitpunkt des Hochmeeres. Infolge
der Rotation der Erde umkreisen beide Flutwellen (gleich dem
Monde in seinem scheinbaren Laufe) täglich die Erde, so
daß ein Ort zweimal von der Flut getroffen wird. Wegen der
inneren Reibung des Wassers und der reichen Gliederung der
Wassermasse in einzelne Ozeane und viele Nebenmeere, sowie
bei flachem Wasser wegen der ungleichen Gestaltung des Meeres-
bodens verzögert sich der Eintritt des Hochwassers gegen die
Kulmination des Mondes. Die Zeit, welche von der Kulmination
des Neu- oder Vollmondes für eiueu Ort bis zum Eintritt des
nächsten Hochmeeres verstreicht, heißt die Hafenzeit des Ortes.
Sie bleibt für einen Ort immer die gleiche, und man kann aus
ihr den Eintritt des nächsten Hochwassers für einen beliebigen
Tag leicht berechnen, wenn man sie zur Kulminationszeit des
Mondes an dem betreffenden Tage hinzufügt. Sie beträgt z. B.
für Cuxhaven 1 Std. 5 Min., Hamburg 5 Std. 6 Min., Helgo-
land 11 Std., Bremerhaven 1 Std. 45 Min., Brest 3 Std. 45 Min.,
Cherbourg 7 Std. 45 Min., Calais 11 Std. 45 Min., Amsterdam
3 Std. Für die Seeleute ist die Kenntnis der Hafenzeit der
bedeutenden Häfen sehr wichtig. (Warum?)
Daß die Gezeiteu im allgemeinen an Stärke von den Tropen
nach den Polen zu abnehmen, ergibt sich aus der Stellung des
Mondes und der Sonne zur Ebene des Äquators. Letztere bildet
mit der Ebene der Erdbahn einen Winkel von 23 '/s °, und die
Mondbahn ist gegen die Erdbahn um etwa 5" geneigt. Daraus
folgt, daß die Stellung der Sonne um höchstens 23 x/2 0 und die
des Mondes um höchstens 23 J/2 0 + 5° von der Aquatorialebene
entfernt sind.
Von großer Bedeutung für die Schiffahrt sind neben den
Gezeiten überhaupt die durch sie entstehenden Gezeiten-
strömungen. In der Flutwelle werden die Wasserteilchen
ebenso wie bei den Windwellen in geschlossenen Kurven bewegt.
Während die Kurven bei den Windwellen aber mehr vertikal
gestellt sind, bilden die Bahnen der Wasserteilchen bei den Flut-
wellen langgestreckte Horizontal-Ellipsen. Die fluterzeugende
Kraft wirkt aber bis zum Grunde des Ozeans, und fo finden
sich Flutwellen auch in großer Tiefe. Schiebt sich nun die
Flutwelle in seichte Küstengewässer, in Buchten und Flußmündungen
vor, so wird die horizontale Bewegung der Wasserteilchen erheblich
größer, und es können wirkliche Strömungen entstehen. Namentlich
an Flußmündungen erfährt die Fortbewegung der Flutwelle
— 145 —
durch die wachsende Seichtigkeit, die Verengung der Flußbetten
und den Widerstand des Flußwassers eine Verzögerung, wobei
gleichzeitig ihre Höhe und Kraft wächst. Als mauerartiger Wall
schiebt sich die Flutwelle in der Strommitte auswärts, und in
gewaltiger Brandung stürzt sich das Wasser über die Userbänke.
Diese Erscheinung, die sich z. B. auch an der Seine, Garonne
und den chinesischen Flüssen findet, ist namentlich großartig als
Pororoca am Amazonas und als Bore am Hugli. In schmalen
Meeresstraßen und zwischen Inseln können durch die Gezeiten
Strömungen von 3—4 in Geschwindigkeit in der Sekunde hervor-
gerusen werden, die nicht selten durch Wirbelströmungen den
Schiffen höchst gefährlich werden. Die Scylla und Charybdis
in der Meerenge von Messina und der Maelstrom in den Losol>
Inseln aehören hierher.
c. Meeresströmungen. Von den hauptsächlich aus die Küsten-
gewässer beschränkten und in der Richtung wechselnden Gezeiten-
strömungen sind die eigentlichen Meeresströmungen zu unter-
scheiden. Mit diesem Namen bezeichnet man die vorwiegend in
großen Ozeanen vorkommenden Vorwärtsbewegungen der oberen
Wasserschichten mit dauernder oder höchstens jahreszeitlich wech-
selnder Richtung.
Die Geschwindigkeit, mit der das Wasser in den Meeres-
strömungen sortbewegt wird, ist im allgemeinen recht gering.
Darum sind die Strömungen ihrem Verlause und ihrer Breite
nach auf dem hohen Meere nur sehr schwer nachweisbar. Für
ihr Vorhandensein hat man aber schon seit langer Zeit bestimmte
Anzeichen. An den Küsten Islands findet man seit Jahr-
huuderten Treibholz, das seiner Beschaffenheit nach nur aus
den Gebieten Westindiens herstammen kann und durch eine
Meeresströmung verfrachtet sein muß. Ebenso bringt eine Strömung
Hölzer von Sibirien nach Spitzbergen. Die von den Schiffen so
sehr gefürchteten Eisberge, die z. B. an Amerikas Ostküste
bis zum _40° N vorkommen, können nur durch Meeresströmungen
in die wärmeren Gewässer hinabgeführt fein. Da sie nur mit etwa
119 ihrer Masse aus dem Wasser hervorragen, so ist ersichtlich,
daß beständige Meeresströmungen und nicht die in jenen Gegenden
so häufig wechselnden Winde sie aus hohen Breiten nach Süden
führten. Auch durch die seit dem letzten Jahrhundert oft ange-
wandten Flaschenposten ist das Vorhandensein von Meeres-
strömungen vielfach nachgewiesen. — Wenn aber diese Beobach-
tungen auch unzweifelhaft dargetan haben, daß zwischen den ver-
schiedenen Erdgegenden Meeresströmungen herrschen, so sind sie
doch wenig geeignet, die räumliche Ausdehnung und die zeitweiligen
Verschiebungen, noch weniger die Geschwindigkeit und die Tiese
der Strömungen zu zeigen. Da aber das in den Meeresströmungen
fortgeführte Wasser merkliche Unterschiede in d er Temperatur
und im Salzgehalte gegen die benachbarten Wasserschichten
zeigt, so benutzt man nach Benjamin Franklins Vorgange jetzt
W. Techter, Allgemeine Erdkunde. 10
— 146 —
das Thermometer und in neuerer Zeit auch das Aräometer zur
Erforschung der Strömungen.
Die Entstehung der Meeresströmungen ist hauptsächlich
aus die Wirkung des Windes zurückzuführen. Trifft der Wiud
die Oberfläche des Wassers, so erzeugt er zuerst zwar lediglich
Wellen, die bekanntlich nur bis zu einer verhältnismäßig geringen
Tiefe eine Wasserbewegung hervorrufen. Wenn aber der Wind
längere Zeit in gleicher Richtung weht, so entsteht im Wasser
eine in derselben Richtung gehende Oberflächenströmuug. Die
sich fortbewegende Wasserschicht teilt die Bewegung infolge der
inneren Reibung des Wassers der uuter ihr liegenden Schicht
allmählich mit, so daß auch diese in Strömung gerät und an
Gesch wiudigkeit der oberen mit der Zeit sich immer mehr nähert.
In gleicher Weise setzt sich die Strömung weiter nach unten hin fort,
bis auch die tieferen Schichten nach und nach eine Bewegung in
der Richtung des vorherrschenden Windes annehmen. Die
Strömungsgeschwindigkeit vermindert sich dabei von der Ober-
fläche zur Tiefe hin. Man hat berechnet, daß bei gleichbleibender
Richtung und Stärke des Windes die 100 m tief liegende Wasser-
schicht in 41 Jahren 1/i0 uud in 239 Jahren die halbe Geschwindigkeit
des Oberflächenwassers erreicht, imd daß nach etwa 200000 Jahren
in der Stromgeschwindigkeit ein bleibender Zustand mit propor-
tionaler Abstufung uach der Tiefe hin sich herausbildet. Richtung
und Stärke des Windes bleiben allerdings nicht immer gleich;
aber von vorübergehenden Änderungen werden nur die Ober-
flächeuschichten des Wassers beeinflußt. Die jetzt herrschenden
großen Meeresströmungen sind demnach ein Erzeugnis der Winde,
die seit vieleu Jahrtausenden über die betreffenden Teile des
Ozeans wehten. Danach erscheinen die großen Aquatorialströme
als Folge der Passate, und die zu einem geschlossenen Ringe um
die Antarktis ausgebildete Westwindtrift hat ihre Ursache in den
in jenen Gegenden vorherrschenden Westwinden.
Wenn eine Strömung unter spitzem Winkel auf eine Küste
trifft, so wird sie von ihrer bisherigen Richtung abgelenkt und
folgt der Küstenlinie. Wird aber die Küste rechtwinklig von der
Strömung getroffen, so teilt sich letztere, und beide Arme fließen
längs der Ufer weiter. Treffen zwei parallel verlaufende Ströme
die gleiche, senkrecht ihnen vorliegende Wand, so wird auch jeder
derselben geteilt, aber die beiden inneren Arme vereinigen sich
dann und bilden einen zwischen den Hauptströmen m entgegen-
gesetzter Richtung ziehenden Gegenstrom (Aqnatorial-Gegen-
strömung im Großen Ozean).
Für die weggeführte Wassermasse wird der Anfangsstelle
großer Ströme durch andere, von den Seiten kommende Meeres-
strömungen Ersatz gebracht. (Ersatz oder Kompensations-
ströme.) Bei den Aquatorialströmungen sind das die an der
Westseite der südlichen Kontinente streichenden Ströme. Wo der
Hauptstrom dicht am Lande beginnt, muß oft das als Ersatz
— 147 —
dienende Wasser ans der Tiefe aufsteigen und also kalte Strömungen
erzeugen. (Auftrieb w äff er.)
Für den Verlauf der Strömungen ist auch die Rotation
der Erde nicht ohne Einsluß. Sie gibt den Strömen die
Neigung, aus der nördlichen Halbkugel nach rechts, auf der füd-
lichen nach links abzulenken (Golfstrom, Brasilstrom). Dadurch
trägt sie wesentlich dazu bei, die großen Stromringe in den
Ozeanen zu schließen.
Während man den Verlaus der Meeresströmungen namentlich
durch Untersuchungen des Wassers hinsichtlich der Temperatur
und des Salzgehaltes festzustellen sucht, bestimmt man die Strom-
geschwindigkeit aus der Stromv erfetzung der Schiffe.
Hierunter versteht man die durch die Strömung bewirkte Ab-
lenkung der Schiffe von ihrem Wege. Ein von A (Fig. 55) ab-
fahrendes Schiff müßte z. B. seinem Kurse und seiner
Fahrgeschwindigkeit gemäß 24 Stunden später in B fein. ^
Die nach Verlauf dieser Zeit stattfindende astrono- .
mische Ortsbestimmung ergibt aber, daß es in C ist. A
Aus dem Unterschied der geographischen Breite und / /
Länge der Orte B und C (Cd und Bd) läßt sich /
mm der Betrag der Stromversetzung berechnen, welche / /
das Schiff in C statt in B ankommen ließ, und eben- c / /
falls kann man daraus die Richtung und Schnellig- |\
feit der Strömung ermitteln. Ströme mit einer ; \ /
Geschwindigkeit von 5 Seemeilen (ä 1852 m) in der
Stunde kommen nur in Meerengen vor; eine &
Schnelligkeit vou 2—2^2 Seemeilen charakterisiert Ng. 55.
schon eine starke Strömuug. Die Aquatorialströme
legen durchschnittlich nur 1 Seemeile in der Stunde zurück.
Nach der Temperatur des Wassers unterscheidet man kalte
und warme Meeresströmungen. Man vergleicht dabei ihre
Temperatur mit derjenigen des Wassers in den benachbarten
Meeresteilen oder mit der Lusttemperatur über dem betreffenden
Orte. So hat der Golfstrom im Januar an der norwegischen
Küste nur eine Temperatur von 2—3° 0. und ist hier doch noch
ein „warmer" Strom im Vergleich zu den benachbarten Wasser-
massen (0—1° C.). — Eine Übersicht über die wichtigsten kalten
und warmen Strömungen gibt jeder gute Atlas.
Die Meeresströmungen haben in mancherlei Hinsicht große
Bedeutung. Sie beeinflußen in fehr nachhaltiger Weise das
Klima der von ihnen berührten Küstenzonen. Da 1 edin Wasser
bei der Abkühlung um 10 C. so viel Wärme frei werden läßt, daß
davon 3000 cbm Luft um 1° erwärmt werden können, so üben
die warmen Meeresströmungen eine starke Wirkung aus die Tem-
peratnr der benachbarten Erdräume aus. Wie sich das an Nor-
wegens Küste äußert, ist schon S. 135 erwähnt. Ebenso wie Nor-
wegen nehmen Irland, Schottland und Island an der segens-
reichen Wirkung des Golfstromes teil, und die südlichen der
10*
v
— 148 —
großen Inseln Japans werden durch den Knro Siwo in ähn-
licher Weise begünstigt. Anderseits wird durch kalte Strömungen
die Temperatur der betroffenen Lander erniedrigt, namentlich
dann, wenn die Ströme aus polaren Gegenden kommen und
Eismassen_ tu wärmere Breiten sichren. Die gänzliche Vereisung
der grönländischen Ostküste, die oft ausfallende Herabminderung
der Sommertemperatur im östlichen Teile Nordamerikas und so-
gar in Westeuropa durch die vom Grönland- bezw. Labrador-
ström südwärts geführten Eismassen und die ungünstige Ein-
Wirkung der vom Behringsmeer kommenden kalten Strömung
auf die uördlicheu japanischen Inseln geben davon Zeugnis.
Neben der Temperatur werden auch die Niederschläge in vielen
Küstenländern von Meeresströmungeu beeinflußt, wie die beträcht-
lichem Regenmengen in den vom Golfstrom berührten Teilen
Europas und der Mangel an Niederschlägen an den von kalten
Strömuugeu begleiteten Westküsten der südlichen Kontinente be-
weisen. — Auch für deu Fischfang sind die Meeresströmungen
von großer Bedeutung. Namentlich die kalten Ströme, wie
überhaupt das kalte Meerwasser, besitzen eine ungeheure Fülle
von Plankton und sind deshalb außerordentlich reich an Fischen.
Darum ist z. B. die kalte Austriebströmuug an der marokkanischen
Ozeanküste ein ergiebiger Fischereibezirk, der neuerdings erhöhte
Beachtung gewonnen hat. Der Fischreichtum der Bank von Neu-
sundland, wo die kalte Labradorströmung den warmen Golfstrom
trifft, ist schon seit langer Zeit bekannt. — Daß die Meeres-
strömungen Einfluß auf die Schiffahrt durch die Stromver
setzung der Schiffe ausüben, wurde schon erwähnt. Wenn aber
mit dieser sogar die Führer der Dampfer zu rechnen haben, so
werden natürlich die Segelschiffe in ihrer Fahrt durch die Strö
muugeu noch weit mehr beeinflußt. Es wird berichtet, daß
Cabral, als er 1500 nach Ostindien segeln wollte, von den Strö-
mungen gen Westen geführt und so zufällig der Ent-
decker Brasiliens wurde. Ob die Sache sich so verhalten
hat, bleibe dahingestellt; jedenfalls ist sicher, daß _ Segel-
schiffe bei Windstille oft weit aus ihrem Kurse allein durch
die Strömuugeu verschlagen werden. Wo letztere schmale
Meeresstraßen durchziehen, müssen die Schiffe nicht selten längere
Zeit auf eiuen günstigen und genügend starken Wind warten,
der ihnen die Durchfahrt ermöglicht. So sind Segelschiffe, die
vom Mittelländischen Meere in den Antlantischen Ozean fahren
wollen, genötigt, im Hafen von Gibraltar zu harren, bis östliche
Winde ihnen die Überwindung der starken, vom Ozean her die Meer-
enge durchziehende Strömung möglich machen. Daß Meeresströ-
mungen durch das von ihnen mitgesührte Treibeis die Schiffahrt beein-
flnsfen, zeigt schon der Umstand, daß die zwischen Europa und
Nordamerika verkehrenden Schiffe durch wandernde Eisberge, die
von der Labradorströmung südwärts geführt werden, nicht selten
in große Gefahr kommen. Sie nehmen deshalb für die Winterreisen
— 149 —
einen mehr südlich gelegenen Weg als für die Fahrten im
Sommer. Es sei noch kurz daran erinnert, daß Nordpolfahrer,
z. B. Nansen ans seiner großen Reise, die Meeresströmungen von
vornherein für die Erreichung hoher Breiten in Rechnung zogen.
— Endlich sind die Meeresströmungen nicht ohne Einfluß auf
die Verbreitung der Organismen. Vor allem gilt dies
bezüglich der Pflanzen. Die Samen vieler Strandgewächse und
manche hartschaligen Früchte können nachweisbar sehr lange im
salzigen Seewasser treiben, ohne ihre Keimkraft einzubüßen. Sie
werden von den Strömungen oft über weite Strecken hinweg
an einen andern Strand gebracht und finden dort einen neuen
Verbreitungsbezirk. So ist die ursprünglich in Amerika heimische
Kokospalme dadurch, daß ihre Nüsse von den Aquatorialströmungen
mitgeführt wurden, auf die Inseln der Südsee und von dort
weiter nach Madagaskar gekommen. Viele Pflanzenarten Poly-
nesiens sind hingegen auch durch den Aqnatorialgegenstrom von
Ostindien hergeführt worden. Sehr viele Gewächse der Bermudas
stammen aus Westindien; ihre Einführung auf jene Inseln ist
durch den Floridastrom geschehen. — Weniger bedeutsam sind die
Meeresströmungen für die Verbreitung der Tiere geworden; aber
ohne Einfluß sind sie auch hierbei nicht geblieben. Man hat z. B.
häusig beobachtet, daß Eisbären ans treibenden Eisschollen mit-
geführt wurden; wahrscheinlich erklärt aus dieser Tatsache die
Verbreitung dieses Raubtieres rings um den Nordpol herum.
Kap. V. Die Lufthülle (Atmosphäre).
A. Zusammenseizung und Höhe der Lufthülle.
Die unsern Erdball umgebende Lufthülle oder Atmosphäre
ist ein mechanisches Gemenge von Gasen und enthält in 100
Raumteilen etwa 79 Teile Stickstoff, 21 Teile Sauerstoff und
geringe Beimischungen von Kohlensäure (0,04 Teile). Von diesen
Bestandteilen, in deren Mischung nur unwesentliche Abweichungen
vorkommen, ist der Sauerstoff der wichtigste. Er erhält den At-
mungsprozeß der Menschen und Tiere, und dieser muß aufhören,
wenn der Sauerstoffgehalt der Luft sich bis auf 17 °/0 vermindert
hat. _ Zufällige Beimischungen der Luft fiud, außer ganz ver-
schwindend kleinen Mengen von Ammoniak und Salpetersäure,
unendlich sein zerteilter Staub und Wasserdampf; dazu kommen
noch als örtliche Einmengungen gröberer Staub, Rauch und or-
ganische Keime (Miasmen). Da alle diese Verunreinigungen dem
Boden entstammen, so ist die Luft in den höheren Schichten
reiner und trockener, als nahe über der Erdoberfläche.
Infolge der mancherlei Beimischungen ist die Luft nicht voll-
kommen dnrchsichtig. Wäre das der Fall, so müßte der Himmel uns
— 150 —
schwarz erscheinen. Die Bläue des Himmels rührt daher, daß
der Wasserdampf in der Luft die blauen Strahlen des Sonnen-
lichtes zurückwirft. Die Menge des Wasserdampfes bedingt dem-
nach den verschiedenen Ton der Himmelsbläue. Alle anderen
Färbungen, wie das bleifarbene Grau bei großer Hitze und die
Purpurfarbe des Wüstenhimmels, werden durch die Lichtreslexe der
iu der Lust schwebenden Staubteilchen hervorgerufen. Das reine
Blau des Himmels uach einem Regen erklärt sich daraus, daß
fallender Regen die Luft von unreinen Beimischungen befreit,
indem er sie niederschlägt.
Bis zu welcher Höhe die Atmosphäre unsere Erde umgibt,
ist uicht bekannt. Da aber mit der Entfernung vom Erdnüttel-
punkte die Wirkung der Auziehungskraft stark abnimmt (S. 7),
und da am Äquator wegen des größeren Abstandes von der
Drehungsachse die Zentrifugalkraft sich stärker äußert als in der
Gegend der Pole, so kann als sicher angenommen werden, daß
die Lufthülle, welche ja die Achseudrehung der Erde mitmacht,
eine viel beträchtlichere Abplattuug an den Drehungspolen zeigt
als der feste Erdkörper und also am Äquator ihre größte Höhe
hat. Die äußerste Grenze der noch der Erde angehörigen Gas-
hülle müßte, rein theoretisch betrachtet, dort sein, wo die Fliehkraft
wirksamer wird als die Anziehungskraft. Das ist für den
Äquator in einer Entfernung von etwa 6,6 Erdhalbmessern vom
Erdmittelpunkt oder von 36000 Km von der Oberfläche der Fall.
Doch deuten alle Wahrnehmungen über die höchsten Schichten der
Lufthülle darauf hin, daß ihre Mächtigkeit kauni 200—300 km
übertrifft. Das erste Aufleuchten der unsere Lufthülle als Stern-
schnuppen durchschneidenden Meteorite fiudet iu 100—200 km Höhe
statt, und von den leuchtenden Wolken hat man ermittelt, daß
sie etwa 80 km hoch über uns dahinziehen. Freilich ist wohl
möglich, daß sich in noch größerer Höhe als 200—300 km leichtere
Gase befinden als die, welche wir in den unserer Beobachtung
zugänglichen Luftschichten kennen. Die an der Erdoberfläche
wahrnehmbaren atmosphärischen Vorgänge sinden aber, abgesehen
von den Lichterscheinuugeu, kaum in größerer Höhe als bis zu 15 km
statt. Bei der Erforschung der oberen Luftschichteu stellte sich
uämlich heraus, daß die Luft in mehr als 15 km Höhe nach Zu-
sammensetzuug, Temperatur und Feuchtigkeit sehr gleichartig be-
schaffeu ist. Man bedient sich zu solchen Feststellungen bemannter
oder unbemannter Ballons, die sämtlich mit selbstaufzeichnenden
Instrumenten ausgerüstet sind. Während die bemannten Ballons
bis jetzt 10250 m Höhe erreicht haben, sind unbemannte bis
21800 m hoch gekommen. Nach internationalem Übereinkommen
werden von Zeit zu Zeit an verschiedenen Orten der Erde gleich-
zeitig unbemannte (s. g. Registrier-)Ballons ausgelassen, und die
Tageszeitungen veröffentlichen dann vorher Hinweise darauf
mit dem Ersuchen um Bergung, sorgsame Behandlung und Eim
' sendnng der aufgefundenen Instrumente.
— 151 —
Wie alle Körper, so hat auch die Atmosphäre eine Schwere
und übt einen Druck aus. Der Lustdruck beträgt in Meeres-
höhe ungesähr 1 kg' aus 1 gern (Atmosphärendruck); er nimmt
* gleich der Dichte der Lust mit der Höhe ab. Man mißt den
Luftdruck mittels des Barometers, das dabei zugleich als Höhen-
messer dient.
Mit der wachsenden Verdünnung der Luft bei zunehmender
Höhe verringert sich naturgemäß die Menge des Sauerstoffs, und
gerade dieser Umstand, nicht der niedrige Lustdruck an sich, ist es,
der dem Menschen beim Ersteigen hoher Berge das Atmen er-
schwert und die sog. Bergkrankheit hervorruft. Lustschisser pflegen
darum künstlich hergestellten Sauerstoff mitzunehmen und ver-
meiden durch Einatmen derselben jene Beschwerden.
Die Lufthülle nimmt an der Achsendrehung der Erde teil.
Wäre das nicht der Fall, so müßten wir den Widerstand der
ruhenden Lust als einen ungeheuren Sturmwind empfinden;
denn in unsern Breiten beträgt die Geschwindigkeit des Erd-
Umschwungs 300 in in der Sekunde.
Alle Vorgänge im Lustmeere beruhen im letzten Grunde aus
der örtlich und zeitlich verschiedenen Erwärmung der unteren
Luftschichten. Durch sie wird das Gleichgewicht in der Atmosphäre
gestört, wie die verschiedenen Barometerstände im Meeresniveau
anzeigen, und diese Störung ist wieder die Quelle der Lustströ-
mungen. Von der Wärmeverteilung in der Atmosphäre wird weiter
der Wasserdampf in der Luft beeinflußt und ebenso seine Aus-
scheiduug als Wolken, Regen, Schnee, Hagel u.dgl. Die Erforschung
aller dieser Vorgänge, ihrer Zusammenhänge miteinander und
ihrer Beziehungen zur Erdoberfläche ist Ausgabe der Meteorologie,
die demnach vor allem die Temperaturverhältnisse der Atmosphäre
zu beachten hat.
B. Die Temperatur der Luft.
1. Kin- und AusstrcrbLung der Wärme.
Der Weltenraum ist kalt, wie schon die Abnahme der Lust-
wärme mit wachsender Höhe andeutet. Man schätzt seine Tem-
peratur auf — 273° C. Die Wärmemenge, welche der Mond
und die Sterne uns zusenden, ist so gering, daß man sie kaum
uachweisen kann. Die innere Erdwärme ist sür die Erwärmung
der Luft wegen der Erkaltuug der oberen Erdschichten gleichfalls
bedeutungslos. Als Wärmequelle für die Lufthülle kommt dem-
nach allein die Sonne in Betracht.
Wie man durch Beobachtung leicht feststellen kann, ist die
Luft im Sonnenschein nur sehr wenig wärmer als im Schatten,
und auf hohen Bergen ist ihre Temperatur im allgemeinen
niedriger als in der Ebene. Durch unmittelbare Bestrahlung er-
hält die Atmosphäre von der Sonne also nur wenig Wärme.
152
Gerade die roten und die jenseits des Rot liegenden (ultraroten)
Strahlen der Sonne, welche die größte Wärmewirkung ausüben,
werden vou der Atmosphäre mehr durchgelassen und längst nicht
so stark absorbiert als die s. g. chemischen (blauen, v'ioletteu,
ultravioletten) Strahlen. Wenn die Lufthülle auch von der an
ihre Grenze gelangenden Sonnenwärme sast die Hälfte aufzehrt,
so erhalten ihre unteren Schichten ihre Wärme doch vornehmlich
von der Erdoberfläche, und diese bekommt sie durch Bestrahluug
von der Sonne. Die Erdoberfläche absorbiert die Sonnenstrahlen,
erwärmt sich dadurch und sendet dann, gleich einem geheizten
Ofen, dunkle Wärmestrahlen wieder aus. Die dunklen Wärme-
strahlen werden aber von der Atmosphäre nicht so leicht durch-
gelassen als Sonnenstrahlen. Deshalb muß die Temperatur der
uuteren Luftschichten mehr durch die Ausstrahlung des Bodens
als durch direkte Einwirkung der Sonnenstrahlen beeinflußt werden.
Die Erwärmung eines Ortes auf der Erdober-
fläche ist hauptsächlich abhängig von dem Winkel, unter welchem
die Sonnenstrahlen ihn treffen, und von der Dauer der Bestrahluug.
Je spitzer der Winkel ist, unter dem die Sonnenstrahlen
auffallen, desto geringer ist ihre Wärmewirkung für den be-
treffenden Ort. In Fig. 56 mögen a uud b gleichwertige Strahlen-
bündel bezeichnen, die
auf die Erdoberfläche
gerichtet sind. Es ist
ohne weiteres ersichtlich,
daß die Strahlen von
b sich auf eine größere
Fläche verteilen als die
von a, also den Raum
zwischen m uud n we-
niger erwärmen können.
Dazu kommt noch, daß
die Atmosphäre von
den Sonnenstrahlen um
so mehr absorbiert, je
m
n
i!.Fig.Z56.^
&
länger der Weg ist, den'.diese'durch die Lufthülle hindurch zurück-
legeu müssen. In Fig.
bögen liegende Raum die
Fig. 57.
57 deute der zwischen den Kreis-
die Erde umgebende Luft an. Von
der oberen Grenze derselben bis
zur Erdoberfläche hat der Strahl
b einen weiteren, c einen noch
längeren Weg zu machen als
Strahl a. Während des Tages
am Mittage, im Jahre zur Som-
merzeit steht die Sonne für uns
am höchsten; ihre Strahlen treffen
dann vergleichsweise unter dem
größten Winkel und auf dem
— 153 —
kürzesten Wege einen Ort und spenden ihm deshalb die meiste
Wärme.
Da die Erdachse mit der Ebene der Erdbahn während des
ganzen Erdumlaufs stets einen Winkel von 66^/20 bildet, so muß
die größte tägliche Sonnenhöhe für jeden Ort der Erde Tag für
Tag wechseln. Am 21. März und am 23. September treffen die
Sonnenstrahlen senkrecht auf den Äquator; der höchst^ Sonnen-
stand an diesem Tage für alle anderen Orte ergibt sich, wenn
man die Gradzahl ihrer geographischen Breite von 90 subtrahiert.
Vom 21. März bis zum 21. Juni haben die Orte zwischen dem
Äquator und dem Wendekreise des Krebses gemäß ihrer geographischen
Breite nacheinander senkrechten Sonnenstand, ebenso vom 21. Juni
bis zum 23. September. Für die außerhalb dieses Gürtels
liegenden Orte der nördlichen Halbkugel ist die Mittagshöhe der
Sonne um so viel Grad größer als am 21. März, wie an dem
betreffenden Tage die Abweichung der Sonne von der Äquator-
ebene (nördliche Deklination) beträgt, während sich die Sonnen-
höhe für die südliche Halbkugel um ebensoviel verringert. In der
Zeit vom 23. September bis zum 21. März haben die Orte
zwischen dem Äquator und dem Wendekreise des Steinbocks je
zweimal die Sonne senkrecht über sich, und für die übrigen Breiten
liegen die Verhältnisse umgekehrt, wie in unserm Sommer-
Halbjahr.
Sehr wesentlich beeinflußt wird die Erwärmung der Erd-
oberfläche durch die Dauer der Bestrahlung. Wenn die
höheren Breiten gegenüber den niederen dadurch benachteiligt
sind, daß die Sonnenstrahlen in ihnen sehr schräg auffallen, so
wird doch dieser Nachteil während des Sonnners durch die
größere Tageslänge, die sür die Polargegenden ja Wochen und
Monate beträgt, erheblich verringert. Man hat berechnet, daß
im Sommerhalbjahr der Pol an Wärmezufuhr durch Bestrahlung
nur V5 weniger als der Äquator und sogar etwas mehr als der
Wendekreis der audern Halbkugel empfängt. Freilich ist in den
Wintermonaten die Erwärmung der polaren Gegenden sehr
gering; aber doch ergibt sich für die jährliche Wärmeeinstrahlung
am Pol und am Äquator das immerhin günstige Verhältnis von
5:12. — Während unsers Sommers ist die Erde in Sonnenferne
und bewegt sich langsamer auf ihrer Bahn als im Winter, in
dem sie in Sonnennähe ist. Auf der nördlichen Halbkugel ist der
Sommer daher 7 bis 8 Tage länger als der Winter. Dafür
erhält aber die südliche Halbkugel in ihrem Sommer, also während
unsers Winters, eine stärkere Wärmezufuhr infolge der größeren
Sonnennähe; denn der Grad der Erwärmung durch Strahlung
nimmt zu, wie das Quadrat der Entfernung von der Wärme-
quelle abnimmt (vergl. Licht!).
Die Wärme, welche die Erdoberfläche von der Sonne durch
Bestrahlung erhält, dringt nur zum geringen Teile und nur
wenig tief (bis zur neutralen Schicht,' vergl. S. 13) in den
— 154 —
Boden ein. Sie wird in der Hauptsache wieder in die
Atmosphäre ausgestrahlt. Namentlich durch diese vom Erdboden
kommende Ausstrahlung werden die unteren Luftschichten
erwärmt, so daß sie höhere Temperatur haben als die Schichten
in größerer Höhe. Auch die von der Erde nicht absorbierten,
sondern zurückgeworfenen Strahlen gelangen wiederum in die
Atmosphäre und helfen sie erwärmen.
Die Ein- und Ausstrahlung d er Wärme wird durch den
Wasserdamp s in der Luft sehr beeinflußt. Große Luftfeuchtigkeit
und besonders Wolkenbildung hemmt die Bestrahlung der Erde
ebenso wie die Ausstrahlung der Wärme vom Erdboden in die
Atmosphäre. Die Wolken lassen gleich einem Schirm die Wärme-
strahlen nicht in die Höhe. Es erklären sich daraus die Schwule
im Sommer bei bedecktem Himmel, namentlich vor einem Gewitter,
und der Einfluß der Bewölkung auf das Eintreten oder Nicht-
eintreten von Nachtfrösten. Klarer Himmel hindert die Aus-
strahlung weniger und läßt-in Winternächten die Temperatur
rasch sinken. Der hohe Feuchtigkeitsgehalt der Luft über dem
Meere und in Küstengegenden hemmt Einstrahlung wie Aus-
strahlung und mildert die Temperaturgegensätze zu kühlen
Sommern und wenig strengen Wintern. — Auch von der Be-
schaffen he it der Erdoberfläche hängt die Ein- und Aus-
strahlung der Wärme in hohem Maße ab/ Von sast allen Stoffen
hat Wasser die größte Wärmekapazität, d. h. es bedarf der
meisten Wärmeeinheiten, damit eine Gewichtseinheit um C.
erhöht wird. Es wird von der gleichen Wärmemenge 2—5 mal
weniger erwärmt als der feste Erdboden. Da aber bei jedem
Körper die Fähigkeiten zur Aufnahme und zur Abgabe von
Wärme im gleichen Verhältnis stehen, so strahlt das Wasser die
empfangene 'Wärme auch nur langsam wieder aus. Der feste
Erdboden wird also viel leichter erwärmt als das Wasser, aber
er kühlt sich auch ebensoviel schneller wieder ab. Die Temperatur-
gegensätze sind demnach im festen Boden viel stärker und folgen
ungleich schneller aufeinander als beim Wasser. Während man
Bodentemperaturen von -]— 600 bis +80° C. in den Tropen
und von ■— 50° bis — 60° C. in den kältesten Gegenden beob-
achtet hat, schwankt die Temperatur der obersten Meeresschichten
zwischen höchstens -s- 34° und — 3° C. Aus dem allen folgt,
daß das von der Sonne bestrahlte Meer am Tage und in der
heißen Jahreszeit gewaltige Wärmemengen aufspeichert, die es
dann wieder langsam an die Luft abgibt. Daraus erklärt sich
noch mehr als aus dem größeren Feuchtigkeitsgehalte der Luft
der Ausgleich zwischen Tag- und Nachtwärme und zwischen Sommer-
und Wintertemperatur auf den Jnfeln und in den Küstenbezirken.
Zu beachten ist dabei besonders, daß jedes edm Wasser, welches
sich um 1» 0. abkühlt, so viel Wärme frei werden läßt, daß
davon 3000 cbm Luft um denselben Betrag erwärmt werden
können. — Infolge des größeren Wassergehaltes haben feuchte
— 155 —
Bodenarten eine größere Wärmekapazität als trockene. Gegenden
mit dunkler und rauher Oberfläche werden leichter erwärmt als
helle und glatte Flächen. — Auch die Bod enb ed eckung beein-
flußt Ein- und Ausstrahlung der Wärme. Dichte Vegetation
hemmt, Pflanzenarmut begünstigt starke und schnelle Schwankungen
der Temperatur. In Afrika z. B. herrscht die größte Hitze in
der Sahara und nicht in den waldigen Landschaften unter dem
Äquator.
Beobachtungen über den täglichen Gang der Luft-
temp eratur ergeben, daß letztere des Nachts wegen der fehlenden
Besonnung und der größeren'Ausstrahlung des Erdbodens stets
niedriger ist als am Tage, und daß das Maximum der Luft-
wärme erst etwa 2 Stunden nach Mittag, das Minimum kurz
vor Sonnenaufgang eintritt. Am Mittage überwiegt die Ein-
strahlung noch die Ausstrahlung, die gegen Morgen ihren höchsten
Betrag erreicht. Der Unterschied zwischen höchster und niedrigster
Temperatur während eines Tages ist in Wüstengegenden am er-
heblichsten (in der Sahara im Juli durchschnittlich 20—26° C.)
und im Binnenlande größer als an der Küste. (Grund?) Im
Sommer beträgt er mehr als im Winter, wo an den kurzen
Tagen die Ausstrahlung nur wenig durch die Besonnung unter-
brochen wird. — Die jährlichen Unterschiede der Temperatur
beruhen aus ähnlichen Ursachen. Mit dem höheren Sonnenstande
steigt die Wärme, aber sie erreicht ihr Maximum in der nörd-
lichen gemäßigten Zone erst nach dem 21. Juni, im Juli. Das
Minimum sällt in den Januar. Für die südliche gemäßigte
Zone ist es umgekehrt. In den kalten Zonen und auf großen
Wasserflächen verzögert sich der Eintritt der beiden Temperatur-
extreme noch etwas mehr. Die heiße Zone hat geringe jährliche
Temperaturunterschiede, weil in ihr die Höhe des Sonnenstandes
und die Dauer von Tag und Nacht nur kleine Abweichungen
zeigen. Die größte Hitze herrscht hier meist schon vor dem senk-
rechten Sonnenstande, mit dem dann die Kühlung bringenden
Zenitalregen beginnen. Es ergibt sich also für die periodischen
Temperaturschwankungen in den einzelnen Zonen folgendes: In
der heißen Zone sind die täglichen Schwankungen sehr stark, die
jährlichen dagegen recht gering. Mit der Annäherung an die
gemäßigten Erdgürtel nehmen die täglichen Unterschiede ab, die
jährlichen aber zu. In den gemäßigten und in den kalten
Zonen sind die täglichen Schwankungen erheblich geringer als
bie jährlichen. Die Nähe des Meeres übt überall einen aus-
gleichenden Einfluß auf die Temperaturschwankungen aus.
