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Geographie
für
Kaiierische Mittelschulen
von
Dr. S. Günther und vi-. W. Götz
Professor Dozent
an der technischen Hochschule zu München.
Samberg.
Buchnersche Verlagsbuchhandlung.
1890.
G©org-Eckert-lnstitut
für internationale
Schulbuchforschunö
Braunecbweig
-SchuibuchbibSiothek -
^00^/JiTO
ÄgL Bayer. Hofbuchdruckerei Bieling-Dietz, Nürnberg.
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£ o)
Worrvort.
Das vorliegende Lehrbuch ist weniger aus der eigenen
Initiative der Verfasser als vielmehr auf grund der von ver-
schiedenen Lehrkörpern bayerischer Anstalten dem Herrn Verleger
geäußerten .Wünsche entstanden. So wenig geleugnet werden
will, daß es eine große Anzahl sehr guter Unterrichtswerke gibt,
so waren dieselben doch großenteils nicht nach den Lehrplänen
gearbeitet, welche gerade sür die Mittelschulen unseres engeren
Vaterlandes bestehen, und weuu es auch sicherlich dem geschickten
Lehrer möglich ist, einen anderen Leitfaden den speziellen Be-
dürsnissen seiner Schule anzupassen, so mußte es doch immerhin
als ein Vorteil erscheinen, ein durchaus im Sinne der geltenden
Vorschriften gehaltenes Buch verwenden zu können. Ein solches
zu liefern, ist hier versucht worden, und zwar wurde der Unter-
richtsplan der bayerischen Studienanstalten zu gründe gelegt,
von dem die für die Realgymnasien und Realschulen giltigen
Normen nicht soweit abweichen, daß eine Benützung des Büchleins
für diese Schulgattungen ausgeschlossen erschiene. Die Schul-
orduuug aber teilt den Lehrstoff in folgender Weise ein: I. Latein-
klasse: Geographische Allgemeinbegriffe; Oro-hydrographische Über-
sicht über Europa; Königreich Bayern. II. Lateinklasse: Deutsch-
laud, Österreich und die angrenzenden Länder. III. Lateinklasse:
Das übrige Europa. IV. Lateinklasse: Die außereuropäischen
Erdteile. V. Lateinklasse (Obertertia): RePetition des gesamten
Pensums; Grundzüge der Mathematisch-Physikalischen Geographie.
An den Gymnasialklassen (Unterseennda bis Oberprima) wird,
wie für Fernerstehende bemerkt sein möge, eigentlich geographischer
Unterricht nicht erteilt; wohl aber darf sich der Lehrgang der
I. Lateinklasse auf einen bereits in der Volksschule absolvierten
Kurs der Heimatkunde stützen.
IV
Vorwort.
Für die Verfasser war bei der Behandlung des überaus
umfänglichen Stoffes der Gedanke in erster Linie maßgebend, die
Geographie als ein selbständiges Lehrfach zu behandeln.
Ihr Betrieb muß sich stets gegenwärtig halten, daß man es mit
einer Disziplin zu thun habe, welche ihren eigenen Zweck hat
und aus diesem auch ihre eigene Methode herleitet.
Somit mußte der Text des — ausschließlich als Schulbuch
gedachten und keineswegs zum Selbstunterrichte bestimmten —
Werkchens darauf verzichten, durch die Anmut der Schilderuugen,
durch die Eleganz der bildlichen Darstellungen und überhaupt
durch unterhaltende Mannigfaltigkeit den Schüler anzuregen. Hier-
bleibt vielmehr der Eigenart des Lehrers ein weiter Spielraum
übrig. Knappheit des Ausdruckes mußte schon aus rein äußer-
licheu Gründen angestrebt werden; ist doch die Stundenzahl keine
sehr reichlich bemessene! -
Die Erdkunde in der Schule verlangt eine andere Art
der Anschaulichkeit, als die bloß in der stilistischen Besonderheit
der Schreibart begründete. Es ist diejenige, welche vor allen
das Bild einer plastischen oder Relief-Karte in der Seele, d. h.
in dem Vorstellungsvermögen des Lernenden auf die einfachste
Weise zu stände kommen läßt. Daraus ergibt sich, da die Geo-
graphie eine Wissenschaft vom Orte ist, die Pflicht, alle Ge-
biete und einzelnen Erdstellen so zu beschreiben, daß von jedem
Teile des Ganzen immer zum nächstangrenzenden fortgegangen
werde; denn nur so wird der jugeudliche Geist dazu gebracht
werden können, sich das Ganze aus seinen Teilen wie aus Bau-
steinen zusammenzusetzen. Diese Art des Vorgehens wird man in
dem Buche sogleich beim ersten der im einzelnen geschilderten Länder
deutlich erkennen, bei Bayern, mit dem wohl der Unterricht beginnt.
Um diese Verauschaulichuug zu erreichen, um insbesondere
den in früherer Zeit viel zu wenig gewürdigten Kernpunkt der
Erdkunde, Erkenntnis der Bodengestalt, dem Schüler nach
Kräften einzuprägen, mußte manches Konkrete — über Berge,
Seen n. dgl. — im Texte mit vorgebracht werden, was keines-
wegs als Memorierstoff, sondern einzig als nnentbehr-
liches Mittel der Orientierung betrachtet werden soll. Selbst-
redend sollen auch die ziemlich zahlreich sich findenden Zahlen-
Vorwort.
V
angaben (Berghöhen, Bevölkerungsmengen, Temperaturgrade)
nicht etwa auswendig gelernt werden: sie sollen vielmehr
lediglich als Maßstab für die quantitativen Beziehungen gelten;
um so mehr, da angenommen werden darf, daß der Gymnasiast
oder Realschüler auch dann, wenn er dem geographischen Fach-
unterrichte bereits entwachsen ist, nicht nngerne seines alten
Kompendiums als eines Nachschlagebuches sich bedienen werde.
Daß die Verfasser allenthalben eine Abrnnduug der Zahlen-
werte durchgeführt haben, dürfte wohl in Lehrerkreisen Billigung
finden.
Darüber, daß hinsichtlich der Frage des Zuviel oder Zu-
wenig des verarbeiteten Stoffes nach keiner Seite allseitige Be-
fnediguug — zumal bei einem ersten Versuche — zu erreichen
sein werde, sind sich die Verfasser vollkommen klar. Winke von
sachverständiger Seite werden in dieser Beziehung, wenn irgend
möglich, bei einer etwaigen Neu-Auflage Berücksichtigung finden.
Die Verfasser müssen sich auf die selbständige Auffassung und
Thätigkeit des Lehrers berufen, von denen jeder weglassen oder
Hinzuthun wird, was seinem individuellen Lehrverfahren an-
gemessen erscheint. An ihn freilich sind etwas höhere Ansprüche
gemacht worden, als wohl in diesem oder jenem anderen Lehr-
buche; allein es läßt sich eben vom Standpunkte des Wissenschaft-
lichen Didaktikers kein vollbefriedigender geographischer Unter-
richt denken, als derjenige, bei welchem u. a. der Lehrer immer wieder
mit der Kreide an der Wandtafel thätig ist. Die Kärtchen Fig. 18,
19, 20 mögen einen Hinweis auf diese Unterrichtsweise geben. Wie
sehr der vorliegende Leitfaden das Zeichnen geographischer Skizzen
an der Tafel wie auch im Schülerhefte voraussetzt und im Auge
behält, wird jeder Kollege bald herausfinden. — Was das oben
erwähnte „Hinzuthun" anlangt, seien namentlich die von Prof.
Volck in Nürnberg unlängst herausgegebenen „Lesestücke" als
höchst brauchbares ergänzendes Lehrmittel hervorgehoben.
Die kleingedruckten Partien des Textes sollen meist der
vom Lehrplane ausdrücklich (s. o.) vorgesehenen planmäßigen —
nicht bloß privaten — RePetition dienen. Der Abschnitt
„Entdeckungsgeschichte" im Pensum des vierten Jahrganges ver-
dankt seine Entstehung wesentlich der Erwägung, daß die Schul-
VI
ordnung das geschichtliche Element besonders betont. Letzterem
wurde aber auch in den vorausgehenden Abschnitten, wie man
sich leicht überzeugen wird, eingehende Beachtung gewidmet.
Da die V. Lateinklasse bereits im zweiten Jahre griechisch
treibt, so durften im betreffenden Abschnitte unbedenklich griechische
Lettern Verwendung finden. Ebenso war es aus ähnlicher
Ursache gestattet, elementargeometrische Betrachtungen ein-
zuschieben. Dagegen mußte die physikalische Erdkunde, weil natur-
wissenschaftliche Kenntnisse nicht vorausgesetzt werden können,
sich weit mehr beschränken, als es in Büchern von verwandtem
Charakter üblich ist.
Die Aussprache der Fremdwörter bereitete den Verfassern
einige Sorge; 'denn sie waren nicht weniger wie einer der ersten
unserer deutschen Geographen, der sich hierüber in der Vorrede
zu seinem großen Handbuch ausspricht, von der Überzeugung er-
füllt, daß Namen wie „Bordoh", „Tschirtschenti", „Plimöß"
sich gedruckt recht wenig schön ausnehmen. Trotzdem glaubten
sie der Schüler halber diese Art der Trausskriptiou beibehalten
zu sollen, da diese letzteren bei der Wiederholung ihrer Aufgabe,
wenn sie sich nicht an das lebendige Wort des Lehrers halten
können, einer Gedächtnisstütze kaum zu eutraten vermöchten.
(Den Nasallaut kennzeichnet stets ein Zirkumflex). —
Den Verfassern verbleibt an dieser Stelle noch die angenehme
Pflicht, Herrn M. Brückner, Studienlehrer am k. Gymnasium
zu Ansbach, ihren warmen Dank auszusprechen. Mit aufopferndem
Eifer hat derselbe durch seine Ratschläge die Ausarbeitung der
vorliegenden Schrift gefördert.
Hiermit sei das Büchlein den bayerischen Schulmännern
bestens empfohlen.
München, im September 1889.
Die Verfasser.
Verbesserungen.
S. 11 in Fig. 8 soll A etwas weiter rechts stehen. — S. 25, Z. 16 v.
0. l. „Jötunsjelden" statt „Jöhmfjelden." — S. 42, Z. 20 v. u. l. 33 statt 53.
S. 45—72 soll die Seitenüberschrift zur linken „Bayern" und nicht „Ein-
leitung" heißen. — S. 71, Z. 3 v. o. und Z. 21 v. o. nach „Bamberg" und
„Würzburg" ergänze resp. (32000 E.) und (55000 E.) — S. 87, Z. 14 v. u. l.
„Freiburg" statt „Freiberg." — S. 118, Z. 12 v. o. ergänze nach „es sind"
die ausgefallenen Worte: „Der österreichische Reichsrat und der ungarische Reichs-
tag; dazu kommen in Zisleithanien." —S. 118, Z. 20 v. o. l. 1. statt I. —
S. 125, Z. 22 v. o. l. „am" statt „vom." — S. 128, Z. 1 v. o. l. 2 statt 1.
— S. 129, Z. 10 v. o. statt 3000 l. 30000. — S. 135. Z. 13 v. u. l. „Cosen-
za" statt „Consenza". — S. 151, Z. 2 v. o. ist einzuschieben: Nur in lockerer Ver-
bindung mit Holland steht das Großherzogtum Luxemburg mit gleichnamiger
Hauptstadt (18000 E.). — S. 155, Z. 2 v. u. l. „Malta" statt „Malto". —
S. 165, Z. 21 v. u. l. „unweit" statt „unmeit". — S. 182, Z. 12 v. u. l.
„Peking" statt „Pecking". — S. 187, Z. 7 v. u. l. nach „im": „Gebiet des
stärksten Opiumbaus." — S. 188, Z. 6. v. u. nach „Persien" ergänze: Ganz
Südwestasien gehört zur Türkei. — S. 204, nach „Affenbrotbaum" ergänze:
„(Adansonia) und die Riesenbanane." — S. 208, Z. 18 v. u. statt 5000
1. 50000. - S. 255 in Fig. 20 l. „Rocky" statt „Roky".
Inhaltsübersicht.
I.
KinLeitung.
A. Die Gestalt, Bewegung und Oberfläche der Erde.
Seite
Geographie und Astronomie im homerischen Zeitalter. . . .............1
§ 1. Die Erde eine Kugel..................................2
§ 2. Größe der Erdkugel. — § 3. Unebenheiten der Erdoberfläche . . 4
§ 4. Unmittelbare Folgen der Erdrundung........................5
§ 5. Scheinbare Umdrehung der Himmelskörper; Orientierung .... 6
§ 6. Doppelte Bewegung der Erde................................7
§ 7. Die Ekliptik und die Stellung der Erdachse....................8
§ 8. Das Gradnetz der Erde..................10
§ 9. Luftförmige, flüssige und feste Bestandteile des Erdkörpers. ... 12
§ 10. Die Atmosphäre......................12
§ 11. Die Hydrosphäre.....................14
§ 12. Das Meer........................17
§ 13. Das Festland......................18
B. Oro-hydrographische Übersicht von Europa.
§ 14. Europa als Erdteil. — § 15. Der Ural...........22
§ 16. Rußlands Erhebungs- und Bewässerungsverhältnisse......23
§ 17. Der Kaukasus......................24
§ 18. Die Skandinavische Halbinsel................25
§ 19. Das Südbaltische Küstenland................26
§ 20. Die Nordalbingische Halbinsel................27
§ 21. Dänische Inseln. — § 22. Die Nordseeküste..........28
§ 23. Das Polnisch-Niederdeutsche Tiefland.............29
§ 24. Deutsches Mittelgebirge..................31
§ 25. Das Donaugebiet und die Karpaten.............33
§ 26. Die Alpen und ihre Einteilung. — § 27. Die Westalpen .... 35
§ 28. Die Ostalpen.......................37
§ 29. Karstland und Balkanhalbinsel...............39
X Inhaltsübersicht.
Seite
§ 30. Poebene und apenninische Halbinsel.............40
§ 31. Westfrankreich. — § 32. Pyrenäische Halbinsel.........42
§ 33. Britische Inseln......................43
§ 34/35. Die vorgeschobenen Atlantischen Inseln Europas......44
C, Königreich Bayern.
I. Östliches Land.
§ 36. Grenzen.......................45—49
Südbayern.........................45
Nordbayern........................47
§ 37. Gewässer und Bodengestalt...............49—57
Südbayern........................49
Nordbayern (a. Donaugebiet, b. Maingebiet)..........53
§ 38. Klima und Naturerzeugnisse (a. Klima, l>. Naturerzeugnisse) . 58—62
Nordbayern^ ........................59
Südbayern ........................61
, II. Rheinpsalz.
§ 39. Grenzen.........................62
§ 40. Bodengestalt......................63
§ 41. Klima und Naturerzeugnisse................64
III. Gesamt-Bayern.
§ 42. Staat und Städte (Wege)...............64—72
a. Bevölkerung.......................64
b. Staat.........................65
e. Städte und Wege....................66
(Oberbayern sLandshut^ Schwaben, Niederbayern, Oberpfalz,
Mittelfranken, Oberfranken, Unterfranken, Pfalz.)
II.
Mittel-Kuropcr.
A. Alpen.
§ 1. Allgemeines.....................73—76
1. Lage und Grenzen ...................73
2. Einteilung — 3. Klima..................74
§ 2. Mittelalpen.......................76
§ 3. Ostalpen..................................................'9
§ 4. Das Alpenvorland....................81
B. Hochrhein und Schweiz.
§ 5. Grenzen. — § 6. Bodengestalt im Rheingebiete........81
§ 7. Erzeugnisse und Bevölkerung................82
§ 8. Staatliches; Städte und Wege...............83
Inhaltsübersicht. XI
C. Deutsches Reich. Seite
§ 9. Lage und Grenzen....................85
§ 10. Bodengestalt. Flußgebiete...............87—95
1. Rheingebiet.......................87
2. Donaugebiet.......................90
3. Wesergebiet.......................91
4. Elbegebiet........................92
5. Odergebiet. — Norddeutsches Tiefland............93
§ 11. Klima..........................95
§ 12. Produktion........................96
§ 13. Bevölkerung, Staaten, Städte und Wege...........99
§ 14. Preußen......................100—106
(Brandenburg, Pommern, West-, Ost-Preußen, Posen, Schlesien,
Sachsen, Hessen-Nassau, Rheinprovinz, Westfalen, Schleswig-Holstein,
Hohenzollern.)
§ 15. Staaten von preußischem Gebiete ganz oder teilweise umschlossen (1—8) 107
§ 16. Mitteldeutsche Länder (1-4)................108
§ 17. Süddeutsche Staaten (1—5) . ................110
§ 18. Übersicht über Größe und Bewohnerzahl der Bundesstaaten . . . III
D. Österreich-Ungarn.
§ 19. Grenzen. — § 20. Bodengestalt. Flußgebiete.........112
§ 21. Produkte und Klima....................114
§ 22. Bevölkerung, Staat, Städte..............117—122
1. Österreichische Reichshälste.................118
2. Länder der ungarischen Krone...............120
III.
{Suropa crusscHtießtich Mittet-Kuropcr.
A. Balkanhalbinsel.
§ 1. Lage und Grenzen (Inseln).................123
§ 2. Bodengestalt (Gebirge, Flüsse)................124
§ 3. Klima und Produkte. Bevölkerung.............126
§ 4. Staaten, Städte (Wege)...............127—130
1. Serbien.......................127
2. Rumänien. 3. Bulgarien. 4. Türkei............128
5. Montenegro. 6. Griechenland...............129
B. Italien.
§ 5. Lage und Grenzen....................130
§ 6. Bodengestalt.......................131
§ 7. Klima, Produkte, Bevölkerung................133
§ 8. Staat und Städte....................134
XII Inhaltsübersicht.
C. Pyrenäische Halbinsel. Seite
§ 9. Lage und Grenzen....................136
§ 10. Bodengestalt. — § 11. Klima, Produkte, Bevölkerung.....137
§ 12. Staaten und Städte (Wege).............139—141
1. Königreich Spanien....................139
2. Königreich Portugal...................140
D. Frankreich.
§ 13. Lage und Grenzen....................141
§ 14. Bodengestalt (Flußgebiete).................142
§ 15. Klima, Produkte, Bevölkerung................143
§ 16. Staat und Städte (Wege)....................146
i E. Niederländische Staaten.
1. Königreich Belgien.
§ 17. Lage. — § 18. Bodengestalt. — § 19. Klima, Produkte, Bevölkerung 148
§ 29. Staat und Städte....................149
2. „Holland"-Niederlande.
§ 21. Bodengestalt . •......................149
§ 22. Produktion. — § 23. Bevölkerung, Provinzen, Städte.....150
F. Die Britischen Inseln.
§ 24. Lage und horizontale Gliederung..............151
§ 25. Vertikale Gliederung (Mineralschätze).............152
§ 26. Klima, Produktion und Handel. Bevölkerung.........153
§ 27. Staat und Städte.....................154
G. Skandinavische Länder.
1. Königreich Dänemark.
§ 28—30. Bestandteile, Bodengestalt, Klima............156
§ 31. Staat, Städte.....................156
2. Die skandinavische Halbinsel.
§ 32. Lage und Grenzen. — § 33. Bodengestalt..........157
§ 34. Klima, Produkte, Bevölkerung................158
§ 35. Staat und Städte....................159
H. Rußland.
§ 36. Lage und Grenzen.....................160
§ 37. Bodengestalt und Flußgebiete................161
§ 38. Klima, Produkte. Bevölkerung...............162
§ 39. Staat, Städte......................163
Inhaltsübersicht.
XIII
IV.
Außereuropäische Krbteite.
X. AftCtt. Seite
§ 1. Grenzen und Größe.................. . . 166
§ 2. Gebirgsbau und Oberflächenbeschaffenheit...........167
§ 3. Hydrographische Verhältnisse.................170
§ 4. Das Klima........................173
§ 5. Pflanzen- und Tierwelt..................175
§ 6. Ethnographisches.....................177
§ 7. Staatliche Gebiete..................179—191
1. Nord- und Nordwest-Asien, Russisch-Asien..........179
2. Ost- und Jnnerasien. Chinesisches Reich........180—185
, (Umfang und Grenzen S. 180. — Abhängige Gebiete S. 181.
— Das eigentliche China S. 182.)
§ 8. Umfang.........................182
§ 9. Regierung, — § 10. Bevölkerung. — § 11. Städte (Wege) . . . 183
Korea..............................184
Japan.........................185
3. Südost-Asien, Indien und sein Archipel........185—188
(1. Der ostindische Archipel S. 185. — 2. Hinterindien S. 186.
— Vorderindien S. 187.)
4. Iran und Südwestasien...............188—191
(A. Iran S. 188. — B. Arabien S. 189. — C. Mesopotamien
S. 190. — D. Armenien und Kleinasien S. 190. — E. Syrien
mit Palästina S. 191.)
Entdeckungsgeschichte....................191
II. Afrika.
§ 12. Geographische Lage und Größenverhältnisse..........194
§ 13. Oberflächenbeschaffenheit und Gebirge.............195
§ 14. Hydrographische Verhältnisse................199
§ 15. Das Klima.......................203
§ 16. Pflanzen- und Tierwelt..................204
§ 17. Ethnographisches.....................206
§ 18. Politische Geographie (Norden, Ostküste. Süden, Westküste. Wüsten-
gebiet. Sudan. Kongostaat. Seengebiet)..........208
§ 19. Die afrikanischen Inseln..................214
Entdeckungsgeschichte....................216
III. Australien und Ozeanien.
§ 20. Geographische Lage und Größenverhältnisse..........219
§ 21. Oberflächenbeschaffenheit und Gebirge............220
§ 22. Hydrographische Verhältnisse. — § 23. Das Klima.......221
§ 24. Pflanzen- und Tierwelt..................222
XIV Inhaltsübersicht.
«Seite
§ 26. Ethnographisches. — § 27. Politische Geographie........223
§ 28. Übersicht der Inselwelt. — § 29. Tasmanien. — § 30. Neu-Seeland 225
§ 31. Melanesien........................226
§ 32. Der Rest Polynesiens...................227
Entdeckungsgeschichte....................229
IT. Amerika.
§ 33. Geographische Lage und Größenverhältnisse..........230
§ 34. Oberflächenbeschaffenheit und Gebirge <Süd-, Mittel-, Nordamerika) 231
§ 35. Hydrographische Verhältnisse (Süd-, Nordamerika).......235
§ 36. Das Klima.......................239
§ 37. Pflanzen- und Tierwelt..................241
§ 38. Ethnographisches.....................244
§ 39. Allgemeines über die politischen Verhältnisse Amerikas.....247
§ 40. Politische Geographie von Südamerika.............248
§ 41. Politische' Geographie von Zentralamerika...........252
§ 42. Die Vereinigten Staaten..................253
§ 43. Das britische Nordamerika.................257
§ 44. Allgemeine Übersicht über die Inseln.....•.......259
§ 45. Die Westindischen Inseln..................259
Entdeckungsgeschichte....................261
T. Polargebiete.
§ 47. Lage und Größe. — § 48. Das Antarktische Gebiet......264
§ 49. Das Nördliche Eismeer..................265
§ 50. Das arktische Nordamerika.................266
§ 51. Das Polarklima. — § 52. Die Pflanzen- und Tierwelt.....267
§ 53. Ethnographisches.....................269
Entdeckungsgeschichte....................269
V.
Memente ber WdtHemcrtischen und H^hyfikcrLifcHen
Geographie.
§ 1. Mathematische (astronomische) Erdkunde............272
§ 2. Physikalische Erdkunde...................291
I.
Einleitung.
A. Die Gestalt, Bewegung und Oberfläche der Erde.
Heograptjie und Astronomie im homerischen Zeitalter.
Wer unbefangen seine Umgebung betrachtet, erhält den Ein-
druck, daß ein plattgedrücktes Gewölbe, der Himmel, sich über der
Erde ausspanne, und diese letztere selbst erscheint ihm, von ihren
Unebenheiten, wie Häusern, Bergen, Wäldern n. s. w. abgesehen,
als eine flache Scheibe. Ans hoher See, wo kein Hindernis der
Rundsicht entgegensteht, sieht sich der Beobachter im Mittelpunkte
eiues großen Kreises, an dessen Umfang, dem Horizont (oom grie-
chischen Worte horizein, begrenzen, so genannt) oder Gesichtskreis,
Himmel und Erde in einander überzugehen scheinen. An der einen Seite
dieses Kreises geht die Sonne auf, bewegt sich in einem schiefen Kreise an
dem Himmel empor, erreicht um die Mittagszeit ihre größte Höhe und
senkt sich dann wieder, um auf der entgegengesetzten Seite unterzugehen.
1
2 I. Einleitung.
Man nennt die Seite, an welcher die Sonne und ebenso der Mond und
alle anderen Gestirne aufgehen, die Ostseite, die andere die Westseite.
So, wie es der Augenschein lehrt und wie wir es eben
beschrieben haben, faßten die alten Griechen die Sache ans, wie
dies aus deu Gesängen des Homer und Hesiod, den ältesten
auf uns gekommenen Denkmalen der griechischen Litteratnr, hervor-
geht. Die Erde war ihnen eine vom Meer — dem Okeanos,
Ozean — umflossene Scheibe; in dieses Meer tauchte die Sonne
jeden Abend hinein, um audereu Tages am Morgenhimmel wieder
neu zu erstehen. Selbst noch der weitgereiste Herodot, der etwa
um 450 v. Chr. sein Geschichtswerk schrieb, stand noch auf diesem
die Kindheit des Menschengeschlechtes bezeichnenden Standpunkte; nur
hatte man die alte Lehre insofern verbessert, daß man annahm, die
Sonne kehre vom Untergangs- zum Ausgangspunkt unterhalb der
Erde zurück.^ Unsere Fig. 1 sucht ein Bild von den Vorstelluugeu
zu geben, welche — einzelne erleuchtete Männer ausgenommen —
das höchst entwickelte Volk des Altertums von Erde und Weltgebäude
zu einer Zeit hegte, während dessen es auf dem Gebiete der Dicht--
fuiist und Geschichtschreibung das Größte geleistet hat.
§ \. Die Erde eine Augel.
Krümmung Allein damals schon hatten Pythagoras uud Plato erkannt,
Wasser- daß das Zeugnis der Sinne mit der Wirklichkeit nicht übereinstimme,
flöche. s^t der Zeit des großen Philosophen uud Naturforschers Aristo-
teles (384—322 v. Chr.) ist die Lehre vou der Kugelgestalt
v r
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Fig. 2.
des Erdkörpers die herrschende geworden. Von den mancherlei
Beweisen für diese Wahrheit soll hier uur der einfachste uud uächst-
liegende besprochen werden, der auch den großen Vorteil hat, daß
wohl jeder einzelne einmal in die Lage kommt, die betreffende Be-
obachtuug selbst austelleu zu können. Wir denken uus wieder, wir
befänden uns im Inneren oder am Rande einer größeren Wasser-
fläche; am günstigsten ist natürlich das freie Meer, aber schon auf
einigermaßen großen Landseen, dem Genfer-, Boden-, Starn-
berger-See, tritt die Erscheinung deutlich genug hervor. Vou
einem auf uns zukommenden Dampfschiffe erblicken wir zunächst uur
Gestalt und Größe der Erde. 3
die Rauchsäule, danu erscheint allmählich der Oberteil des Schlotes,
hierauf dieser selbst, und immer dauert es noch einige Zeit, bis der
ganze Schiffskörper von uns überblickt werden kann. In umgekehrter
Reihenfolge spielt sich alles ab, wenn das Dampfboot sich von uns
entfernt; dann verlieren wir zuerst das Schiff selber, hierauf den
Schlot uud ganz zuletzt auch deu aufsteigenden Dampf aus den Augen.
Wäre die Wasserfläche eiue Ebene, so würde dies, wie Fig. 2
darthut, nicht möglich sein; wir würden das Schiff zwar auch sich
entfernen, d. h. kleiner und kleiner werden sehen, allein die einzelnen
Teile derselben würden nicht nach und nach, sondern mit einem
male würde der ganze Gegenstand unsichtbar werden, dann nämlich,
wenn er über die — für Augeu von verschiedener Sehkraft natürlich
auch verschieden große — Grenze des deutlichen Sehens hinaus-
gelangt wäre. Ist aber die Wasserfläche gekrümmt, so ergibt sich
aus Fig. 3, daß alles so kommen muß, wie wir es soeben geschildert
haben. — Man kann damit auch eiue andere, am Ufer größerer Seen
zu machende Wahrnehmung verbinden. Blickt man, wie es Fig. 4
andeutet, durch ein Fernrohr nach einem am gegenüberliegenden Ufer
gelegenen Gebäude, so kann man von diesem, wenn es nur weit
geuug eutserut ist, die unteren Bestandteile, also etwa die Parterre-
senster, auch bei Auwendung starker Vergrößerungen nicht erkennen,
weil eben die Wölbung der Erde der Sehlinie den Durchgang ver-
wehrt. An unserem heimischen Würm-See gelingt diese Beobachtung
schon, wenn man etwa das Fernrohr von Bernried aus nach dem
Starnberger Bahnhofe richtet.
1*
4 I. Einleitung,
Erd Dafür, daß die Erde ein frei im Weltall schwebender Körper
Um gm. ohne Stützen und Haltpnnkte ist, spricht auch der Umstand, daß seit
Magellan, der 1521 zuerst dieses Wagnis unternahm, unzählige
Weltumsegluugen ausgeführt worden sind, bei welchen der Reisende
dahin zurück gelaugte, von wo er ausgegangen war. Daraus folgt,
daß die Erde eine in sich geschlossene Oberfläche besitzt, wenn man
deshalb allerdings auch noch nicht gerade folgern darf, diese Ober-
fläche müsse kugelförmig sein.
§ 2. Größe der Erdkugel.
Durch die sogenannten Gradmessungen, welche an den ver-
schiedensten Stellen der Erde vorgenommen wurden, hat man heraus-
gebracht, daß .der Halbmesser der Erdkugel, d. h. die Entfernung
von ihrem Mittelpunkte bis zu irgend einem Punkte der Erdober-
fläche 860 geographische Meilen oder 6370'Kilometer beträgt, der
Durchmesser also 1720 Meilen oder 12 740 Kilometer. Sehr bequem
ist es auch zu merken, daß der Umfang eines größten Kreises
der Erde, d. h. eiues Kreises, dessen Mittelpunkt auch derjenige der
Kugel ist, 5400 Meilen in runder Zahl gleich ist. Die Geometrie
teilt jeden Kreisumfaug in 360 gleiche Teile oder Grade ein, und ein
5400
solcher Grad hat somit eine Länge von ~ 15 Meilen— III km.
§ Z. Unebenheiten der Erdoberfläche.
Wenn wir sagen, die Erde sei sphärisch (kugelförmig) gekrümmt,
so deukeu wir in erster Linie an eine größere Wasserfläche, an den
Spiegel des Meeres. Auf dem Festlande verhindert das, was
wir Bodengestaltung oder Bodenkonfiguration nennen, d. h.
die Abwechslung von Berg und Thal, daß die regelmäßige Rundung
des Erdballes deutlich hervortritt. Allein weuu wir den Betrag der
höchsten Erhebung und der tiefsten Einsenkung mit der Länge des
Erdhalbmessers vergleichen, fo überzeugen wir uns, daß durch die
kleinen Unregelmäßigkeiten der Oberfläche die Erd g est alt nicht in
irgendwie nennenswertem Maße beeinflußt wird. Der höchste Berg
der Erde, der Ganrisankar im indischen HinMaya-Gebirge, ragt
8840 m über den Spiegel des Meeres empor, während die größte
Meerestiefe, die man kennt, 8513 in ausmacht. Denken wir uns
also für einen Augenblick alles Wasser von der Erde entfernt, so
würden der vom Erdzentrum entfernteste und der dem Erdzentrum
nächste Punkt, wie Fig. 5 erkennen läßt, um 8840-j-8513 —17353 m
— 17 Kilometer 300 Meter (ungefähr) von einander entfernt sein,
und diese auf den ersten Blick groß erscheinende Strecke wäre doch
erst ungefähr der 375 te Teil des Erdhalbmessers. Da würde ein
Beobachter, der etwa aus einer Entfernung von 50 Meilen unsere
Folgen der Erdrundung,
5
Erde betrachtet, so wenig an deren Rundung zweifeln, wie wir selbst
die Form eines unserer künstlichen Erdgloben dadurch beiuträchtigt
glauben, daß sich gerade eine Mücke auf ihn gesetzt hat.
§ Unmittelbare Holgen der Lrdrundung.
Wenn es eine Thatsache ist, daß wir einen kugelförmigen Erdschwere.
Körper bewohnen, so müssen wir zugleich die Begriffe oben und f|g"*
unten dem entsprechend uns zurecht legen. Nach oben geht, was
sich vom Mittelpunkte der Erde wegzubewegen strebt, nach unten,
was den Mittelpunkt der Erde aufsucht. Alle Körper sind schwer
und würden nach dem Zentrum fallen, wenn ihnen nicht vorher ein
Halt geboten würde. Es erhellt weiter, daß es auch Menschen geben muß,
welche ihre Füße gegen uns selbst gerichtet haben, die sogenannten
Gegensüßler oder Antipoden (anti =r gegen, pous = Fuß).
Was man unter West und Ost zu verstehen habe, ist oben Zeitgewinn
bereits auseinandergesetzt worden. Die Erdrundung bewirkt, daß, oci^J,\ö(ul-t
wenn man sich in der Richtung gegen Westen unaufhörlich fortbewegt, 1
die Sonne stets später und später auszugehen scheint, wogegen eine
Verfrühnng des Aufganges eintritt, wenn man der Sonne entgegen-
geht, d. h. von Westen gegen Osten fortschreitet. Wer das eine oder
andere thut und die von der Sonne ihm angezeigte Zeit mit der-
jenigen seiner genau gehenden Taschenuhr vergleicht, hat an dieser
immerfort zu korrigieren; entfernt er sich von der Sonne, geht er
westlich, so muß er die Uhr fortwährend zurückrichteu, geht er ihr
in östlicher Richtung entgegen, so muß er die Uhr fortwährend vor-
richten. Man braucht nur eine Reise in westöstlicher oder um-
gekehrter Richtung quer dnrch Deutschland zu machen, um von der
Richtigkeit dieses Sachverhaltes sich praktisch belehren zu lassen, da
die einzelnen selbständigen Staaten jeder auch eine besondere Bahn-
Fig. 5.
6 I. Einleitung,
zeit haben, so daß also an den Grenzbahnhöfen regelmäßig ein
Unterschied von mehreren Minuten bezüglich der Anschlüsse bemerklich
wird. Wer immer westlich reisend die Erde umwandert, hat nach
der Rückkehr zu seinem Ausgangspunkte einen vollen Tag ver-
loren, wer dies-in stets gleicher östlicher Richtung thut, hat uach
der Rückkehr einen vollenTaggewonnen. Die Mannschaft der vorhin
erwähnten Mag ella naschen Expedition machte zuerst diese Erfahrung
wirklich und war nicht wenig betroffen, als sie beim Landen hörte,
man schreibe heute den 6. September, während ihrem Schiffstage-
buche zufolge erst der 5. sein sollte. Wäre sie entgegengesetzt gereist,
so hätte ihr Tagebuch deu 7. September ergeben.
§ 5- Die scheinbare Umdrehung der Himmelskörper;
1 Grientierung.
Drehung Aus dem gewöhnlichen Leben weiß man, daß es außer jeuen
Hiiiuncls-zwei Hauptweltgegenden noch zwei weitere gibt, Süd und Nord,
kugel, Wie kann man nun diese vier Richtungen bestimmen? Um dies zn
ermöglichen, müssen wir darauf achten, daß wie die Sonne, so auch
alle übrigen Gestirne nicht stille stehen, sondern Kreise am Himmel
beschreiben. Einzelne Sterne gehen überhaupt nicht auf uud unter,
sondern bleiben stets oberhalb des Horizontes, so daß man sie mit
einem guten Fernrohre auch am hellen Tage beobachten kann. Zu
diesen Gestirnen gehören die jedermann bekannten Sternbilder des
Großen und Kleinen Bären oder Wagens. Wenn man diese in
verschiedenen Stunden der Nacht aufmerksam betrachtet, so sieht man,
daß dieselben ganz verschiedene Stellungen am Himmel einnehmen: die
Himmelskugel dreht sich anscheinend mit allen ihr ange-
hörenden Sternen im Verlaufe von 24 Stunden um ihre Achse.
Die Welt- Die Endpunkte dieser Achse, welche man Pole nennt, müssen
gegendm, a^0 daran kenntlich sein, daß die in ihnen oder doch in ihrer nächsten
Nähe befindlichen Sterne an der Umdrehuug der Himmelskugel nicht
teil nehmen. Den einen Pol, den Südpol, können wir Europäer
nicht sehen, weil er uns durch die Erde selbst verdeckt wird; in der
Nachbarschaft des uns sichtbaren Himmelspoles, des Nordp ole s,
steht dagegen ein ziemlich heller Stern, der sogenannte Polarstern,
der nur einen ganz kleinen Kreis um den eigentlichen Pol beschreibt
uud deshalb, sobald es sich nicht um besondere Genauigkeit handelt,
recht wohl mit dem Pole selbst verwechselt werden darf. Um ihn
zu finden, kann man sich des in Fig. 6 dargelegten Alignierungs-
Verfahrens bedienen: man verlängert die die beiden Hinterräder
des großens Wagens verbindende Linie in Gedanken, bis sie den
nächsten hellen Stern trifft. Dies ist der Polarstern, zugleich der
Stern am Ende der Deichsel des kleinen Wagens oder im Schwänze
des kleinen Bären. Nunmehr- haben wir das geeignete Mittel
Doppelte Bewegung der Erde.
gefunden, uns nach den vier Weltgegenden zu orientieren. Wir sagen
nämlich: Wer gerade zur Nachtzeit den Polarstern in's Auge faßt,
hat vor sich Norden, rechts Osten, hinter sich Süden, links
Westen. Bei Tage wird man die Mittagsstunde abwarten und nach
der Soune blicken; dann hat man vor sich Süden, zur Rechten
Westen, hinter sich Norden, zur Linken Osten. Wenn weder
Sonne noch Polarstern sichtbar sind, wird die Zurechtfindung freilich
erschwert, doch hilft man sich in diesem Falle mit einer Magnet-
(Kompaß-) Nadel, die aber nicht ganz genau nordwärts weist.
Auch nützt der Umstand viel, daß in der Regel alle kirchlichen Ge-
bäude eine ostwestlich gerichtete Achse besitzen, der Chor pflegt nach Osten,
das Portal am Turme oder zwischen den Türmen nach Westen zu blicken.
§ 6. Die doppelte Bewegung der Erde.
Der große deutsche Astronom Nikolaus Coppernicns Copverm-
(1483—1543) machte die wichtige Entdeckung, daß die Umdrehung
der Himmelskugel vou Ost nach West nnr ans einer Täuschung
unserer Siuue beruht; in Wirklichkeit ist es unsere Erde, welche sich
im eutgegeugesetzteu Siuue, von West nach Ost, um ihre eigene
Achse dreht, während die meisten Sterne, die man ebendeshalb Fix-
sterne (fixus — fest) benennt, in absoluter Ruhe verharren. Der
Auf- uud Untergang der Sonne, - der Gegensatz von Tag und
Nacht, beruht demnach auf der Umdrehung oder Rotation der Erde;
die Dauer derselben, nach deren Ablauf also eiu bestimmter Punkt
der Erde in eine bestimmte Stellung zu- dem nämlichen Fixsterne
Zurückkehrt, liefert uns zugleich das natürliche Zeitmaß, den Tag,
den wir bekanntlich in 24 Stunden (1 Stunde = 60 Minuten,
1 Minute = 60 Sekunden) zerlegen.
Wenn wir die Sonne an zwei nicht gerade unmittelbar aufScheinbare
eiuanderfolgenden Tagen während ihres Tageslaufes verfolgen, so be- Bewegung
merken wir, daß derselbe sich unausgesetzt ändert. Am 21. Dezember der Tonne,
erreicht jene ihre geringste, am 21. Juni ihre größte Höhe am Himmel.
Weil um diese Zeit die Sonne ihre Höhe von tag zu tag nicht
l*S Polarstern
Ng. 6.
8
I. Einleitung.
merklich ändert, dann aber eine der früheren entgegengesetzte Rich-
tnng einzuschlagen scheint, so sagt man, sie habe ihr Solstitinm
(Sonnenstillstand) oder ihre Sonnenwende erreicht. Am 21. März
und am 23. September geht die Sonne genau im Ostpunkte auf
und im Westpunkte unter; dann sind Tag und Nacht an Länge ein-
ander gleich, man spricht von einem Aeqninoktium oder einer
Tagundnachtgleiche (des Frühlings und des Herbstes).
§ 7. Die Ekliptik und die Stellung dcr Erdachse.
Scheinbare Aus dem allem folgt, daß die Sonne, während ihre tägliche Be-
bahn, wegnng sich als eine blos scheinbare herausgestellt hat, doch eine wirk-
liche Bewegung besitze, und in der That glaubten auch Altertum und
Mittelalter übereinstimmend, daß die Sonne in einem Zeitraum von
365^/4 Tagen, ^>Jahr genannt, einen vollen Kreis — Sonnenba hn
oder Ekliptik — um die den Mittelpunkt eiunehmende Erde beschreibe.
Dem nämlichen Copperniens (s. 0.) glückte aber der Nachweis,
daß auch hier wieder eine Täuschung vorliegt; die Sonne steht fest,
und die Erde bewegt sich um jene in einer gewissen ovalen Linie,
die aber von einem Kreise ganz wenig verschieden ist. Durch die
Rotation der Erde entstehen die Tageszeiten, durch ihre Revolu-
tion (Umwälzung um die Sonne) entstehen die Jahreszeiten.
Zur Erläuterung des Wesens derselben wird man natürlich eine das
Bild der Erde darstellende Kugel zur Haud nehmen.
Itcianf cn Mm: stelle ein Licht auf eine wagrechte Tischplatte und führe
"oer Achse, zuvörderst die Kugel so um das Licht in einem Kreise herum, daß
die Drehuugsachse der Kugel, die mau nötigenfalls durch eine hindurch-
gesteckte Nadel ersichtlich machen kann, senkrecht zur Ebene des Tisches
bleibe. Jener größte Kreis der Kugel, welcher bei dieser Bewegnug
der Tischplatte immer parallel*) bleibt, dessen sämtliche Punkte mithin
von jedem der beiden Pole immer gleichen Abstand haben, wird der-
Gleicher oder Äquator genannt, die obere Hälfte der Kugel ent-
spricht der Nordhalbkugel, die untere der Süd halbkugel. Man
wird nun wahrnehmen, daß die Grenze zwischen Licht und Schatten,
wo auch die Kugel sich befinden möge, ein Kreis ist, von dem gerade-
soviel zur Nordhälfte wie zur Südhälfte gehört. Anders ausgesprochen:
Stünde die Achse der Erdkugel seukrecht auf der Bahu-
ebeue, s0 gäbe es' keinen Unterschied der Jahreszeiten,
d. h. es wären für beide Halbkugeln der Tag der Sommer,
die Nacht der Winter. Ein zweitesmal führen wir die Kugel
so um die Lichtquelle herum, daß diese stets von der ver-
längerten Erdachse getroffen wird; dann wäre der Äquator
*) Parallel nennt man Linien, die allenthalben gleichen Abstand,
haben.
Coppernicanisches System.
9
ungefähr die Belenchtnngsgrenze, die eine Halbkugel hätte
unausgesetzt Tag und Sommer, die andere ebenso Nacht
und Winter. In Wahrheit steht nun aber die Achse schief auf
der Bahnebene, und es muß also bald die nördliche bald die südliche
Halbkugel die bevorzugte sein.
Wie, das macht Fig. 7 klar. Tie Erdbahn, In deren Zentrnm Erkiänmg
die Sonne 8 steht, erscheint bei unserer perspektivischen Zeichnung Jahres-
als eine ovale Linie. Tie Erde selbst haben wir in vier aus- ^'An-
gezeichneten Stellungen abgebildet, Ai bezeichnet den Punkt, in welchem
die Erde am längsten, A3 den Punkt, in welchem sie am kürzesten
Tage steht, A2 entspricht der Herbst-, A4 der Frühlings-, Tag-
nnd Nachtgleiche. Die den Nordpol und Südpol verbindende
Erdachse behält ihre Richtung immerfort bei, ist sich stets
selbst parallel. Tie einfach schraffierten Stellen stellen den im
betreffenden Augenblicke voll beleuchteten Teil der Südhalbkugel
vor; für Ai ist dieser Teil viel kleiner als für A3, somit hat in Ai
die Südhalbkugel strengen Winter, die Nordhalbkugel Hochsommer,
in A3 die Südhalbkngel Hochsommer, die Nordhalbkugel strengen
10
I, Einleitung.
Winter. Für A2 und A4 liegen die Verhältnisse ganz gleich; das
einemal wurde die nördliche, das andereinal die südliche Halbkugel
mit doppelter Schraffierung versehen, um zu zeigen, daß zwischen
den einzelnen Halbkugeln in diesem Falle gar kein Unterschied
obwaltet. Man überzeugt sich, daß die Unterschiede der vier Jahres-
zeiten Sommer., Herbst, Frühling, Winter einzig und allein
durch die Neiguug der Umdrehnngsachse gegen die Bahn, keineswegs
aber durch wechselnde Entfernung der Erde von der Sonne be-
dingt sind.
Andere Wie die Erde, so bewegen sich um die Erde noch andere Ge-
^ttrper.^stirue; man nennt dieselben Wandelsterne oder Planeten (vom
griechischen planao, ich schweife umher). Ihrer sind zur Zeit im
ganzen 278 bekannt, außer der Erde sieben große (Merkur,
Veuus, Mars, Juppiter, Saturn, Uranus, Neptun) und
271 kleine,1 die sogenannten Asteroiden.
