— 122 — Eisenbahnen umzogen und von trefflichen Kunststraßen durchzogen ist. Die Hauptbeschäftigungen sind Landwirtschaft, Gebirgsiudustrie und Berg- uud Hüttenban. Der Ackerbau ist im ganzen wenig lohnend und beschränkt sich hauptsächlich auf den Anbau vou Hafer, Kartosselu und Flachs. Die saftigen Bergwiesen nötigen nebenbei zu lohnender Biehzncht. Doch müssen die Leute auch noch zu andern Hilfsmitteln ihre Zuflucht nehmen, um die Bedürfnisse eines einfachen, oft ärmlichen Lebens zu decken. In den dichten Wäldern sammelt der arme Maun die reichlich vorkommenden Heidel- und Preißelbeereu, fällt Holz, brennt Kohlen und schnitzt aus dem Holze mancherlei nützliche Sachen. Andere arbeiten in den Kaolingrnbeu, den Marmor- und Kalkgruben und beschäftigen sich mit der Bearbeitung des Granits und Serpentins. Im Norden ist Spinnerei uud Weberei die wichtigste Hausindustrie. Der Berg- und Hüttenbau beschränkt sich aus 'Eisen. Die Zeilen, in denen im Fichtelgebirge Gold, Silber und Kupfer mit gutem Erfolg bergmännisch gewonnen ivurden, sind längst vorbei. Dennoch meint der Fichtelwäldler, daß der Boden seiner Heimat große Reichtümer berge, und gar viele der zahlreichen Sagen beziehen sich auf verborgene Schätze und darauf, wie dieselben hervorzuzaubern seien. „Auf dem Fichtelgebirge", sagt ein Sprichwort, „wirft der Bauer einen Stein nach der Kuh, und der Stein ist mehr wert als die Kuh". Dem Volksglauben nach sollen besonders Fremde die geheimnisvolle Macht besitzen, durch Zauber die Schätze der Steine zu er- schließen. Dies trägt gewiß dazu bei, Fremde höflich, zuvorkommend und gastfrei zu behandeln, wie es in den meisten Fällen geschieht; denn bei aller Derbheit, die dem Wesen des Fichtelwäldlers innewohnt, ist er ehrlich, aufrichtig und bieder gegen alle, die seine Heimat aufsuchen. Doch gehört das Fichtel- gebirge trotz'seiner vielfach echt romantischen Schönheit nicht zu den vielbe- suchten Gebirgen unseres Vaterlandes. Viele Tonristen schreckt der ernste, düstere 'Charakter des mit Fichten und Tannen bedeckten Gebirgslandes. Im Herzen des Fichtelgebirges liegt die kleine Stadt Wnn- ;fie frei,*) deren Bewohner sich von mannigsachen Gewerben (Textil¬ industrie, Maschinenbau, Steinschleiferei, Holzsägemühlen, Glasvcr- arbeitung u. s. w.), Ackerbau uud Handel ernähren. — Weiter n., an der oberen Saale, bereits im Vorlande zum eigentlichen Fichtelgebirge, "liegt das ungleich größere verkehrsreiche und gewerbefleißige Hof. wichtiger Bahnknotenpunkt. Beide Städte sind bayrisch. 4. Thüringen. Die Grenzen des Landes Thüringen lassen sich nicht überall scharf be- -stimmen. Von vornherein ist zu bemerken, daß hierunter nicht ohne weiteres die Gruppe der sogenannten thüringischen Staaten, d. b. die sächsischen Klein- staaten nnd die Länder der schwarzburgischen und reußischen Fürsten zu Der- stehen ist. Einerseits greifen dieselben im W. und im O. über die natürlichen Grenzen hinaus, so Meiningen und Coburg nach Franken, Altenburg uud Reuß ältere und jüngere Linie tief ins sächsische Bergland, so daß man sie gar nicht mehr zu Thüringen rechnet. Anderersehs liegen auch erhebliche preu- ßische Gebiete in Thüringen, so Snhl nnd Schleusingen am Thüringer Walde, fast der ganze Regierungsbezirk Erfnrt und ein großer Teil des Regierungs- bezirks Merseburg, im ganzen 8 200 qkm. Nehmen wir daher als Nordgrenze Thüringens den Harz, im O. das Tal der Saale, im Westen die Werra und rechnen im S. den ganzen Thüringerwald mit seinen Vorgeländen dazu, io entspricht dieses Bodengebiet nicht allein dem Kern der ehemaligen Landschaften *) Geburtsort von Jean Paul (Friedrich Richter).