2. JUntctOrne der Lufttemperatur mit der K>öbe.
Im allgemeinen beobachtet man überall eine Ab n ahmeder
Lufttemperatur mit der Höhe, also mit der Entfernung
vom Erdboden. Das ist natürlich, da die Atmosphäre ihre
— 156 —
Wärme vornehmlich von der Erdoberfläche empfängt und von den
sie durchdringenden Sonnenstrahlen direkt nur wenig erwärmt wird.
Freilich steigen die unteren, erwärmten und infolge der damit
verbundenen Ausdehnung aufgelockerten Luftschichten empor, um
den von oben herabsinkenden kälteren und also schwereren Platz
zu machen, aber eine große Wärmeznfnhr nach der Höhe hin ist
damit nicht verbunden. Die Ausdehnung der aufsteigenden
Massen ist als mechanische Arbeit mit Wärmeverlust verknüpft,
so daß die in die Höhe steigende Lust sich bald abkühlt. Es ist des-
halb bei Temperaturbeobachtuugen der Luft in größerer Höhe
wohl zu beachten, ob die Messungen in der freien Atmosphäre,
also von einem Ballon aus, oder ob sie aus Bergen stattfinden.
Im letzteren Falle wird die Temperatur trotz gleicher Höhe über
dem Meeresspiegel wegen der Nähe der Erdoberfläche als der
wichtigsten Wärmequelle im allgemeinen höher sein als in der
freien Atmosphäre. Da weiter der Feuchtigkeitsgehalt der'Luft
von großem Einfluß auf ihre Temperatur ist, weil durch die Ver-
dichtung des Wasserdampfes zu Wasser Wärme srei wird, so ver-
riugert sich die Temperaturabuahme in der Regel in 2000 bis
4000 m Höhe, da hier vorwiegend die Kondensation des Wasser-
dampses geschieht. In größerer Höhe wächst die Abnahme der
Luftwärme wieder mit der Zunahme der Lufttrockenheit.
Für die freie Atmosphäre hat die Beobachtung ergeben,
daß bei vollkommen trockener Luft die Temperatur mit je 100 rn
Erhebung um sast siukt, daß also die thermische Höhen-
stuse, d. h. die Anzahl von Metern, um die man steigen muß,
bis das Thermometer um 1° 0. fällt, reichlich 100 m ist. Bei
stärkerem Feuchtigkeitsgehalte der Luft ist die Temperaturabnahme
eine geringere, die thermische Höhenstufe also beträchtlicher. In
3000 ni Höhe herrscht bei uns meist eine Temperatur von 0",
bei 7000—8000 m eine solche von — 30 ° bis — 40°; bei 18500 m
fand man — 67° C. Übrigens haben alle Ballonfahrten er-
geben, daß die Temperaturabuahme uicht gleichmäßig mit der
Höhe erfolgt, sondern daß in der Atmosphäre kältere und wärmere
Schichten abwechseln, so daß die Wärmeabnahme bald schneller,
bald langsamer stattfindet. Der auf der Erdoberfläche herrschende
Temperaturunterschied der Jahreszeiteu macht sich auch_ in
größerer Höhe bei der freien Atmosphäre bemerkbar. Allerdings
sind die Schwankungen der Temperatur dort geringer uud auch
zeitlich etwas verschoben, so daß in 10000 m Höhe der Frühling
kälter ist als der Winter und der Herbst wärmer als der
Sommer.
Im Gebirgslande wird die Abnahme der Temperatur
durch die Besonnung und die Wärmeausstrahlung der Gipfel,
Böschungen und Talböden stark beeinflußt und muß deshalb mit
zunehmender Höhe langsamer ersolgen als in der freien Atmo-
sphäre. Die Abnahme der mittleren Jahrestemperatur im Ge-
birge ist auf der ganzen Erde ziemlich gleichmäßig und betrügt
— 157 —
für 100 m etwa 0,6 °, so daß die thermische Höhenstuse 170 m ist.
Selbstverständlich sind diese Angaben nur Durchschnittszahlen;
denn örtliche Umstände, wie Bergschatten, der sür manche Orte
die Einstrahlung stark hindert, die geschlossene Form vieler Täler,
welche die kalte, schwere Luft aus ihnen nicht leicht entweichen
läßt, u. a. bewirken mancherlei Abweichungen. Eigentümlich ist
die vielerorts vorkommende Wärmeumkehr im Gebirge,
die Erscheinung, daß die Berge milderes Klima haben als die an
ihrem Fuße liegenden Täler. Es ist das namentlich im Winter
der Fall, wenn die dichte Schneedecke durch Ausstrahlung außer-
ordentlich erkaltet und den auf ihr lagernden Luftschichten ihre
niedrige Temperatur mitteilt. Diese kalten Schichten können bei
ruhigem Wetter aus den Tälern schwer entweichen, während sie
von den Bergen herabsinken und sich dort, wo die Luft immer
etwas bewegt ist, auch leicht mit den wärmeren Schichten der
sreien Atmosphäre mischen. So ragen denn die Berge oft
wochenlang als Wärmeinseln aus der kalten Lust der sie um-
gebenden Täler und Ebenen empor. Hierin liegt auch der Grund
für die auffällige Tatsache, daß manche Talebenen mit mensch-
lichen Ansiedlungen spärlicher besetzt sind als die benachbarten
Berglehnen (z. B. im Engadin und im Drautale).
3. Messung und Kcr^togrcrpbie bex Luftternpcraütr.
Bei wissenschaftlichen Beobachtungen wird die Luftwärme
nach dem 100 teiligen Thermometer (C) gemessen. Man be-
rücksichtigt dabei nur die Schattentemperaturen. Zu deren
ständiger Beobachtung bringt man das Thermometer etwa IV2 m
über dem Boden an einem schattigen Orte an, wo es vor den
von benachbarten Wänden reflektierten Strahlen geschützt ist,
und wo der Luftzug fortwährend Zutritt hat. Am besten zu
solcher Messung dient das Aspirationspsychrometer,- bei dem das
Thermometer mit aufgesaugter Lust in Berührung kommt. Zu
Einzelbeobachtungen benutzt man auch das Schleuderthermometer,
das in eine Hülse eingeschlossen und an einer Schnur leicht
herumzuschwingen ist.
Zur Vergleichuug der Luftwärme zweier Orte sucht man ihre
mittlere Tages-, Monats- oder Jahrestemperatur.
Das wahre Temperaturmittel eines Tages erhält man, wenn
nian Stunde für Stunde den Stand des Thermometers notiert
und die Summe der Zahlen durch 24 teilt. Zahlreiche ver-
gleichende Beobachtungen haben jedoch ergeben, daß eine passende
Zusammenstellung von drei- bis viermaligen Auszeichnungen im
Laufe eines Tages ein Mittel gewinnen läßt, welches jenem
ziemlich gleich kommt. Günstige Beobachtungszeiten dafür sind
6 U. morgens, 2 11. nachmittags und 10 U. abends, oder 7 11.
morgens, 2 11. nachmittags und 9 11. abends. Letztere liefern
ein noch genaueres Tagesmittel, wenn man für die Ablesung
— 158 —
9 U. abends den doppelten Betrag einsetzt und die Summe der
drei Angaben dnrch 4 teilt (' ll' + 2 ll'4+ ^ 11 x 2^j. Auch
die Ablesungen ^ + ^L+J2 und selbst 8 »' + 8 »'
sind zur Mittelberechnung geeignet. Das Monatsmittel wird
gefunden, wenn man die Summe der Tagesmittel eines Monats
durch die Anzahl der Tage dividiert, und aus den Monatsmitteln
ergibt eine entsprechende Rechnung das Jahresmittel. Um für
Begleichungen den Einfluß der Höhenlage der Orte auszuschalten,
werden alle Mitteltemperaturen auf das Meeresniveau reduziert,
b.Jj. es wird jedesmal berechnet, wie hoch die Temperatur sein
würde, _ wenn der Ort in 0 m Höhe läge. Als mittleren
Reduktionsmaßstab nimmt man dabei 0,5 0 für 100 m Höhe an. —
Jahrelang fortgesetzte Beobachtungen haben gezeigt, daß der
Gang der Temperatur in den einzelnen aufeinander folgenden
Jahren beträchtliche Verschiedenheit aufweist. Wenn sich diese im
Jahresmittel auch bis auf wenige Grad ausgleicheu, so ergeben
doch die Mitteltemperaturen der gleichen Monate mehrere Jahre
hindurch starke Schwankungen, so daß heiße und kühle Sommer,
strenge und milde Winter bei uns vorkommen. Da wahrscheinlich
in den Klimaschwankungen eine 35 jährige Periode herrscht, so
müssen die Mitteltemperaturen aus etwa 40 aufeinander folgenden
Jahren verglichen werden, wenn man die Normaltemperatur
eines Ortes feststellen will.
Wenn man (nach dem Vorgang A. v. Humboldts 1817) auf
der Karte die Orte mit gleicher Mitteltemperatur durch Kurven,
fog. Isothermen, verbinden, so erhält man ein übersichtliches,
wenn auch ideales Bild der h o r i z o n t a l e n W ä rm ev e r t ei l un g
auf der Erdoberfläche. Jeder gute Atlas bietet derartige Zu-
faunnenstellifrigen von Jahresisothermen und von Isothermen
des wärmsten und des kältesten Monats. Eine Be-
trachtung der Karte mit Jahresisothermen lehrt uns, daß
fast die ganze nördliche gemäßigte und die nördliche kalte Zone
wärmer sind, als sie ihrer Breitenlage nach sein müßten, und
daß im Gegensatz dazu die heiße Zone, namentlich südlich vom
Äquator, niedrigere Temperatur zeigt, als ihr der Breite nach
zukommt. Das ist eine Folge davon, daß große Meeresflächen
zwischen den Landmassen liegen und daher das Seeklima weit in
das Land hinein sich bemerkbar macht. Würde Asien mit Amerika
über den Nordpol hinweg zusammenhängen, so müßte die
Temperatur in den nördlichen Gegenden beider Kontinente er-
heblich niedriger sein, als sie tatsächlich ist. Ohne den Einsluß
des Meeres würden bei rein solarem Landklima große Gebiete in
den Tropen der außerordentlichen Wärme wegen unbewohnbar
sein. Weiter zeigt die Karte, daß die Westküsten der nördlichen
Landmassen wärmer sind als die Ostküsten. Der Grund für
— 159 —
diese Erscheinung liegt darin, daß die vorherrschenden Westwinde
das Seeklima weit ins Land hineintragen und ebenso das Land-
klima gegen die Ostküste drängen. Aus der südlichen Halbkugel
bewirken polare Meeresströmungen und kalte Austriebwässer
(S. 147) an den Westküsten der Kontinente eine Herabminderung
der Temperatur gegenüber der Ostküste. Nur bei Australieu
trifft das nicht zu, weil dort an der Westküste das _ kalte Aus-
triebwasser fehlt. — So zeigt fast jeder Ort eine andere
Temperatur, als seiner Breitenlage entspricht. Diese Abweichung
heißt Anomalie*); sie ist positiv, wenn der Ort relativ zu
warm, negativ, wenn er zu kalt ist. Die Verbindungslinien der
Orte mit gleicher Anomalie werden Jsoanomalen genannt.
Noch weit wichtiger als die Karte der Jahresisothermen ist
die Zusammenstellung der Isothermen des kältesten und
des wärmsten Monats. Sie werden kurz Januar- und
Juliisothermen genannt. Dabei ist aber zu beachten, daß die
Januarisothermen für die nördliche Halbkugel die durchschnittlich
niedrigste, sür die südliche hingegen die höchste Temperatur an-
zeigen. Bei den Juliisothermen ist es natürlich umgekehrt. Da
die Temperatur der extremen Monate, besonders die Sommer-
wärme, sehr bedeutsam ist für das organische Leben, namentlich
sür das Pflanzenleben und damit auch für die Kulturverhältuiffe,
so ist eine genauere Betrachtung dieser Isothermen außer-
ordentlich lehrreich.
Der Wärmeäquator, den man durch Verbindung der
heißesten Punkte aller Meridiane erhält, liegt im Januar zum
größten Teile auf der Südhalbkugel und biegt auf den großen
Kontinenten am weitesten nach Süden aus. In den vegetations-
armen Gebieten (Australien, Kalahari, westl. Argentinien) steigt
dann die Hitze über 30" 0. im Monatsmittel. Im Juli geht
der thermische Äquator weit in unsere Halbkugel hinaus, in
Mexiko und Asien etwa bis zum 30. Breitengrad. Auch hier
liegen die Bezirke mit einer Mitteltemperatur von 4- 30° und
mehr in pflanzenarmen Gegenden (Mexiko und Coloradogebiet,
Sahara, Arabien, Hochland von Iran). In der südlichen ge-
mäßigten Zone biegen die Januarisothermen an der Westküste
Afrikas und Südamerikas, wo außer dem Einfluß des Meeres
überhaupt noch kalte Strömungen die Sommerwärme mildern,
mit scharser Biegung weit nach dem Äquator zu. Auch die
Juliisothermen haben dort unter der Einwirkung kalter
Strömungen an der Westküste, aber warmer an der Ostküste
ähnlichen Verlauf, wenn auch die scharfen Kuroeu abgeschwächt
sind. Daher steigen auch die Jahresisothermen aus der südlichen
Halbkugel an den Westküsten der Kontinente äquatorwärts, ver-
laufen dann mit starker Ausbiegung nach dem Pole zu über die
Landmassen hinweg, um an den Ostküsten wieder etwas nach
*) Griech. anomalia, Unregelmäßigkeit, Regelwidrigkeit.
V
— 160 —
Norden aufzubiegen. Da die Kontinente hier nach den höheren
Breiten zu bald abbrechen, so reichen sämtliche Isothermen nicht
sehr von den Breitengraden ab.
Auf der uördlichen Halbkugel zeigeu die Isothermen der
extremen Mouate infolge des Vorhandenseins großer Landmassen
starke Biegungen und Verschiedenheiten in ihrem Verlauf. Im
nördlichen Großen Ozean gehen die I a n u a r i f o t h e r m e 11
freilich ziemlich normal, indem sie von der Ostküste Asiens ab
polwärts ansteigen, bis sie unter der Einwirkung der seuchteu
Westwinde an Amerikas Westküste ihren Scheitelpunkt erreichen,
um sich dann an den Felsengebirgen hin energisch nach Süden
zu wenden. Höchst eigenartig ist aber ihr Verlauf im nördlichen
Atlantischen Ozean und in feinen Nachbarländern. Hier wirkt
der Golfstrom _ gleichsam als Warmwasserheizung sür Europas
Küste, und die herrscheudeu Westwinde verstärken noch diese
Wirkung. Sie sühren die durch allmähliche Abkühlung des
Golfstromes srei werdende Wärme (S. 135) dem Lande zu und
schassen als feuchte Seewiude einen meist bewölkten Himmel,
der die Wärmeausstrahlung des Erdbodens hemmt, während
anderseits die Verdichtung des von ihnen mitgesührten Wasser-
dampses Wärme frei werden läßt. Weiter ostwärts erscheinen
die Westwinde freilich als ihrer Feuchtigkeit entledigte Luft-
ftrömungen und schaffen das klare, kalte Wetter Ostasiens. So
kommt es, daß die Januarisothermen vou Amerikas Ostküste an
in nordöstlicher Richtung über den Atlantischen Ozean ziehen,
dann im Nordwesten Europas mit scharser Biegung, ja selbst
Uberkippung nach Süden uud Südosten sich wenden, bis sie in
Asien nach einer tiefen südlichen Ausbiegung wieder an der Ost-
küste nordwärts gehen. Die Januarisothermen von 0° liegt in
Amerika bei St. Louis 35° X, geht dann, dem Golfstrom
folgend, bis über den 70. 0 bei den Lofotinfeln nordwärts, wendet
darauf scharf uach Süden an Norwegens Küste hin über
Haniburg und quer durch Mitteldeutschlaud, um im östlichen
Asien bis 34° zu sinken und in Japan wieder bis 40 ° zu steigen.
Wie die Isotherme -f 4° zeigt, haben die Färöer dieselbe
Januartemperatur wie die Ostküste Amerikas in der Breitenlage
Siziliens und wie Schanghai in derjenigen Alexandriens. So
wird die Wärmeabnahme in der alten Welt von Westen nach
Osten stärker als von Süden nach Norden. In Ostsibirien zeigen
die Isothermen ein Kältezentrum an; in Werchojansk, wo man
als niedrigste Temperatur auf der Erde — 67,8" C. beobachtete,
beträgt.die Durchschnittskälte im Januar — 50,8°, während in
gleicher Breite an Norwegens Küste die Lufttemperatur im kältesten
Monat kaum unter den Gefrierpunkt sinkt. Ein zweites Kälte-
Zentrum liegt in Grönland, und ein drittes besteht nordwestlich
der Hudsonbai in dem vom Eise bedeckten Jnselgebiet. — Da
aber für den Kulturwert einer Gegend die Sommerwärme mehr
bestimmend ist als die Winterkälte, so verdienen namentlich die
Juliisothermen Beachtung. Sie zeigen, daß mit Ausnahme
der Eiswüste Grönlands überall auf unserer Halbkugel das Land
nn Sommer wärmer ist als das Meer. Selbst Werchojansk hat
eine mittlere Juliwärme von 4- 15,1° und um Jakutsk (62 °N)
mit einer Januarkälte von — 43,3° werden bei einer Juli-
temperatur von -s- 18« mit Erfolg Hafer, Sommerroggen,
Kartoffeln und dgl. gebaut auf einem Boden, der nur bis 1 m
tief auftaut (Eisboden). Die Sommerwärme ist in Ostsibirien
beträchtlich höher als in den weit südlicher liegenden Ländern
an der Hudsonbai, wo das erst spät schmelzende Eis die Jso-
thermen nach Süden drängt. So ist Labrador, mit England
und Norddeutschland unter einer Breite, eines der unwirtlichsten
Länder der Erde.
Den Unterschied zwischen den Mitteltemperaturen des
wärmsten und des kältesten Monats nennt man die jährliche
Wärmeschwankung. Sie nimmt vom Äquator nach den
Polen und von den Küsten nach dem Innern der Landmassen
hin zu. Während sie aus den Ostindischen Inseln nur 0,8° be-
trägt, erreicht sie ihr Maximum in Ostsibirien (Werchojansk 65,9 °).
Ein Klima mit jährlichen Temperaturschwankungen von höchstens
15° bezeichnet man als Äquatorial- bzw. Seeklima, von
15—20° als Übergangsklima, von 20—40° als Landklima
und von über 40° als exzessives Landklima. Milde
Winter und kühle Sommer kennzeichnen das Seeklima; das
Landklima hat kalte Winter und heiße Sommer. Die auf
Karten eingetragenen Linien gleicher Wärmeschwankung heißen
Jsoamplituden*).
Temperaturzonen. Aus dem Studium der Isothermenkarten
ergibt sich, daß die horizontale Verteilung der wirklichen
Temperatur auf der Erdoberfläche zwar im allgemeinen der
Breitenlage entspricht, im einzelnen jedoch beträchtliche Ab-
weichungen von ihr ausweist. Darum sind sür die Abgrenzung
der Klimagürtel statt der Wende- und Polarkreise richtiger die
Isothermen zu wählen. — Als äußere Grenze der heißen
Zone nimmt man die Jahresisothermen von -f~ 20°. Sie
fallen im großen und ganzen mit der Polargrenze des Ver-
breitungsgebietes der Palmen zusammen, also einer Pflanzen-
familie, die man wohl den reinsten Ausdruck des Tropenklimas
genannt hat. Als Grenzlinie zwischen den gemäßigten und
den kalten Zonen pflegt man jetzt statt der srüher an-
genommenen Jahresisothermen von 0° die 10°-Jsothermen des
wärmsten Monats anzusehen, also auf der nördlichen Halbkugel
die Juliisotherme von 10°, auf der südlichen die entsprechende
Januarisotherme. Wo die mittlere Temperatur des wärmsten
Monats unter 10° bleibt, sind Getreidebau und Waldwuchs,
diese für die menschliche Kultur so bedeutsamen Erscheinungen,
*) Von lat. amplitüdo, Umfang, Weite, besonders Bogenweite.
W. Techter, Allgemeine Erdkunde. 11
V
— 162 —
ausgeschlossen; denn nicht die Winterkälte, sondern die Sonnner-
wärme ist für die Vegetation entscheidend.
C. Luftdruck und Winde.
1. Der Luftdruck.
a. Schwere der Luft. Den Druck der Luft mißt man
mittels des Barometers. Dieses gibt uns das Gewicht der
ganzen über uns befindlichen Luftsäule an. Im Meeresniveau
hält der Luftdruck der Schwere eiuer Quecksilbersäule von
ungefähr 760 mm das Gleichgewicht. Da 1 cbm Quecksilber
13596 kg wiegt, so entspricht der Luftdruck einem Gewichte von
0,76 x'13596 kg' = 10333 kg auf 1 qrn oder annähernd 1 kg
auf 1 qcm. Man bezeichnet den Druck, deu 1 kg auf ein 1 qem
ausübt, als Atmosphärendruck und nimmt ihn als Normaldruck
bei physikalischen. Messungen an. 1 cbm trockener Luft bei 0°
und normalen: Druck wiegt 1,293 kg. Eiue dem Normaldruck
entsprechende Säule trockener uud gleichmäßig dichter Luft von
0° müßte also eine Höhe von 10333:1,293 = 7991 in haben, um
einen Druck von 10333 kg auf 1 qm auszuüben. 7991 m oder
rund 8000 m nennt man die Höhe der „homogenen Atmosphäre".
b. Veränderung des Luftdrucks mit der Höhe. Wäre die
Lust überall gleichmäßig dicht, so müßte ihr Druck proportional
der Höhe abnehmen. Er wird auch geringer, je höher man steigt,
aber die Abnahme des Luftdrucks geschieht viel schneller, als die
Höhen zunehmen. Sie erfolgt nach dem von Hallet) 1686 ge-
fundenen Gesetze in geometrischer Progression, wenn die Höhen in
arithmetischer Progression wachsen. Die Zahl von Metern, um
die man steigen muß, damit der Barometerstand um 1 mm sinkt,
heißt barometrische Höhen stufe. ^>ie beträgt bei einer
Mitteltemperatur von 0°C. im Tieflande rund 11 m. Ihr An-
wachsen mit der Höhe zeigt ungefähr folgende Tabelle (nach
Wagner):
Höhe: Barometerstand: Höhenstufe:
0 m 760 mm 10,5 m
1000 „ 673 „ 11,9 „
2000 „ 593 „ 13,5 „
3000 „ 523 „ 15,2 „
4000 „ 462 „ 17,3 „
5000 „ 409 „ 19,9 „
6000 „ 361 „ 22,3 „
7000 „ 319 „ 25,2 „
Da der Barometerstand sowohl durch die Temperatur und die
Feuchtigkeit der Luft, als durch die Höhenlage der Beobachtungs-
station beeinflußt wird, fo bedarf es einer komplizierten Rechnung,
— 163 —
wenn man ba§ Barometer als Höhenmesser benutzen will.
Mit annähernder Genauigkeit bestimmt man mittels des Baro-
meters die Höhe eines Ortes auf folgende Weise (nach Hann).
Die Höhenstufe für 1 mm Druckunterfchied bei einer Temperatur
von 0° erhält man, wenn man die Höhe der homogenen Atmo-
sphäre (8000 m) durch den mittleren Barometerstand (das
arithmetische Mittel aus dem oben und unten gleichzeitig ab-
gelesenen Stande) dividiert. Ist die Temperatur höher als 0°,
so ist die Höhenstuse durch Multiplikation mit dem Faktor
1 -f~ 0,004 t — bei niedrigerer Temperatur als 0° mit
1 — 0,004 t — zu korrigieren (t ist das Mittel aus den oben
und unten beobachteten Lusttemperaturen, 0,004 der abgerundete
Ausdehnungskoeffizient der Luft für 10 C.). Die fo korrigierte.
Höhenstufe ist mit dem Unterschied der Barometerstände zu multi-'
plizieren, um den Höhenunterschied der beiden Beobachtungs-
stationen zu finden. (Beisp. nach Hann: Am 8. September.1890
morgens zeigte das Barometer auf dem Pilatus 596 mm,
Temperatur 8°. Unten im Luzern (454 m) war der Druck
729.8 mm, die Temperatur 14«. Das ergibt eine Höhenstufe von
(596 + 730) : 2 = 663; 8000 : 663 = 12,07 m bei 0»; für
(8 +14): 2 = 110 eine solche von 12,07 x [1 + (0,004 x 11)] =
12,07 x 1,044 = 12,60 m. Der Höhenunterschied Luzern —
Pilatus ist demnach 729,8 — 596 = 133,8 x 12,6 = 1685,9 m,
somit die absolute Höhe des Pilatus 2140 m.)
c. Horizontale Verteilung des Luftdrucks. Isobaren. Wie
sür die Temperatur aus den Thermometerangaben, so erhält man
auch sür den Druck der Luft durch entsprechende Beobachtung
und Berechnung der Barometerstände das Tages-, Monats-
und Jahresmittel für einen Ort. Gleich der Temperatur
ist nämlich auch der Luftdruck eines Ortes Schwankungen unter-
worfen, die namentlich zu den Änderungen in der Wärme und
der Feuchtigkeit der Luft in Beziehungen stehen. Um eine
Übersicht über die Luftdruckverteilung auf der Erdoberfläche zu
gewinnen, hat man auf der Karte die Orte mit gleichem
mittleren Luftdruck durch Linien verbunden. Dabei sind jedoch,
um gleiche Voraussetzungen zu haben, alle Werte auf das
Meeresniveau und auch die normale Schwere in 45" Br. be-
zogen. _ Solche Linien heißen Isobaren. Eine Karte der
Jahresisobaren zeigt drei große Gebiete niederen Luftdrucks, am
Äquator _ und in der Nähe der beiden Pole, und vier Hochdruck-
gebiete, je eines an den Polen und in den subtropischen Zonen
nahe den Wendekreisen. Am Äquator beträgt der mittlere Luft-
druck 758 mm; nach Norden und Süden hin steigt er bis etwa
zum 30. Grad bis auf 766 m und nimmt darauf weiter nach
den Polen hin wieder ab. Auf der nördlichen Halbkugel erreicht
er in 60—700 nur 754 mm, um dann noch in noch höherer
Breite wieder etwas zu wachsen. Die Isobarenkarten der
extremen Monate Januar und Juli zeigen, daß auf beiden
11"-
— 164 —
Halbkugeln in der kälteren Jahreszeit der Luftdruck etwas größer
ist als in dem wärmsten Monat.
2. Der Wind.
a. Minimum und Maximum des Luftdrucks. Entstehung
des Windes. Unter den Faktoren, welche die Verschiedenheit
des Luftdrucks bewirken, ist die Temperatur der Atmosphäre be-
sonders wichtig. Diese ist aber, wie früher gezeigt, vor allem
abhängig von der Erwärmung der Erdoberfläche. Wäre die
Oberfläche unfers Planeten immer und überall gleichmäßig er-
wärmt, fo würden die Schichten gleichen Luftdrucks konzentrisch
die Erdkugel umgeben, also von der Oberfläche gleichen Abstand
haben. Wenn aber ein Erdraum stärker erwärmt wird als seine
Umgebung, so wird auch die Temperatur der auf ihm ruhenden
Luft erhöht. Dadurch entsteht eine Auflockerung der letzteren,
ein Aufsteigen der Flächen gleichen Druckes gegenüber den be-
nachbarten Gebieten desselben Druckes. Die von der Erdober-
stäche jetzt weiter entfernten Luftschichten erhalten damit ein Ge-
fälle zu den sie umgebenden Gebieten gleichen Druckes und
stießen nach ihnen hin ab. Erst dadurch — nicht durch die Auf-
lockerung an und für sich — entsteht über der erwärmten Erd-
fläche eine Verminderung des Luftdrucks. Ein solches Gebiet
mit niedrigerem Luftdruck als derjenige der Umgebung heißt ein
Tiefdruckgebiet oder eine Depression. In ihm nimmt
der Luftdruck von den Rändern her ab zur Mitte hin, wo das
Luftdruckminimum liegt. Die benachbarte kältere und
schwerere Luft strömt unten von allen Seiten herbei, um einen
Ausgleich des Luftdrucks herbeizuführen. So entstehen bei einem
Tiefdruckgebiete Luftströmungen oder Winde, die unten von
allen Seiten zum Minimum eilen, in ihm aufsteigen und^ in der
Höhe nach außen abfließen. Eine solche Lustbewegung heißt eine
cyklonale Bewegung oder Eyklone*) (Fig. 58). — Umgekehrt
~~ ^
II II
/v J \ _
Cyklvne Anticyklone
Fig. 58.
liegen die Verhältnisse bei einem Hochdruckgebiete mit einem
Maximum als Kern und einer anticyklon a len Bewegung.
*) Von griech. kykJos, Kreis.
— 165 —
Die Luftströmungen der Cyklone und der Anticyklone sind hier-
bei vorläufig nur als vertikal gerichtet aufgefaßt.
Diese Ansicht von der Entstehung der Cyklone durch Uber-
erwärmung eines Erdraums ist der leichteren Verständlichkeit
halber hier vorangestellt, obwohl neuerdings die Meinung über-
wiegt, daß — wenigstens in den gemäßigten und den kalten
Zonen — die Anticyklone der primäre Vorgang ist und erst die
Cyklone hervorruft. Durch vielfache Beobachtung ist nachgewiesen,
daß bis wenigstens 6000 in Höhe innerhalb der Anticyklone die
Temperatur der Luftsäule höher ist als in der Cyklone. Letztere
kann deshalb nicht durch abnorme Erwärmung verursacht sein.
Man nimmt an, daß die Anticyklone entsteht, wenn von der
polwärts gerichteten allgemeinen Luftströmung (S. 167) ein
Zweig sich senkt. In der Nachbarschaft desselben wird dann eine
Verminderung des Luftdrucks hervorgerufen und so der erste
Anstoß zu einer cyklonalen Bewegung gegeben. Das barometrische
Minimum wird unter günstigen Umständen immer mehr durch
.den Luftwirbel vertieft.
K. Die Windgesetze. Das Grundgesetz aller Luftbewegung
lautet: Die im Gleichgewicht gestörte Luft fließt von
Gegenden höheren nach solchen niederen Luftdrucks ab.
Für die Richtung und Stärke des Windes gelten folgende Gesetze:
1. Das Buys-Vallot'sche Gefetz.*) Es lautet: Eine
Cyklone wird auf der nördlichen Halbkugel im ent-
gegengesetzten Sinne des Uhrzeigers, eine Anti-
cy klone im Sinne des Uhrzeigers umkreist. Auf der
südlichen Halbkugel ist's umgekehrt. Die in den Kern
einer Eyklone eindringenden, bzw. die aus denjenigen einer
Anticyklone herauskommenden Winde nehmen niemals geraden
Weg, sondern werden infolge der Erdrotation auf der nördlichen
Halbkugel nach rechts, auf der südlichen nach links abgelenkt.
*) Benannt nach dem niederländischen Meteorologen Buys-Ballot
(sprich: beus-ballot).
— 166 —
Wendet man dem Winde den Rücken zu, so hat man auf der
nördlichen Hemisphäre das Minimum zur Linken etwas nach
vorn, das Maximum zur Rechten etwas nach hinten.
2. Das Stevenson'sche Gesetz: Die Windstärke
wird bedingt durch deu barometrischen Gradienten,
d. i. durch die Differenz des Luftdrucks, die senkrecht zu deu
Isobaren gemessen und auf die Längeneinheit eines Erdgrades
(III km) bezogen wird. Eine Senkrechte zwischen zwei Isobaren
bezeichnet den kleinsten Abstand derselben voneinander und gibt
also den größten barometrischen Gradienten für die betreffende
Gegend an. Die Ablesung des Gradienten von der Isobaren^
karte entspricht der Bestimmung des Böschungswinkels nach einer
Jsohypsenkarte. Sind z. V. die Isobaren von 1 nun Druck-
uuterschied 2 Grad (= 222 km) voneinander entfernt, so ist der
Gradient 1:2 = 0,5; bei 0,2° Abstand (22 km) beträgt er
1 : 0,2 = 5 u. s. w. Je dichter die Isobaren liegen, desto
größer oder steiler sind die Gradienten und desto erheblicher
Geschwindigkeit und Stärke des Windes. Beide werden durch
die Reibungswiderstände beim Hinstreichen über unebnes Festland
wesentlich geschwächt und sind ans dem offenen Meere oft doppelt
so groß als auf dem benachbarten Lande. Ebenso sind sie in
höheren Lustschichten weit beträchtlicher als auf der Erdoberfläche.
Man bezeichnet die Windstärke und -geschwindigkeit nach
Beauforts*) Skala:
Benennung 1 | Wind- geschwindigkeit m in 1 Sek. Kennzeichen.
Stille leiser Zug leicht schwach mäßig frisch stark steif stürmisch Sturm starker Sturm heftiger Sturm Orkan 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 0—0,2 0,2-0,5 0,5—1 1—3 3—5 5—7 7-9 9—11 11—14 14—17 17—22 22—28 über 28 Der Rauch steigt gerade in die Höhe. Der Rauch steigt sast gerade in die Höhe Für das Gefühl schon bemerkbar. | Bewegt die Blätter der Bäume. j Bewegt die Zweige der Bäume. l Bewegt große Zweige und kleine | Stämme. | Die ganzen Bäume werden bewegt. Zerstörende Wirkungen.
Auf den Wetterkarten pflegt man die Windrichtung durch die
Richtung des Pfeiles und die Windstärke durch die Befiederung
*) Beaufort (spr. bofört) war ein engl. Admiral.
— 167 —
desselben in halber Beanfortskala anzugeben. Ein Pfeil mit
3 Federn bezeichnet also Windstärke 6, ein solcher mit 3'/z Federn
Stärke 7 u. s. w.
c. Allgemeiner Kreislauf im Luftmeere. Der allgemeine
Kreislauf im Luftmeere der Erde wird gleich der Entstehung
einer Eyklone bezw. Anticyklone durch die verschiedene Erwärmung
der Atmosphäre hervorgerufen. In den Tropen wird beständig
durch die starke Erhitzung der unteren Luftschichten eine Auf-
lockerung derselben bewirkt, so daß die Flächen gleichen Druckes
dort gegen die benachbarten gehoben sind und ein Gefälle nach
den Polen hin erhalten. Hierdurch werden obere, polwärts
gehende Luftströmungen erzeugt. Der Ersatz sür die am
Äquator abfließende Luft kommt von den Polen her durch
Winde, welche äquatorwärts streichen und den 'großen Kreislauf
auf jeder Halbkugel schließen. — Ein solcher einfacher Kreislauf
in meridionaler Richtung auf jeder Halbkugel besteht aber nicht.
Wenn er vorhanden wäre, so müßten wir auf der Nordhalb-
kugel (von der südlichen sei der Einfachheit wegen hier abgesehen)
überall in den unteren Schichten Nordwind haben. Wir be-
merken aber in niederen Breiten vorwiegend Nordostwind, in
höheren Südwestwind. Auch die Verteilung des Luftdrucks
spricht gegen den einfachen Kreislauf der Luft. Bestände er, so
könnte nur ein Hochdruckgebiet um den Pol herum und ein
Depressionsgebiet in den Tropen liegen. Das subtropische Hoch-
druckgebiet zwischen der äquatorialen und der subpolaren Depression
könnte nicht vorhanden sein. Es kann also die Annahme eines
Fig. 60.
— 168 —
einfachen Kreislaufes der Lnft auf jeder Halbkugel nicht der
Wirklichkeit entsprechen. Vielmehr besteht je ein doppelter
vertikaler Luftwirbel. Die vom Äquator in großer Höhe pol-
wärts fließenden Luftmassen (Autipassate) werden nämlich bald
abgekühlt, und ein großer Teil von ihnen senkt sich ungefähr
beim 30. Breitengrad zur Erde nieder, erzeugt dort die sub-
tropische Hochdruckzone und wendet sich dann (als Passat) wieder
dem Äquator zu, um dort von neuem aufzusteigen. So entsteht
also zwischen dem 30. Grad und dem Äquator ein kleiner ge-
schlossener Kreis der Luftbewegung (Fig. 60).
Von der meridionalen Richtung werden aber sowohl der
obere als der untere Luftstrom durch die Rotation der Erde
abgelenkt. Infolge derselben eilen die oberen Ströme, die mit
ihrer größeren Rotationsgeschwindigkeit in höhere Breiten mit
geringerer Umdrehungsgeschwindigkeit kommen, sozusagen der
Erdoberfläche dort voraus, werden nach rechts abgelenkt und
zu Südwest- und Westwinden. Die zum Äquator gehenden
unteren Ströme dagegen bleiben mit ihrer von den höheren Breiten
her ihnen eigenen geringeren Umdrehungsgeschwindigkeit gegen die
schnellere Rotation der Äquatorgegenden zurück, erfahren gegen
die Meridiane eine Ablenkung nach rechts und erscheinen als
Nordostwinde. So weht zwischen dem 30. Grade und dem
Äquator der Passat aus Nordost, während hoch über ihm der
Antipassat als Südwestwind zieht. In einer schmalen Zone
längs des Äquators herrscht unten Windstille, während oben bis
in die höchsten Höhen hinauf Ostwinde wehen, die z. B. 1883
die Asche vom Krakatauausbruch zweimal westwärts um die
Erde führten, ehe sie von den in einiger Entfernung vom
Äquator in Südostwiude übergehenden und danu zum Südwest-
Antipassat umbiegenden Luftströmungen in höhere Breiten ge-
führt wurde.
Bezüglich des zweiten Lnftwirbels zwischen dem 30. Grad
und dem Pole nimmt man an, daß drei Luftströmungen ver-
schiedener Richtung übereinander liegen. Die in der Höhe vom
Äquator polwärts gehende Strömung erfährt infolge der Erd-
rotation eine weitere Ablenkung nach rechts und wird nach und
nach zum Westsüdwestwind. Sie biegt dann um und zieht in
mittlerer Höhe als Westnordwest- oder Nordwestwind in niedere
Breiten, bis sie, allmählich sich verlangsamend, an der Tropen-
grenze zur Erde gelangt und zum Teil den sich dort aus dem
Antipassat herabsenkenden und als Passat äquatorwärts gerichteten
Strom verstärkt. Infolge der starken Reibung an der Erdober-
fläche und der Mischung mit von unten aufsteigender Luft ver-
lieren die uuteren Schichten an Geschwindigkeit, können dem
Rückstrom nicht folgen und bewegen sich in der Hauptsache aus
westsüdwestlicher Richtung, also gleich der obersten Strömung,
dem Pole zu (Fig. 60).