Der Erd- Um die Erde kreist ebenfalls ein Himmelskörper als deren Trabant
uwnv, Satellit; es ist der jedermann bekannte Mond, der, je nach-
dem er seine Stellung gegenüber der Erde und Sonne ändert, gar
nicht oder ganz oder halb beleuchtet erscheint, wobei die Lichthälfte
auf der rechten oder linken Seite, von uns aus gerechnet, sich zeigen
kann. Je nachdem eine dieser vier Lichtgestalten oder Phasen vom
Monde erreicht ist, spricht man von Neumond, Vollmond, erstem
und letztem Viertel. Die von einer solchen Phase bis zu ihrer
Wiederkehr verfließende Zeit ist ein Monat. Ein bürgerlicher Monat
hat entweder 30 oder 31, nur der Februar hat blos 28 oder — bei
Schaltjahren — 29 Tage. Durch diese Einrichtung ist es möglich ge-
worden, die Länge von 12 bürgerlichen Monaten mit der Länge des
Jahres (s. 0.) in Einklang zu setzen, wahrend ein aus zwölf echten
Monaten bestehendes Mondjahr, die Grundlage für die Zeitrech-
nung der meisten morgenländischen Völker, nur 351 Tage zählt.
§ 8. Das Gradnetz der Erde.
Gönne Um einen Ort auf der Erde leicht und genau bestimmen zu
Brette, köunen, versieht man letztere mit einem Gradnetz. Es sei A (Fig. 8)
der fragliche Punkt; wir legen durch ihn und die beiden Pole Pi
und P2 einen größten Kreis und einen zweiten Kreis parallel zu dem
uns schon bekannten Äquator. Der erstgenannte Kreis heißt
Meridian, der zweite Parallelkreis, und die Gesamtheit aller
Meridiane und Parallelkreise — auch kurzweg Parallelen genannt —
bildet eben das Gradnetz. Ein willkürlich ausgewählter Meridian,
der aber später nicht mehr verlassen werden darf, wird als Anfangs-
oder Nullmeridian bezeichnet; in Fig. 8 schneidet er den Äquator in
Oi, den durch A gehenden Parallel in D, während der Meridian
Länge und Breite.
11
von A dem Äquator in E begegnet. Das Bogenstück AI) des
Parallelkreises ist dann die geographische Länge, das Bogen-
stück AE des Meridianes ist die geographische Breite von A.
Erstere wird als westliche und als östliche Länge jeweils von 0 Grad
bis 180 Grad herumgezählt, so daß z. B. O2, der Antipodenpunkt von
Oi, 180 Grad sowohl westliche als auch östliche Länge bekommt. Da es
bei Länge und Breite niemals auf wirkliche Entfernungen sondern stets
nur auf Kreisbogen ankommt, welche nach Graden, Minuten und
Sekunden gemessen werden (1° = 60'— 60. 60"), so kann statt
des Parallelbogens AD zur Länge auch der Äquatorbogen EOi ge-
nommen werden. Bezüglich der Breite muß immer die Angabe bei-
gefügt sein, ob man nördliche oder südliche Breite vor sich habe.
Fig. 8.
Als Nullmeridian diente bis vor kurzem allgemein jener, den Null-
man sich durch die Canarien-Jnsel Ferro hindurch gelegt dachte, Meridian.
Gegenwärtig dagegen besteht unter den Geographen Einmütigkeit
darüber, daß die Längen nach dem Meridian von Greenwich (Grih-
nitsch) zu zählen seien. Dieser Ort liegt nahe bei London und ist
seit zweihundert Jahren Sitz der britischen Hauptsternwarte.
Durch Länge und Breite ist ein Erdort dann völlig bestimmt, Sechöhe,
wenn er hart an der Meeressläche oder, wie man auch sagt, im
Meeres Niveau (Meeresniwoh) gelegen ist. Andererseits muß auch
noch seine positive oder negative Seehöhe (Meereshöhe) be-
kannt sein, d.h. man muß wissen, um wieviel die Entfernung des
Erdortes vom Mittelpunkte größer oder kleiner als der Erdhalb-
messer ist.
12
I. Einleitung,
§ 9. Luftförmige, flüssige und feste ^Bestandteile des Lrdkörpers.
Die alte Lehre von den vier Elementen, ans denen man
sich ehedem einen jeden Naturkörper zusammengesetzt dachte, ist freilich
durch die neueren Fortschritte der Chemie gänzlich beseitigt worden;
für die Zusammensetzung unserer Erde aber besitzt sie immerhin noch
eine gewisse Bedeutung. Wenn wir uns vorstellen, es vermöchte ein
Bewohner eines anderen Weltkörpers bis zum Mittelpunkte der Erde
vorzudringen, so würde er zuerst die Luft zu durchkreuzen haben,
nachher würde er entweder auf Wasser oder auf Erde im engeren
Sinne stoßeu, und tiefer in der Erde müßte er sogar dem Feuer
begegnen, von dessen Vorhandensein die vulkanischen Ausbrüche deutlich
genug Zeugnis ablegen. Indem man vom Inneren der Erde
vorläufig absieht, unterscheidet man deshalb in der Geographie den
Bereich der Lust, den Bereich des Wassers und den Bereich
der festen (Sfrd'e, des Gesteines oder, mit griechischen Bezeich-
nnngen, die Atmosphäre, die Hydrosphäre und die Lithosphäre.
Das Wort Sphäre bedeutet, wie wir schon wissen, die Kugel oder
auch eine jede abgeschlossene Gesamtheit von Dingen; Atme ist soviel
wie Luft (eigentlich Dampf), Hydor soviel wie Wasser, Lithos so-
viel wie Stein.
•' § \0. Die Atmosphäre.
Allgemeine Die Luft ist ein uusichtbarer Körper, der sich uns aber dnrch
schafttn; das Gefühl sehr wohl bemerklich zu macheu weiß. Bewegte Lust
Klima- nennen wir Wind; derselbe entsteht immer dadurch, daß die Luft
an einer Stelle A dünner ist, weniger stark drückt als an einer an-
deren Stelle B; dann weht der Wind von B gegen A hin. Von
der augenblicklichen Beschaffenheit der Luft ist dasjenige abhängig,
was man das Klima eines Ortes nennt, und zwar ist das Klima
hauptfächlich durch zwei Dinge bestimmt: durch die Temperatur
der Luft und durch deren Feuchtigkeit, d.h. durch die Meuge des
der Luft beigemengten Wassers. Solches enthält die Lnft fast immer,
entweder in der Gestalt des gleichfalls unsichtbaren Wasserdampfes
oder in derjenigen kleiner, massiver Wasserbläschen, welche in der
Nähe der Erdoberfläche als Nebel, höher oben als Wolken erscheinen.
Wenn die Lust mehr Wasser enthält, als sie zu fassen vermag, so
fallen diese Wasserkügelchen, je nachdem die Lufttemperatur eine
höhere oder niedrigere ist, als Regentropfen oder Schneeflocken
herab. Um das Klima genau zu kennen, muß man vor allem wissen,
wie viel Regen an dem betreffenden Orte im Jahre durchschnittlich
fällt, uud welche Jahreszeiten vom Regen bevorzugt werden.
Zonen- Wäre die Erdoberfläche eiue überall gleichförmig zusammen-
cinteiIunö'gesetzte, wären also die Gegensätze von Wasser und Land, von Berg
und Thal, von ödem Fels und pflanzenbedecktem Boden nicht
vorhanden, so würde das Klima allein mit der geographischen Breite
Klima und Zonen.
13
sich ändern, die Stärke der Bestrahlung durch die Sonne wäre
die einzige für die Art des Klimas maßgebende Ursache. Diese Stärke
wächst mit dem Winkel, unter welchem die einfallenden Sonnenstrahlen
die Erde treffen. In Fig. 9 sollen die von 8 kommenden parallelen
Linien diese Strahlen vorstellen; man sieht sofort, daß am Äquator,
wo dieselben senkrecht auffallen, diese ihre größte Kraft ausüben, daß
die Kraft immer kleiner wird, je weiter der betreffende Ort vom
Äquator entfernt liegt, und daß an den Polen selbst überhaupt von keiner
Bestrahlung mehr die Rede sein kann. Allerdings stimmt unser Bild
nur für einen der beiden Äquiuoktialtage genau mit der Wirklichkeit
überein; aber ähnlich verhalten sich die Dinge auch in anderen Zeiten
des Jahres. Die griechischen Geographen haben die Beziehung zwischen
der Lage eines Ortes und der Stärke der dort herrschenden Bestrah-
lung zur Grundlage der noch heute anerkannten Einteilung der
Erdoberfläche in Zonen gemacht. In Fig. 10 ist AA' der
Äquator, Pi der Nordpol, P2 der Südpol, C der Erdmittelpunkt.
Zwei Parallelkreise BB' und DD' werden so gelegt, daß der Bogen-
abstand AB=:A'B' == AD = A'D' — 231-0 wird; durch diese Parallel-
kreise wird die heiße Zone — Zone soviel wie Gürtel — eingeschlossen.
Man nennt BB' den Wendekreis des Krebses, DD' den Wendekreis
des Steinbockes. Man bemerkt leicht, daß auch die Sonne bei ihrem
scheinbaren Jahreslaufe an denjenigen Kreisen des Himmels innehält
und umkehrt, welche bezüglich vom Himmelsäquator um 23^ uörd-
lich oder südlich abstehen. Ferner denkt man sich noch die beiden
Parallelkreise EE' und FF' so gelegt, daß die Polabstände
Fi E:=Pi E'=P2 F = P2 F' =232-0 werden; diese Kreise sind der
nördliche und der südliche Polarkreis. Die Zone BB' E' E ist
die nördliche gemäßigte, die Zone DD' F' F ist die südliche
gemäßigte. Endlich werden noch die Zonen — eigentlicher gesprochen,
Mg. 9,
14 I. Einleitung.
die Kugelmützen — EPiE' und FP2F' als kalte oder Polar-
Zonen (nördliche und südliche) bezeichnet. Zur Griechenzeit erklärte
man schlechtweg die heiße Zoue und die beiden Polarzonen für un-
bewohnbar; daß ersteres unzutreffend sei, wußten bereits die Araber,
deren Handel sie tief nach Zentralafrika hinein führte, uud für die
kalten Zonen wurde der gleiche Nachweis durch unsere neueren Polar-
fahrer geliefert.
§ Die Hydrosphäre.
Die Gewässer der Erde sind teils Süßwasser (trinkbares
'Wasser), teils Salzwasser (Wasser, in dem feste Körper in solcher
Menge aufgelöst sind, daß sein Genuß dem Menschen widerstrebt).
Wasser, welches weder der einen noch der anderen Gattung mit vollem
Rechte zugerechnet werden, im Notfalle auch getrunken werden kann,
führt den Namen Brackwasser. Schon damit ist gesagt, daß der
Gegensatz zwischen Süß- uud Salzwasser keiu schroffer ist, vielmehr
kommt es vor, daß im Laufe der Zeit einer Wasseransammlung durch
Verdunstung die Salzbestandteile verloren gehen, daß das Wasser
ausgesüßt wird (iu der Nähe von Eisleben befinden sich die beiden
Mansselder Seen, welche man gewohnheitsmäßig heute uoch als
den süßen und den salzigen unterscheidet, allein während vor hundert
Jahren diese Unterscheidung noch eine vollkommen berechtigte war, hat
sie heute infolge der Ausfüßung allen Sinn verloren). Dabei ist
vorausgesetzt, daß neu zuströmendes Süßwasser immer den Verlust
der Verdunstung ausgleicht; deuu wo dies nicht der Fall ist, ver-
flüchtigt sich zuletzt das Wasser gänzlich, uud es bleibt, wie man im
inneren Asien nicht selten wahrnimmt, ein Salzsumpf oder eine
Salzsteppe übrig.
Fließendes Wasser. 15
Die süßen Gewässer der Erde sind teils stehende teils Stehende
fließende. Einen größeren mit stillstehendem Wasser ausgefüllten c,l,0,,cr-
Hohlraum nennt man See, einen kleineren Teich, Weiher, Tümpel,
im Hochgebirge wohl auch Lake. In jedem See wachsen Pflanzen;
dieselben können so üppig wuchern, daß durch sie iu Verbindung mit
einer lockeren darüber liegenden Erddecke das Wasser an vielen Stellen
unsichtbar gemacht wird; alsdann hat man es mit einem Sumpf
oder Morast zu thuu. Befindet sich ein Sumpf an seiner Ober-
fläche in gefrorenem Zustande, so wird er zur Tundra (russisches
Wort). Aber auch ohne Znthuu der Kälte kann die Oberfläche eines
Morastes in eine hinlänglich feste Decke sich verwandeln, durch welche
der Fuß des Wanderers nicht mehr hindurchbricht; ein solcher Morast
ist ein Moor (in Süddeutschland Moos) geworden (Hochmoor,
Wiesenmoor). Die obersten Lagen in einem Moore geben den aus
Wurzeln, Fasern/ Blättern und eigentlichem Moose zusammengewach-
senen Torf, das bekannte Brennmaterial, zu dessen Gewinnung sogar
künstliche Torfmoore angelegt werden.
Ein See pflegt das ganze Jahr über mit Masser angefüllt zu Wasserstand
fein, wenn auch der Wasserstand natürlich, da es nicht immer gleich Dcv ~ccu'
viel Regen gibt, bald ein höherer, bald ein tieferer sein wird. Es
gibt aber auch Seen, denen durch eine Anzahl unterirdischer
Kanäle, von den Griechen Katabothren genannt, in der trocke-
neren Jahreszeit ihr Wasser ganz oder teilweise entzogen wird. Solche
Seen kommen hauptsächlich im Karstgebirge (f. u.) vor.
Die fließenden Gewässer entstehen aus Quellen; ein dünner Quelle».
Wasserstrahl dringt, gewöhnlich an den Abhängen der Berge, aus dem
Boden hervor, das Wasser läuft bergabwärts und wird, indem auch
andere benachbarte Quellen ihr Wasfer mit ersterem vereinigen, zum
Bache. Auch die Quellen teilt man in perennierende, d.h. das
ganze Jahr hindurch fließende, und in intermittierende, in deren
Ausflusse längere oder kürzere Pansen eintreten. Der Temperatur
des ausfließenden Wassers nach trennt man die Quellen in kalte
und heiße, welche letztere meistenteils Heilkraft besitzen und deshalb
zur Entstehung von Warmwasserbädern oder Thermen Veran-
lassung geben (Wildbad, Gastein, Karlsbad). Auch kalte Quellen
können heilkräftige Stoffe in sich enthalten, d. h. Mineralquellen
sein, wie man solche in allen Gebirgen Deutschlands in großer
Menge findet.
Durch Vereinigung mehrerer Bäche entsteht ein Fluß oder Flüsse.
Strom; mau unterscheidet an ihm gewöhnlich Oberlauf, Mittel-
lauf uud Uuterlauf. Im Oberlaufe fließt der Fluß meist rafch,
er hat ein bedeutendes Gefälle und ist nicht selten an einzelnen
Stellen durch Stromschnellen unterbrochen Jähe Abstürze des
Flußbettes bringen sogar einen Wasserfall zuwege (Rheiufall
bei Schaffhausen, Niagara-Fall in Nordamerika). In seinem
1 6 I. Einleitung.
Mittellaufe zieht der Fluß ruhiger iu tief ausgegrabenem Bette dahin,
in seinem Unterlause dagegen wird er meist träge, läßt die feinen
Stein- uud Schuttbestände, welche bis dahin die Schnelligkeit seines
Wassers mit fortführte (Gerölle, Sinkstoffe) allmählich zu Boden
fallen und bildet so zahlreiche Flußinseln oder Werder, zwischen
welche versumpfende, feenartige Wasserflächen (Altwasser) sich aus-
breiten. Selten nur kauu man einen Fluß von seinem Anfang an
befahren; meistens wird er erst da floßbar, wo sein Gefälle
geringer zu werden anfängt, und noch weiter unterhalb beginnt
die Schiff barkeit.
Flußgebiet. Jeder Fluß uimmt andere Flusse, seine Nebenflüsse, in sich
auf. Diesen letzteren strömen selbst wieder kleinere Flüsse zu, für
welche man die Bezeichnung Zn- und Beiflüsse gebrauchen kann.
So hat der Rhein als Hanptsluß den Main zum Nebenfluß, dieser
Fig. 11.
fc
die Regnitz zum Zufluß und diese wieder die Pegnitz zum Beifluß.
Ein Hauptfluß besitzt stets eilt Flußsystem, Stromgebiet oder
Bassin (Bassen), welches sich ans sämtlichen Neben-, Zu- uud Bei-
slüsseu zusammensetzt (f. Fig. 11).
Flukmün- Die Mehrzahl der Flüsse ergießt sich oder mündet in das
düngen. 0^er jn einen größeren Binnensee (Jordan in das Tote Meer,
Oxns in den Aral-See). An der Mündungsstelle zerfasert sich
der bis dahin einheitliche Fluß uicht selten in eine ganze Menge
einzelner Mündungsarme, so daß eine Art von Dreieck zustande
kommt. Da eiu solches dem großen griechischen Buchstaben A
(unserem D) ähnlich erscheint, so nennt man eine solche Flußmündung
eine Deltamündung oder kurzweg ein Delta. Besonders bekannt
sind das Delta der Donau und mehr noch des Nil (s. Fig. 12). Es gibt
endlich auch Biuueulandsslüsse, die einfach im Sande versickern; solche
findet man ganz besonders in Zentralasien (Heri-Rnd in Tnran).
Meer und Meeresteile.
17
§ \2, Das Meer.
Das Meer oder die See bedeckt den weitaus größeren TeilEinteilung,
der Erdoberfläche; das Areal des Meeres verhält sich zum Areal
des Festlandes wie 23U ' 1« Man unterscheidet fünf Weltmeere
oder Ozeane, nämlich das Nördliche und Südliche Eismeer, deren
Begrenzung nach dem Äquator hin der betreffende Polarkreis bildet,
den Atlantischen Ozean, den Indischen Ozean und den Großen,
Stillen oder Pazifischen Ozean, auch Südsee genannt.
Da wo das Meer an das Land herantritt, an der Küste, Meeres-
entstehen Aushöhlungen des Uferverlaufes, welche je nach ihrer 0ltc er'
Größe und Gestalt verschiedene Namen erhalten. Ist die Ausbuch-
tung eine sehr flache, so spricht man von einem Randmeer; so
sind das Ochotskische, das Japanische und das Gelbe Meer die
Asiatischen Randmeere des Großen Ozeans, so ist die Nordsee ein
Randmeer des Atlantischen Ozeans. Dringt die See tiefer in das
Innere des Landes ein, so entsteht ein Meerbusen oder Golf
(englisch Bay — Bäh); so bildet der Stille Ozean mit der nordameri-
kanischen Küste den Golf von Calisornien, der Indische Ozean
mit der asiatischen den Busen von Bengalen u. s. w. Ist die
Bucht eine sehr kleine, so wird sie zur Rhede und diese wieder
zum Hafen, wenn der Zugang zum freien Meere sich stark verengt.
Endlich gibt es auch noch ausgedehnte Meeresteile, die nur durch
schmale Öffnungen ihre Verbindung mit dem Ozeane unterhalten,
und diese nennt man Mittelmeere. Zu dieser Klasse gehören die
Hndsons-Bay (Hödsons-Bäh), der Mexikanische Golf nebst der
Karaibischen See, die Ostsee und ganz besonders jenes Meer,
welches den Gattungsnamen hergegeben hat, nämlich das Romanische
Mittelmeer oder Mittelländische Meer.
Mittel! gfi disclie s Meer Y
Sinai-
Halbinsel
Fig. 12.
2
I. Einleitung.
Lagunen. Solche Meeresteile, welche im kleinen Maßstabe Mittelmeere
darstellen, dabei aber der beständigen Gefahr ausgesetzt sind, durch
Verschüttung ihrer nach dem freien Meere führenden Ausgänge
in versumpfende Strandseen verwandelt zu werden, heißen
Lagunen. Äußerst zahlreich sind dieselben an der nördlichen
Küste des Adriatischen Meeres. Der dünne Landstreifen, welcher die
Verbindung zwischen Meer und Lagune unterbricht, wird deutsch
Nehrung, italienisch Lido (z. B. Lido von Venedig), russisch
Pereßip (Küste der Halbinsel Krim) genannt.
^Eltge, Als Meerenge, Sund, Meeresstraße bezeichnen wir jede
Archipel. öom Lande stark eingeengte Stelle zwischen zwei benachbarten Meeren
(Straße von Gibraltar, Ärmelkanal, Großer und Kleiner
Belt). Ein Meeresbecken, in welchem sich viele Inseln und zwischen
diesen hindnrchführende Kanäle vorfinden, ist ein Archipel (Sunda-
Archipel; Molukken - Archipel ; Ägäisches Meer; schlechthin
Archipelagus genannt).
§ \3. Das Festland.
^ Insel, Stücke Hes Festlandes, welche rings von Wasser umgeben sind,
^""tinenr. mir Inseln , bei kleinem Umfange wohl auch Eila'nde.
Zusammenhängende Festlandmassen dagegen werden als Kontinente
oder Erdteile bezeichnet, und zwar unterscheidet man deren
fünf: Europa, Asien, Afrika, Australien und Amerika,
letzteres selbst wieder in Nord-, Mittel- und Südamerika
zerfallend. Man bemerkt, daß ein grundsätzlicher Unterschied
zwischen Insel und Kontinent nicht besteht; denn wenn man
z. B. die drei Erdteile Europa, Asieu, Afrika — die Alte Welt,
im Gegensatz zu der erst seit Columbus bekannten Neuen Welt —
auf der Karte betrachtet, so fällt in die Augen, daß diese Landmasse
allenthalben von Meeren umschlossen ist.
Halbinsel, Einen Teil des Festlandes, der nahezu allseitig vom Meere
Landzunge, bespült wird und mit dem Rumpfe des Kontinentes (oder auch der
Insel) nur uoch durch eine schmale Landbrücke in Verbindung steht,
nennt man Halbinsel (Halbinsel von Malakka in Ostasien, von
Californien in Nordamerika; Italien, Spanien, Skandinavien
in Europa). Die zur Halbinsel führende Landbrücke oder überhaupt
eine schmale Verbindung zweier Festländer heißt Landenge oder
Isthmus (Isthmus von Korinth). Ganz besonders schmale Halb-
inseln führen wohl auch den Beinamen Landzungen. Ein ent-
schieden in das Meer hinaustretender Festlandbestandteil, wenn
gebirgig, ist ein Vorgebirge oder Kap (Kap der guten Hoff-
nung oder auch blos „Kap"), wenn ganz eben, eine Landspitze.
Festland- Das Festland selbst ist teils eben, teils gebirgig. Ebenen
gliederung.^ 200 m Seehöhe sind Tiefebenen; erreicht die Ebene
eine größere Höhe über dem Meere, so heißt sie Hochebene oder
Berge und Thäler.
19
Plateau (Platoh). Ein ausgedehntes Plateau, auf dem sich auch
vereinzelte Gebirgszüge erheben können, ist als Tafelland bekannt;
dasselbe kann steil oder allmählich gegen die nächst benachbarte Ebene
sich absenken. Manchmal (Mexiko, Abessynien) beobachtet man
terrassenförmige Abdachung des Tafellandes. Noch nicht mit
inbegriffen in den soeben geschilderten Gegensatz von Hoch- und Tief-
land sind die Depressionen, ausgedehntere Erdstellen, welche unter
dem Spiegel des Meeres gelegen sind (Jordanthal in Palästina,
Oasen w Ägypten). Ein Hochland, dessen Gewässer keinen Ab-
slnß nach dem Weltmeere haben, ist ein zentrales (Umgebung des
Tsade-See in Afrika, des Tarim in Hochasien). Man nennt das
Gesamtgebiet, dessen Gewässer einer bestimmten tiefsten Stelle im
Inneren zustreben, gewöhnlich ein Becken — eine Bezeichnung, die auch
auf ein Mittelmeer übertragen werden kann. Waldlose Ebenen heißen
Steppen, wogegen die Wüsten des Pflanzenwuchses gänzlich entbehren.
Von den Tief- und Hochebenen durchaus unterschieden sind die Berge,
einzeln aufragenden Berge und die eine Ansammlung von Bergen
darstellenden Gebirge. Ob man eine Erhebung als Berg oder blos
als Hügel bezeichnen soll, kommt auf die örtlichen Umstände an; so
trägt der Himmelberg auf Jütland (s. u.) seinen Namen, obwohl er
nur 170 in hoch ist, doch nicht ganz mit Unrecht, weil er auf völlig
flachem Lande ansteigt. Man muß die uns schon bekannte absolute
oder Meereshöhe scharf unterscheiden von der relativen Höhe, die
nur angibt, um wieviel der Berg sich über die zunächst gelegene Ebene
Fig. 13.
A
Fig. 14.
20 I. Einleitung.
erhebt (s. Fig. 13). An jedem Berge oder Gebirge unterscheidet man
den Fuß von dem AbHange, der ein mehr oder minder steiler ist;
gemessen wird die Steilheit durch den Böschungswinkel. Man fällt
(Fig. 14) vom höchsten Punkte A auf die das Gebirge umschließende
Ebene ein Lot AC und verbindet C mit jenem Punkte B des Fußes, von
welchem aus die Höhe erstiegen werden soll; dann ist ABC der gesuchte
Winkel. Böschungswinkel, die größer als 30° wären, kommen nur selten
vor, und gar die senkrechten Abstürze, von denen in Reisebeschreibnugen
oft die Rede ist, existieren meist nur in der Einbildung der Beobachter.
Gebirge Ein Gebirge kann ein Längs- (Ketten-Gebirge) oder auch
TWer. ein Massen-Gebirge, ein Gebirgsstock oder Gebirgsknoten
sein. Auf den Gipfeln der Berge, aus welchen das Kettengebirge
besteht, läuft die Kammlinie hin; tiefere Einfenkungen der Kamm-
linie sind die für die Verkehrsgeographie überaus wichtigen Pässe.
Die von Bergen^ auf zwei Seiten umfchlofseuen Vertiefungen sind die
Thäler. Schmiegt sich ein Thal den dasselbe begrenzenden Gebirgs-
ketten an, so ist es ein Längsthal; hat sich aber der im Thal da-
hinströmende Fluß eigenmächtig seinen Lauf durch ein vorliegendes
Gebirge hindurch gebahnt, fo ist das Thal ein Querthal oder
Durchbruchthal. Ein solches ist häufig sehr tief und eng, so daß
man dafür auch einen der Ausdrücke Thalriß, Thalspalte, auch
Klamm gebraucht. Längsthäler mit sanft geböfchten Seitenwaudungen
heißen dagegen Thalfurchen. Unter einer Mulde versteht man
eine ausgedehntere Eintiesuug des Bodens, von deren tiefster Stelle
aus die Bergwände unter mäßigen, erst nach und nach größer wer-
denden Böschungswinkeln in die Höhe steigen.
Waffer- Flußsysteme (s. S. 15) werden gemeiniglich durch Bergketten von
scheiden, Lander getrennt; letztere wirken dann also als Wasserscheiden.
Man würde aber irren, wenn man sich unter einer Wasserscheide
immer eine stattliche Erhebung denken wollte. Als ein gutes Beispiel
für eine fast unsichtbare Scheide dieser Art mag die das System des
Rheines von dem der Donau trennende unmerkliche Bodenanschwellung
bei dem mittelsränkischen Städtchen Trenchtlingen dienen, welche Karl
der Große im Jahre 800 durchstechen lassen wollte (Fossa Carolina).
Gesteins- Alle Gebirge bestehen aus Gestein oder Fels, der nur da,
ortm' wo er mit der Luft iu unmittelbarer Verbindung steht, fein festes
Gefüge verliert und durch den Verwitteruugsvorgaug in lockere
Erde (Ackerkrume, Humus) sich verwandelt. Man unterscheidet
dreierlei Arten von Gesteinen. 1. Das Plutonische Gestein, z. B. der
bekannte Granit, ist höchst wahrscheinlich dadurch entstanden, daß
eine seurigstüssige Masse langsam erkaltete. 2. Die vulkauischeu Ge-
steine — Lava — sind die Ergebnisse der Abkühlung geschmolzener
Massen, die mit großer Gewalt dnrch den Schlund der Vulkane, der
feuerspeienden Berge, hindurch an die Erdoberfläche befördert
wurden. 3. Die sedimentären oder geschichteten Gesteine, also alle
Berge und Thäler. 21
Sand- und Kalksteine, haben sich gebildet, indem Meer-oder Süßwasser
verschwand und die in ihm enthaltenen Sinkstoffe (f. S. 16) zurückließ.
In Fig. 15 sehen wir das Bild eines Schichtgebirges mit einge-
lagerten vulkanischen Gängen vor uns; bei A, B, C streichen, wie
die Bergleute sagen, die Schichten zu tage aus. In ebendiesem
Sinne kann man von einer Streichungsrichtung der Kettengebirge
und von deren Ausstreichen gegen das Flachland hin sprechen.»
SSHä Vulkanische and Plutonische Gäage
Ug, 15,
Der Höhe nach teilt man die Erhebungen der Erde in Hügel- Schnee
land, Mittel- und Hochgebirge. Letzteres ragt häufig so hoch empor, MnD ei§"
daß der dort oben fallende Regen zu Schnee erstarrt. Die Region
des ewigen Schnees wird von den tiefer liegenden Gebirgsteilen
durch die Schneegrenze oder Schneelinie geschieden. Doch gelangt
fortwährend auch Hochgebirgsschnee tiefer hinab, teils in jähem Sturze
als Lawine, teils als ein Eisstrom von langsamer Fortbewegung,
d.h. als Gletscher oder Ferner.
B. Oro-hydrographische Übersicht von Europa.
§ Europa als Erdteil.
Wenn wir unseren Weltteil aus einer Karte der ganzen Erde
betrachten, so erkennen wir, daß derselbe im Verhältnisse zu den
Kontinentalmasfen von Asien, Afrika und Amerika sich recht bescheiden
ausnimmt, ja eigentlich nur als ein Anhängsel des großen Asien
erscheint. Nur der Umstand, daß Europa seit uralten Zeiten der
wahre Sitz alles höheren Kulturlebens ist, daß sich in seinem Bereiche
die größten Schauspiele der Weltgeschichte abgespielt haben, berechtigt
uns dazu, an einer Anschauung festzuhalten, welche freilich zur Zeit
der alten Griechen eine ganz andere Berechtigung als heute gehabt
hat. Damals nämlich kannte man einigermaßen genauer uur jene
Erdgebiete, welche im unmittelbaren Umkreise des Mittelländischen
Meeres gelegen sind, also das südliche Europa, das westliche oder
besser gesagt, nur das südwestliche Asien und den äußersten Nordrand
von Afrika. In jener Zeit also, deren Kenntnisse und Denkweise
uns am reinsten in den homerischen Gesängen entgegentritt, war die
Nebeneinanderstelluug Europa, Asien, Afrika eine vollkommen
naturgemäße, und so hat denn auch seitdem niemand den Versuch
gemacht, unserem Europa die Bedeutung eines selbständigen Erdteiles
zu nehmen.
§ j[5. Der Ural.
Die natürliche Grenze zwischen Europa und Asien bildet das
Uralgebirge, welches in seiner gewaltigen nördlichen Ausdehnung
von ungefähr 16 Breitengraden sich von dem zum nördlichen Eis-
meere gehörigen karischen Busen bis an den Fluß Ural erstreckt.
Letzterer entspringt ans dem Gebirge selbst und ergießt sich, nachdem
er seine Lausrichtung mehrere male verändert hat, in den größten
Binnensee der Erde, das gewöhnlich schon zu Asien gerechnete Kas-
pische Meer. Das Uralgebirge, welches übrigens mehr ein Hügel-
zng als ein wirkliches Kettengebirge ist und mühelos auf einer ganzen
Reihe von Pässen überschritten werden kann, zerfällt nach der üb-
lichen Einteilung in drei Unterabteilungen: den nördlichen oder wüsten.
Rußlands Erhebungs- und Bewässerungsverhältnisse. 23
den mittleren oder erzreichen, den südlichen oder waldreichen Ural. Ural.
Die Mitte trägt ihren Namen mit vollem Rechte, denn es hat sich
an den Abhängen des Gebirges eine lebhafte Bergwerks- und Hütten-
indnstrie angesiedelt, und man gewinnt aus den Bergen Eisen und
Gold, ferner das mattglänzende, wegen seiner Widerstandsfähigkeit
gegen Abnutzung von den Technikern hoch geschätzte Platin, das durch
seine Härte ausgezeichnete Iridium und Diamanten, welche an
Schönheit mit den brasilianischen wetteifern können. Nur wenige
Erhebungen des Ural gehen über die Höhe von 1500 m hinaus.
§ \6. Rußlands Erhebungs- und Bewässerungsverhältnifse.
Westlich von der Asiatischen Grenzscheide liegt die ungeheure Östliche
Fläche Rußlands ausgebreitet, eine Tiefebene, über welche nur ein- c'
zelne schwache Bodenanschwelluugen hinziehen. Die Südrussische
Steinplatte am Asowschen Meere erreicht eine Höhe von 180 m, die
Nordrussische Landhöhe eine solche von 140 m. Mit letzterer
zieht parallel die westlich gegen die Ostsee und im besonderen gegen
den Meerbusen von Riga abfallende Baltische Höhe, welche noch
etwas niedriger als die vorgenannte ist. Da, wo letztere im 0 ihr
Ende findet, begegnen wir der stärksten Erhebung des russischen Bo-
dens, der Waldai-(Walda-i-) Höhe, von welcher der Popenberg
350 m ansteigt; nicht mit gerechnet ist hier das Gebirge der Halb-
insel Krim mit einer Höhe von 1500 m. Zwischen der baltischen
und der Waldai-Höhe sind mehrere Seen eingebettet, von denen nur
der Peipus- und der Jlmeu-See genannt sein mögen. Einen
bergigen Charakter zeigt auch das Land am unteren Laufe des großen
Flusses Wolga, welche an dem der Waldai-Höhe sich s vorlagernden
Wolchonski - Wald entspringt und, nachdem sie eine Lauflänge von
3690 km zurückgelegt hat, sich uuweit Astrachan mit dem Kaspischen
Meere verbindet. Das Ufer dieses Stromes, der als Rußlands
Lebensader bezeichnet wird und ein Gebiet von 1340000 qkin
umfaßt, ist weiter oben flach (Wiesennfer), und durch uuerschöpf-
liche Fruchtbarkeit (Tscherno-sem r= schwarze Erde) berühmt; weiter
unterhalb, etwa von Sarä.tow ab, wird das Gestade steiler (Berg-
ufer), fo daß an einzelnen Stellen die Uferhöhe um 330 in vom
Spiegel der Wolga absteht. Eine sehr große Anzahl von Flüffen
nimmt die Wolga in sich auf; die wichtigsten derselben sind die vom
Ural kommende Kama und die von W her einströmende Oka (O!ä),
welch letztere wieder die mit der alten Landeshauptstadt gleichnamige
Moskwa zum Beiflusse hat. Vou der uordrufsischeu Landhöhe gehen
mehrere nach dem Eismeere strömende Flüsse aus, zumal die Dwiua
und die Onega, während noch weiter im 0 der Mesen und die
Petschora, die im n Ural entspringt, angetroffen werden. N vom
Waldai-Gebirge gelangt man, zwischen dem Baltischen und dem Weißen
24 I. Einleitung.
Rußlands Meere, zu einem Landstriche, welcher der seenreichste in ganz Europa
Gewässer Bon allen fallen in die Augen der Ladoga-See, der größte
Höhen. aßer europäischen Binnenseen, und der ö von ihm, nur etwas höher
gelegene Onega-See. Aus dem erstereu fließt ab die Newa,
welche trotz ihres kurzen Weges mit gewaltigem Wasserreichtum bei
St. Petersburg in den finnischen Busen sich ergießt, s vom Nord-
rande dieser Einbuchtung sehen wir die Finnische Seenplatte, über-
deckt von großen und kleinen Wasserbecken von teilweise recht auf-
fallender Gestalt. Besonders gilt letzteres von dem größten dieser
Gewässer, dem Saima-See.
Westliche Von den mittelrussischen Landanschwelluugeu, die nach 8 hin
mehr und mehr in ein unübersehbares Grasland, die Südrussische
Steppe, übergehen, kommen gleichfalls in s und w Richtung Flüsse
herab. Dahin gehört der Don, der bei Sarepta so nahe an die
Wolga herantritt, daß nur ein ganz schmaler Landrücken noch beide
Ströme scheidet, ferner der Dnjepr mit dem Pripet und die aus der
Geschichte des Feldzuges von 1812 wohl bekannte Beresina. Beide
Ströme sind dem Schwarzdn, bezüglich dem von diesem durch die St ra ße
von Kertsch getrennten Asowschen Meere tributpflichtig. Unter den
in die Ostsee fließenden Abkömmlingen des russischen Mittelgebirges
endlich verdienen die. Düna und der Njemen bemerkt zu werden;
dieser letztere fließt später durch deutsches Land und führt daselbst
den Namen Memel.
Kanäle. Wenn man durch die Ursprungsstellen der größeren russischen
Flüsse eine Linie zieht, so sieht man aus der Karte, daß durch diese
Linie ein ganz kleiner Bezirk ausgeschnitten wird. Dieser Umstand
begünstigt in Verbindung mit der Niedrigkeit der Wasserscheiden in
seltenem Maße die Anlage von Kanälen, d. h. von künstlichen
Wasserstraßen, durch welche weit von einander entfernte Meere
in Verbindung gebracht werden. Solche Verbindungen sind heute
schon hergestellt zwischen dem Kaspischen Meere einerseits, dem Weißen
uud Baltischen Meere andererseits, und ebenso kann man aus dem
Schwarzen Meere durch Dnjepr, Beresina-Kanal und Düna in die
Ostsee zu Schiffe gelangen, ohne den Fuß auf trockenes Land setzen
zu müssen.
§ \7. Der Kaukasus.
Zwischen dem Schwarzen uud Kaspischen Meere wird die
europäisch-asiatische Grenze durch das Längsgebirge des Kaukasus
gebildet. Mauerartig, mit seinen Spitzen sich in die Eisregion er-
hebend, an seinen Abhängen mit üppigem Waldwuchse bedeckt, erhebt
sich das Gebirge s von den beiden Flüssen Kuban und Terek, deren
Quellen nicht sehr weit auseinander liegen, während der erstere dem
Schwarzen, der letztere dem Kaspischen Meere zuströmt. Der höchste
Skandinavische Halbinsel. 25
Kaukasusgipfel ist der Elbrus (über 5600 m); nur wenig steht ihm Kaukasus,
nach der Kasbek. Die lückenlose Geschlossenheit des Gebirgswalles
macht dessen Überschreitung schwierig, und so ist denn auch der in der
Mitte gelegene Paß von Dariel der einzige, der einen leidlich be-
qnemen Verkehr zwischen den beiden russischen Provinzen Ciskaukasien
(europäisch) und Transkankasien (asiatisch) ermöglicht. Wie gegen
die Ebene, so stürzt der Kaukasus auch gegen die angrenzenden Meere
sehr jäh ab. Nur mit Mühe fanden die Nüssen an der Küste des
Schwarzen Meeres Raum zur Anlage einiger Festungen, und bei der
kaspischen Stadt Derbent drängen sich die Berge so nahe an die
See heran, daß nur ein schmaler Durchpaß übrig bleibt, das seit
der großen Völkerwanderung viel genannte „Thor von Derbent".
Die hier kurz beschriebene Eigenart des kaukasischen Gebirges macht
es erklärlich, daß die dasselbe bewohnenden Völkerschaften sich leicht
gegen von außen kommende Angriffe verteidigen und ihre eigeutüm-
licheu Sitteu treuer bewahren konnten, als dies in Erdgegenden
möglich ist, durch welche die großen Heeresstraßen der Völker hin-
durchziehen.
§ j8. Die skandinavische Halbinsel.
Die Finnische Seenplatte, um vom Süden zum hohen Norden
zurückzukehren, geht unter dem nördlichen Polarkreise in das unWirt-
liehe Lappländische Hochland über; auch ihm fehlt es nicht an
Seen (Enare-See). Nach 0 zweigt von diesem Hochlande die öde
Tnndren-Halbinsel Kola (s. o.) sich ab, im VV hängt dasselbe mit
der großen Skandinavischen Halbinsel zusammen, deren Richtung
eine s-w ist. Sozusagen das Rückgrat der Halbinsel bildet ein Hoch-
gebirge, für dessen mittleren Teil der Name Kjölen im Gebrauche ist.
Sehr hohe Gipfel kommen darin nicht vor (Jöhmfjelden — Riesen-
höhe 2600 in, Snlitelma 1870 m); dafür aber ist das Gebirge ein
äußerst massiges: die von ihm überdeckte Fläche ist sehr viel größer,
als die von den Alpen eingenommene. Gegen die Küste des n Eis-
meeres und des Atlantischen Ozeans ist der Abfall des Gebirges
ein steiler, so daß die meisten der tief in das Land eingreifenden
schmalen Buchten (Fjords) von hohen, kahlen Wänden umrahmt
werden; dagegen ist die Abdachung gegen die Ostsee hin, auf der
schwedischen Seite, eine sehr langsame und allmähliche; große Gebirgs-
flächen, die Fjelds — einerlei mit dem deutschen Worte „Feld" —,
nehmen das Hochplateau ein. Zahlreiche felsige Inseln, von den
Schweden Skjaeren („Scheeren") genannt, bezeichnen den ganzen
Küstenverlauf der skandinavischen Halbinsel, und auch der nördlichste
Punkt Europas, das Nordkap, gehört einem in das Eismeer hinaus
vorgeschobenen Jnselchen an, wogegen der äußerste Ausläufer des
Festlandes den Namen Nordkyn führt. Sehr zahlreich find auf den
26 I. Einleitung.
Sknndina- Fjelds die Seen, und den meisten von ihnen entströmt ein größerer
Gewüsier. Elf (schwedisch für Fluß), der regelmäßig nach der Ostsee, beziehungs-
weise nach deren nördlichstem Bestandteile, dem Bottnischen Meerbusen^
seinen Lauf nimmt. Auf der Fjordseite kommen nur kurze Küsten-
slüsse vor. Als der gebirgsfreieste Teil der Halbinsel erscheint deren
südlichstes Gebiet, d. i. Schonen. Sehr bedeutende Seen birgt
das ganze südliche Schweden in sich: den Mälar-See, der diese Be-
zeichnuug insofern allerdings nicht ganz mit recht trägt, als er durch
schmale Suude mit dem Meere zusammenhängt, den Wetter-See
uud den Weuer- See. Der letztgenannte wird entwässert durch den
Go eta-Els, der bei Trolhaetta einen der merkwürdigsten Wasser-
fälle der Erde bildet. Durch großartige Kunstbauten, in den Fels
eingehauene Schleusenkammern u. s. w., hat man trotzdem den Goeta-
Elf für die Schiffahrt nutzbar zu machen verstanden. Auch Norwegen
fehlt es nicht -au stehenden Gewässern, doch haben dieselben ganz an-
dere Umrisse als die südschwedischen; sie sind schmal, länglich und
erinnern ganz an die Fjorde, mit welchen sie teilweise auch den
Namen gemein haben. Der bemerkenswerteste ist der Mjösen-See,
aus welchem der größte norwegische Fluß, der Glommen, einen
Teil seines Wassers bezieht.
§ Das 5üdbaltische Aüstenland.
Tie Sem- Wir kehren, nachdem wir die natürlichen Grenzen des euro-
Vlatten. Rußland an drei Stellen kennen gelernt und die anliegenden
Gebiete soweit verfolgt haben, als es sich mit unseren gegenwärtigen
Zwecken verträgt, zur russischen Ebene zurück uud sehen zu, welche
Gebiete und Flüsse uns westlich von derselben begegnen. Längs des
Südufers der Ostsee ziehen sich weite Ebenen hin, welche nur uube-
deutende Hügelgruppeu ausweisen uud, da ihr Kartenbild mit kleinen
Wasseransammlungen geradezu gesprenkelt erscheint, den Namen der
Preußischen, Pommerschen und Mecklenburgischen Seenplatte
tragen. Bedeutend sind diese Seen im allgemeinen nicht; im 0 mag
der Spird ing-See, im W mögen, hauptsächlich ihrer landschast-
licheu Reize wegen, der Müritz-See, der Schweriner See und
der Ratzeburger See hervorgehoben werden. Kennzeichnend für
diese Ostseeküste sind die überaus zahlreichen Strandseen, welche teil-
weise durch Dünen schon gänzlich von dem Meere abgetrennt sind,
teilweise noch durch eine schmale Öffnung in der vorgelegten Dünen-
kette (Nehrung, s. o.) die Verbindung mit den? Meere sich erhalten
haben. Eine solche Öffnung hat das Kurische Hass bei Memel,
das Frische Haff bei Pillau; das Stettiner- oder Oder-Haff
besitzt noch drei solche Verbindungskanäle, die Dievenow, Swine
und Peene, welche aus diese Weise die beiden Inseln Wollin und
Usedom unter sich sowie vom benachbarten Festlande trennen. Nord-
Nordalbingische Halbinsel. 27
westlich von Usedom liegt die große Küsteninsel Rügen mit ihrem
sonderbar gezackten Uferrande.