— 169 —
Aus dem Vorstehenden ergibt sich folgende Verteilung
der vorherrschenden Winde aus der Erdoberfläche, also in
der unteren Luftschicht: In der Gegend des Äquators, wo der
aufsteigende Luftstrom sich wenig bemerkbar macht, liegt ein 4
bis 8 Grad breiter Gürtel mit häufiger Windstille oder schwachen,
veränderlichen Winden. Er heißt die Zone der Kalmen*). Der
Kalmengürtel verschiebt sich zwar mit dem Zenitstande der
Sonne,'liegt aber, dem thermischen Äquator entsprechend, vor-
wiegend auf der Nordhalbkugel. Für ihn ist nämlich die jeweilige
höchste Erwärmung des Erdbodens weniger maßgebend als die
mittlere Temperatur der ganzen Luftsäule, welche von kurzen
Wärmeschwankungen auf der Erdoberfläche nicht fehr beeinflußt
wird. Darum hält die Kalmenzone sich auf dem Stillen und
dem Atlantischen Ozean immer nördlich vom mathematischen
Äquator und geht nur über den Landmassen mit dem höchsten
Sonnenstande auf die Südhalbkugel. Zu beiden Seiten der
Kalmenzone befinden sich die Gebiete der Passate (Nordost-
passat auf der nördlichen Halbkugel, Südostpassat aus der süd-
lichen). Sie reichen bis etwa zum 30. Grad und verschieben sich
gleich dem Kalmengürtel mit den Jahreszeiten. Ihr Name rührt
daher, daß die Segelschiffe der Spanier die Nordostwinde zur
Überfahrt (passata) nach Südamerika benutzten. An ihren äußeren
Grenzen, wo die Antipaffate sich zur Erde fenken, sind schmale
Gürtel mit häufiger Windstille oder schwachen Winden. Man
nennt sie wohl die Kalmen der Wendekreise oder auch die
Noßbreiten, weil die Windstille in ihnen srüher den mit
Pferden beladenen Segelschiffen durch eintretenden Wassermangel
oft verhängnisvoll wurde. Polwärts von ihnen liegen die Ge-
biete der veränderlichen Winde. Unter diesen sind, dem
allgemeinen Lustkreislaus entsprechend, die Westwinde vor-
herrschend. Besonders tritt dies auf der südlichen Halbkugel jen-
seit des 45. Grades hervor, weil dort infolge des Zurücktretens
der Landmassen lokale Strömungen mehr fortfallen als auf der
nördlichen Hemisphäre mit ihren großen Kontinenten. Die den
Südpol umkreisende Westwindtrist gibt davon Zeugnis. Auf
der Nordhalbkugel kann man vier große Windgebiete unterscheiden,
die aber im Sommer und im Winter nicht an den gleichen
Stellen _ liegen. Besonders deutlich treten sie im Winter als
nordpazisischeund nordatlantische Colone und als nordamerikanische
und nordasiatische Anticyklone aus. Aus den durch ihre Lage
bedingten Windrichtungen erklären sich die äußerst strengen Winter
Kanadas und Ostsibiriens.
Monsune **) Die im Sommer über Asien liegende Cyklone,
hervorgerufen durch die starke Erwärmung der ungeheuren Wüsten
Irans, Indiens und Mittelasiens, zieht von allen Seiten die
*) Von frz. r.alme, ruhig.
**) Von arab. mauaim, Jahreszeit.
— 170 —
Winde zu dem Kontinente hin. Sie unterdrückt völlig den in-
dischen Nordostpassat und zieht den Südostpassat bis über den
Äquator. Dort wird er durch die Erdrotation in den Südwest-
Monsun verwandelt, der als seuchter Seewind Indiens Küste
trifft. Ein gleicher Wind aus Südosten, der Südost-Mousuu,
wird durch die Cyklone nach China und Japan gezogen. Im
Winter herrscht im nördlichen Indischen Ozean der regelmüßige
Nordostpassat, freilich unter dein Namen Nordostmonsuu, während
China und Japan dann von dem aus der nordasiatischen Anti-
cyklone kommenden Nordwestwinde (auch Nordwestmonsun ge-
nannt), getroffen werden.
tl. Lokale Winde. Ein solches regelmäßiges Hin- und Her-
strömen der Lust, wie es die Mousune im großen zeigen, wieder-
holt sich im kleinen täglich an fast allen Küsten. Am Tage wird
das Land schneller erwärmt als das benachbarte Meer. Es bildet
sich über der Küstenzone eine kleine lokale Cyklone, bei welcher
der Unterstrom als „Seewind" Ersatz für die aufsteigenden
Luftmassen bringt. Am Abend entsteht über dem sich schnell ab-
kühlenden Lande eine Anticyklone, die einen „Landwind" meer-
wärts sendet. — Zu den lokalen Winden gehören auch die Tal-
und Berg winde. Wenn am Tage die in einem Tale einge-
schlossene Luft erwärmt wird, dehnt sie sich nach oben aus, und
die Schichten gleichen Luftdrucks erhalten ein Gefälle gegen die
Talwände. Da diese aber noch mehr erwärmt werden als die
freie Luft, so entsteht eine aufwärts streichende Luftströmung,
wie man am Emporsteigen der Talnebel beobachten kann. Nachts
gleitet die abgekühlte Luft an den Talhängen hinab und geht als
Bergwind aus dem sich nach der Ebene zu öffnenden Tale nicht
selten weit ins Vorland hinaus.
Wo kalte Hochflächen oder Gebirge an warme Niederungen
oder an Meeresbecken grenzen, werden Fallwinde erzeugt, wenn
ein Minimum den letzteren Gebieten sich nähert, oder wenn ein
Maximum über den ersteren liegt. So sällt im Winter die kalte
Luft der Cevennen als Mistral mit verheerender Wucht in das
Gebiet der französischen Mittelmeerküste, wenn ein Minimum
gegen den Golse du Lion vorrückt. Vom Karst stürzt die Bora
auf die warme Küstenebene und den nördlichen Teil des Adria-
tischen Meeres, wenn im südlichen ein Minimum sich bildet. —
In den Alpen kennt man als heißen Fallwind den Föhn, dessen
Ursprung man früher in Afrika suchte. Er wird veranlaßt durch
ein ausgedehntes Minimum über Westeuropa, das noch aus den
nach Norden und Nordwesten geöffneten Alpentälern die Luft
saugt. Zum Ersatz strömt die warme Lust an der Südseite der
Alpen nach Norden, läßt beim. Aufsteigen ihre Feuchtigkeit als
Regen oder Schnee auf die südlichen Abhänge des Gebirges fallen
uud stürzt als heißer, trockener Wind über die Pässe in die nörd-
lichen Talebenen. Daß der Föhn als heißer Fallwind auftritt,
— 171 —
hat zwei Ursachen. Erstens wird die Abkühlung, welche die ur-
sprünglich warme Lust beim Aussteigen an den Südgehängen er-
fahren mußte, durch die bei der Kondensierung ihres Wasser-
dampfes srei werdende Wärme vermindert; zweitens erhöht sich die
Temperatur der Luft noch beim Hinabstürzen des Windes in die
Täler durch die Zusämmenpressung der Luftmassen und durch
ihre Reibung an benachbarten Schichten und am Boden. Durch
seine stoßweise Heftigkeit wird der Föhn namentlich den Schiffern
auf dem Urner See gefährlich, und durch seine Trockenheit und
Wärme ruft er im Frühjahre plötzliches Schmelzen der Schnee-
Massen uud große Überschwemmungen hervor. Jedoch mildert er
auch das Klima in manchen Tälern und bewirkt z. B. an den
Südhängen des Rigi und der Hochsluh am Vierwaldstätter See
einen sast italienischen Frühling. Übrigens hat man ähnliche
Fallwinde auch an andern Gebirgen, selbst in Grönland beob-
achtet. Sie entstehen, wenn Winde hohe Kämme überschreiten
und schon vor ihrem Übertritt relativ große Feuchtigkeit und
Wärme besitzen. — Endlich gehören zu den lokalen Winden noch
die aus den Wüsten Nordasrskas und Arabiens kommenden heißen
und trockenen Staub winde, die man in Ägypten als Chamfin*),
in Arabien als Samum und aus Sizilien als Scirocco**) kennt.
e. Wirbelstürme. Endlich seien noch die verheerenden
Wirbelstürme erwähnt. Das sind cyklonale Lustbewegungen um
eine räumlich nicht weit ausgedehnte, aber sehr tiefe Depression
herum. Sie entstehen meistens in den Tropen bis zu 10° vom
Äquator und wandern Hunderte von Kilometern weit erst von
Südost nach Nordwest, um dann beim Eintritt in die gemäßigte
Zone sast rechtwinklig umzubiegen und nach Nordosten zu ziehen.
Dabei vergrößert sich allmählich der Umfang des Wirbels, und
die Depression im Zentrum des Sturmes nimmt ab. Ein von
ihnen berührter Ort wird beim Herannahen des Wirbels von
sehr starken Stürmen heimgesucht; dann solgt beim Vorüber-
schreiten des Zentrums insolge des aussteigenden Luftstromes
völlige Stille, bis der Wind, aber jetzt aus entgegengesetzter Rich-
tnng, wieder mit voller Wut einsetzt. Je größer der Lustdruck-
unterschied zwischen dem Minimum und seiner Umgebung ist,
desto steiler ist der Gradient und desto stärker der Sturm. Bei
dem Wirbelsturm, der am 1. Oktober 1866 die Insel Nassau
(Vahamainseln) heimsuchte, sank der Barometerstand im Zentrum
auf 703 mm, während der Luftdruck in 460 km Entfernung
754 mm betrug. Das gibt einen Gradienten von 12—13, und
schon hieraus kann man die Heftigkeit des Wirbels ersehen, wenn man
*) D. h. 50 Tage, denn so lange weht, wenn auch mit Unterbrechungen,
dieser Wind im Frühjahr von der Sahara nach Ägypten.
**) Sprich schirokko. Mit diesem trockenen Glutwinde Siziliens sind
übrigens nicht zu verwechseln die gleichfalls Scirocco genannten feucht-
warmen Winde auf dem Adriatischen Meere und an der Nordseite der
Pyrenäen.
— 172 —
bedenkt, daß der Gradient 5 auf dem Lande schon stärksten Sturm
bedeutet. Die Wirkung der Wirbelstürme ist oft furchtbar. Fast
nichts widersteht ihrer rasenden Wut. Wälder werden vernichtet,
selbst massive Gebäude zerstört und die Meeresfluten in uner-
harter Weife aufgewühlt. Bei einer Cyklone, die am 1. November
1876 _ über das Brahmaputradelta zog, gingen allein durch die
vou ihr verursachte Sturmflut 100000 Menschen zu Grunde. Die
Wirbelstürme fehlen in der äquatorialen Zone. Sie suchen vor-
zugsweise das Gebiet zwischen dem 10. und 30. Grad heim.
In den chinesischen Gewässern kennt man sie als Taifune („Iltis-
Untergang!), in Nordamerika als Tornados und im nord-
atlantischen Tropenmeer als Hurrikans.*) — Wirbelstürme
von sehr kleinem Umsang verursachen die Sand- und die
Wasserhosen oder Tromben, in denen gewaltige Massen
von Sand oder Wasser emporgewirbelt werden.
0. 4vasserdampf und Niederschläge.
1. Der Wcrsserdcrmpf in der Atmosphäre.
In der Lust ist beständig Wasserdampf enthalten. Es bildet
ein Gemengeteil der Atmosphäre gleich dem Sauerstoff und dem
Stickstoff. Während aber diese Gase immer in bestimmtem, sich
ziemlich gleich bleibendem Verhältnisse in der Luft vorkommen, ist
deren Gehalt an Wasserdampf großen Schwankungen unterworfen.
Der Wasserdampf gelangt durch die Verdunstung von Wasser
in die Atmosphäre. Es verdunsten beständig ungeheure Mengen
von Wasser auf der Erdoberfläche, vor allem auf den großen
Weltmeeren, aber auch auf den Seen, Flüssen und dem Lande,
namentlich wenn letzteres eine dichte Pflanzendecke trägt. Auch
Schnee und Eis sind der Verdunstung ausgesetzt und können
unter Umständen durch sie ganz verschwinden, ohne daß ein
Schmelzen stattfindet. Die Verdunstung geschieht bei jeder Tem-
peratur; sie nimmt aber mit der Erwärmung der Luft erheblich
zu und ist deshalb am Tage größer als in der Nacht, im Sommer
beträchtlicher als im Winter. — Der Wasserdampf wiegt noch
nicht 2/z so viel als die Luft. Daher durchdringt er diese, ver-
mindert ihr Gewicht und übt nach allen Richtungen hin einen
Druck auf die Luftteilcheu aus. Dieser wächst mit der Menge
des Wasserdampfes, aber nicht unbegrenzt. Hat er ein bestimmtes
— nach der jeweiligen Lufttemperatur verschiedenes — Maximum
erreicht, so hört die Aufnahmefähigkeit der Luft für Wasserdampf
auf. Die Luft ist daun mit Wasserdampf gesättigt. Der
Sättigungszustand ist von der Luftwärme abhängig. Steigt diese,
so kann die Luft wieder Dampf aufnehmen, bis sie von neuem
*) Sprich: harrikäns.
— 173 —
gesättigt ist; erniedrigt sie sich, so muß ein Teil des Wasser-
dampses tropsbar-slüssige oder seste Form annehmen und aus der
Atmosphäre ausscheiden. Die Verdunstung ist also außer der
Temperatur auch von dem jeweiligen Feuchtigkeitsgehalte
der Luft abhängig. — Endlich ist auch der Wind nicht ohne Be-
deutuug sür die Verdunstung. Im Winde trocknet alles schneller
als bei unbewegter Lust, weil der Wind die gesättigten Luft-
massen von der Verdunstungsstelle wegführt und durch trockenere
ersetzt.
Will man ausdrücken, in welchem Maße Wasserdamps in der
Lnst enthalten ist, so gibt man entweder das Gewicht des in
einem cbm Luft befindlichen Dampfes in Grammen an, oder
man bezeichnet in Millimetern, welche Höhe eine Quecksilbersäule
haben muß, um der Spannkrast des Dampfes das Gleichgewicht
zu halten. Letztere Angabe, die man Dampfdruck nennt, zeigt
an, welche Spannkraft die in der Umgebung des Meßinstrumentes
befindlichen Dämpfe haben; sie gibt aber nicht den Druck des ge-
samten Wasserdampfes in der über uns ruhenden Luftsäule au.
Die betreffenden Werte für den Sättigungszustand der Lust bei
verschiedener Temperatur gibt folgende Tabelle (nach Hann):
Temperatur: —10° —5° 0<> +5° +10° +15°+20° +25° C.
Maximaldampfdruck: 2,1 3,1 4,6 6,5 9,2 12,7 17,4 23,6 mm
Maximalgewicht: 2,3 3,4 4,9 6,8 9,4 12,7 17,1 22,8 g.
Es ist aus ihr leicht zu erseheu, wie sehr die vou der Lust
aufzunehmende Dampfmenge mit der Erhöhung der Temperatur
wächst. Darum ist der Wasserdampfgehalt der Atmosphäre in
äquatorialen Gegenden am größten und verringert sich im all-
gemeinen mit zunehmender Breite. Auch mit der Höhe nimmt
der Dampfgehalt rasch ab. Er beträgt bei 1500 rn etwa die
Hülste, bei 5000 rn nur noch J/io der in 0 rn Höhe herrschenden
Feuchtigkeit, so daß die obersten Luftschichten fast trocken sind.
Die Angäben über den Dampfdruck oder die ihnen beinahe
gleichen über das Gewicht des Dampfes bezeichnen die in der
Luft tatsächlich vorhandene Menge des Wasserdampfes oder ihre
absolute Feuchtigkeit. Da. aber die Temperatur der Lust
für die Aufnahme von Dampf maßgebend ist, so kann die Atmo-
sphäre bei gleichem Wassergehalte uns als feucht oder trockeu
erscheinen, je nachdem ihre Temperatur niedrig oder hoch ist. Bei
einem Dampfdruck von 6,5 mm ist die Luft bei einer gleichzeitigen
Wärme von 5° C. mit Feuchtigkeit gesättigt. Sie kommt uns
aber trocken vor, wenn dabei ihre Temperatur + 20 °C. betrügt,
weil sie dann sast die dreifache Dampfmenge (17,4) aufnehmen
könnte. Um die Luft als „trocken" oder „feucht" richtig zu be-
zeichnen, genügt also nicht die Kenntnis ihres absoluten Feuchtig-
keitsgehaltes, sondern man muß ihre relative Feuchtigkeit
ermitteln, d. i. das Verhültnis zwischen dem beobachteten Dampf-
druck (e) und dem der jeweiligen Temperatur entsprechenden
— 174 —
Maximaldruck (em), ausgedrückt in Prozenten,
spiele würde demnach die relative Feuchtigkeit
In obigem Bei-
100—) sein
m/
Bei + 5° C:
100— 100 o/o.
bei + 20° C:
100 - 37 «/„.
Die relative Feuchtigkeit verändert sich sehr rasch. Sie ist
im Gegensatz zum absoluten Dampfgehalte am Tage und im
Sommer geringer als in den Gegenzeiten, weil die Luft bei
höherer Temperatur bedeutend mehr Feuchtigkeit aufnehmen kann,
ehe sie den Sättigungszustand erreicht. Ein geringes Maß von
Luftfeuchtigkeit ist bei hoher Temperatur dem menschlichen Orga-
nismus schädlich und entzieht ihm zu viel Wasser; große Kälte
wird hingegen bei trockener Lust von ihm leicht ertragen. Ent-
hält die Luft sehr viel Feuchtigkeit, so erscheint sie bei gleich-
zeitiger großer Wärme schwül und wirkt erschlaffend (Tropenklima!),
während sie schon bei geringen Kältegraden ein durchdringendes
Frostgefühl erzeugt. — Mit der Höhe vergrößert sich der relative
Feuchtigkeitsgehalt iusolge der schnellen Temperaturabnahme,
trotzdem die absolute Dampfmenge weniger wird. In einer ge-
wissen Höhe ist die Luft dem Sättigungspunkte nahe (Wolken-
bildung, Regengürtel am Gebirge), während sie in noch höheren
Regionen wegen der dort vorhandenen geringen Dampfmenge
wieder trockener wird.
Die Verdichtung des Wasserdampses zu Wasser erfolgt,
sobald die Luftwärme uuter den Taupunkt sinkt, d. h. unter
die Temperatur, bei welcher der in der Luft befindliche Dampf
sein Druckmaximum erreicht. Bei gesättigter
Luft haben Taupunkt und Lufttemperatur
gleiche Höhe; eine geringe Erniedrigung der
letzteren macht dann einen Teil des Wasser-
dampses flüssig. Je größei? die relative
Feuchtigkeit ist, desto näher liegt der Tau-
punkt der Lufttemperatur; mit zunehmender
Trockenheit der Luft wächst die Differenz
zwischen beiden. Es liegt der Taupunkt
z. B. bei + 20° C. Wärme und 37% rela-
tiver Feuchtigkeit ungefähr bei + 50 C.
Da nämlich gesättigte Lust bei + 20°
einen Maximaldruck von 17,4 mm hat, so
verhält sich 37 :100 = x: 17,4, es ist also
x = 6,44. Nach der Tabelle S. 173 ent-
spricht aber der Maximaldruck von 6,5 mm
einer Temperatur von + 50 C. Demnach
würde erst die Ausscheidung von Nieder-
schlügen erfolgen, wenn die Luft sich von
Fig. 61. 20° auf 5° abkühlte. (Bei + 15° und
— 175 —
50% rel. Feuchtigkeit ist der Taupunkt 9°; denn 15° = 12,7 mm,
50;'100 = x: 12,7, x = 8,6 = 9°.)
Zur genauen Bestimmung der Luftfeuchtigkeit benutzt man
u. a. das Psychrometer von August. Es besteht aus
zwei mit einer Einteilung in Zehntel-Grade versehenen Thermo-
metern, die nebeneinander angebracht sind. Die Kugel des einen
Thermometers ist mit dünnem Zeug umwickelt, von dem ein
Fortsatz in ein mit Wasser gefülltes Gefäß reicht. Die in diesem
Dochte aufsteigende Flüssigkeit hält die Kugel beständig feucht.
Bei mit Wasserdamps gesättigter Lust stehen beide Quecksilber-
säulen gleich hoch. Ist aber die Luft nicht gesättigt, so verdunstet
von der umwickelten Kugel Wasser, und zwar um so mehr, je
trockener die Atmosphäre ist. Dadurch wird dem benetzten Thermo-
meter Wärme entzogen, so daß es niedriger steht als das
andere. Aus der Differenz zwischen beiden Thermometerständen
kann man nach besonderen Tabellen den Taupunkt und die
wirkliche Luftfeuchtigkeit leicht finden (Figur 61).
2, Die WiederscHl'äge.
a. Formen der Niederschläge. 1. Tau und Reif. Wir
beobachten oft, daß der in einem Wohnzimmer vorhandene Waffer-
dampf sich an den kalten Fensterscheiben in Form seiner Wasser-
tröpfchen niederschlägt, daß die Brillengläser von Personen, die
aus der Kälte in das warme Zimmer treten, beschlagen u. dgl.
mehr. Die Berührung seuchter Lust mit kalten Flächen sührt
hierbei zu einer Kondensation des Wasserdampses. Ahnlich ist
der Vorgang bei der Bildung von Tau und Reis. Der Tau
entsteht bei Berührung feuchter Luft mit dem durch nächtliche
Ausstrahlung stark abgekühlten Boden und mit den infolge rascher
Verdunstung erkalteten Gras- und Blattslächen der Wiese und
des Waldes. Er hastet diesen Dingen an, und eine Trübung
der untersten Luftschichten tritt nicht ein. Sinkt die Abkühlung
bis unter den Gefrierpunkt, fo wird der Tau zu Reif verwandelt.
Wenn bei plötzlichem Witterungsumschlag ein wärmerer Lust-
ström über die gefrorene oder doch stark abgekühlte Erdoberfläche
streicht, bilden sich Rauhreif und Glatteis.
2. Nebel. Oft bewirkt die rasche Abkühlung des Erdbodens
durch Ausstrahlung in heiteren Nächten Bet wärmerer und seuchter
Lust die Bildung von Bodennebeln', d. i. von Massen kleiner
Wasserbläschen, die in geringer Höhe über Wiesen und Tal-
gründen schweben. In ähnlicher Weise erzeugen warme See-
winde, wenn sie über kalte Flächen dahinstreichen, die weit ver-
breiteten Polarnebel und die Nebel über kalten Meeres-
strömungen (Neusundlandbank, Nebel über dem kalten Austrieb-
wasser an den Westküsten der Kontinente in der subtropischen
— 176 —
Zone). Es entstehen aber auch Nebel, wenn umgekehrt kalte
Luftströmungen wärmere Gebiete bestreichen, über welchen die
Atmosphäre mit Wasserdampf gesättigt ist. Die Bildung von
Abend nebeln über feuchten Wiesen, Mooren und Flußtälern
gehört hierher.
3. Wolken. Anhäufungen von Wasserbläschen in großer
Entfernung von der Erdoberfläche oder von Eiskrystallen in noch
bedeutenderer Höhe heißen Wolken. Sie gleichen in ihrer Bil-
dung _ uud Zusammensetzung den Nebeln, treten aber häufiger
als diese auf, weil in höheren Luftschichten die Ursachen zur Ver-
dichtung des Wasserdampfes sich mehren. Diese geschieht außer
bei Mischung verschieden warmer Luftmassen namentlich durch
aufsteigende Luftströme. Feuchte und warme Luft gelangt in
ihnen zu höheren und kälteren Regionen, wo sie vor allem durch
den Wärmeverlust bei ihrer Ausdehnung (S. 156) abgekühlt und
dem Taupunkt näher gebracht wird. Die Wolkenbilduug findet
um so höher statt, je trockener und wärmer die aussteigende Luft
ist. Eine Wolke bezeichnet meist nur die Stelle in der Atmosphäre,
an welcher eine länger andauernde Ausscheidung von Wasser-
dampf vor sich geht. So erklärt es sich, daß trotz starker Luft-
beweguug Wolken scheinbar unbeweglich an Berggipfeln lagern,
und daß im Sommer glänzende Wolkenballen anscheinend ruhig
in der Luft schweben. Die von diesen Stellen weggeführten
Wassertröpfchen lösen sich in einer trockenen Luftschicht der Um-
gebung wieder auf, während herbeigebrachte neue Luftmassen die
Kondensation unterhalten. — Unter den Wolken unterscheidet man
verschiedene Formen. Die in den höchsten Regionen (bis 20 km)
schwebenden weißen Nebel aus Eiskrystallen heißen Feder- oder
Eirruswolken. Die dicken, rundlichen Wolkenballen, die
charakteristische Wolkensorm des Sommers der wärmeren Gegen-
den, bezeichnet man als Haufen- oder Cumuluswolken.
Werden sie durch den Wind zu langen Streifen ausgezogen, so
nennt man sie Schicht- oder Stratuswolken. Regen-
oder Nimbuswolken sind die dunklen, formlosen Massen mit
zerrissenen Rändern. — Da die Wolken, wenn sie längere Zeit
hindurch den Himmel bedecken, die Insolation sowohl als die
Ausstrahlung der Wärme von der Erdoberfläche in die Atmosphäre
hindern, also eine hohe klimatische Bedeutung haben, so hat man
die Bewölkung der verschiedenen Erdgürtel genau beobachtet und
ihre Mittelwerte auch kartographisch festgelegt. In der Nähe des
Äquators ist der Himmel reichlich die Hälfte des Jahres mit
Wolken bezogen. In den Gebieten hohen Luftdruckes nimmt die
Bewölkung ab, um dann nach den Polen zu wieder zu wachsen.
Sie ist in höheren Breiten auf der südlichen Halbkugel der
größeren Wasserbedeckung halber beträchtlicher als auf der nörd-
lichen. Die geringste Bedeckung durch Wolken zeigt der Himmel
über trockenen Wüstenstrichen, wo 250 und mehr gänzlich heitere
Tage im Jahre vorkommen.
— 177 —
4. Regen. Durch fortschreitende Abkühlung bilden sich aus
den feinen Wasserbläschen des Nebels kleine Wassertröpfchen, die,
unterwegs durch Vereinigung mehrerer sich vergrößernd, als
Regen herniederfallen. Es kommt jedoch auch vor, daß die
Regentropfen nicht bis zum Erdboden gelangen, sondern vorher
in trockenen und warmen Lustschichten, in die sie kommen, ver-
dunsten. Man sieht deshalb nicht selten am Horizonte graue
Regenstreifen aus einer Wolke bis zu einer gewissen Höhe her-
unterhängen, ohne daß sie die Erde erreichen.
5. Schnee, Graupeln, Hagel. In genügend kalter Luft
verdichtet sich der Wasserdampf zu kleinen Schneekrystallen, die
sich zu Schneeflocken vereinigen. Bei stürmischem Wetter und
einer dem Gefrierpunkt nahekommenden Temperatur ballen die
Schneeflocken sich zu kleinen Körnern, den Graupeln, zusammen.
Wenn diese durch sehr feuchte Schichten fallen, umgeben sie sich
mit Eishüllen und werden zu Hagel. Da zur Bildung von
Hagel eine an Wasserdampf reiche Atmosphäre gehört, so fällt
eigentlicher Hagel bei uns nicht im Winter, fondern meist nur
in den Monaten Mai und Juni, weil in diesen die Lust viel
Wasserdampf enthält und die Temperatur dann am schnellsten
mit der Höhe abnimmt.
6. Gewitter. Starke und schnell erfolgende Kondensation
des atmosphärischen Wasserdampfes ist mit elektrischen Spannungen
in den Wolkenmassen verbunden. Ihr Ausgleich geschieht bei
tiefschwebenden Wolken und im Winter bei Schneegestöber oft
nur durch ruhiges Ausströmen der in der Erdoberfläche durch
Induktion erzeugten Elektrizität und ruft das Elmsfeuer hervor.
Bei Wolken in größerer Höhe erfolgt der Ausgleich im Gewitter
durch den vom Donner begleiteten Blitz. Da die rasche Verdich-
tung des Wasserdampfes in schnell aufsteigenden Lustströmungen
die hauptsächlichste Ursache der Gewitterbildung ist, so sind Ge-
witter bei uns häufig an heißen Sommertagen, und in der Nähe
des Äquators entstehen sie fast täglich am Nachmittage. Der sie
begleitende heftige Platzregen erklärt sich ohne weiteres aus der
plötzlichen Verdichtung des Wasserdampfes, und die ihnen folgende
Abkühlung hat ihren Grund darin, daß die Depression über uns
dahingezogen ist, und wir uns dann an ihrer kälteren Seite be-
finden. Während Überhitzung der Luft die Gewitter in unferm
Sommer und die in äquatorialen Breiten hervorruft, sind Wirbel-
stürme, die plötzlich kalte Luftströme in wärmere und an Wasser-
dampf reiche Luftmassen bringen, die Ursache der Wintergewitter.
Sie kommen selten vor, weil im Winter die Atmosphäre weniger
mit Wasserdampf erfüllt ist als im Sommer; am meisten noch
finden sie in Gegenden mit Seeklima statt und sind auf Island
und an der norwegischen und nordschottischen Küste oft häufiger
als die Sommergewitter.
d. Menge und Verteilung der Niederschläge. Das Maß der
Wärme und die Menge der atmosphärischen Niederschläge, die
W. Techter, Allgemeine Erdkunde. 12
einem Gebiete der Erdoberfläche zukommen, sind bestimmend für
seinen Reichtum an Pflanzen und Tieren und damit für seine
Bewohnbarkeit. Man hat deshalb die M en g e und Verteilung
der Niederschläge auf der Erde seit langer Zeit beobachtet
und die Ergebnisse dieser Beobachtungen in Karten festgelegt.
Die Menge der Niederschläge wird mittels des Regenmessers be-
stimmt, eines cylindrischen Gesäßes von etwa 15 cm Durchmesser,
das im Innern einen Trichter zum Schutze gegen Verdunstung
enthält und im Freien unter Windschutz aufgestellt wird. Nach
jedem Niederschlage mißt man die Höhe des am Boden des Ge-
säßes vorhandenen Wassers, und die Summierung der Ergebnisse
aller Einzelbeobachtungen zeigt die monatliche und jährliche
Regenhöhe des Ortes. Sie ist natürlich aus allgemeinen und
lokalen Gründen für die einzelnen Gegenden der Erde recht ver-
schieden. Für das eingehendere Studium über Menge und Ver-
teilung der Niederschläge sei auf die Regenkarten verwiesen, wie
sie jeder gute Atlas für größere und kleinere Erdräume bietet.
Zu ihrem Verständnis ist im allgemeinen folgendes zn beachten:
Gebiete mit vorherrschend hohem Lustdruck sind gewöhnlich regen-
arm. In dem subtropischen Gürtel hohen Luftdrucks liegen da-
her die an Niederschlägen ärmsten Gegenden der Erde (Sues
3 cm). Die mittlere Passatregion hat wenig Regen, weil die
Passate von höheren in niedere Breiten gelangen, sich dabei er-
wärmen und relativ trocken werden. Wenn sie jedoch durch
Gebirge zum Aufsteigen und zur Abkühlung genötigt sind, so
bringen sie meist große Regenmassen, da sie beständig wehen und
von den warmen Meeren her, die sie überstreichen, viel Wasser-
dampf mit sich sichren. Darum haben Gebirgsküsten, die von
Passaten getroffen werden, sehr viele Niederschläge. Gebiete mit
vorherrschend niederem Luftdruck sind regenreich; denn in ihnen
bewirkt der aufsteigende Luststrom häufige und starke Regenfälle.
Der äquatoriale Kalmeugürtel gehört deshalb zn den feuchtesten
Gegenden der Erde. (Debundfcha in Kamerun 1045 cm.) Luft-
ströme, die von warmen Meeren kommen, bringen viel Nieder-
schlüge, besonders wenn sie an Gebirgen _ aufsteigen müssen
(Tscherrapundschi am Südhange des Khasigebirges in Bengalen,
vom Monsun getroffen, 1270 cm). Kommen Winde von kalten
Meeren in warme Landstriche, so bewirken sie eine regenarme
Küstenzone. (Westküste Südafrikas und Südamerikas, Walsisch-
bai 7 cm, Copiago in Chile 8 cm.) Alles, was eine aufsteigende
Luftbewegung begünstigt, ist auch der Entstehung von Nieder-
schlügen förderlich. Gebirge sind deshalb niederschlagsreicher als
ihre Umgebung; selbst in regenarmen Wüstengebieten erhalten
höhere Gebirge oft reichlich Niederschlag. Wo Gebirge von einem
vorherrschenden feuchten Luftstrome getroffen werden, haben sie eine
regenreiche Luvseite und eine regenarme Leeseite. Hinter ihnen,
im „Windschatten", liegende Ebenen erhalten dann wenig Nieder-
schlüge (Kalahari, Hochebene des Großen Salzsees). — Sieht
— 179 —
man von allen durch lokale Verhältnisse bedingten Abweichungen
ab, so verteilen die Niederschläge auf der gauzen Erde sich etwa
folgendermaßen: Der Kalmengürtel am Äquator hat täglich
heftige Gewitterregen, die sog. Aquatorialregen. Nördlich
und' südlich der Kalmen bis zu den Wendekreisen herrschen
Zenitalregen, die mit dem höchsten Sonnenstande wandern.
Daher haben diese Gebiete zwei Regenzeiten, die nach den Wende-
kreisen hin zu einer verschmelzen; außerhalb der Regenzeiten
bringen die Passate Trockenheit. Die von den Passaten allein
beherrschten Gürtel (bis zum 40. Grade) haben vorherrschend
Winter regen, da nur in dieser Jahreszeit die Lust sich
genügend zur Verdichtung des Wasserdampses abkühlt, während
im Sommer der hohe Sonnenstand Dürre bewirkt. Die mittleren
und höheren Breiten haben infolge ihrer wechselnden Luft-
strömungen Niederschläge zu alleu Jahreszeiten.
c. Der Schnee. Lawinen. Der seste Niederschlag in Form
des Schnees fällt im Sommer nur in hohen Breiten und auf
bedeutenden Erhebungen. Ob es aber Gebiete mit ausschließlich
festen Niederschlägen gibt, ist sehr ungewiß; denn selbst in polaren
Gegenden und auf hohen Gebirgen regnet es bisweilen. Im
Winter fällt Schnee neben Regen auch in, der gemäßigten, ja
felbst in der subtropischen Zone. Die Äquatorialgreuze des
Schneefalles in der Ebene verläuft ungefähr unter dem
30. Breitengrade, nähert sich bei Kanton und in Südafrika dem
Wendekreise und überschreitet denselben sogar etwas in Mexiko
und an der Westseite Südamerikas.
Während im Tieflande — außer in hohen antarktischen
Breiten — der Schnee im Sommer verschwindet, bleibt er als
„ewiger Schnee" in den höchsten Regionen der Gebirge das ganze
Jahr hindurch erhalten. Hier wird er durch Winde und eigene
Schwere von den schroffen Graten und steilen Abhängen in die
weiten Mulden geführt, in denen die Täler oben endigen. Er
bildet dort zusammenhängende, nur von einzelnen schneefreien
Felspartien unterbrochene Massen, die auch in der heißen Jahres-
zeit durch Sonne und Luftwärme nicht entfernt werden. Der
Höhengürtel, in welchem wir solche Felder ewigen Schnees zuerst
antreffen, heißt Schneegrenze. Oberhalb derselben herrscht An-
Häufung, unterhalb Abschmelzung des Schnees vor. Die Schnee-
grenze fällt weder mit einer bestimmten Isohypse noch mit einer
Höhenisotherme zusammen, denn weder die orographische Beschaffen-
heit des Gebirges noch die Luftwärme allein bedingen ihren Verlauf.
Es kommen für _ sie außer der Temperatur und Feuchtigkeit der
Lust noch die Niederschlagsmenge und die Beziehungen des Ge-
birges zur Sonnenbestrahlung und zur herrschenden Windrichtung
in Frage. Daß nicht allein die Luftwärme die Schueegrenze
beeinflußt, ergibt sich daraus, daß ihre größte Höhe von 6000 m
sich nicht in äquatorialen Breiten, sondern in trockenen Passat-
gebieten findet (Westseite der peruanischen Gebirge unter 18" 8.
12*
— 180 —
Kuenlun unter 36° N). Wie sehr sie durch die Niederschlags-
menge bestimmt wird, zeigt ein Vergleich ihrer Lage an den
trockenen und an den feuchten Seiten der Gebirge. So liegt sie
beim Kilima-Ndscharo auf der Regenseite (8 und W) 4000 m,
auf der Trockenseite (N und 0) 5600 m hoch, und bei den pern-
anischen Anden sind die entsprechenden Zahlen 5000 (Ostseite)
und 6000 m (Westseite). Geringere Unterschiede in der Höhe der
Schneegrenze zeigen die Sonnen- und die Schattenseiten eines
Gebirges. Auf der Nordseite der Alpen liegt sie nur 200 m
tiefer als auf der Südseite. Daß sie endlich mit wachsender
geographischer Breite sinkt, ist selbstverständlich. So liegt sie in
den Alpen (46—48° Br.) 2500—2900 m hoch, an der norwegischen
Küste unter 60° Br. 1200 m, daselbst unter 70° Br. 800 m und
auf Spitzbergen (77° Br.) uur noch 400 in. Diese Abnahme
geht aus der südlichen Halbkugel noch rascher vor sich und viel-
leicht — in antarktischen Landgebieten — bis aus den Meeres-
spiegel herab.
Wenn auch oberhalb der Schneegrenze die Verdunstung nicht
fehlt, so vernichtet sie doch nur einen geringen Bruchteil der
Schneemassen. Diese würden sich mit der Zeit auf allen höheren
Gebirgen in ungeheurer Menge ansammeln, wenn nicht die Natur
zwei Mittel hätte, sie wärmeren Regionen zuzuführen, wo sie
aufgelöst werden. Das geschieht durch die Lawinen und die
Gletscher.
Die Lawinen sind größere Schneemassen, die von den steilen
Berghängen plötzlich ins Tal stürzen. Sie treten in verschiedener
Form auf; denn von der Gestaltung der Berge und Felswände,
von ihrer die Schneeanhäufung mehr oder minder begünstigenden
Lage hängt es ab, wie groß und wie heftig die Lawine wird,
und je nach der Zeit ihres Auftretens, nach der Ursache ihres
Entstehens, nach der Dichtigkeit der fallenden Massen unterscheidet
man mehrere Arten. Kleine und im allgemeinen wenig gefährliche
Lawinen entstehen beim Niederbrechen von Wind schirmen
oder Schneeschilden, d. i. von Schneemassen, die bei starkem
Schneefall durch anhaltenden Windstrich an einer Felszinne
mauerartig aufgetürmt werden, und deren zentnerschwere Last
oft, vom Felsgemäuer abgelöst, nur aus schmaler Grundlage ruht.
Die geringste Lufterschütterung durch den Schuß eines Jägers,
den Knall einer Peitsche, d-as Jauchzen eines Sennen oder den
Flügelschlag eines Vogels genügt mitunter, den kaum vorhandenen
Gleichgewichtszustand zu stören und die Schneemassen hinunter
zu stürzen (Vgl. Schillers Worte: „Und willst du die schlafende
Löwin nicht wecken, so wandle still durch die Straße der Schrecken"). —
Weit verderblicher sind die Staublawinen. Sie entstehen
vorzugsweise im Winter, wenn dichte Massen feinen, sandähnlichen
Schnees ans ältere, gefrorene, glatte Schichten an steilen Hängen
fallen. Aus dieser glatteu Unterlage finden sie keinen Halt, und
ein Windstoß, der Tritt einer Gemse n. dgl. genügen, um sie ins
— 181 —
Gleiten zu bringen. Die oben liegende Schicht rutscht zuerst langsam
abwärts, reißt'dann die unteren Massen mit sich, überschlägt sich,
stäubt hoch auf, teilt sich und rast mit immer größerer Eile, mit
immer furchtbarerer Wucht zu Tale. Der entstehende Lustzug
ruft dabei auch auf benachbarten Halden neue Schneestürze wach.
Die Lawine reißt auf ihrem Wege Steine und Gebüsche mit fort,
bricht krachend in den Wald, begräbt Häuser, Vieh und Menschen
in ihrer ungeheuren Schneemasse und stürzt so mit Donnergetöse
den Berghang hinab, bis sie im Tale zur Ruhe kommt. Ist das
ein Flußtal, so sind Stauung des Wassers und Überschwemmungen
im oberen Tale, denen später bei schnellem Auftauen des Schnees
talabwärts andere folgen, nicht selten weitere Folgen des Sturzes.
Von den Vergweiden, welche die Lawine auf ihrem Gange trifft,
werden oft Gras und Erde bis auf das nackte Gestein weggerissen,
und wo sie im Tale Acker und Wiesen überdeckt, läßt sie eine
Menge Steingeröll zurück. Der durch ihren raschen Sturz ver-
ursachte Luftdruck ruft häufig noch dort Schaden hervor, wohin
die Lawine selbst nicht kommt; er bricht Bäume, deckt Häuser ab
und stürzt Hirt und Herde in den Abgrund. — Noch verderblicher
sind die Wirkungen der Schlag- oder Grundlawinen. Sie
sind eine Erscheinung vornehmlich des Frühjahrs, wenn die
wärmere Lust, insbesondere der Föhn, die Schneehänge erweicht.
Das einsickernde Schneewasser macht den Fels oder Rasen unter
der dichten Schneedecke schlüpfrig, unterhöhlt letztere und lockert
ihre Verbindung mit dem Boden. Dem Gesetze der Schwere
folgend, gleitet nun die gewichtige, aus altem^ sestgelagertem
Schnee bestehende Masse abwärts, gewinnt dabei immer mehr
an Eile und schlägt in schwerem Fall aus niedere Halden,
um dort andere Schneemassen in donnerndem Sturze mit
sich zu reißen. Wie im Gegensatze zu den Staublawinen
die Bildung der Grundlawinen hauptsächlich aus das Früh-
jähr beschränkt ist, so unterscheiden sie sich von jenen auch
außer durch ihre dichtere Masse uoch durch ihre regelmäßigem:
Wege, ihre ausgefegten Felsrinnen, die man „Lawinenzüge"
nennt. In ihrer Wirkung sind sie ihrer kompakteren Masse
wegen noch verderblicher als die Staublawinen. Wenn von
diesen bei ihrem Niedergange Menschen verschüttet werden, so
können sie nicht selten aus dem lockeren Schnee durch eigne Krast
oder fremde Hilfe ohne großen Schaden herauskommen; wer aber
von einer Schlaglawine begraben wird, ist in der Regel verloren,
da er in dem dichten Material bewegungslos eingepreßt ist und
bald ersticken muß, wenn nicht schon vorher Genick oder Rückgrat
ihm gebrochen wurde.
Da die Grundlawinen gewöhnlich bestimmte Bahnen ein-
schlagen, so hat man in bewohnten Gebirgen mancherlei Maßnahmen
zum Schutze gegen sie getroffen. In den Alpen, wo z. B. allein
in der Gotthardgruppe jährlich etwa 5CX) regelmäßig wiederkehreude
Lawinen niedergehen, werden manche Orte durch'„Bannwälder"
— 182 —
geschützt, durch Hochwälder, die auf Gemeiudebeschluß „in Bann
gelegt", d. h. für unantastbar erklärt sind. Das Entstehen einer
Grundlawine sucht man durch „Verbauung" des Lawinenzuges
zu hindern, indem man in dem oberen Teile der Bahn kleine
Mauern zieht oder Reisigbündel durch Pfähle befestigt, um das
Abgleiten der Schneemassen zu verhindern. Einzelne Gebäude
werden in einigen Kantonen der Schweiz mittels „Spaltecken"
geschützt, d. h. durch giebelhohe Erd- oder Steinwälle, die im
spitzen Winkel gegen die Lawinenseite zusammentreffen, um die
herabkommende Schneemasse zu teilen und seitwärts abzulenken.
Aus den Alpenpässen sind an den Stellen, die durch Grundlawinen
regelmäßig gefährdet werden, aufgemauerte, gewölbte Gäuge,
sogenannte Galerien, angebracht, über die hinweg die Lawine in
die Tiefe geht.
d. Die Gletscher. Als Gletscher bezeichnet man im weitesten
Sinne alle aus dem Schnee entstandenen dauernden Eisbildungen,
also auch die gewaltigen Eismassen, die als Inlandeis Grönland
und andere polare Gebiete bedecken. Man spricht deshalb auch
von einer Vergletscherung Grönlands oder Nordeuropas zur
Eiszeit. Wir sassen hier jedoch vorerst den Begriff enger und
beschränken ihn auf die Eisströme der Gebirge, die man, da sie
in deu Alpen am eingehendsten erforscht sind, wohl alpine
Gletscher nennt.
Die Entstehung und Struktur der Gletscher ver-
anschaulicht ein Vorgang, den man bei uns in jedem Winter
beobachten kann. Der beim Fallen weiche und lockere Schnee
wird hart und körnig, sobald er längere Zeit liegen bleibt. Durch
eintretende milde Witterung und durch die Wirkung der Mittags-
sonne auch an Frosttagen werden in der obersten Schneedecke die
einzelnen Schneeflocken zu Wassertröpfcheu umgewandelt, die
einsickern uud in den tieferen Schichten zu Eiskörnern gefrieren.
Diese Umbildung des Schnees wird durch den Druck der oberen
Massen auf die unteren noch gefördert, so daß in Schneehausen,
die wochen- oder monatelang liegen bleiben, die unteren Partien
fast zu körnigem Eis verwandelt werden.
In den über der Schneegrenze liegenden Mulden der Hoch-
gebirge entsteht so durch Auftauen, Wiedergefrieren und Druck
aus dem ursprünglich lockeren Schnee der körnige Firn,*) der
allmählich zu festem, aber schmiegsamein Eis wird. An der
niedrigsten Stelle der Muldeuumrandung tritt Zuletzt eine Eiszuuge
heraus, die durch eigne Schwere und durch den Druck der oberen
Massen sich talwärts vorschiebt. Das ist der Gletscher. Je weiter
dieser abwärts vordringt, desto mehr wird durch Druck, Abtauen
und Wiedergefrieren seine Struktur verändert. Das von unzähligen
Haarspalten durchzogene Gletschereis besteht anfänglich aus
*) Von „fern" = vorjährig; daher in Tirol die Bezeichnung „Ferner"
für Gletscher.
— 183 —
Eiskörnern und hat wegen der eingeschlossenen kleinen Luftblasen
weiße Farbe. Das weiße Eis ist aber mit vielen Streifen und
Bändern von blauem Eis durchsetzt, deren Zahl nach dem Ende
des Gletschers hin zunimmt. Das blaue Eis enthält weniger
Luft als das poröse weiße, schmilzt deshalb nicht so leicht und
bildet auf der Oberfläche des Gletschers zahlreiche kleine Erhöhungen,
die quer über den Eisstrom lausende Linien (Ogiven) hervorrufen.
Die Entstehung dieser gebänderten Struktur ist noch nicht völlig
geklärt. Während einige Forscher annehmen, daß die blauen
Bänder durch Druck umgewandelte und löffelförmig aufwärts
gebogene Firnschichten sind, schreiben andere die Bildung des
blauen Eises den Temperaturverhältnissen innerhalb des Gletschers
zu. Da mit wachsendem Druck der Schmelzpunkt aller Körper,
die sich — wie das Eis — beim Schmelzen zusammenziehen,
sinkt, so ist erklärlich, daß auch bei einer etwas unter 0° liegenden
Temperatur kleine Wassermengen im Eisstrome sich vorfinden.
Wenn aber das Wasser in Hohlräume gelangt, so wird der Druck
vermindert, und das Wasser gefriert zu sestem, blauem Eis. Die
dabei frei werdende Wärme kann auf der andern Seite wieder
ein Schmelzen bewirken u. f. w.
Die Bewegung der Gletscher ist eigentümlich. Infolge
feiner eigenartigen Struktur ist das Gletschereis keine völlig
starre, sondern eine plastische, „dickflüssige" Masse. Deshalb ist
die durch eigne Schwere und durch den Druck von oben bewirkte
Abwärtsbewegung des Gletschers eine gleitend-sließende, d. h.
beim Hinuntergleiten der Eismasse findet zugleich, entsprechend
der Wasserbewegung in einem Flusse, eine Verschiebung der einzelnen
Teilchen gegeneinander statt. Die Geschwindigkeit der Bewegung
ist daher in der Mitte der oberen Schichten am größten und wird
am Grunde und an den Rändern durch Reibung verzögert. Darum
bilden auch die Bäuder oder Ogiven, die in der Nähe der Firn-
mulde kaum merklich gekrümmt sind, immer spitzere Bögen, je
weiter sie dem Ende des Eisstromes zu liegeu. Die plastische
Struktur des Eises besähigt den Gletscher, Unebenheiten aus der
Sohle seines Bettes leicht zu überwinden, sich bei Erweiterung
des Tales seitwärts auszudehnen, überhaupt der Form des letzteren
sich anzupassen. Die Geschwindigkeit der Bewegung ist außer
von der Neigung der Talsohle namentlich von der Mächtigkeit
des Gletschers abhängig, und diese wird wieder durch die Temperatur-
Verhältnisse und die Menge der Niederschläge bedingt. Das Vor-
rücken beträgt in den Alpen durchschnittlich täglich 1 m im Sommer
und 0,1 bis 0,4 m im Winter. Ein Schneeteilchen braucht z. B.
450 Jahre, um vom Gipsel der Jungfrau bis zum Ende des
Aletschgletschers zu gelangen. Bei den gewaltigen Gletschern im
Himalaya beträgt die Fortbewegung 2—4 m täglich; bei den
Gletschern Grönlands steigt sie bis auf 32 m.
Gletscherphänomene. Über die Moränen vgl. S. 87.
Trotz der großen Schmiegsamkeit des Eises zeigt der Gletscher
184 —
doch unzählige Spalten. Sie reichen oft bis auf den Grund
und haben eine Breite bis zu 30 m. Wenn das Bett in der
Mitte höher ist als an den Seiten, oder wenn es sich plötzlich
verbreitert, so entstehen Längsspalten (Fig. 62). Eine quer das
Bett durchsetzende Stufe er-
zeugt Querspalten (Fig. 63)
oder bewirkt bei genügend
starker Neigung wohl gar
ein Zerfallen des Eisstromes
«iq 62 in Trümmer. Die Rand-
Schematischer Querschnitt durch einen ^
Metscher. Entstehung der Länasspalten. ^ Wuuel von 30 4o
stehen, werden
durch die
schnellere Be-
wegung des
Eises in der Mitte
verursacht. In
Fig. 64 sei A ein
Stück des Glet-
schers. Es hat
nach einiger Zeit
Fig. 63. die Form A i an-
Schematischer Längsschnitt durch einen Gletscher. genommen, das
Entstehung der Querspalten. Gletschertisch. Gletschertops. Quadrat a x|t zu
ai verzerrt, und
die Linie x y ist zu xi yi gedehnt. Einer
solchen Streckung kann das Eis nicht folgen
und reißt quer zu Xj yi iu der Spalte 8 8.
Die Gletscherspalten schließen sich, sobald die
Ursache ihrer Bildung geschwunden ist. Da
sie hüusig von Schneedecken überbrückt sind, so
bringen sie den Touristen bei einer Gletscher-
Überschreitung in große Gefahr. — Durch die
Einwirkung der Souuenstrahlen und der warmen
Luft in den uutereu Talgebieten schmilzt das
Eis an der Oberfläche des Gletschers. Das
in zahlreichen kleinen Rinnsalen abfließende
Wasser gelangt durch die Spalten bis aus den
Grund und sammelt sich hier zu einem Bache,
der sich unter dein Eisstrom einen Weg bahnt
und an seinem Ende aus einer halbkreisförmigen
Öffnung hervortritt. Wegen seiner weißlichen
Färbung, die durch den mitgeführten Schutt
verursacht wird, nennt man den Gletscher-
bach wohl Gletschermilch. Die Austrittsöffnung
heißt das Gletschertor und ist eine bis 30m
hohe Grotte. — Wenn größere an der Oberfläche
A
a- >
4
' !•
Fig. 64.
Randspalten
(nach Supan).
— 185 —
des Eisstromes entstehende Bäche in eine Spalte stürzen, so
gerät an deren Grund das Wasser in kreisende Bewegung
und bildet mit der Zeit tiefe, rundliche Löcher. Fällt ein
Moränenblock in eine solche Gletschermühle, so wird er
mit herumgewirbelt und schleift unter günstigen Verhältnissen
ein tiefes Loch noch in den selsigen Untergrund. Derartige
Löcher heißen Gletschertöpfe. Sie werden nicht selten in
ehemals vergletscherten Gegenden gesuuden und zeigen mitunter
noch den Schleifstein, der sie aushöhlte. Die schönsten Gletscher-
topfe sind im sog. Gletschergarten zu Luzern; der größte von
ihnen ist 8 in tief und 7,5 m breit mit einen: Mahlsteine von
etwa 1 in Durchmesser. — Gewährt ein breiter Moränenblock
dem unter ihm liegenden Eise Schutz vor den Sonnenstrahlen,
die ringsum das Eis schmelzen, so bildet sich allmählich eine
Eissäule heraus, die oben den Stein trägt. Eine solche Er-
scheinung heißt Gletschertisch (Fig. 63; vgl. Entstehung der
Erdpyramiden S. 67).
Die Länge der Gletscher ist vielen Schwankungen
unterworfen. Die Eisströme rücken eine Zeitlang mit ihrem
unteren Ende talwärts vor, um dann wieder aufwärts zurück-
zuweichen. Diese Schwankungen sind von den Witterungsver-
Hältnissen abhängig, und zwar sowohl von der Temperatur im
Abschmelzungsgebiete des Gletschers, als auch von den Niederschlags-
mengen in seinem Ursprungsgebiete. Fällt oben viel Schnee
und herrscht zugleich kühles Wetter, so gewinnt der Gletscher an
Dicke. Mit seiner Mächtigkeit nimmt die Geschwindigkeit des
Vorrückens talwärts zu, und von dieser hängt die Länge des
Gletschers ab. Auf feuchte und kühle Jahre folgen deshalb Vor-
stöße der Gletscher, während trockene und warme Perioden Rück-
gänge bewirken. Für die Gletscherschwankungen scheint gleich
den Schwankungen der Jahrestemperaturen eine 35jährige Periode
zu bestehen. Gegenwärtig beobachtet man in den Alpen wie in
Grönland ein Zurückgehen der Gletscher. In den Alpen gibt es
über 1100 Eisströme; der längste von ihnen ist der Aletsch-
gletscher (24 Km).
Als Inlandeis bezeichnet man ausgedehnte Firn- und
Eisdecken, die weite Gebiete, ja ganze Länder unter sich begraben.
Es findet sich schon auf einem Teile Islands und ist am mäch-
tigsten auf Grönland entwickelt, wo es wahrscheinlich noch aus
deu Eiszeiten herrührt. Hier sind über 2 Mill. qkm vom Eis
bedeckt. An der Küste endigt die Decke entweder als steile Eis-
mauer, oder sie sendet gewaltige Gletscher zum Meere hinab,
deren Zungen abbrechen uud Eisberge (S. 137) erzeugen.
Da diese Gletscher seitlich keine Felswände erodieren, so
fehlen ihnen die Oberflächenmoränen, indes Grundmoränen
vorhanden sind.
— 186 —
E. Das Klima»
Unter dem Klima*) eines Ortes versteht man den mittleren
Zustand der Atmosphäre, wie eine Zusammenstellung der Durch-
schnittswerte aus langjährigen Beobachtungen aller Witterungs-
erscheinungen ihn ergibt. Das Klima wird namentlich von vier
Faktoren bedingt: der Temperatur, den Niederschlägen, den
herrschenden Winden und den orographischen Verhältnissen. Zieht
man — wozu die ursprüngliche Bedeutung des Wortes Klima
ja leicht verführt — lediglich die geographische Breitenlage des
Ortes in Rechnung, so bestimmt man das solare oder mathematische
Klima. Es beruht in erster Linie aus der Temperatur, die ja
vor allem von der Wärmeeinstrahlung nach ihrer Dauer und nach
dem Winkel, unter welchem sie stattfindet, abhängig ist. Berück-
sichtigt man aber die übrigen genannten Faktoren neben manchen
anderen, so gewinnt man das wirkliche oder physische Klima.
Nur dieses bezeichnet den jährlich wiederkehrenden Zustand der
Atmosphäre über dem betreffenden Gebiete.
Von besonderer Bedeutung sür das Klima einer Gegend ist
ihre Lage zum Meere. Dieses wirkt im Sommer abkühlend
auf die leicht erhitzten benachbarten Landmassen ein und mäßigt
im Winter durch Wärmezufuhr deren Kälte. Es beeinflußt also
ausgleichend die Temperatur des Landgebietes und führt diesem
außerdem durch die feuchten Seewinde bedeutende Niederschläge
zu. Ein solches durch die Einwirkung des Meeres gemildertes
und niederschlagsreiches Klima bezeichnet man als ozeanisches
oder Seeklima. Innerhalb großer Landmassen ist der Himmel im
allgemeinen wenig bedeckt. Die Einstrahlung der Wärme im
Sommer und ihre Ausstrahlung im Winter gehen deshalb fast
ungehindert vor sich und schaffen große Unterschiede zwischen
Sommerhitze und Winterkälte. Diese ohne lange Übergangszeiten
rasch aufeinander folgenden Temperaturgegensätze neben der ver-
hältnismäßig geringen Niederschlagsmenge charakterisieren das
kontinentale oder Landklima. — Der Einfluß des Waldes
auf das Klima wird vielfach überschätzt. Die Waldbedeckung
mildert durch Hemmung der Ein- und Ausstrahlung ein wenig
die Temperaturschwankungen für den Boden und für die Luft
unter den Bäumen und schützt gegen den Wind. Da ferner der
Wald die Erdfeuchtigkeit festhält, und da diese auch eine Quelle
der Niederschläge ist, so kann man eine große Waldlandschaft
unter sonst gleichen Verhältnissen für niederschlagsreicher ansehen
als ein vegetationsloses Gebiet. Jedoch darf man den Einfluß
des Waldes auf die Niederschläge nicht zu hoch bewerten und
muß beachten, daß die von einem Waldgebiete erzeugte Feuchtigkeit
durch Winde anderen Erdräumen zugeführt werden kann. Endlich
ist nicht zu vergessen, daß der Wald ungeheure Mengen von
*) Das griechische Wort bedeutet Neigung, nämlich die Neigung der
Erdgegend zur Sonne.
— 187 —
Kohlensäure der Luft einzieht und dafür das für das Wohlbe-
finden der Menschen so wichtige Ozon ausatmet.
Klimagürtel der Erde. Wenn man große Erdräume
hinsichtlich 'ihres Klimas vergleicht, so beachtet man dabei zumeist
das Klima der Ebenen. Die Gebirge ragen als eine Art klima-
tischer Inseln aus der Umgebung hervor und zeigen selbst in
den Tropen in ihren verschiedenen Höhenstufen manche Klima-
erscheinuugeu höherer Breiten. Die großen Klimagürtel der
Erde sind vor allem durch die Verteilung der Wärme bedingt;
daher fallen ihre mathematischen Grenzlinien — Wendekreise uud
Polarkreise — mit den Grenzen der Temperaturzonen (S. 161) —
Jahresisotherme + 20° und 10° Isotherme des wärmsten
Monats — ziemlich zusammen.
Die heiße oder tropische Zone. Sie liegt zwischen
den Wendekreisen und hat demnach in der Wärmeeinstrahlung
nach Einfallswinkel und Dauer nur unbedeutende Unterschiede.
Die hierdurch bedingten geringen Temperaturschwankungen werden
noch mehr ausgeglichen durch die überwiegende Wasserbedeckung
und durch die ausgedehnten Wälder, sowie dadurch, daß die an
den Grenzen der Zone liegenden Gürtel hohen Luftdrucks das
Eindringen kalter Luftströme vom Pol her verhindern. Die
mittlere Jahrestemperatur liegt etwa zwischeu 20 uud 30° C.,
und für einen bestimmten Ort beträgt die jährliche Wärme-
schwankuug nur 1—5°C., die tägliche selten mehr als 10—12° C.
abgesehen von Wüsten, wo die Unterschiede zwischen Tag- und
Nachtwärme erheblicher sind. Auch die durchschnittlich sehr hohe
Lustfeuchtigkeit zeigt verhältnismäßig geringe Schwankungen, so
daß in den Tropen im allgemeinen ein ozeanisches Klima mit
feuchtwarmer „Treibhausluft" herrscht. Diese ist zwar für den
Pflanzenwuchs außerordentlich fördernd, wirkt aber auf deu
menschlichen Körper erschlaffend, und die durch überreichen Regen
hervorgerufene starke Zersetzung des Bodens erzeugt leicht schwere
Krankheiten, wie Sumpffieber, Malaria u. a.
2. Die beiden gemäßigten Zonen zwischen Wendekreis
und Polarkreis. Sie rechtfertigen ihren Namen durch ihre
mittleren Jahrestemperaturen (-f-200 bis — 10° C.), die zwischen
den hohen Wärniegraden der Tropen und der großen Kälte der
Polargegenden die Mitte halten. In den beiden gemäßigten
Zonen kommen starke Temperaturschwankungen vor, am meisten
in der nördlichen mit ihren ausgedehnten Landmassen. Dort
haben einzelne Gebiete Wärmegrade, die denen der Tropen nicht
nachstehen, und an anderen Stellen ist die Kälte nicht geringer
als in den Polargegenden. Die südliche gemäßigte Zone hat infolge
ihrer vorherrschenden Wasserbedeckung eiue mehr gleichmäßige
Temperatur. Die den Wendekreisen benachbarten Gürtel haben
ein _ subtropisches Klima mit Winterregen und Sommerdürre.
Weiter den Polen zu herrschen vier Jahreszeiten, die namentlich
in den Westhälften der Kontinente mit ihrem vorwiegenden
— 188 —
Seeklima deutlich ausgeprägt sind, während beim ausgesprochenen
Landklima die Übergangszeiten zwischen den warmen und den
kalten Perioden an Daner abnehmen. — Für den menschlichen
Organismus ist der Wechsel der Jahreszeiten sehr anregend; er
erhöht die Widerstandsfähigkeit und verleiht Spannkraft. Daher
besitzen die Bewohner der gemäßigten Zonen neben körperlicher
Tüchtigkeit auch in geistiger Hinsicht größere Frische und Ausdauer
als die Tropenbewohner und sind zu Trägern der Kultur
geworden.
3. Die kalten Zonen innerhalb der Polarkreise haben
eine mittlere Jahrestemperatur von 5 bis — 20° C. Die
Einstrahlung kann nur unter kleinem Winkel stattfinden und in
der warmen Jahreszeit trotz langer Dauer nur geringe Luftwärme
bringen, da ein großer Teil der Wärme zum Schmelzen der im
Winter entstandenen Eis- und Schneemassen verbraucht wird.
Obgleich die Kälte bei der meist trockenen Luft dem menschlichen
Körper nicht unzuträglich ist, wirkt die geringe Abwechselung in
der Witterung in Verbindung mit der langen Polarnacht in
körperlicher und besonders in geistiger Beziehung lähmend und
abstumpfend.
Klimaschwankunsten. Langjährige Beobachtungen der
Witterungsverhältnisse haben zu der Annahme geführt, daß das
Klima periodischen Schwankungen unterworfen ist. Der
Sonnensleckenperiode von 11 Jahren, die den Erdmagnetismus
und die Polarlichter beeinflußt, scheint eine Klimaschwankung
von gleicher Dauer zu entsprechen. Man hat gefunden, daß mit
der Zahl und Größe der Sonnenflecke die Winde und Niederschläge
zu- und abnehmen, während bezüglich der Temperatur die Unter-
suchungen noch zu keinem Ergebnis führten. Ferner deuten
die wechselnde Ausdehnung der Gletscher und der verschiedene
Wasserstand in abflußlosen Seen aus eine 35jährige Periode der
Klimaschwankungen hin. Aus anderen Anzeichen, z. B. aus den
verschiedenartigen Torfschichten skandinavischer Moore, glaubt
man einen periodischen Klimawechsel von mehr als 190 Jahren
erkennen zu können. Über die Dauer dieser großen Schwankungs-
Perioden lassen sich jedoch vorläufig ebensowenig genauere Angaben
machen, wie über die Ungeheuern geologischen Perioden, welche
in den Eiszeiten (S. 39) zum Ausdruck gekommen sind. Überhaupt
herrscht in der Forschung über Klimaschwankungen noch viel
Unsicherheit, da meteorologische Beobachtungsreihen durch lange
Jahre hindurch vorläufig noch fehlen.
F. Das jvetter.
Das Wetter (d. i. der jeweilige Zustand der Atmosphäre)
eines Ortes ist vor allem davon abhängig, ob letzterer unter dem
Einflüsse eines Lnftdruckmimmmns oder eines Maximums steht.
Das Minimum, in dem die Luft emporsteigt und sich abkühlt,
— 189 —
gibt Anlaß zur Verdichtung des Wasserdampfes und zur Wolken-
bildung. Es bringt deshalb in der Regel Niederschläge. Das
Maximum hat absteigende Lustbewegung und bewirkt Helles
und trockenes Wetter. Ferner ist zu beachten, daß die Minima
mit ihren Windsystemen meist schnell ihre Lage ändern und
darum unbeständige Witterung schassen, während die Maxima
gewöhnlich längere Zeit über derselben Gegend lagern und ihr
Beständigkeit des Wetters geben. Das Minimum ist dem
Maximum aber stets überlegen und darum in erster Linie
sür das Wetter bestimmend. Deshalb hat man bei der Vorher-
bestimmung des Wetters (Wetterprognose) vor allem darauf
zu achten, ob ein Minimum dem betreffenden Orte sich nähert,
und an welcher Seite desselben es vorüberzieht. Zur Wetter-
Prognose benutzt mau die synoptischen oder Übersichts-Wetter-
karten.
Die synoptischen Wetterkarten stellen die gleichzeitigen
Witterungserscheinungen auf weite Gebiete hin dar. Sie werden
täglich vom „Berliner Wetterbureau" auf Grund des Nachrichten-
Materials der Deutschen Seewarte in Hamburg eutworsen. Die
Deutsche Seewarte ist Zentralstation sür dieWitteruugsbeobachtung
und erhält jeden Tag telegraphische Wetterberichte von allen
Stationen Euröpas und den Hauptstationen der fremden Erdteile.
Von besonderer Wichtigkeit sind dabeidie Berichte derHöheustationen.
Die höchste bewohnte Station in Europa ist zur Zeit auf dem
Sonnenblick in den Hohen Tauern 3103 m; andere sind auf der
Zugspitze (2960 m), der Schneekoppe (1601 m) und auf dem Brocken
(1140 m). Die Wetterkarten sind täglich durch die Post zu bezieheu
(jährlich 18 J€) und werden auch von den großen Tageszeitungen
veröffentlicht.
Zur Vorherbestimmuug des Wetters für einen Tag
vergleicht man die Wetterkarten der nächstvorhergenden Tage
miteinander und achtet dabei hauptsächlich auf die Bewegung der
Minima. Man findet bald heraus, daß die Minima, welche für
Nordwesteuropa in Frage kommen, sich gewöhnlich zuerst westlich
der britischen Inseln bemerkbar machen und bei ihrem Weiter-
schreiten nach Osten gewisse Wege so sehr bevorzugen, daß man
diese als ihre Zugstraßen bezeichnen kann. Die wichtigste der-
selben sührt von England nordöstlich nach Skandinavien, so daß
die meisten Minima nördlich von uns vorüberziehen.- Die Folge
davon ist, daß wir bei der Annäherung eines Minimums Süd-
ostwind haben, der dann beim weiteren Vorrücken der Depression
von einem warmen Südwind, darauf von feuchten, Niederschläge
bringenden Südwest- und Westwinden und zuletzt von kühlen Nord-
west- und Nordwinden abgelöst wird. Da die Minima in der Regel
nördlich von uns vorbeiziehen, so ist auch diese Drehuug des
Windes die gewöhnliche. Sie ist als D o v e s ch e s W i n d d r e h u u g s-
gesetz („Von Ost nach Nord kann sich der Wind nicht drehen;
stets muß er mit dem 'Sonnenlause gehen") schon länger bekannt
— 190 —
und findet ihre Erklärung in dem Buys - Bullotschen Gesetz
(S. 165). Die Winde sind natürlich um so stärker, je dichter die
Isobaren liegen und _ je größer also der barometrische Gradient
ist. — Jedoch nicht innner nehmen die Minima den oben be-
zeichneten Weg. Sie ziehen auch nicht selten in südöstlicher Rich-
tung durch Frankreich nach dem Mittelmeere und haben zum Teil
ganz regellose Bahnen. Da außerdem, namentlich im Binnen-
lande, manche andere und besonders auch örtliche Verhältnisse die
Witterung beeinflussen, so ist eine Wettervorhersage nicht immer
zutreffend.
Kap. VI. Überblick über die pflanzen
und Tiere der Erde.
(Biogeographie.)
A. Die Pflanzenwelt.
1. Verbreitung der
Die Pflanzen haben als Verbreitungsbezirk die Ober-
fläche des festen Landes und die oberen Schichten des Wassers.
Die Lufthülle kann allein ihnen dauernden Aufeuthalt uicht
bieten, wenn sie auch für alle Pflanzen, deren oberirdische Teile
sie umgibt, außerordentlich einflußreich ist. Bei der Gesteinshülle
werden nur die lockeren obersten Erdschichten von Pflanzen be-
wohnt, und im Meere reicht die Pflanzenwelt nur bis höchstens
4M m hinab. So sind also der Verbreitung der Pflanzenwelt
nach der Höhe und der Tiefe hin enge Schranken gezogen; aber
ihre horizontale Ausdehnung erscheint fast unbegrenzt. Von den
glühenden Tropengegenden bis an die in Kälte erstarrten Polar-
zonen ist kaum ein Fleckchen Erde ohne Vegetation*). Sie bekleidet
spärlich den härtesten Fels und gedeiht üppig in weichsten Sumpf-
boden; sie läßt in einzelnen Algenarten die Ränder des ewigen
Schnees der Hochgebirge rötlich schimmern und findet sich in
tiefen, dunklen Höhlen und Gründen. Selbst in den ausgedörrten
Wüstenstrecken siedeln sich Pflanzen an, wo nur eine Spur von
Feuchtigkeit sich sindet, uud in den oberen Lagen des fließenden
und stehenden Wassers sind sie fast überall vertreten.
Innerhalb des so sehr ausgedehnten Verbreitungsbezirkes der
Pflanzenwelt zeigen aber die einzelnen Erdräume hinsichtlich der
Üppigkeit der Vegetation überhaupt, wie auch bezüglich der Zahl
*) Unter Vegetation versteht man den Inbegriff aller Pflanzen, unter
Flora denjenigen'der Pflanzenarten. Der Reichtum der Vegetation wird
durch die Anzahl der Individuen bedingt, der der Flora durch die Zahl
der Arten,
der Arten und der Beschaffenheit der einzelnen Gewächse sehr
große Unterschiede. Wenn auch viele Pflanzenfamilien sich über
einen großen Teil der Erde ausgebreitet haben, so gibt es doch
noch mehr derselben, die an ganz bestimmt umgrenzte Gebiete
gebunden sind. So zeigt die armselige und einförmige Vegetation
einer Polarlandschast nicht die geringste Ähnlichkeit mit der außer-
ordentlichen Fülle und Großartigkeit eines tropischen Urwaldes,
und ein Hochgebirge weist ganz andern Pflanzenwuchs auf als
die benachbarte Ebene. Es sind die Pflanzen in ihren einzelnen
Arten mehr als andere Organismen abhängig von gewissen Lebens-
bedingungen, und nur solche Gebiete, die diesen entsprechen,
können von ihnen besetzt werden. Freilich vermögen auch viele
Pflanzenarten bis zu einem bestimmten Grade sich andern _ als
den gewohnten Verhältnissen anzupassen; aber doch sind in dieser
Hinsicht sür sie die Grenzen enger gezogen als sür manche Tier-
gattungen und namentlich für den Menschen. Als geographische
Momente, die sür die Verbreitung der Pflanzen besonders von
Einfluß sind, kommen hauptsächlich das Klima und die Beschaffen-
heit des Bodens in Frage. Bezüglich des Klimas handelt es
sich dabei um Licht, Wärme und Feuchtigkeit. Wie sehr das
Licht die Gestaltung der Vegetation beeinflußt, zeigt schou der
Unistand, daß uuter den gewaltigen Baumriesen der tropischen
Urwälder mit ihrer starken Belaubung noch überall Unterholz
und Blumen vielgestaltig und farbenprächtig vorkommen, während
in unfern Breiten unter dichten Baumkroueu nur wenige und
unansehnliche Pflanzenarten im Schatten gedeihen. Neben dem
Lichte ist die Wärme von großer Bedeutuug für die Vegetation.
Nicht nur verlaugt jede Pflanzenart eine ihr zusagende Temperatur,
sondern es sind alle Äußerungen des Pflanzenlebens an besiimmte
Wärmegrade gebunden. Bei allen Pflanzen wechseln Zeiten ge-
steigerter Lebenstätigkeit mit solchen der Ruhe. Für die ersteren, die
Vegetationsperioden, ist eine bestimmte Mitteltemperatur nach
Höhe und Dauer besonders wichtig und für die Verbreituug der
Pflanzen mehr ausschlaggebend als große Kälte in den Ruhe-
zeiteu. Darum können z. B. Birke und Lärche weiter in polare
Gegenden hinein vordringen als Eiche und Buche, weil diese eiue
Vegetationsperiode von süns Monaten gegen drei bei jenen
haben. Die Verschiedenheit der Pflanzenarten in den einzelnen
Höhengürteln der Gebirge beruht auf ähnlichen Ursachen. Frei-
lich können viele Arten in Anpassung an klimatische Verhältnisse
ihre Vegetationsperiode verlängern oder verkürzen. Beiin Mais
z. B. vergehen von der Keimung bis zur Fruchtreife in den
Tropen 7, an der Polargrenze seines Vorkommens aber nur
3 Monate. Durch diese Akklimatisation wird die Verbreitung
der Pflanzen sehr begünstigt, namentlich nach wärmeren Gegen-
den hin, da Gewächse kälterer Striche leichter einen kleinen
Wärmeüberschuß ertragen als umgekehrt. Endlich ist die Feuch-
tigkeit vom größten Einfluß auf das Gedeihen der Pflanzen,
— 192 —
auf die Verbreitung ihrer Arten und die Vennehrung der Jndi-
viduen. Jede Pflanze bedarf in ihrer Vegetationsperiode eines
gewissen Maßes von Feuchtigkeit, und sie kann andauernde
Trockenheit nur ertragen, wenn sie vor Eintritt derselben ihre
Lebensäußerungen schcm beendet hat, oder wenn sie durch besondere
Einrichtungen befähigt ist, diese ohne Nachteil zeitweilig zu unter-
brechen. Da gerade die Verteilung der Niederschläge von so
vielen Faktoren abhängig ist, so ist sie auch in der Pflanzen-
geographie bezüglich der Verbreitung der Vegetation ein sehr
wichtiges Moment. — Während die klimatischen Einflüsse die
Ausbreitung der Pflanzenarten über große Erdräume bestimmen,
ist die Verteilung derselben innerhalb eines Gebietes nebenbei
von der Beschaffenheit des Erdbodens abhängig. Sowohl
die physikalischen Eigenschaften desselben (Aufnahmefähigkeit für
Wärme und Wasser, Durchlässigkeit u. s. w.), als auch seine
chemische Zusammensetzung sind bei vielen Gewächsen von Be-
deutung für die Verteilung der Arten und die Bildung der
Formen. Wenn auch manche Pflanzen so ziemlich auf jedem
Boden gedeihen, weil sie fähig sind, sich ihn: anzupassen, so ist
das Vorkommen anderer Arten auf bestimmte Bodenarten
beschränkt (Salzpflanzen, Kalkpflanzen. Kieselpflanzen). Doch ist
zu beachten, daß auch hierbei die klimatischen Verhältnisse und
mancherlei andere Umstände (Böschungswinkel des Bodens, Stand
des Grundwassers u. a.) niitsprecheu, so daß z. V. Pslauzeu, die
in trockenen Gebieten auf jedem Boden fortkommen, sich in
feuchten Gegenden auf den verhältnismäßig trockenen und warmen
Kalkboden zurückziehen.