Folgen wir den die drei Seenplatten durchströmenden Flüssen Baltische
in der Richtung von 0 nach W, so haben wir zu beginnen mit der Küstmflüsse.
uns schon bekannten Memel, welche sich kurz vor ihrer Verbindung
mit dem Kurischen Haff in die beiden Arme Ruß und Gilge ver-
zweigt. Es folgt der ans der ostpreußischen Platte entspringende
und in das Frische Haff mündende Pregel, und eben in dieses er-
gießen sich die Passarge und der als Nogat bezeichnete Arm der
Weichsel; früher war dieser Arm der Hanptflüß selbst, allein in
diesem Jahrhundert erst brach die Weichsel bei dem Städtchen Neu-
fahrwasser durch, so daß sie jetzt unmittelbar in die Danziger Bucht
geht. Unbedeutendere pommersche Küstenflüsse sind die Persante und
die Rega; daun aber gelangen wir zu der um so wichtigeren Oder,
welche nahe bei der großen Handelsstadt Stettin ihr Haff erreicht.
Der größte unter den nach N fließenden mecklenburgischen Küsten-
flüssen ist die bei Rostock mündende Warnow.
§ 20. Die Nordalbingische Halbinsel.
An der Lübecker Bucht biegt die Baltische Küste um; war ihr
Zug bisher der Hauptsache nach ein ostwestlicher, so wird er jetzt
ein entschieden südnördlicher, wobei sich hier das europäische Festland
als Nordalbingische Halbinsel der skandinavischen zu nähern be-
strebt ist. Diese Halbinsel ist ein Flachland, dessen höchster Punkt,
der im N gelegene Himmelberg, 172 m Meereshöhe besitzt. Doch
steigt immerhin von der West- wie von der Ostküste her das Land
nach und nach an; längs des Meeresufers ziehen sich zunächst die
Dünen hin, dann folgt das fruchtbare Marschland, welches in
größerer Entfernung von der See in die Geest, einen die ganze
Halbinsel südnördlich durchziehenden, ziemlich sterilen Haiderücken, sich
verwandelt. Unter den zum Gebiete der Nordsee gehörenden Flüssen
nennen wir nur die Eider, die durch eiueu Kanal mit der Kieler
Bucht verbunden ist; an die Stelle dieser noch unvollkommenen nassen
Verbindung von Nord- und Ostsee wird in Bälde der Nordostsee-
kanal als ein auch für Kriegsschiffe gaugbarer Wasserweg treten.
Der Ostsee tribntär sind die Trave und die Königsau. Alleut-
halben ziehen sich an der Ostseite der Halbinsel tiefe Buchten,
Fjördeu, (nn Fjords) zubenannt, in das Innere hinein (Schlei,
Haderslebener Föhrde, Lymfjord, deutsch Kalkbucht). Der
letztere trennt Jütlands Nordspitze von dem Rumpfe der Halbinsel
ganz und gar ab, weil die Wellen des Meeres sich im W die soge-
nannte Aggermündung selbst eröffnet haben. Seen gibt es überall
auf der Halbinsel, die größten und schönsten (Plöner und Eutiner
See) im östlichen Holstein.
28 I. Einleitung.
§ 2{. Dänische Inseln.
Zwischen der nordalbingischen und skandinavischen Halbinsel
liegen die Dänischen Inseln. Wer von den ersteren zur letzteren
reisen will, muß zuerst den kleinen Belt überschreiten, hieraus Fünen
durchwandern, über den großen Belt setzen, Seeland durchqueren
und endlich noch den Sund zurücklegen, bis er in Schonen angelangt
ist. Diese Inseln stellen einen dem Ackerbau günstigen Flachboden
dar, Feld, Wald und Weide wechseln mit einander ab; dazwischen
sind niedrige Hügel und Seen gelagert; auch an Bächen und kleinen
Flüssen ist kein Mangel, wohl aber gänzlich an größeren. Festes
Gestein tritt nur auf den kleineren, s von den obigen, zum teile
weit draußen in der Ostsee gelegenen Inseln (Moen, Born Holm)
zu tage. Kleine Jnselchen (Halligen) umsäumen die Westküste der
Halbinsel. 1
§ 22. Die Nordseeküste.
Nördlicher Wenn wir die nordalbingische Halbinsel an der Westseite von
unv"'' ihrem nördlichsten Vorgebirge Skagen bis herab zur Mündung der
Inseln. Elbe begleiten, so nehmen wir wahr, daß an letzterer aufs neue eine
Umbiegnng des Küstenverlaufes im rechten Winkel erfolgt. Diese
Richtung bleibt beibehalten bis zu dem großen Meerbusen Zuyder-
See (Sender - See); die Küste ist Marschland, großenteils auch
Wattenküste, d.h. ein Gebiet, welches sich Land und Wasser im
Laufe eines Tages mehrmals streitig machen. Von großen einmün-
denden Strömen sind die Weser mit ihrem Nebenflusse Hunte und
die Ems zu nennen, während in die Zuyder-See die Assel (Eissel)
einfließt. Eine Inselkette, die Westfriesischen und Ostfriesischen
Eilande — Texel, Schölling, Borkum, Norderney — zieht
sich zwischen dem Festlande und dem freien Meere hin; dieselbe be-
zeichnet den früheren Festlandsaum, der durch die Sturmfluten des
Ozeanes zerstört worden ist. Dollart-Bai und Znyder-See weisen
auf solche Meereseinbrüche hin, und auch die kleine, der Elbemündung
vorliegende Felsenklippe Helgoland erleidet noch unaufhörlich solche
Einbußen, obwohl die Sage von ihrem dereinstigen, ungleich größeren
Umfange durch die wirklichen Nachrichten keine Bestätigung fiudet.
Holländische Nicht sehr verschieden von dem eben beschriebenen ist der
Küste. Charakter des Landes, welches von der Zuyder-See bis zum Ärmel-
kanal sich erstreckt. Es ist dies das holländische, mineralarme Schwemm--
land, das überall von Kanälen durchzogen wird und teilweise sogar
unter dem Spiegel der benachbarten Nordsee liegt, so daß mithin an
einzelnen Stellen nur durch riesige Deiche (Dämme) dem Eindringen
der Meereswogen gewehrt werden kann. Einzelne Meeresteile, so
z. B. den als Haarlemer Meer bekannten Westbusen der Zuyder-
See, hat man ausgebaggert, d. h. durch eigens zu diesem Zweck
Polnisch-Niederdeutsches Tiefland. 29
erfundene Maschinen ganz von Wasser befreit; solche Ländereien, Rhemdelta.
Polder genannt, enthalten dann begreiflicherweise ein sehr fruchtbares
Erdreich. Gebirge gibt es in Holland nicht, auch Seen fehlen, von
den Flußsystemen ist besonders dasjenige des Rheines zu beachten.
Aus diesem stattlichen Flusse, dessen Geschwindigkeit beim Eintritte
in die weiten Niederungen sich stark vermindert, werden nach
und nach vier Flüsse; der Waal, der Lek und der alte Rhein
münden in die Nordsee, während die Vecht einen Teil der Rhein-
fluten nach der Znyder-See abführt. Hart vor dem Ausflusse des
Waal verbindet sich mit diesem die von 8 kommende Maas, und
beide Flüsse zusammen bilden dann ein Jnselgewirre, welches näher
am Lande Biesbosch heißt, während später daran sich die großen
Seeländischen Inseln anreihen. Auch das Gelände zwischen den
Rheinmündungen und dem Punkte, an welchem Nordsee und Kanal
in einander übergehen, ist ähnlich beschaffen, wie dasjenige, von dem
bisher die Rede gewesen ist. Von größeren Flüssen mündet hier
allein die Schelde; doch wird die Meeresküste dnrch eine ganze An-
zahl von Kanälen mit den großenteils zum Stromgebiete der Schelde
gehörenden Binnenflüssen verbunden-.
§ 23. Das Polnisch-Niederdeutsche Tiefland.
Der ganze Küstenstrich, also von der russisch - preußischen bis Weichsel
zur belgisch - französischen Grenze, die nordalbingische Halbinsel mit unÖ CDcr*
eingerechnet, stellt sich unserem Blicke dar als ein großes Tiefland,
und man muß sich vom Meere aus schon ziemlich weit nach S fort-
bewegen, bis die Landschaft eine andere wird. Folgen wir z. B. ström-
aufwärts der Weichsel, welche rechts den Narew mit dem Bug und
südlicher den San, links nur kleinere Wasserläufe in sich aufnimmt,
so müssen wir fast bis zu ihrer Quelle vordringen, um zu einem
Gebirge zu gelangen. Sie entspringt in den Karpaten, die wir
nachher noch besonders zu betrachten haben werden, und läßt in ihrem
obersten Laufe das niedrigere Sandomirer Gebirge zu ihrer Linken.
Weite Ebenen, vielfach von Sümpfen angefüllt, sind bezeichnend für
die Weichselländer. Da, wo die Karpaten im W eine Umbiegnng ihrer
bisherigen Streichungsrichtung nach 8 erfahren, beginnt ein großer
o-w gerichteter Gebirgszug, der sich, wenn auch keineswegs einheitlich,
bis an den Rhein erstreckt, und auf dem die uns schon bekannten
großen Flüsse Oder und Elbe entspringen. Erstere wird auf ihrem
Oberlaufe zur linken von Bergen begleitet, von denen rasche Gebirgs-
ströme herabrinnen; als solche vereinigen sich mit der Oder, wenn
wir von 8 nach N uns bewegen, nach und nach die Glatzer Neiße,
die Katzbach, der Bober und die Görlitzer Neiße, alle aus
dem Befreiungskriege von 1813 durch zahlreiche, an ihren Ufern vor-
gefallene Gefechte bekannt. Späterhin bezieht die Oder ihre Zuflüsse
weit mehr vou der rechten Seite her; ihr wichtigster westlicher Neben-
30
I. Einleitung.
deutsches ^ ^ ^art^e' die V vom Sandomirer Gebirge ihren Ursprung
Tiefland, hat und in der Netze, welche aus dem seen- und sumpfreichen Netze-
Bruch hervorströmt, einen sehr wasserreichen Beifluß besitzt. Der
Finow-Kanal verknüpft die Oder mit dem sehr nahe angrenzenden
Gebiete der Elbe.
Elbe und Diese letztere durchfließt zuerst das nördliche Böhmen,
m' nimmt n von Prag die von 8 kommende Moldau und nachher
die Eger auf uud bricht sich dann durch das Elbsand stein -
gebirge hindurch Bahn nach der mitteldeutschen Ebene (Säch -
sische Schweiz). Links fließen ihr die Mulde und die „sächsische"
Saale zu, welch letztere wieder die Unstrut uud Bode als Zu-
slüsse besitzt; rechts ist als einziger namhafter Nebenfluß der Elbe
die Havel hervorzuheben, welche eine ganze Anzahl großer Aus-
Weitungen (Havelseen) von hoher malerischer Schönheit bildet,
nachdem sich vorher durch den Einfluß der aus Süden, aus dem
von Wasseradern allenthalben durchzogenen Spreewald, kommenden
Spree die Havel zu einem stattlichen Strome ausgebildet hat. Die
Elbe erweitert sich schon'mehrere Meilen vor ihrer eigentlichen Mün-
dung in die -Nordsee meerbusenartig, so daß in den Hafen von
Hamburg auch die größten Meerschiffe einzufahren vermögen. Von
der Elbe gelangen wir w zur Weser, die bei Münden durch
die Vereinigung der Werra und der Fulda entsteht, bei Minden
in der sogenannten „Porta Westfalica" das sich quer vorlegende
Gebirge durchbricht und von Bremen an ebenfalls sich mehr und
mehr verbreitert. Doch bedarf es noch künstlicher Nachhilfe (Weser-
korrektion), um den Hafen Bremens demjenigen Hamburgs eben-
bürtig zu machen. Von bedeutenderen westlichen Nebenflüssen hat
die Weser nur die uns schon bekannte Hunte; im Osten aber nimmt
sie die durch die Leine und Ocker verstärkte Aller in sich auf.
Das Gebiet der Unterweser ist auch durch zwei Seen ausgezeichnet,
den Dümmer-See und das spottweise so benannte Steinhude r
Meer, ein Moorwasser.
§ 2\. Deutsches Mittelgebirge.
Osten und Ehe wir uns dem Rheine zuwenden, müssen wir uns zunächst
Norden. n^er dem Mitteldeutschen Gebirge bekannt machen. Die
Gegend, in welcher die Oder entspringt, nennen wir das Mährische
Gesenke; n-w schließen sich diesem an die Sudeten, das Glatzer-
und das Eulen - Gebirge, welches einen einzeln stehenden Vor-
Posten, den altvulkanischen Zobtenberg (730 w), in die schlesische
Ebene hinein entsendet hat. Weiter w folgt das Jfer - und
Riesengebirge, in dem sich der höchste nicht-alpine Berg Deutsch-
lands, die Schneekoppe (1600 m), erhebt. Des Lausitzer-
Gebirge geht in das uns erinnerliche Elbsandsteingebirge über, das
die Elbe überschreitet uud mit dem jenseits sich erhebenden, lang-
Deutsches Mittelgebirge. 31
gestreckten Erzgebirge zusammenhängt; dessen höchster Gipsel, der Mittel-
Keilberg, erreicht eine Höhe von 1230 m. Der Name ist oder ' '
war wenigstens früher bezeichnend für die Art des Gebirges, dem
z. B. die berühmten Silbergruben von Freiberg und Joachims-
thal (Thaler) zuzurechnen sind. Da, wo das Erzgebirge w sein
Ende erreicht, erhebt sich ein mächtiger, aus uraltem Gesteine be-
stehender Gebirgsknoten, das Fichtelgebirge (Schneeberg 1050 m,
Ochsenkopf und Waldstein etwas niedriger). Dasselbe entsendet
je einen größeren Fluß nach den vier Himmelsgegenden, nämlich die
Eger ö und die Saale n zur Elbe, den Main w zum Rhein und
die Raab s zur Donau. In nordwestlicher Richtung reiht sich an
das Fichtelgebirge der Frankenwald (Döbraberg), und n-w von
diesem wiederum erblicken wir ein waldiges Gebirge. Es ist der
Thüringerwald (Schneekopf uud Beerberg je 980 m), dessen
nordwestlichste Ausläufer der Juselsberg und die die berühmte
Wartburg tragende Höhe sind, während der Westabhang des Gebirges
stetig von der Werra begleitet wird, n vom Thüringerwalde breitet
sich zwischen Saale und Weser eine mannigfaltige Hügellandschaft aus,
worin nur in der Goldene Aue- der den süßen und salzigen
Mansfelder See (S. 14) beherrschende Kysshäuser (460 m), ein in
Sage und Geschichte viel genannter Berg, kräftigere Formen annimmt.
Die Grenze des deutschen Mittelgebirges aber gegen das norddeutsche
Tiefland bildet der Harz mit dem Brocken (1140 m), zwischen
dessen Ostseite uud der Elbe gewaltige Steinsalzlager (Staßsurt)
sich hinziehen. Auf dem rechten Elbufer ist das Gelände durchweg
nur ganz flach gewellt; eine solche Bodenwelle ist der Fläming,
welchen die von Wittenberg nach Berlin geführte Eisenbahn
mühelos überschreitet (höchster Punkt kaum 200 m).
Zwischen Werra und Fulda steigt n der isolierte Meißner, Westen,
weiter s Das Rhöngebirge (Wasserkuppe 950 m, Kreuzberg
930 m), auf, an welches sich s, nur durch die dem Main zufließende
Kinzig getrennt, der Vogelsberg, eine von vulkanischen Aus-
brächen Zeugnis ablegende Gebirgsmasse mit dem 770 m hohen
Taussteiu und der waldreiche Spessart anschließen, der im
Geyersberg zu 600 m ansteigt. Das Knie des Rheins, n von
der Mainmündung, füllt der durch seine zahlreichen Heilquellen be-
rühmte Taunus (Feldberg fast 890 m) aus, den man zum
Rheinischen Schiefergebirge zu rechnen pflegt. Die beiden
anderen, nördlicher den Rhein begleitenden Abteilungen des erwähnten
Gebirges find der rauhe Westerwald und das Sauerländer-
Gebirge, von dem aus das Wiuterberger Plateau nach NO
vorgeschoben erscheint. Lahn, Sieg uud Ruhr durchschneiden die ganze
Gebirgslandschaft; jenseits der letzteren zieht sich noch ein schmaler,
nur bis zu 300 m aufstrebender Hügelzug hin, der Haarstrang,
dessen N- Abhang die ebenfalls in den Rhein mündende Lippe
32 I. Einleitung.
^?anö!^ bespült. Das Flußgebiet der Ruhr ist das bekannte, einen großen
Teil Europas mit dem unentbehrlichsten Brennstoffe versehende
Kohlenrevier, n senkt sich Westfalen unmerklich zum Küstentieflande
herab; in seinem äußersten 0 erhebt es sich zu dem mäßig gewellten
Teutoburger Wald, dessen damals unwegsame Schluchten im Jahre
9 n. Chr. Deutschlands Freiheit gegen römische Zwingherrschaft
gesichert haben.
Mittclrhein- Auf seiner linken Seite nimmt der Rhein, nachdem er
nf£"ct durch den Main vergrößert worden, die Nahe, die Mosel und
die Ahr auf; die beiden ersteren Flüsse treunt das Hochland des
Huusrück (Walderbeskopf im W 815 m); das Gebiet zwischen
Mosel, Rhein und Maas hingegen wird großenteils erfüllt durch
ein ziemlich unwirtliches Gebirgsland, welches in feinem östlichen
Teile Eifel, in seinem nördlichen Hohe Venn, in seinem westlichen
aber Ardennerwald heißt und als solcher sogar noch über die
Maas hinüber reicht. Die Eifel ist durch und durch ein vulkanisches
Gebilde; auch ihre eigentümlich runden Seen oder Maare (Gillen-
felder Maar, Laacher See) weisen ans eine solche Entstehung
hin. Da, -wo die ArdenNen ihr Ende erreichen, beginnen die
Argonnen, welche das Wülfer der Maas — hier Meuse (Moes)
genannt — bis tief nach Frankreich hinein begleiten.
Oberrhein- Vom Einflüsse des Mains folgen wir nunmehr dem Rhein
01' stromaufwärts. Zur linken fließen ihm zunächst nur kleine Flüffe
zu, wie die Queich; dieselben haben ihren Ursprung im pfälzischen
Hardtgebirge. Dieses kann mit allem Rechte als eine Fortsetzung
der Vogesen gelten, welche dem Rhein die Lauter und Jll zu-
senden und sich in langem, teilweise, und zwar im 8, zu statt-
licher Höhe anwachsendem Bergzuge längs der Grenze Frankreichs
und Deutschlands hin erstrecken. Der alte deutsche Name des
Gebirgszuges war Wasgenwald; der höchste Berg ist der Sulzer
Belcheu mit 1430 in. An kleineren Seen ist in den Vogesen
kein Mangel. s endet das Gebirge bei der burguudischeu
Pforte, welche in der Kriegsgeschichte, vorab des Jahres 1870, eine
nicht unbedeutende Rolle gespielt hat uud von den Franzofen durch
die sehr starke Festung Belfort — daher der Name „Belforter
Loch" — versperrt worden ist. Ebenso wie im W die Vogesen,
so begleitet den Rhein im 0 der Schwarzwald, der im Feldberg
eine Höhe von 1500 in erreicht; doch breitet sich zwischen beiden
Längsgebirgen die weite Oberrheinische Ebene aus. Die Murg,
die „badische" Kinzig und die Wiese fließen dem Rhein aus dem
Schwarzwald zu. n geht letzterer in das Neckarplateau über,
welches durch ebendiesen Fluß vom Odenwald (Katzenbuckel
630 m) geschieden wird. Der Neckar zählt zu den größten Neben-
flüffen des Rheins, dem er außer seineu eigenen Gewässern auch
noch die der Enz, des Kocher und der Jagst zuführt. Endlich
Donaugebiet und Karpaten.
33
haben wir noch des Main selbst zu gedenken, der jedoch in der
Geographie Bayerns noch eine ausführliche Behandlung erfahren wird.
Wir stellen also einstweilen nur fest, daß dieser Fluß zur Rechteu
die Jtz und die „fränkische" Saale, zur Linken die aus der
schwäbischen und fränkischen Rezat entstandene Regnitz auf-
nimmt.
§ 25. Das Donaugebiet und die Aarpaten.
Der 8 Deutschlands gehört zum weitaus größereu Teile dem ^bcre
Gebiete der Donau au, die im Schwarzwald bei dem Städtchen
Donaueschingen sich bildet. Brigach nnd Brege heißen ihre
Qnellbäche. Zuerst in nordöstlicher, sodann, von Regensburg an,
in südöstlicher Richtung durchzieht der immer stattlicher werdende
Fluß Süddeutschland, wobei ihm links die Wörnitz, die Altmühl,
die Naab (s. 0.) und der Regen, rechts die Jller, der Lech mit
Wertach, die Isar mit Loisach und Amper, sowie der große
Inn zuströmen, der kurz zuvor sich mit der gleichfalls bedeutenden
Salz ach vereinigt hat. Diese vier letzteren Nebenflüsse entstammen
den Alpen, welche wir weiter unten-als ganzes zu betrachten haben
werden; n begleitet die Donau anfänglich der Schwäbische Jura,
von welchem aus zwei Erhebungen sich nach Bayern hinein erstrecken,
nämlich im W die Frankenhöhe und der Steigerwald, weiter im
0 der Fränkische Jura. Er findet erst am Main sein Ende
und zeigt stellenweise eine stattliche Höhenentwicklung (bis zu 660 m),
senkt sich dazwischen aber auch wieder so weit ein, daß der Ludwigs-
kanal, welcher Altmühl und Reguitz, indirekt also Schwarzes Meer und
Nordsee verbindet, unbeanstandet durch das Gebirge hindurchgesührt
werden kouute. Da, wo die Donau Bayeru verläßt, tritt an sie
der Böhmerwald heran, der am Fichtelgebirge (s. 0.) ziemlich
schmal beginnt und, an bequemen Dnrchgangsstellen ziemlich arm,
sich gegen 8 mehr und mehr verbreitert. Es sehlt ihm nicht
an stattlichen Hochgipseln (Arber 1460 m). Der Teil des
Böhmerwaldes, welcher vom Hanptkörper durch den Regenfluß
abgetrennt wird, ist der Bayerische Wald. n der Donau
kommen keine irgendwie nennenswerten Seen vor, s aber nmsomehr;
in Württemberg zwar nur der einzige Feder-See bei Buchau,
in Bayern dagegen reiht sich See an See, wie dies weiter unten
noch dargelegt werdeu wird.
Auf ihrem weiteren Lause bleibeu der Donau rechts die Alpeu Böhmen,
getreu, wenn sie sich auch stets in einiger Entfernung von ihr halten
und erst später, mit dem Wiener Wald, unmittelbar an sie heran-
treten. Links setzt sich der Böhmerwald in dem Grein er Wald
fort, mit welchem nach NO umbiegend die Mährische Höhe
zusammenhängt. Da diese ihrerseits wieder im NO mit dem Gesenke
Fühlung hat, so ergibt sich, daß das Land Böhmen allseitig durch
3
34 I. Einleitung.
einen Gebirgskranz von den umgebenden Ländern abgegrenzt
ist (Böhmischer Kessel). Die Donau empfängt von rechts her
die Traun und Enns; links ist namhaftester Nebenfluß die von
den Sudeten kommende March mit der Thaya als Zufluß.
Mittlere Da, wo die erstere, das weite, historisch berühmte Marchfeld
önon' durchströmend, sich mit der Donau verbindet, schieben sich die
Kleinen Karpaten hart an die Donau heran. Dieselben sind
der westlichste Anslänser eines gewaltigen Gebirges, welches in
mächtigem Bogen das polnische von dem ungarischen Tieflande
trennt, später eine vollständige Umbiegnng im Streichen (s. o.)
erleidet und sich bei Orsova ein zweitesmal der Donau bis zur
größten Nähe zuwendet. Außer den schon geuauuteu Kleinen
Karpaten unterscheidet man in dem Karpaten - Gebirge noch die
Westlichen und Östlichen Beskiden, die Tatra mit dem etwas
niedrigeren Ungarischen Erzgebirge (Goldbergwerke von
Schemnitz), das Marmaroser (Marmaroscher) Gebirge und
endlich die Traussylvanischen oder Siebenbürger Alpen. Die
höchsten Karpatengipfel finden sich in diesen Alpen, sowie in der
Tatra (Negoj nahe dem Rotentnrmpaß 2540 in, Gerlsdorser
Spitze 2660 m). An der (nördlichen und östlichen) Außenseite
des Karpateugebirges entspringen neben der Weichsel noch der
Dnjestr, der ins Schwarze Meer geht, sowie Pruth und Sereth,
welche kurz vor dem Einflüsse der Donau ins Meer sich erst noch
mit dieser vereinigen. Nach der Innenseite rinnen von den Karpaten
die folgenden Nebenflüsse der Donau herab: Waag, Gran, Theiß
mit Maros (Marosich). Zur rechten wird die Donau, ehe sie den
Paß von Orsova erreicht, durch noch ausgiebigere Zuflüsse verstärkt,
zuerst durch die Drau mit der Mur und gleich darauf durch die
Save, welche felbst wieder von 8 her die Knlpa, Unna, Bosna,
Drina zugesandt erhalten hat; weiter abwärts mündet die Morava.
Beträchtlich oberhalb der Drau ziehen Leitha und Raab da der
Donau zu, wo sie sich in ein Gewirre von Wasserfäden aufgelöst
und mehrere Inseln (die beiden Schütt) gebildet hat. — Seen besitzt
das linksdannbische Ungarn nicht. Auf der anderen Seite dagegen
fehen wir den großen Platten- und den etwas kleineren Neu-
fiedler-See, der freilich mitunter an Wasserarmut leidet.
Untere Die untere Laufstrecke beginnt für die Donau bei Orsova,
Donau. tüej;cj)em Orte sich der Strom durch eine der Schiffahrt große
Hindernisse bietende Enge und über Klippen (Eisernes Thor)
hindnrchzwängen muß. Alsdaun fließt er in breitem Bette zwischen
der rumänischen Ebene (links) und der bulgarischen Ebene
(rechts) dahin, nimmt rechts Jsker und Jantra, links Aluta
(Alt), sowie (s. o.) Sereth und Pruth auf und ergießt sich
durch drei fortwährend der Verschlammung ausgesetzte Arme
(Kilia - Mündung im N, Snlin a - Mündung in der Mitte,
Alpen und ihre Einteilung — Westalpen. 35
St. Georgs - Mündung im 8) in das Schwarze Meer. Nächst
der Wolga kommt von allen europäischen Strömen der Donau die
größte Lauflänge zu.
§ 26. Die Alpen und ihre Einteilung.
Das große Gebirge, von welchem herab nahezu sämtliche rechts-
seitige Zuflüsse der Donau ihren Lauf nehmen, fordert jetzt dringend
eine gesonderte Betrachtung. Wir meinen die Alpen, die sich in
geschweiftem Bogen von der Küste des Mittelländischen bis zu der
des Adriatischen Meeres und bis zum ungarischen Tieflande hinziehen.
Man teilt die Alpen ein iu West- und Ostalpen; wie die Ein-
teilung zu erfolgen habe, darüber sind die Ansichten der Geographen
Fig. 16.
früher weit auseinander gegangen; zur zeit aber hat man
neben der Dreiteilung vielfach den Vorschlag angenommen, dessen
Wesen uns Fig. 16 vor das Auge stellt. Danach folgt die
Grenzlinie vom Bodensee ab dem Laufe des Rheines, übersetzt den
Splügen-Paß, begreift die Seen von Como uud Lugano,
sowie einen Teil des Ostrandes des Langensees in sich und wendet
sich von da an ö.
§ 27. Die N)estalpen.
Der westliche Gebirgsteil beginnt bei der Pforte V0n Westalpm.
Savona, w von Genua, mit den Seealpen, die sich bald ent-
schieden gegen N umbiegen, n von diesen, die man über den Col
di Tenda (1870 in) passieren kann, erheben sich die Cottischen
Alpen, denen der Monte Biso (3850 in) und der von einem
3*
36 I. Einleitung.
gewaltigen Tunnel durchbohrte Mont Cenis (Mön Seni) an-
gehören. An die Cottischen reihen sich wiederum im N die Graji-
sdfjen Alpen, denen die höchste Spitze Europas, der Montblanc
(MöN blan), zuzurechnen ist, während weiterhin, auf dessen 8 und
0 feite sich die Pässe des Kleinen und Großen St. Bernhard
— letzterer gekrönt durch das seit Jahrhunderten im Dienste der
Menschenliebe stehende Hospiz — auszeichnen. Letzterer war schon zur
Römerzeit viel begangen; einzelne Schriftsteller halten sogar dafür,
daß hier Hannibal seinen berühmten Alpenübergang vollzogen habe,
während andere wieder im Mont Cenis den betreffenden Paß er-
blicken. Die ganze Alpenkette, soweit wir sie bisher kennen lernten,
wird w begleitet von dem (nicht der) n-s fließenden Rhone (Rohu),
welchem aus den Cottischen Alpen die Durauce (Düranß), aus den
Grajischen die Jsere (Jsähr) zuströmt. Vorher jedoch hatte der
Rhone einen westlichen Lanf; die Knickungsstelle liegt bei Lyon
(Lyon). Auf dieser Strecke hatte er das Wallis und zuletzt den
großen Genfer See (lacus Lemanus der Römer, daher heute uoch
Leman genannt) durchströmt, s vom Rhone ziehen sich vom Großen
St. Bernhard an genau nach 0 die Walliser Alpen, und die n
des Flusses gelegenen Bern er Alpen halten die gleiche Richtung
ein. Beide Gebirgsteile sind reich an Hochgipfeln; der Walliser Seite
gehören der Monte Rosa (4640 m) und das überaus steile
Matterhoru, der Beruer Seite das Fiusteraarhoru (4270 m),
die Jungsrau, der Mönch und das Wetterhorn an. Von be-
quemeren Pässen gegen 8 besitzt die Walliser Kette nur einen, den
Simplon, den man zu „unterführen", d. h. für den Eisenbahnball
zu durchbohren im Sinne hat. Von den Berner Alpen kann
man ins Rhone - Thal über die G emmi gelangen; von 0 herab
über die Fnrka. ö von letzterem Passe erhebt sich der eine
beherrschende Stellung einnehmende, jedoch keineswegs durch Höhe
ausgezeichnete St. Gotthard, durch dessen Tnnnel (14,8 km lang,
Fahrzeit eine halbe Stunde mit Schnellzug) die beste Verbindung
zwischen Westdeutschland und dem mittelländischen Meere hergestellt
ist. s von ihm liegen die Tessiner Alpen, ö das Adula-
Gebirge mit dem Lukmanier-Passe; n-o streichen die Glarner
Alpen (Toedi 3620 in) aus, an welche sich n die Appenzeller
Alpen anschließen. Letztere fallen mit dem 2500 m hohen Säntis
schroff gegen das Gelände des Bodensees hinab. — Das Gebiet der
Westalpen ist damit umgrenzt; doch ist noch weiter zu erwähnen, daß
von dem Rhone bis zu den Vogesen ein anderer Gebirgszug von
geringerer Höhe hiustreicht, der hinsichtlich seiner Gesteinsbeschaffen-
heit sich fast gar nicht von dem schwäbischen und fränkischen Jura
unterscheidet und deshalb auch der Französische und Schweizer
Jura (auch Jura schlechtweg) genannt wird. Der Weißenstein bei
Solothurn erreicht eine Höhe von 1450 m.
Ostalpen. 37
Zwischen Iura und Berner Alpen breitet sich das Schweizer Alpines
Hügelland aus, bekannt durch seinen Reichtum an Seen, n vom H,ltrte e'
Genser See erkennen wir den Neueuburger, Murtener und
Bieler, näher den Berner Alpen den Thuner und Brienzer
See; diese beiden durchfließt die Aar, welche später Renß und
Limmat aufnimmt und im Rhein ihr Ende findet. Die Reuß
selbst hat vorher den landschaftlich schönsten, durch die Erhebung der
Urkantone gegen Alb recht I. (1308) auch geschichtlich berühmtesten
See der Schweiz durchströmt, deu Vierwaldstütter, an dem
einige als Aussichtspunkte bekannte Berge gelegen sind (Pilatus
2130 m, Rigi 1800 m). Umrahmt wird dieser vielgestaltige
See von einer ganzen Schar anderer (Hallwyler See, Sem-
pacher See, Zuger See, Lowerzer See). Weiter nord-
wärts schreitend, begegnen wir dem länglichen Züricher See,
der durch den Linth-Kanal mit dem Wallenstadter See in
Verbindung steht. Auch in den Westalpen selber kommen Seen vor,
wie diejenigen von Bourget (Burscheh) und Annecy (Annesi). —
Der St. Gotthard sendet, ähnlich wie (s. o.) das Fichtelgebirge,
vier Flüsse nach allen Seiten aus; Rhone uud Reuß haben wir
schon kennen gelernt; der Tessin (Ticino-Titschino) fließt s und
verliert sich zunächst in dem Langen - See (lago maggiore, lago
matschore, großer See); der Vorderrhein aber hat einen östlichen
Lauf. Bei Reichenau vereinigt sich mit ihm der Hinterrhein,
so daß nunmehr der Rhein (zunächst der Hochrhein) entstanden
ist. In der Nähe von Bregenz scheint er im Bodensee (bei den
Römern lacus Brigantinus, Bregenzer See) ein frühes Ende zu
finden. Allein dieser große See, der hinreichen würde, der gesamten
Bevölkerung der Erde auf seiner gefrorenen Oberfläche eine nicht
einmal unbequeme Unterkunft — es kämen auf die Person 3 bis 4
Quadratfuß — zn gewähren, und der bei 400 m tief wird, dient
dem Rhein nur als Läuterungsbecken. Der Fluß verläßt ihn an
dem äußersten Ende seines westlichen Ausläufers, Untersee genannt,
bildet gleich darauf den gewaltigen Rheinfall von Schaff hausen
und erreicht, nachdem er noch die Aar (s. o.) ausgenommen hat, bei
Basel die Stelle, ander sich, zugleich beim Eintritte in das Deutsche
Reich, sein Lauf entschieden gegen ^ wendet. Vom Untersee an
heißt der Fluß Oberrhein.
§ 28. Die Gstalpen.
Wir wenden uns, den Hochrhein überschreitend, nunmehr den Einteilung.
Ostalpen zu. In diesen unterscheidet man die aus uraltem Gestein Knlkalvm.
bestehenden, gewissermaßen das Rückgrat des Gebirgszuges bildenden
Ur- oder Zentralalpen von einem sie n und s annähernd parallel
begleitenden Seitenzuge, den Kalkalpen. Die Zentralalpen werden
da, wo sie ihre höchste Entfaltung aufweisen, Hohe Tauern genannt;
38
I. Einleitung.
die südlichen Kalkalpen bezeichnet man Wohl auch als Dolomiten,
weil ein französischer Naturforscher Dolomien (Dolomiö) zuerst
von den dortigen Kalkfelsen eine gründliche mineralogische Beschrei-
bnng geliefert hat. n begrenzen das Alpenland die Algauer,
Bayerischen, Salzburger und Österreicher Alpen, welch letztere
gegen die Donau mit dem uns bekannten Wienerwald, gegen die
Lei tha (s. o.) mit dem von der Wien-Triester Eisenbahn gekrönten
Semmering auslausen. Hohe Berge gibt es in diesem nördlichsten
Zuge genug (Zugspitze fast 3000 m, Watzmann 2710m, Dachstein
3000 m, Schneeberg bei Wien 2080 m). Ein besonderer Teil
des Salzburger Alpengebietes ist das durch seiue Salzbergwerke,
wie durch seine reizenden Seen (Atter-, Traun-, Mond-,
St. Wolfgang- und Hallstatter-See) hervorragende Salz-
kammergut.
Südwest!. Nahe dem Hinterrhein, am Maloja- und Julierpaß,
Ostalpen, der der Donau (f. o.) tributäre Inn, der zuerst in
der als Engadin bekannten Thallandschaft abwärts strömt; links
bleiben ihm die Nordrhätischen Alpen; rechts hat er die massige
Bernina-Grüppe (Piz Bernina über 4000 in). Von dieser
Gruppe entstammt die Adda, welche, aus dem Veltlin hervor-
strömend, dem großen Comer See (lago di Como) zueilt. Vom
Veltlin geht es zum Paß von Bormio (Stilfser Joch), der
höchsten Gebirgssahrstraße in Europa, und jenseits derselben
steigt das Ortlergebirge in dem Gipfel, welcher der Gruppe
den Namen verlieh, bis zu 3900 in an. Durch den Tonale-
Paß ist der Ortler getrennt von dem mächtigen Adamello
(3560 in), auf dessen Südseite wir den Jseo-See, den Jdro-See
und den von Nordländern wegen seines milden Klimas mit Vorliebe
ausgesuchten Garda-See erblickeu. Alle diese oberitalienischen
Seen zeichnen sich durch ihre Tiese aus.
Nordwest!. Der Inn, um zu ihm zurückzukehren, tritt beim Passe
Ostalpen. ÜJ)n Finstermünz in das Land Tirol; das Oberinnthal
reicht von da bis Innsbruck, das Unterinnthal von Inns-
brück bis zur bayerischen Grenze bei Kufstein. Seen sind
im westlichen Teile der nördlichen Kalkalpen nur sparsam ver-
teilt, fehlen aber auch nicht gänzlich (Plan-See, Achen-See,
Zeller See), w von Landeck berühren sich die Flußgebiete
des Inn, des Lech (s. o.) und des Rheiu; gemeinsame Wasser-
scheide ist der 1800 in hohe Arlberg, durch den man neuer-
dings einen Tunnel gebohrt hat, die kürzeste Verbindung zwischen
Ost- und Westalpen auf deren nördlicher Seite. Nächst Finster-
münz entspringt auch auf der als Neschen - Sch eideck bekannten
Hochfläche die Etsch, welche bis Bozen wesentlich s-ö, von dort
ab jedoch rein s fließt und kurz vor Verona in die italienische
Ebene hinaustritt. Von Inn und Etsch umschlossen Liegen die
Karstland und Balkanhalbinsel. 39
Ötzthaler und Stubayer Alpen, in deren Gebiet es die meisten
und großartigsten Gletscher gibt. Im 0 durchsetzt das Gebirge
eine schmale aber tiefe Senkung, welche von der Innsbruck mit
Bozen verbindenden Brenn erb ahn benützt wird; der Brennerpaß
selbst ist nur 1360 m hoch. Die Bahu folgt vou der Paßhöhe dem
Eisack bis zu seiner Vereinigung mit der Etsch; in ersteren ergießt
sich die Nie uz. Diese bestimmt in Verbindung mit der Drau
(s. o.) das längste aller Alpenthäler, das Pusterthal; im Thale
selbst begegnet man, bei Toblach, der ungemein niedrigen Wasser-
scheide, welche nach W die Rienz, nach 0 die Dran entsendet.
Zwischen dem Pusterthal und dem Thale der oberen Salzach Ostgebiet-
(Pinzgau— Pougau) liegen die eigentlichen Zentralalpen' w die
Zillerthaler Alpen, ö die Tauern, aus denen der Groß-
glockner 3800 in hoch in die Lüfte steigt. Ihnen gliedern sich
n-ö die Kleinen Tanern, ö die Norischen Alpen an; erstere
erreichen beim Hochschwab (2280 m) den Anschluß an die öfter-
reichischen Alpeu, letztere laufen mit den Wiudi fch-Bühelu zwischen
Mnr und Drau langsam in das ungarische Tiefland aus. Die norischen
Alpen umschließen einige größere Seen: den Millstatter, Ossiacher
und Wörth-See. Zwischen das Eisack- und Etschthal einerseits,
das italienische Flachland andererseits schieben sich die Südtiroler,
Vieeutiner und Veuetiauer Alpen ein, die eigentlichen Dolomit-
alpen, welche sich durch die abenteuerlichsten Berggestalten — Lang-
kosel, Tosaua, Pelmo, Cimon (Tschimou) della Pala — aus-
zeichnen. Weiter w ziehen längs dem südlichen Drau - Ufer die
Karnischen Alpen und Karawanken hin. Die südlichste aller
Alpengruppeu aber sind die Jnlischen Alpen mit ihrem stattlichen
Beherrscher, dem 2870 in hohen, dreiköpfigen Triglav (irrtümlich
auch Terglou genannt). In ihrem Schöße liegen auch zwei der
schönsten stehenden Alpengewässer: die Seen der Wochein und von
Veldes.
§ 29. Aarstland und Balkanhalbinscl.
Der Südabsturz der Julischeu Alpen, bezeichnet durch den Karst.
Birnbaumer Wald, wird durch die von der Wien-Triester Bahn
(s.o.) benützte Furche getrennt vom Karstplateau, welches in süd-
westlicher Richtung nach dem Quaruero (Bucht von Fiume) sich
erstreckt, uud auch noch einen Teil Jstriens bedeckt. Waldlose, öde
Kalksteinflächen und Berghänge wechseln mit Vertiefungen (Dolinen)
und unterirdischen Höhlen — die bekanntesten sind die von Adels-
berg und St. Kanzian — ab; die Flüsse verlaufen (f. 0.) großen-
teils unterirdisch; der Zirknitzer See ist nicht selten ganz von
Wasser entleert. Durch das Kapella- uud Welebit-Gebirge,
welche sonst völlig den Charakter des Karstes tragen, aber durch die Auf-
ficht der Forstbehörden ihre Walddecke nicht ganz verloren haben, se^t
fr»'
40 I. Einleitung.
sich der Karst in die Dinarischen Kalkalpen fort, neben denen
das mineralreiche aber noch wenig durchforschte Bosnische Erz-
gebirge herläuft. Die Narenta und der die Ausflüsse des Sees
vou Skutan sammelnde Drin stürzen sich vom Gebirge herab in
das Adriatische Meer. Weiter ö gehen die Gebirgserhebungen, durch
das serbische Bergland hindurch, in den der unteren Donau
parallel verlaufenden Balkan über, der vom Donaugeläude her auf
dem aus der Geschichte des russisch - türkischen Krieges von 1877
in schauerlicher Erinnerung stehenden Schipka-Passe überstiegen
wird. Im SW des Balkan, welcher für die ganze Halbinsel zum
Namengeber geworden ist, erhebt sich der Rilo dagh (daghu^Berg)
2900 m hoch; an ihm entspringt die in den Archipelagns mündende
Maritza, s von dem rauhen Rhodope-Gebirge begleitet. Das
ganze Gebirgsland der Balkanhalbinsel hat ein eigenartiges Aus-
sehen; Querri^gel schieben sich zwischen das Längsgebirge und zer-
teilen das Land in selbständige Gebirgskammern, in deren
Innerem vielfach Seen liegen (Presba-See, See von Janina).
Griechische Auch auf griechischsm Boden beobachtet man ähnliche Züge der
Gebirge. Landschaft' die eigentümliche Neigung der älteren und späteren Griechen,
sich nur um die engere Heimat, nicht jedoch um das große Vater-
land zu kümmern, hängt wohl mit dieser strengen, natürlichen
Abgrenzung der Einzelstaaten zusammen. Der Piudus durchzieht
Nordgriechenland längs seiner Mitte und dringt in einer aus großen
Kuppen — Parnaß, Helikon, Pentelikon — zusammengesetzten
Kette tief nach Boeotien und Attika vor. Auch im Inneren des
Peloponnes steigen die Gebirge allseitig empor, um das Läudcheu
Arkadien vou allem direkten Verkehr mit der See abzuschneiden.
Von Bergen der Balkanhalbinsel nennen wir noch den hohen Olymp
(2970 in), auf den die griechische Volksreligion den Sitz der Götter
verlegte, und den Taygetos (2400 in), an dessen Ostfuße Sparta liegt.
Griechische Namhaftere Flüsse sind der bei Salonichi mündende Wardar,
Flüsse, kie Salambria, welche vor ihrem Ausfluß das euge Thal Tempe
bildet, der Spercheios n vom Thermopylenpasse (Tod der 300
Spartaner 480 v. Chr.), der nach dem Golf von Patras strömende
Aspropotamos und auf der Halbinsel Morea der Enrotas. Der
einzige größere See Griechenlands, der Kopais, ist — teils durch
die Natur, teils durch Zuthuu des Menschen — fast ganz trocken gelegt.
Griechische Von den griechischen Inseln, den Jonischen Inseln, den
Inseln. Sporaden und Zykladen, ist die Mehrzahl gebirgig; auf Santorin
findet sich ein thätiger Vulkau. Der höchste Berg im Archipel ist
der Kretische Ida mit 2450 in.
§ 30. Poebene und apenninische Halbinsel.
Oberitalien. Von der Balkanhalbinsel treten wir w aus die apenninische
über, welche zusammen mit der w und n von den Alpen, ö vom
Poebene und Apenniinsche Halbinsel.
41
Karst und von der Adria eingefaßten weiten lombardisch - Vene -
tianischen Ebene das Land Italien ausmacht. Durchströmt wird
diese Ebene, der auch die großen oberitalienischen Seen mit
einem mehr oder minder bedeutenden Bestandteile angehören, ihrer
ganzen Längenausdehnung nach vom Po, der am Monte Biso ent-
springt uud, ehe er sich in breitästigem Delta ()\ o.) mit dem
adriatischen Meere verbindet, links die Dora Balten, den Tessin
(s. o.), die Adda (s. o.), den Oglio (Ohlio) und Mincio (Mintschio),
rechts den Tanaro und die Trebbia an sich zieht, n vom
Po mündet die Etsch (s. o.), weiterhin die Brenta, die Piave,
der Tagliamento (Tahliamento) und der Jsonzo, welch letzterer
die Ebene gegen das Karstland hin begrenzt. Die ganze Küste ist
dicht mit Lagunen (s. v.) besetzt, s vom Po nimmt die eigentliche
Halbinsel ihren Anfang, deren Rückgrat durch das Apennin gebirg e
gebildet wird.