Obgleich die einzelne Pflanze — abgesehen von den im Wasser
schwimmenden — an ihren Standort gebunden ist im Gegensatz
zu den frei sich bewegenden Tieren und Menschen, so verbreiten
sich doch die Arten der Pflanzen nach und nach über alle Erd-
räume, die ihren Lebensbedingungen entsprechen. Die Pflanzen-
Wanderung wird von der Natur durch verschiedene Mittel bewirkt.
Die natürlichste und allgemeinste Art der Verbreitung ist die, daß
ältere Pflanzen neue erzeugeu durch Bildung von Schößlingen
oder Wurzelrauken und durch Ausstreuung von Samern
Diese Ausbreitung geht nur iu der nächsten Umgebung der
Mutterpflanze und schrittweife vor sich. Wenn auch einzelne Ge-
wächse durch besondere Einrichtungen imstande sind, ihre Samen-
körner etwas weiter zu verstreuen, so müssen doch die meisten der
in der Nähe der Mutterpflanze niederfallenden Samen wegen
Mangels an Raum zur Entwicklung zu Gruude geheu. Es würde
deshalb die Verbreitung der Pflauzen nur sehr langsam erfolgen,
wenn nicht der Wind, das strömende Wasser, die Vögel und der
Mensch die Pflanzenwanderung begünstigten. Der Wind führt
nicht nur die mikroskopisch kleinen und ungemein leichten Sporen
der Kryptogamen iueit fort, sondern er kann auch viel schwerere
— 193 —
Samen tragen, wenn sie durch Haarkronen oder andere Vorrich-
tnngen zum Schweben in der Luft geeignet sind (z. B. Löwen-
zahn, überhaupt die Korbblüter, u. v. a.). Auch die Vögel tragen
zur sprunghaften Verbreitung der Pflanzen bei, indem sie Samen
im Gefieder, in den. Erdballen an ihren Füßen, im Kropf oder im
Verdauungskanal mit sich fortnehmen und in oft großer Ent-
fernung wieder absetzen. Die Flüsse führen Samen und ganze
Pflanzen mit sich fort und bewirken nicht nur eine Wanderung
der Pflanzenarten längs chrer Ufer, sondern sie bringen auch
manches Samenkorn bis ins Meer, wo es dann durch Meeres-
strömuugen weiter verfrachtet wird (S. 149). Endlich fördert
nicht am wenigsten der Mensch die weite Verbreitung der
Pflanzenarten. Er führt nicht nur absichtlich die verschiedensten
Zier- und Nutzpflanzen in alle Landstriche, die nur irgend zu
ihrem Anbau geeignet sind, sondern fast noch mehr trägt er un-
absichtlich durch den von ihm bewirkten Warenverkehr zur Ver-
schleppung von allerlei Pflanzen bei. Es ist eine bekannte Tat-
sache, daß in der Nähe von überseeischen Häfen und längs der
Eisenbahnlinien fremde Gewächse angetroffen werden, deren Samen
beim Entladen der Schiffe verstreut oder durch den Lustzug aus
den Gepäck- und Frachtwagen entführt wurden.
Außer den Faktoren, die noch heute die Pflanzenwanderung
bedingen, find noch die geologischen und klimatischen
Veränderungen in srüheren Zeiten der Erdgeschichte sür die
Verbreitung der Pflanzen bedeutsam. Während in einzelnen Ge-
bieten, z. B. in vielen tropischen Ländern, im Kapland, auf dem
Festlande Australiens, die Pflanzenwelt sich seit der Tertiärzeit
ziemlich ungestört entwickeln konnte und deshalb ihr altes Gepräge
vielfach bewahrt hat, wurde in anderen, z. B. im Mittelmeer-
gebiet, durch Änderungen des Klimas oder des geologischen
Baues eine Mischung älterer und jüngerer Arten bewirkt, und
in den zur Eiszeit von Gletschern oder abflußlosen Binnenseen
bedeckten Räumen (Nordeuropa, aralo-kaspische Senke) verschwand
die alte Pflanzenwelt gänzlich. Auf die Eiszeit zurück führt auch
die Ähnlichkeit der polaren Flora mit der unserer Hochgebirge.
Daß die geringere oder größere Übereinstimmung der Vegetation
einer Insel mit der des benachbarten Festlandes (Großbritannien
und Irland — Belgien und Deutschland) auf eine frühere oder
spätere Lostrennung der Insel hindeutet, wurde schon erwähnt
(S. 104).
2. Wegetntionstypen.
Gebiete mit gleichen Lebensbedingungen sür die Pflanzenwelt
sind vorherrschend mit Pflanzenarten besetzt, die in ihrer An-
Passungsfähigkeit an jene sich nähern. Sie bilden zusammen-
gehörige Pflanzengruppen, die man zu Vegetatiousformatiouen
zusammenfaßt, um diese, wenn es sich um einen Überblick über
W. Techter, Allgemeine Erdkunde. 13
— 194 —
die Pflanzenwelt der ganzen Erde handelt, wieder auf Vege-
tationstppen zurückzuführen.
Unter ihnen steht das Waldland in erster Linie. Wald
findet sich außer in den arktischen Gegenden in allen Breiten; er
ist die am meisten verbreitete Vegetationsform und ist, da er in
gewaltigen Stämmen die organische Substanz für viele Jahr^
zehnte, "ja sür Jahrhunderte aufspeichert, das höchste Erzeugnis
vegetativer Arbeit. Die Arten der Bäume in den Wäldern
nehmen mit den die Vegetationsperiode verlängernden klimatischen
Verhältnissen an Zahl' zu, also besonders mit der Feuchtigkeit,
der Wärme und dem Lichte. In den subarktischen Gebieten
sind Lärchen- uud Birkenwälder vorwiegend. Auch in den
gemäßigten Breiten herrschen gleichartige Bestände vor, in
den trockenen Gegenden immergrüne Nadelbäume, auf feuchten!
Boden sommergrüne, also laubwechselnde Laubwälder. An die
Birkenwaldungen Schwedens uud des nördlichen Rußlands
schließen sich nach Süden hin Eichen-- und dann Buchenwälder,
daneben als Nadelhölzer im Norden Kiefer und Fichte, im Süden
die Tannen. Unter den die Nadeln abwerfenden Lärchen, den
lichten Birken und den in der Krone weitausladenden Eichen
gedeihen Unterholz und niedere Bodenpflanzen in reichem Maße,
während diese in den Buchen- uud noch mehr in den Nadel-
wäldern, am meisten unter den finstern Tannen, verschwinden. —
Das subtropische Waldgebiet hat schon mehr Formenreich-
tum nebst dichterem und stärkerem Unterholz. Die Ostseiten der
nördlichen Kontinente sind reich an sommergrünen Laubwäldern
mit mannigfaltiger Artenmischung, indes in Kalifornien Nadel-
Hölzer (darunter die gewaltige Sequoia gigantea, 140 in) und in
Europa reine Bestände von Eichen, Buchen und Birken vor-
herrschen. Buchenwälder, die eine milde Wintertemperatur ver-
langen, finden sich vorwiegend im westlichen und mittleren,
Eichenwälder im östlichen Europa. Im Mittelmeergebiete mit
seinen trockenen Sommern ziehen diese Waldbäume sich mehr auf
die Gebirge zurück und werden in der Ebene durch immergrüne
Laubbäume mit steifen Blättern ersetzt, die den heißen Sommer
ohne Nachteil überdauern. Auf hartem, steinigem Boden artet
der Wald vielfach iu Buschwald und Strauchhalden ans. — Im
Tropen walde bewirkt das heiße uud feuchte Klima mit seiner
Lichtfülle eine außerordentliche Üppigkeit des Wuchses und der
Belaubung, uud die seit frühen Zeitaltern ungestörte Entwicklung
schus einen ungemeinen Artenreichtum der Gewächse. Durch
Buschwerk und Schlingpflanzen wird der Wald oft undurch-
dringlich gemacht; er ist meist noch Urwald, der jeder Pflege
durch Menschenhand entbehrt. Wo er gleichartige Bestände hat.
erscheint er häufig als Palmenwald (Westafrika), Bambuswald
(Indien), Baumfarnwald (Australien) oder Mangrovenwald (mit
Luftwurzeln; iu Strandgebieten). Iu periodisch trockenen
Strichen außerhalb des Gürtels mit Aqnatorialregen ruft die
— 195 —
Bodenfeuchtigkeit längs der Flußufer oder der Steigungsregen an
Berglehnen den Galeriewald mit etagenförmig übereinander
liegenden Laubdecken hervor.
Wo die Bodenfeuchtigkeit zur Erzeugung von Hochwald nicht
ausreicht, tritt oft die Strauchhalde auf. Da^ das Feuchtig-
keitsbedürfnis der Pflanzen mit der Temperatur wächst, so kommen
Strauchhaldeu am meisten in wärmeren Breiten vor. Im süd-
lichen Afrika, das unter allen Tropenländern am wenigsten Regen
empfängt, ist die Strauchhalde die vorherrschende Vegetations-
form. Sie ist dort hauptsächlich aus dornigen Büschen gebildet.
In Westaustralien ist die Form des Buschlandes als Skrub*)
am reinsten ausgeprägt und zeigt undurchdringliche Dickichte von
Sträuchern mit starrem, immergrünem Laube, die gelegentlich von
Bäumen unterbrochen sind, aber Gräser und Kräuter sast völlig
ausschließen. In den Mittelmeerländern breiten sich Strauch-
Halden gern auf dem für Wasser recht durchlässigen Kalkboden
aus und bestehen aus meterhohen Sträuchern mit eingestreuten
aromatischen Kräutern. Man nennt sie Macehie**). Bei uns
tritt die Strauchhalde als Heide auf. Sie bedeckt weite Flächen
mit dem rötlichen Heidekraut, das von Büschen (Wacholder) und
einzelnen Kiefernwaldungen unterbrochen wird. Die Heideflächen
entstehen weniger aus klimatischen Ursachen, als infolge einer
Auslaugung der Nährstoffe aus den oberen Bodenschichten.
Nächst dem Walde ist das Grasland die ausgebreitetste
Negetationssorm. Es kommt in uuseru Breiten als Wiese, Weide
und Parklandschaft vor. Wiesen, die erst durch den Grasschnitt
die dauerhafte Wurzelverfilzung erhalten, sind an feuchte Gegen-
den gebunden (Marschen). Ist der Untergrund trockener, so ent-
stehen Weiden, bei denen das Gras mit aromatischen Kräutern
durchsetzt ist und durch das weidende Vieh statt des Schnittes
kurz gehalten wird. Eine Mischung lichter Waldungen mit dem
Grasland ergibt die zusammengesetzte Form der Parklandschaft.
Alle drei Arten des Graslandes haben ein immergrünes Kleid
und sind häusig an die Stelle des vernichteten Waldes getreten,
wenn die Wiederbewaldung durch Menschen, Vieh oder rauhes
Klima (Rhön) gehindert wurde. — Als Grassteppen bezeichnet
man Trockengebiete mit kurzem, büschelförmigem und mit Stauden
untermengtem Gras. Es bedeckt den Boden nicht gleichmäßig,
läßt vielmehr überall die nackte Erde durchscheinen und' vertrocknet
zeitweilig beim Ausdörren des Grundes. Wenn Regen fällt,
wird die Steppe rasch grün, und zwischen dem Grase sprießen
zahllose Blumen, meist Zwiebelgewächse, hervor. Die größten un-
unterbrochenen Grassteppen sind wohl die Pampas in Südamerika,
denen Waldinseln und Gebüsche fehlen, und wo auch Stauden
nur selten sind. Etwas weniger einförmig sind die Plains und
*) Sprich: skröb.
**) Sprich: makkie.
13*
— 196 —
bfe Prärien in Nordamerika. In den letzteren läßt die im
Sommer reichliche Bewässerung an vielen Stellen Waldungen
entstehen und macht sie zu einer Übergangsform zwischen Gras-
steppe und Waldland. Die Prärien sind überhaupt für den
Waldwuchs wohl geeignet; daß Wald meist fehlt, ist wahrschein-
lich eine Folge der von Menschenhand angelegten Präriebrände.
Besonders ausgedehnte Steppen finden sich noch in Mittelasien
und Südrußland; auch die Pußten Ungarns gehören hierher. —
Die Savannen in den Tropen haben im Gegensatz zu der meist
niedrigen Vegetation der Steppen hohe, mitunter Mannesgröße
überragende Gräser mit eingestreuten Holzgewächsen. In den
Llanos am Orinoko finden sich an den Rändern und an den
Flußläufen Baumgruppen, und in die Grasflächen der brasilia-
nischen Campos bringen Kakteen, Agaven, hohe und niedere
Sträucher Abwechselung.
Im hohen Norden, wo kein Waldwuchs mehr vorkommt,
und wo der Eisboden nur für wenige Wochen bis zu geringer
Tiefe auftaut, ist das Reich der Tundren. Sie treten in trockenen
Gebieten als Moos- oder Flechtentundren, und in Bodensenken,
aus denen das Wasser schwer absließt, als Torftundren auf. Diese
letzteren nähern sich den Mooren der gemäßigten Breiten. Die
Moore sind besonders häusig in Gegenden ehemaliger Ver-
gletscheruugen. Man trifft sie deshalb namentlich in der Nord-
deutschen Tiefebene an, und in Süddeutschlaud finden sie sich in
Gebieten, die zur Diluvialzeit gleichfalls vergletschert gewesen
sind. Außerdem haben sie, wie in der Eisel, manche abflußlosen
Seen ausgefüllt. Man unterscheidet Niederungsmoore (Grün-
land-, Wiesen-, Unterwassermoore) und Hochmoore (Heide-, Über-
wassermoore). Die Niederungsmoore entstanden in Flußtälern
und in kesselartigen Vertiefungen mit Wasseransammlung, indem
die in den Gewässern nnd an deren Rändern wachsenden Wasser-
und Sumpfpflanzen uach ihrem Absterben niedersanken und am
Grunde des Wassers, wo sie von der Luft abgeschlossen waren,
langsam vermoderten. Dadurch wurde die Eiusenkung allmählich
mit Moder ausgefüllt, und es bildeten sich ebene Wiesen, auf
denen Riedgras und Binsen zwischen Moos wuchern; auch Erlen,
Weiden und andere die Feuchtigkeit liebende Bäume und Sträucher
sind in ihnen nicht selten. Die Hochmoore sind in ihrer Ent-
stehung nicht an Wasseransammlungen gebunden, wenn sie auch
durch solche begünstigt werden. Sie bilden sich in Niederschlags-
oder nebelreichen Gegenden dadurch, daß in flachen Vertiefungen
das Wasser, auch das Grundwasser, sich sammelt und von den
sich ansiedelnden Moosarten aufgesogen und festgehalten wird.
Namentlich auf sandreichem Boden pflegen sich unter diesen Ver-
hältnissen Wassermoose (Sphagnum) einzufinden, da sie der Kieseb
säure bedürfen. Sie wuchern bei feuchtem Wetter außerordentlich
schnell, breiten sich nach den Seiten hin aus und bilden bald
Moospolster von beträchtlicher Dicke. Jede Pflanze treibt zahl-
reiche Zweige, die schnell wachsen und sich wieder durch Seiten-
sprossen stark vermehren. Die dicken Moospolster saugen das at-
mosphärische Wasser ein und bilden unten eine breiartige, braune
Modermasse, die allmählich durch die Last der oben innner weiter
wachsenden Pflanzen ganz unter Wasser gedrückt wird und ver-
kohlt. In seinen mittleren Partien wächst ein Hochmoor rascher
als an den Rändern, wo nicht so viele Generationen abgestorbener
Moose die Unterlage bilden. Dadurch erhält das Hochmoor eine
Aufwölbung nach der Mitte zu und unterscheidet sich darin vont
Niederungsmoor, das stets eben oder in der Mitte etwas ein-
gesenkt ist. Ein weiterer Unterschied besteht in dem gänzlichen
Fehlen der sür das Niederungsmoor charakteristischen Grasnarbe.
Die Pflanzen des Hochmoores sind außer Moosen die Glocken-
Heide, die gewöhnliche Heide, der Sumpfporst, das Wollgras, der
Sonnentau, die Moosbeere und andere, die nur geringe An-
forderungen an Kalk, Kali und ähnliche Nährstoffe stellen ; auf
hochgelegenen Stellen des Moores kommen auch Zwergkiefern
und'Birken vor. *)
Noch geringere Vegetation als Tundren und Moore haben
die Wüstensteppen und 'Wüsten. Wo in regenarmen Gebieten
der Boden eine dünne Humusdecke besitzt, kommen noch dürftige
Grassteppen vor. Ist die obere Erdschicht salzhaltig, so entsteht eine
Salzsteppe mit dickblättrigen oder blattlosen Salzpflanzen, die
eine lange Trockenzeit überstehen können. Wo dürrer Sandboden,
der die wenige ihm zukommende Feuchtigkeit schnell einsickern
läßt, sich ausdehnt, können nur Dornsträncher mit verkümmertem
Laube oder ganz blattlose Gewächse fortkommen, allenfalls noch
Zwiebel- oder Saftgewächfe (Kakteen). Das ist die Sand steppe,
die gleich der Salzsteppe den Übergang zur gänzlich pflanzen-
armen, jedoch selten vollkommen pflanzenlosen Wüste darstellt.
In der Sahara ist nur der bewegliche Dünensand ganz pflanzen-
leer; die Syrische Wüste hat Salzpflanzen und gleich der Arabischen
Wüste stellenweise spärlichen Graswuchs, der die Herden der
Beduinen ernährt. Armer an Pflanzen sind manche der Wüsten
auf dem Hochlande von Iran, während die innerasiatischen viel-
fach Steppencharakter haben.
Bei einzelnen der genannten Vegetationstypen hat der Mensch
seit langer Zeit ihre räumliche Ausdehnung an vielen Stellen
geregelt und im Kulturland einen eigenen Typus geschaffen.
Pamentlich ist das aus Kosten des Waldlandes geschehen, da im
allgemeinen überall, wo Wald gedeiht, auch sür den Ackerbau die
Verhältnisse günstig liegen, wie ja auch umgekehrt Kulturland
*) Nach denUntersuchungen der Moorversuchsstation in Bremen enthalten
in Norddeutschland im Durchschnitt: die Niederungsmoore: 2,5 °/g Stickstoff,
0,25 °/<> Phosphorsäure, 0,10°/« Kali, 4^ Kalk und lO«/0 andere Mineralien,
die Hochmoore: 1,3 °/«Stickstoff. 0,l0 °/y Phosphorsäure, 0,05 Kali, 0,35 °l0
Kalk und 3°/» andere Mineralien.
— 198 -
unschwer in Wald umgebildet werden kann, ja in der Regel mit
der Zeit zu Waldlaud wird, wenn es der Mensch nicht mehr in
Pflege nimmt. Wenn sich auch über die räumliche Ausdehnung
des Kulturlandes und der übrigen Vegetationstypen genaue An-
gaben mit Sicherheit uicht macheu lassen, so uimmt man doch
an, daß ungefähr „die Hälfte der Landflache dem fruchtbareu
Wald- und Kulturboden zuzurechnen ist, die andere Hälfte aber
der Steppe und dem Odlande angehört". Es umfaßt (uach
Wagner) iu Mill. qkm
Wald Kulturland Steppe Ödland Summa
Europa 3,0 4,4 0,6 2,0 10,0
Asien 13,0 9,0 9,2 13,0 44,2
Afrika 9,0 5,3 8,5 7,0 29,8
Australien und Inseln 1,3 1,0 3,4 3,3 9,0
Nordamerika 9,0 3,5 4,0 7,5 24,0
Südamerika 8,0 3,8 4,0 2,0 17,8
Unbekannte Polargebiete — — — 9,2 9,2
Summa 43,3 27,0 29,7 44,0 144,0
70,3 73,7
3. Degetationslinien, Hlegetcltionsregionen, A>öHen-
gürteC 5er Vegetation.
Da die Verbreitung der Pflanzenarten hauptfächlich oou den
klimatischen Verhältnissen der Erdräume abhängt, so hat man
für die wichtigeren Arten als Grenzen ihrer Ausbreitung auf
Karten bestimmte Linien eingetragen, die Vegetationslinien.
Sie geben die Äquatorial- bezw. Polargreuze des Verbreitungs-
gebietes an, verlaufen aber wegen der Vielgestaltigkeit der
klimatischen Verhältnisse nirgends mit den Breitenkreisen. Für
alle über den Äquator hinweg sich verbreitenden Pflanzen kann
es natürlich nur eine doppelte Polargreuze geben, während die
in den gemäßigten Zonen heimischen Arten eine Äquatorial- und
eine Polargrenze haben. Erstere wird jedoch in der Regel auf
den Karten nicht eingetragen.
Durch die Vegetationslinien werden die Vegetativ ns-
regionen umgrenzt. Wenn man von den Kleinformen absieht,
so unterscheidet man deren sieben. Zu beiden Seiten des Äquators
liegt die tropische Waldzoue. Nach den Polen zu solgeu vege-
tationsarme Steppen- und Wüstengegenden, die man wohl als
Trockenregionen bezeichnet. Weiter polwärts kommen die Wald-
gürtel der gemäßigten Zonen, von denen der nördliche sich _ bis
über den Polarkreis erstreckt. Ihm schließt sich der arktische
Tundrengürtel an, während nach dem Südpol zu aus den wenigen
vorhandenen Landflächen nach der Waldregion die antarktische
— 199 —
Eiswüste folgt. Eine Übersicht gibt folgende Tabelle (nach
Wagner):
Atathematisch Klimatisch .
Landfläche begrenzt begrenzt Vegetationsregionen Mtll. qkm
Mill. qkm Mill. qkm
n « .r, 0 _ _ Q1 1. Arktischer Tundrengürtel 9,0
1. Arktische Zone 7,7 8,1 i2 ^ördl. Waldgürtel 31,3
2. Nördl. gemäß. Zone 66,2 51,0 >3. Nördl. Trockenregionen 34,0
^ 0 ß8n 4^ Tropischer Gürtel 47,0
3. Troplsche Zone »0,0 68,0 Südl. Tropengebiete 12,0
4. Südl. gemäß. Zone 11,3 7,8 |6. Südl. Waldgebiete 1,7
5. Antarktische Zone (8,8) (9,1) 7, Antarktische Eiswüste (9.0)
144 144 144
Es gibt aber nicht nur horizontal nebeneinander liegende
Vegetationsregionen, fondern in den Gebirgen auch vertikal ab-
gestufte Höhengürtel der Vegetation. Die Gebirge bilden
gewissermaßen klimatische Inseln, und wie ihr Klima, so weicht
auch ihre Vegetation von derjenigen ihrer Umgebung ab. Als
Vegetationsgürtel solgen von unten nach oben Getreide, Laubwald,
Nadelwald und Krautmatte, die bis zur Schneeregion hinauf^
reicht. Ihre Grenzen werden gleichfalls durch Vegetationslinien
angegeben (Getreidegrenze, Grenze des Laubwaldes u. f. w.).
Diese Linien verschieben sich natürlich je nach der geographischen
Lage des Gebirges (vgl. Schneegrenze). So liegt die Getreide-
grenze an der Westseite Norwegens 340 m hoch und an der Ost-
feite 540 m, am Wasgenwalde 910 m, am Schwarzwalde 1140 m.
An den feuchten Westfeiten liegt sie der geringeren Sommer-
wärme wegen niedriger als an der Trockenseite der Gebirge. In
Peru steigt sie bis 4300 in. Ahnlich verschieden ist der Verlauf
der Waldgrenze. Die Anordnung der Vegetationsgürtel an den
Gebirgen ist also der räumlichen Verteilung der Vegetations-
formen aus der Erde entsprechend, so daß ein Besteigen des Ge-
birges in kurzer Zeit dieselben Typen zeigt, die man bei einer
Wanderung vom Äquator nach dem Pole zu antrifft.
4. Wutzpftcrnzen.
_ Eine besonders wichtige Rolle in der Verbreitung und
Weiterentwicklung vieler Pflanzenarten fpielt das Eingreifen des
Menschen. Das Pflanzenreich hat eine ungemeine große Zahl
von Gewächsen, die dem Menschen nutzbar sind, indem er von
ihnen Nabrung, Kleidung, Genuß- und Heilmittel, Rohstoffe für
feine industrielle Tätigkeit, Nahrung sür seine Haustiere u. a.
erhält. Diese Nutzpflanzen zu verbreiten, hat der Mensch von
jeher keine Mühe gescheut. Er hat Wälder gerodet, Moore eut-
wässert, Seen und Sünrpse trocken gelegt, öde Landstriche be-
wässert und die Verbreitung vieler anderer Pflanzenarten gehemmt,
um Raum zur Züchtung der ihm nützlichen Gewächse zu gewinnen.
Dabei ist durch die Pflege unter der menschlichen Hand die
Weiterentwicklung vieler Arten so gefördert worden, daß ihre
- '200 —
heutige Beschaffenheit von der ursprünglichen oft außerordentlich
abweicht, ganz abgesehen von den fast unzählbaren Arten und
Spielarten, die von manchen Pflanzen durch die Kultur ge-
wonnen sind.
a) Die hauptsächlichste Stelle unter den Nutzpflanzen nehmen
die Nahrungspflanzen ein. Unter ihnen sind wieder die
Getreidearten (Cerealien, Körnerfrüchte) am wichtigsten; denn
sie liefern der ganzen Menschheit — abgesehen von den Jäger-,
Fischer- und Hirtenvölkern — den Hauptbestandteil der Nahrung.
Die Getreidearten gehören zur Familie der Gräser, sind ein-
jährig und werden durch Aussaat vermehrt. Ihr Anbau ist ur-
alt und grundlegend für die menschliche Kultur und Gesittung
geworden. Zu ihnen sind zu rechnen Reis, Mais, Weizen,
Roggen, Gerste, Hafer, Hirse, Sorghum und auch der Buchweizen.
Der Reis verlangt während seiner halbjährigen Entwicklungszeit
eine Mittelwärme von mindestens 20» 0. und eine große
Feuchtigkeit. Sein Anbau ist deshalb auf die tropische und die
subtropische Zone beschränkt, und innerhalb dieser auf Sumpf-
gebiete oder Flächeu, die infolge natürlicher oder künstlicher
Überschwemmung feucht genug sind. Er dient mehreren hundert
Millionen Menfcfjen als Hauptnahrung. Man baut ihn an in
Europa in Oberitalien, an den Küsten Spaniens und Portugals
und im Banat; in Asien in Vorder- und Hinterindien, Java,
China und Japan; in Afrika in Ägypten und im Sudan, und
in Amerika am Golf von Mexiko und in den Küstenstrichen
Brasiliens. — Der Mais ist die einzige aus Amerika stammende
Getreideart von Bedeutung, die aber jetzt an Verbreitung kaum
einer andern nachsteht. In Amerika, wo er in den Vereinigten
Staaten die Hauptnahruugssrucht ist, gedeiht der Mais bis zum
50. o N; in Europa wird er viel in Ungarn und den Mittelmeer-
ländern angebaut; in Afrika tritt er als Nährfrucht mit dem
Sorghum und in Asien mit dem Reis in Wettbewerb. — Der
Weizen, die am meisten verbreitete Getreideart, verlangt eine
Sommerwärme von mindestens 14° C., erträgt aber nicht die
Hitze der Tropen. In Europa wächst er bis zum 62.0 N; am
großartigsten ist sein Anbau im Mississippigebiet. — Der
Roggen ist die hauptsächlichste Brotfrucht Nordenropas, wo
sein Anbau den Polarkreis überschreitet. In wärmeren Ländern
kommt er nur auf hochgelegenen Flächen fort. — Hafer und
Gerste sind jetzt nur für wenige Völker im Norden Brotfrucht,
waren es aber früher weit mehr. Beide sind in der Gegenwart
namentlich wichtig als Viehfutter, die Gerste außerdem für die
Bierbereitung. Sie ist die genügsamste Getreideart und kommt
bis zum 70.° N vor. — Die Hirse ist als Volksnahrungsmittel
jetzt in Deutschland viel weniger wichtig als früher. Im Gegen^
satz dazu ist der Sorghum (Mohrenhirse, Dnrrha) eine der be-
deutsamsteu Nahrungspflanzen für Zentralafrika und Südasien. —
Der Buchweizen, nicht zu den Gräsern gehörig, hat dadurch
— 201 -
große Bedeutung, daß er auf dem dürftigsten Saud- und Moor-
boden fortkommt, wo andere Getreidearten nicht gedeihen. Er
wird viel in den Heidegebieten Norddeutschlands, in Rußland
und in den Vereinigten Staaten angebaut.
An zweiter Stelle sind als Nahrungspflanzen einige Knollen-
gewächfe zu nennen. Unter ihnen ist die aus Südamerika
stammende Kartoffel die bei weitem wichtigste. Sie ist mit
Ausnahme der wärmsten Länder fast über die ganze Erde ver-
breitet, vermag selbst auf dem magersten Sandboden zu gedeihen
und wächst in Gebirgen noch in Höhen, in denen kein Getreide
mehr sortkommt. In vielen mitteleuropäischen Ländern ist sie
geradezu „das Brot der Armen" geworden und hat außer als
hervorragendes Volksnahrungsmittel noch für die Gewinnung
von Spiritus und als Viehfutter Bedeutung. Für die warmen
Länder sind die Batate oder süße Kartoffel, der Maniok-
oder Cassavestrauch und die Iamswurzel für die Er-
nährung der Bevölkeruug in ähnlicher Weise wichtig.
Andere Nahrungspflanzen, die freilich fast nur in
den Tropen gedeihen, sind der Brotfruchtbaum, die Bauaue, die
Feige, die Dattel-, Kokos- und Sagopalme. Für die Mittelmeer-
länder kommen noch Orangen und Zitronen, für die Länder der
gemäßigten Zone Hülsenfrüchte, Beerenfrüchte, Obstbäume und
Gemüse in Betracht. Wenn sie auch teilweise als Volksnahrungs-
mittel nicht so große Bedeutung haben, so sind sie doch zugleich
sehr wichtige Handelsgewächse.
b) Viele Pflanzen liefern dem Menschen Genuß mittel,
deren Verbrauch mit der fortschreitenden menschlichen Kultur
stetig wächst. Sie erfordern meist besonders sorgsame Pflege,
und die Verbreitung ihrer durch laugjährige Züchtung veredelten
Spielarten ist sehr vom Klima und der Bodenbeschaffenheit ab-
hängig. Darum sind sie in ihrer Ausbreitung mehr beschränkt
als die meisten Nahrungspflanzen, und die von ihnen benutzten
Teile bilden sehr wichtige Handelsobjekte. Hierher gehören der
Kaffeebaum, der Teestrauch, der Kakaobaum, das Zuckerrohr, die
Zuckerrübe, der Tabak und der Weinstock.
c) Gewürzpslauzen wachsen fast ausschließlich in der
heißen Zone. Ihr Anbau ist räumlich noch mehr beschränkt als
der der vorigen Gruppe. Darum haben die von alters her ge-
schätzten Gewürze wiederholt die seefahrenden Nationen in ferne
Gegenden gelockt und so zu geographischen Entdeckungen, aber
auch zu blutigen Kriegen um den Besitz der Gewürze erzeugenden
Läuder geführt. — Manche Pflanzen sind auch wichtig, weil sie
begehrte Betäubungsmittel liefern. Solche find Opium
(aus Mohn gewonnen), Haschisch (aus einer Art Hanf), Koka
(das Blatt _ des Kokastrauches, aus dem man neuerdings auch
Kokain bereitet), die Arekanuß, die Kolauuß. — Aus der großen
Zahl der Arzneipflanzen fei nur der Chinchonarinden- (China-
rinden-) Baum erwähnt, der vor nicht sehr langer Zeit von
— 202 —
Südamerika aus nach Indien, Ceylon, Java und Westafrika
verbreitet wurde, und dessen Rinde das gegen Fieber angewandte
Chinin liefert.
ä) Von den Pflanzen, die uns Ol und Harz geben,
gehören die meisten der tropischen oder subtropischeu Zone an.
Besondere Bedeutung haben von ihnen der Ölbaum und die Ol-
palme. Unter den einheimischen Ölpflanzen sind Lein und Raps
zu nennen. Die für technische Verwertung so wichtigen Harze
(Kautschuk, Kopal, Guttapercha) entstammen heißen' Ländern.
e) Unter den Gespinstpflanzen, deren Kultur und Ver-
arbeituug Millionen von Menschen Arbeit und Unterhalt gibt,
ist vor allem die Baumwollenstaude wichtig. Sie wächst haupt-
sächlich^ iu deu Verewigten Staaten, in Indien und Ägypten.
Als einheimische Gespinstpflanzen sind Flachs und Hans zu
nennen.
f) Endlich sind als Nutzpflanzen uoch außer den Färb-
pflanzen die Nutzhölzer anzuführen. Sie sind allen Zonen
eigen, so weit der Baumwuchs überhaupt reicht. Als gesuchte
Handelsware gehen namentlich das Mahagoniholz von 'Mittel-
amerika und das zum Schiffsbau unübertreffliche Tikholz vou
Indien in alle Welt.
B. Die Tierwelt.
1. Lebensbedingungen der Merrvett.
Bei der geographischen Betrachtung eines Erdraumes er-
scheint zunächst die Tierwelt weniger bedeutungsvoll als die
Pflanzenwelt, die in ihren verschiedenen Vegetationsformen jedem
Gebiete ein ganz bestimmtes Gepräge verleiht. Sie drängt sich
dem Auge geradezu auf, während das Tierlebeu vorerst zurück-
tritt und erst ausgesucht sein will. Aber doch ist auch die Tier-
welt in vielen Beziehungen geographisch sehr wichtig. _ Es sei
nur daran erinnert, daß die niedere Tierwelt der Vorzeit einen
sehr großen Anteil an der Bildung der sesten Erdrinde gehabt
hat (Jura- und Kreideformation, Korallenriffe u. a.), und daß
das Tierleben der Jetztzeit gleich der Pflanzenwelt für die
Kulturgeographie in mannigfacher Hinsicht ungemein bedeutuugs-
voll ist.
Das Tierlebeu hat das Vorhandensein der Pflanzenwelt zur
Voraussetzung; denn die Pflanzen liefern den Tieren direkt oder
indirekt die Nahrung, - und ohne sie kann die Tierwelt nicht
existieren. Darum sind die Lebensbedingungen der Pflanzenwelt
im letzten Grunde auch bestimmend sür die Tiere. Zudem sind
diese aber auch von jenen Verhältnissen direkt mehr oder weniger
abhängig. Am wenigsten gilt das von der Eigeuart des Erd-
bodens, die ja sür die Vegetation in hohem Maße einflußreich
— 203 —
ist. Die chemische Beschaffenheit des Bodens, auf dem sie leben,
ist den Tieren im allgemeinen gleichgültig: wichtiger find für die
grabenden Tiere, für zahlreiche Reptilien, für unzählige Insekten
und manche andere Ordnungen seine physikalischen Eigenschaften.
Weit mehr sind die Tiere vom Klima abhängig, insonderheit von
der Wärme, die nächst der Nahrungsfrage für die Tierwelt die
wichtigste Lebensbedingung ist.
Die Abhängigkeit der Tiere von der Pflanzenwelt
beruht, wie schon gesagt, aus der Nahruugsfrage. Nicht nur die
großen Pflanzenfresser, die sich von Gras, Laub, Früchten und
Wurzeln nähren, erhalten von der Pflanzendecke der Erde ihre
tägliche Kost, sondern noch viel größer ist die Zahl der Insekten
und anderen niederen Tiere, die auf Pflauzennahrung angewiesen
sind. Aus deu zahllosen Kostgängern der Pflanzenwelt suchen
wieder die fleischfressenden Tiere ihre Nahrung, so daß auch sie
im letzten Grunde von der Vegetation abhängig sind. Wo kein
Pflanzenwuchs gedeiht, können auch Fleischfresser höchstens vor-
übergehend wohnen. Gleich der Üppigkeit der Vegetation nimmt
auch der Reichtum des Tierlebens von den Polen nach dem
Äquator hin zu. Doch ist die Stätte der stärksten Entfaltung
des Pflanzenwuchses, der tropische Urwald, durchaus nicht der
Bezirk, in dem das Tierleben sich am reichsten entwickelt. Zwar
beherbergt der Urwald eine Unmenge von niederen Tieren, besitzt
aber von höher organisierten vorzugsweise nur solche, die zum
Klettern oder zum Leben in den Wipfeln befähigt sind. Größeren
Landtieren gestattet er nicht genug Bewegungsfreiheit, und darum
wird er an Reichtum des Tierlebens yon der Grasebene mit ein-
gestreuten Waldbezirken weit übertroffen. Ebenso sind unsere
Hochwälder im allgemeinen an Tieren ärmer als die benachbarten
Gras- oder Kulturebenen. — Auch die Seetiere sind hinsichtlich
der Nahrung in letzter Linie auf das Pflanzenreich angewiesen.
Alle größeren Wassertiere nähren sich von kleineren oder den
kleinsten, und diese wieder leben meist von pflanzlichen Stoffen.
Bei dem Einfluß, deu das Klima auf die Entwicklung des
Tierlebens hat, ist namentlich die Wärme beteiligt. Gleich den
Pflanzen haben auch die Tiere ein bestimmtes Wärmebedürfnis.
Schon das Ausbrüten der Eier erfordert eine gewisse Wärme,
die bei den Vögeln durch die Körperwärme, im übrigen aber
durch die Souue geliefert wird. Auch die Verwaudlung der
Insekten ist von den Wärmeverhältnissen abhängig, und bei
manchen Lebensvorgängen vieler anderer Tiere (Winterschlaf,
Wanderungen n. a.) ist die Temperatur maßgebend. Im all-
gemeinen sind die Tiere gegen große Wärmeschwankuugen mehr
empfindlich, als gegen geringe Änderungen der mittleren Tempe-
ratur. Tiger und Panther, die doch Bewohner heißer Erdstriche
sind, streifen bis in das südliche Sibirien, und durch Versuche ist
nachgewiesen, daß Papageieu in Wäldern Englands überwinterten
und sich fortpflanzten. In der Gleichmäßigkeit des Klimas in
— 204 —
tropischen Gegenden liegt mit ein Grund dafür, daß dort die
Tierwelt ungleich reicher an Arten ist als in gemäßigten und
kalteu Breiten. Noch deutlicher tritt das hervor, wenn man be-
denkt, daß _ die Entwicklung der Tierwelt in den tropischen
Ländern seit der Tertiärzeit durch Klimaschwankungen nicht
wesentlich gestört wurde, während z. B. in Mitteleuropa vor der
Eiszeit gleich der-tropischen Flora eine ebensolche Fauna herrschte,
die dann unterging, um einer nordischen Platz zu machen, bis
auch diese wieder durch die jetzige ersetzt wurde. — Auch die
Meertiere werden von den Wärmeverhältnissen beeinflußt. Wie
im Salzwasser andere Tiere leben als im Süßwasser, so be-
Herbergen auch kalte Meere und Strömungen andere Arten als
das warme Wasser, und die Seetiere des Polargebietes sind sehr
verschieden von denjenigen tropischer Meere. Nnr wenige Arten,
wie einige Wale, kommen in allen Zonen vor und unternehmen
Reisen von einem Polarkreise zum audern. Ebenso können
mehrere. Landtiere und Insekten (Hund, Wanderratte, Floh,
Stubenfliege u. a.) in allen Breiten leben.