Dieses beginnt bei der Pforte von Savona (f. o.), umzieht Apennin-
als Ligurischer Apennin den gleichnamigen Meerbusen und Hamsel,
geht dann in den Etrnskischen und Umbrischen Apennin
über. Vereinzelt erheben sich in Töscana höhere Berge (Monte
Amiata 1730 m). Bon den in diesem Gebirgsteile entspringenden
Flüssen gehen der Arno uud der (nicht die) Tiber ins Tyrrhenische
Meer; die adriatischen Küstenflüsse, unter denen sich der einst von
Cäsar mit einem bekannten Worte überschrittene Rubieo befindet,
haben ausnahmslos eine sehr geringe Lauflänge. Von Seen ver-
dienen derjenige von Bolfeno und der umfangreiche Trasimenische
(größer als der Chiem - See) Erwähuung. Der mittlere Apennin
gliedert sich in die wilden Abruzzeu (Monte Vettore 2480 m)
und das Sabiner Gebirge, dem w das Albaner Gebirge vor-
gelagert ist; dieses letzteres hat vulkanischen Ursprung und birgt
mehrere in alten Kratern gelegene Seen (Lago di Albano).
Der südöstlichste Ausläufer Italiens, die Apnlische Halb-
insel, ist fast ganz gebirgslos; der hart am adriatischen Meere
aussteigende Monte Gargano hat 1050 m Seehöhe. Dagegen
ziehen sich vom Flusse Volturuo ab die Apenninen, s-w Cam -
Panien lassend, durch die Basilieata und Calabrien, wo der
Monte Polino noch einmal 2170 m hoch wird.
Gesondert vomHanPtgebirge ist die vulkanische Gegend von Neapel. Vulkan-
Hier begegnen wir den ausgebrannten Phlegräischen Feldern, die noch öc6,ct
1538 einen neuen Vulkan, den Monte Nnovo (d. h. „nenen Berg")
entstehen sahen, hier der Vulkaninsel Jschia uud dem großen, noch
unausgesetzt thätigen Feuerberge Vesuv (gegen 1300 m), der im
Jahre 79 n. Chr. drei römische Städte mit Lava uud Asche ver-
schüttete.
Reich an Bergen sind auch die im westlichen Teile des Jtal.
Mittelmeeres gelegenen Inseln. Elba rühmt sich seiner Eisen- Unfein.
42 I. Einleitung.
gruben, auf Korsica steigt der Monte Rotondo 2620 m, der
Monte Cinto (Tfchinto) sogar 2700 in empor, die Insel Sardinien
dagegen weist auch größere ebene Flächen auf. Die vulkanischen
Liparischen Inseln, auf welchen der Stromboli-Kegel in fort-
währendem Feuerscheine erglänzt, leiten uns hinüber zu der großen
Insel Sizilien, welche den größten und höchsten unter den aktiven
Vulkanen Europas, den 3300 m hohen Ätna, beherbergt. Spuren
ehemaliger vulkanischer Thätigkeit zeigen sich auch auf den zwischen
Sizilien und Afrika eingelagerten Inseln Pantellaria, Malta
und Gozzo.
§ 3\. lvestfrankreich.
Es bleibt uns nunmehr noch der W Europas zu besprechen
übrig, und Hwar haben wir zuerst bei jenen Teilen Frankreichs
halt zu machen, deren Gewässer dem Atlantischen Ozean zuströmen.
In diesen, resp. in den westlichen Teil des Ärmelkanales und in
den Golf von Biscaya, fließen, in der Richtung von N gegen S be-
trachtet, die Somme (Somm), die Seine (Sehn) mit der Oife
(Oahs), Marne (Marli) und Aonne (Jonn), die Loire (Loahr)
und die Garouue (Garomt), deren trichterförmig sich erweiternde
Mündung den Namen Gironde (Schirönd) führt. Tie Somme
abgerechnet, kommen alle diese Flüsse von einem zusammenhängenden
Gebirgslande, das im Norden Plateau vou Laugres (Platoh von
Längr), weiter s Burgundisches uud Auverguatisches (ohvern-
jatisches) Hochland heißt und am uutereu Rhone in das Längs-
gebirge der Cevennen (Sevennen) übergeht. Die Höhe der Gipfel
ist nirgends eine sehr bedeutende; so erreicht der Puy (Püh) de
Dome 1460 in, der Mont Dore (Mdn Dor) 1880 m, der Lozöre
(Losehr) 1700 m. Die w vom Rhone in den Löwengolf mündenden
Flüßchen sind durchweg belauglos. Seeu von einiger Größe besitzt
Frankreichs W nicht; dafür aber sind die zahlreich vorhandenen
Kanäle — zumal der Kanal du (dü) Midi — hervorzuheben,
durch welche die atlantischen Gewässer mit dem Rhone- und selbst
mit dem Rheingebiete, hauptsächlich durch Saone (Sohn) und
Donbs (Duh), in Schiffahrtsverbindung gebracht worden sind.
§ 32. ^)yrenäifche Halbinsel.
Die Pyrenäen, ein mauergleich aus der südfranzösischen Ebene
aufstrebendes Kettengebirge, trennt Frankreich von der nach diesem
Gebirge benannten Halbinsel. Bequeme Durchgänge fehlen ganz; die
beiden nach Spanien führenden Eisenbahnen müssen den schmalen
Küsteufaum benützen, der im 0 und W zwischen Meer und Gebirge
frei bleibt. Obwohl die Kammhöhe (s. o.) der Pyrenäen größer als
die der Alpen ist, so bleiben doch andererseits tbie Hochgipfel der
Westfrankreich — Britische Inseln. 43
ersteren hinter denen der letzteren zurück; die Maladetta hat
3400 m Höhe. Von den Pyrenäen zieht w das Cantabrische
Gebirge, zwischen welchem und dem Golfe von Biskaya nur ganz
kleine Flüßchen Platz finden; s-w entsendet es den Minho (Minjo) ins
Atlantische, den Ebro ins Mittelländische Meer. Den Kamm der
Halbinsel bildet das Castilische Tafelland, aus dem die Sierra
(Gebirge) da Guadarrama 2400 m hoch aufsteigt, während s
davon die Sierra Morena hinzieht. Aus diesem Tafellande
fließen w ab der Duero (Duehro), portug. Douro, der Tajo
(Tago), portug. Tejo (Tescho) und der Guadiana; am Südabhauge
der Sierra Morena ' fließt in gleicher Richtung der durch seinen
Wasserreichtum zu allen Jahren ausgezeichnete Quadalquivir hin.
8 von diesem Flusse hat die Halbinsel ihre großartigste Höhen-
entwicklung in der Sierra Nevada (deutsch soviel wie Schnee-
gebirge), deren höchster Berg der in seinem Namen an die früheren
arabischen Bewohner dieser Gegend erinnernde Mulahacen (Mula-
hassehn) ist. Zwischen Douro und Tejo zieht sich die Sierra
Estrella hin. Namhafte Seen mangeln der Halbinsel; der einzige
größere ist der See von Abulfera in der Provinz Valencia, ein
Strandsee, der früher offenbar mit dem Meere zusammenhing. Die
spanischen Inseln, die Balearen nnd Pityusen, bestehen meist aus
Flach-und Hügelland; nur auf Mallorka findet sich eine Bergkette,
die bis zu 1570 in ansteigt.
§ 53- Britische Inseln.
Nachdem unsere Wanderung durch den europäischen Kontinent England
beendigt ist, werfen wir noch einen Blick auf Großbritannien.Schottland.
Die Hauptinsel ist in ihrem südlichen Teile größtenteils eben oder
doch nur saust gewellt (Downs ^ Dauns); Kreidefelsen um-
säumen die Südküste uud nehmen weiter w, in Cornwall, ge-
birgigere Formen an. Das Nordenglische Gebirge entbehrt
gleichfalls kräftigerer Formen; selbst die Berge von Cnmberland
bringen es nicht ganz zu 1000 in Höhe. Weit gebirgiger ist das
Fürstentum Wales (Wäls) mit dem Snowdon (Snodn, 1100 m).
Die englischen, aufs mannigfaltigste durch Kanäle unter sich ver-
knüpften Flüsse haben meist nur einen kurzen Lauf; der längste und
für die Schiffahrt wichtigste Fluß ist die uahe der Hauptstadt London
sich meerartig verbreiternde Themse; in die Nordsee münden sonst
noch von größeren Flüssen Trent, Tyne (Tein) und Tweed (Twid),
in die irische See Severn und Mersey (Mörsch). Ungleich ge-
birgiger als der englische 8 ist der schottische N, wo die Gram-
piaus (Grämpjens) im Ben Nevis (Nnis) eine Meereshöhe von
1340 in erreichen. Tie drei größeren schottischen Flüsse haben aus
dem eigentlichen Festlande nur einen kürzeren Lauf, bilden aber
44 I. Einleitung,
dafür förmliche Meerbusen (Firth - Föhrde - Fjord) besonders den
Firth of Förth und Firth of Clyde (Kleid). Nicht die ge-
ringste Zierde von Schottland bilden die in Menge vorhandenen
Seen; das englische Wort Lake (lack) für See erscheint hier
durch die altkeltische Bezeichnung Loch ersetzt. Die bekanntesten
Seen sind Loch Lomond und Loch Neß; letzterer ist durch Kanäle
n-ö mit dem Firth of Jnverneß, s-w mit dem Firth of Lorn
verbunden, fo daß man per Dampfschiff quer durch Schottland vom
freien Atlantischen Ozean in die Nordsee zu gelangen vermag.
Irland. Eine Kette von Felsinseln (Hebriden, Mull, Arran,
Man, Anglesea = Ängelsie) umgibt die Westseite der britischen
Hauptiusel und vermittelt den Übergang nach Irland. Die große,
schöne Insel — ihre Bewohner ueuueu sie die grüne — hat nur
unbedeutende^ Berggruppen; die Berge von Wicklow (920 in)
im 80 und die Berge von Kerry (1040 in) im SW sind die
höchsten Erhebungen. Seen sind in großer Anzahl vorhanden; der
größte derselben ist d,er Lough (— Loch) Neagh (Log Nig) in
der Landschaft Ulster. Von Flüssen dagegen hat nur der Shannon
(Schönnen) 'einige Bedeutung, der in gewuudeuem Laufe fast die
ganze Insel von N nach S durchzieht und sich dann in den lang-
gestreckten Golf v-on Limerick ergießt.
§ 55. Die vorgeschobenen Atlantischen Inseln Europas.
Durchkreuzen wir von der Nordspitze Schottlands aus in
nördlicher Richtung das Atlantische Meer, so begegnen wir den
Gruppen der Orkney- (Orknih-) Inseln oder Orkaden, der
Shetlands- (Schetländs-) Inseln und der Fär-Öer (soviel
wie Schaf-Inseln). Es sind durchweg felsige, nicht reich bewässerte,
obwohl teilweise kleine Seen in sich enthaltende Eilande. Noch
nördlicher liegt die vulkanische Insel Island (soviel wie Eisland);
ihre Gebirge steigen bis 1960 in an (Öräsajökul), während der
thätigste Vulkan, der Hekla, 1600 in hoch ist. Seen besitzt die
Insel nicht, ihre Flüsse (Thorsa, Lagar) haben keinen Raum
zu größerer Entfaltung. Dagegen ist äußerst merkwürdig die
großartige Gletscherentwicklung und das massenhafte Auf-
treten intermittierender (s. o.) Heißwasserbrunnen, von
denen der große und der kleine Geysir, sowie der Strokkr am
bekanntesten sind.
C. Königreich Bayern.
Bayern liegt mit seinem Hauptgebiete zwischen 47^2 und
5(^/2 Grad n Breite und zwischen 9 und 133/* Grad ö Länge.
Der w Teil, die Rheinpfalz, befindet sich zwischen fast 7 und
81/2 Grad ö Länge und n des 49. Breitengrades; sie ist durch
eine etwa 50—70 km breite Landstrecke und durch den Rhein von
dem weitaus größeren Ostgebiete getrennt. Letzteres wird durch die
Donauliuie in Nord- und Südbaye^n geschieden.
I. Ostliches Land.
§ 56. Grenzen.
Südbayer it.
a. Tie Douau zieht eine nördliche Grenzsurche. Sie läuft n. Nord-
dabei zuerst in einer langgestreckten Ebene, bis unterhalb der Lech- nuw-
Mündung bei Neuburg infolge von 8 und N herantretender Hügel-
rücken die Thalweitung aushört. Letztere ist zu eiuem Teile vou
dem Donauriede am rechten Flußufer gebildet. Abwärts Neuburg
fodauu entfernen sich die Bodenerhebungen wieder beiderseits von
der Donau, so daß eine zweite seichte und lange Mulde entsteht, bis
ober- uud unterhalb der Altmühlmündung bei Kelheim wiederum
der Fluß von Höhen eingeengt wird. Die dritte und größte Thal-
ebene endigt oberhalb der Jnnmünduug bei Passau auf ähnliche
Weise.
b. Die Ostgrenze verläuft anfangs läugs des Inn. Seine i>. £ft=
unterste Strecke ist von wohlbewachsenen Hochnsern eingeengt. Darauf flveme"
folgt s ein innldenartiger Thalabschnitt, durch welchen der Fluß in
zahlreichen Verästelungen und kleineren Wassergängen dahingeht.
Zwischen ihnen lagern mannigfach wechselnde Geröllbänke und
Inseln, ebeuso veränderlich, wie viele Stücke der Uferlinien. Dann
wird die Grenze von der Salzach bezeichnet. Sie wird zwischen
46 I. Einleitung.
ihrer Mündung und Salzburg größerenteils von höherem Uferland
begleitet; weiter oben beginnt die große Thalmulde von Salzburg.
In derselben und zwar abwärts von der Stadt erhält der Fluß
eine Verstärkung von S-W durch die Saalach. An deren Ufer,
soweit es im Salzburger Becken verläuft, zieht die Landesgrenze
Berchtes-aufwärts und steigt dann zum Hochgebirge empor, auf die Berchtes-
ttu gadener Alpen. Diese sind ein Teil der Salzburger Alpen und
bestehen aus massigen, schroffen Kalkfelsplateanx (Platohs, Plnralis
von Plateau) mit zackigen Rändern oder auch aufgesetzten Gipfeln,
welche den schmalen, 7^2 km langen Bartholomäus - oder
Königssee rings umschließen. An der Saalach geht es zunächst
auf den Untersberg (berühmte Marmorbrüche), der durch die
Acheu, den Abfluß des Königssee, von dem Göllgebirge (Hochgöll
2520 in) getrennt ist. Dann bildet den mannigfach zerteilten Grenz-
das fchroffe Hagengebirge (bis 2360 m).
«.Süd- c. Vor dem Felsgrate, welcher das mächtige Gewölbe der
(außerbayerischen) Übergossenen Alm*) mit dem Steinernen
Meer (2160 m) verbindet, beginnt die Südgrenze Bayerns. Sie
überragt zur rechten der mehrgipslige W atzmann. Am Osthang
seiner höchsten Spitze (2710 m) lagert in der Höhe von 2200 m
ein Gletscher. Ein solcher ist auch am Hochkalter (2600 m), zur
linken der Landesgrenze. Diese zieht n-w über das von wild-
gezacktem Rande umschlossene Hochplateau der Reuteralm, n—ö
welcher das Lattengebirge die letzte umschließende Masse der Berch-
tesgadeuer Alpen bildet. Die Grenze aber überschreitet von der
Reuteralm aus die Saalach. Sie setzt sich dann aus deu Chiemgau-
alpen fort, die aber größtenteils landeinwärts liegen. Mitten durch
sie hindurch strömt s-n die Achen in den Chiemsee. Die Grenze
aber erreicht auf dem Kranzhorn den Thalhang des Inn, der
hier schon Schiffe trägt.
Jenseits seines 480 m tief zwischen 1100 —1360 m hohen
Bergen eingesenkten Thales kommt man auf die Bergketten der
Bayn-ncheBayerischen Alpen, die bis zum Lech reichen.
Alpen. Auf ihnen verläuft die Grenze znerst w nnd zwar auf dem
südlicheren Rücken des Mangfallgebirges, das dnrch 2 südnördliche
Furchen in 3 Teile zerlegt und durch ein weiteres Thal begrenzt wird,
nämlich das der Weißach, die zum Tegernsee geht. Dann macht
die Landesgrenze eine weite, aber sanfte südliche Ausbiegung, so
daß fast das ganze Quellgebiet der Isar und ihres Nebenflusses
Loisach nach Bayern einbezogen wird. Hiebei geht es über die
höchsten und wildesten Alpenketten des deutschen Reiches. So ö der
Isar über das Karwendelgebirge, das bei der tiefen Furche der
*) Über ihren südlichen Rand ragt nur wenig die Kuppe des Hoch-
könig empor mit 2940 in Seehöhe. „Übergossene Alm" auch „Ewiger Schnee".
Grenzen — Nordbayern.. 47
Walchen beginnt, welche aus dem tirolischen Achensee in die Isar
fließt. Der starr emporgerichtete Hauptkamm dieses schroffen Kalk-
gebirges besitzt in seinen Gipfeln eine durchschnittliche Höhe von
2400 ili (seine höchste Erhebung fast 2550 m). Jenseit des freundlichen
Jsarthales bei Mittenwald folgt dann das noch höhere und zum teil
nahezu ebenso schroff und großartig emporstarrende Wetterstein-
gebirge^). Im 0 hat es als höchsten Gipfel die Wetterstein-
spitze; sein w Ende bildet die Masse des höchsten Berges von
Bayern, die Zugspitze, fast 3000 m hoch. Von ihrem obersten
Rande geht es jäh herab an dem abflußlosen Eibsee vorüber zur
schmalen Flußfurche der Loisach.
w von der Loisach verläuft dann die Grenze über verschiedene
Erhebungen und kleine Thäler des Ampergebirges zum westlichen
Lechknie bei Füssen. Das Lechthal ist an dieser Stelle eingeengt,
noch 790 m hoch gelegen. Zur linken beginnen die Algäuer Alpen, Algäuer
deren Berge weniger schroffe Formen haben, als die Grenzrücken sut,m"
der Bayerischen Alpen. Mitten zwischen Lech und Jller macht die
Landesgrenze wiederum eine starke Ausbiegung, so daß die Jller
bis zum Beginne ihrer Quellbäche -zu Bayern gehört. Dadurch
kommen wir nicht nur über den Hochvogel (2590 m), sondern auch
über die Mädele-Gabel (2650 m), von welcher der ö Quellbach
der Jller enteilt. Dann geht es nach N und nach W zu der
Bucht des 540 qkm großen Bodeusee. In dem großen und
wichtigen Bodenseebecken, an welchem 4 Staaten Anteil haben,
kommt man bis zu 390 m hernieder.
d. Die Westgrenze Südbayerns ist vom See aus zuerst a. West-
mehr ö gezogeu, bewegt sich über die Vorberge der Algäuer Alpen
auch noch eine Strecke n und erreicht dann erst die Jller. Längs
dieser, welche für ihre Hochwasserzeiteu mannigfache Verzweigungen
und daher eiue breite Thalsohle sich geschaffen, geht es zur Donau,
an welcher Südbayern endet.
N o r d b a y e r n.
a. Auf der n Donauseite gegenüber der Jllermündnng beugt Zwilchen
die Landesgrenze zunächst dem herantretenden Schwäbischen Jura
ostwärts aus uud überschreitet dieses Plateaugebirge erst nahe seinem Unter-
Ostabhang, wo es den Namen Haerdtseld trägt. Hieraus wird man °m'
n durch die weite und tiese Einsenkung des Rieses geführt, dabei
*) Es besteht allerdings aus drei in gleicher Richtung verlaufenden
Rücken, deren längster und höchster der südlichste ist; ihn trennt die Part nach,
aus dem Zugspitzgletscher entstanden, von dem mittleren Zuge; diesen aber
das Höllenthal von dem nördlichsten und kürzesten Kamme, dem Waxenstein.
In der Felsmasse der Zugspitze laufen alle 3 zusammen.
48 I. Einleitung.
a- West- Über die Eger, Nebenfluß der Wörnitz. Diesseits der Wasserscheide
öUn,c' der Wörnitz geht es n weiter, und man ersteigt s-s-w ihrer Quelle
den höchsten Teil der Frankenhöhe. Diese, 470—550 m hoch,
fällt mit Steilrand nach der Westgrenze ab, fetzt sich aber nach
NNO fort. Die Wörnitz entspringt unter der Höhe von Schillings-
fürst; s-w davon, aber noch außerhalb Bayerns, die Tauber. Erst
auf dereu linker, dann aus ihrer rechten Seite zieht unsere Landes-
grenze fort, bis sie uuweit ihrer Mündung den Main erreicht.
Bevor dann dieser seine letzte Nordrichtung nimmt, greift die Grenze
nach dem südlicheren Teile des etwa 400 m hohen Odenwald aus
und gelangt über dessen Osthang zum untersten Mainlaufe, etwas
oberhalb der Kinzigmündung.
i». Nord- i). Die Nordgrenze Bayerns zieht sich sodann erst über den
nrin,f' Spessart, hierauf n-ö auf das Rhöngebirge und zwar mitten
über dessen stumpfen Gipfel Dammersfeld, während der Kreuz-
berg (930 m) innerhalb liegt. Das Gebirge, eine im ganzen
n-s massige Erhebung, besteht größerenteils aus stumpfen Bergeu,
die ungeordnet sich an einander lagern, ohne durch ein Thal durch-
greifender abgeteilt zu werden. Von da wendet sich die Grenze
8-ö zu den nur 400—450 m hohen Erhebungen im Grabfelde,
die man auch Henneberger Höhen neuut. Deren wasserscheidende
Hauptkuppen, die beiden Gleichen (680 m), bleiben jenseits. Dann
geht es über die n-ö Außenzüge der Haßberge und dnrch das
Gebiet der Jtz, deren Gewässer teils von den Henneberger Höhen,
teils vom Thüringer Walde kommen; sie selbst entspringt an dem
(866 m hohen) Bleßberg, n von Coburg. Dem Maine vor seiner
ersten Biegung nach 8 ganz nahe, steigt dann die Grenze wieder
van, bezieht dadurch fast alle Gewässer der Rod ach ein und gewiuut
den Rücken des Thüringer Waldes (hier 680 vi hoch) w der seichten
Eiuseukung, welche zur Thüringer Saale hinüberführt. Auf der
Höhe des Frankenwaldes, dessen Plateau an der seichten Thalsnrche
der oberen Rodach beginnt, geht es dann ä bis zum ersten westlichen
Knie der Saale. Da bald darauf die Grenze sich auf der Wasser-
scheide zwischen der Saale und ihrem östlichen Nebenflusse Elster
bis ö des Fichtelgebirgs hält, ist das ganze oberste Gebiet der
Saale, welche am Waldstein (895 m) im Nordrücken des Fichtel-
gebirges entspringt, Bayern angeschlossen/
e. Lft- c. Die Ostgrenze zieht sich quer über die östlichsten und nied-
°nmc' rigeren Teile des Fichtelgebirges und kreuzt daher auch die Eger,
welche vom N-'A-Abhang des Schneebergrückens kommt. Dann
bewegt man sich über deren Nebenfluß Wondreb am N-Fnße des
Böhmerwaldes, in einer Thalfläche von mir 470 m Höhe.
Böhmer- Der Böhmerwald bezeichnet nun die Grenze bis in die Nähe
Nord, der Donau. Er wird durch eine tiefere Einfenkung in zwei fast
Grenzen. — Gewässer und Bodengestalt Südbayerns 49
gleich lange Teile geschieden. Der nördliche zeigt freilich seine
bedeutenderen Höhen erst jenseits der Landesgrenze in Böhmen.
Er erscheint plateauartig, da er, ohne eine tiefere Spalte zu haben,
aus langgezogenen, sanft ansteigenden Rücken zusammengesetzt ist,
ans welchen sich einzelne stumpfe Kuppen erheben. Die südlichste, der
Tscherkow (1040 m), bildet den Endpfeiler der nördlicheren Ge-
birgshälfte, über welche mehrere Straßen*) durch einige Vertiefungen
seit alter Zeit veranlaßt wurden. Der Hauptübergang aber ist iu
der erwähnten Einsenkuug, wo man von Furth (395 m) über eine
Jochhöhe von 460 m nach Taus (425 m) gelaugt.
Die südliche Gebirgshälfte beginnt mit dem Hohen Bogen Böhmer-
(1040 m) bei Furth. Sie besteht im ganzen aus einem fortdauernden Süd."
Zuge regellos an einander gedrängter, breiter und stumpfer Kegel
oder kleiner, doch hoher Plateaux. Keine Querfurche zerlegt das reich
bewaldete Ganze in Abschnitte, während so manche Gegend durch
kleine Hochmoore noch ungangbarer wird. Nur in der Längsrichtung
des Gebirgs gibt es Thäler und zwar uoch innerhalb der Gesamt-
masse. Ein solches bildet die Moldau (ohngefähr ö des Rachel
(1450 m) entspringend), diesseits aber der Regen. In dem von
ihnen eingegränzten Gebiete machen sich als besondere Berge noch
bemerklich der Osser (1300 m) zwischen einem Quellbach des Regen
und der böhmischen Angel, der Arber mit seinem Doppelgipfel
1460 m hoch, w des seichter eingeschnittenen Überganges, welchem der
Schwarze Regen nach dem Markte Eisenstein hin vorgearbeitet hat;
s-ö der Dreifesselberg und ihm ganz nahe, aber mehr auf
österr. Boden der Plöckeustein (1380 m). Auf dem von den
kleinen Donauzuflüfsen mit engen Thälchen durchzogenen Plateauland,
welches dem s-ö Teil des Bayerischen Waldes angehört, zieht die
Grenze zur Donau.
§ 37/ Gewässer und Bodengestalt.
Südbayer n.
Während von der Donau das Land w-ö in Nord- und Isar von
Südbayern unterschieden wird, halbiert wiederum das letztere die Isar, SS?l
der Fluß Münchens, welches 25 km unterhalb der Loifachmüuduug
an der Isar entstand. Diese läßt hier das linke User in einigen
sanften stufen zurücktreten, so daß die Hauptstadt namentlich von
S, W und N wohl zugänglich ist, während sich der Fluß leicht in
Arme teilen konnte und dadurch den Übergang wesentlich erleichterte.
Er hat bis hieher etwa die Hälfte seiner Gesamtlänge durchlaufen.
*) So von der Waldnaab bei Tirschenreut ö nach Plan, von Waidhaus
nach Pfrauenberg und Mies.
4
50 I. Einleitung.
Die Quellen sind jenfeit unserer Landesgrenze, ö vom österreich.
Dorfe Scharnitz im Karwendelgebirge. Nach einer kleinen Thalweite
bei Mittenwald und n davon läuft der Fluß, von beiden Seiten
eingeengt, ostwärts, um den Jsarwinkel zu bilden. Aus dieser
Strecke nimmt er rechts die vielgenannte Riß auf, stürzt alsdann
rasch hintereinander über Klippen vorwärts beim Dorfe Fall, worauf
der Abfluß des nur 5—6 km vom Inn gelegenen Achenfee in
Tirol, die Walchen, einmündet. Dann durchbricht die Isar auf
breiter Thalsohle die nördlichsten Alpenrücken bis Tölz, zur rechten be-
gleitet von den Tegernseer Bergen, zur linken von denen des Isar-
Alpen des Winkels, durch welche die Jachen, Abfluß des stattlichen Walchensee,
Winkels, herankommt. Nördlich von dieser liegen mehrere Bergrücken vor
einander. Der südlichste endet westlich am Anstieg des mit recht so
berühmten Aussichtspunktes Herzogsstand (1760 m) zwischen
Walchen- und, Kochelsee; der nächste erhebt sich in dem stattlichen
Rücken der Beuedikteuwaud über 1800 m; im nördlichsten Zuge
euden die Alpen, wobei der Zwieselbera die bedeutendste Höhe
erlangt (1350 m).
Loisach- Etwa so weit, als von dem Jsarwinkel nach dem Fuß der
gebiet, ^lpen bei Tölz, ist es von hier bis zur Mündung der Loisach,
des zweitgrößten Nebenflusses der Isar. Dieser hält fast dieselben
Richtungen ein wie die Isar, entsteht auch unter gleicher geographischer
Breite und gleichfalls in Tirol, w des Dorfes Lermoos. Dann
nimmt sie n des Wettersteingebirges bei Garmisch die Partnach
auf, die unter dem Zugspitzferner beginnt und durch die Partnach-
klamm ins Flußthal herauskommt. Die eigentliche Jfarquelle ist
oberhalb des sogenannten Hinterauthales, s der Birkkarspitze
(2755 m), der höchsten Erhebung des südlicheren Rückens des
Karwendelgebirgs. Bald darauf, dort wo am NOFuß? der
Ammergauer Alpen das Gebiet der bayerischen Hochebene beginnt,
fließt die Loisach ö und durch den fast 4 km langen und fast
2^2 km breiten Kochelsee, welcher den Fuß des Herzogsstaudes
und des Heimgartens (fast 1790 m) benetzt. Von dem See aus
eilt die Loisach vielgewunden und tief eingeschnitten n zur Isar und
gibt dieser eine geänderte Richtung. Noch über den Unterlauf der
erftereu hinaus erstreckt sich die hügelige und von kleineren Möfern
durchsetzte Landschaft, die dann in eine völlige Ebene übergeht.
Denn n von München beginnen jene Flächen, welche zur rechten der
Isar als Erdinger Moos und links als Dachauer so reiche
Torflager enthalten. Jenes (21000 ha) dehnt sich bis zu dem
deutlichen 0^0-Laus der Isar abwärts der Ampermündung.
Amper- Die Amper hat vorher den sammelnden Abfluß des Dachauer
gebiet, aufgenommen, nämlich die Würm. Sie entwässert den
20 km langen und fast 5 km breiten Würmsee. Von sanften Höhen
umgeben, zieht fowohl dieses große Wasserbecken selbst, als feine mit
Gewässer und Bodengestalt Südbayerns. 51
Dörfern und Landhäusern reichbesetzte Uferlandschaft jährlich mehrere
hunderttausend Besucher an. Jenseits schwacher Erhebungen im W
liegt der Ammersee, welchen die Ammer als ein bereits entwickelter
Alpenfluß füllt. Sie kommt nämlich schon von der Grenze Tirols
und durchläuft gauz ähnliche Richtungen wie Isar und Loisach.'
Die Bergrücken zn ihren beiden Seiten, die Ammergauer Ammer-
Alpeu, ziehen auch o-w, aber in weit weniger schroffen Formen als Mn.
das Grenzgebirge. In ihnen steigt die Masse des Tranchberg (bis
2080 m) und s-w von ihm der Aussichtsberg Säuling nahe
dem Lech (2040 m) empor. Links des Ostlaufes der Ammer aber
erhebt sich bereits in der Hochebene der vereinzelte Hohe Peißenberg,
mit Kirche und Gasthans auf seinem Gipfel (990 m); n-ö von
ihm erreicht der Fluß den Ammer-See (16 km lang und 5 km
breit). Ihn verläßt die Ammer als Amper und zieht nach N-O;
von Dachau an (n-w-n von Müuchen) begleiten sie zu ihrer Linken
höhere Ränder bis zur Mündung in die Isar bei Moosburg.
Letztere hat in einförmigem Lause von München an die Untere
Niederung der 2 Möser durchschnitten und wird dann durch die 3far'
Amper mehr ö gedrängt. In dieser Strecke treten an die Isar
beiderseits die Erhebungen der Hochebene, welche n bis zur Donau
ober Regeusburg reichen, isarabwärts aber etwa 30 km vor der
Mündung zu der niederbayerischen Donautiefebene sich verlieren.
Die letztere endet oberhalb der Vilsmündung bei Vilshofen. Ein-
geengt durch die Erhebungen des Bayerischen und sogen. Nenbnrger
Waldes, kommt die Donau zur Landesgrenze, wo der Inn mündet.
Der Inn bildet einen Teil dieser ö Grenze, mit seinem uutersten Inn.
Lause von der Salzachmündung an. Hieher aber ist er mittels eines
großen Bogens von seinem 3 Eintritt in Bayern an gelangt, erst
n, dann ö gerichtet.
Dabei hatte der tief und breit eingeschnittene Fluß zunächst Ehiem-i
zur rechten die Chiemgaualpen, n von diesen die breite Hochfläche, mta m*
welche ö bis zum Salzachthale lagert, s-n durchschnitten von der Alz,
dem Abfluß des Chiemsee. Dieser, 12 km breit und 11 km von
8 nach N, erhält sein meistes Wasser durch die von 8 hereinkommende
Achen, während die Traun ö am See vorüber zur Alz fließt.
Die Achen zieht mittels Qnerthal dnrch die Chiemgaualpen, welche über
der ihnen vorgelagerten Hochfläche mit der aussichtsreichen Kampen-
wand (1680 m) links des Flusses, rechts im Hochfellen (1675 m)
enden, im 0 aber an der Saalach mit dem Hohen - Staufen. Wie
sodann n von letzterem in der Hochebene der Waginger See lagert,
so im W der Simsee. Sein Abfluß geht zum Inn gegenüber der
Mündung der Mang fall.
Deren Wasser kommt hauptsächlich durch die 3 Flußläufe zusammen, Mangfall-
durch welche n die Mangfallalpen, das meist besuchte Gebiet des m'
bayerischen Oberlandes, in 3 Abteilungen zerlegt werden. Die
4*
52 I. Einleitung.
östlichste hat an der Leitzach ihrV/-Ende; aus ihren Stöcken ragt in
stattlichen Felsgipfeln der Wendelstein*) (1850 m) empor. Die
zweite Furche wird durch den Schliersee mit Schlierach am
deutlichsten bezeichnet, im L durch den Abfluß des kleinen Spitzingsee
sehr enge zum Inn fortgesetzt. Es folgen w etwas schroffere Berge,
welche den Raum bis zum Weißachthale (Bad Kreuth) und
Tegernsee erfüllen. Aus letzterem nun kommt die Mangfall,
durchschneidet hierauf das tafelartige Vorland zwischen Inn und
Isar und biegt sich scharf um, das Aibliug-Roseuheimer Moos
im N begrenzend.
«ntcmn Zur linken der Mangfall und dann des Inn, der größtenteils
Inn und in breiter Thalsohle dahin strömt, dehnt sich weithin die Hochebene
3,nr- nordwärts aus, vielfach freilich von schwachen Furchen abgeteilt,
besonders durch die zum Inn gehenden Gewässer. Unter diesen ist
die Rott mit ihrem breiten Thale das bedeutendste. Wie sie ver-
läuft der Donaunebenfluß Vils nach 0, nur durch einen schmalen
welligen Streif der Hochebene von der Isar getrennt.
Zwischen Links oder n der letzteren sodann ist die Hochebene bis zur
IsaV unv Donau hin noch deutlicher durch die Thäler kleiner Flüsse in wellige
Abschnitte zerlegt. Dies geschieht durch die Kleine und Große Laaber
(mündet zwischen .Regensburg und Deggendorf), durch die Abens
(mündet bei Neustadt), die Ilm (etwas oberhalb) und durch die Paar.
Diese entspringt ungefähr halbwegs zwischen Ammersee und Lech
und mündet unterhalb des (Neuburger) Donaumooses bei Ingolstadt.
Bei der Hülste ihres Laufes ist ihrem rechteu Thalrand eine sanfte
Kuppe aufgesetzt; aus dieser stand das Stammschloß des bayerischen
Herrscherhauses, Wittelsbach. Nach W erblickt man von da aus
die stattliche Senke des Lechthales.
Lech. Der Lech besitzt vom 48. Breitengrad an oder vom Eintritt
Wertach. er^e größere Thalweituug, das sogenannte Lechfeld, eine
noch breitere Thalsohle als die anderen großen Donaunebenflüsse.
Dies ist die Folge der bisherigen**) Unbeständigkeit seiner Haupt-
und Nebenarme, seiner Altwasser und neugegrabenen Wasserzüge.
Dagegen ist weiter auswärts das Bett dieses raschen,***) gleichwohl
floßbaren Flusses fast überall von festen höheren Ufern eingefaßt.
Das Gleiche gilt von seinem größten Seitenflusse, der Wertach.
*) Der Wendelstein ist durch seine malerische Gestalt ebenso als durch
die Fernsicht ausgezeichnet, welche sein Gipfel gewährt. Schon i. I. 1718 wurde
auf diesem eine Kapelle errichtet; i. I. 1882 erbaute man unmittelbar unter
dem Gipfel auf einem mäßigen Sattel der breiteren Bergmasse ein geräumiges
Gasthaus, welches auch im Winter den Bestich des Berges gestattet.
**) Infolge von Wasserbauarbeiten des Staates muß allerdings größten-
teils jetzt der Lech in einem bestimmten Bette für gewöhnlich dahinfließen.
***) Der Fluß hat selbst noch zwischen der Schwäbischen und Bayerischen
Hochebene ein durchschnittliches Gefälle von 2,27 in auf 190 m.
Gewässer und Bodengestalt Südbayerns. —. Nordbayern. 53
Sie hat ihre Quelle noch in Bayern bei jener ostwestlichen Qnersnrche
der Algäner Alpen, welche von der oberen Jller zur Tiroler Strecke
des Lech führt. Dieser entspringt s-w des mittleren Quellbaches
der Jller in den Voralberger Alpen, 1866 m hoch. Beide Flüsse
sind n der Grenze von den sanfter geformten und mit Gras oder
Wald bewachsenen Vorbergen der Algäuer Alpen, meist 800—950 m
hoch, begleitet. Dies setzt sich w auch in das Gebiet der Jller fort,
w des Lechknies bei Füssen erhebt sich am Thalrand der Jller
als letzter hoher Gipfel mit berühmter Rundsicht der Grünten
(1740 m). n erstreckt sich dann das Alpenvorland ungefähr bis zum
48. Grade.
Die sich daran schließende sogenannte Schwäbische Hochebene „Schwöb,
ist ziemlich einförmig in schmale lange Streifen zerlegt durch die ebene."
kleinen Flüsse Schmutter, Zusam, Miudel, Günz, Roth und
ihre Nebengewässer. Die beiden ersten kommen in die Donau ö des
großen Donauriedes, die andern haben ein kleineres Ried gegen-
über an der Nordseite des Hauptflusses.
Nach dem allen neigt sich die Bodengestalt Südbayerns von 3 nach Zusam-
NON sozusagen zonenweise. 1. Die Grenza-lpenzüge bilden im ganzen auch den
mächtigen obersten Rand. 2. Dann folgt das alpine Hochland bis ungefähr
zum Breitengrad von Salzburg, aber im W beträchtlich überschritten (900
bis 1000 m). 3. Nur hier und an der Mangfall schließt sich Alpenvorland
an, 7—850 m hoch. Der mehr n-ö gerichteten Gesamtneigung gemäß zeigt
sich hierauf nur westlich des Inn eine weitere Übergangsstufe, deren Grenzlinie
etwa mit derjenigen durch das Nordende des Ammersee zusammenfällt (6 bis
700 m). 4. Den größten Raum erfüllt dann das Gebiet, welches durch die
zahlreichen Flußläufe und durch die eingesenkten Flächen der Möser (Riede),
sowie durch sanfte einzelne Rücken mannigfach gegliedert, nur im großen und
allgemeinen als Hochebene erscheinen kann.
Von diesen Zonen sind nnr die oberen mit Seen geschmückt. Die Seen,
landschaftlich und in Farbe schönsten ruhen im eigentlichen Gebirge; je 3 im
Gebiet des Inn und der Isar; 4 über dem Lechthal bei Füssen, im 0 der Bann-
wald- und der Alpsee, w der Hopfen- und Weißensee; zur Jller gehört
der Alpsee, ^ des Grünten. Die 3 großen Seen und einige kleinere gehören
den zwei nächsten Stufen an. Die letzte Zone entbehrt solcher Wasser ganz.
An ihrer Stelle treten aber Möser und Riede auf, sogar über die obere
Donau hinüber, während allerdings das Land neben der unteren bayerischen
Donau fast allenthalben von reicher Fruchterde, dem Löß, bedeckt ist, der
allerdings in einzelnen Jahrgängen von Trockenheit leicht erfaßt wird.
Nordbayer n.
a. Donaugebiet.
Jenseits der Donau im 0 wird die Gesamtmasse des Wald-Bayerischer
gebirges durch eine begrenzende Tiefenlinie in 2 Hauptteile größerenteils
getrennt, und zwar in den Bayerischen und Böhmerwald. Dies
geschieht durch das schmale und gewundene Thal des Regen. Dadurch
bekommt der Bayer. Wald die Richtung nach WNW und dann
nach W. Seiner Gestalt nach ist er hauptsächlich durch seine
54 I. Einleitung.
geringere Höhe und durch seine freundlichen kleinen Thalsurchen
vom n Teil des Waldgebirges verschieden. Solche Thälchen werden
im 80 besonders von den Gewässern der Jlz gebildet. Ihr
Hauptquellbach, die Große Ohe, kommt vom Rachel. Dessen
undBergmasse entsendet vom nördlichen Abhang den Kleinen Regen,
Pfälzer der beim Städtchen Zwiesel zum Großen Regen kommt. Das
Wald, vx^inigte und floßbare Wasser zieht als Schwarzer Regen w-n-w
weiter, bis nach der Mündung des Weißen Regen, s-v vom Hohen
Bogen, der einfache Name des Flusses eintritt. Der Bayerische
Wald nun ist ein undurchbrochenes langes Plateau, mit sanften
Erhebungen besetzt, deren höchste in der Mitte des Gebirgsrückens der
Dreitannriegel (1215 m) ist. Wie eine alte, breschenreiche Mauer
oder wie eine Reihe von Riffen in gerader Linie ragt auf der Neigung
Pfahl, des B. W. zum Regen der sog. Pfahl mäßig empor, eine Quarzfels-
masse, welche der Verwitterung mehr widerstanden hat, als ihre
begleitende Umgebung. Sie behält ihre eingeschlagene Richtung bei,
kreuzt daher auch das Regenthal und kommt unter längeren Unter-
brechuugeu ihres Kammes bis zur Naab. Diese wird in ihrer
oberen Laufhälfte ostwärts in wechselnden Entfernung von den
wenig fruchtbaren uud an Wäldern nicht mehr reichen Höhenrücken
begleitet, welche als Oberpfälzer Wald dem eigentlichen Grenz-
gebirge vorlagern.
FMel- Sein N-Ende ist am Fuße des Fichtelgebirges. Dessen
0C rßC' Erhebungen verlaufen zunächst als zwei Rücken hintereinander nach
WSW', auf dem nördlicheren erreicht die Köfseine 944 in. Dann
wendet es sich mit mehr getrennten massigen Bergen nach NW; in
der westlicheren Abteilung liegt der Ochsenkopf (1025 na), in der
östlicheren der Schneeberg (1050 m). Beide trennt der oberste
Lauf des Weißen Main. Im N erweist sich der Waldstein als
stärkste Erhebung jenes Rückens, der o-n-ö zur Grenze zieht. Das
Innere, welches von der Gesamtheit dieser Randberge umsaßt wird,
(niedrigere Kuppeu und Rücken begrenzen auch im 0), durchziehen
von W nach 0 die Eger und ihre Nebenbäche. Da die Abhänge
seiner manchfach wechselnden Bergformen sanft niedergehen, ist das
Fichtelgebirge größtenteils gut bewaldet.
Franken- Beides findet man wenig auf dem großen, breiten und sehr
mn' unebenen Gesamtplateau, welches im W und SSW des Fichtelgebirges
als Frankenjura bis zum ersten n Mainknie und bis zur Donau
ober Regeusburg, ja bis zur Wörnitz sich ausdehnt. Dieser Jura
ist in seiner NW-Hälfte durch die Neben- und Zuflüsse des Maiu
manchfach mit gewundenen Furchen versehen. Von ihren Thal-
stufen geht es umso steiler empor, weil der Jura seine höheren
Erhebungen im W hat. Die SW-Hälfte besitzt weniger Thäler mit
Wasserläufen. Letztere aber gehören größtenteils zum Donaugebiet,
zunächst zur Naab.
Gewässer und Bodengestalt Nordbayerns. 55
Diese nimmt nach Vereinigung der vom Fichtelberg kommen-
den Fichtelnaab mit der Waldnaab weiter abwärts noch die Raab-
Heidenaab auf, welche am LA-Rand des Fichtelgebirges ent- ßCblf'
springt und an dem einstmaligen Vulkan Rauher Culm vorüber-
fließt. Bereits der Müudung nahe erhält die Raab noch ihren
größten Nebenfluß Vils, dip aus einer Einsenkung im ö Jura
kommt, s des R. Culm. Wellige, mit kleineren Rücken bedeckte Plateau-
erhebungen begleiten diese Gewässer meist zu beiden Seiteu. Nur
oberhalb der Heidenaabmündnng findet sich der flache, weite Thal-
abschnitt von Weiden und nach 2 Dritteilen des Laufes die
Schwaudorfer Senkung, in welcher seit alten Zeiten die Wege
von Böhmen nach dem unteren Main und vom N des Fichtel-
gebirges her nach Regensburg sich kreuzen. In der Nähe letzteren
Platzes erhält die Donau ober der Naabmündnng von NW die
Schwarze Laaber, deren Thal in die Richtung nach der Pegnitz-
Mündung, nach Nürnberg und Fürth, verweist.
Ebenso vou WNW kommt auch der Unterlauf der Altmühl, Altmühl,
deren Thal zu eng und zu gewunden den Jura durchbricht, als daß
hier das Ende des Frankenjura gegeben wäre. Letzterer hat seinen
letzten selbständigen Teil rechts oder w der Altmühl an dem Hahnen-
kämm. Dieser vermehrt durch lebhafte Höhenformen, fruchtbaren
Boden und schöne Wälder die anmutigen Landschaften des Jura
wesentlich. (Andere sind links der Pegnitz, z. B. um Sulzbach und
Amberg, in fast allen westlichen Strichen, an der Laaber zc.). Anch
hier ist die höhere Erhebung der Donau abgewendet. Die Altmühl
durchbricht daher eine höhere Erhebung, als sie in ihrem Mittel-
und Oberlaufe zur Seite hatte. Sie entspringt, wie die Wörnitz
und Tauber, sowie die n-ö abgehende Aisch aus der Frauken-
höhe, nahe der Quelle der Rezat, welche gleichfalls durch das
einförmige, sanft nach 0 abgedachte Vorland der Frankenhöhe, das
Fränkische Stufenland nach 80 zieht.
Mit dem Hahnenkamm endet der Frankenjnra deshalb sehr Ries,
deutlich, weil er nach dem breiten, nordsüdlich gedehnten Tiefland
des Ries abfällt. Aus diesem kommt noch die Wörnitz zur Donau,
nachdem sie s-ö des vom Jura losgelösten Hesselberges beim
Städtchen Öttingen hereingelangte. Sie war bei ihrer Quelle auf
der Frankenhöhe der Altmühl auf 18 km nahe.
aingebie't.
Die Frankenhöhe findet jenseits der Aisch, die ganz nahe der Franken-
Altmühl entspringt, ihre Forsetzung in gleicher Richtung und ebenso Stöger-
abgedacht (Steilhänge nach W) in dem Steiger Wald. Er endet am wald,
zweiten n Mainknie zwischen Bamberg und Schweinsnrt. Der wellige
Gesamtrücken, in der Richtung seiner sanften Abdachung nach 0 viel
56 I. Einleitung.
von Thälchen durchzogen, ist durchschnittlich 400—450 m hoch. Die
.höheren Gipfel steigen zu 470—475 m an, wie der Fraukenberg
oder der Hohen-Landsberg im 8, an dessen Fuß sich eine Wasser-
scheide zwischen Tauber- und Regnitzgebiet findet.
Rezat. Die Regnitz nimmt fast alle Wasser des wohl angebauten
Fränkischen Stufenlandes, d. i. der ö Abdachung des Steigerwalds
und der Frankenhöhe, auf und entsteht aus solchen. Sie hatte vorher
den Namen Rednitz, diesen aber erst nach der Aufnahme der
Schwäbischen durch die Fränkische Rezat. Letztere kommt von
dem Wasserscheiderücken zur rechten der oberen Aisch. Ein schwacher
Plateauzug trennt sie von der Altmühl. Aber die kleinere Schwäbische
Rezat, die von 8 her fließt, ist nur durch eiue 7 m hohe Wasserscheide
(S. 20) von der Altmühl getrennt. Daraus läßt sich leicht erklären,
daß Karl der Große beide Flüsse durch eiueu Kanal zu verbinden
suchte, dessen.stattliche Dämme noch teilweise vorhanden sind. Die
beiden Rezatflüfse vereinigen sich abwärts des berühmten Hopfenplatzes
Spalt bei Georgensgmünd.
Redmiz. Da zur rechten der s - n laufenden Rednitz der Jura immer
mehr ostwärts-.zurücktritt, so erweitert sich der weite Thalboden zu
einem tieferen Flachland, in welchem aus dem Frankeujura die
Pegnitz. Pegnitz von 0 herankommt. Sie entspringt am Ostrande des Jura,
s-w des Fichtelgebirges, und fließt in einem malerischen Thale manch-
fach gewunden nach 8, wendet sich aber in der lehm- uud thonreichen
Landschaft von Hersbruck fcharf nach W. Wo sie durch eine Ver-
zweigung eine Insel bildete und ihrem Ufer nahe eine Felskuppe sich
aus der sandigen Waldfläche erhob, entstand Nürnberg zu beiden
Seiten der Pegnitz. Von ihrer Mündung am NW-(Snde der Stadt
Fürth an heißt der Gesamtfluß Regnitz.
Regnitz. Diese nimmt von der rechten aus dem Jura noch die Wiesent
auf. Deren scharf gewendeten Laufstrecken und Seitenbächen und den
malerisch verwittert emporragenden Felsen der Höhen, dazu den be-
rühmten Höhlen bei Müggendorf verdankt man die „Fränkische
Schweiz." Nördlich von der Wiesentmündung bei Forchheim kommt
endlich noch von SW her noch die Aisch zur Regnitz. Überdies begleitet
sie von Nürnberg an in nächster Nähe der Donaumainkanal bis
Bamberg. Abwärts dieser Stadt, welche wiederum an einer Verzweigung
des Flusses und infolge einer Höhenkuppe uahe seinem Ufer entstanden
ist, geht dann die wasserreichere Regnitz in den Main.
Oberes Der Main hat feinen einfachen Namen erst von dem Zusammen-
gebwt* stusse des Weißen und Roten Main abwärts Kulmbach. Der Rote
Main kommt vom Ostfuße des Jura bei Lindenhardt, der Weiße von
dem moorigen Sattel zwischen Ochsenkopf und Schneeberg. Er er-
hält mehrere Seitenbäche von dem Thonschiefergebirge des Franken-
Waldes, welches Plateau an das Fichtelgebirg n-w sich anlegt. Sein
Gewässer und Bodengestalt Nordbayerns. 57
Rücken erhebt sich zu 600 — 720 m, und bedeutend höher mit
der Kuppe des Döbra, n-o-n der Vereinigung des Roten und
Weißen Main. Von dessen Abhängen kommt auch die Rodach zum
Maine, nachdem sie eine Anzahl Gewässer von dem gleichen Gebirge
gesammelt hat. Der Hauptfluß aber vermag seinen w Lauf nicht
lange mehr beizubehalten, da ihm das Plateauland entgegensteht,
welches dann gegenüber dem Steigerwald zum Mainthal unter dem
Namen der Haßberge niedergeht. Daher wendet sich der Main vor
letzteren nach 8 und wird in dieser Richtung von der Jtz (S. 20)
und Baunach verstärkt.
Doch die Wassermenge der Regnitz vermag seinen Lauf in dem Unteres
niedrigen Becken von Bamberg wieder nach NW zu führen, so daß
er zwischen den beiden Plateaux den Weg in seine zweite, ungleich
größere Thalweitung findet, in den Schweinfurter Gau und dessen
südliche Fortsetzung links des Main. An den Hängen dieser Niede-
rung beginnt der Weinbau; man befindet sich nur 230—270 m über
dem Meeresspiegel. Auf der rechten Mainseite dagegen lagern die
welligen Höhen der Fränkischen Platte, welche besonders auch den
Winkel erfüllen, mittels dessen der- Main zwischen seinen Ufer-
städten Kitzingen, Ochsenfurt und Würzburg am meisten nach S
ausgreift.
An dem nächsten n Knie erhält der Main noch einen einiger- Rhön,
maßen schiffbaren Nebenfluß, die Saale, welche von den Henne-
berger Höhen kommt und die Haßberge und die Fränkische Platte
im N begrenzt, letztere gegenüber den Vorhöhen der Rhön. Von
deren höchstem Gipfel, dem Kreuzberg (930 m), kommt die
Sinn, welche sich am Rande des Main noch mit der Saale
vereinigt.
Durch sie und die breite Masse des Spessart wird der Main Spessart,
nochmals nach 8 abgedrängt, wo er bei Wertheim die Tauber erhält,
um in weiter Umfassung den Spessart einzuschließen. Dieses Plateau-
berglaud ist in den höheren mittleren Lagen nur 430—500 in hoch;
seinen höchsten Punkt bezeichnet der Geiersberg (600 m) im s
Dritteil der durch Waldbestäude ausgezeichneten Gesamterhebung.
Sie endet im N an der Kinzig, welche bereits außerhalb Bayerns
verläuft.
So ist denn Nordbayern durch mehrere lange Züge oder durch Reihen Zusammen-
von Gebirgserhebungen in einzelne Flußgebietslande deutlich abgeteilt. Es sassung
umsassen im 0 die Massen des Bayerisch - Böhmischen Waldes und Fichtel-
gebirges auf der einen und der Frankenjura auf der andern Seite das Naab-
gebiet samt unterin Regen. Vom Steilrand des Jura einerseits und von
der Frankenhöhe, dem Steigerwald, den Haßbergen andrerseits, dazu vom
Thüringer- samt Frankenwald wird das Regnitz- und Obermaingebiet um-
zogen. (Der n Jura hält zudem noch beide Flußgebiete auseinander.) Endlich
lagert parallel der Reihe Haßberge — Frankenhöhe im NW Bayerns Rhön
Spessart — Ovenwald, um das Untermainland zu begrenzen.
58 I. Einleitung.
§ 58. Alima un6 Naturerzeugnisse,
a. Klima.
Die geographische Bedeutung der einzelnen Landesteile für die
Bewohner hängt nicht nur von der Bewässerung und Gestalt, so
wie der Zusammensetzung des Bodens ab, sondern auch von der
Beschaffenheit des Klimas, d.i. der Verhältnisse der Witterung, be-
sonders der Wärme (Kälte) und der Regen- und Schneefälle.
Diese werden sowohl von der Lage des Landes zur Sonnen-
bestrahlung, als auch von der Höhe und Gestalt der Bodenoberfläche
und anderen Eigenschaften derselben bestimmt. Daher findet eine
manchsache Verschiedenheit des Klimas in Bayern statt, wo schon die
bewohnten Thäler in ihrer Erhebung über den Meeresspiegel zwischen
180 M (um W'ürzburg) und 920 m (bei Mittenwald) wechseln.
In den 1. Die Kälte und die Menge von Regen und Schnee, diesen weit-
aus vorherrschenden Formen der Niederschläge, treten im eigentlichen
Alpengebiet am stärksten auf. Vou der jährlichen Niederschlags-
menge fällt in unserem wie in den nächsten Nachbarländern das
Meiste im Sommerhalbjahre. Hiebei wird aber von jedem Gebirge eine
größere Menge bewirkt, in höherem Maße daher von den Alpen, als
von flacheren Gegenden. Dies in Bayern nmfomehr, weil die meisten
Winde, welche in unseren Ländern Wolken und Regen veranlassen,
von W uud ISIW her an die Alpen kommen und hier sich aufgehalten
finden. Man denke sich nun die Gesamtheit von Regen und Schnee,
welche das Jahr hindurch auf die Oberfläche der Alpeuhänge fällt,
als eine Wassermasse vollständig beisammen uud überall von der
Bodenoberfläche aus gleich hoch. Dann würde diese Wasserschicht
(auch „Regenhöhe" genannt) daselbst eine Höhe von 150 cm er-
langen , auch von 200 cm (z. B. im Thale des Bades Kreuth).
Was sodaun Wärme und Kälte betrifft, so haben die Alpen-
thäler eine ungefähre Dezemberkälte (Tag und Nacht) von — 3 Grad
nach Celsius; weuiger allerdings dort, wo sie den Sonnenstrahlen
mehr ausgesetzt sind, mehr aber bei gegenteiliger Lage der Abhänge.
Im Sommer jedoch hat man auch in den Alpeuthäleru eiue Juli-
Wärme im Durchschnitt (Tag und Nacht) von-|-15-z Grad. Aufdas Dasein
von Wald und Baum hat die Stärke der Fröste und die Dauer der
frostsreien Zeit den Einfluß, daß Waldungen bei 1500 m Höhe meist
aufhören, Stammholz noch bis zu 1700 w, vereinzelt bis zu 1800 m
gedeihen kann; darüber hinaus wachst die harzreiche Zwerg- oder Leg-
föhre bis 2000 m. Matten gibt es bis zu 2500 m. Daß Schnee in
den höchsten Grenzgebirgszügen an vereinzelten, wenig besonnten
Vertiefungen sich auch im August erhält, erklärt sich zum teil aus
der steilen, schroffen Gestalt der obersten Kämme.
Klima und Naturerzeugnisse. —-Mordbayern. 59
2. In dem Alpenvorland und auf der Hochebene ist das Hochebene.'
Jahresklima etwas wärmer, obgleich man die Januardurchschnittskälte
mit mehr als —3 Grad empfinden muß, dagegen die des Juli mit
-f-17 annehmen kann. Besonders begünstigt erscheint das Bodensee-
decken, wo der Sommer eine Juliwärme von + 18£- Grad zeigt,
der Januar nur —1 Gr., weshalb man im Gegensatz zu Ober-
bayern einen großen Obstreichtum, ja bis 450 m Höhe auch
Weinbau dort antrifft. Die Niederschlagsmenge ist in diesem Gebiete
bis zur Mittellinie zwischen dem Fuß der Alpen und der Donan
noch beträchtlich: es sind etwa 80 cm, weiter u aber nur zwischen 60
nnd70cm. Das eigentliche Donauthal leidet im Winter unter der-
stärkter Kälte gegenüber dem nächsten Anlande. Im Sommer aber
reist an dem AbHange des Bayrischen Waldes auch der Wein.
3. In No rdbayern haben die östlichen Gebirge manche klimatische Nord-
Ähnlichkeit mit den Alpen. Sie veranlassen eiue beträchtlichere Kälte, 6ol,ern*
als man sie nach der geringen Höhe dieser Erhebungen zu vermuten
pflegt. So zeigen die Orte am Regen und im Naabgebiet eine
Januarkälte von —3 Grad, n des Fichtelgebirges --- 3^; der Juli
kommt auch hier zu +17, im N nur zu —(— 16 Grad.
Die Niederschlagssummen sind im Böhmerwald und im Fichtel-
gebirge über 90 cm und steigen in der Südhälfte des ersteren bis
zu 150 cm.
Merklich anders steht es damit schon auf dem Jura und
ähnlich auch weiter w. Die Höhe der jährlich niederfallenden
Wassermenge wird von der Pegnitzlinie an 8 mit 70, nördlich aber
und im Maingebiet überhaupt, abgesehen vom Spessart und der
Rhön, mit 80 cm bestimmt. Die Temperatur aber ist auf dem
Plateaurücken NO Bayerns unter dem ungehemmten Einfluß der
nordöstlichen Winde dem Pflanzenwuchs ungünstiger, insofern der
Sommer nicht ebenso den Boden erwärmt, als es bei gleicher Höhe
anderer Gegenden des Landes geschieht, und der Winter rauher bleibt.
Vorteilhast ist aber die Sommerwärme im Regnitzthale bei Bamberg
mit fast +19 Grad im Juli, während man weiter w bereits
im großen Maßstabe treffliches Obst und gesuchte Weine baut, beson-
ders bei Würzburg, obwohl hier die durchschnittliche Wärme der Luft
wenig sich gegenüber der Gegend von Bamberg steigert.
d. Maturerzeugnisse.
Nordbayern.
Mannigfaltig wie die Bodenverhältnisse und das Klima sind Nord-
auch die Naturgaben des Stein-, Pflanzen- und Tierreiches, welche we,*m-
der Bevölkerung zum Lebensunterhalt dienen.
In den Gebirgserhebuugen des NW, besonders im Spessart
und auf der Rhön, gedeihen noch immer die stattlichsten Waldungen,
60 I. Einleitung.
in ersterem namentlich auch Laubhölzer. Dazu kommen noch die
untergeordneten Walderzeugnisse, mit deren Gewinnung sich
viele ihre Nahrung verschaffen; wir nennen Holzkohlen, Beeren,
Terpentin, auch Gerberlohe. Fast all dies gilt auch für die vor-
züglichen, großen Bestände des Steigerwaldes.
In der Nähe des Main sowie auch kleiner Thäler bestehen
bedeutende Steinbrüche; so besonders für Arten des Buntsand-
steins, aber auch für andere Sandsteine (z.B. bei Aschaffenburg;
sodann halbwegs von da zur Saale, an deren Mittellauf selbst; auch
s-w von Schweinfurt). Die Rhön liefert große Mengen von Basalt.
Bedeutend sind aber auch Mineralquellen, wie jene bei dem
so emporblühenden Bade Kissingen a/Saale und in Brückenau
a/Sinn in der Rhön.
Die schon erwähnten Weingelände beginnen längs des Main-
thales bei Schweinfurt, ziehen sich auch an den westlichen und süd-
lichen Hängen von Seitenflüffen hin und werden an solchen des
Steigerwaldes gefunden. Weite Versendung findet das Obst, beson-
ders das Steinobst des unteren Maingebietes.
RegM- Jenseits des Steigerwalds vertreten H opsengärten die Stelle der
gebiet. Weinberge. Dies zunächst im Aischgrund, aber auch in den 3 s fol-
genden Thälchen und auf den Höhen dazwischen; am berühmtesten
und besten in Europa bei Spalt im Thale der fr. Rezat. Im
übrigen lohnt der Bodenanbau in diesem Gebiet nur infolge fleißiger
und strebsamer Pflege der verschiedensten Nutzpflauzen und der Rinder-
zncht. Durch Ausfuhr von Steinen sind in demselben die Sandstein-
brüche bei Lichtenau an der Fr. Rezat bekannt, fowie Wendelstein
ö des Rednitzthales. Wird auch das Regnitzihal erst von der Wiefent-
mündung an ergiebig, so ist doch schon aufwärts die sandreiche Gegend,
in deren Mitte Fürth an der Pegnitzmündunz und Nürnberg liegen,
zu Tabakbau geeignet. Weiter ostwärts ist das Pegnitzthal um
Hersbruck, wie s von demselben die Umgebung von Altdorf durch
Hopfenbau wichtig.
Der Jura rechts der Pegnitz ist infolge seines großenteils
wasserarmen Kalkgesteines wenig fruchtbar. Dagegen besitzt er im Gebiet
der Wiesent durch seine merkwürdig malerischen Felsbildnngen der
Höhen und seine Tropfsteinhöhlen bei Müggendorf jene von Reisenden
viel belebte Gegend, die Fränkische Schweiz (S. 56).
Nordoste». Nördlich des Jura blüht im Mainthale der Anbau von Weiden
für großartige Korbwarengeschäfte, bes. in Lichtenfels a/Main, in
dessen Nähe der berühmte Wallfahrtsort Vierzehnheiligen vom
Jura in das Mainthal hinausgrüßt. Weiter nach NO trifft man
auf das Steinkohlenlager des Rodachgebiets am Fuß des Thüringer
Waldes bei Stockheim, n davon auf dem Gebirgsrücken sind er-
giebige Sandsteinbrüche; die wichtigsten Schieserbrüche liegen jenfeit der
Landesgrenze. Soweit Wälder auf dem Fraukenwalde bestehen, haben
Nordbayerns Natur erzeugnisse. — Südbayern. 61
sie vorzüglichen Holzwuchs. Letzteres gilt auch von der ausgedehn-
teren Bewaldung des Fichtelgebirges. Dieses ist in seinem n Teile
reich an Steinbrüchen und Thonlagen (Fabrikation in Selb),
im Inneren an den verschiedensten Granitarten, besonders bei
Weißenstadt und Wunsiedel; an Eisenerz im 0; massenhaft ist
der Versandt von Waldbeeren. Solche kommen ebenso auch vom
n Naabgebiet.
In diesem werden mehrere Thon- und Porzellanerdelager ab- Osten,
gebaut, weiter s Granit für die Werke von Naabbnrg, sodaun die
feuerfesten Thoue von Schwandorf. In dessen Nähe wird in der
Maxhütte das Eisen verwertet, dessen Erz bei Sulzbach nahe dem
Vilsthal Bergwerke veranlaßte, wie das Erzlager von Amberg
a/Vils bei diesem Orte zur Eisenbereitung dient.
Zum Gebiete des „Waldes", d. h. des Böhmer und Bayr. Waldes
gehören bereits die Glaswerke von Waldmünchen w des Tscherkow,
wie selbstverständlich die Gesamtheit derjenigen in der Nähe der Flüsse
und Bäche des Regen. Die wichtigsten befinden sich bei Regen und
weiter aufwärts bei Zwiesel am Beginn des Schwarzen Regen.
Wie in Cham a/Chamb, ein-em n Nebenfluß des Regeu, so
befindet sich auch in Vilshosen ein Granitwerk. Zahlreich und rege
thätig sind noch immer die Sägmühlen, von welchen Mafien von
Brettern, Latten iz. versendet werden, wie auch uoch sehr viel Nutz-
holz uud Stämme von dem so vorzüglichen Waldboden ausgeführt
werden. Dieser erzeugt im 80 bieten und sehr guten Flachs, während
allenthalben in geschützten Lagen die Ackerfrüchte bestens gedeihen.
Wie man im 0 jenseits der Jlz zahlreiche kleine Graphitlager ver-
wertet, so finden sich im W jenseits der Mündung des Regen und
der Naab große Bausteinmassen bei Kehlheim. Aus dem Frauken-
jnra sodann bricht man die Lithographiesteine von Solnhosen als
die besten ans der Erde; zugleich gehen die „Solnhofer Platten" in
großer Menge ab. Westwärts ist nur noch das Ries von Bedeutung
und zwar durch seine Ackererzeugnisse; denn der Boden ist als Rück-
stand eines ehemaligen Sees ungemein fruchtbar. Vom Geflügel des
Rieses schätzt man die Gänse mit recht ganz besonders.
Südbayern.
Südlich der Donau ist die Vielfältigkeit der Erzeugnisse geringer.
Vielmehr hat man eine gleichmäßigere Ergiebigkeit des Bodens.
Ackerbau wird in den Strichen der sogen. Hochebene oder etwa
vom 48. Grad an fast allenthalben mit guten Erfolgen betrieben,
ausgenommen in dem zu wenig umgewandelten Boden der Möser.
w des Lech dienen Ackergewächse in weniger großer Menge der Vieh-
zncht, als ö davon. Die ziemlich flache Landschaft zwischen Jngol-
stadt und der Ampermündung, welche den Namen Hallertau oder
Holledau trägt, hat sehr viel Hopfenbau; Mittelpunkt ist Wolnzach.
I
62 I. ^Einleitung.
ö davon beginnt der reiche Fruchtboden Niederbayerns, Her sich
bis zum Inn erstreckt. Hier gedeiht jede unserer Getreidearten vor-
züglich, besonders auch die Gerste; desgleichen ist die Pferde-, Rinder-
und namentlich auch Geflügelzucht sehr anerkannt uud einträglich. —
Die Viehzucht und die Erzeugung von Butter und Käse haben sodann
in der südlicheren Zone, dem Alpenvorlands, vorwiegende Beden-
tnng in der Landwirtschaft. Dies gilt besonders für das Gebiet
zwischen Inn und Isar und noch mehr von demjenigen w des Lech.
Hier setzt sich dann die lebhafteste Käsebereituug mit den vorzüglichsten
Erfolgen weiter Ausfuhr auch in die hohen Lagen der Algäner Alpen
allenthalben fort. Aber auch ö ist in den Bayerischen und Salz-
burger Alpen selbst die Viehzucht der wichtigste Erwerb neben der
Ausnützung der Bergforste durch Holzverfrachten und -Verarbeitung.
Zu letzterer gehört aber besonders auch diejenige für Papierstoff,
wie sie namentlich im Mangfallgebiet am Nordflnffe der Alpen gedeiht.
Ein Gleiches gilt auch von einer Anzahl von Fabrikanwesen in der
w Umgegend von München.
Von Gaben des Mineralreiches endlich find etwa folgende
bemerkenswert.. Der Ziegellehm im 0 von München: die Torfstiche
n dieser Stadt und im 80 nahe dem Inn bei Aibling. Sodann
Thon bei Landshut, Tuffsteine an der Salzach, n-ö des Chiemsee; im
äußersten 80 aber das Salzbergwerk von Berchtesgaden (mit Salinen-
gang bis Rosenheim), und die Eementbereitung von Reichenhall,
diesem vielbesuchten klimatischen Kurort, welchem zugleich auch die
dortige Saline dient, s des Chiemsee beutet man Cementkalkbrüche
aus, desgl. bei Kiefersfelden am Inn, an der Grenze bei Mies-
bach a/Schlierach und n des Tegernsee (Staltach), n vom Kochelsee
ist das stattliche Kohlenbergwerk von Penzberg; ein solches wird
auch am Fuße des Peißenberg betrieben, wo auch Cement gewonnen
wird. Im N sind noch nahe der Donau Brüche für Bausteine, wie
bei Günzburg und Neuburg, am bedeutendsten die Sandsteinbrüche
bei Abbach, desgl. solche bei Passau.
II. Kheinxfalz.
§ 39. Grenzen.'
Die Grenzen der Pfalz wurden verhältnismäßig weniger nach
natürlichen geographischen Thatsachen festgestellt, als diejenigen des
ö größeren Landes. Nicht einmal der Rhein blieb eine uuwandel-
bare deutliche Ostgrenze, infolge feiner früheren Veränderungen
der Stromrinne und infolge der nachherigen Feststellung seiner Lauf-
linie durch Wasserbauarbeiten.
Im 8 verfolgte die politische Grenzlinie zunächst den Rhein-
nebenslnß Lauter, ging aber dann über den ^ des Wasgenwaldes,
Rheinpfalz. 63
der hier ziemlich gleichartige stumpfe Bergformen zeigt. Hierauf wird
großenteils das Moselzuflußgebiet der Blies einbezogen, welche in
die Saar mündet, vom N her aus der südlichsten Stufe des Hunsrück
(Rheinprovinz) gekommen. — Die ^-Grenze zieht fast nur nach NO und
zwar auf dem s Hange des Hunsrück, dann hin und her im Thale
des Glan, eines Nebenflusses der Nahe, die dicht bei der Quelle
der Blies entspringt. Ihr schmales Thal ist von der Glanmündung
an gleichfalls für eine kurze Strecke der Boden für die Grenze. —
Bald aber beginnt die N- oder vielmehr die NO-Grenze, welche über
den Fuß der Donnersbergmasse zum Rhein zieht, den sie 10 km
n der Neckarmündung erreicht.
§ ^0. Bodengestalt.
Innerhalb dieser Grenzen ergeben sich für das Ländchen hin- Rheinebene,
sichtlich der Bodengestalt 3 verschieden große Gebiete. 1. Im 0
ist ein Teil der oberrheinischen Tiefebene, meist 100—115 m
über dem Meeresspiegel. Sie ist hier in beträchtlichen Strichen
sandig, besonders im 8, uud daher .zum teil erst durch den Fleiß
der Bewohner in ein sehr ergiebiges Ackerland verwandelt. 2. Längs
dieses Flachlandes zieht von 8 nach N als veränderte Fortsetzung des
Wasgenwaldes die Haardt von der Lauter an, wo sie mit einem
anmutigen Wechsel von Kegelbergen, von stumpfen Kuppen mit Steil-
hängen und von schmalen Rücken beginnt (Lützelstein, Drachenfels).
Diese Eigenart behält sie in etwas vermindertem Maße auch jenseits
der ersten starken Querlinie, des Qneichthales, an welchem n. a. der
Trifels mit seiner Ruine (aus der Hohenstaufenzeit) emporragt.
Während die durchschnittliche Höhe von da an etwa 500—350 m
betrügt, erheben sich Berge wie der Kalmit, weit beträchtlicher (680 in),
auch der Drachenfels n des Speierbaches. Das Ganze wird bis zu
seiner n Abdachuug vor dem Donnersberg (685 m) durch die ö gehen-
den Bäche und Flüßchen nicht selten durchrissen oder doch nach der
Ebene hin geöffnet. Die flach ansteigende Kuppe des Donnersberges
aber entsendet Gewässer nach allen Seiten. Dieses gesamte Gebirgs-
gebiet, von Wein, Kastanienwäldchen, Obstbäumen in Menge oder
doch von schönen gemischten Waldbeständen bedeckt, unterscheidet sich
vorteilhaft von
3. dem größeren Teile, der noch westlich des Hochrückens liegt. Wem.
Es ist ein wechselvoller Verlauf von Plateaux, welligen Zügen, becken- ®et,irßC-
artigen Einsenkuugen; letztere bei Kaiserslautern (235 m) an der
Lauter, Nebenfluß des Glan, dann w davon bei Landstuhl und
an der mittleren Blies w von Zweibrücken); auch Bergkegel treten
auf, wie der Potzberg (850 m), n der Landstuhler Mulde. Diese
Landschaften haben den Namen Westrich, sind zur Hälfte mit Wald
bestanden und teilweise rauh und wenig fruchtbar.
64 I. Einleitung.
§ "Klima und Naturerzeugnisse.
Das Klima der Rheinpfalz hat im ganzen eine mildere Be-
schaffenheit, da das Tiefland einen großen Teil dieses Gebietes aus-
macht. In der Ebene zeigt denn auch der Juli eine Durchschnitts-
wärme von +19£©rab, der Januar von Grad. Daher reifen hier
nicht nur an den Hängen treffliche Weine, sondern auch süße Kastanien
und im Flachland Pfirsiche und Aprikosen, auch Mandeln; die Kirsche
erlaugt in nördlicheren Bezirken eine weitgesuchte Güte (Hauptort
Freinsheim). Die ganze Reihe der Städtchen und Dörfer am Fuße
der Hardt uud des Donnersbergs, sowie etwas ö davon sieht ihre Flur-
markungen erfüllt mit allen Obstsorten nnsererLänderstriche. Noch näher
dem Rheine hat man für Gemüfe, Sämereien uud andere Gartengewächse
reich ergiebige Gegenden, besonders s der Linie Neustadt a/Haardt
— Speier, während in leichterem Boden der Tabak vorteilhaft uud
viel angebaut''wtrd. Die wertvolleren Weine aber wachsen nördlicher;
so schon bei Neustadt selbst, an dessen Lagen sich dann die von
Wachenheim, Forst, Deidesheim, Dürkheim n anschließen. Bedroht
sind diese Weingelände allerdings häufig von Spätfrösten uud vou zu
langem Regen im Juni und Juli. Es regnet in diesem Gebiete
jährlich (einschl. Schneefälle) 70—80 cm.
Diese Summe wird verstärkter iu dem bergigen Gebiete des
übrigen Pfälzer Landes. Hier zählt man eine Höhe der jährlichen
Gefamtniederfchläge von 80—95 cm. Die Januarkälte sinkt auf —|
und —1 Grad; die Juliwärme steigt zu -f-17—18 Grad. Dies sind aber
für die ausgedehnte Forstwirtschaft dieses Gebietes und für deu Acker-
bau auf allen einigermaßen günstig zusammengesetzten Böden ganz
erwünschte klimatische Thatsacheu. Auch gibt es in einzelnen Thälern
und Niederungen vorteilhafte Obsterträgnisse (Kirschen im oberen Queich-
thal; Kastanien bei Landstuhl).
Reicher an mineralischen Schätzen ist der von Höhenrücken be-
deckte Westrich. Vor allem gibt es eine große Zahl Sandsteinbrüche;
in den meisten Teilen dieses Gebietes könnte man solche anlegen.
Sodann finden sich auch Thonerdelagen an mehreren Punkten der
n Pfalz; s-ö des Donnersberg bei Eisenberg Eisenerz. Im W hat
die Pfalz Anteil an dem großen Kohlenlager des Saargebietes,
wodurch die Stadt St. Ingbert, sowie Bexbach an der Grenze
wichtig wurden.
III. Gesamt-Bayern.
§ Staat und Städte (IDege).
a. Bevölkerung.
Das Land ist von drei deutschen Volksstämmen bewohnt, von
Bayern, Franken und Schwaben. Die ersteren besetzten das
Gebiet ö des Lech, dann zieht sich ihre NW-Grenze von dessen
Bevölkerung. — Staat. 65
Mündung nach NO und schließt die Striche des obersten Naabgebietes
nicht ein. Außerhalb dieser Grenze ist alles übrige Land mit Aus-
nähme des s von der mitteren Altmühl und vom Hesselberg an
auftretenden schwäbischen Stammes als fränkisch zu bezeichnen, auch die
Pfalz. Dem entsprechen die Zahlen der Bevölkerung, insoferne
die Bayern nicht ganz 21/io Millionen, die Franken über 26/io Mill.
ausmachen, die Schwaben etwa 700 000. Der Konfession nach
zählt man 3850000 Katholiken und 1540 000 Protestanten, dazu
kommen noch ungefähr 60000 Israeliten.
Die Zahl der Einwohner beträgt 5450 000 Menschen. Sie
verteilen sich im Lande in der Weise, daß abgesehen von mittleren
und größeren Städten in den meisten Bezirken 60—80 Köpfe
auf den qkm treffen; 80—120 leben in den gewerbthätigsten und
fruchtbarsten Bezirken Frankens und an der östlichsten Donaustrecke,
sowie in der Osthälfte und im W der Pfalz, 40—60 im Hochland
Südbayerns, auf dem Jura und dem Haardtgebirge.
d. Staat.
Das gesamte Gebiet, 76000 qlsm umfassend, ist als Königreich
der zweitbedeutendste Staat des Deutschen Reiches. Es wird im Namen
des Königs nach den Bestimmungen der Staatsverfassung regiert,
nach welcher der Inhaber der königlichen Macht in Verbindung mit
der Volksvertretung, dem Landtag, das Gesetzgebungsrecht ausübt.
Die Beamten und Richter aber handeln nur im königlichen Austrage.
Ihre obersten Behörden haben sie an 6 Staatsministerien, während
zwei oberste Gerichtshöfe, einer für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten
und Strafrecht, der andere für Verwaltungsstreitfragen die höchsten
Aufsichts- und Urteilsbehörden bilden.
Die kirchliche Ordnung der katholischen Kirche wird in 8 katho-
tischen Bistümern verwaltet, uud zwar durch die Erzbischöse von
München und Bamberg, und die Bischöfe von Passau, Regensbnrg,
Augsburg, Eichstädt, Würzburg, Speier. Die protestantische Kirchen-
gemeinschast diesseits des Rheins steht unter dem kgl. Oberkonsistorium
zu Müuchen, sowie den kgl. Konsistorien zu Ansbach und Bayreuth,
die Protestanten der Pfalz unter dem k. Konsistorium zu Speier.
Das Heer besteht aus 2 Armeekorps, deren Generalkommandos
sich in München und in Würzburg befinden. Jene fetzen sich aus
19 Infanterieregimenten, 4 Jägerbataillonen, 10 Reiter-, 4 Artillerie-
Regimentern, den technischen Waffengattungen und den Sanitäts-
truppeu zusammen. Außer dem stehenden Heere gehört hiezu die
Landwehr und im Kriegsfalle auch der Landsturm.
Für die gesamte Staatsverwaltung aber bedurfte es der Ein-
teilung des Landes in. kleinere Gebiete: es sind 8 Kreise oder
Regierungsbezirke, die wiederum aus Bezirksamtsdistrikteu bestehen.
Die ersteren sind:
66 I. Einleitung.
Oberbayern, Niederbayern, Oberpfalz und Regensburg, Ober-
franken, Unterfranken und Afchaffenburg, Mittelfranken, Schwaben
und Neuburg, Pfalz. Ihre Bedeutung ist wesentlich mit von der
Größe uud Anzahl ihrer Städte abhängig.
c. Städte und Wege.
bayern Oberbayern. München (). S. 25) mit 280 000 Einw. ist
der Sitz fast aller obersten Behörden und Amter, von fast 7 Regi-
meutern des Heeres, dreier Hochschulen (Universität, Technische
Hochschule, Akademie der Künste). Hier befinden sich die bedeutendsten
historischen und naturgeschichtlichen Sammlungen (bes. auch das
Bayerische Nationalmnseum, von König Max II. gegründet) und beide
große Gemäldegalerien (Pinakotheken) uud die Statuensammlung
(Glyptothek). Die letztere und die neue Piuakothek sind von König
Ludwig I. geschaffen worden, welcher München noch mit den be-
rühmtesten Bauwerken, bes. Kirchen, und mit Monumenten schmückte
(so mit der riesigen Erzstatue der Bavaria). Überhaupt schuf er
München durch seine gesamte Begünstigung der Kunst und durch
verschiedene bauliche Anlagen zn einer freundlichen, vielbesuchten uud
emporblüheuden Stadt um, so daß König Max II. sein Werk erfolgreich
fortsetzen konnte, z. .B. mit der Herstellung der Maximiliansstraße
bis rechts der Isar, wo allerdings die gotischen Kirchen dreier
Vorstadtteile die einzigen anderweitigen größeren Bauten sind. Die
wichtigsten Erwerbszweige Müucheus beruhen auf den Leistungen
seiner Künstler uud des Kunstgewerbes, auf der Bierbrauerei und
auf dem großartigen Fremdenverkehr, der teils um der Stadt selbst
willen, teils wegen des nahen Gebirges und feiner Seen stattfindet.
Daher ist auch München der Mittelpunkt von 8 Eisenbahnen, welche
von den verschiedensten Richtungen herbeiführen, zum teil entlang
dem Verlans altgewohnter Verkehrswege. Unter letzteren sind es
hauptsächlich die von 0 nach W und von N nach S sich hier kreuzen-
den Linien, welchen München teilweise seine Entstehung und Be-
deutuug verdankt.
Südwärts geht es längs des Jsarthales nach Tölz und im
Hochgebirge weiter nach dem Marktflecken Mittenwald nahe der
österreichischen Grenze bei Scharnitz an der Isar. Hieher ging über
den breiten Sattel von Seeseld (1180 m) von L her, von Jnnsbrnck
nnd von Italien, vormals der große Verkehr. Bereits von Scharnitz
an wird die Isar mit Flößen befahren. Dies geschieht auch ans
der Loisach sehr weit oben, nämlich von dem vielbesnchten Marktflecken
Garmisch an.
Die hentige Verbindnng Münchens aber mit dem südlichen
Nachbarlande vollzieht sich zumeist durch das Innthal. Hier kommen
5 Schienenwege zusammen in dem gewerbthätigen Rosenheim, das
Städte.— Oberbayern. — Schwaben. 67
nahe dem alten Pons Oeni entstand (9 500 Einw.). Flußabwärts
liegt, vom Inn beinahe als Insel abgeschnitten, Wasserburg an
der einstigen Hauptlinie von Augsburg über die Münchener Jsarstrecke
nach Salzburg. In dieser Richtung trifft man auf das anmutige
Städtchen Traunstein (Saline). Weiter s-ö liegt Reichenhall
(s. S. 62) und Berchtesgaden, wo man auch Holzschnitzerei betreibt.
Weiter n verlaufen sodann die Wege von der Ostgrenze nach München.
Minder wichtig war der Salzachübergang bei Burghausen, wo ein
malerisches altes Residenzschloß einer wittelsbachischen Herrscherlinie
ans einem steilen Rücken über dem Städtchen thront. Mehr Be-
dentnng besaß stets die Jnnbrücke, welche von dem österr. Braunau
nach der lebhaften Eisenbahnstation Simbach herüberführt. Dann
geht es w an Alt-Ötting vorüber, diesem weitaus bedeutendsten
Wallfahrtsort Bayerns und seiner Nachbargebiete, nach Mühldorf
am Inn. In dessen Nähe wurde auf dem Schlachtfeld vou Ampfing
der Gegenkönig Ludwigs des Bayern, Friedrich der Schöne von Öfter-
reich, besiegt und gefangen (1322). — Die wichtigste n-ö Linie
von München führt längs der Isar nach der Kreishauptstadt Nieder-
bayerus, Landshut mit 18 000 Einw. Dieses wird durch ver-Landshut.
schiedeue kleinere Industrien belebt und besitzt sowohl an seinem
stattlichen ehemaligen Residenzschloß Trausuitz als au dem 130 m
hohen Turme seiner Martinskirche, dem höchsten Bayerns, weithin
sichtbare geschichtliche Erinnerungen.
Von da kommt man die Isar aufwärts über das oberbayr. Oberes
Moosburg nach Freising (9200 Einw.). Dieses wurde durch ^""gebiet.
Bonisacius, den Apostel der Deutschen, schon um 740 zum Bischofssitz
erhoben, was heute noch im Titel „Erzbistum München-Freising" nach-
wirkt. Nahe der Stadt erhebt sich die landwirtsch. Zentralschule Weihe u-
stephan. Näher au München liegt das wenig benützte Wittels-
bachische Schloß Schleißheim, wie unmittelbar bei der Hauptstadt
selbst das einfache Schloß Nymphenburg mit berühmtem Spriug-
brunnen und Schloßgarten. Im 0 der beiden Schlösser zieht sich
die alte Straße nach dem Doaauübergang bei Ingolstadt. Die
Eisenbahn dorthin aber schneidet die über Dachau führende Augs-
burger Straße und geht dann n, zugleich zu der Holledau ausbiegend,
nach Ingolstadt. Südlicher als der Weg über Dachau führt die
besuchtere Straße über Bruck nach Augsburg. Bei Bruck liegt das
ehemalige Kloster Fürsteufeld, welches das Audeukeu des in der
Nähe verschiedenen Kaisers Ludwig (1347) wachruft, s-s-w geht
es nach dem malerischen Ammersee. Nahe seinem s-ö Ufer liegt
das altberühmte Kloster Andechs. Im SW kommt man zu dem
Kloster Wessobrunn, durch ein altdeutsches Schriftstück (Gebet)
besonders bekannt. An der Ammer aber liegt im Gebirge das Dorf
Oberammergau, lebhaft thätig in Holzschnitzerei, weit mehr berühmt
durch die nach je 10 Jahren abgehaltenen Passionsspiele. Der
5*
68 I. Einleitung.
Weg von da über den Lech führt zu dem durch Webeindustrie belebten
Städtchen Schongau (noch oberbayr.).
Schwaben. 2. Schwaben. In Schwaben ist die Hauptstadt Augsburg mit
67000 Einw. Schon vor Christus war hieran der Wertachmündung
eine Stadt, von den Römern Augusta Vindelicorum genannt. Im
Mittelalter, besonders im 15. und 16. Jahrhundert kam sie zu
höchster Blüte als Stadt des Handels, der Kunst und des Groß-
gewerbes. An letztere Thätigkeit schließt sich auch der Umstand, daß
heute Augsburg der weitaus bedeuteudste Platz der Weberei und Spiunerei
in Süddeutschland rechts des Rheins ist. So blieb es auch das
altgewohnte Ziel der belebtesten Wege zwischen Donau, Lech und
Bodensee. Als wichtige äußere Punkte derselben erscheinen: die Mün-
dung der beflößten Jller und dadurch Ulm (württemb.) uud das bayerische
Neu-Ulm, der Donanübergang an der Wöruitzmündung und dadurch
Donauwörth, sowie das Bodenseeufer und der 3 Ausgang aus dem
Lechthal zum Inn hinüber.
In der s Richtung nun kommt man längs der Wertach nach
Kaufbenren (6500 Einw.) mit Spinnereiindustrie uud dann nach
Füssen am Lech, in dessen Nähe die Königsschlösser Hohenschwangau
und Neu-Schwausteiu erbaut sind. Mehr nach SW zieht von
Kaufbeuren die alte.Verkehrsstraße nach Kempten (15000 Einw.)
am linken Jllernser, während die alte Römerstadt gegenüber lag; es
ist gleichfalls sehr thätig in der Industrie uud im Handel mit den
Erzeugnissen des Algäu. s davon liegt das wiederum in Ver-
arbeitung vou Webstoffen fleißige Jmmenstadt, w vou diesem der
Handelsplatz Lindau, fast auf eiuer Jufel im Bodenfee; nur ein
Damm verbindet es mit dem Uferlande (5300 Einw.). In der
Mitte zwischen Jmmenstadt und Ulm befindet sich am Ostrande des
Jllerthales das in Weberei, Färberei und Hopsenhandel rührige
Memmingen mit 9000 Einw. — An den Ufern der Donau folgt
sich eine größere Anzahl von kleinen Städten, währeud n davon im
Ries noch dessen Hauptort Nördlingen (8000 Einw.) und das
kleinere Ottingen zu Schwaben gehören. An der Donau aber sind
noch bemerkenswert Günzbnrg, Lauingen, Dillingen und Höch-
städt. Bei letzterem wurde eiue siegreiche uud eine mit Ehren
verlorene Schlacht von Kurfürst Max Emannel anfangs des vor.
Jahrhunderts geschlagen. — ö des Lech führt der Weg vou Augsburg
nach Ingolstadt über Aichach, bei welchem die Ruine Wittelsbach
liegt, n an der Donau Neuburg, auch einst Residenz eines Wittels-
bachischen Regeutengeschlechts. Ingolstadt ist große Festung, ringsum
von mächtigen Festungswerken weit hinaus geschützt (17000 Einw.) —
Nieder- 3. Niederbayern. Zu Niederbayern gehört bereits Kelheim,
bayern. der Rundbau der Befreiungshalle (Ludwig I.) emporragt,
von der man auch in die engste Strecke der Donau bei Weltenburg
herabsieht. Wie die oberen Donauufer die Zielpunkte so vieler Wege
Städte — Oberpfalz — Mittelfranken. 69
von S und namentlich von N tragen, so auch für solche über den
Bayerischen Wald herab, abwärts des zurOberpfalz gehörigen Regensburg
innerhalb Niederbayerns. Hieher gehört Straubing, welches in reichster
Gegend ein wichtiger Platz für Getreidehandel blieb (13000 Einw.);
desgl. auch Deggendorf (6500 E.), dem gegenüber nicht weit vom
s Ufer des Stromes Plattling der Kreuzungspunkt der Eisenbahnen
wurde. Abwärts treffeu wir uoch Vilshofen und die Bistums-
Hauptstadt Passau. Dieses hat eine sehr malerische Lage an der Grenze
Zwischen der Jnnmünduug und der Donau, von der früheren
Beste Oberhaus an der Jlzmünduug überschaut. Es bestand als
fester Platz schon zur Römerzeit und galt im Mittelalter als sehr
wichtig. — Noch östlicher und im B. Walde liegt Obernzell,
wegen seiner Schmelztiegelerzeugung aus Graphit oft genannt.
Zwiesel und Regen gehören schon zum Gebiet des Regen. Dessen
s Unterlans durchzieht
4. die Oberpfalz. Die Kreishauptstadt Regensburg mit Oberpfalz.
37000 E. ist die geschichtlich bedeutsamste Stadt der älteren Zeiten
Bayerns, ja Süddentschlands. Es ward noch in den Kriegen des
17. Jahrh. als Bollwerk für Südbayern angesehen und noch im
19. Jahrh. unter Napoleon I. beschossen. Noch im 14. Jahrh.
beherrschte es den Donanhandel bis znr Südgrenze Ungarns: heute
ist hier das obere Ende der Dampfschiffahrtslinien der Donau.