2. Verbreitung der Merrvett.
Fast überall auf der Erde fiudet sich tierisches Leben. Selbst
auf und unter deu Eisflächen der Polarmeere ist es vielgestaltig
vertreten, und die ödesten Wüstenstriche der heißen Zone werden
doch gelegentlich von Tieren durchquert. Auch uach der Höhe
uud Tiefe hin sind ihm die Schranken weniger eng gezogen als
der Pflanzenwelt. Über die unter ewigem Schnee begrabenen Gipfel
der Hochgebirge schwingt der Kondor sich noch hoch empor, in
das dunkle Erdreich dringt der Wurm, uud in tiefen, lichtlosen
Höhlen hausen Tiere von mancherlei Gestalt und Art. Die
Weltmeere bergen nach den Ergebnissen der neuereu Tiefseeforschung
selbst noch in ihren untersten Schichten eine tierische Lebewelt
von bisher ungeahnter Mannigfaltigkeit und Fülle.
Das alles deutet schon darauf hin, daß die Tierwelt zu
ihrer Verbreitung mehr Mittel und weniger Schranken findet
als die Pflanzenwelt, und daß auch den Tieren ein Anpassungs-
vermögen an veränderte Lebensverhältnisse in hohem Maße eigen
sein muß. Die Mittel zur Ausbreitung nehmen bei der Tier-
welt mit der höheren Organisation ganz erheblich zu. Die
niederen Tiere, die teils am Boden haften, teils zu schwach sind,
Widerstände ihrer eigenen Fortbewegung zu überwinden, bleiben
gleich den Pflanzen in der Hauptsache auf passive Wanderungen
angewiesen. Für sie kommen die bei der Pflanzenverbreitung
aufgezählten Faktoren in erster Linie in Frage. _ Freilich spielen
diese auch bei der Verbreitung der höher organisierten Tiere eine
große Rolle. So werden Insekten durch Stürme oft weithin
verweht; reißeude Flüsse führen Tiere gewaltsam stromabwärts,
und andere werden durch Meeresströmungen mit treibendem
— 205 —
Holz oder Eis gegen ihren Willen in ferne Gegenden geschafft.
Aber das Hauptmittel der Verbreitung ist bei den höheren Tieren
doch die Fähigkeit, sich willkürlich von einem Orte zum andern
zu bewegen. Dadurch werden sie von jenen Faktoren unab-
hängiger als die Vegetation, sie können ihnen manchmal geradezu
entgegenwirken, können Meeresarme überschreiten, Flüsse ström-
aufwärts wandern und, im Gegensatz zu der am Boden haftenden
Pflanze, bei eintretenden Veränderungen ihrer gewohnten Um-
gebuug ungünstigen Verhältnissen ausweichen, um günstigere zu
suchen (Zugvögel, Wanderungen der Fische zur Laichzeit u. s. w.).
— Besonders gefördert wird die Verbreitung vieler Tierarten
teils absichtlich, teils uuabsichtlich durch den Menschen. Er hat
seine Haustiere überall mitgenommen, wohnt auch er sich wandte,
und einzelne Arten derselben haben unter ihnen zusagenden Um-
ständen außerordentliche Verbreitung und Vermehrung erfahren.
Die ungeheuren Rinder- und Pferdeherden in den Pampas
Südamerikas und die gewaltigen Bestände von Schafen in
Australien, fowie die Verbreitung des Hundes über den ganzen
Erdball geben davon Zeugnis. Andere Tiere, wie Ratten und
Mäuse, sind dem Menschen lästige Begleiter geworden und werden
überall angetroffen, wo europäische Schiffe verkehren. Wieder
andere sind zufällig zwischen Waren auf die Schiffe gekommen
und zu fernen Ländern gebracht mid haben sich dort weiter ver-
breitet. So werden nicht selten mit Holz und anderen Ausfuhr-
artikeln kleine Schlangen nnd Eidechsen verschleppt, und mit
vielen Kulturgewächsen sind auch die ärgsten Schädlinge derselben
verbreitet worden (Reblaus, Koloradokäfer), ganz zu schweigen
von der Unzahl der Parasiten und dgl., die durch den Handels-
verkehr der Menschen in allen Erdteilen heimisch wurden.
Doch stellen sich der Verbreitung der Tierwelt auch mancherlei
Hindernisse entgegen. Das Wasser hemmt natürlicherweise
bie Ausbreitung der Landtiere. Am wenigsten gilt das von den
Flüssen, die von den meisten Tieren leicht überschritten werden.
Selbst^ schmale Meeresstraßen werden von vielen Säugetieren und
Reptilien durchschwömmen, von Vögeln und Jusekten überflogen,
aber das weite Meer zieht sehr vielen Gattungen unbesiegbare
Schranken. — Auch Gebirge, die bei meridioualer Richtnng
den Tieren als Brücken über warme, ihnen nicht zusagende Ge-
biete hinweg dienen, beeinträchtigen häufig die Verbreitung.
Besonders ist das der Fall, wenn sie den Breitenkreisen parallel
streichen und keine ties einschneidende Lücke ausweisen; denn nicht
die Kamm- und Gipfelhöhen, sondern die Paßhöhen kommen hier
in Frage. Am meisten wird natürlich die Verbreitung der
Wassertiere durch die Erhebuugen gehemmt, namentlich, wenn
diese zugleich Stromscheiden sind. So hat z. B. die Elbe Lachse
nnd Aale, die Donau hingegen Welse und Hausen. Aber auch
sür alle nicht fliegenden Landtiere sind die Gebirge häusig nicht
zu übersteigende Schranken, und selbst die Vögel bevorzugen
— 206 —
beim Uberfliegen hoher Kämme die tieferen Pässe. — Sogar
Ebenen können die Verbreitung der Tiere hemmen. Baumlose
Steppen gebieten z. B. allen Tieren Halt, die durch ihre Körper-
einrichtuugen dem Baumleben angepaßt sind (Affen, Eichhörnchen,
Faultiere u. a.). Anderseits wieder schreckt der Wald solche Tiere
zurück, die gewöhnt sind, sich in baumfreien Flächen zu bewegen
(Kamel). Die Wüste kauu nicht nur den Pflanzenfressern keinen
dauernden Auseuthalt gewähreu, sondern sie wird auch von den
großen Raubtieren, die von jenen sich nähren, gemieden oder
höchstens flüchtig durcheilt. So kommt es, daß Hirscharten, die
sich in allen Klimagebieten Europas, Asiens und Nordamerikas
finden, im tropischen Afrika fehlen, weil sie den Wüstengürtel
der Sahara nicht durchqueren konnten. — Zu dieseu sich aus der
Unmöglichkeit von Raumüberschreitungen ergebenden oder mit
klimatischen Verhältnissen und der Nahrungsfrage zusammen-
hängenden Schranken kommt noch die Hemmung der Tierverbreitung
durch andere Tiere oder durch den Menschen. Der „Kamps
ums Dasein" spielt auch im Tierleben eine Rolle und führt
mitunter dazu, daß eiue Art durch eiue audere aus ihrem
heimischen Gebiete vollständig verdrängt oder von einer Ein-
Wanderung in andere zurückgehalten wird (Haus- und Wander-
ratte). Auch der Mensch hat vielfach gewaltsam Tierarten ver-
trieben oder ganz ausgerottet. Aus Europa sind die großen
Raubtiere fast ganz verschwunden; der Bison Amerikas, der
Biber in Deutschland, viele Pelztiere u. a. gehen der Vernichtung
entgegen. Und wo eine solche Hemmimg der Verbreitung auch
uicht des Menschen Absicht war oder aus Unverstand geschah, da
drängte die mit ihm schreitende Kultur der Gegeud gauz von
selbst manche Tierarten in andere Gebiete zurück.
Durch alle diese Unistände würde die Verbreitung der Tier-
welt noch weit mehr beschränkt worden sein, wenn die meisten
Tiere nicht fähig wären, sich bis zu einem gewissen Grade den
Veränderungen hinsichtlich der klimatischen und Nahruugsverhält-
nisse anzupassen oder sich gegen ihre Feinde zu wehren bezw. sich
ihnen zu entziehen. Die Anpassung der Tiere an Temperatur-
schwankungen zeigt sich in Gegenden mit wechselnden Jahres-
zeiten sowohl in der sich ändernden Beschaffenheit ihres Kleides,
als in den instinktiven Wanderungen von kälteren in wärmere
Gegenden oder umgekehrt, und außerdem bei manchen Tieren in
der Eigenschaft, die ungünstige Zeit in einem Zustande ver-
ringerter Lebenstätigkeit zu überstehen (Winterschlaf). Bei vielen
niederen Tieren mit kurzer Lebeusdauer des Individuums wird
die Art dadurch erhalten, daß das entwickelte Tier nur in der
günstigen Jahreszeit lebt, indes die ungünstige als Ei oder Larve
überdauert wird. Manche Tiere können sich in hohem Maße ver-
änderten Nahruugsverhältnissen anpassen, z. B. der Hund, der
sich an Pflanzenkost gewöhnen läßt, obwohl er eigentlich nur
Fleischfresser ist. Besonders interessant ist bei der Anpassung der
— 207 —
Tiere die Schutzfärbung („Mimikry", engl.), welche es ihnen er-
leichtert, den Kampf ums Dasein zu überstehen. Man versteht
darunter die Ähnlichkeit in der Farbe eines Tieres mit derjenigen
seiner Umgebung. So ist bei den Tieren des Polargebietes die
weiße, bei den Wüsteubewohnern eine fahlgelbe, in der Steppe
braune Farbe vorherrschend, und bei vielen niederen Tieren ist
die Übereinstimmung so groß, daß sie auch in der Nähe kamn
von der Umgebung zu unterscheiden sind. Dadurch entgehen die
schwächeren Geschöpfe häufig der Nachstellung durch die stärkeren,
anderseits wird aber auch auf dieselbe Weise den Raubtieren das
Anschleichen an ihre Beute erleichtert.
Endlich verdienen hinsichtlich der Tierverbreitung noch zwei
Umstände kurze Erwähnung. Das ist erstens die Tatsache, daß
die gleichen oder doch nahe verwandte Tiersormen in weit von-
einander entfernten Gegenden vorkommen, zwischen denen Gebiete
liegen mit völlig anderer Fauna und mit Lebensbedingungen,
die für jene Arten durchaus nicht passen. So herrscht große
Ähnlichkeit, ja teils vollkommene Gleichartigkeit zwischen manchen
Tieren im hohen Norden und aus uusern Alpen. Eine
Wanderung von einem der Orte zum andern ist bei der heutigen
Beschaffenheit des Zwischenlandes ausgeschlossen. Die Überein-
stimmung muß aus der Eiszeit herrühren, als im ganzen nörd-
lichen Europa die klimatischen Verhältnisse jenen des Nordens
und der Alpen nahe standen. Unsere alpine Tierwelt ist demnach
zum Teil ein Überrest der auch einst in der Ebene verbreiteten
Arten. Es hat z. B. das Murmeltier nahe Verwandte im nörd-
lichen Asien, und seine fossilen Reste werden in den Diluvial-
schichten Mitteleuropas gefunden. Ahnliche Bedeutung, wie
solchen Klimaänderungen, kommt den tektonischen Vor-
gängen der Vorzeit zu. Jede hohe Erhebung oder tiese
Einsenkung, die in meridionaler Richtung verlief, gewährte den
Tierarten die Möglichkeit, sich auf deu Gebirgen oder in den
Senken über viele Breitengrade hinweg sich verbreiten. So
trat die Fauna Nordamerikas mit der Südamerikas in Ver-
bindung, nachdem in Mittelamerika eine Landbrücke zwischen den
beiden bis zur Tertiärzeit getrennten Kontinenten geschaffen war.
Selbstverständlich scheidet eine solche Landerhebung zugleich die
an ihren Längsseiten gelegenen Erdräume und verhindert,
namentlich bei Meeren, einen serneren Verkehr der beiderseitigen
Tierarten. Bei Meeresbildungen ist es natürlich bezüglich der
Landtiere beider Userländer ebenso. Das führt uns auf den
zweiten Umstand. — Schon früher (S. 104) wurde darauf hin-
gewiesen, daß bei Kontinentalinseln gleich der Pflanzen- auch die
Tierwelt um so geringere Übereinstimmung mit derjenigen des
benachbarten Festlandes zeigt, je früher die Inseln abgetrennt
wurden. Während aus dem Kontinente infolge des ungehinderten
Verkehrs alte Tierarten verschwanden und neue entstanden, blieb
aus den Inseln das Tierleben in seinem bisherigen Bestände
— 208 —
viel länger erhalten. Manche alte Tierformen, die auf dem
Festlande den später entstandenen großen Raubtieren zum Opfer
fielen, blieben auf den Inseln bestehen, da ihre Feinde nicht zu
ihnen gelangen konnten. Am deutlichsten zeigt sich das bei
Australien. Unter allen Erdräumen hat dieses Land alte Tier-
formen in seinen Beuteltieren und dem merkwürdigen Schnabel-
tier am reinsten bewahrt. Von seinen acht Familien der Beutel-
tiere kommen nur zwei noch in Amerika vor, und das eierlegende
Schnabeltier, das als Mittelding zwischen Säugetier- und Vogel-
klaffe ein Typus von sehr hohem Alter ist, lebt sonst nirgend-
wo. Anderseits fehlen wieder in Australien, wo 2/3 aller Säuge-
tiere zu der Ordnung der Beutler gehören, die meisten der
Tierformen Asiens oder Afrikas, vor allem sämtliche größeren
Raubtiere. Es folgt daraus, daß schon sehr früh jede Land-
Verbindung zwischen Australien und den Nachbarkontinenten auf-
hörte. Wahrscheinlich geschah das schon beim Beginn der
Tertiärzeit, jedenfalls aber eher, als die meisten Säugetierarten
entstanden, insonderheit die großen Raubtiere, von denen anders-
wo manche alte Tierform ausgerottet wurde. Ahnlich, wenn
auch nicht fo auffällig, siud die Verschiedenheiten bezüglich des
Tierlebens in vielen andern benachbarten Gebieten. Sie be-
weisen gleich der überraschenden Ähnlichkeit der Formen in
räumlich weit voneinander entfernten Gegenden, daß die klima-
tischen und tektonischen Veränderungen der Vorzeit auf die
heutige Verbreitung der Tierwelt einen großen Einfluß gehabt
haben.
3. Hiergruppen und Merreiche.
Um eine Übersicht über die Verteilung der Tierwelt über die
Erdräume zu gewinnen, berücksichtigt man neben Insekten,
Landschnecken, Süßwasserfischen und Reptilien vor allem die
Vögel und die Säugetiere. Diese beiden Tierformen gehören zu
den jüngsten; ihre Verbreitung ist am eingehendsten erforscht
worden und ist am meisten abhängig von der Verteilung von
Land und Wasser. Die heutige Gestalt der Erdoberfläche wurde
namentlich in der Tertiärzeit geschaffen, und da auch die meisten
Säugetierarten erst in dieser Zeit entstanden, so steht ihre
räumliche Verteilung in enger Beziehung zu den Änderungen,
die in der Tertiärzeit, besonders in ihrer jüngsten Periode
(Pliozänzeit), in der Anordnung von Land und Wasser statt-
fanden. Die Säugetierfauna Australiens entbehrt einheimische
jüngere Arten und weist fast ausschließlich altertümliche, aus der
Sekundärzeit überkommende Formen auf. Daraus läßt sich, wie
schon früher bemerkt, mit ziemlicher Sicherheit folgern, daß
Australien spätestens am Beginn der Tertiärzeit von Asien oder
Afrika getrennt wurde und niemals wieder Landzusammenhang
mit diesen Kontinenten hatte. Die Tierwelt Nordamerikas zeigt
große Ähnlichkeit mit derjenigen der Alten Welt, aber nur
— 209 —
geringe Übereinstimmung mit der südamerikanischen, von welcher
79 "/o der Säugetiere dem Südkontinent eigentümlich sind. Man
kann deshalb als höchst wahrscheinlich annehmen, daß Nordamerika
bis zur Tertiärzeit mit Eurasien Landverbindung hatte, aber von
Südamerika getrennt war. Die Landbrücke Mittelamerika ist
erst eine tertiäre Bildung.
Die heutige Säugetierfauna — uud im allgemeinen auch
die übrige:! höheren Tierklassen — hat ihre Verbreitung demnach
von drei großen Gebieten aus genommen. Das größte derselben
lag um den Nordpol herum und umfaßte Nordamerika und die
Alte Welt; die beiden andern sind die südlichen Kontinente Süd-
amerika uud Australien. Ihnen entsprechen als TiergrUppen
die arktische, die südamerikanische und die australische Gruppe,
von denen man die erste uud die letzte wieder in Reiche zu
gliedern pflegt.
a. Die arktische Gruppe.
Sie umfaßt außer der Alten Welt auch Nordamerika und
wird in fünf Reiche geteilt. Für die bei dieser Einteilung be-
stimmend gewordene Verbreitung der Tierwelt kommen weniger
die Verschiebungen in der Land- und Wasserverteilung, als
vielmehr klimatische Veränderungen in Betracht. Man muß
eben bedenken, daß bis in die Tertiärzeit hinein Nordamerika
mit Eurasien Landverbinduug besaß, uud daß die Hochgebirge
nn Süden Europas und Asiens nebst einem großen Teile des
Mittelmeeres erst damals entstanden. In Mitteleuropa lebteu
zur Tertiärzeit noch tropische Tiere, wie zahlreiche Knochenfunde
bezeugen. Erst durch die großen Klimaänderungen in den nörd-
liehen Gebieten Eurasieus und Nordamerikas wurden sie nach
Süden gedrängt und zogen in der Alten Welt nach Afrika und
Südostasien. Vor dieser Wanderung muß sich Madagaskar
von Afrika getrennt haben, da auf der Jusel die großen afrika^
nischen Landtiere (Elefant, Nashorn, Löwe u. a.) und die echten
Affen nicht vorkommen, dafür aber die aus-der alttertiären Zeit
stammenden Halbaffen in 35 Arten erhalten geblieben sind. In
Südostasien erstreckte sich die südliche Wanderung der Tiere über
die heutigen Suudainseln hinweg bis fast nach Neuguinea. Als
Grenze galt früher die berühmte Wa^aee-Linie*) zwischen Bali
uud Lombok durch die Makassarstraße und die Eelebessee; jetzt
verlegt man sie weiter nach Osten bis vor Timor, Timorlaut,
die Aru-Jnseln und Neuguinea. Die fünf Reiche sind:
1. Das boreale**) Reich. Seine Südgrenze liegt in
Nordamerika in der Breite der kanadischen Seen, geht in Afrika
am Rande der als große Wüste trennend wirkenden Sahara hin,
verläuft quer durch Südarabien und zieht sich an den nördlichen
*) Nach dem Engländer Wallace, spr.: uöllöß.
**) Von gr. boreas, Nordwind.
W. Techter, Allgemeine Erdkunde. 14
— .210 —
Grenzgebirgen Vorder- und Hinterindiens entlang bis zum
Großen Ozean. An gleichen Tierformen in Nordamerika und
in der Alten Welt weist es auf: Eisbär, brauner Bär, Wolf,
Fuchs, Luchs, Marder, Seeotter, Biber, Hase, Lemming, Renn-
tier, Hirsch, Schaf u. a.
2. Das sonorische*) Reich. Es umfaßt die Vereinigten
Staaten und Mexiko. Von seiner Säugetiersauna sind nur
wenige Arten, hauptsächlich Nager, ihm eigeu; die meisten (Hirsch,
Nager) sind von Norden oder aus deu Tropen zugewandert.
Aus Südamerika stammen das Opossum und das Gürteltier.
3. Das indische Reich. Zu ihm gehören Vorder- und
Hinterindien mit den Inseln bis zu der vorhin angegebenen Grenze
gegen Australien. — Tiger, Elefant, Nashorn, Zebu, Orang-
Utan, Halbaffen, Pfau, Fasan, Brillenschlange, Gavial.
4. Das afrikanische Reich. Außer Afrika südlich der
Sahara umfaßt es Süd-Arabien. — Gorilla, Schimpanse,
Paviane, Löwe, Panther, Leopard, Hyäne, Elefant, Nashorn,
Flußpferd, Giraffe, Zebra, Antilopen, Strauß.
5. Das madagassische Reich. Es ist mit Madagaskar
und den benachbarten Inseln das räumlich kleinste. Charakteristisch
sind ihm die Halbaffen oder Lemuren, die jedoch auch in Ost-
afrika und auf den malaischen Inseln vorkommen. Die großen
Säugetiere Afrikas fehleu.
b. Die südamerikanische Gruppe.
6. Das südamerikanische Reich. Zu ihm gehört außer
Südamerika auch Mittelamerika mit den Antillen. — -Jaguar,
Puma, Lama, breitnasige Affen, Gürteltier, Ameisenbär, Beutel-
ratte und Faultier. Aus den westindischen Inseln fehlen die
Beutler, Zahnarmen und breitnasigen Affen, auch die vou Norden
gekommenen großen Raub- und Huftiere. Wahrscheinlich ersolgte
die Abtrennung der Inseln früher als die Vereinigung Süd- und
Nordamerikas.
e. Die australische Gruppe.
7. Das australische Reich. Seine Fauna hat bis zur
Einwanderung der Europäer eiu vollkommen altertümliches Ge-
präge bewahrt. Eigentümlich sind ihm die Beuteltiere, das
Schnabeltier und der gleich letzterem eierlegende Ameiseuigel, wo-
gegen Affen, Ranbtiere, Huftiere, Geier, Finken u. a. früher fehlteu.
Der von manchen Forschern als verwilderter Hund angesehene
Dingo, desseu Reste schon in diluvialen Ablagerungen vorkommen,
muß nebst einigen Fledermäusen schon sehr früh Gelegenheit zur
Einwanderung gefunden haben.
*) Nach dem mexikanischen Staate Sonora am Busen van Kali-
formen.
— 211 —
8. Poly nesien. Während von den australischen Inseln
Tasmania und Neuguinea in der Fauna dem Festlande nahe
stehen, haben Neuseeland und die übrigen Inseln Polynesiens
eine eigenartige Tierwelt. Ihnen fehlen alle Säugetiere, wie
auch Schildkröten und Schlangen. Nur einzelne Nager sind durch
deu Menschen dort eingeschleppt.
4. Meerestiere.
Da die Lebensbedingungen, welche die Verbreitung der Tier-
welt bedingen, im weiten Räume des Meeres nicht so verschieden
sind wie in den einzelnen Gebieten der Landoberfläche, so lassen
sich für die Verteilung der Meerestiere ähnliche Gruppen und
Reiche, wie für die Landtiere, nicht bilden. Zwar treten Unter-
schiede zwischen den Bewohnern tropischer und arktischer Meere
hervor; aber sie sind viel weniger 'scharf als bei der Landfauna.
Während auf dem Lande der Reichtum des Tierlebens von den
Polen zum Äquator hin zunimmt, sind die Meere der kalten
Zonen reichlich so stark bevölkert als die tropischen Gebiete. Da-
für rufen aber die in den verschiedenen Meerestiefen ungleich-
artigen Lebensbedingungen eine Scheidung der Lebewelt des
Meeres hervor. Man unterscheidet drei Lebensbezirke:
a. Die Flachsee oderdas Litorale *), noch vom Sonnen-
lichte durchdrungen und mit Tangen, Seegräsern und Schwämmen
bewachsen. Sie hat einen außerordentlichen Reichtum an kleinen
Seetieren, Fischen, Seehunden, Walen und anderen Tieren.
b. Die Hochsee oder der p elagifch e**) Leb ensb ezirk,
das offene Meer. Auch hier ist die Kleinlebewelt in ungeheurer
Fülle zu sinden, ebenso Fische und Seesäuger (Bartenwale und
Delphine), während die beschälten Meertiere zurücktreten und See-
Hunde fehlen. Man rechnet die Hochsee bis zu 400 m Tiefe;
aber einzelne ihrer Bewohner, wie die Wale, tauchen gelegentlich
bis über 1000 m tief.
c. Die dunkle Tieffee, unter 400 m. Da das Sonnen-
licht in die Tieffee nicht mehr eindringt, so verschwindet von
400 m Tiese an das Pflanzenleben. Die reichlich vorhandene
Tierwelt ist in ihrer Nahrung aus andere Tiere und die aus der
Hochsee herabsinkenden Pflanzenreste angewiesen. In den Schichten
der Tiefsee herrscht große Gleichmäßigkeit hinsichtlich der Wärme,
des Salzgehaltes und der Dichte des hier nicht mehr bewegten
Waffers, aber keineswegs Einförmigkeit in den Tierformen.
Nach der Bewegungsfähigkeit läßt sich die Lebewelt
des Wassers in drei Gruppen gliedern:
a. Das Plankton, zahllose kleine Organisnren, die
schwimmend, aber willenlos den Bewegungen des Wassers folgen
Es besteht zu 2/3 aus Pflanzen, zu V» aus Tieren.
*) Von lat. litus, Küste.
**) Von gr. pelagos, Meer.
14*
— 212 —
b. Das Nekton, die selbsttätig schwimmenden Tiere.
c. Das Benthos, die am Boden dahinkriechende oder fest-
gewachsene Lebewelt.
£ap. VII. Überblick über die Menschenwelt.
(Anthropogeographie.)
A. Das Atens ch eng es ch lech t und seine Oer-
breitung.
1. JU'fcr und ibeimaf des MIenfcbengel'cbl'ecbts.
Unter den Organismen der Erde steht der Mensch an höchster
Stelle. Die Entwicklung des Menschengeschlechts ist naturgemäß
eine offene Frage, deren Beantwortung auch den scharfsinnigsten
Forschern bisher noch nicht befriedigend gelungen ist. Es ist
hier nicht der Ort, auf die bezüglich dieses Punktes ausgesprochenen
und hauptsächlich auf anatomischen Vergleichnngen beruhenden
Ansichten einzugehen. Auch über das Alter des Menschen-
geschlechts lassen sich vorläufig nur Vermutungen aussprechen.
Diese stützen sich aus Funde von Wirtschaftsresten, Geräten und
Knochen, die man in Gräbern oder in sedimentären Bodenschichten
inachte. Vor dem Eintritt in die Geschichte hatte die Menschheit
schon eine gewisse Kulturhöhe erreicht und verstand die Her-
stellung von eisernen Geräten. Dieser sogenannten Eisenzeit
ging die Bronzezeit vorauf. Auch schon in dieser gab es seßhafte
Menschen, wie die ausgefundenen Reste von Pfahlbauten und die
zahlreichen Urnenfelder beweisen. Die den Grabstätten aus jener
Periode entnommenen Geräte aus Bronze zeugen von einem
kulturellen Fortschritt der Menschen gegen die vorhergehende
Zeit, in der die Bearbeitung von Metallen noch unbekannt war.
Alle uns überkommenen Werkzeuge dieser frühereu Periode sind
aus Stein, meist Feuerstein, oder aus Knochen gefertigt. Man
unterscheidet eine jüngere und eine ältere Steinzeit. In der ersteren
verstand der Mensch schon die Steinwerkzeuge zu polieren, über-
Haupt feiner zu bearbeiten als in der älteren; er verfertigte Ton-
gefäße und hatte, wie aufgefundene Knochenreste beweisen, einzelne
Haustiere, besonders den Hund. Der Mensch der älteren Stein-
zeit begnügte sich mit ganz roh zugehauenen Fenersteinwerkzeugen.
Wie weit das erste Auftreten des Menschen in der älteren
Steinzeit zurückliegt, ist nicht mit Sicherheit zu bestimmen. Einen
Anhalt dabei geben die Bodenschichten, in denen man Knochen
oder Werkzeuge der Menschen gefunden hat. Die primitivsten
Feuersteingeräte wurden noch in Schichten gefunden, die sich im
Anfange der Diluvialzeit absetzten, während menschliche Knochen
— 213 —
erst in später entstandenen Ablagerungen vorkommen. Es ist
demnach kein Zweifel, daß bereits beim Eintritt der ersten Eis-
zeiten Menschen lebten. Da man aber die Spuren menschlichen
Lebens zu jener Periode nicht allein in Mitteleuropa, _ sondern
auch in Spanien, Italien, Griechenland, Nordafrika und
selbst in Indien, Nordamerika und iu den Pampas Süd-
amerikas gefunden hat, so ist höchst wahrscheinlich, daß
der Mensch schon wenigstens in der späteren Tertiärzeit
existierte. Wie man die ältesten erhaltenen Reste einer Tierform
nicht für die ersten Anfänge derselben ansehen kann, so darf
man auch nicht annehmen, daß der Mensch erst zur Eiszeit ent-
standen sei, weil Spuren von ihm nicht vor den Hereinbruch der-
selben zurückreichen. Die weite Verbreitung des Menschen-
geschlechts zur Eiszeit deutet gleichfalls auf ein früheres Auf-
treten hin.
Wenn auch die jetzt lebenden Menschen unendlich viele
Variationen in körperlicher und geistiger Beziehung aufweisen,
uud wenn ferner die fossilen Reste ehemaliger Geschlechter Ab-
weichungen vom heutigen Menschentypus zeigeu, so bildet doch
das gesamte Menschengeschlecht eine Einheit. Der menschliche
Körper ist trotz aller Verschiedenheiten in allen seinen Teilen
typisch menschlich: er weist zudem eine ganze Reihe von Merk-
malen auf (z. B. Lippeurot, Achselhaare), die uur beim Menschen,
aber bei ihm stets vorkommen. Dazu deuten die geistige Be-
gabung, die artikulierte Sprache, die nirgend sehlenden religiösen
Vorstellungen auf einen gemeinsamen Ursprung aller Menschen.
Die Heranbildung des Menschengeschlechts kann sich unmöglich
mehrere Male getrennt wiederholt haben. Wir müssen vielmehr
annehmen, daß seine Entwicklung zuerst in einem abgegrenzten
Gebiete vor sich giug, und daß von hier aus die Verbreitung
über die Erde erfolgte. Zu eiuer solcheu Ausbreitung sind aber
lange Zeiträume erforderlich gewesen. Die erwiesene Anwesen-
heit der Menschen in Enropa, Asien und Amerika beim Herein-
brechen der Eiszeit weist deshalb auf eine viel frühere Entstehung
des Geschlechtes hin und läßt die Existenz des „Tertiärmenschen"
als ziemlich sicher erscheinen.
Wo die Urheimat des Menschengeschlechts lag, konnte bis-
lang nicht festgestellt werden. Von manchen Forschern wird
Asien dafür angesehen, weil von dort die meisten unserer Haus-
tiere und Kulturpflanzen zu uns gekommen sind, und weil nach-
weisbar eine ganze Reihe von Völkergruppen von Asien aus in
die heute von ihnen besetzten Gebiete einwanderten. (Malaien
von Südostasien, Semiten von Westasien, Europäer von Zentral-
asien her.) Neuerdings hält man auch den verschwundenen Erd-
teil im Großen Ozean, von dem Australien ein Rest ist, für die
Heimat der Menschen.*) Für diese Hypothese spricht der Um-
*) Vergl. hierüber, wie über den ganzen Abschnitt, die Ausführungen
von Prof. Klaatsch in Krämer, Weltall und Menschheit, Bd. II, Berlin,
Deutsches Verlagshaus Bong & Co.
— 214 —
stand, daß die Urbevölkerung Australiens von allen Völkern auf
der niedrigsten Stufe menschlicher Entwicklung geblieben ist und
den Rest eines uralten Teiles des Menschengeschlechts darstellt.
Nicht nur zeigt der auatomische Bau ihres Skeletts sehr niedere
Merkmale, sondern auch ihr Kulturzustand steht tiefer als anders-
wo und entsprach bei der Entdeckung des Erdteils etwa der
älteren Steinzeit. Mit Sicherheit läßt sich die Urheimat der
Menschen ebensowenig angeben, wie wir von keiner jetzt lebenden
Tierform den Ort ihrer Heranbildung kennen.
2. ^evBretfimcj und IcrbL 6er Wenl'cben.
Unter der Voraussetzung der Einheit des Menschengeschlechts
und seiner Entstehung in einem abgegrenzten Erdraume macht
das für die Diluvialzeit feststehende Vorkommen des Menschen
in den weiten Gebieten von Südamerika bis Mittelasien seine
Ausbreitung zu einem Siegeslauf, wie er für kein anderes
Geschöpf nachzuweisen ist. Da die Verbreitung anfänglich müh-
sam genug gewesen sein mag, so muß sie ungeheure Zeiträume
erfordert haben. Welche Wege sie nahm, welche Mittel sie fand,
können wir heute nicht einmal ahnen, zumal in der Tertiärzeit
die Gestalt der Erdoberfläche, insbesondere die Verteilung von
Land und Wasser, eine ganz andere war als gegenwärtig. Es sei
nur daran erinnert, daß einst Nordamerika mit Europa und Asien,
Südamerika mit Afrika zusammenhing, ehe in Mittelamerika eine
Verbindung beider Kontinente entstand. Die Menschen haben
sich wahrscheinlich über das heutige Amerika weit früher verbreitet,
ehe die später wieder entdeckte Neue Welt von der Alten Welt
getrennt wurde.
Unter den verschiedenen Faktoren, welche auf die Ausbreitung
der Menschen fördernd oder hemmend einwirkten, sind ohne Frage
die geographischen Bedingungen überall und zu allen Zeiten am
bedeutsamsten gewesen. Die Verteilung von Land und Wasser,
die Oberflächengestalt des Landes, der Lauf großer Ströme, das
Klima, die Pflanzen- und die Tierwelt sind die Umstände, welche
der Menschheit die Eroberung der Erde bald erleichterten, bald
erschwerten oder in einzelnen Teilen unmöglich machten. Wie
schnell und wie weit nach den verschiedenen Richtungen hin die
Grenzen des bewohnten Gebietes, der „Ökumene"*), sich vor-
schoben, läßt sich im einzelnen nicht nachweisen. Eine besondere
Förderung erfuhr ihre Ausdehnung durch die Erfindung der
Schiffahrt, vor allem der ozeanischen im Zeitalter der Ent-
deckungen. Nun wurden nicht nur die bis dahin unbewohnten
Inseln der Ozeane (Madeira, Azoren, Kapverden, Maskarenen,
Seychellen n. a.), sondern auch die weiten, von Schiffen mehr
oder minder regelmäßig durchfurchten Meeresräume in die Oku-
*) Von gr. oikein, bewohnen.
— 215 —
mene einbezogen, so daß man deren Gebiet jetzt ans 450 Mill. qkrn
(oott den 490 qkm der bekannten Erdoberflüche) schätzen kann.
Einen weiteren Anhalt für die Ausbreitung des Menschen-
geschlechts gibt die Zahl der Menschen. Die für 1905 geltenden
Berechnungen derselben ergeben:
Europa 417,8 Mill. Bewohner
Asien 826,4 „ „
Afrika 133
Amerika 154 „ „
Australien und
Polynesien 6,8 „ „
Polargebiete 0,013 „
1538 Mill. (1830: 847 Mill.)
Eine Zunahme der Bevölkerung wird durch den Überschuß
der Geburten über die Todesfälle bewirkt, außerdem für die
einzelnen Länder durch das Überwiegen der Einwanderung gegen
die Auswanderung. Die durchschnittliche jährliche Zunahme der
Bevölkerung betrug in den letzten Jahrzehnten 0,66 Prozent.
Dieser hohe Betrag erklärt sich einerseits aus der Erschließung
zahlreicher Hilfsquellen für die menschliche Existenz in den letzten
30—50 Jahren, anderseits auch daraus, daß blutige Kriege, ver-
heerende Epidemien u. dgl. weniger Opfer forderten als in früheren
Zeiten. Die Einwohnerzahl Deutschlands wuchs in den sünf
Jahren von 1900 bis 1905 von 56,4 Mill. auf 60,6 Mill., also
um 4,2 Mill., d. i. 7,5 oder jährlich 1,5 %. Der Überschuß der
Geburten über die Sterbefälle ist in Deutschland jährlich etwa
800000—900000; die überseeische Auswanderung betrug 1905 etwa
28000 Köpfe. Im Jahre 1904 war die Volkszunahme auf je 1000
Seelen in Deutschland 14,9, in den Niederlanden 14,4, in Belgien
13, in Italien 11,6, in Dänemark 11,2, in Osterreich 10, in
Frankreich 1,5.
L. Die natürliche Gliederung des Menschen-
geschlechts.
1. Menschenrassen.
Nachdem vom Ursitze der Menschheit aus nach verschiedenen
Richtungen hin Menschenströme sich abzweigten, ist aus ihnen
in abgesonderten Gebieten durch uns unbekannte Einflüsse eine
beschränkte Zahl abweichender Menschenformen entstanden, die
wir als Menschenrassen bezeichnen. Als die Erde sich aber
stärker bevölkerte, wurde die Isolierung allmählich durchbrochen.
Die verschiedenen Typen rückten einander näher. Raub- und
Kriegszüge brachten häufig Austausch des Menschemnaterials mit
sich (Weiberraub, Sklavenraub, Besetzung eroberter Länder) unb
führten neben dem friedlichen Verkehr in den Grenzdistrikten zur
Entstehung von Übergangs- oder Mischrassen. Diese
wurden noch zahlreicher, als mit der Entwicklung des Verkehrs
auch nichtbenachbarte Völker miteinander in Verbindung traten
(Mischung von Weißen, Negern und Indianern in Amerika).
Während neue Menschenrassen sich infolge der nicht mehr mög-
lichen dauernden Absonderung einzelner Völker schon längst nicht
mehr bilden können, geht die Vermischung und damit der allmähliche
Ausgleich der Menschentypen unaufhaltsam vor sich. Noch sind
freilich die Rassenunterschiede nicht verschwunden; aber sie er-
scheinen schon in vielen Grenzgebieten durch Übergänge verwischt.