Von 1663 bis 1303 war es Sitz des deutschen Reichstags und
kam erst 1810 an Bayern. Dem Wirken König Ludwigs I.
verdankt es das gewaltige und zugleich fein durchgeführte Bauwerk
seines Domes, während seine heutige steinerne Brücke im 12. Jahrh.
hergestellt wurde. Gegenüber liegt Stadtamhof; flußabwärts
Donaustauf, über welchem die von Ludwig I. in weißem Marmor
errichtete Walhalla thront, weit hinaus sichtbar. Nach Regensburg
aber führen die Thäler von 3 Donaunebenflüssen, wie die Höhen-
abdachuugeu von allen Seiten außer dem 80. Am wichtigsten ist die
Naablinie. In letztere mündet der Weg von Furth im Böhmerwald
(5000 Eiuw.) über Cham (4000). An der Naab liegt Schwandorf
(S. 55) und Naabburg, in dessen Nähe die Burg Trausnitz steht,
in welcher Friedrich der Schöne als Gefangener Ludwigs des Bayern
weilte. Weiter n kommen in Weiden (5500 E.) 4 Eisenbahnen zu-
sammeu. An der Vils liegt die größte Stadt der Oberpfalz, abge-
sehen von Regensburg, nämlich Amberg (16000 E.), ein lebhafter
Platz, in welchem die k. Gewehrfabrik sich befindet, w davon liegt
das malerische Sulzbach mit seinem ehemaligenResidenzschlosse (4500 E.).
Auf dem Wege von Regensburg uach Nürnberg aber gelangt man
nach Neumarkt nahe der höchsten Strecke des Donau-Mainkanales,
der von Kelheim nach Nürnberg über 74 Schleusen geführt ist, um
-eine schwache Eiuseukung im Jura zu überschreiten.
5. Mittelfranken. Die Kreishauptstadt ist zwar Ansbach an franken.
70 I. Einleitung.
der Rezat (14000 Einw.); durch seine Lage in der Mitte und durch
sein stattliches uud ausgedehntes Schloß, Residenz einer früheren
hohenzollernschen Fürstenfamilie, kam es zu seiner heutigen amtlichen
Bedeutung. Unvergleichlich wichtiger aber ist Nürnberg samt seiner
Umgebung. Seit 1050 als Stadt erwähnt, ist es trotz seines
unfruchtbaren Bodens durch Gewerbfleiß zur größten Gewerbe- und
Handelsstadt Süddeutschlands neben Augsburg im 16. und 17. Jahrh.
emporgediehen. Wie die Dichtung blühten die Kuust und das Kunst-
gewerbe im 16. Jahrh. nirgends erfolgreicher. Kirchen und Monumente
und das Germanische Museum bezeugen dies noch heute. Ju der
Gegenwart ward es namentlich durch die Vielseitigkeit seiner Groß-
und Kleingewerbe die erste Stadt Bayerns in der Industrie. Außer
anderem aber ist Nürnberg auch der erste Platz für den Hopsenhandel
auf dem Kontinent. Für den Fremden bleibt es durch seine alter-
tümlichen Gebäude, Häuser, Türme und durch feine alte Hoheuzollern-
burg eine Stadt von unvergleichlichem Reize.
In seinem Jndustriefleiß wird es augeregt durch die ungemein
thätige Nachbarstadt Fürth an der Pegnitzmündung mit 38000 Einw.,
unterstützt durch die Nachbarstädtchen Schwabach (7700 E.) und
Lauf, auch das Dorf Stein mit den Faber'fchen Bleistiftfabriken,
g gelangt man an der Schwäbischen Rezat nach Weißenburg a/Saud
(Bortenfabriken) (6000 (£.); ziemlich unvorteilhaft sind die Zugänge
zu dem Bischofsitze Eichstädt a/Altmühl (7700 Einw.). Über
Ansbach hinaus aber führt von Nürnberg eine alte Straße nach den
3 Städtchen an der Frankenhöhe: Feuchtwangen, Dinkelsbühl
und Rothenburg o/?auber; letzteres zeigt von außen und iuuen
viel anmutige Altertümlichkeit (6800 E.). Im NW des Kreises
am Südfuße des Steigerwaldes erfreuen sich eines sehr fruchtbaren
Umlandes die Städtchen Windsheim und Uffenheim, während
der Weg vom südlichsten Mainknie nach Nürnberg über Neustadt
a/Aisch führt, n von dem großen Jndustriemittelpuukte liegt noch
die Universitätsstadt Erlangen (17000 Einw.), großenteils
schon umfaßt vom Gebiete
Lber- 6. Oberfrankens. Für diesen Kreis gibt es eigentlich 3 städtische
fwnfen. Mittelpunkte von ziemlich gleicher Bedeutung. Die Hauptstadt ist
Bayreuth a/Roten Main, mit 24000 Einw., 2 einstigen Residenz-
schlössern der hohenzollernschen Fürsten und großer Spinnerei. Be-
nachbart ist das durch Bierbrauerei berühmte Culmbach am flößbaren
Main, ober welchem die alte Feste Plassenburg steht (6500 Eiuw.).
Über den Frankenwald führt der beschwerlichste Kunstbau unserer
Eisenbahnen, die sogen, schiefe Ebene bei Markt Schorgast, nach
dem Saalegebiet. In diesem ist Hof (23000 E.) durch Spiuu-
und Webeindustrie der Hauptplatz, umgeben von einer in gleicher
Weise thätigen Anzahl von Dörfern und Märkten.
Die Holz- und Kohlenmengen, welche der westliche Franken-
Städte. — Unterfranken. — Pfalz. 71
Wald ausführen läßt, gehen größtenteils von Kronach, nahe dem
Rodachthale, weiter hinaus (3000 E.). Für den W des Kreises
aber ist Bamberg der reiche Hauptort. Es wurde im Anfange
des 11. Jahrh. als Bistum und Stadt von Kaiser Heinrich gegründet,
der samt seiner Gemahlin Kunigunde in dem von König Ludwig I.
erneuerten Dome begraben liegt. Die Umgebung ist bedeckt mit
reichen Gemüsegärten, und im 0 der Stadt gedeiht der Wald in
auffallend günstigem Maße, s ist auf einer Höhe die Altenburg
mit großer Ruudsicht. Im Regnitzthale endet die ausgedehnte
Gemüsekultur weit oben bei Forchheim. Das Mainthal aber
führt nach
7. Unterfranken, wo man anHaßfnrtvorübernachSchweinfnrt .Unter-
gelangt. Der üppige Schweinfnrter Gau gibt dieser Stadt durch deu 111 CIU
Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen am meisten Bedeutung.
Aber auch wichtige Wege treffen seit jeher hier zusammen. So von N.
Aus dem Werrathale zog man schon im früheren Mittelalter über
Mellrichstadt zur Saale und dann entweder über Kissingen oder
über Münnerstadt zum Maiukuie. Nach 8 geht es dann entweder
durch das Flachlaud nach Kitzingen (lebhafter Weinhandel; 7200 E.)
und dem verkehrsreichen Städtchen Mkt. Breit, oder man sucht
über die fränkische Platte hinweg die Hauptstadt Würzburg (s. S. 59)
auf. Um 700 wird es bereits geschichtlich erwähnt, zumal der hl.
Kilian hier das Christentum schou frühe fest begründet hatte. Die
Bischöfe wurden angesehene Fürsten, auf deren frühere Stellung
noch heute ihre großartige schöne Residenz hindeutet, die jetzt Staats-
gebäude ist. Die reich ausgestattete Universität stammt aus fürst-
bischöflicher Zeit. Ein großer Wohlstand waltet in der schönen Stadt.
Auf dem linken Mainufer hat sie gegenüber die Feste Marienberg,
im Bauernkrieg des 16. Jahrh. und im 30 jährigen Krieg von
Wichtigkeit.
(Würzbmg verdankt seine Bedeutung keiner anderen geographischen Be-
günstigung als einer mäßigen Erweiterung des Thales und der besonderen
Ergiebigkeit der umliegenden Höhen und ihrer Hänge.)
Von Würzburg aus geht es sowohl s-w ius Badische als
namentlich mainabwärts. Der Fluß wird vou da an durch Dampf-
schiffe belebt. Ruderschiffe gehen schon vou Bamberg an hieher. Am
Mainknie bei der Saalemündung liegt Gemünden; etwas abwärts
das in der Schiffahrt rege Lohr. Von hier führt Straße und Eisen-
bahn w nach Aschaffenburg, von welchem die forstliche Lehranstalt
und das pompejanische Haus (Bau Ludwigs I.) am meisten genannt
werden. Im SW sind noch die anmutigen Städtchen Miltenberg
a/Main uud Amorbach auf dem Wege zum Neckar beachtenswert.
8. Die Pfalz hat infolge ihrer trennenden Bodenstufen und Pfalz,
nachdem ehemalige Hauptorte von dem kleinen Lande im 19. Jahrh.
weggenommen wurden, keinen Sammelpunkt von vorherrschender
72 I. Einleitung.
Bedeutung. Die amtliche Hauptstadt ist Speier a/ikheiu (16500 E.),
vor allem durch feinen Dom berühmt, der weithin sichtbar in der
Rheinebene emporragt. In ihm liegen die Gebeine von 8 deutschen
Kaisern, auch seines Gründers Konrad II., der 1030 den Bau begauu.
(König Ludwig I. hat das Innere erneuext.) 1689 wurde die offeue
Stadt von den Franzosen gänzlich verbrannt. In der Gegenwart ist
sie als Nachbarstadt wichtig für Germersheim, Festung (6200 E.),
und Landau, vormals deutsche Festung (10000 E.), beide an der
Queich, n von letzterer liegt Edenkoben, über welchem hinter
Kastanien- und anderen Laubbäumen die Ludwigshöhe aus der
Haardt von König Ludwig I. erbaut wurde. Für Neustadt a/Haardt,
am Speierbache, (12500 Eiuw.) vermittelt den rheinischen Verkehr
zumeist Ludwigshaseu, die rasch anwachsende Fabrikstadt gegen-
über der Neckarmündung (24000 E.). Sie wird wesentlich auch
belebt durch dis Nähe der nördlicheren und Haardtstädtchen Franken-
thal, Grünstadt, Dürkheim. Bon letzterem führte die alte
Straße ins Westrich, vor allem in die Senke von Kaisers-
laulern. Dieses ist der bedeutendste Platz der Pfalz und zwar
durch seine vielfältigen, ausgebildeten Großgewerbe; daher hat es
auch schon 34000 Einw.; 3 Bahnhöfe zeugen heute von seiner
Verkehrsbedeutuug. Mehrere Schlachten wurdeu 1793—94 in seiner
Nähe geschlagen; die große Napoleonsche Heerstraße von Metz
nach Mainz wurde hier durchgeführt. Sie ziehte an Homburg und
Blieskastel vorüber, so daß von ihr seitlich Zweibrücken liegt, Jahr-
hunderte laug Residenz einer wittelsbachischen Fürstenfamilie. (Sie
bildete zuletzt jenen Zweig, welcher mit dem Kurfürsten und dann König
Maxi. Joseph, dem Vater Ludwigs I., auf den Throu des vergrößerten
bayerischen Staates gelangte.) Wesentlich ungünstiger übrigens ist die
Lage von Pirmasens (16500 E.), welches aber gleichwohl durch
seine Schuhwarenfabrikation zu einem Warenversand kam, welcher
nicht nur in ganz Deutschland stattfindet, sondern weit über Europa
hinaus geht.
II.
Wittel Europa.
Mitteleuropa wird durch denjenigen Teil des europäischen
Festlandes gebildet, welcher im W auf der Wasserscheide des Rhein-
uud Scheldegebietes, im N am Gestade der Nord- und Ostsee, im 0 an
der w Wasserscheide der Weichsel und am Ostfuße der Alpen seine
natürlichen Grenzen hat, im 8 an den südlicheren Zügen der Alpen.
Infolge der staatlichen Verbindung des Landes der mittleren
Donau (Ungarn) mit dem Gebiete der Ostalpen und der oberen
Elbe wird auch das Gebiet der karpatischeu Gebirgsumran -
duug samt seinem n Vorlande an Mitteleuropa angefügt.
Der Bodengestalt nach ergeben sich für Mitteleuropa 3 Teile:
a) das Hochgebirge und sein Vorland; b) die Gruppen der Mittel-
gebirge und Stufenlandschaften; c) das Tiefland mit seinen Seen-
platten und Küstenformen.
A. Alpen.
§ \. Allgemeines.
1. Lage und Grenzen.
Die Alpen liegen zwar nicht vollständig innerhalb Mittel-
europas, bilden aber ein so einheitliches natürliches Ganzes, daß sie
als solches schon hier behandelt werden, wenn auch der s-w Teil
im einzelnen bei Frankreich in betracht kommt. Sie sind ein Grenz-
wall zwischen Mittel- und Südeuropa, an welchem die klimatischen
Eigenschaften beider Gebiete sich unterscheiden, wie die Pflanzen-
und Tierwelt. Die Völker allerdings fanden sich durch dieses Ge-
birge weniger gehemmt, zumal sie dessen zahlreiche natürliche Wege
durch verbessernde Nachhilfe immer gangbarer machten.
Die Grenzen ergeben sich einfach aus der bedeutend ge-Grenzlinien,
ringeren Seehöhe, in welcher das Gebiet am Fuße der äußeren
Berge und Bergketten liegt. Nur im 80 ist die Grenze nndent-
74 II. Mittel-Europa.
licher, da hier das Krainer Kalkplateau mit beträchtlicher Höhe
auftritt, ohne seiner Gestalt nach zu den Alpen zu gehören. Diese
enden dort zur rechten der Save, im Thale der Laibach und dem
der Wippach (Jsouzo) oder der Jdria.
2. Einteilung.
Die Einteilung dieses Gebirgsgauzen mit n-s Querlinien
unterscheidet entweder nur Ost- und Westalpen, deren Grenze dnrch
die große Spalte des Rheiuthales und durch deu Splügeupaß (auch
Bernhardin) bezeichnet wird; oder man nimmt 3 Hauptabschnitte
an, wobei die Ostalpen an der Linie Lech—Fernpaß—Reschenpaß—
Etschthal enden, die Mittelalpen am Mont Blane, die Süd-
westalpen am Paß von Millesimo, w von Genua, n-w von
Savona (Küstenstadt), daher „Pforte von Savona".
lefteinl Nach dem Vorherrschen des Gesteins, wodurch wesentlich
die Gestalt mitbestimmt wird, unterscheidet man auch in der Längs-
erstreckung des Gebirges die n Zone als die der nördlichen Kalk-
alpen, desgl. eine südliche Kalkalpenzone von dem inneren oder
Uralpenzuge, der allerdings mehrmals Parallelketten besitzt, dem
aber vom Südabsall des St. Gotthardt an nur aus der W-Seite zum
Rhone hin Kalkalpen vorlagern.
Die inneren Züge, die Uralpen, sind größtenteils aus krystalli-
nischem Gestein gebildet. (Dieses läßt seine Zusammensetzung aus Kryställchen
verschiedener Mineralien noch ziemlich deutlich erkennen, sowohl die Massen-
g est eine, wie Granit, als auch die kristallinischen Schiefer, wie Glimmer-
und Urthonschiefer.)
Die Kalkalpen bestehen aus Sedimentbildungen, d. h. solche, die
sich im Wasser abgesetzt haben, vorwiegend in der sogen. II. Periode (Alpine
Triasbildungen), aber auch in der tertiären Periode. (Alpine Flyschbildung,
dazu bereits Molasseberge.)
Beiderlei Alpenzonen, besonders aber die Kalkalpen, sind zu einem
Hochgebirge erst nach Herstellung fast des ganzen heutigen Festlandes der Erde
durch hebenden und faltenden Druck gewaltiger Erdkräfte gemacht worden.
Dieser veranlaßte in Verbindung mit den nachfolgenden Wirkungen der
atmosphärischen Kräfte umsomehr eine große Verschiedenartigkeit der Gestalt
im Gebirge, da hier ein vielfacher Wechsel der Sedimentbildungen vorhanden
war. Druck, von unten oder von der Seite, Faltung, Überschiebung,
Bersten und Spal^enrisse haben der verwitternden und abtragenden Arbeit
der Temperaturgegensätze und der Niederschlagswasser die Grundzüge angegeben.
Durch die Gliederung, welche von der großen Zahl und wechselnden Richtung
ihrer Längs- und Querthäler und von den vielen Paßeinschnitten kuwirkt
wird, unterscheiden sich denn auch die Alpen vorteilhaft vor allen anderen
Hochgebirgsnmfsen der Erde.
3. Klima.
Am vielfältigsten macht sich nächst dem Unterschied in der
Gestalt derjenige von Zonen klimatischer Art, namentlich auf
grund der Seehöhe, bemerkbar.
Alpen. — Klima. 75
Das Klima der Alpen zeigt vor allem die Eigenschaftei>Tn»pnatur.
abnehmender Wärme mit zunehmender Höhe nnd einer hohen Nieder-
schlagssumme. Durchschnittlich nimmt die Wärme um 1 Grad Lslsiu3
bei je 190 m Steigung ab.
Doch unterscheidet sich dabei nicht nur der Winter vom Sommer, indem
in letzterem schon bei je 160 m, im Winter erst bei je 300 m sich die Luft
um 1° abkühlt, sondern man findet auch im Gebiete der Ostalpen, besonders
in der n und s äusseren Zone, etwas verstärkte Abkühlung beim Aufsteigen.
Tie Regen- uud Schneefälle erreichen in den Alpenteilen,
welche den West- und Nordwestwinden ausgesetzt sind, sowie in
Thäleru des Südeus eine Jahreshöhe von 140—200 (Zentimetern ;
im Innern hat man 80—120. Hieraus erklärt sich der Reichtum
der Bewässerung, die große Zahl der Bäche, Flüsse und Seen, die
Gletscher und Lawineumassen ebenso, als die Verbreitung von
Graswuchs und Wald, wie in den tiefen Lagen teilweise auch das
Gedeihen wertvoller Kulturpflanzen.
Der Klima- uud Höhenzonem find 3:
1. die der Voralpenberge und der nach 8 nnd W offenen Höhen-
tiefen Thäler, in welch letzteren Wein, einzelne Südfrüchte (z. B. a"
Oliven bei Kaltem, nahe Bozen oder der mittleren Etsch, Feigen
um Meran im Freien überwinternd), Laubhölzer bestens gedeihen.
Die Winterkälte und die Schneeschmelze wird in den Thalgegenden des
Rhein- und oberen Donaugebietes vorteilhaft beeinflußt vom Föhn, einem
„Fallwinde", dessen Lustmenge von oben nach unten dringend zu einem warmen
Winde wird.
2. Die Mittelzone in drei Abteilungen umfaßt a) diejenige
der hochstämmigen Nadelhölzer uud des Ackerbaues von 1200 bis
zu 1700 m; b) diejenige der Zwergföhre, des Knieholzes, wo nur
uoch die Zirbelkiefer oder Arve bei gleicher Seehöhe als Stammholz
gedeiht, bis zu 2000 m und darüber; c) die Zone der Almen, der
Bergwiefen, wo neben der strichweise bis 2200 ja 2300 m vorkommenden
Zwergsöhre nur noch das Gestrüpp der Alpenrose und andere
Sträucher größere Verbreitung haben, bis zu 2400 m. Hier wie
in der oberen Mittelzone ist die alpine Tierwelt besonders durch
die Gemse, die einzige europäische Antilopenart, sowie durch das
Murmeltier vertreten.
3. Die Schneeregion von 2400 w an. Die nntere Schnee-
grenze im Sommer schwankt nach der Lage im 8 oder N und je
nach der Richtung gegenüber den Sonnenstrahlen von 2300—2900 w.
Dieser „ewige" Schnee wird großenteils zu Firn, letzterer wandelt
sich in Gletschereis um.
Die Lawinen, welche meist in bekannten Bahnen herab-
kommen, befreien die Höhe von Schneemaffen und führen den
Niederschlag zu thal, der oben großenteils nicht oder viel später zu
Wasser würde.
76 II. Mittel-Europa.
Das Eis der Gletscher ist durch Farbe, Härte und Beweglichkeit von
dem gewöhnlichen Eise wesentlich verschieden. Die Gletscher bewegen sich
nämlich periodisch thalwärts, oder gehen infolge Abschmelzens zurück. Ihre
Arbeit an der Bodengestalt ihrer Wände und Sohle zeigt sich in den Seiten-,
Mittel-, Grund-und Stirnmoränen. Diese kommen mit den Gletschern sehr
weit über die Region des „ewigen" Schnee hinab, bis zu 1200 m; die meisten
Gletscher haben ihr Thor (Öffnung für den austretenden Gletscherbach) zwischen
1500 und 2100 in.
Regen fällt nur bis zu 3000 m Höhe; weiter oben sind die Nieder-
schlage nur Schnee. Gleichwohl sind in der obersten Zone der Alpen die
zerstörenden, d. h. verwitternden und abtragenden Wirkungen des Wassers
und der Gegensätze von Frost und Wärme am meisten fichtbar in der Schroff-
heit und Zahl der Gipfel, Kämme, Grate und Abstürze. In der Mittelzone
führt innerhalb der Kalkalpenbildungen die Verwitterung allerdings vielfach
zu noch schärferen, gezackteren, rissigeren Formen; doch ist ja hier weit mehr
Pflanzendecke. Zu ersteren gehören auch die sogen. Karren - und Schratten-
felder, d. i. mit Felstrümmern und Steingeröll übersäte, scharf gerillte Ab-
hänge oder sanft geneigte ebensolche Flächen. In der unteren Zone begegnet
man anziehenderen Ergebnissen der Wasserthätigkeit, z. B. den Wasserfällen,
den Klammen (Lichtenfteinklamm, Partnachklamm, Tamina), Höhlenbildungen
(Avelsberg) und Dolmen, namentlich aber dem schönsten Schmuck der Alpen,
den Seen, die nur in kleinen Erscheinungen innerhalb der obersten Zone auf-
treten (Gletscherseen und solche, wie z. B. beim Bernhardhospiz und am
Berninapasse). '(Dolinen (slav. „Thälchen") sind abgeschlossene Mulden und
trichterförmige Einfenkungen in Kalkplateaux und Karstgebieten.)
§ 2. Mittelalpen.
Am Moni Blanc, 4800 m, unter dem 46. Grad nördlicher
Breite (7. Grad ö. L.) beginnen die Mittelalpen oder die der
Schweiz mit dem gewaltigen Massenzng
^Alpen* 1 ♦ der Walliser (-Peninischen) Alpen, die in Verbindung
mit ihrem n Gegenüber, den Berner Alpen das oberste Rhonethal,
das Wallis, begrenzen. Die ersteren, nur durch den Paß des
Großen St. Bernhard (2470 m), nahe dem Mont Blanc,
leichter überschreitbar, haben aus ihrem nach N mehrfach ab-
zweigenden, gletscherreichen Rücken als höchste Erhebung das schroffe
Massiv des gipfeligen Monte Rosa, 4640 m; das Matterhorn,
w davon, steigt spitz zu 4480 m. Sie enden nach ihrer n Umbiegnng
an der tiefen Furche des Simplonpasses (2010 m). Dann be-
ginnen die Lepontischen Alpen.
Der Monte Rosa sendet eine Abzweigung nach 3; in den Almwirtschaften
seiner 8 Abhänge wird noch deutsch gesprochen. — Über den Großen St. Bern-
hard führte schon eine vielbenützte Verkehrsstraße der Römer (Nous Poeninus);
im späteren Mittelalter ward der Paß namentlich wegen des Kleinen St. Bern-
hard immer weniger aufgesucht; Napoleon I. überraschte im Jahre 1800 allgemein
durch die beschwerliche Führung seines Heeres über den verfallenen Weg. —
Der Simplon besitzt eine der großen Heerstraßen Napoleons I.; bis Brieg am
Nordfuß sührt eine Eisenbahn; ein Tunnel hindurch wird rührig angestrebt.
ferner 2. Die Berner Alpen vom Genfer See (570 qkm groß) bis
"en" zur obersten Aar häugeu durch die Einsattelung des Grimselpasses
Mittelalpen. 77
(2210 m) mit den Lepontischen Alpen zusammen. Aus ihrem W
kommt die Saane zur Aar; letztere entsteht an der N = Seite des
Finsteraarhorn (4275 m); w von diesem ragt die Jungfrau
(4170 m) auf, s von ihr das Aletschhorn (4200 m). In seiner
halben Länge wird dieser Alpenzug mittels des Gemmipasses
(2330 m) vom Thuner See nach S (zum Bad von Leuk) über-
schritten.
Die Berner Alpen im W, vorwiegend der Kalkalpenzone angehörig, sind
nicht nur das gletscherreichste Gebiet der gesamten Alpen, sondern haben auch
die reichste und mannigfaltigste Gipfelbildung und die wechselvollsten Profile
und Thalgliederung in der n niedrigeren Verästung. Unter den Gletschern
sind die des Aletsch und des Finsteraarhorn die bedeutendsten mit 130 und
109 qkni Flächeninhalt.
3. In den Lepontischen Alpen, vom Simplon bis zum Lepontische
Splügeu (2120 m), ist am wichtigsten die St. Gotthardgruppe,
an welcher Rhone, Reuß, Vorderrhein und Tessiu entspringen. Von
letzterem führt der Paß, 2115 m hoch, w des 14,8 km langen
Tunnels, zur Reuß. ö vom Gotthard folgen noch mehrere Pässe,
vom Mittel- uud Hinterrhein mit veranlaßt. Die Splügenstraße
führt von letzterem zum Addagebiet. — Den Lepontischen Alpen
legen sich nach 8 als Kalkgebirge noch —
3a. die Tessiner Alpen an.
Der Gotthardweg kam erst im späteren Mittelalter in Aufnahme, denn
der Zugang vom Reußthal her war unpassierbar. Mühsame Arbeiten für eine
Straße im „Urner Loch" und die Teufelsbrücke führten die Verkehrslinie zu
einer steigenden Bedeutung. Von Göschenen im N wurde bis Airolo in
einer Höhe von 1109 m der Eisenbahntunnel 1882 fertig gestellt; die Bahn geht
mit mehreren Kehrtunnels im Tessingebiet und zum See von Lugano nieder.
— Auch für den Lukmanierpaß vom Mittelrhein 3 wird noch immer eine
Eisenbahn erstrebt. — Am Hinterrhein, welcher am Rheinwaldhorn (3400 m)
entspringt, geht weit oben die Bernhardinstraße, etwas abwärts führt von der via
mala aus der Splügenweg über den Hauptrücken. Letztere Straße leitet nach
Chiavenna — Clavinia (300 m).
J
73 II. Mittel-Europa.
^Alpe»^ Die Rhütischen Alpen, in zwei mächtigen Zügen nach NO
umbiegend, schließen das Thal des obersten Jnnlaufes ein, das
Engadin. Ihre n Hälfte heißt auch Granbündner Alpen. Sie
werden von der Julierstraße (2290 m) und derjenigen der Albnla
(2315 m) überschritten und enden am Jnnknie von Landeck; ein
w-n-w Ast, das Rhätikon, zieht links der Jll zum Rheine. Vor
dem Ende am Neschen schließen sich s-ö an die Rhätischen Alpen
die Ortler Alpen an, jenseit der 2755 m hohen Stilsser
Jochstraße. Über die s Kette führen der Septimer (2310 m), das
Malojajoch (nur 1810 w) vom Inn, der Bernina desgl. (2335 m).
Dieselbe endet an der Etschquelle oder dem Reschenpasse (1490 m).
Die Ortlergruppe (3905 m) ist von der südlicheren Adamello-
gruppe durch den Tonalepaß (1875 m) getrennt.
Der Septimer war trotz seiner Höhe der meistbegangene Paß im Mittel-
alter. Wenn arjch das Malojajoch die geringste Seehöhe hat, so ist doch der
Abfall nach 8 zu jäh. Zum Berninapaß, der zwischen dem tief herab be-
gletscherten Piz B ernina (4050 in) und dem aussichtsreichen Piz Languard
«3210 m) hindurchführt, steigt man von den Luftkurorten an den Seen von
Sils (1795 in), Silva plana und St. Moriz bequem an. Ihm fehlt eine
entsprechende Fortsetzung jenseit des Addathales oder Veltlin; denn hier legen
sich die Berga Masker oder Veltliner Alpen von W nach 0 vor. Nach
der n Seite kommt man vom Engadin über den Albula in das der Gesundheit
so zuträgliche Hochthal Davos. — Auf dem Rhätikon, einer Art von Wetter-
scheide, erhebt sich der berühmte Aussichtsberg Scesaplana (2970 m).
Nördl. 5. Nördliche Kalkalpen. Den Ur- oder Zentralalpen-
Kalkalpen. .. 1 Q ✓ • > .
zngen 1—3 liegen im N vor:
a) Zwischen Aar und Reuß die Vi erwald statt er Alpen, zu
denen uahe dem NW41fer des gleichnamigen Sees der Pilatus
(2130 m) gehört; — b) zwischen Reuß und dem Thale des Vorderrhein
die Glaruer Alpen, wo der Tödi 3625 m emporragt. Von ihm
kommt die Linth, welche, nebst dem Linthkanal, dem Züricher,
Zuger und Vierwaldstätter See — c) die Schwyzer Alpen be-
grenzt. Ihnen gehört der Rigi (1800 m) au. n-ö von ihnen
lagern — d) die Thnr-Alpen mit den „Sieben Chursirsteu" an
der Thalsenke des Wallensee und dem Säntis (2500 m), von
welchem die Thür kommt.
Diese Schweizer Kalkalpen haben nicht die schroffen Formen wie die-
jenigen im Donaugebiet, sind meist weniger hoch und überdies auch für die
Vegetation günstiger zusammengesetzt. Hieraus erklärt sich die reichere Be-
siedelung und der geförderte Almenwirtschaftsbetrieb großenteils. — Der
Pilatus wird nun ebenso wie der Rigi mit Zahnradbahn befahren; die Aussicht
von dem letzteren aus veranlaßte nahe seinem Gipfel und auf einer Vorterrasie
zu diesem den Bau großer Hotels. Eine ähnlich bedeutende Aussicht gewährt
der Mythen, v des Rigi (1999 in).
e) n des Rhätikon und des Jllthales lagern noch die Vor-
arlberger und Algäuer Alpen, von der Arlbergstraße 8 begrenzt
(deren Paß 1800 m).
Ostalpen.
79
Der w Teil wird Bregenzer Wald genannt, landschaftlich viel besucht.
Im 0 erhebt sich nahe dem Inn die Parseier Spitze (3040 m). Die Eisenbahn
führt mit 10 km langem Tunnel unter der Arlbergstraße seit 1884 vom Inn
zur Jll. Über die Algäuer Alpen siehe Seite 47.
§ 5. Gstalpen.
Am Reschenpaß beginnen die Zentral-Alpen Tirols mit den
1. Ötzthaler Alpen, aus deren massigem, gletscherreichem
Rücken die Wildspitze (3770 m) sich erhebt. Sie enden am
Brenner, einem Hochthal, von dessen Jochhöhe (1362 m) sich der
Eisack nach 8, die Sill nach N wendet, ö davon ziehen sich die
2. Zillerthaler Alpen bis zur Birnlücke (Krimmler Tauern)
hin, bei welchem seichten Passe
3. die Hohen Tauern beginnen. Ihre Kammhöhe beträgt Tauern,
meist 24—2600 m; ihre bedeutendsten Gipfel Venediger und Groß -
glockner steigen 3675 und 3800 w hoch an. Am Ankogel im 0
teilt sich der mächtige Urgesteinszug, so daß im N
4. die Niederen Tauern (Radstädter und Rotten-
mauuer) bis zum Einschnitt des Schoberpasses (nur 845 m), im S
5. die Steirisch-Kärnter Alpen (auch Norische Alpen
-genannt) bis zum Knie der Mur ziehen und deren Thal (den
Luugau) einschließen (ähnlich wie?).
Im ONO verlausen noch jenseits der Mur die Fischbach-
Alpen, welche durch den Sattel des Semmering (980 m)
6. mit den Eisenerzer Alpen zusammenhängen, die sich am
Schoberpasse an die Rottenmanner Tauern angeschlossen haben.
7. Nördliche Kalkalpen. Im N sind beiden letztgenannten »
Alpen a) die Österreichischen Alpen vorgelagert, an die sich nach ° ° m
NO der niedrige Wiener Wald anlegt. Dieselben enden im W am
Pyhrnpaß, w des Knies der Ems, die von den Radstädter Tauern
kommt, b) Weiter w lagern die Kalksteinmassen des Salzkammer-
gutes, eines Teiles der Salzburger Alpen mit dem Dachstein
(3000 m). Aus dem Salzkammergut sammeln sich die Wasser der
Traun, welche 6 Seen als Abfluß dient, unter ihnen dem Hall-
stadter, Gmundner und Attersee. (Für den W der Salzach
siehe Seite 46 u. 51.) c) Am Inn beginnen die B ayerischen und deren
8 Fortsetzung die Nordtiroler Alpen (siehe Seite 46). Zu letzteren
gehört der Solstein und die Martinswand. Sie enden am
Fernpaß.
8. Südliche Kalkalpen. Auch s von den Ur- oder Zentral- ^ T"dl.
alpen liegt eine Kalkalpenzone. ' " " "cn'
a) ö der Etsch und des Eisack die Dolo mit-Alpen mit dem
Schlern (2560 m) und der Marmolada (3366 m). s-v? von ihnen
jenseit der Brenta oder des Val Sugana sind die Trientiner Alpen.
Die Dolomit-Alpen enden s der Drauquelle oder des Toblacher
80
II. Mittel-Europa.
Feldes, b) ö lagern die Karnischen Alpen bis zur Wasserscheide
der Save und des Tagliamento (805 m). c) Darauf folgt ö
der Zug der Karawanken, o-s-ö — ä) die großenteils schroffen Ge-
birgsstöcke der Jnlischen Alpen mit dem Triglav, welche an der
Laibach enden.
Das Krainer Kalkplatean bildet dann den Übergang zu
den Gebirgen des 80 von Europa. Seiue steinübersäten und
baumlosen Teile bezeichnet man als Karst, namentlich dort, wo sie
steil zum Meere niedergehen.
Pässe. Wege. Vom 8 her führen zu den Zentralalpen: von der
Laibach der Loiblpaß (1235 m) zu dem Becken von Klagenfurt
(450 «i hoch) uud dem Wörth er See; eben hieher sowohl vom
Jsonzo der Predilpaß (1160 m) als vom Tagliamento die
Thalenge von Pontebba (570 m). Zur Drauquelle leitet von
der Piave her das Ampezzothal, zunächst mittels der Rienz
(Zufluß des Eisack). Vom Drauthale führt der Paß des Katfch-
berges (1640 m) ius Luugau, aus welchem mau über den Rad-
städter Tanernpaß (1740 m) zu der uiedereu Wasserscheide der
Euns (855 m) kommt. Von deren oberem Thale aus wird die
Wasserscheide der Traun (830 w) bei Aussee nicht ebenso leicht
gewonnen, als man von dem oberen Salzachthale, dem Pinzgan
zur Saalach und an ihrem Ufer ins Vorland der Alpen gelangt.
(Weiteres für die Ostalpen siehe unter Österreich-Ungarn.)
Alpenvorland — Hochrhein und Schweiz. gl
§ Das Alpenvorland.
Dasselbe erstreckt sich im sanften Bogen vom \V der Berner
Alpen oder vom Genfer See bis zur Traun und Enns, vom böh-
mischen Gebirgsraud und Jura im N und W begrenzt. Sein w
Teil ist das Schweizer Hügelland, von einem rasch ansteigenden
Rande im W begrenzt, vom Schweizer oder Französischen Jura.
Dasselbe und die Mittelalpen bilden im ganzen das Gebiet des
Ii. Hochrhein und der Schweiz.
§ 5. Grenzen.
Seine Grenzen hat dieses Land im S am Genfersee und
auf dem Rücken der Uralpen unter einigen s Ausbiegungen, besonders
über die Tessiner Alpen; im 0 geht es vom Rhätikon aus ins
Rheinthal, in welchem auch im N die Schweiz endet; im W ist der
Jura bestimmend. Das Gebiet des Staates umfaßt 41000 qkm.
Der Schweizer oder Französische Jura ist ein sogen. Faltengebirge,
das aber nach der W feite hin in sanfteren wellenförmigen Erhebungen ge-
lagert ist. Die Kammhöhe nach der inneren nnd Ostseite beträgt 12—1400 m;
hier sind auch die Hauptkuppen, wie im 8 der Cret de la Neige (Nasch, 1720 m)
und von dem niedrigeren NO der Weiß enstein (1450 m). Die Ketten legen
sich vor einander in NO-Richtung, weshalb sich einige Thäler nach dem
Schweizer Hügelland öffnen, so, daß Val Travers zum Neuenburger See
gehört. Dagegen fehlt es ganz an Querthälern, so daß nur sehr gewundene
Wege zwischen den Ketten und im Plateau hindurchführen; so vom Val Travers
und vom Zufluß des Neuenburger See aus über Pontarlier (eh) zum Doubs
(Duh), dessen Längsthal im Jura zu schluchtartig verläuft. Im N zieht das
Thal der Birs (berühmt durch den heroischen Kampf der Schweizer 1444 bei
St. Jakob, ö von Basel) eine gebogene Weglinie quer durch die Kettenfolge
des Jura.
Von diesem Ganzen gehört nur ein sehr geringer Teil außer
dem Wallis (S. 36) zum Rhonegebiet, nämlich nur da§ nächste
Uferland am Genfersee und am Ausfluß des Rhone aus diefem
(Kanton Genf). Außer im 0 und im 8 hat man nur das Gebiet
des Hochrhein vor sich, welchem sich erst am w Flußknie bei Basel
das Gebiet des Oberrhein anschließt.
§ 6. Bodengestalt im Rheingebiete.
In der Fortsetzung der Rhonethallinie fließt der Vorderrhein,
zu welchem dann vor dem ersten Flußknie der Hinterrhein mit
der Albula kommt; es beginnt der Rhein. Von seinem n ziehen-
den Thale geht unter dem Badeorte Rag atz eine stattliche Furche
w-n-w, durch den Wallensee weiterhin bezeichnet; zum rechten Rhein-
ufer eilt weiter abwärts von 80 die Jll. In der weiten Einsenkung,
welche großenteils vom Bodensee gefüllt ist, wendet sich der Fluß
völlig nach W, iu welcher Richtung er den Unter-oder Steiner-
6
82 II. Mittel-Europa.
See, v von Konstanz, durchzieht; der Überlinger See geht wie
der eigentliche Bodensee w-n-w. Nach dem Durchbruch und Wasserfall
bei Schafshausen mündet die Thür, bald auch die Aar, nachdem
sie die meisten Gewässer des übrigen Landes ausgenommen, und
zwar a) rechts: 1) die Limmat aus dem 45 km langen Züricher See,
in welchen die kanalisierte Linth (S. 37) auch den Abfluß des
Wallensee bringt; 2) vom buchtenreichen Vierwaldstätter See die
Reuß, n von ersterem durch deu Abfluß des Zuger See verstärkt;
die Emme, b) Links: 1) die Sanne (©. 42), deren Richtung die
Aar annimmt; 2) die Zihl, Abfluß des Bieler und Neuenburg er
Sees (240 qkm), mit letzterem auch des Murtener Sees.
Diese und die zahlreichen anderen Nebengewässer der Aar zerlegen das
Schweizer Hügelland in viele sanftere und wechselvoll erscheinende Höhenzüge.
Dessen niedrigste Stufe zieht sich als ein flacher Streif vom Genfer See her
längs des Ostfußes des Jura dahin. Dann folgt das wellige, höhere Mittel-
fand, durchschnittlich etwa 550 m hoch. —
Über die Bodengestalt des Gebirgslandes siehe bei „Die Alpen"
S. 76.
-.§ 7- Erzeugnisse und Bevölkerung,
a. Erwerb.
Die klimatische Verschiedenheit der einzelnen Gegenden des
Landes, sowie die wechselnde Zusammensetzung des Gesteines ver-
anlaßt entsprechende Unterschiede der pflanzlichen und mineralischen
Erzeugnisse. Zu letzteren gehören fast nur Werksteine aller Art.
Unter ersteren gewann in den tieferen Lagen des W uud N, nament-
lich, wo Windschutz und Bestrahlung begünstigen, der Weinbau und
die Seidenraupenzucht eine beträchtliche Verbreitung. In den
weniger hohen Alpenlagen, im Mittelgebiet und in den Niederungen
ist Milchwirtschast, d. h. Käse- und Butterproduktion, bedeutend
(Emmenthal, wie der größte Teil des mittleren Aargebietes über-
Haupt; Gebiet der Thür). Daneben bildet die Beherbergung und
sonstige Ausnützung der Fremden, die das Land bereisen, den
nächstwichtigen Eruähruugszweig, der mit der Natur des Landes
verbunden ist. Auch Fabriken und Gewerbe von großer Be-
deutuug fehlen der Schweiz nicht.
b. Bevölkerung.
Mannigfaltig erscheint aus so engbegrenztem Gebiet die Be-
völkernng bezüglich ihrer Abstammung oder Nationalität. Im W
wohnen die französischen Schweizer. Von der deutschen Reichs-
grenze n des Jura zum Neueuburger See und nach dem Wallis
oder dessen Hauptstadt Sitten - Sion zieht ihre Ostgrenze. Das
Tessingebiet haben Italiener inne; den 80, d. h. das Engadin
Bevölkerung. — Staatliches, Städte und Wege. 83
und Thalgebiete der obersten Rheingewässer bis Chur großenteils,
Rhätier oder Ladiner. Das übrige Land bewohnen Deutsche
alemannischen (schwäbischen) Stammes.
Die französische Sprachgrenze geht von der Grenze am MontTerrible (el)
ins obere Birsthal, an das Westufer des Neuenburger Sees, dann zur Saane
und durchschneidet Freiburg („im lichtlande"), um rechts der Saane über die
Verner Alpen zu kommen und zwischen Sion und Siders im Wallis zu enden.
— Die Rhätier haben eine eigene romanische Sprache (ähnlich in den Dolomit-
Alpen vertreten), bilden aber keine Mehrheit der Bevölkerung neben den
Deutschen des Kantons Graubünden. Man zählt in der Schweiz 2 070 000
Deutsche, 620 000 Franzosen, 175 000 Italiener, 38000 Ladiner.
§ 8. Staatliches, StäMe und XPege.
Die Schweiz ward aus der ursprünglichen Eidgenossenschaft
(1291, 1308 und 1353) unter vermehrtem Hinzutreten von Ge-
bieten allmählich zu der heutigen Republik (deren Regierung führt
zu Bern ein Bundesrat) hervorgegangen aus den Vertretern des
Gesamtvolkes und der Einzelrepubliken, Kantone genannt; an der
Spitze steht der Bundespräsident. Kantone gibt es 22; drei davon
zerfallen in Doppelkantone. Sie sind ihrer Bevölkerungszahl und
Größe nach sehr verschieden. So umfaßt z. B. Bern 6900 qkm
und 540000 Einw., Graubünden 7200 qkm und noch nicht 100 000
Einw.; Zng 350 qkm nnd 24 000 Einw. und Genf 280 qkm und
110 000 Einw.
Dem französischen Sprachgebiete gehören anßer dem NW des
Kantons Bern (Jura) an:
* Reuenlmrg*) — Neuchg.tel (Nöfchatel) am gleichnamigen See, Französische
ein Gebiet mit der ausgedehntesten Uhrenfabrikation, besonders in Le an<me*
Loele und la Chaux de Fonds (Schoh de fün). —■ ^Freibnrg im
tiefen Saanethal, im 0 deutsch; ihm gehört der See von Murten
an. — Waadt mit dem schöngelegenen Lausanne an dem Abhang
zum Genferfee, der ostwärts dicht von Ortschaften eingefaßt ist. —
^ Genf an beiden Rhonenfern nnd an der Arve, die hier vom
Mont Blane her mündet. Zahlreiche Fremde weilen hier in der
schöngebauten Hauptstadt, die Uhren und Geschmeidewaren in Menge
anssührt, erst seit Calvin im 16. Jahrh. emporgekommen (heute
75000 Entw.). In Wallis spricht man in dem an trefflichem Wein
und südlichen Obstarten reichen W französisch, auch in der Hauptstadt
Sion (Sitten). Weiter oben geht bei Brieg die ausgezeichnet fahr-
bare Simploustraße ab.
Der Weg über den Simplon kam sehr spät in Aufnahme, später als
der St. Gotthard. Er hat ja auch keineswegs in ähnlicher Richtung eine
Fortsetzung, wie z. B. der Große St. Bernhard, der einst den Straßen-
*) Die Bezeichnung durch Sternchen deutet an, daß der Kanton und
dessen Hauptstadt gleichnamig sind.
6*
84 II. Mittel-Europa.
Übergang bildete nach den römischen Plätzen am östlichen Genfer-See und von
hier sowohl am See weiter, als nach N und dann zur Aar.