Bei der Einteilung der Menschen in Rassen haben die
Forscher teils das eine oder das andere Körpermerkmal zu Grunde
gelegt, teils die gesamte Erscheinung berücksichtigt. Sie sind des-
halb zu ganz verschiedenen Ergebnissen gekommen, und die ge-
fundene Zahl der Rassen variiert von 3 bis 13. Als Einzel-
merkmale wurden herausgenommen:
a. Die Hautfarbe. Man unterschied nach dem Vorgange
Blumenbachs (1795) — der übrigens nicht lediglich die
Farbe der Haut berücksichtigte —: Kaukasier — hell,
Mongolen — gelb, Neger — schwarz, Malaien — braun,
Rothäute — rötlichbraun. Cuvier schlug 1817 eine Drei-
teilung in eine weiße, eine gelbe und eine schwarze Rasse
vor, bei welcher die Finnen, Lappen und Magyaren zur
weißen, die Malayo-Polynesier und die Amerikaner zur
gelben und die Dravidas und Papuas nebst den
Australiern zur schwarzen Gruppe zu rechnen wären.
Auch bei der Fünfteilung kommen mannigfache Nuancen
innerhalb einer Rasse und viele Übergänge von einer zur
anderen vor.
d. Der Schädel. Der schwedische Anatom Retzius (f 18(30)
unterschied nach dem Verhältnis der Längen- zur Breiten-
ausdehnung des Schädels Langköpfe (Länge 100' Breite
unter 75) und Kurzköpfe (100 : über 80) uud gliederte
jede Klasse nach der schiefen oder senkrechten Stellung der
Schneidezähne in den Kiefern wieder in Schief- und
Gradzähner (gradzähnige Langköpfe — Kaukasier, schief-
zähnige Langköpfe — Neger, gradzähnige Kurzköpfe —
Amerikaner, schieszähnige Kurzköpse — Mongolen). Es
stellte sich aber heraus, daß die Völker in der Mehrzahl
Mittelköpfe (100 ' 75 - 80) sind, und daß bei vielen schein-
bar einheitlichen Völkern alle drei Formen vorkommen.
— Der niederländische Anatom Camper^ 1789) berück-
sichtigte den Gesichtswinkel, d. h. den Winkel, den Stirn
und Oberkiefer miteinander bilden. Er ist am kleinsten
bei den Negern (70«) und steigt bei den Europäern bis
— 217 —
zu 85°. — Auch den Jnneuraum des Schädels (durch-
schnittlich 1200—1600 eem), aus welchem man auf die
Größe des Gehirns schließen kann, hat man in Rechnung
gezogen.
c. Das Haar. Die Form des Haares, ob schlicht (mit
rundem Querschnitt) oder kraus (ntit länglichem Quer-
schnitt) ist von Häckel als Einteiluugsgrund benutzt. Er
unterscheidet: 1. Wollhaarige, uud zwar a) Büschelhaarige
(Hottentotten, Buschmänner, Paduas), b) Vließhaarige
(Neger, Kaffern); 2. Schlichthaarige, und zwar a) Straff-
haarige (Mongolen, Australier, Amerikaner), b) Lockere
haarige (Kaukasier).
Die meisten dieser Rasseneinteilungen, die nur ein einziges
Merkmal als Grundprinzip aufstellen, tun der Natur Zwang an,
indem mitunter die fremdartigsten Völker in dieselbe Gruppe ge-
raten (z. B. sind Neger und Eskimos ausgesprochen schiefzähnige
Langköpfe), und anderseits nahe verwandte Stämme weit aus-
einander gerückt wurden. Es muß der Gruppierung die Gesamt-
erscheinung des Menschen zu Grunde gelegt werden, uud die
geographische Lage des Verbreitungsgebietes einer
Rasse sowohl als die Sprachverwandtschaft der zu-
gehörigen Völker dürfen der Einteilung nicht widersprechen. Aus-
nahmen in Grenzgebieten werden selbstverständlich nicht zu
vermeiden sein.
In Anbetracht dieser Anforderungen ist die Blumenbachfche
Einteilung in fünf Menschenrassen noch immer ausreichend;
nur nach der asiatisch-australischen Seite bedarf sie einer Er-
gänzung. Man unterscheidet:
1. Die mittelländische oder indoatlantische Rasse
(von Blumenbach die kaukasische genannt). Die helle
Hautfarbe ist vorherrschend; sie wird dunkler in Süd-
europa, Arabien uud Indien und nähert sich bei einzelnen
afrikanischen Völkern sast dem Schwarz. Nach dem Schädel-
bau sind Mittel- und Kurzköpfe vorwiegend. Das Gesicht ist
oval, die Zähne stehen gerade, die Lippen sind schmal, die
Backenknochen wenig vorstehend. Das Haar ist weich
und wellig bis stark gelockt, in der Farbe vom hellen
Blond bis zum Braun und Schwarz schwankend. Der
Bartwuchs ist reichlich. — Jndoeuropäer, Semiten, Hamiten.
Etwa 800 Mill.
2. Die mongolische Rasse. Sie hat kurzköpfigen Schädel
mit breitem Gesicht, vorspringenden Backenknochen, mittel-
breiter und wenig hervortretender Nase, großem Mund,
schiefgeschlitzten Augen. Das Haar ist grob, schlicht und
meist schwarz, der Bartwuchs spärlich.' Die Hautfarbe
— 218 —
ist weizengelb bis braun, bei den Finnen fast weiß. Etwa
500 Mill.
3. Die malayo-polynesische Rasse mit gelbbrauner
bis schwarzbrauner Haut, breiter Nase, wenig vorstehen-
den Backenknochen und lockigem, schwarzem Haar. 45 Mill.
4. Die amerikanisch e Rasse. Die Hautfarbe ist gelblich-
braun bis rötlich; der kupferrote Ton (Rothäute) wird
bei einigen Stämmen durch Färbung künstlich erzeugt.
Die Backenknochen und die Nase treten stark hervor. Das
Haar ist schlicht'und schwarz, der Bartwuchs gering. Die
Eskimos ähneln durch das breite, flache Gesicht und die
geschlitzten Augen den Mongolen, sind aber keine Kurz-
köpfe. Etwa 16—18 Mill. und ebensoviel Mischlinge.
5. Die afrikanische Rasse oder Neger. Die Haut-
sarbe variiert vom dunklen Braun bis zum tiefsten
Schwarz. Der Schädel ist durch das stark ausgebaute
Hinterhaupt ausgesprochen länglich, die Zähne stehen
schief. Der große Mund hat wulstige Lippen; die Nase
ist breit, das Haar kurz und wollig. Die tief in den Ur-
wäldern versteckt wohnenden Zwergvölker bringt man mit
den häufig als besondere Rasse bezeichneten Buschmännern
und Hottentotten (lederbraune Haut, volle Lippen, ge-
schlitzte Augen, versilztes Haar) in Verbindung. 150 Mill.
Zu diesen fünf Gruppen kommen noch die oft als besondere
Rassen aufgeführten Dravidas in Indien und Ceylon (dunkle
bis schwarze Farbe, weiches und lockiges Haar, stärkerer Bart-
wuchs), die Papua - Melan est er (dunkelbraune bis schwarze
Haut, dichtes und seingekräuseltes Haar, Bartreichtum) und die
Australier (schwarzes, lockiges, nicht spiralig gekräuseltes Haar,
magerer Körper, unförmlicher Mund, eingesenkter Nasenrücken).
2. Sprcrcbcn.
Man zählt auf der Erde gegeu 800 verschiedene Sprachen.
Jede hat wieder Dialekte oder Mundarten, und da deren Trennung
sehr schwierig ist, so schwanken auch die Angaben über die Zahl
der Sprachen erheblich.
In jedem Worte hat man die Bedeutung des Wortes und
die Beziehung zu unterscheiden. So drückt in dem lateinischen
Worte 68t (er ist) es die Bedeutung des Seins überhaupt aus;
der Laut t aber gibt die Beziehung auf die dritte Person. Die
Lautzusammenstellung, welche die Bedeutung des Wortes angibt,
heißt Wurzel, die übrigen Laute sind Beziehungslaute. Die be-
sondere Art, wie Bedeutung und Beziehung ausgedrückt werden,
gibt die Form des Wortes. Die Form bildet das Unterscheidungs-
mittel zur Einteilung der Sprachen. Man unterscheidet danach
3 Klassen:
— 219 —
1. Die einsilbigen oder isolierenden Sprachen.
Bei ihnen sind alle Wurzeln einsilbig und nicht biegungs-
fähig. Die Beziehung wird nicht durch Laute ausgedrückt,
sondern ist nur aus der Zusammenstellung der Wörter
zu ersehen, wobei die verschiedenen Bedeutungen der
Wörter durch die Betonung zum Ausdruck kommen. Zu
diesen Sprachen gehört das Chinesische. Zu seiner vollen
Beherrschung bedarf es der Kenntnis von etwa 80000 Schrift-
zeichen und einer ungeheuren Zahl von Wurzelwörtern;
für den gewöhnlichen Handelsverkehr genügen etwa 4000.
2. Die anfügenden oder agglutinierenden Sprachen.
Sie haben lautlichen Ausdruck für die Beziehung und
fügen die Beziehungslante in irgend einer Weise mit der
Wurzel zusammen, entweder durch Nachsetzung oder durch
Vorsetzung oder durch Hineinsetzung in die Wurzel. Die Laute
der Wurzel Bleiben dabei unverändert. Hierher gehören das
Ungarische, das Baskische, die siunischen und tatarischen
Sprachen, diejenigen der Indianer, der Malayo-Polynesier,
der Dravidas und eine große Anzahl der afrikanischen.
3. Die flektierenden Sprachen. Bei ihnen wird zum
Ausdruck der Beziehung die Wurzel des Wortes selbst
verändert; außerdem werden aber auch Beziehungslaute
der Wurzel angefügt. Zu ihnen gehören die indo-
germanischen und die semitischen Sprachen.
C. Die kulturelle Gliederung des Menschen-
geschlechts.
Der Ausdruck Kultur (von lat. colere, besorgen, pflegen, be-
arbeiten, verehren) bezeichnet einerseits die Tätigkeit, welche auf
einen Gegenstand gerichtet ist, um ihu zu veredeln und zu ge-
wissen Zwecken geschickt zu machen, anderseits den Erfolg btefer
Tätigkeit. Im letzteren Sinne verstehen wir unter Kultur des
Menschengeschlechts die Summe von materiellen und geistigen
Gütern, welche die Menschheit seit freu frühesten Zeiten errungen
und uuter Übertragung auf die Nachkommen ständig vermehrt hat.
Ihre ältesten Wurzeln hat die Kultur in dem Erhaltnngs-
trieb, der aus der äußeren Natur den möglichst großen Nutzen
zu ziehen trachtete, und in dem das Zusammenleben vermitteln-
den Geselligkeitstrieb, sowie in dem Gefühle der Abhängigkeit
des Menschen von einer höheren Macht, die sein Wohl und Weh
in der Hand hat. Indem jede Generation die von den Vor-
fahren Überkommenen oder von den Mitlebenden ihr mitgeteilten
Errungenschaften sich zu eigen machte und weiter entwickelte,
wurde die Kultur in materieller und geistiger Hinsicht auf eine
immer höhere Stufe gebracht. Selbstverständlich war dieser
Fortschritt bei den einzelnen Völkern je nach den geographischen
— 220 —
Vorbedingungen und nach den geistigen Eigenschaften ganz ver-
schieden. Die Verschiedeuheit der materiellen Kultur offenbart
sich in den Kulturstufen, in die man die Menschen nach ihrer
Lebensweise und der Art, wie sie die Naturprodukte zur Be-
friedigung ihrer leiblichen Bedürfnisse benutzen, zu gliedern pflegt.
Mit den Kulturstufen stehen wieder die Entwicklung der mensch-
lichen Wohnstätten und die Herausbildung von Staatsformen
in enger Beziehung. Die geistige Kultur siudet ihren höchsten Aus-
druck in der Religion, mit deren Entwicklung in der Regel die
Entfaltung und Pflege der übrigeu geistigen Errungenschaften,
Recht und Sitte, Kunst und Wissenschaften, gleichmäßig fortschreiten.
1. Kulturstufen.
Ohne jede Kultur ist kein Volk. Auch das tiesststeheude ist
in: Besitze des Feuers; es kennt den Begriff des Eigentunis und
hat eiufache Geräte, um solches zu erwerben, wie auch einige
Waffen, um es gegen Feinde zu verteidigen. Je mehr ein Volk
sich vom Naturzwange losgemacht, und in je größerem Maße es
dafür die Natur iu seinen Dienst gestellt hat, auf desto höherer
Stufe steht seine Kultur. Nach den Kulturstufen teilt man die
Menschen in folgende Gruppen:
a. Naturvölker. Sie sind in ihrem Nahrungserwerb
noch ganz abhängig von der natürlichen Beschaffenheit des Landes
und habeu keiuen dauernden Wohnsitz. Auf der niedrigsten Stufe
unter ihnen stehen die sogenannten Sammelvölker (Australier,
Buschmänner, Feuerländer), die als Nahrung das nehmen, was sie
gerade finden, sei es eine wildwachsende Beere, Wurzel oder
Frucht, sei es eiu ihuen erreichbares Tier. Sie kennen weder
eine Pflege des Bodens noch den Besitz eines Haustieres. Etwas
höher stehen die Naturvölker mit einer bestimmten Form des
Nahrungserwerbs, die Jäger- und Fischervölker (Indianer,
Eskimos, die Stämme Nordasiens, Polpnesier). Sie haben be-
stimmte, wenn auch nicht dauernde Wohnplätze und zum Teil
auch in Hund oder Renntier schon Haustiere. Ihnen folgen die
Hirtenvölker oder Nomaden, die nach den Bedürfnissen
ihrer Herden von Ort zu Ort ziehen. Bei ihnen finden sich hin
und wieder schon Anfänge des Ackerbaues. Wenn ihnen auch
der Pflug mit dem Zugtiere noch fehlt, so sind sie doch hänfig
schon zum Hackbau gelangt. Mit dem einfachsten Gerät, der
Hacke, reißen die Hackbauer die oberste Erdschicht dürftig aus;
aber von einer Düngung und Pflege des Bodens verstehen sie
meist nichts. Ihr Bodenbau ist demnach Raubbau, der zum
häufigen Wechsel der Felder und später der Wohnstätten führen
muß. Die Hirtenvölker und die Hackbauer bilden den Übergang
zur zweiten Gruppe.
b. Halbkulturvölker. Sie sind zum Teil noch Nomaden,
in der Mehrzahl aber seßhaft. Zum Ackerbau benutzen sie den
— 221 —
von Zugtieren gezogenen Pflug; sie wissen dem Boden durch
Düngung und — wenn nötig — durch künstliche Bewässerung
hohe Erträge abzuringen und habeu in dichtbevölkerten Gebieten
(China, Japan) die Bodennutzung im Gartenbau zu höchster
Blüte gebracht. Auch Handel und Verkehr, Wissenschaften und
Künste haben bei ihnen teilweise eine beträchtliche Höhe erreicht.
Ihre meist einseitige Bildung pflegen sie aber als einzig berechtigte
anzusehen und sie ganz für sich in Anspruch zu nehmen oder
höchstens unterworfenen Völkern mit Gewalt aufzudrängen.
c. Vollkulturvölker. Sie siud ausnahmslos seßhaft und
haben unter intensivster Ausnutzung des streng abgegrenzten
Bodens und seiner Schätze Ackerbau, Viehzucht, Industrie, Handel
und geistige Bildung zur höchsten Entfaltung gebracht. Ohne
gegen ihr eigenes Volkstum gleichgültig zu fein, stehen ihnen die
gemeinsamen Interessen der Menschheit am höchsten, uud dadurch
sind sie dem Entwickluugsziele des Menschengeschlechts am nächsten
gekonnnen. — Wie der Ackerbau mit seiner Nötigung zunt seß-
haften Leben uud zu ernster Arbeit den mächtigsten Anstoß zur
Kulturentfaltung gab, so ist er ueben der Viehzucht auch heute
noch die Hauptbeschäftigung der Vollkulturvölker. Daueben mußte
aber auch die Gewerbtätigkeit aufblühen; denn der feßhafte Acker-
bauer bedarf ungleich mehr an Werkzeugeu, an Hausgeräten
u. dgl. als der Jäger oder der Nomade. Die allmählich, aber
stetig fortschreitende Verdichtung der ansässigen Bevölkerung
zwang zu einer immer stärkeren Ausnutzuug des Badens und
führte zum Güterverkehr, durch den der eine vom andern das er-
hält, was er selbst nicht oder nicht genügend erzeugeu kann. Das
gesellige Zusammenleben brachte sehr bald eine Arbeitsteilung
mit sich. Während vor alters jeder Ackerbauer mit seiner Familie
selbst herstellte, was er an Werkzeugen, an Geräten und anderen
Gebrauchsartikeln bedurfte, entstanden nun eigene Gewerbe. Die
Gewerbtätigkeit entwickelte sich durch stärkere Ausnutzung der
Naturprodukte und der Bodenschätze (namentlich Kohle und Eisen),
sowie durch immer mehr vervollkommnete Arbeitsmethoden zur
Großindustrie mit ihrer Massenerzeugung, und Hand in Hand
damit ging unter Erschließung neuer Verkehrswege und Verkehrs-
nnttel ein Allsschwung des ursprünglichen Tauschhandels znni
Welthandel und Weltverkehr, der den Überfluß au Naturprodukten
oder Wareu nach andern Ländern überführt und jetzt den ganzen
Erdball umfpannt.
2. WobnpLähe.
Der Kulturstand eines Volkes osfenbart sich auch in der Ent-
wicklung der menschlichen Wohnstätten. Die auf niederer Stufe
stehenden Sammelvölker haben in der Regel keine festen Be-
hausungen; ihre oft täglich gewechselten Ruheplätze sind meist
nur nächtliche Lagerstätten, die unbenannt bleiben und uur noch
kurze Zeit au geriugeu Spuren ihrer Benutzung (Aschenhaufen,
— 222 —
Nahrungsabfälle) kenntlich sind. Die Nomadenvölker wechseln
ihre Wohnplätze ebenfalls; sie nehmen ihre Behausungen (Zelte,
Jurten) mit sich. Regelmäßig besuchte Weidestelleu erhalten
Namen und mituuter bleibeude Btfutm. Die Jäger- uud Fischer-
Völker samt den Hackbauern habeu bestimmte Wohnplätze mit oft
kunstvoll erbauten Hütten. Wenn aber die Wohnstätten nach
kürzerer oder längerer Zeit verlassen werden, so verschwinden
auch die aus ihnen stehenden leichten Bauten schnell uud oft ohue
bleibende Spuren. Zur Anlage dauernder Wohnplätze gibt erst
der Ackerbau Aulaß, der deu Meuscheu au eine bestimmte Stelle
der Erdoberfläche fesselt. Da hauptsächlich auf ihm die Kultur
beruht, so haben alle Kulturvölker bleibeude Wohusitze, ebenso
von deu Halbkulturvölkeru diejenigen, welche vornehmlich den
Boden bebauen.
Die Arteu der festen Siedelungen sind folgende: Die
einfachste Form ist der Eiuzelhos iumitten des von seinem Be-
sitzer angebauten Geländes. Seine Anlage ist teils, wie im Hoch-
gebirge, auf geographische Gründe zurückzuführen, teils deutet sie
aus eine Vorliebe für diese Siedelungsart bei einzelnen Volks-
stämmen hin. Mehrere Einzelsiedeluugen dicht beieinander bilden
eine Gruppeusiedelung, welche Weiler oder, bei größerer Aus-
dehuuug, Dorf heißt. In der Regel sind die Dörfer von Leuteu
bewohnt, die vorwiegend Ackerbau und Viehzucht treiben; sie ver-
größern sich dann wenig, da der zu ihueu gehörige Bodeu nur
eine bestimmte Zahl der Bewohner zu ernähren vermag. Finden
aber in größerem Maße, etwa infolge günstiger Verkehrs-
bedingungen, von Bodenschätzen u. dgl., Industrie und Haudel
eine Heimstätte im Dorfe, so entwickelt dieses sich bald zu eiuem
Flecken oder zur Stadt. Die Städte sind dichtgedrängte Siede-
hingen, in denen vielerlei Berufsarteu verewigt siud. Je mehr
in ihnen der Ackerbau gegen Handel, Gewerbe und Großindustrie
zurücktritt, desto schneller erwächst aus der kleiueu Landstadt unter
rascher Zunahme der Bevölkerungszahl die Mittel-uud die Großstadt.
Für die Auswahl des Ortes einer Siedelung sind
mancherlei Gründe maßgebend gewesen. Bei den ländlichen
Siedeluugeu, Einzelhöfen, Weilern uud Dörfern, ist vor allem
die Beschaffenheit des zur Ausnutzung geeigneten Bodens be-
stimmend geworden. Die offenen, gut bewässerteu uud srucht-
baren Ebenen, insonderheit die Flnßniederuugeu, wurden in der
Regel zuerst besiedelt; später draugen die Ansiedler in waldige,
bergige oder sumpfige Striche vor. Natürlich wurdeu dabei viele
audere Umstände mit in Rechnung gezogen, so das Vorhanden-
sein guten Trinkwassers, die leichte Erreichbarkeit des bebauteu
Ackers, die Möglichkeit zur Anlegung bequemer Wege oder zur
Benutzung natürlicher Wasserstraßen, der Schutz vor Uubildeu
der Witterung, vor Überschwemmungen u. a. mehr. Daraus er-
klärt sich, um nur einige Beispiele anzusühreu, die stärkere Be-
siedeluug der sonnigen Berghalden gegenüber den kalten
— 223 —
Talgründen im Hochgebirge, die Anlage alter Marschdörfer auf
natürlichen oder künstlichen Erhöhungen, sowie der Umstand, daß
am Ober- und Mittellaufe der meisten Flüsse die Dörfer un-
mittelbar am Wasser, im Gebiete des Unterlaufes dagegen der
Überschwemmungsgefahr wegen weiter abseits liegen. Einen An-
halt sür die Beschaffenheit des für eine Siedelung ausgewählten
Platzes, wie auch zugleich über die Ursache und Zeit der Gründung
geben in vielen Fällen die Ortsnamen. Die Namen aus ältester
Zeit deuten in der Regel eine wesentliche Eigenschaft der Ortlich-
keit an. Gewöhnlich sind die mit „bruch, ried, marsch, masch,
born, bach u. s. w." gebildeten Namen älter als die mit „rode,
reute, Hägen, brand, schlag" zusammengesetzten, da jene die ur-
alten Siedelungen in Niederungen, diese aber die später ent-
standenen in neugeschaffenen Waldlichtungen bezeichnen. Für die
Entstehung vieler Dörfer wurde eine Burg oder ein Kloster die
Ursache; aber bei der Auswahl der Ortlichkeit sür diese Einzel-
siedelungen wurden natürlich die oben angeführten Gründe gleich-
falls berücksichtigt. Bei den Burgen kam daneben noch die Mög-
lichkeit leichter Verteidigung in Betracht, während bei den Klöstern
der Anlaß zur Gründung und zur Ortswahl oft auf ganz anderem
Gebiete liegt. Wenn auch bei vielen derartigen Dörfern die Be-
hausung der ehemaligen weltlichen oder geistlichen Herren vers-
chwunden ist, so kann man doch aus den Endungen auf „bürg,
sels, stein" oder „kirchen, kappel, zell" auf eine solche Entstehung
des Dorses schließen. — Bei den Städten, die meistens aus
Kleinsiedelungen emporwuchsen, sind die Gründe sür die Auswahl
der Ortlichkeit weniger bedeutsam als die Ursachen ihrer Ent-
wicklung aus kleinen Anfängen zur heutigen Größe. Nur bei den
ältesten Stadtgründuugen wurde die Ortswahl hauptsächlich durch
die gesicherte Lage gegen feindliche Angriffe beeinflußt (Bergstädte,
Städte in Flußgabelungen, aus Kapvorsprüngen oder aus küsten-
nahen Inseln).
Die Entwicklung einer Siedeluug wird vor allem
durch die Verkehrsverhältnisse und durch die Ausnutzung von
Bodenschätzen bedingt. In gleichartigen Landschaften mit vor-
wiegend Ackerbau treibender Bevölkerung entwickeln sich einzelne
Siedelungen inmitten kleiner Bezirke zu Landstädten als Verkehrs-
Zentren, und gewöhnlich wächst nur ein Ort, meist in der Mitte
des ganzen Gebietes, zur größeren Stadt empor (Münstersche
Bucht). In der Regel aber entstehen große Städte da, wo der
Durchgangsverkehr natürliche Ruhepunkte findet, also an den
Enden vielbegangener Pässe, an Straßenkreuzungen, namentlich
dort, wo wichtige Landwege die Wasserstraßen treffen, an den
Mündungen schiffbarer Ströme, an verkehrsreichen Meeresstraßen.
Ebenso wachsen Kleinstädte rasch empor, wenn sie an Stellen
liegen, wo Bodenschätze ausgebeutet werden (Bergwerksstädte, In-
dustrieorte in Kohlen- und Eisenrevieren, Badeorte). In einzelnen
Fällen ist das Ausblühen der Städte auch vou anderen Faktoren
— 224 —
bedingt (Fürsorge der Fürsten für ihre Residenzen, Gründung
wichtiger Lehr- oder Kunstanstalten n. dgl.).
Wenn man eine Einteilung der (^>iedelungeu nach der
Einwohnerzahl vornehmen will, fo pflegt man zu unterscheiden:
Ländliche Wohnplätze mit unter 2000 Einw.
Landstädte „ 2000—5000 „
Kleinstädte „ 5000—20 000 „
Mittelstädte „ 20 000—100 000
Großstädte f, über 100 000
In den meisten Kulturländern wohnt reichlich die Hälfte der
Bevölkerung in ländlichen Wohnplätzen bis 2000 Einw. Freilich
macht sich überall ein Zug der Bevölkeruug vom Lande nach der
Stadt bemerkbar, so daß die Zahl und die Größe der Städte
schnell zunehmen. In Deutschland gibt es (1905) 180 Mittel-
städte uud 41 Großstädte (1900 erst 33). Auf der ganzen Erde
zählt man etwas über 300 Großstädte, wovon reichlich die Hälfte
(157) in Europa liegen. Ein rasches Anwachsen der Bevölkerung
erfolgt namentlich in Verkehrsmittelpunkten und in Industrie-
gebieteu, wo es sogar Laudgemeinden mit mehr als 20000 Ein-
wohnern gibt.
Die mittlere Volksdichte ergibt sich, wenn man die
Zahl der Bewohner aller Siedelungen auf die Größe des be-
siedelten Raumes bezieht. Sie gestattet noch mehr als die An-
zahl der Großstedelungen einen Schluß auf die Kultur des Landes.
Großstädte an verkehrsreichen Küsten haben mitunter kulturarme
Länder hinter sich; eine sehr ungleichmäßige Verteilung der Be-
völkerung ist für ein Land ein Merkmal niederen Kulturstandes.
Je höher die Kultur steigt, desto gleichmäßiger verteilt sich die
Bevölkeruug über das Land; denn mit dem Kulturfortschritt
wächst auch die Fähigkeit der Menschen, die von der Natur
weuiger günstig ausgestatteten Striche dauernd zu bewohuen,
durch die von der höheren Kultur ihueu reichlicher gebotenen
Mittel dem Boden möglichst große Erträge abzuringen, die Boden-
schütze auch unter schwierigen Verhältnissen auszubeuten oder sich
durch Hausindustrie Ersatz zu schaffen. Die dichte Besiedelung
des Erzgebirges, des Thüringer Waldes und des Schwarzwaldes
gibt davon Zeugnis. Daß trotzdem in Kulturländern die au
natürlichen Hilfsquellen reicheren oder durch vorzügliche Verkehrs-
lage begünstigten Gebiete dichter bevölkert sind, liegt auf der
Haud. ■— Man pflegt die Volksdichte auf 1 qkrn zu berechnen.
Das ergibt z. B. folgende Werte:
Belgien 240 Deutschland 112
Niederlande 167 Frankreich 73
Großbritannien Europa 42,1
und Irland 139*) Asien 18,7
Italien 117 Afrika 4,4
*) England und Wales 226,2, Schottland 59,8, Irland 52,1.
— 225 —
Amerika 3,9 Gesamte Land-
Australien 0,7 fläche der Erde 10,6
Selbstverständlich zeigen diese Durchschnittszahlen nicht die
wirkliche Verteilung der Bevölkerung an, da sie die un-
bewohnten oder schwach bevölkerten Gegenden aus Kosten der
stark besiedelten mit berücksichtigen. So ergeben sich innerhalb
eines Landes oder Erdteils wieder die größten Unterschiede (z. B.
in Deutschland: Königreich Sachsen 300, Mecklenburg-Strelitz 35;
in Europa: Belgien 240, Schweden 11,8). Über 200 Menschen
wohnen auf 1 qkm in Belgien, den Industriegebieten Groß-
britanniens, in einzelnen Teilen des Deutschen Reiches, der Nieder-
lande und Frankreichs, im unteren Niltal, im Gangestal, aus
Java und in einigen Provinzen des n.-ö. China. Eine Bevölkerungs-
dichte von 100—200 haben größere Teile der west- und süd-
europäischen Länder, große Flächen Vorderindiens, Chinas und
Japans und mehrere Staaten im n.-ö. Teile der Union.
3. g>taatzfoxmen.
Auch in der Bildung von Staaten äußert sich die Kultur
der Völker, und je höher sie ist, desto vollkommener sind die
staatlichen Einrichtungen. Aus der ursprünglichsten menschlichen
Vereinigung in der Familie entwickelte sich durch Zusammen-
schluß mehrerer Familien der auf Blutsverwandtschaft gestützte
und durch gleichartigen Erwerb und gemeinsamen Widerstand
gegen Feinde gefestigte Stamm oder die Horde, von einem
angesehenen Patriarchen (Häuptling, Scheik, Chan) geleitet. In
solchem Zusammenschluß zu einem Stamme ruht der Ansang der
Staatenbildung, und Völker niederer Kultur sind dabei stehen
geblieben (Australneger, Zwergvölker Afrikas, Indianer). Die
etwas höher stehenden Nomaden haben bisweilen große Staaten
geschaffen, die aber gewöhnlich bald wieder zerfallen sind (Mon-
golen, Araber). Dauernde Staaten werden nur von ansässigen
Völkern gegründet.
Der Erscheinungsform nach unterscheidet man zwei Gruppen
von Staaten: Monarchien und Republiken. In einer Monarchie
(von gr. mönos, allein und ärchein, herrschen) ruht die höchste
Staatsgewalt in der Hand eines erblichen oder erwählten Fürsten.
Die gesetz- und rechtlose Monarchie, in welcher allein die Will-
kür des Herrschers maßgebend ist, heißt De spotie (vongr. despoteia,
Gewaltherrschast). Sie ist die gewöhnliche Staatsform der Neger-
reiche und findet sich auch, wenngleich etwas gemildert, in China,
Persien und der Türkei. Auch in der absoluten Monarchie
oder Autokratie (von gr. autös, selbst und kratein, herrschen)
steht die gesetzgebende Gewalt allein beim Fürsten, der sich aber
unter das Gesetz stellt (bis jetzt noch Rußland). Ist in einer
Monarchie durch ein Staatsgrundgesetz (Verfassung, Konstitution)
dem Volke das Recht gesichert, bei der Gesetzgebung und der
W. Techter, Allgemeine Erdkunde. 15
— 226 —
Staatsverwaltung durch gewählte Vertreter mitzuwirken, so
bildet der Staat eine eingeschränkte oder konstitutionelle
Monarchie (Preußen, England, Italien u. a.). — Den
Monarchien stehen die Republiken (von lat. res publica, öffent-
liche Angelegenheit, Gemeinwesen) gegenüber. In ihnen wird
gegenwärtig die Regierungsgewalt durchweg durch vom Volke
gewählte Vertreter ausgeübt; auch das Staatsoberhaupt (Präsi-
dent) wird auf bestimmte Zeit gewählt. Eine solche Republik
heißt eine demokratische (von gr. demos, Volk; Schweiz, Frank-
reich, alle selbständigen Staaten Amerikas). In manchen
Republiken früherer Zeit beschränkte sich die Wahl der mit der
Macht bekleidete:: Personen auf die Glieder weniger Familien.
Ein solcher Staat ist eine aristokratische Republik (von gr. äristos,
der Beste; die alte römische Republik, die meisten Republiken
Italiens im Mittelalter).
Wenn zwei oder mehrere unabhängige Staaten sich aus
politischen Gründen zusammenschließen, ohne dabei ihre volle
Selbständigkeit auszugeben, so entsteht ein Staatenbund (Drei-
bund: Deutschland, Osterreich-Ungarn, Italien). Verzichten bei
einer Vereinigung mehrerer gleichberechtigter Staaten diese auf
wesentliche Rechte, um sie einer genieinsamen Regierung zu über-
tragen, so bilden sie einen Bundesstaat. Jeder Einzelstaat
desselben behält zwar in den meisten inneren Angelegenheiten
seine Selbständigkeit, gibt sie aber in der äußern Politik auf und
gehört damit völkerrechtlich nicht mehr zu den vollkommen unab-
hängigen Staaten. Ein Bundesstaat kaun monarchisch (Deutsch-
land) oder republikanisch sein. Im letzteren Falle nennt man
ihn föderative Republik (von lat. foedus, Buud; Schweiz, Ver-
einigte Staaten, Brasilien, Argentinische Republik).
Als Großmacht bezeichnet man ein Staatswesen, das in
politischen und wirtschaftlichen Dingen einen ausschlaggebenden
Einfluß auf die benachbarten Völker auszuüben vermag. _ Früher,
als noch Söldnerscharen und Hilfstruppen vielfach die Kriege
führten, konnten auch kleinere Staaten eine solche Stellung ein-
nehmen. Da aber gegenwärtig die Wehrkraft des Staates im
eigenen Volke beruht, bedarf ein Staat zur Großmachtstellung
auch eines größeren Landes mit genügendem Menschenmaterial.
Für Großmacht setzt man deshalb setzt wohl den Ausdruck Groß-
staat. Als Großstaaten gelten gegenwärtig folgende.- Deutsch-
land, Rußlaud, Osterreich-Ungarn, Frankreich, Großbritannien,
Italien, die Vereinigten Staaten von Amerika, Japan und China.
Viele Staaten haben Außenbesitzungen, die außerhalb
ihrer Grenzen liegen und ihnen politisch nicht eingegliedert sind,
über die sie aber Hoheitsrechte ausüben. Wenn diese Besitzungen
dem Mutterstaate benachbart sind, nennt man sie Nebenländer
(Sibirien, Mongolei, Mandschurei, Tibet, Island); die Übersee-
ischen heißen Kolonien. Die größten Außenbesitzungen haben
(nach v. Juraschek, geogr.-stat. Tabellen 1906):
— 227 —
Außenbesitz Mutterland
Mitl.qkm Mill. Einw. qkm Mill. Einw.
Britisches Reich 29,5 347,2 315 000 43,7
Russisches Reich 16,9*) 27,1*) 5 390 000**) 119**)
Frankreich
lohne Einfluß geb.) 5,9 49,4 536 000 39
China 7,3 10,6 3 877 000 319,5
Deutsches Reich 2,6 12,4 541000 60,6
Niederlande 2 37,9 33 000 5,5
4. Wetigionsgemeinscbcrften.
Ihren höchsten Ausdruck findet die menschliche Kultur in der
Religion, die wieder die Grundlage für Recht und Sitte ist und
auf die Entwicklung aller übrigen geistigen Güter belebend und
fördernd einwirkt. Religiöse Vorstellungen sehlen keinem Volke;
durch sie unterscheidet sich der Mensch am schärfsten vom Tiere.
Das jedem Menschen innewohnende Bewußtsein von der Endlich-
keit und Beschränktheit seines Lebens erweckt in ihm den Glauben
an das Vorhandensein einer höheren Macht, die ihm Gutes tun
oder Böses zufügen kann; es erzeugt in ihm weiter das Streben,
zu dieser höheren Macht in ein sür ihn günstiges persönliches
Verhältnis zu kommen. Auf der Kindheitsstufe der Menschheit, aus
der die Naturvölker teils bis heute verblieben sind, wurde die höhere
Macht der äußeren Natur beigelegt; mit dem Fortschritt in der
Kultur entwickelte sich aus dem Naturkult die Verehrung einer
geistigen oder sittlichen Macht, und den letzten Schritt bildet der
Glaube an einen einigen, persönlichen Gott.
Die Religionssormen der Menschen lassen sich in zwei Gruppen
bringen: Verehrung von mehreren Göttern (Polytheismus) und
Verehrung nur eines Gottes (Monotheismus).
Arten des Polytheismus sind:
1. Der Fetischismus (von portug. feitiqo, Zauber). Vom
Fetischdiener wird jedes beliebige nützliche oder schädliche
Ding, einerlei ob Tier, Pflanze oder Sache, verehrt und
ihm durch Zauberformeln die Kraft beigelegt, den Ver-
ehrer vor Unheil zu schützen oder seinem Feinde Schaden
zuzufügen. Erweist der Fetisch sich als unwirksam, so
wird er verachtet oder vernichtet. Der Fetischismus
herrscht unter den Negern Afrikas.
2. Der Schamanismus. Seine Anhänger, die mongo-
lischen Völker Nordasiens und die Australier, glauben
ihre ganze Umgebung von gesürchteten Geistern oder Dä-
monen erfüllt, die nur von Zauberern oder Schamanen
(von ind. gramana, Büßer) gebannt werden können.
3. Der Naturdienst. Unter diesem Namen saßt man
religiöse Anschauungen zusammen, die auf Naturvorgängen
*) Mit Chiwa und Buchara. **) Mit Finnland.
15*
— 228 —
beruhen. Ursprünglich wurden die mit den Vor-
gangen verbundenen Dinge selbst verehrt, so die Sonne
als Spenderin von Licht und Wärme die Nahrung
liefernde Erde, Donner und Blitz im Gewitter u. a.
Später legte der Meusch den in diesen Dingen wirkenden
Kräften Persönlichkeit bei, und die Gegenstände blieben
nur Sitze der Gottheiten. Diesen Stand hatten die Reli-
gionen der Griechen, Römer und Germanen vor der An-
nähme des Christentums, desgleichen die altpersische
Religion mit der Verehrung von Ormuzd und Ahriman,
den Göttern des Lichtes und der Finsternis.