_ Das spätere Peterlingen-Payerne (Konrad II!) und Avenches
(Arensch. Aventicum). Schon im Altertum zweigte der Juraweg durchs Orbe-
thal nach dem heutigen Pontarlier ab, auf welchem Karl der Kühue seine
Angriffszüge unternahm, die zu den Niederlagen von Grand so n (Granson)
und Murten führten. —
Staöti\mD Der Kanton Tessin ist durch seine Zugänge von N bedeutend
Kantone. (Gotthard, Lukmanier, Berhardin), und wie Wallis wegen seines süd-
lichen Klimas von Fremden viel besucht. Hier führt die sogen. Gotthard-
bahn nach Oberitalien. Nachdem man den 14,8 km langen Tunnet
hinter sich hat, muß sie noch 4 Kehrtunnel durchfahren (warum?),
bis man zum reizenden See von Lugano kommt. Hauptstädte Bellinzona,
Lugano, Locarno. — Graubünden (mit welchen 6 bedeutenden Pässen ?)
hat am Engadin und am Davos vielbesuchte Landschaften, wegen
des Höhenklimas (1700—1720 m). Im Unter - Engadin kommen
noch Bären vor. Chur ist die einzige namhafte Stadt,
dnttsche Die weiteren Kantone find durchaus deutsch. *Glarus, die
Kantone. Landschaft der oberen Linth; — *©t. Gallen, desfen Hauptstadt durch
Großindustrie ^besonders für Weberei und Spinnerei) bedeutend ist, durch
die Klostergründung des heiligen Gallus, Schülers der Bonifacius, ent-
standen; am Bodensee die lebhaste Verkehrsstadt Rorschach; —
^Appenzell vom Gebiet St. Gallens umschlossen, Stadt Herisau; —
w gleichfalls am Bodensee Romanshorn in Thurgau; — n
davon ^Schaphausen, S ^Zürich; außerordentlich gewerbsthätig
neben der Hauptstadt, die 2 Hochschulen besitzt, ist Winterthur,
Kreuzungspunkt von 8 Eisenbahnen; — *Zug. — s die 4 ältesten
Kantone, die 3 Waldstätte und Luzern. Erstere: ^Schwyz, wo
der berühmte Wallfahrtsort Maria Einsiedeln; — Uri mit Alt -
dorf; — Unterwalden (halbiert in Nid dem Wald und Ob dem
Wald) mit Sarnen; — ^Luzern; n-w der Hauptstadt liegt Sem -
pach (Sieg der Eidgenossen 1386).
Die Verbindungen dieser Kantone sind wenig zahlreich oder doch be-
schwerlich, wie z. B. vom Schächenthale, das bei Altdorf mündet über den
Klausenpaß nach der Linth (Suwarow 1799); Glarus hat nach 8 gar keinen
gangbareren Weg, führt aber doch sehr viel Gespinstprodukte aus; auch am
Ufer des Vierwaldstätter See hat man erst in der neuesten Zeit eine Straße
und dann die Eisenbahn in den ö Bergabfall gesprengt, Unterwalden hat
heute eine Bahn über den Brünig zur Aar, dem Haslithale.
Nordwest!. Der Kanton *Bern, von den Gletschern der Jungfrau und
antme' des Finsteraarhorn bis zum N^V-Abhang des Jura, zerfällt in das
landschaftlich hochberühmte Oberland mit dem Brienzer und Thuner
See, zwischen welchen Jnterlaken, in das Mittelland mit der
Hauptstadt, dem Sitze der obersten Behörden und einer kleinen
Universität, in das Seeland mit Biel und in das Juraland. —
n davon ^Basel (Doppelkanton Baselstadt und Baselland), reiche
Handelsstadt, kleine Universität; — 3 liegt ^Solothurn; ö Aargau
Deutsches Reich. 85
mit Aarau und der Ruine Habsburg an der Aar ober der
Reußmünduug.
An der unteren Aar wie bei dem Rheinknie trafen von jeher wichtige
Wege zusammen. Diese Gegenden besaßen nicht nur wichtigere Orte, wie die
Habsburg oder das römische Augusta Eauracorum (Äugst ö von Basel),
sondern sahen auch die blutigen Kämpfe bei Rheinfelden (1636), St. Jakob
(1444), Dornach (1499). In der Richtung auf Basel ward der Jura im
Hau enstein mit dem ersten großen Tunnel der Schweiz durchbohrt.
C. Deutsches Reich.
§ c). Lage und Grenzen.
Das Gebiet des Deutschen Reiches erstreckt sich zwischen 47 ^/s
und 55 Grad n Breite, sowie über 16 Meridiane, 5400 qkm um-
fassend.
Im N wird das Deutsche Reich fast längs der ganzen Grenz- M«tes==
linie vom Meere bespült, nämlich von der Nordsee und der Ostsee.
Zur Nordsee hat man mittels oder seitlich der Mündung der Elbe,
Weser und Ems buchtenartige Zugäuge. Auch die Ostsee tritt mit
mehreren Buchten in das Festland herein; so mit derjenigen von
Danzig, mit der Pommerschen und Lübecker Bucht, während überdies
drei Haffs, seenartige Gewässer außen an den Mündungen der Flüsse
Memel, Pregel und Oder, die Küsten noch stärker gliedern.
Die Ostgrenze ist weniger durch Thatsacheu der Bodengestalt Ostgrenze,
als durch Verträge der Staaten bestimmt. Es geht in dem Tief-
lande fast überall unmerklich in das große östliche Gebiet des rus-
sischeu Reiches weiter. Erst unter 50 Grad n Breite beginnen die
Sudeten als feste Naturgrenze. Auf den Gebirgszügen von dem
Qnellgebiet der Oder an bis nahe ans Fichtelgebirge (S. 31)
hat das Deutsche Reich seine Außeuliuie gegenüber Oesterreich.
Sie verläuft vom linken Oderufer an zuerst am ^ - AbhaugSüo^ und
des Mährischen Gesenkes, auch Sudeten genannt^), umfaßt den flrcuäe-
Rand des Glatzer Gebirgskessels, zieht aus dem Kamm des
Riesen- und Jsergebirges fort und windet sich über das Lausitzer
zum Elbsandsteingebirge, durch welches die Elbe hindurchbricht.
Daran ist als Grenzwall das Erzgebirge angeschlossen, worauf
die Grenze Bayerns (S. 48) auch diejenige des Deutschen Reiches
bildet; dies auch mehr als zur Hälfte gegen 8. — Hier setzt sie
sich vom Bodensee an in dem meist sehr eingeengten Rheinthal fort,
vom großen Rheinknie bei Basel an noch w über den Fuß des
Schweizer Jura gezogen.
Die W-Grenze geht über die Burgundische Pforte auf Westgrenze,
den Wasgenwald^), verläßt diesen am Berge Donon, (1000 m),
an welchem die Saar entspringt, verfolgt dann zuerst deren Wasser-
scheide, kreuzt dabei den Rhein-Marnekanal und zieht n-w über
86 II. Mittel-Europa.
das Lothringer Hochland und das tief eingeschnittene Moselthal, um
auf dessen westlichen Höhen n bis zur Nordsee sich fortzusetzen.
Hiebei geht sie längs eines Abschnittes der mittleren Mosel über
die ö Ardennen, die Hochvenn^) und links der unteren Maas;
den Rhein überschreitet sie vor seiner ersten Verzweigung und nachher
die Vechte, um durch das Bourtauger Moor zum Dollart zu
gelangen.
') Unter „Sudeten" versteht man häufig die ganze Gebirgsreihe von
der „Mährischen Pforte", d. i. von der Senke zwischen dem obersten
Oderlauf und der March an bis zum Elbsandsteingebirge; ebenso wird auch
der n-w höhere Teil des Mährischen Gesenkes Sudeten genannt. Im SC)
beginnt dieses wellige und noch immer gut bewaldete Plateaugebirge an dem
Marchnebenfluß Betschwa und erreicht in der Bergmasse des Altvater die
Höhe von fast 1500 m. Er hängt mit dem 80-Kamme des Glatzer Gebirgskessels
zusammen, auf welchem besonders der Glatzer Schneeb erg sich erhebt (1420 m).
Von diesem Querkamme geht der nördlichere Zug zum Neißedurchbruch, dem
Warthapasse, und dann als Eulengebirge weiter; parallel 8 von letzterem
das Adlergebirge, mittels des Passes von Reinerz oder Nachod vom
Heu scheuer unterschieden. , Nach niedrigeren Kuppen solgt w die Einsenkung
zwischen der Quellgegend des Odernebenflusses Bob er und dem ersten Elbeknie,
660 in (Paß von Trautenau). Von da aus geht das Riesengebirge als ein
sanft abgedachter Granitrücken empor, in der kahlen Schneekuppe zu 1600 m,
in dem großen Rad zu 1500 m. Zwischen den zwei Abteilungen seines
niedrigeren 8 Zuges läuft die Elbe nach S. Über den schmalen Einschnitt der
Jser im NW gelangt man zum gleichnamigen verzweigten Gebirge (Tafel-
fichte 1150 m), von dessen Nordabhang die Queis zum Bober, von dessen
8 die Lausitzer Neiße abfließt. Jenseit der letzteren w lagert im sanften
u Bogen das Lausitzer Gebirge (Jeschkenber g über 1000 in). Das Elbsandstein-
gebirge, durch zahlreiche kleine, aber scharfe Thalfurchen in viele plateauähnliche
und andere stumpfe Kuppen zerlegt, führt von dem fanften Granitgebirge der
Laufitz zweigeteilt zu dem 140 km langen und meist 700—1000 m hohen Erz-
gebirge, das bei der seichten u-8 Furche zwischen Pirna und Eulm-Nollen-
do rf (Sieg über Vandamme 1813) beginnt. Die politische Grenze bleibt vom
3 steilen Abhang dieses welligen Längsplateau meist etwas entfernt und tritt
an denselben nur beider höchsten und doppelten Erhebung des Fichtelberges
(1200 m) und des Keilberges (1240 m), an welchem Joachimsthal (einst
reicher Silberbergbau) liegt; ö von ihm ist der belebteste Übergang von
Annaberg nahe der Zfchopau über Weipert (bcchm.).
Die westlichste Abteilung dieses Grenzrückens sührt ihren Namen nach
dem Saalenebenfluß Elster.
2) Von der Wasserscheide zwischen Rhein (Jll) und Rhone (Doubszuflüsse)
in der burgundischen Pforte (350 in) geht es zur höchsten und massigsten Er-
Hebung des Wasgenwaldes empor, auf welcher die Grenzlinie über die Kuppe
des Elfässer Belchen (1250 in) gezogen ist, während der Sulzer Belchen
(1430 m) diesseits steht. Der ziemlich flache Rücken, meist 1000—1100 rn
hoch, wird nach N langsam niedriger; sehr kurze seitliche Rücken gehen nach
0 von ihm ab, ziemlich rasch zum oberrheinischen Tiefland sich abdachend. Keine
tiefere Einsattelung ergibt sich bis n des Donon (gleiche geographische Breite
mit Straßburg); nur die beschwerlicheren Wege von der obersten Meurthe
iSaint Die) nach 0 (Schlettstadt) und nach NO zum Thale der Breusch, die
innerhalb Straßburg in die Jll mündet, - wurden schon in früheren Jahr-
Hunderten viel benützt. Nach W erniedrigt sich das Gebirge mit langsamer
Neigung zu den Thälern des oberen Moselgebiets.
Bodengestalt. Flußgebiete. 87
3) Die Hochvenn ist der mit Torfmooren besetzte Plateauteil, n-w der
«Eifel, links der obersten Ruhr-Roer beginnend. Unmerklich ist der Übergang
von der Eifel zu den Ardennen, die an einer südwärts von der Quelle der
Roer gezogenen Linie ihren Anfang nehmen.
4) Das Bourtanger Moor umfaßt nahezu 3000 qkm, eine ausreichende
natürliche Grenze zwischen zwei Staaten, da ein Moor oder ein Sumpf für
den Verkehr ein weit stärkeres Hindernis bildet, als z. B. eine Wüste.
§ \0. Bodengestalt. Flußgebiete.
Ein großer Teil der deutschen Mittelgebirge liegt entweder
innerhalb des Flußgebietes des Rhein oder bildet dessen Wasserscheide.
1. Rheingebiet.
Der Rhein zeigt von dem Knie bei Basel an die 3 Abschnitte
des Ober-, Mittel- und Niederrhein. Der Oberrhein endet
am Rheinischen Schiefergebirge oder an der Mündung der Nahe,
w von derjenigen des Main; der Mittelrhein hört bei dem Eintritt
des Stromes in das beiderseits beginnende Norddeutsche Tiesland auf.
a) Gberrhein. Von Basel 'zieht sich zu beiden Seiten des
Flusses das nur 150—90 m hohe oberrheinische Tiefland dahin,
zu welchem links der Wasgenwald, rechts der Schwarzwald ziemlich
rasch sich abdachen, namentlich der letztere.
a) Rechts des Rhein. Der Schwarzwald erhebt ^chlwslüsie^dcs
bereits ober Basel als ein massiges Plateau mit sehr stumpfen von rechts.
Kuppeu, darunter der Feldberg 1500 m, der zweithöchste Berg der
deutschen Mittelgebirge. Nach N wird der Schwarzwald niedriger
(900—1200 m) und geht bei der Einsenknng, die vom Tiefland zum
Neckaruebenflnß Enz führt, unter 49 Grad n. Br., ins Neckar-
bergland über. Vereinzelt tritt im 8 nahe dem Rhein die flache
breite Kuppe des Kaiserstuhl auf. —
Zum Rhein fließt im 8 bei Basel die Wiese, — aus dem
Höllenthal unter dem Feldberg die Dreisam, an welcher Freiberg
liegt, — die bad. Kinzig und die Murg ziehen Furchen durch den
ganzen Schwarzwaldrücken, da sie bereits von der ö Abdachung
herkommen.
Der Neckar endet im N diesen Gebirgszug; er entspringt auf
den Ansängen des Jura, während die Donanqnellbäche Brigach
und Brege Wasser des Schwarzwaldes sind. — Sind auch zur rechten
der obersten Donau Jurabergrücken, so beginnt doch der sogen.
Schwäbische Jura oder die Rauhe Alp erst bei der Neckarquelle
mit dem Plateau des Heuberg. Der Steilabhang des Jura ist
n und hat viele Vorsprünge und Eiuzelkuppeu, z. B. den Hohen-
zollern, Lichtenstein, Hohenstaufen. Nur die seichte Furche
n-w von Ulm (f. S. 47) leitet bequemer hinüber und östlicher das
Donannebenflüßchen Brenz» — Der Neckar erhält längs des Jnra
88 II. Mittel-Europa.
keine Zuflüsse, erst in seinem Nordlauf die Rems und den Kocher,
sowie von dem Übergange zur Frankenhöhe (s. S. 55) die Jagst.
Einförmige Rücken trennen diese von der Tauber, dem Nebenflusse
des Main.
Im Maingebiet setzt sich der Jura, als der Fränkische
bezeichnet, n-ö fort, vorher dem Donaugebiet völlig angehörend, dann
Wasserscheide (s. S. 20). Desgleichen das Maingebiet bis zur
Rhön (s. S. 57). Der Westrand der Hohen Rhön, wie die Süd-
Hälfte gegenüber der n oder Vorder-Rhön heißt, entläßt die (Heß.) Kinzig
zum Main. Dieser erhält in der Frankfurter-Maiuzer Mulde uoch
die Nidda, welche vom Vogelsberge, einer flachen, gefurchten
Kuppe auch noch die Wetter aufgenommen. Links kommt zum
Main von dem sanften Plateau des Odenwaldes kein Fluß. Auch
dieses niedrige Gebirge (im Katzenbuckel nahe dem Neckar nur 630 m
hoch) steigt Dorf der Rheinebene ziemlich steil empor; dabei ist aber
sein Westabhang, die Bergstraße, ein überaus obstreicher uud über-
Haupt ergiebiger Streif.
Zustüsse ves ß) Links des Rhein ist es um das Vorland des Donners-
von?inks! berg noch besser bestellt, da hier Wein, Kirschen und Kastanien
vorzüglich gedeihen (s. S. 64). Über den Wasgenwald s. S. 62. Aus
seinem SW entläßt er die Mosel und sendet ihr noch im französischen
Lothringen die Meurthe (Mört) zu,, vom Donon die Saar. Das
Thal der Nahe, die bereits von der Vorstufe des Rheinischen
Schiefergebirges kommt, grenzt das Gebiet des Oberrhein ab.
Das Oberrheinische Tiefland stellt sich dar als breite Ebene zwischen
Schwarz- und Wasgenwald. Beide sind in ihren höheren und massigeren
Teilen krystallinisches Urgestein, an welches sich n und namentlich auf der dem
Rhein abgekehrten Seite Sand- und Kalkstein der sekundären Bildungen an-
legten. Gebänderte Färbung führte zu der bestimmten Benennung Vogefen-
fandstein (unterste Trias), welcher ausgezeichnetes Baumaterial ist (z. B. durch
das Straßburger Münster erwiesen).
Die Übergänge von 0 nach W sind auch im Schwarzwald unvorteilhaft;
kunstvoll kam von der Brigach zur Kinzig eine Eisenbahn zu stände; die Murg
aufwärts kommt man zum oberen Neckar. Zur linken ihres Mittellaufes ist
die seit uralter Zeit benützte Heilquelle von Baden-Baden, an der 0 feite des
Gebirgs aber im Enzthal das Wildbad gelegen.
Im Rheinthale ist der Kaiserstuhl die einzige Unterbrechung der Ebene,
ein Erzeugnis einstiger Vnlkanthätigkeit (560 m); überaus fruchtbar (Mark-
gräflerwein). Die wichtigeren Plätze liegen größtenteils links des Rhein, wenn
auch Freiburg ebenso alt, als heute aufblühend ist. Drüben sind viele größere,
namentlich zahlreiche geschichtlich wichtige Städte und Orte, auch unmittelbar
am Flußufer. Letztere sind nunmehr infolge geraderichtender Wasferbauarbeit
nicht mehr gewunden, auch ist der Fluß nicht mehr in Arme verzweigt. Gleichwohl
ist er wegen seines Gefälles und feiner Geschiebebewegung erst innerhalb der bayr.
Pfalz eine Wasserstraße, auch für Fahrten zu Berg nicht fchon von der Jll-
mündung aus, welche den Kanal von der Burgunder Pforte aufgenommen. —
w der Vogesen und des Pfälzer Westrich (s. S. 63) setzt sich die wellige
Plateaubeschaffenheit fort; doch konnte nicht nur der o-w Kanal von Straßburg
her sondern auch n-s der Saarkanal gebaut werden. Breit und tief zieht das
fruchtbare Moselthal die Grenzfurche (f. S. 63).
Bodengestalt. Flußgebiete. 89
b) Mittelrheingebiet. Dieser Teil ist fast ganz vom Rheinischen
Schiefergebirge bedeckt.
a) Rechts des Rheins bildet dasselbe stückweise auch die
ö Wasserscheide. Sie verläuft vom Vogelsberg nach NW über das von rechts,
hessische Bergland zum Ederkopf, von welchem Lahn, Sieg
und Eder (nach 0 zur Fulda) entspringen, dann nach o-n-o auf
dem Rothaar, weiter auf dem Wiuterberger Plateau mit dem
Kahlen Asten und auf der Egge (bis zum Beginn des Teuto-
burger Waldes).
Zwischen dieser Ostgrenze und dem Strome selbst lagern die
welligen Schieferplateaux, von 0 nach W durch Nebenflüsse unter-
schieden: 1. Vom Hessischen Bergland durch die Niederung der
Wetterau getrennt der Taunus, im 80 Höhe genannt (Feldberg
fast 890 m) im SW Niederwald (Germaniastandbild). — Die Lahn
umgrenzt im NO und S 2. den Westerwald, dem die Gipfel des
Siebengebirges im NW sich anschließen (Drachenfels 465 m). —
Im N geht er zur Sieg nieder. 3. Von ihr bis zur oberen Ruhr
erstreckt sich das Sauerland von der Wupper durchflössen, links
der oberen Ruhr auch nach deren 'Nebenfluß als Leuuegebirge
bezeichnet. — Nicht mehr zum Schiefergebirge gehört der so niedrige
Haar sträng am rechten Ufer der Ruhr, wie auch das Sauerland
bereits in die Niederrheinsche Tiesebene übergeht.
ß) Links des Stromes zieht sich die Einbuchtung des
Tieflandes in die Mittelgebirgszone noch südlicher herein. Es endet von links,
an den Erhebungen des rauhen, vielfach kahlen Plateau der Eifel
und Hohen Venn (f. S. 32). Aus letzterer kommt die Roer (Ruhr)
zur Maas; die erstere endet im 8 mit reichen Weingeländen am
windnngsreichen Thale der Mosel. Deren s Thalrand bildet den
waldreichern Hnnsrück (mit seinen aufgesetzten Zügen Hochwald
mit Erbeskopf 815 m, Idar- und Soonwald), von Saar und Nahe
außerdem begrenzt.
Dieses gesamte Gebiet ist ungemein reich an nutzbaren
Mineralien und Metallen. Auch eine Anzahl von Heilquellen
kommt aus dem großeu Gesamtplateau, namentlich im Taunusgebiet
uud bei Aachen.
Das Hinderliche der Plateauxgebiete für den friedlichen und kriegerischen
Verkehr hat nur den Außenlinien am Rheinischen Schiefergebirge eine oft in
der Geschichte empfundene Wichtigkeit gegeben, von den blutigen Gräueln der
Römer im Marser- und Sigambrerlande an der Wupper und Ruhr an durch
die Zeiten der Züge Karls des Großen hindurch bis in die Kämpfe des 7 jähr.
Krieges und Napoleons I. Im Inneren war die tiefe Linie im 80 vom untern
Main zur Weser durch die Wetterau und nach dieser von der Sieg her ein
vielgesuchter Verbindungsweg, besonders für den Handel im Mittelalter. Aber
je weniger die Gebirgsbildung den Verkehr erleichterte, nmsomehr hat man
am Rhein selbst, an der geradlinigen Wasserstraße des Flusses- und seinen
Ufern einen sammelnden und weithin allein wichtigen Naturweg. Wie im
Mittelalter so ist auch heute die Rheinschiffahrt sehr lebhaft; innerhalb
90 II. Mittel-Europa.
Deutschland verkehrten 1888 über 42 900 Schiffe und beförderten rund
17 700 000 Tons Güter. Dabei ist die Fahrtiefe erst von Köln an 6 m, von
Bingen aus nur 2,4 m. Ein großer Schiffahrtskanal wird demnächst zwischen
Ruhr und Lippe nach der Ems und Weser hin zu bauen begonnen.
Niederrhein. c) Der Niederrhem gehört, abgesehen von den Erhebungen am
Oberlauf der Ruhr und Lippe, nur dem Tieflande an, und zwar
auf deutschem Reichsgebiet fast nur sehr fruchtbaren Strichen. An
der Grenze biegt sich der Fluß nach WNW, und bald beginnt das
Delta. Erst links geht der wasserreiche Waal ab, dann rechts die
Assel (Eissel), links der Lek, rechts vom Krummen Rhein die
Vechte nach Amsterdam, und nur kanalisiert gelangt der Alt-Rhein
zum Meere. Unterdessen hat der Waal sich mit der Maas vereinigt,
welche nach einem langen, ziemlich einförmigen Laufe von dem
französischen Plateau von Langres an durch die Sambre links und
Ruhr (Roer) .rechts verstärkt worden. Hierauf zieht der rechte Arm
dieses Doppelgewässers zunächst als Merwe und Merwede zum
Lek. Nach der Vereinigung mit diesem heißt aber der zweifache
Ausfluß ins Meer „M>aasmündungen." Ein größerer Teil des
Maas- und Waalwaffers aber war bereits im Biesbofch zu den
seichteren, buchtartigen Mündungsarmen Hollandsdiep, Haringfliet
und Krammer s abgeführt worden.^
Die Rheinsch'iffahrt ist in dieser untersten Strecke minder lebhaft
als auswärts von Köln. Schon die Verzweigungen beeinträchtigen das Fahr-
wasser einer bestimmten Hauptlinie. Sodann muß der Rhein künstlich, d. h.
durch Dämme höher gehalten werden, als das umliegende Land; denn der W,
wie der N der Niederlande liegt tiefer als derMeeresfpiegel (s. <3.28), so daß bei dem
sehr geringen Flußgefäll leicht Versandungen, Schlammanhäusungen, Er-
höhungen des Flußbettes eintreten.
Immerhin zeigen die niederländischen Rheinhafenorte einen Güterverkehr
in Zu- und Abfuhr von 4 600 000 Tonnen. Die deutsche Schiffahrtsstrecke
ist von jenen Baulasten frei und erhält durch den Ruhrverkehr eine ganz
besondere Belebung. Am Mittelrhein kommen die Fahrzeuge der Mosel und
der Lahn zum Strome, erstere wird mit Dampfern auf Teilstrecken von Trier
aus befahren, die Saar aber von dem Kanal aus, welcher vom Rhein-Marne-
kanal herkommt. Die Lahn hat Dampferverkehr bis Limburg. Weitaus
bedeutender ist der Warentransporti des unteren Main, zumal da durch die
kanalisierte Strecke bis Frankfurt eine ungemeine Steigerung der Schiffezahl
veranlaßt wurde. Außerdem ist nur noch der Neckar, auf welchem gleichfalls
Dampfverkehr von Heilbronn an stattstndet, ein Zubringer für die Rheinschisfahrt.
Durch den Kanal von der Regnitzmündung zu der der Altmühl ist dann eine
schwache Verbindung mit der Donauwasserstraße hergestellt.
2.° Tonaugebiet.
Die Donau zeigt in ihrcm Oberlause 3 Abschnitte: a) bis
zur Jller-, d) dann zur Jnnmündung, c) bis an das Ostende der
Alpen oder bis zur Marchmündung.
Das bei Donaueschingen als Donau vereinigte Wasser der
Brigach und Brege, durch die Ouelle im dortigen Cchloßbrunnen
fühlbar verstärkt, durchbricht zuerst den Jurarücken, ohne jedoch einiger-
Bodengestalt.^ Flußgebiete. 91
maßen eine tiefere Rinne zn bilden. Sie kommt ziemlich wasserarm
bis zur Jller. Zur rechten dehnt sich bis zum Lech die schwäbische
Hochebene aus, welche von SW her die Abdachung von stumpfen
Erhebungen aus Juragestein bildet.
Zum Becken des Bodensee geht es unmerklich hinüber, wie ja auch die
Armut der Donau an Wasser wesentlich auch vom Abfließen einer beträcht-
lichen Menge aus der Flußsohle zum Untersee (Bodensee) herrührt. Infolge
des steilen Gefälles von Ulm n-w mittels der Geißlinger Steig zum Neckar-
gebiet ging der Bodenseeverkehr größtenteils nach Augsburg und Donauwörth.
Über die von Ulm mit Ruderschiffen, von der Regenmündung
an mit Dampfern befahrene Donau (s. S. 33 ff.). — Im NO wird
ihr Gebiet von der Wasserscheide des Maingebietes und dieses (S. 48)
von dem der Weser und Elbe begrenzt.
3. Wesergebiet.
Das Weser gebiet innerhalb der deutscheu Mittelgebirge AMtchung
sammelt hauptsächlich die Gewässer zwischen dem Rheinischen Schiefer-
gebirge, der Rhön, dem Thüringerwald und dem Harz. Die Werra,
welche in gleicher geogr. Breite mit der Wasserkuppe der Rhön
und dem Taufstein des Vogelsbergs auf dem Thüringer Wald
entspringt, empfängt von ersterer die Fulda, worauf der Fluß
Weser heißt. Die Fulda wird vorher durch die Eder verstärkt,
deren Zufluß Schwalm vom Vogelsberge kommt.
Der Thüringer Wald, ein Urgebirgszug, begleitet als ein nirgends
durchbrochener Rücken die Werra längs ihres halben Laufes, überall dicht
bewaldet, unschwer zu überschreiten, besonders von der Jtz zum Saaleknie bei
Saalfeld, am Beerberge (980 m) zwischen Suhl und Arnstadt an der
Gera. Sein berühmtester Aussichtspunkt ist der Jnselsberg (915 m) im
NW. — Von der Rhön gehört die Nordhälfte, die Vorder-Rhön, zum Weser-
gebiet; auch der W, wo der höchste Punkt dieses größtenteils vulkanisch
entstandenen Massengebirges, die Wasserkuppe emporragt (950 in). Die
Fuldischen Höhen leiten zum Vogelsberg, einem stumpfen Basaltmassiv, dessen
Abhang nach allen Seiten strahlenförmig Bäche aussendet. Nordwärts von
beiden lagert das hessische Bergland, von schrofferen Berggestalten vulkanischer
Herkunft überragt, z. B. dem Meißner (750 in).
Vom Rothaargebirge fließt die Diemel zur Weser; zwischen Lauf
ihr und der Fulda liegt der Habichtswald mit der Wilhelmshöhe n eeX'
bei Kassel (Herkulessäule; Napoleon III.), ö jenfeit der unteren
Werra dehnt sich das rauhe und unfruchtbare Eichsfeld aus, von
dem die Unftrnt zur Saale, also zum Gebiet der Elbe, die Leine
zu dem der Weser abgeht. — n der Diemelmündnng steigt vom
rechten Weserufer das Sandsteinplateau des Solling an (495 m)
und noch am Eintritt in die norddeutsche Tiefebene hatte der Fluß Berge
zu durchbrechen, die an zwei, freilich niedrige Rücken feine Ufer dicht
herantraten; er bildete die Porta Westphalica zwischen den sonst
sanften Rücken des Wichen- nnd Wesergebirges. ö von letzterem
zeigen Süntel und Deister ähnliche Formen. Die Leine ist ein
Nebenflnß der Aller, die schon im Tieflandgebiete entspringt; die erstere
92 II. Mittel-Europa,
nimmt vom Harz die Innerste auf, während von diesem Plateau-
gebirge, dem der Brocken als breiter Gipfel lagert (1140 m), die
Ocker noch zur Aller fließt, n von letzterer nimmt die Weser nur
noch von der linken die Hunte auf, vom Westende des Wiehengebirges
kommend.
Am Südfuße des Harz zieht sich die reiche Goldene Aue dahin, welche
im 3 von dem sanften Rücken des Kyffhäufer begrenzt wird; in gleicher
Richtung etwas südlicher bilden Hainleite und Schmücke an der Unstrut
die „sächsische Pforte", den Durchweg voni Thüringer Wald und vom
Werraübergang bei Eisenach her nach der unteren Saale und der Elbe bei
Magdeburg.
emsgcDict. Die Ems gehört nur insofern noch einigermaßen zu den
Mittelgebirgsgegenden, als ihr Oberlauf s des Teutoburger Waldes
dahin zieht; von diesem empfängt sie auch die Hase. Dagegen
nimmt innerhalb der Mittelgebirge ö der Weser, des Main und der
n Donannebenflöfse
4. Das Elbegebiet
den wichtigsten Raum ein.
Obere Elbe. a) Die obere Elbe schließt auch das Gebiet 8 der Sudeten
und des Erzgebirgs geographisch mit Deutschland zusammen. Sie
entspringt (S. 30)'auf dem Riesengebirge, erhält vom Glatzer Ge-
birgskessel die Adler, rechts die Jfer (woher?); hierauf kommt
wasserreicher als der Hauptfluß die Moldau von L heran. Letztere
wendet sich zuerst zwischen zwei Hauptrücken des Böhmerwaldes
nach 80, dann nach N und nimmt von letzterem die Beraun auf,
die bei Pilsen ans Andal (Paß von Eisenstein), Radbusa (fließt n
des Weges von Furth—Taus) und Mies entsteht. Links geht zur
Moldau die Luschuitz und die Sazawa, beide von der Mährischen
Höhe, dem durchschnittlich von SW nach NO 800—500 m hohen,
rauhen Grenzplateau zwischen Moldau-Elbe und March-Donau kommend.
Die Elbe ist es, welcher die Gewässer der böhmischen Gebirgsumrandung
angehören, während letztere nirgends nach 8 oder 80 von einem natürlichen
Ausweg oder einer Thalfurche durchbrochen ist. Dadurch ist Böhmen geographisch
mit Deutschland zusammengeschlossen, durch viele natürliche Eingänge vom
Oder-, Mittelelbe- und w vom Donaugebiet her zugänglich. Letzterem nähert
sich das 8 Knie der Moldau auf 35 km; hier befindet sich auch ein schwacher Einschnitt
über die östliche Fortsetzung des Böhmerwaldplateau, den Greiner Wald,
der Paß von Neuhaus oder von Rosenberg. Im 0 führen einige seichte
Furchen über die Mährische Höhe, von der Luschnitz zur Thaya; vou der
Sazawa zur Jglawa, Zufluß der Thaya; (daher an ersterer die Schlacht bei
Deutsch-Brod (Brod — Überfuhr, Fähre) nnd die Entstehung der deutschen
Stadt Ig lau; endlich von dem ö Elbeknie zur Zwittawa; hier der älteste
Eisenbahnübergang.
Mittlere Nachdem die Elbe in Böhmen die Eger ausgenommen, durch-
en,e' bricht sie erst das Mittelgebirge, dann das Elbsandsteingebirge, und es
beginnt b) ihr Mittellauf, der bis zur Havelmündung reicht.
Diese kommt von der Mecklenburgischen Seenplatte, aus den Havel-
Bodengestalt. Flußgebiete. 93
feen, und wird bei Spandau durch die Spree verstärkt, die am
Nordabhang des Lausitzer Gebirg entspringt, n der „Sächsischen
Schweiz" fließt die Schwarze Elster zur Elbe ab. — Zur linken
mündet in die Elbe die Mulde, entstanden aus Freiberger und Zwickauer
M., bald nachher die sächsische Saale, rechts von der Elster mit
Pleiße, links von Ilm (Thüringer Wald), Unstrnt (Eichsseld),
Bode (Harz) verstärkt.
c) Die untere Elbe empfängt noch rechts die Elde aus dem Untere Elbe.
Müritzsee, in welche auch der Abfluß des Schweriner See kommt,
und bei Hamburg die kleine Alst er. Mehrere km breit fließt der Strom
in das au Untiefen hier so reiche Meer, und wird binnen wenig
Jahren durch den bei Brunsbüttel beginnenden Nord-Ostsee-
kanal mit letzterem Meere in Schiffsverkehr sein. In dieses mündet
5. Die Oder.
Von dem s Teile des Mährischen Gesenkes aus zieht sie bis
zur geogr. Breite Berlins nach NW, dann erst nach N. In ersterer
großen Strecke hat sie als Nebenflüsse rechts die Klodnitz und
Bartsch, links die Glatzer Neiße (S. 29) die Katzbach von den
Vorhöhen des Riesengebirgs, den Bober mit Queis, die Lansitzer .
(Görlitzer) Neiße. Auf der unteren und ^strecke kommt von der
Polnischen Platte die Warthe mit der Prosna und Obra (l)
und der Netze (r.). Sie mündet in das Oder-Haff, aus welchem
die Arme Dievenow, Swine und Peene, diese als Mündung des
gleichnamigen Flusses von der Mecklenburger Seenplatte zur Ostsee
führen. Persaute und Stolpe kommen als Küstenflüsse ö in
betracht.
Im oberen Odergebiet zeugen die vielen Schlachtfelder zwischen dem
Flusse und den Rücken der Sudeten von der Wichtigkeit der Wege nach und
von Böhmen (1241; 30 jähr. Krieg; schlesische Kriege; Napoleons I. Feldzug
von 1813; 1866). Der natürliche Zusammenhang den Elbgewässern wird im
Friedrich-Wilhelmskanal zur Spree und im Finowkanal zur Havel
sichtbar. Auf der rechten haben Bartsch und Obra wesentlich der Entwässerung
von Sumpfgebiet gedient; auch die Netze und nach ihrer Mündung die Warthe
selbst. Schiffbar wird die Oder schon bei Kosel, die Warte in Polen an
ihrem Knie bei Kolo, die Netze ist eine Wasserstraße für die Weichselschiffe,
die auf dem Bromberger Kanal aus der Brahe kommen; von den Mündungen
dient nur die Swine Meerschiffen weiter Fahrt.
Wie die untere Elbe, so gehört auch die Oder größtenteils zum
Norddeutschen Tiefland. Das Gebiet der Weichsel erstreckt sich Nord-
allerdings größtenteils außerhalb des Deutschen Reiches. Doch ist Tieftm,?.
bereits ihre Quelle auf wenige km der Oder nahe; sie kommt von den
Beskiden (Karpaten). In Österreich verstärkt sie der San, in
Polen der Narew, in den der Abfluß des Spirdingsee geht, mit
dem Bug; an der Grenze Preußens mündet die Drewenz; links
fließt nur die Piliza in die Weichsel und am letzten Knie die Brahe.
94 II. Mittel-Europa.
Die Mündung zeigt ein Delta, nach NO strömt die Nogat in das
Frische Haff. Weiter ö fließt in letzteres
Der Pregel, aus Jnster und Angerapp entstanden; wie
diese kommt die Alle als linker Nebenfluß von der preußischen
Seenplatte. Vom Unterlaufe des Pregel geht die schiffbare Deime
in das Kurische Haff, in welches mit breitem Delta der
Memel oder Njemen aus Westrußland einströmt.
Das Gebiet des Norddeutschen Tieflandes, eine Fort-
setzuug desjenigen von Osteuropa, nimmt nach W hin bis über die
Rheiumüuduugeu an Breite allmählich ab, durch die Mittelgebirge
seitlich der Weser etwas verschmälert. Gleichsam Tieflands-Buchten
schneiden in die Mittelgebirgslandschaften längs des Rhein und der
Sächs. Saale ein. Durch Wechsel in der Gestalt und der Zu-
sammensetznng des Bodens zerlegt sich uns das Ganze in mehrere,
meist neben einander hinlaufende Streifen, zunächst von 0 nach W.
1. Vom Mittellauf des Memel-Njömen au beginnt der Baltische
Seenrücken, durch die breiten Niederungen der Weichsel, Oder,
Trave und Eider abgeteilt in die Preußische Seenplatte, mit
Mauer- uud^Spirdiugsee, — die Pommersche, — die Mecklen-
burgische mit dem Müritzsee — die Holsteinische Seenplatte
mit dem Plön er See. n geht die Erhebung im ö Teile Schleswigs
fort, wo aber nicht Seen lagern, sondern Meeres-Förde einge-
schnitten sind (s. S. 27).
2. Die Niederung der seichten Thäler der Flüsse, welche von
der untern Narew und Pilitza an nach W sich zieht.
3. Die nach WNW und NW verlaufenden breiten Erhebungen
von der Polnischen Platte aus erst r. der Oder dauu von der
Katzbachmündung an l., dann l. der oberen Spree, als Fläming r.
der Elbe, zuletzt als Lüneburger Heide (großenteils nicht 100 m hoch)
l. der Elbemündungsstrecke.
4. Das breite Gebiet der Moore, großenteils auch aus Saud
gebildet, von der Lüneburger Heide bis zum Rheindelta.
Würde das Land um 100 m sinken, so würde also nur das Meiste der
Seenplatten und der größere Teil der anderen Erhebungsreihe als Inseln
sichtbar sein; bis Bonn, Halle a/Saale und Leipzig und zur Katzbachmündung
ginge das Meer. Dieses hat ohne Zweifel auch nach den letzten Umgestaltungen
der Erdfeste durch das Einsinken des Bodens der Ostsee, welche erst nach der
letzten Vereisung Mitteleuropas entstanden ist, an der Küste eingebüßt. Längs
dieser nämlich bildeten sich außen Dünenketten; hinter diesen ward zuerst ein
seichtes ruhiges Wasser nahezu oder ganz abgeschlossen, in welchem dann aus
den vom Lande her zugeführten Schlammablagerungen fester, doch sehr durch-
seuchteter Boden entstand, die Marschen; freilich fast nur an der Nordsee und
außerdem an der Weichselmündung. Hinter denselben erscheint dann der
sandreiche ursprüngliche Außenrand des Festbodens. Doch wurden viele
Dünenketten, welche teilweise zu breiten Bändern geworden, wieder zerrissen
und in Inseln zerschlagen, wie die friesischen Inseln (westfriesischen, z. B.
Texel; ostfriesische, wie Borkum, Norderney; nordfriesische, wie Sylt); infolge
dessen auch hinter ihnen nicht Marschen, sondern bei Flut wasserbedeckte
Klima. 95
Watten sich befinden (f. <3.28) Inder Ostsee behaupteten sich Nehrungen, hinter denen
Hasse als Süß- und Brackwasserbecken sich ergaben oder kam zu Strandseen-
bildung wie in Pommern. Die Küste von der östlichsten Odermündung an
v bis zur Holsteinischen Seenplatte zeigt die Erscheinung zerlappter Einbuch-
tungen sowohl ins Festland, z. B. bei Greisswald w von Stralsund, in der
Bucht von Wiesmar — als auch in die vorgelagerten Inseln, wie in die von
Kreidefels gebaute Insel Rügen, deren Steilabstürze z. B. im N, Cap Arkona
und Stubbenkamer, den Gegensatz bilden; ebenso in Usedom und Wollin
und ihnen gegenüber ö und 8. Man nennt diese Bildung Bodden. — Die
Seenplatten sind weniger einförmig für das Auge als ungünstig für den
Verkehr durch ihre Seen und Sümpfe. Ihre Abflüsse sind meist kräftige
Gewässer. Die Preußische Seenplatte erhebt sich im 0 und W zu 310 und
315 m. Ihre größten Seen stehen mit einander in Verbindung, haben also
Zweiteilung für Narew und Pregel. Eine solche ward künstlich im W zwischen
dem Grenzflusse Drawenz und der Nogatmündung mittels des Oberländischen
Kanals hergestellt, auf welchem die Schiffe über die Scheitelstrecken auf Schienen
gefahren werden (geneigte Ebene, Schiffswagen). — Die Pommersche Seen-
platte sendet Stolpe und Persante zur Ostsee, oie Brahe zur Weichsel; beim
Weichseldelta steigt der Turmberg zu 330 m an. — Von der Mecklenburger
Seenplatte fließt die Peene (Nebenfluß Tollense) zum Oderhasf; aus den
Havelseen der gleiche Fluß nach 8, die Warnow nach N. Im W. ist eine
breite Niederung; sie veranlaßte schon im Mittelalter einen Kanal zwischen
der Trave, die von der Holsteinschen Platte kommt, und der Steckenitz, die
zur Elbe führt. — Die Tieflandzone s det baltischen Seenplatte ist durch die
sumpfreichen Furchen der o-w Flüsse und durch die sehr erleichterte Kanal-
Verbindung gegliedert. Durch große Arbeiten wurde viel Sumpfland kultiviert;
solches heißt hier dann Bruch (an der unteren Netze und Warthe, an der
Obra, an der unteren Oder). Kanäle: Bromberger oder Netzekanal—Finowk.
— Ruppinerk. — Rhin—Luch (zur Elbe); Friedrich—Wilhelmk. — Plauescher
Kanal (zur Elbe). — Im NW hat die Kultivierung von Moorflächen erst in
der neuesten Zeit große Fortschritte gemacht, mehr durch Bodenzusätze als
durch Entwässerung. Wo die Sümpfe aufhören, ist in NW Deutschland
vielfach weite Sandbedeckung vorhanden, fo daß Heide und Ödland verbreiteter
ist als Wald.
§ Klima.
Innerhalb des Deutschen Reiches zeigt sich eine merkliche Ver-
schiedenheit des Klimas der östlichen Gebiete von dem der westlichen.
Allein innerhalb dieser beiden ergibt der Einfluß der Bodengestalt
und der Nachbarschaft des Meeres oder derjenige der großen oft-
europäischen Landmassen noch wesentliche Unterschiede für die einzelnen
kleineren Teile.
Der W ist im ganzen wärmer, da hier der Winter gemäßigter
auftritt, dagegen regen- und schneereicher, weil die vorherrschenden
SW-, W- und NWtotntie mehr Feuchtigkeit herbeiführen. Der 0
hat strengeren Winter infolge der stärkeren Abkühlung der russischen
Gebiete und der geringeren Luftfeuchtigkeit, welche mäßigend wirkt. —
Die jährliche durchschnittliche Wärme sinkt nach je 100 m höherer
Erhebung des Bodens um nahezu 0,6 Grad Cels. und von W nach
0 nach etwa 350 km um 2 Grad. — Die Niederschläge fallen für
das Ganze jährlich in der Höhe von 67 cm. Sie treten aber sehr
96 II. Mittel-Europa.
verschieden auf je nach Bodengestalt und geschützter Lage. So hat
man in den Bayer. Alpen (z. B. Bad Kreuth) 200 cm, in dem
oberrheinischen Tiefland etwa 45 cm, auf den höheren Mittel-
gebirgen 100—130 cm.
Das Klima wird außer durch die Temperatur und Nieder-
schlage auch durch die Bewölkung, die Luftfeuchtigkeit, die Winde
und die wechselnde Höhe und Dichte der Luftschichten, d. i. den
Luftdruck, bedingt. Dazu kommt für kleinere Striche noch die
Lage gegenüber den Sonnenstrahlen (8 und W), im Schutze von
Gebirgsrücken gegen die NOwinde oder gegen die Regenwinde des
W. In der Nähe der Nordsee ist es regenreicher und sind die Winter
kürzer als nahe der Ostsee. Bei geringer Seehöhe ist es am wärmsten
in dem geschützten oberrhein. Tiefland, im Januar -s-20" im Juli
s. S. 64; am kältesten find die Winter in Oberschlesien: im Januar
—3°, Juli -^18,5°). Bei größerer Höhe, z. B. in Oberbayern zeigt
der Januar —3o, der Jnli —j— 17,3o. Auf Gebirgshöheu wie z. B.
dem Brocken hat man im Mittel des Januar —4,9» im Juli nur
10,4o, 1140 m über dem Meere.