Diese drei Religionssormen saßt man unter dem Namen Heid-
nische Religionen zusammen. Aus höherer Stufe stehen folgende:
4. Der Brahmaismus oder Hinduismus (etwa 200
Mill.). Er ist, in Vorderindien verbreitet, eng mit dem
indischen Kastenwesen verknüpft. Seine drei Hauptgott-
heiteu sind Brahma, Wischnn uud Siwas.
5. Die ostasiatischen Religionen (etwa 400 Mill.) Die
bedeutendste unter ihnen ist der Buddhismus, der aus
dem Brahmaismus hervorgegangen ist und in ganz
Hinterasien Verbreitung gesunden hat. Sein Stifter
war im 6. Jahrhundert v. Chr. der Fürstensohn Gau-
tama, der später als Buddha verehrt wurde. In
manchen Glaubeuslehren und Geboten der Moral berührt
der Buddhismus sich mit dem Christentum. In Tibet
hat er eine besondere Entwicklung im Lamaismus ge-
sunden. In China herrscht neben dem Buddhismus die
Lehre des Kongtse (Consucius), und in Japan ist Staats-
religion der Shintoismus, ein Herren- und Ahnenkultus.
Arten des Monotheismus sind:
1. Das Judentum. Seine Anhänger haben sich über die
ganze Erde zerstreut und zählen etwa 9 Millionen, von
denen 8 Mill. in Europa wohnen.
2. Der Islam (240 Mill.). Die Bekenner desselben gliedern
sich in die Schiiten, die nur den Koran anerkennen
(Perser), in die Sunniten, welche außer dem Koran noch
eine Tradition, die Sünna, haben (Türken, Afghanen,
Belutschen), und in die Sekte der Wahabiten.
3. Das Christentum. Es ist die höchste und jetzt am
meisten verbreitete aller Religionssormen (568 Mill.).
Die Christenheit gliedert sich, abgesehen von vielen kleinen
Sekten, in drei Abteilungen:
Römisch-katholische Christen 263 Mill.
Evangelische „ 179 „
Griechisch-katholische „ 126 „
568 Mill.
JVameti- und Sacbregifter.
A.
Aachen 120.
Aar 123.
Abendnebel 175.
Abdämmungsseen 125.
Abgliederungsseen 125.
Ablagerung der Fluß-
sedimente 76.
Ablagerungen an der
Küste 84.
Ablation 89.
Abplattung der Erde 9.
Abrasion 80.
Abrasionsflächen 93.
Absolute Feuchtigkeit
173.
Absolute Höhe 95.
Abspülung 66.
Absteigende Quellen 118.
Absturz 65.
Adda 128.
Aden 113. 116.
Adelsberger Höhle 69.
Afrikanische Rasse 218.
Afrikanisches Tierreich
210.
Agglutinierende
Sprachen 219.
Alexandrien 8.
Aletschgletscher 185.
Algerien 119.
Allier 123.
Alluvium 40.
Alpen 29. 37. 95.
Alpine Gletscher 182.
Altkastilien 93.
Altwasser 75. 125.
Akkumulation 93.
Amazonas 93. 122. 123.
Amerikanische Rasse 218.
Ammoniten 36.
Amsterdam 144.
Amu 123.
Anden 37. 95.
Anlagerung 27.
Anomalie, thermischel59.
Anpassung der Pflanzen
192.
Anpassung der Tiere 207.
Anschwemmung an den
Küsten 84.
Ans ch w emmungsins eln
105.
Anthropogeographie212.
Anthropozoisches Zeit-
alter 38.
Anticyklone 164.
Antiklinalfalten 30.
i Antillen 50. 104.
Antipassat 168.
Apennin 102.
Äquator, astronom. 11.
Äquator, magnetisch. 18.
Äquator,thermischer 159.
Aquatorgrad 11.
Äquatorialklima 161.
Äquatorialregen 179.
Äquatorialströmung
146.
Aquitanisches Tiefland
102.
Aralo—Kaspische Senke
93.
Aralsee 127.
Arbeitsleistung der
Flüsse 71.
Archäisches Zeitalter 33.
Archäopterix 36.
ArktischeTiergruppe 209.
Aristoteles 4.
Armenisches Hochland
92.
Artesische Brunnen 119.
Arzneipflanzen 201.
Asche, vulkanische 43.
Aspirationsthermo-
meter 157.
Asteroiden 4.
Astuarien 124.
Atmosphäre 149.
Atmosphärendruck 162.
Ätna 45. 48.
Atoll 107.
Auen 77.
Aussteigende Quellen
118.
Auftriebwasser 147.
August's Psychrometer
174.
Ausräumungsseen 125.
Ausstrahlung der
Wärme 154.
Australier 218.
Australische Tiergruppe
210.
Autokratie 225.
Azoren 50. 214.
v.
Baden-Baden 120.
Baeyer 11.
Baikalsee 127.
Banane 201.
Bandaisan 46.
Bannwälder 181.
Barometer als Höhen-
messer 163.
— 230 —
Barrancos 47.
Barrenmündung 123.
Barriere-Riff 107.
Barysphäre 12.
Basalt 22. 23. 37. 41.
Batate 201.
Beaufort's Skala 166.
Becken 93. 97.
Belemniten 36.
Bengalen 115.
Benthos 212.
Berg 94.
Bergland 96.
Bergsturz 66.
Bergwind 170.
Bernstein 38.
Wessel 11.
Bisurkation 122.
Binnenlandsdünen 90.
Binnen-Randmeere 115.
Biogeographie 190.
Biscaya, Busen von 115.
Bläue des Himmels 150.
Blindseen 126.
Blocklava 45.
Blumenbach 216.
Boddenküste 110.
Bodenbildung 64.
Bodennebel 175.
Bodenschwelle 94.
Bodensee 126. 128.
Böhmen 29. 50.
Böhmerwald 33. 96.
Bolivia, Hochland v. 92.
Bolsiner See 125.
Bombay 114.
Bonnevillesee 127.
Bora 170.
Bore 145.
Boreales Tierreich 209.
Borneo-See 115.
Bouguer 8.
Brahmaismus 228.
Brahmaputra 122.
Brandung 80.
Brasilstrom 147.
Braunkohlenformation
38.
Bremerhaven 113. 140.
144.
Brest 114. 144.
Brienzersee 78. 128.
Bristolkanal 140.
Brocken 189.
Brookers Tiefseeloot 128.
Brotfruchtbaum 201.
Bruchnetz 29.
Buchweizen 200.
Buchthäfen 113.
Buddhismus 228.
Bundesstaat 226.
Bunsen 121.
Buntsandstein 35.
Buschmänner 218.
Buys-Ballot 165.
Cabral 148.
Campos 196.
Calais 144.
Calvados 85.
Camper 216.
Canon 73.
Carpentariagols 115.
Casamicciola 54.
Cassavestrauch 201.
Cassiquiare 122.
Cayenne 6.
Chamsin 171.
Cherbourg 144.
Christentum 223.
Christi ania 60. 114.
Clairaut 9.
Cirruswolken 176.
Colorado 73.
Comersee 127. 128.
Confucius 228.
Copiapo 178.
Cofeguina 44.
Cotopaxi 44.
Cumuluswolken 176.
Custozza 88.
Cuvier 216.
Cuxhaven 113. 140. 144.
Cyklone 164.
D.
Dachauer Moos 118.
Dammhäfen 114.
DampsdruckderLuft 173.
Darwin 60. 107. 108.
Dattelpalme 201.
Debundfcha 178.
Decken, vulkan. 47.
Deflation 88.
Deister 37.
Dekan 47. 102.
Deklination, astron. 153.
Deklination, magnet. 15.
16.
Delta 77. 123.
Denudation 65. 93.
Denudationsflächen 93.
Depression, geogr. 93.
Depression, barometr.
164.
Despotie 225.
Devon 33.
Diatomeen 131.
Dichte der Erde 12.
Diluvium 40.
Dimensionen d. Erde 11.
Diskonkordante Lage-
rung 27.
Dislokationen 25.
Dislokationsbeben 56.
Dnjepr 122.
Dogger 35. 36.
Dolinen 69.
Dollart 83.
Domvulkane 47.
Donau 122. 123.
Dora Baltea 88.
Dorf 222.
Dovefches Gesetz 189.
Dravidas 216. 218. 219.
Drontherm 114.
Dün 94.
Dünen 89.
Dünenküste 110.
Dünnung 139.
Durchbruchstäler 98.
Dwina 123.
Dyas 34.
— 231 —
G.
Ebbe und Flut 140.
Ebenen 92.
Ebenen, ursprüngl. 93.
Ebro 77. 113.
Ecuador, Hochld. v. 92.
Eger 98.
Einhornhöhle 68.
Einsenkungsseen 125.
Einstrahlung d. Wärme
152.
Einsturzbeben 56.
Einsturzseen 125.
Einzugsgebiet 69.
Eisberge 137. 145.
Eisboden 13. 161.
Eiserne Küste 110. 113.
Eismeer, nördl. 99. 100.
115.
Eismeer, südl. 99. 100.
Eiszeiten 39.
Elbe 122.
Elbsandsteingeb. 73. 96.
Elevationstheorie 30.
Elm 66.
Eltonsee 127.
Ems, Bad 120.
Endmoräne 87.
Endogene Vorgänge 41.
Endseen 126.
Engadin 157.
Epizentrum 54.
Epomeo 49.
Eratosthenes 8.
Erde, Entstehung 2.
Erde, Abplattung 6.
Erde, Gestalt 4.
Erde, Kugelgestalt 5.
Erde, als Sphäroid 6.
Erde, als Geoid 10.
Erde, Dichte 12.
Erde, Dimensionen 11.
Erde, Eigenwärme 13.
Erde, Sphären 12.
Erdbeben 52.
Erdbebenfluten 51. 57.
Erdinger Moos 118.
Erdinnere 14.
Erdmagnetismus 15.
Erdmessung 11.
Erdpyramiden 67.
Ergußgesteine 22.
Erosion der Flüsse 69.
Erosion der Gletscher 87.
Erosionsgebirge73.93.96.
Erosionstäler 98.
Erratische Blöcke 39.
Ersatzströme 146.
Eruptionen, Arten 46.
Eruptivgesteine 22.
Erzgebirge 33. 96. 224.
Eskimos 217. 220.
Etschtal 99.
Euphrat 123.
Eurasien 99.
Exogene Vorgänge 60.
Expansionstheorie 31.
Explosionsseen 125.
Eyresee 127.
F»
Fächerfalten 30.
Faden 12.
Färöer 136.
Fallen der Schichten 26.
Fallwinde 170.
Faltengebirge 96.
Faltung des Landes 29.
Farbpflanzen 202.
Faulhorn 63.
Federwolken 176.
Feldeis 136.
Fernbeben 55.
Fetischismus 227.
Feuchtigkeit d. Luft 173.
Fidschi-Inseln 103. 105.
Findlinge 39.
Finnland 93. 126.
Firn 182.
Firth III.
Fischervölker 220.
Fjorde 60. 110. 113.
Flachböden 93.
Flächenverteilung von
Land und Wasser 99.
Flachküste 109.
Flachküste, Brandung an
der 83.
Flachtal 97.
Fladenlava 45.
Flecken 222.
Flektierende Sprachen
219.
Flexur 30.
Flöz 25.
Fluß 121.
Flußgefälle 70.
Flußmündung 123.
Flußbett 72.
Flußerosion 72.
Flußgabelung 122.
Flußgebiet 122.
Flußmündungshäfen
113.
Flußsedimente 77.
Flußseen 126.
Flußvermischung 122.
Flut 140.
Fluthäfen 114.
Flysch 37.
Föhn 170.
Föhrde 110. 113.
Formationen der Ge-
steine 33.
Frankenhöhe 94.
Fulda 123.
Fumarolen 49.
Fundybai 84. 140.
G.
Galerien 182.
Galeriewälder 195.
Ganges 122. 123.
Ganggesteine 22.
Gastein 120.
Gebirge 94.
Gebirgskamm 73.
Gebirgsknoten 95.
Gefälle des Flusses 70.
Gegenströme 146.
Gekröselava 45.
Geländeformen 92.
Genezareth, See 93.
Genfersee 128. 139.
— 232 —
Genuß mittel 201.
Geoid 10.
Gerste 200.
Geschiebe 24. 39.
Gesichtsweite 5.
Gespinstpflanzen 202.
Gesteine, plutonische 22.
Gesteine, vulkanische 22.
Gesteinsbildung 21.
Gesteinsgruppen 32.
Gewitter 177.
Gewürzpflanzen 201.
Geysir 69. 120.
Gezeiten 140.
Gezeitenströmung 84.
144.
Gibraltar, Straße von
116. 135.
Gironde 78. 86.
Glatteis 175.
Gletscher 182.
Gletscherbach 184.
Gletschererosion 87.
Gletschermühle 185.
Gletscherphänomene 183.
Gletschertisch 185.
Gletschertor 184.
Gletscherwirkungen 86.
Getreide 200.
Glimmerschiefer 33.
Globigerinen 130.
Gneis 24. 33.
Golfstrom 135. 147. 160.
Grabenversenkung 29.
Gradient, barom. 166.
Gradmessung 8. 11.
Granit 22. 33.
Grasland 195.
Grat 94.
Graupeln 177.
Grauwacke 24. 33.
Grönland 185.
Grönlandstrom 148.
Großstaaten 226.
Großstädte 224.
Grundlawine 181.
Grundmoräne 86.
Grundwasser 68. 116.
Grundwasserstrom 117.
Gruppengebirge 95.
Guam 101. 129.
Guineabusen 115.
Gunung Tambora 44.
*?♦
Höckel 216.
Hackbauer 220.
Hafenzeit 144.
Hafer 200.
Haff 85. 124.
Haffküfte 110.
Hagel 177.
Hainleite 94.
Haken 85.
Halbkulturvölker 220.
Halbinseln 102.
Hall 119.
Halle 119.
Hallein 119.
Halligen 83. 86.
Hamburg 113. 141. 144.
Hangendes einer Schicht
25.
Hann 20. 163. 173.
Hardanger Fjord III.
Harrilaid 105.
Harz 33. 34. 37. 95. 96.
Haschisch 201.
Hase, Fluß 122.
Haufenwolken 176.
Hawaii Inseln 50. 106.
140.
Hebung des Landes 57.
Hebungsinseln 105.
Hela 85.
Helgoland 144.
Hessisches Bergland 35.
47. 96.
Hildburghausen 35.
Hinduismus 228.
Hirse 200.
Hirtenvölker 220.
Hoangho 76.
Hochebene 93.
Hochgebirge 96.
Hochplateau 92.
Höhe, Bestimmung der
95.
Höhengürtel der Vege-
tation 199.
Höhenstufe, thermische
156.
Höhenstufe, barometri-
sche 162.
Homogene Atmosphäre
162.
Horst 29.
Horstgebirge 96.
Hottentotten 218.
Hudsonbai 115. 161.
Hügel 94.
Hügelland 96.
Hügelkette 94.
Humboldt, A. v. 30. 158.
Humusboden 64.
Huronsee 127.
Hurrikan 172.
Huyghens 7.
Hydrosphäre 116.
Ichthyosaurus 36.
Jll 125.
Indianer 218. 220.
Indisches Tierreich 210.
Jndoatlantische Rasse
217.
Jngressionsmeere 115.
Inklination 17.
Inlandeis 39. 182. 185.
Inseln 102.
Inseln, festländische 103.
Inseln, ursprüngliche
105. j
Insolation 13. 134. 152.
Intensität, magnet. 19.
Jnterglazialzeiten 39.
Jnterlaken 78.
Irische See 115.
Islam 228.
Island 69. 108. 136. 185.
Jsoamplituden 161.
Jsoanomalen 159.
Isobaren 163.
— 233 —
Jsobathen 100.
Jsodynamen 19.
Jsogonen 16.
Isohypsen 100.
Jsoklinen 18.
Jsoklinal-Falten 30.
Isolierende Sprachen
219.
Isothermen 158.
Isthmus 101.
Jstrien 102.
Jvrea 88.
3-
Jägervölker 220.
Jahdebusen 83.
Jahresisothermen 158.
Jailagebirge 102.
Januarisothermen 159.
Javasee 115.
Jodquellen 119.
Jordantal 93.
Judentum 228.
Juliisothermen 159.
Jura 35.
Jütland 102.
R.
Kalahari 178.
Kalksteine 35. 36.
Kalmen 169.
Kambrium 33.
Kamm eines Gebirges 94.
Kammgebirge 95.
Kammhöhe 95.
Kammlinie 94.
Kanal 116.
Kanarische Inseln 50.
Kandersteg 66.
Känozoisches Zeitalter
37.
Kant-Laplacesche Hypo-
these 2.
Kara Bugas 127.
Kare 88.
Karibisches Meer 129.
Karlsbad 120.
Karren 68.
Karst 95. 102.
Kartoffel 201.
Kaskaden 7&.
Kaspisches Meer 93. 127.
Katarakte 75.
Kattegat 116.
Kaukasier 216.
Kermadecgraben 129.
Kesselbruch 29.
Kettengebirge 95.
Keuper 35.
Kieselsinter 120.
Kilima-Ndscharo 180.
Kingston 53.
Kjökkenmöddinger 58.
Klastische Gesteine 24.
Kleinasien 102.
Kleinstädte 224.
Kliff 81.
Kliffküfte 109.
Klima 186.
Klimagürtel 187.
Klimaschwankung 188.
Klippenbrandung 80.
Kluftwasfer 68. 117.
Knollengewächse 201.
Kochthermometer 95.
Kohlenkalk 34.
Kohlensandstein 34.
Kokospalmel08.149.201.
Kolonien 226.
Konpensationsströme
146.
Konglomerate 37.
Kongo 122. 123.
Kongtse 220.
Konkordante Lagerung
26.
Kontinente 99.
Kontinentalabhang 101.
Kontinentalblock 101.
Kontinentalinseln 103.
Kontinentaltafel 101.
Kontraktionstheorie 31;
Koralleninseln 60. 106.
Korrosion, mechan. 67.
89.
Korrosion, chemische 72.
Krakatau 43. 44. 57.
Kraterseen 125. 126.
Kreide 36.
Kristallinische Gesteine
24.
Krümmel 80. 100. 129.
Kulturstufen 220.
Kulturvölker 220.
Kurische Nehrung 90.91.
Kuro Siwo 148.
Küsten 109.
Küstenentwicklung 114.
Küstenriffe 107.
Küstenströmung 85.
Küstenverfetzung 78. 83.
124.
Küstenzone 80.
Kykladen 103.
£.
Labrador 161.
Labradorstrom 148.'
La Condamine 9.
Ladogasee 127.
Lagerung derGesteine 25,
Lagunen 85.
Lagunenhäfen 114.
Lagunenküste 110.
Landenge 101.
Landstädte 224.
Landstufe 94.
Landwind 170.
Längsküste 109.
Längstäler 98.
Lapilli 44.
Laplace 2.
Laplata 122. ~
Laplatabai 124.
Lappland 9.
Latent 25. 64.
Lava 44.
Lawinen 179. -
Lias 35.
Lidi 85.
Liegendes einer Schicht
25.
Liman 124.
Lissabon 53. .......
— 234 —
Lithosphäre 20.
Litoral 211.
Liverpool 114.
Loire 86. 123.
Lorenzgolf 115.
Lötz 25. 40. 92.
Lotabweichung 13.
Luft, Druck 151.
Luft, Feuchtigkeit 172.
Luft, Höhe 150.
Luft, Kreislauf 167.
Luft, Schwere 162.
Luft, Temperatur 151.
Luft, Zusammensetzung
149.
Luftdruck 162.
Lufthülle 149.
Luftsättel 30.
Lufttemperatur, Ab-
nahme mit der Höhe
155.
Lusttemper., Messung
157.
Lufttemperatur, tägl.
Gang 155.
Lüneburg 119.
Lütfchine 78. 128.
Luzern 163.
Lisesjord III.
m.
Maare 125. 126.
Maas 122.
Macchie 195.
Mächtigkeit einer Schicht
25.
Madagaskar 105.
Madagassisches Tier-
reich 210.
Madeira 214.
Maelstrom 145.
Magma 14. 51. 52.
Magnetismus der Erde
15.
Mais 200.
Makassarstraße 209.
Malaien 218.
Malm 35. 36.
Mammut 40.
Maniokstrauch 201.
Manytsch 122.
Marianengraben 100.
129.
Marschgebiete 93.
Martinique 43.
Maskarenen 106.
Massengesteine 22.
Massengebirge 95.
Mastadon 38.
Maupertuis 9.
Maximum, barometr.
164.
Meer 128.
Meerbewegungen 137.
Meereis 136.
Meerenge 116.
Meeresboden, Bedeckung
130.
Meeresboden, Form 129.
Meeresstraßen 116.
Meeresströmungen 145.
Meerestiere 211.
Meerleuchten 134.
Meersalze 131.
Meerwasser, chem. Zu-
sammensetzung 131.
Meerwasser, Farbe 133.
Meerwasser, spez. Ge-
wicht 133.
Meerwasser, Temperatur
134.
Meile, deutsche 11.
Meile, englische 12.
Meile, französische 12.
Meile, römische 12.
Meißner 47.
Melanesier 218.
Menschen, Rassen 215.
Menschen, Sprachen 218.
Menschen, Verbreitung
214.
Menschen, Zahl 214.
Menschengeschlecht,Alter
212.
Menschengeschlecht, Hei-
mat 212.
Menschengeschlecht, nat.
Gliederung 215.
Menschengeschlecht, kul-
tur. Gliederung 219.
Mergel 35. 37. 38.
Meridian, geogr. 11.
Meridian, magn. 17.
Meridiangrad 9.
Meridianquadrant 11.
Mesozoisches Zeitalter
35.
Meteorologie 151.
Metermaß 12.
Michigansee 127.
Minimum, barometr.
164.
Mischrassen 216.
Mississippi 122.
Mississippidelta 79.
Mistral 170.
Mißfärbung des Meeres
134.
Mißweisung magnet. 16.
Mittagslinie 16.
Mittelgebirge 96.
Mittelhöhe des Landes
100.
Mittelmeere 115.
Mittelmoränen 87.
Mittelstädte 224.
Mitteltiefe d. Meeres 100.
Mofetten 49.
Molasse 38.
Monarchie 228.
Mongolen 216. 217.
Monotheismus 228.
Monsume 169.
Monte nuovo 46.
Moore 196.
Moränen 39. 86. 87.
Morphologie d. Landes
92.
Mulde 29. 93.
München 117.
Mündung 123.
Mündungsfälle 75.
Muschelkalk 35,
— 235 —
2t.
Nagelfluh 38.
Nahrungspflanzen '200.
Nansen 137. 149.
Natronquellen 119.
Naturvölker 220.
Nazaire, St. 113.
Nebel 175.
Neger 219.
Nehrung 85.
Nekton 212.
Neuffen 14.
Neukastilien 93.
Neuseeland 69. 103. 105.
Neusiedlersee 117.
Neutrale Küste 109.
Neutrale Schicht 13.
Neu-Uork 114.
Newton 7.
Niagarafall 75. 76.
Niederschläge 175.
Niederselters 119.
Nil 122.
Nimbuswolken 176.
Nippflut 140.
Nischenbildung 73.
Niveau der starren Erd-
kruste 100.
Niveauveränderungen
58.
Nivellemente 95.
Nomaden 220.
Nordpol, magnet. 17.
Nordsee 115. 129. 132.
Normaltemperatur 158.
Nowaja-Semlja 103.
Nummuliten 37.
Nutzhölzer 202.
Nutzpflanzen 199.
0).
Ob 122.
Oberdeutsche Hochebene
93.
Oberer See 127.
Oberlauf eines Flusses
72.
Oberrheinische Tiesebene
29. 93. 124. 127.
Obra 122.
Ochotskisches Meer 115.
Oder 122.
Ogiven 183.
Ökumene 214.
Ölbaum 202.
Olpalme 202.
Onegasee 127.
Ontariosee 75.
Orographie 94.
Ortlergruppe 95.
Otztaler Alpen 95.
Ostasrikanische Senke 50.
93. 125.
Ostchinesisches Meer 115.
Ostsee 115. 129. 132. 135.
Ozeane 99. 115.
p.
Packeis 136.
Paläozoisches Zeitalter
33.
Pamir 95.
Pampas 195.
Papua 218.
Parallelkreise, Abnahme
der 11.
Paris 6.
Paruschowitz 14.
Passat 169.
Pässe 97.
Paßhöhe 95.
Pelagischer Bezirk 211.
Pelee 43.
Pendelbeobachtung 6.
Penck 82. 92. 97.
Perm 34.
Persischer Golf 115. 134.
Peru 9.
Peschel 43.
Petersburg 17.
Petresakten 32.
Pflanzen 190.
Pflanzen, Wanderung
192.
Phlegräische Felder 46.
48.
Phonolith 41.
Phyllit 33.
Picard 8.
Pilatus 163.
Plains 195.
Plankton 211.
Plateaugebirge 95.
Plateauscher Versuch 3.
Plesiosaurus 36.
Po 123.
Podelta 79.
Poebene 29. 93.
Pole, magnet. 17.
Polarlichter 19.
Polarnebel 175.
Polder 85.
Polynesisches Tierreich
211.
Polytheismus 227.
Pororoca 195.
Porphyr 34.
Prärien 196.
Primäres Zeitalter 33.
Prozoisches Zeitalter 33.
Pruth 79.
Psychrometer 175.
Pterodaktylus 36.
Pußta 196.
Pythagoras 4.
(Y.
Quadersandstein 36.
Quadratmeile, deutsche
11.
Quartäres Zeitalter 38.
Quellen 117.
Quellen, heiße 69.
Quellseen 126.
Quelltümpel 117.
Querküste 109.
Quertäler 98.
R.
Radiolarien 131.
Randmeere 115.
Rapilli 44.
— 236 —
Rauhreis 175.
Ravenna 58.
Red River 76. 79.
Reeden 113.
Regen 177. 179.
Regengürtel 174.
Regenmesser 178.
Regenwolken 176.
Reich.enhall 119.
Reis 175.
Reis 200.
Relative Feuchtigkeit
137.
Relative Höhe 95.
Religionen 227.
Reliktenseen 126.
Restinseln 105.
Retzius, 216.
Reuß 98.
Rhein 98. 122.
Rhein. Schiefergebirge
25. 33. 73. 93. 95. 96.
Rhön 37. 96. 195.
Rhöne 113. 122.
Rhonetal 98.
Rias 110. 113.
Richer, Jean 6.
Ries 29.
Riesengebirge 33.
Rigi 38. 171.
Rixhöst 85.
Roggen 200.
Rostgebirge 95.
Roß, James 17.
Roßberg 66.
Roßbreiten 169.
Rotes Meer 115. 132.
134.
Roter See 127.
Rotliegendes 34.
Rückengebirge 95.
Rügen 33. 36. 132.
Rumpfgebirge 96.
Rumpflandschaften 96.
Rundbuchten 110.
Rundhöcker 87.
Russische Tafel 93.
Sächsische Schweiz 33.
36. 37. 93.
Sagopalme 201.
Sahara 62. 89. 197. 208.
Säkulare Hebung 57.
Salzgärten 132.
Salzgebirge 35.
Salzgehalt des Meeres
132.
Salzgehalt der Seen
127. 132.
Salzlager 35.
Salzpflanzen 197.
Salzseen 127.
Salzsteppe 197.
Sammelvölker 220.
Samoa-Jnseln 50. 106.
Samum 171.
Sandboden 64.
Sandhose 172.
Sandsteppe 197.
San Franziska 53.
Santorin 48. 106.
Sattel 29.
Säuerlinge 49.
Sauerquellen 119.
Saumfluß 123.
Saurier 35.
Savannen 196.
Schamanismus 227.
Scheitel einer Erhebung
94.
Scherginschacht 13.
Schichtfläche 23.
Schichtgesteine 23.
Schichtkopf 25.
Schichtquelle 118
Schichtwolken 176.
Schiefer 23.
Schladebach 14.
Schlacken, vulkan. 44.
Schlackenschornstein 45.
Schlaglawinen 181.
Schleuderthermometer
157.
Schlick 130.
Schnee 177. 179. -
Schneegrenze 179.
Schneeschilde 180.
Schollengebirge 96.
Schollenland 28.
Schollenküste 109.
Schollenrandgebirge 96.
Schrattenfeld 68.
Schuppenbäume 34.
Schutthalden 65.
Schwarzes Meer 115.
129. 132. 134.
Schwarzwald 33. 224.
Schwefelquelle III.
Schweizer Jura 35. 96.
Schwemmlandsküsten
109.
Schwerkraft 7.
Scirocco 171.
Sedimentgesteine 23.
Seebär (Woge) 139.
Seebeben 57.
Seehäsen 113.
Seemeile 11.
Seen 125.
Seeklima 161. 186.
Seewind 170.
Seiches 139.
Seine 86. 123.
Seismographen 53.
Seitenmoränen 87.
Sekundenpendel 6.
Sekundäres Zeitalter 35.
Senegal 124.
Senke 93.
Senkungsfeld 28.
Serpentinen 73. 75.
Seychellen 105.
Shintoismus 228.
Shoshone 73.
Siam, Golf von 115.
Siebengebirge 95.
Siedelungen 222.
Siegelbäume 34.
Silur 33.
Singapur 113.
Sinterkegel 69.
Siwa 93.
Skager Rak 116.
— 237 —
SkandinavischesGebirge
96.
Skaptar Jökull 45.
Skjären III.
Strub 195.
Snellius 8.
Soden 119.
Sognesjord III.
Sole 119.
Svlfatarenzustand 49.
Solnhosener Schiefer 36.
Somma 48.
Sonorisches Reich 210.
Sorghum 200.
Southampton 113.
Spaltecken 182.
Spalten der Gletscher
184.
Spaltquelle 118.
Spektralanalyse 3.
Sperenberg 34. 35.
Spezifisches Gewicht der
Erde 12.
Spezifisches Gewicht des
Meerwassers 133.
Sphären der Erde 12.
Sphäroidgestalt der Er-
de 9.
Sprachen 218.
Springfluten 140.
Sprunghöhe 28.
Staatenbund 226.
Staatsformen 225.
Staffelbruch 28.
Stahlquellen 119.
Stalagmiten 69.
Stalaktiten 69.
Staßfurt 34.
Staubablagerung 91.
Staublawinen 180.
Staubwinde 171.
Steigerwald 94.
Steigküste 109.
Steilküste 81. 109.
— , Brandung 81.
Steinhuder Meer 117.
Steinkohlenformation
33. , '
Steinsalzlager 34. 35.
Steinschlagrinnen 65. -
Steppe 197.
Steppenseen 126.
Stevensonsches Gesetz
166.
Stirnmoränen 87.
Stoßwellen 139.
Strandbrandung 81.
Stranddünen 90.
Strandlinien 59. 82.
Strandplattform 81.
Strand Verschiebungen
57.
Strandwälle 85.
Stratovulkane 47.
Stratuswolken 176.
Strauchhalde 195.
Streichen der Schichten
26.
Strokkr 121.
Stromboli 48. ■ (
Stromgebiet 122.
Stromschnellen 75.
Stromstrich 74.
Stromsystem 122.
Stromversetzung 147.
Struktur der Gesteine
21.
Struktur der Gletscher
182.
Submarine Deltas 78.
Suchona 123.
Südamerikanisches Tier-
reich 210.
Südchinesisches Meer
115.
Südpol, magnet. 17.
Sues 178.
Sueskanal 116.
Sueß 31. 58. 110.
Sund 116.
Supan 54. 58. 81. 83.
92. 102.
Swinemüde 113. !
Syene 8. •- ,£j
Syenit 33.
Synklinalfalte 30.
' Syr 123.
Systeme der Gesteine 33.
T. >'
Tafelbruch 29. "" :'
Tafelländer 93.
Tafelschollengebirge 96.
Taifun 172. -
Talbuchten 113. ' ;
Täler 97.
Talfälle 75. :-:vr"C
Talwind 170." '•
Tanganiika See 127.' -
Tau 175. -■*
Taube'Flut
Taupunkt 174/ '
Tektonifche Beben Ml '■
„ Gebirge "96.
„ Seen 125.
.. Täler' 98."'
Temperatur der Lust
151. ' - ' " ••
Temperatur der oberen
Erdschicht 13. • i
Temperatur, Ttefeti-'14.
Temperatur, kritische 15.
Temperaturzonen 161.
Töplitz 120.
Terek 79.
Tertiäres Zeitalter 37.
Tessin 98. '
Teutoburger Wald 95l
Thermen 120.
Thermische Höhenstufe
156.
Thuner See 78. 128.
Thüringer Wald 33. 34.
35. 95. 224.
Tibet 92.
Tiden 140.
Tief 124.
Tiefebene 93. ••••■"
Tiefengesteine 22.
Tiefenlotung 128.
Tiefenstufe, geothernn-,
sche 14.
Tiefentemperatur 14.
I Tiefseeschlamm 130.
— 238 —
Tiefseetafel 101. 1
Tiefseeton 131.
Tieftal 97.
Tiere des Meeres 211.
Tiergruppen 208.
Tierreiche 209.
Tierwelt, Lebensbedin-
gungen 202.
Tierwelt, Verbreitung
204.
Tigris 123.
Tonboden 64.
Tongarinne 129.
Toise 12.
Tonschiefer 25. 33.
Tornado 172.
Totes Meer 29. 93. 127.
Trachyt 37.
Transgression 27. 32.
Transgressionsmeere
115.
Travertin 120.
Treibeis 137.
Triangulation 8.
Trias 35.
Trichtermündung 124.
Tromben 172.
Tropfsteine 69.
Tsadsee 127.
Tschernosiom 40. 92.
Tscherrapundschi 178.
Tuff, vulkan. 44.
Tundren 196.
Tuscaroratiefe 129.
U.
Uberfallquelle 118.
Ubergangsrassen 216.
Uberlagerung 27.
Uberschiebung 28.
Umlagerung 27.
Unterseeische Vulkane 50.
Ural 96.
Urgebirge 33.
Urmiasee 127.
Urnerfee 128.
Urtonschiefer 33.
Urzeit 33.
v.
Valparaiso 53.
Vegetation 190.
Vegetationsgürtel 199.
Vegetationslinie 198.
Vegetationsregionen
198.
Vegetationstypen 193.
Venedig 114.
Veränd erlich eWind e 169.
Verbauen der Lawinen-
züge 182.
Verbreitung der Men-
fchen 214.
Verbreitung der Pflan-
zen 190.
Verbreitung der Tiere
208.
Verdunstung 172.
Verfärbung des Meeres
134.
Verschleppte Mündun-
gen 124.
Versteinerungen 32.
Verteilung von Land
und Wasser 21.
Verwerfung 28.
Verwitterung 61.
Verwitterungsformen67.
Vesuv 43. 44. 45. 48. 49.
Viktoria Njansa 127.
Vogelsberg 37. 47. 49.
Vollkulturvölker 221.
Volksdichte 224.
Vulkane 42.
Vulkane, unterseeis ch e 50.
Vulkanische Beben 56.
Vulkanische Gebirge 96.
Vulkaninseln 105.
IV.
Wagerechte Gliederung
des Landes 101.
Wagner 15. 100. 101.
109. 114. 162. 198. 199.
Waimangu-Geysir 121.
Waldland 194.
Wales 33.
Walfischbai 178.
Wallace 104. 209.
Wallhäsen 114.
Wallriff 107.
Wanderung der Dünen
91.
Wanderung der Pflan-
zen 192.
Wanderung der Tiere
204.
Wannen 97.
Wärmeäquator 159.
Wärmeschwankung 161.
Wärmeumkehr 157.
Wasgenwald 33. 35.
Wasserbewegung im
Flusse 70.
Wasserdampf 172.
Wasserfälle 75.
Wasserhose 172.
Wasserhülle 116.
Wasserscheide 69.
Wasserteilung 122.
Watten 140.
Wattenhäfen 114.
Wattenküste 110.
Wealdenkohle 37.
Weichsel 122.
Weiler 222.
Weißes Meer 134.
Weizen 200.
Wellen 137.
Wellen, stehende 139.
Weltmeere 99.
Werchojansk 160. 161.
Werra 123.
Werst 12.
Weser 123.
Weserkette 36.
Westerwald 47.
Wetter 188.
Wetterprognose 189.
Wetterkarte 189.
Wiek 85.
Wieliczka 35.
Wiesbaden 120.
Wight 83.
Winde 164.
— 239 -
SEbu;r 170.
Windgesetze 165.
Windwirkungen 88.
Winterregen 179.
Wirbelstürme 171.
Wohnplätze 221.
Wolga 122.
Wolken 176.
Wüste 197.
Wytschegda 123.
Y.
Uamswurzel 201.
Jellowstone 69. 121.
Z.
Zechstein 34.
Zeitalter d. Erdgeschichte
31.
Zenitalregen 179.
Zentralalpen 33.
Zentralplateau, sranzös.
95.
Zirkustäler 88.
Zonen, klimatische 187.
Zonen, Temperatur-161.
Zugspitze 189.
Zuidersee 83.
Zwillingsströme 123.
Zwischenmeer 116.
Berichtigungen.
S. 6, Z. 4 t). ii.: 23 Std. 56 Mm. 4 Sek. statt 24 Std.
56 Min. 4 Sek.
S. 9, Z. 3 t). o.: Maupertuis statt Maupertins
S. 12, Z. 15 v. o.: Berechnungen, die sich
S. 13, Z. 13 v. o.: darauf statt daraus
S. 16, Z. 16 v. o.: negative (—) statt negative ( )
S. 34, Z. 9 u. 10 v. o.: Siegelbäume und Schuppenbäume statt
Siegelbäumen und Schuppenbäumen
S. 34, Z. 15 v. o.: aufgeschossene statt aufgeschlossene
S. 50, Z. 26 v. o.: im Tienschan statt in Tienschan
S. 59, Z. 2 v. u.: Christiania statt Kristiania
S. 96, Z. 28 v.o.: Vulkanische Gebirge statt Vulkanisches Gebirge
S. 135, Z. 26 v. o.: Tiefe statt Tiefe
S. 148, Z. 6 v. u.: durchziehenden statt durchziehende
S. 173, Z. 3 v. o.: außer von der statt außer der
174, Z, 2 D. o.: (lOO^) statt (lOO-^)
S. 178, Z. 9 t). ii,: Copiapo statt Copiago
S. 189, Z. 18 v.u.: nächstvorhergehenden statt nächstvorhergenden
S. 228, Z. 18 v. u.: Heroen- statt Herren-
Druck von A. Klöppel in Eisleben. — -
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