Im ganzen lassen sich als Teilgebiete unterscheiden: a) Das rheinische,
in welchem die s Mittelgebirge besonders regenreich sind, das Schiefergebirge
aber wegen seiner kühlen Sommer und seines Bodens meist rauh, daher auch
waldarm, besonders die Eifel; d) das mitteldeutsche Gebiet, gleichfalls
ziemlich regenreich (70—190 cm), rauh in den plateauähnlichen Erhebungen;
doch haben geschlitzte Thalstrecken eine Juliwärme von -(-17 bis 18°, weshalb auch
der Weinbau nicht nur im Main- und Neckarthal (von Tübingen an) sondern
noch u des Thüringer Waldes über Jena hinaus möglich ist; c) das norddeutsche
Gebiet, durch seine Regenmenge zu 60—75 cm und Januarkälte von —*/j oder
— 1° verschieden von d) dem nordostdeutschen, welches —2 und —3o
(Königsberg fast —4») im Januar zeigt und nur 50—60 cm Niederschläge
erhält. Da aber hier das durch starke Temperaturgegensätze gekennzeichnete
Kontinentalklima herrscht, so haben die Sommer im Juli immerhin -f-17,5—18,8o
(Berlin-(-18,8o; Posen -(-18,4«); daher gedeiht in der Provinz Ostpreußen noch
Tabak, während das Gebiet der Buche seine Grenze etwa an der ö Elbwasser-
scheide besitzt. (Auch in Holstein und Schleswig ist der Osten weit regenärmer;
er hat etwa 75— 80 cm, die Westseite an der Nordsee 100 cm). Die Gegensätze
des Kontinentalklimas e) in der böhmischen GebirgsUmrandung im
Januar — 2o und kälter, im Juli +18 bis 19,5o, doch gedeiht trotz solcher Winter
Wein, Regen fällt mehr als im rechtsrheinischen Süddeutschland; 5) im
Donauland n der alpinen Zonen, wo der Juli -f17,5 bis 18,3o (Regensburg)
zeigt der Januar —3o und mehr; Regen fällt über 70 cm; erst in der Nordhälfte
des Gebietes zwischen Alpen und Donau gedeiht Waizen in vollbefriedigendem
Ausmaße, (s. S. 62).
§ \2. Produktion.
Wald. Klima und Zusammensetzung des Gesteines und Bodens machen
Deutschland zu einem sehr mannigfaltigen Gebiete von Natnrerzeng-
nisten. Der Waldbau hat sowohl in den Mittelgebirgen, welche
nicht Plateaugestalt haben, als auch in den flacheren Strichen südlich
der Donau, desgl. auf den sandigen Lagen der oberrheinischen
Produktion. 97
Tiefebene und in den von Sümpfen wenig durchsetzten Gegenden ö der
Elbe große Verbreitung. Er nimmt von der benützten Bodenober-
fläche Deutschlands 26 Prozent ein.
Die Eiche hat ihre Verbreitung in den Wäldern n der Unterelbe, in
NW Deutschlands und einigermaßen im Gebiet des unteren Main, gedeiht
aber auch sonst in Süddeutschland bis etwa 600 m Seehöhe; die Buche steigt
auf den Bergen um ein beträchtliches höher an; weitaus vorherrschend aber sind die
Nadelhölzer, welche auf allen höheren Mittelgebirgen und zwar vielfach auch
auf dem Kamme verbreitet sind. Die Fohre oder Kiefer namentlich vermag
ebenso das sandige Heideland, wie z. B. um Nürnberg, als Sumpfgegenden,
wie auf den norddeutschen Seenplatten, nutzbar zu machen. Nur die Gipfel
des Böhmerwaldes, Riesengebirges und des s. Schwarzwaldes erscheinen
klimatisch für sie zu ungünstig.
Der Getreidebau findet überall mit genügendem Erfolge statt, Gewächse,
ganz besonders der von Kartoffeln' im mittleren Oder- und Elbe-
gebiet gedeiht namentlich auch die Zuckerrübe; Obst am meisten in
L^V-Dentschland, Tabak in der Rheinebene, Wein in allen tiefer
gelegenen Thalabhängen des Rheiugebietes.
kohlenflötze liegen an der unteren Saar, an der Ruhr, an der Mineralien,
mittleren thüring. Saale, an der- oberen Mulde und im 0 der
obersten Oder. Dort im 0 wird auch Eisenerz und Zink gegraben,
Eisenerz auch im Westerwald und im Ruhrgebiet, in letzterem auch
Blei, desgl. im Harz. Salz wird am meisten an der Bode, in der
Lüneburger Heide und an der Kochermündung gewonnen; Bernstein
n des Frischen Haffes. Die Kohlengewinnung Deutschlands betrug
1888 83 Mill. Tonnen (je 20 Ctr.); die Eisenerze 11 Mill. Tonnen;
Zink 670 Tonnen.
Es macht sich von der Produktion nach Landschaften folgendes besonders
bemerkbar:
Im SW ist das Tiefland am Oberrhein, soweit nicht Sand stark vor-
herrscht, überaus fruchtbar an Getreide, einschließlich Mais und an Futter-
pflanzen, Tabak gedeiht auf sandigen Flächen, Wein an den Abhängen, die
von L oder W bestrahlt werden; Hopfen s der Lauter bei Hagenau und s
des untersten Neckar. Die Vogesen sind reich an vorzüglichem Sandstein für
Bauzwecke, auch die Haardt. Hopfen und Wein gedeihen auch im Saar- und
Moselgebiete Lothringens. An erstem lagern mächtige Kohlenflötze bei Saar-
brücken (S. 64). Auf der rechten Rheinseite gegenüber der Nahemündung
und aufwärts wächst der kostbarste Wein im sogenannten Rheingau, am Abhang
des Taunus (Johannisberger, Rüdesheimer). Am Main beginnen die Weinberge
bei Schweinsurt (berühmt Stein- und Leistenwein bei Würzburg), an der
Tauber bei Rothenburg. Der Neckar hat Weinbau von Tübingen an. Über-
reich an Obst und gefördert in allen Zweigen der Landwirtschaft ist das
Neckargebiet. Hier liegen auch große Salzflötze an der Jagstmündung (auf
württembergischem, hessischem und badischem Gebiet), Eisenerze am obersten
Kocher, wo sich dann die Eisenwerke von Wasseralfingen entwickelten. Jni
Mittelrheingebiet ist der Reichtum an nutzbaren Mineralien und Metallen
sehr groß. An den Hängen des Moselthales und auf der Eifel werden Thon-,
Schiefer- und Kalklager zahlreich abgebaut, Eisenerze im SW, ganz besonders
int n-w Lothringen (1888: 2,800000 Tons), Achatschleiferei blüht links der
Nahe am Hunsrück, besonders zu Oberstein. Im N der Hochvenn sind
Bleiwerke (1888: 80000 Tons), Kohlenflötze, Ouarzlager für Glasbereitung .
7
98 II. Mittel-Europa.
(Stollb erg u. a.). Auf der rechten Rheinseite hat man besonders auf dem Wester-
wald und am Nahethal gleichfalls zahlreiche Kalk- und Thonwerke (Töpfereien)
im Gebiete der Sieg große Eisengewinnung (Siegen), Blei-, Zink- und Eisen-
lager in der ^l^V-Hälfte des Sauerlandes mit der größten Metall-, besonders
Stahlindustrie Deutschlands, deren Blüte wesentlich durch das große Stein-
kohlenbecken des Ruhrgebietes möglich gemacht wurde (Steinkohlen 1888:
18 Mill. Tons). (Plätze: Solingen, Remscheid, Altena, Essen, Bochum, Dort-
inund u. a.). — Die Bodenkultur erzielt Wein längs des Rheines bis Bonn,
an der Mosel, der unteren Lahn. Landwirtschaftlich etwas besser beschaffen ist
das Mittelgebirgsland der Weser, wo aber auch viele rauhe Striche sich finden.
Steine, z. B. aus dem Solling, und Holzausfuhr aus dem hessischen Bergland
erlangen hier Wichtigkeit; n des Harz gedeiht der Zuckerrübenbau und die
Zuckerfabrikation; Flachsbau in dem flachen Lande n der Ruhr und des Harz.
In letzterem ist der Bergbau auf Eisen- und Kupfererze, auch Silber sehr
entwickelt lGoslar, Andreasberg, Clausthal). Innerhalb des Wesergebietes wird
nur noch am Südabhang des Thüringerwaldes Eisen gewonnen (verarbeitet
in Suhl).
Im Elbegebiete sodann lohnt sich die Bodenkultur schon in Thüringen
manchfach. Gartenbau an der Gera, Nebenfluß der Ilm, namentlich bei
Arnstadt und Erfurt. Sogar Wein gedeiht an der Saale bei Jena. Neiche
Erträgnisse der Felder in der Niederung um Leipzig und von da zur Elbe,
ebenso in der Goldenen Aue zwischen Harz und Kyffhäufer bis zur Unstrut. Große
und wertvolle Salzlager finden sich an der Bode (Staßfurt) und s von
Magdeburg (Schönebeck) wie auch n der Elstermündung in die Saale bei
Halle, s von letzterem zahlreiche Braunkohlenwerke, n, am Ostfuße des Harz
(Mansfelder Revier) Silber nnd Kupfererze.
Produkte des Kohlenlager finden sich auch in dem Vorlande des Erzgebirges
deutschen uu^ gluar 3^ das bekannteste bei Zwickau, im ganzen 1888:
™ ' 5 130 000 Tons. Zahlreiche Werksteinbrüche und Thonlager werden
in den gleichen Gebieten, wie namentlich im Elbsandsteingebirge und
n davon an der obersten Schwarzen Elster und der Spree ausge-
beutet. Beiderseits der Mittelelbe, zwischen unterer Saale und Havel
und ö im Bereiche des mittleren Odergebietes einschließlich dem
der oberen Warthe gedeiht die Zuckerrübenkultur, wie überhaupt
die landwirtschaftlichen Großgewerbe, namentlich Spritbrennerei, in
dem Tieflandgebiet ö der Elbe zur russischen Grenze sehr verbreitet
und entwickelt sind. Außerdem wird Futterpflanzenbau sehr gepflegt,
weshalb auch Rinder, Schweine, Schafe und Pferde an Zahl und
Güte trotz des von Natur meist wenig reichen Bodens bestens ge-
deihen. Die bedeutendsten Pferdezuchtanstalten findet man ö des oberen
Pregelgebietes (Trakehnen ö der unteren Angerapp). Die vor-
züglichsten Wollschafe hat Schlesien, meist ö der Oder, während w
fetter Weizenboden bearbeitet wird. An und aus den Höhen und
im Bergland beiderseits der oberen Oder findet große Ausbeute au
nutzbaren Mineralien und Erzen statt; auf dem Tarnowitzer Plateau
Kohlen, 1888: 16 Mill. T., Eisen, Zink, Kalk in zahlreichen
Brüchen und Öfen näher dem Flusse auf beiden Seiten (Oppeln),
besonders für Cementbereitnng, Marmor, Granit, Basalt, Thon an
den Vorhöhen der Sudetengebirgsrücken, Steinkohlen s-w des Zobten
Bevölkerung, Staaten, Städte nnd Wege. 99
(Waldenburg); Eisenerze im Glatzer Gebirgskessel und n des Riesen-
gebirgs (in Schlesien (),7 Mill. T.).
An der Ostseeküste hat noch die Bernsteingewinnung zwischen
dem Frischen und dem Kurischen Haff, w hat Fisch- und Austernfang
große Bedeutung.
§ ^5. Bevölkerung, Staaten, Städte und IDege.
Das Gebiet des Deutschen Reiches ist zum weitaus größten Stämme.
Teile von Deutschen bewohnt. Diese gliedern sich nach Stämmen,
welche durch Mundart, Beschaffenheit der Dörfer und besonders ihrer
Häuser, Art der Bodenbebauung, Sitten und Trachten, wie nament-
lich auch durch Eigenschaften geistiger Art, auch durch verbreitetes
Auftreten bestimmter körperlicher Eigentümlichkeiten von einander
unterschieden sind.
Es gibt Bayern, Schwaben, Franken, Thüringer, Sachsen
samt Friesen. Außer den 44 Mill. Deutschen gehören noch Ange-
hörige des polnischen, dänischen, wendischen und französischen Volks-
tums zum Reiche (in Oberschlesien auch ein paar tausend Tschechen).
Die Grenze der Bayern bildet ungefähr der Ostraud des
Lechthales, sie zieht im Jura über die Altmühl, dann aus der
politischen Grenze der Oberpsalz bis in die oberen Naabgegenden
und von da ö zum Böhmerwald. — Die Schwaben (einschließlich
die s und s-w wohnenden Alemannen) haben ihre Nordgrenze etwa
vom Altmühlthale an quer über die Mitte des Neckargebietes ober-
halb der Kochermündung, nach der unteren Murg und längs der
Lauter bis zum n Rücken der Vogesen. — Die Franken, welche
im 8 an der oberen Wörnitz und an der Altmühl w der Vereinigung
der sränk. und schwäb. Rezat Nachbarn der Schwaben sind, reichen
im 0 bis zum Fichtelgebirge, sind aber mit Thüringern (Hermunduren
der Römerzeit) bis zum Steigerwald und zu den Haßbergen so
gemischt, daß in diesem ö Gebiete ihre Nordgrenze undeutlich etwa
am Thüringer Wald oder am Werrathal verläuft. Dann aber
hört dieser Stamm an der unteren Werra, dem Rücken des Rothaar-
gebirges, der 3 Wasserscheide des Ruhrgebietes auf und rechts des
Rheines »an einer n-w Linie zur Südersee (Zuydersee). Hier be-
ginnen die Sachsen, welche außer der Nordseeküste, wo die Friesen
seßhaft sind, den ganzen N Deutschlands bis zur Weichsel bewohnen
oder, wie z. B. Mecklenburg und Pommern, germanisiert haben. —
Von dem Beginn der Weser über das Eichsfeld und längs des Süd-
abhangs des Harz zur Saalemündung ist die Nordgrenze der
Thüringer, welche größtenteils das vordem slavische Gebiet ö der
Saale germanisiert haben. Ihnen und den Sachsen verdankt das obere
Odergebiet sein Deutschtum. Das Land ö der Weichsel wurde durch
den Deutschherrnorden mittels der verschiedenen deutschen Stämme
unserem Volke erworben.
7 *
100 II. Mittel-Europa.
^rechliche Polen gibt es an der oberen Oder, im oberen Warthegebiet,
Bevölkcr- westlich der Weichsel bis aus die pommersche Seenplatte 2,5 Millionen.
un0' (Etwa 150 000 Masuren auf der Südhälste der preußischen Seen-
platte). — Wenden wohnen an der obersten Schwarzen Elster und
oberen Spree etwa 120 000 — Dänisch sprechen in Nordschleswig,
n von der Flensburger Förde, etwa 150000 Menschen — Französische
Nationalität (250000) hat der SW Lothringens; doch hat Metz schon
fast zur Hälfte deutsche eingewanderte Bürgerschaft.
Die Gesamtzahl der Bewohner des Deutschen Reiches, das
Äwokmer- 544000 qkm umfaßt, beträgt 47^2 Millionen, so daß ans einem
zahl- qkm durchschnittlich 87 Menschen leben (Österreich hat 62, Frank-
reich 71, Italien 100 pro qkm).
Am dichtesten ist die Bevölkerung im Ruhrgebiet und am Rhein von
Bonn bis über die Ruhrmündung mit 160 Köpfen pro qkm, ebenso im
größten Teile des Königreiches Sachsen, am Oberrhein, am mittleren Neckar
und rechts des obersten Oderlaufes.
Der Konfession nach gibt es 30 Mill. Protestanten und
17 Mill. Katholiken, V* Mill. Israeliten.
§ {%. Staaten.
Das Deutsche Reich ist ein Bundesstaat, in welchem der König
von Preußen erblich als Deutscher Kaiser den Vorsitz führt. Die
Bundesfürsten nud die 3 Hansastädte Hamburg, Bremen und Lübeck
behandeln die Reichsangelegenheiten durch ihre Vertretung, den
Bundesrat, während die Bevölkerung durch die Abgeordneten zum
Deutschen Reichstag (397) vertreten wird. Die Bundesgeschäste,
(Vorbereitung der Gesetze, Verwaltung des Heeres, Zollwesen, Ver-
tretung im Auslande und die Verkehrsanstalten außer denen von
Bayern und Württemberg) werden vom Reichskanzler besorgt.
Die einzelnen Staaten bis ans die 3 Hansastädte haben die
gemischte Regierungsform wie Bayern es. S. 65; Elsaß-Lothringen,
das sogenannte Reichsland, hat statt eines regierenden Fürsten einen
kaiserlichen Statthalter.
Preuszen.
Das Königreich Preußen, 348000 qkm und 28 Mill. Be-
wohner, besteht aus 12 Provinzen, diese wieder bestehen aus Re-
gierungsbezirken.
Prov, 1- Brandenburg; Regierungsbezirke: Berlin, Potsdam, Frank-
Branden- surt a/O.
bürg. Städte: Berlin an der schiffbaren Spree, 1400000 Einw.
Mittelpunkt der Industrie, Hauptgeldmarkt und -Warenhandelsplatz,
Ziel von 10 Schienenwegen und mit großartiger Eisenbahn mitten
durch die Stadt. Reinliche und große Straßen, zahlreiche Monumental-
bauten und Denkmäler; drei Hochschulen. Politische Hauptstadt des
Reiches, Versammlungsort des Reichstages.
Preußen. 101
Lage zwischen Oder und Weichsel, zwischen der Leipziger Mulde und
der südlichsten Bucht der Ostsee. Die Richtung des Weges von 0, von der
Warthelinie, nach Berlin hin wird geschichtlich besonders durch Kriegszüge des
7jähr. Krieges bezeichnet, in welchem bei Kun ers d ors, ö von Frankfurt, und bei
Zorndorf rechts der Warthemündung Schlachten stattfanden. Im SWS von
Berlin sind die Elbübergänge nach und von der Leipziger Bucht manchfach in
Kriegen umstritten worden. Bei Mühlberg (Karl V) 1546, bei Dessau
(Wallenstein) 1626, bei Wartenburg <Hork) abwärts der Mündung der
Schwarzen Elster 1813. n in der Richtung gegen Berlin sind die Schlacht-
felder von Jüterbog! 1644, w ganz nahe das von Bennewitz 1813,
desgleichen nahe bei Berlin das von Groß beeren. Im W von Berlin ist
das Gebiet zu sehr von Wasser und Kanälen durchzogen, z. B. vom Ruppiner
und Rhinkanal, einer Art Fortsetzung des Finowkanals zwischen Oder und
Havel, wie im 0 von Berlin zwischen Spree und Oder der Friedrich Wilhelm-
kanal schon 1682 gegraben wurde. Die reizenden Seenlandschaften der Havel
aber gaben die Anregung zur Erbauung königl. Lustschlösser, wie Sanssouci
(Sansusih) und Babelsberg bei Potsdam.
W von Berlin führt die* Spree an dem aufblühenden Char-
lottenburg (kgl. Schloß und Park) vorüber nach SPandau, großer
Reichsfestung mit Werkstätten und Vorräten (Reichskriegsschatz). — s-w
an der neuen Erweiterung der Havel zu einem See liegt das im vorigen
Jahrhundert emporgebrachte Potsdam (kgl. Palast und große
Kasernen) 60009 Einw. Noch mehr w die einstige Hauptstadt dieses
Havellandes, Brandenburg (Brauibor im 10. Jahrhundert). Im
8 die Wolltuchwebereiplätze Kottbus oberhalb der vielfältigen Ver-
zweigung der Spree, d. i. „Spreewald", und an der Neiße Guben. —
Frankfurt mit Tuchhandel, 55000 Einw. Küstrin, Festung an
der Warthemündung; Landsberg ö davon, durch die Wartheschiff-
fahrt belebt.
2. Provinz Pommern; 1,5 Mill. Bew. Regierungsbezirke:
Stettin, Stralsund, Köslin. Pommern.
Stettin, großer Seeschiffsverkehr, Schiffswerste (Vulkan)
Rhederei; 110000 Einw. An der Dievenow Kammin, vormals Bis-
tum. — Greifswald, Universität, nahe dabei die Ackerbaulehranstalt
Eldena, Stralsund, 30000 Einw., reger Dampferverkehr, besonders
für die Bereisung der schönen Insel Rügen. Auf der Insel Usedom
die Seefestung Swinemünde; auf Wollin ist die Stätte des von
der Sage vielbehandelten Vineta oder Julin, zerstört im 12. Jahr-
hundert. Kolberg mit dem Seebad Kolbergmünde; ö dav.on
Köslin, 18000 Einw. Stolpmünde, ein kleinerer Seeplatz.
Pommern, bestehend aus Hinter- und Vorpommern, entbehrt einer
größeren Anzahl von bedeutenderen Städten. Dies erklärt sich sowohl aus
dem Vorwalten des einflußreichen Großgrundbesitzerstandes, durch welchen
namentlich die Schafzucht gefördert wurde, als aus der Hafenlofigkeit der
Flachküste und aus der ungünstigen Zugänglichkeit im ganzen 0 vom Inneren
des Landes her und noch über die Seenplatte hinaus, s regt die sandreiche Tuchler
Heide in Westpreußen den Verkehr zu wenig an.
3. Provinz Westpreußen; 1,4 Mill. Bew. Reg.-Bez. D a n z i g Prov West-
und Marienwerder. tireuken.
102 II. Mittel-Europa.
Danzig 120 000 Einw., nächst Stettin, besuchtester Seeplatz
Preußens, starke Seefestung. Zahlreiche Erinnerungen aus Mittelalter
im Inneren durch öffentliche Gebäude, Wohnhäuser und Wasserwege.
— ö der Nogat Marienburg, einst Hauptstadt des Deutschherrn-
ordens. Ganz nahe dem Haff der lebhafte Verkehrsplatz Elbing,
Weichselanswärts, ö vom Strome, Marienwerder in fruchtbarer
Umgebung, 10000 Einw. Dann s am-rechten Ufer die Festungen
Graudenz und Thorn (Geburtsort des Copperuieus 1473).
Wichtigkeit dieses Gebietes wegen der Beherrschung des Weichselverkehrs
und des vom Flusse erwirkten Zuganges zum Meere. An der Weichsel in
Culm ober Graudenz entstand der ruhmreiche Deutschherrnorden; infolge
seiner Niederlage in der furchtbaren Schlacht bei Tannenberg 1466 (ö der
oberen Drewenz) verlor er an Polen das ungefähre Gebiet von Westpreußen;
daher spricht man hier heute noch großenteils polnisch.
4. Provinz Ostpreußen; 2 Mill. Bew. Reg.-Bez. Königs-
X/JiPTCUßl-U' ✓ <l rf-t r •
berg und Gumkunnen.
Königsberg, Krönungsstadt der preußischen Könige, bereits
1255 durch Otakar von .Böhmen gegründet, ist große Festung;
155000 Einw. Universität; Denkmal Im. Kants. Schiffahrt für
Ausfuhr- und Durchfuhrhandel. Seefestung Pillan. Im N
Memel, nahe den von Dampsern befahrenen Mündungsarmen des
Njemen oder Memel;- diesem weiter auswärts das durch den be-
trübenden Friedensschluß von 1807 bekannte Tilsit. Gnmbinnen
nur 11000 Einw.; bedeutender Jnsterburg. Grenzort an der Eisen-
bahn nach Rußland ist Eydtkuhnen.
In der Linie des Pregel verläuft der Heerweg von dem Weichseldelta
nach Rußland, daher hier die historisch wichtigen Städte und Dörfer Eylau,
Friedland (1807); Wehlau (1657), Groß - Jägerndorf (1757). Im übrigen
Gebiete Ostpreußens haben die Zeiten des Deutschherrnordens zahlreiche Orte
geschichtlich bekannt gemacht, wie namentlich die damligen Gebiete Samland
zwischen Pregel und Kurischem Haff, sowie Ermeland an der Passarge
und oberen Alle vielgenannt werden.
Prov. 5. Provinz Posen; 1700000 Bew. Reg.-Bez. Bromberg
*5tlfcn' und Posen.
Bromberg mit 36000 Einw., lebhafte Binnenschiffahrt
(S. 95). Auf dem uralten Wege nach der oberen Oder liegt der
Erzbischofsitz Gnesen. ö der oberen Netze das SalzwerkJnowrazlaw.
— Posen, Festung 1. Ranges in der Mitte des Landes, schon
unter Kaiser Konrad II. ein Hauptort; 70 000 Einw. Der alte
Weg nach 8 (Böhmen) führt über Lissa, wo lebhafte Webeindustrie.
Prov. 6. Provinz Schlesien; 4 200000 Bew. Reg.-Bez. Oppeln,
Breslau, Liegnitz.
Oppeln (Oberschlesien) hat 15 000 Einw. Auf dem Tarnowitzer
Plateau sehr dicht beisammen Dörfer und Städte; die größte ist Königs-
Hütte (30000 Einw.); den ältesten Fabrikbetrieb hat n Benthen.
(im S Gleiwitz; Kattowitz). An der Oder Ratibor, wo die
Schiffahrt zu Thal beginnt. Kosel an der Mündung der Klodnitz,
Preußen. 103
deren Seitenkanal Kohlen und Metalle herbeiführen läßt. Neiße,
kleine Festung. — Breslau an einer Jnselbildung der Oder ent-
standen; große Webeindustrie, Handel mit Gespinststoffen und Leder;
Universität; 310000 Eiuw. Brieg (slav. Übergang) oderauswärts.
Glatz und Schweidnitz, kleine Festungen. — Liegnitz an der
Katzbach, lebhafter Jndustrieplatz, 45000 Einw. Namentlich die
Spinuerei, Spitzenherstellung, Weberei aller Art wird in dem
gebirgigeren 8 in zahlreichen kleinen Städten uud Dörfern viel
betrieben; besonders in Görlitz an der Laus. Neiße, Hirschberg
am Bober. An der Oder die mittelgroße Festung Groß-Glogau;
n-w von ihr die nördlichste Weinbaugegend bei Grünberg.
Sowohl längs des Flußes des Gebirges von der Elbe her nach Breslau,
Brieg, Oppeln und ö weiter zieht eine alte Verkehrslinie, als auch mit dieser
kreuzend die Wege vom 8 (S. 93). Daher auch die große Zahl von Schlacht-
feldern und Städtebelagerungen in verschiedenen Kriegen, namentlich unter
Friedrich II. (dem Großen); besonders bei Liegnitz (1241, 1760, 1813);
Leuthen w von Breslau, Mollwitz s-w von Brieg; mehrere Schlachtfelder
Friedrichs II. liegen längs des Durchganges von Landshut (Bober) nach Böhmen.
Breslau ist zugleich Zielpunkt dieses Weges und damit der großen alten
Verkehrslinie aus Böhmen nach dem Gebiete der unteren Weichsel und der
Bernsteinküste (Bernsteinwege der Etrusker). ...
7. Provinz wachsen; 2500000 Bew. Reg.-Bez. Merseburg, Sachsen.
Magdeburg, Erfurt. An der Elbe Torgau (Schlacht 1760) uud
Wittenberg, durch Luthers Wirken besonders berühmt. An der
Saale: Naumburg gegenüber der Unstrutmündung; Weißenfels,
lebhafter Jndustrieplatz; Merseburg, bekannt durch seinen Dom,
ehemaliger Bistumssitz (durch Otto den Großen gegründet). Unterhalb
der Elstermünduug Halle mit Universität, großer Waisenanstalt,
welche A. H. Francke gestiftet, und mit einer Saline; 85000 Einw.
w davon Eisleben, Luthers Geburts- und Sterbeort. Dann n-w-n
Mansfeld, einst Sitz eines berühmten Grafengeschlechts (s. S. 98).
— Magdeburg 170 000 Einw.; vielfältige Industrie, bes. in
Maschinenbau (Grusous Panzerplatten), Zuckerhandel; bedeutender
Dom, Festung. An der oberen Bode Quedlinburg, durch Otto
den Großen emporgebracht; n-n-w der vormalige Bischofssitz Halber-
stadt. — Erfurt, vormals Festung, Gartenkultur (s. S. 98) 60000
Einw. Hieher gehören auch die Distrikte s des Thüringer Waldes:
Schmalkalden und Suhl mit Eisenwaren- und Gewehrfabriken;
zu letzterem führt durch langen Tunnel die Eisenbahn von Erfurt
nach der fränkischen Saale.
Magdeburg war schon bei seiner Erhebung zum Erzbischofsitz durch Otto
den Großen eine ziemlich alte Stadt, da schon Karl der Große solche vorfand;
dieser machte sie zu einem Zoll- und Stapelplatz. Hier lud eine Zerteilung
des Flusses durch eine Insel und festes Gestein an den Ufern, während
sonst lose Geschieberückstände den Boden bilden, zur Gründung einer
größeren Ansiedelung ein. Die Elbelinie weist von 2 Seiten her auf die
Stelle der Stadt hin, ebenso die Aller, welche ehedem das Bett der
Elbe fortsetzte; die Saale biegt erst ganz kurz vor Magdeburg nach NO
ab. Fruchtbarer Weizen- und heute Zuckerrübenboden dehnt sich hier am linken
104 II. Mittel-Europa.
Elbufer aus; vom metallreichen Harz geht es über M. nach dem Odermündungs-
gebiet; der alte Weg am N-Fuß der deutschen Mittelgebirge mußte dann nach
Magdeburg sich gezogen finden, da hier von jeher eine rührige Bevölkerung
erfolgreich den Handelsverkehr nach 0 in die Hand nahm. — Auch Halle ist
ein alter Sammelpunkt verschiedener wichtiger Verkehrswege (7 Eisenbahnen).
Abwärts am rechten Saaleufer Wettin, aus welchem die sächsische Regenten^
familie stammt. — In der goldenen Aue Nordhausen (Kornbranntwein),
desgl. Langensalza.
Prov.Hessen- 8. Provinz Beflen-llaflau; 1 600 000 Bew. Reg.-Bez. Kassel
" und Wiesbaden.
Kassel, gewerbsthätige Stadt, reich an amtlichen Gebäuden
sowohl als Residenz bis 1866, als aus preußischer Zeit, 65 000
Einw. Karlshafen an der Diemelmündnng, Flußschiffahrt. Mar-
bürg a. d. Lahn, Universität. Fulda mit dem Grabmal des
Bonisacins, des „Apostels der Deutschen", Bischofssitz. Hanau
am Main, sehr rege Industrie (feine Metall- und Holzwaren);
Kampf der Bayern gegen Napoleon I. 1813. — Frankfurt a. M.,
großartiger Warenumsatz größter Bahnhof und die lebhafteste Fluß-
schiffahrt); Bank-Börsenplatz; Messen; das alte Rathausgebäude
„der Römer", wo die späteren deutschen Kaiser gekrönt wurden;
100 000 Einw. Gegenüber der industriereiche Vorort Sachsen-
Hausen. Fast n von Frankfurt der Badeort Homburg vor der
Höhe. Wiesbaden,- klimatisch besonders durch höhere und gleich-
mäßige Temperatur begünstigt, eine schöne und reiche Stadt, 56 000
Einw. (bis 1866 Residenz des Herzogs von Nassau), Kurort.
An der unteren Lahn die Bischofstadt Limburg; uahe der Mündung
der Badeort Ems (bes. bekannt geworden 1870) und innerhalb des
Taunus Langen-Schwalbach und Soden.
Rhein- 9. Rbeinprovinz; 4400000 Bew. Reg.-Bez. Koblenz, Trier,
Droötnj. Köln, Düsseldorf. (Zu Koblenz gehört Wetzlar mit Bezirk
an der Lahn.)
Im 8 an der unteren Nahe der Salinen^ und Kurort Kreuz-
nach. In der ruinenreichen schmalen Thalfurche des Rhein St. Goar
in reizender Lage, von der großen Ruine Rheinfels überragt.
Oberlahnstein an der Mündung. Auf dem halben Wege von da
zur Moselmündung große steinerne Brücke der Eisenbahn Berlin —
Metz. Die letztere biegt nach Koblenz ein, zu welchem außer der
linksrheinischen auch mittels fester Brücke die rechtsrheinische Bahn
führt. Es liegt rechts der Moselmündung als starke Festung, hat
32000 Einwohner.
Zur Römerzeit befand sich hier („ad conüuentes") eine Überfuhrstation.
Die Festung Ehrenbreitstein auf einem steilen Felsenvorsprung gegenüber
ist berühmt durch die dortige Aussicht. Stromabwärts auf gleicher Seite
Neuwied (Schloß, Erziehungsanstalten). Gegenüber Andernach, einst
Kastell des Drnsus, dann fränkischer Königshof schon unter den Meroivingern.
w davon der Laacher See (3,3 qkm groß), von Kratern einstiger Vulkane
umgeben, mit stattlicher Abteikirche im SW (s. S 32).
Ju der Mosellinie führt die Bahn nach Trier, 26000 Einw.;
Preußen. 105
zur Römerzelt Hauptstadt der provincia ßelgica; große Baureste
aus jenen Zeiten; Sitz eines Erzbischofs und Kurfürsten bis Anfang
dieses Jahrhunderts; stattliche Kirchen. (Saarbrücken, S. 97.) —
Aachen (rörti. Aquisgranum), fast 100000 Eiuw., Lieblingsaufenthalt
Karls d. Gr. Ältere Krönungsstadt der deutschen Könige (Kaiser s. S.
104); Bad; Wolltuchwebereiplatz; TechnischeHochschule. ödavon Düren,
Papierfabrikation. — Am Rhein gegenüber der Siegmündung Bonn,
einst wichtiger Platz der Römer, heute blühende Universität, 36 000
Einw. Ganz nahe die landwirtschaftliche Akademie Poppelsdorf.
Köln, 170000 Einw., 33 vor Chr. durch den Feldherrn des Augustus
gegründet; das gegenüberliegende Deutz erst durch Konstantin d. Gr.;
es hat 18000 Einw. Große Festung; der größte gotische Dom der
Erde (1248 begonnen, 1880 beendigt; 165 in Turmhöhe, 135 m
Länge, 86 m Breite). Bedeutender Handel, Banken; Schiffahrt,
auch unmittelbar nach England, n von Dentz Mühlheim, Eisen-
Warenfabriken. — Düsseldorf, 120 000 Einw., Malerakademie,
neuerdings auch Industriestadt. Gegenüber unweit des linken Rhein-
nsers Nenß (Römerplatz), durch seine Verteidigung 1474 gegen
Karl d. Kühnen von Burgund berühmt. Krefeld, Seidenwaren-
fabrikation. n davon Geldern und an der Grenze Cleve (Sage
vom Schwanenritter Lohengrin). Rechts des Rheins an der Lippe-
mündnng das feste Wesel; an der Ruhrmündung die Eisenindustrie-
städte Ruhrort und Duisburg, ö der Kanonenfabrik- und Kohlen-
platz Essen, 70000 Einw. (Krupp); s an der Wupper die Doppel-
stadt Elberfeld und Barmen, durch Spinnerei und Weberei höchst
bedeutend, 220 000 Einw.; s davon die Eisen- und Stahlwaren-
fabrikation zu Remscheid, w von diesem liegt Solingen (S. 98).
Im 8 ist Trier der Sammelpunkt aller Wege, welche über die Eifel
und aus der Umgebung der unteren Mosel nach dem reicheren und zugäng-
licheren Gebiete der Moseluferlande und der Saar führen und umgekehrt.
Die Hauptverkehrswege im N ziehen sowohl von der Ruhr her als von
der Wupper über Köln nach Aachen, um von da aus entweder nach Antwerpen
an der Scheldemündung und damit zum Meere, oder in der Maaslinie nach
Paris weiterzuführen. Der Rhein wird von Köln an 6 in tief, nachdem er
schon von Mainz an 2 in Tiefe selbst bei niederem Wasserstande behält.
10. Provinz Westfalen; 2 200 000 Bew. Reg.-Bez. Arnsberg, Prov.
Minden, Münster. Zum Ruhrgebiet s. S. 98. Arnsberg an der cWaleu'
oberen Ruhr, kaum 8000 Eiuw. Iserlohn, Altena, Hagen, Witten,
Bochnm, im 8 Siegen haben je 20—35 000 Einw. — Im
0 der von Karl d. Gr. errichtete-Bischofssitz Paderborn, s-w der
Lippequelle, n in einer Quereiusenkuug des Teutoburger Waldes
Bielefeld, Leinwandfabriken; Minden an der porta Westphalica,
20000 Einw. — Münster, Bischofssitz, 45000 Einw. Rheine an
der Ems, nächster Zielpunkt des Rhein—Emskanales.
11. Provinz Aamwver; 2 250 000 Bew. Reg.-Bez. Osna- .Prov.
brück, Aurich, Stade, Hannover, Hildesheim, Lüneburg. Hannover
106 II. Mittel-Europa.
Osnabrück an der Hase, früher Bischofssitz; Papenburg an
der Ems, Rhederei. — Emden nahe dem Dollart, Seeschiffahrt.
Noorden gegenüber der Insel Norderney, aber mit Binnenlage, und
Leer a. d. Ems treiben Rhederei. Von Emden geht das Telegraphenkabel
Deutschlands nach England und Amerika.
Am ö Mündungsufer der Weser Geestemünde, Hafenplatz.
Stade nahe dem Elbeufer. Verden an der Allermündung, ein Bis-
tum durch Karl d. Gr. — Hannover an der Leine, eine rasch
entwickelte Stadt, seit es 1866 zu regsamer Webeindustrie überging,
durch Kohleulager des Deister unterstützt, reich an schönen Bauten,
170000 Einw.; Technische Hochschule. — H ildesheim an der Innerste,
Bischofssitz feit Ludwig dem Frommen 820. In dem durch das
Herzogtum Braunschweig getrennten 8 Gebiet Göttingen mit be-
deutender Universität. Im Harz Clausthal, Bergmannsakademie;
mit ihm bereits zusammengebaut Zellerfeld, Bergwerksstadt. Goslar
im N des Harz; einst beliebte Residenz der salisch-sränkischen Kaiser. —
Celle an der Aller auf dem Wege von Hildesheim und Hannover
nach Hamburg. Lüneburg mit großer Saline an der Ilmenau.
Harburg, Verkehrsplatz au der Elbe.
Prov. 12. Provinz Schleswig-Holstein; 1200000 Bew. Reg.-Bez.
Schleswig. Kreis.Lauen bürg mit der gleichnam. Stadt an der
Elbe. — Kiel, Kreishauptstadt an der gleichnam. Bucht; erste See-
sestung und Werfte des Reichs, geschützt auch durch die Vorfestung
Friedrichsort; Universität; lebhafter Seehandel und Fischfang. Von
der Kieler Bucht gebt der jetzige Eiderkanal und der künftige Ost—
Nordseekanal (f. S. 27) ab. An der Eider Rendsburg. Im 8 Altona,
an Hamburg mit seinen Häuserreihen angeschlossen, lebhafter Handel,
110000 Einw. Elbeabwärts Glückstadt. — Schleswig hat an der
Spitze aller Förden Städte: an der Schlei Schleswig, 17 000 Einw.
Flensburg, noch größerenteils dänisch, 35 000 Einw. Im W Ausfuhr-
platz für Vieh Husum n der Eidermündnng im Marschlande.
Holstein hatte im 8. und 9. Jahrhundert noch slav. Bevölkerung im 0,
in „Wagrien"; die Mitte nnd den W bewohnten Sachsen. — Zwischen Schlei
und der Flensburger Förde ist Angeln, von wo aus zum teil England im
5. Jahrhundert germanisiert wurde. — Die n Städtchen Apenrade und Haders-
leben sind deutsche Sprachinseln inmitten des Dänischen. — Die Halbinsel
n derjenigen von Angeln ist das Sundewitt, wo Düppel liegt. Gegenüber
auf der Insel Alsen liegt Sonderburg, Stammsitz einer Linie eines
Schlesw.-Holst. Herrscherhauses; bekannter ist jene, welche vom Schloß Gott orp
bei Schleswig stammt. — Wie Alsen an Schleswig, so legt sich Fehmarn an
Holstein an; über Sylt in W s. S. 94.
Zum preußischen Staate gehören außerdem noch im 8 zwischen
oberen Neckar und Bodensee die
Hohen- Bohenzollern'schen Lande; Reg.-Bez. Sigmaringen, der
zollern. Rheinprovinzialregier ung unterstellt; 70 000 Bew.
Sigmaringen a. d. Donau. Bei Hechingen vor dem n
Steilhang des Jura (S. 33) erhebt sich die Burg Hohenzollern.
Staaten von preußischem Gebiete ganz oder teilweise umschlossen. 107
S i5. Staaten von preußischem Gebiete ganz oder teilweise
umschlossen.
1. Groszherzogtum Mecklenburg-Streliiz ?rg"°
mit der Hauptstadt Neu-Strelitz auf dem Wege von Berlin nach
Stralsund, 11000 Einw.
2. Grotzherzogtum Mecklenburg-Schwerin.
Güstrow nahe der mittleren Waruow; Rostock, nahe ihrer
Mündung, lebhafte Rhederei, Universität; 40 000 Einw. Wismar,
Hafenplatz. Schwerin am gleichn. See, 32 000 Einw.
Das Herrscherhaus ist außer dem serbischen das einzige in Europa, mit welchem
eine slavische Familie auf einem regierenden Fürstensitz sich erhalten hat; es stammt
von den Obodriten zur Zeit Karls d. Gr. — Mecklenburg entbehrt der konstit.
Verfassung.
3. Die freien Hansastädte Lübeck, Hamburg, Bremen. Hansastädte.
Lübeck, durch feinen Vorhafen Travemünde und durch Ver-
tiefuugsarbeiteu an der Trave wieder zu lebhafterem Seehandel ge-
bracht, 55000 Einw. — Hamburg, 320000 Eiw., ohne seine Vororte.
Größte Schiffahrtsthätigkeit auf dem Festland Europas. Hauptein-
fuhrplatz für alle Kolonialwaren, bes. für Kaffee; erster Platz der
Erde für Elfenbeinhandel; großer Warenverkehr mit den Ostsee-
städten und Rußland. — Vorhafen Cuxhaven an der Nordsee. —
Bremen, 120000 Einw., zweiter Seehandelsplatz Deutschlands, bes.
für Tabak, Petroleum, Baumwolle. Bremerhafen.
Ein etwas höherer Platz in der nassen Umgebung rechts des Flüßchens
Alster bei Hamburg hatte zu einer festen Ansiedelung z. Z. Karls d. Gr. eingeladen.
Bis hierher reicht die Flutwirkung zu Gunsten der Seeschiffe. Ein fruchtbarer
Marschboden schließt sich s-ö an. Vom Ende der s-w Achse der Ostsee, von
der Lübecker Bucht her trifft man in der Fortsetzung auf Hamburg, wie von
der unteren Weser, wo in dieser die Flutwirkung aufhört. Von NW her ist
man durch 2 Küstenlinien der Nordsee nach dem Aestuarium der Elbe gewiesen;
wer von den ö Häfen Englands und dem s Norwegen abfährt nach 0 und S,
hat sein natürlichstes Endziel an der Mündung der Elbe. Dieser Fluß
sammelt einen großen Verkehr von Wasserwegen und von solchen des Fest-
bodens aus reich produzierenden Gebieten, die dann auch wieder viele Waren
von dem Platze an der Mündung beziehen. Sorgfältige Leitung der Stadt-
Verwaltung und Verwendung ihrer Mittel seit Jahrhunderten lediglich gemäß
den Bedürfnissen des Handels und sonstigen Erwerbs (nicht nach andern
politischen Rücksichten). — Hamburg hat einen von allein Zollverbande freien
Hafenbezirk, um auswärtige Zufuhren möglichst zu erleichtern. Über 250
Dampfschiffe weiter Fahrt und 500 Segler des Hamburger Handelsstandes
befördern dessen Frachten und eine große Zahl von Auswanderern; dazu die
Postsendungen aller Art. Für letztere ist besonders die „Hamburg-Amerikan.
Paket-Dampffchifsahrtsgesellschaft" wichtig. — In Bremen aber ist der Sitz der
bedeutendsten derartigen Gesellschaft, besonders für Personen- und Postverkehr
auf dem Atlantischen, Indischen und Großen Ozean, des „Norddeutschen
Lloyd" mit den am schnellsten gehenden Dampfern (24—27 km. per Stunde);
es arbeiten Schiffe mit 5—6000 Tons Raumgehalt.
Die Alster von N und die Bille von 0 zergliederten das rechte Elb-
ufer von Natur aus; dies vermehrte die Zugänge zu Wasser vom Ufer land-
einwärts.
108
II. Mittel-Europa.
Oldenburg, 4 Grotzherzogtnm Oldenburg.
Hauptstadt Oldenburg a. Hunte, 20000 Einw. Im an
der Jahde auf preußischem Gebiet der Reichskriegshafen Wilhelms-
Häven. — Getrennt vom Hauptteil des Staates a) das sogenannte
Fürstentum Lübeck mit Eutin; b) das Fürstentum Birkenfeld an
der Nahe mit gleichnamigem Hauptstädtchen.
Livve, 5. Die Fürstentümer Lippe-Detmold und Lippe-Schaumburg.
Die Fürstentümer Lippe-Detmold 0 des Teutoburger Waldes
und Lippe-Schaumburg, rechts der Weser, n vom Süntel. In
ersterem Detmold; unweit davon auf der Kuppe Grotenbnrg das
Denkmal Hermanns des Cheruskers. Bückeburg ö von Minden.
Walveck G. Fürstentum Waldeck-Pyrmont
unter preußischer Verwaltung. Das Waldeck'sche Gebiet n der
Diemel mit Arolsen; Pyrmont (0 von Lippe-Detmold) ein Badeort.
schweig- Herzogtum Braunschweig
zwischen mittlerer Weser und oberer Aller; Landesteile im Harz;
Holzminden" mit lebhaftem Flußverkehr (Steine, Holz). Wolfen-
büttel an der Ocker, als Lefsings Aufenthaltsort 1770—81 be-
kannt. Abwärts.liegt Braunschweig, eine reiche und in baulicher
Hinsicht merkwürdige Stadt mit regsamer Industrie, 86 000 Einw.
Anhalt. 8. Herzogtum Anhalt
vom Unterharz über die Muldemündung zum Flämming. Bern-
burg ober der Bodenmändung, früher Residenz. Dessau, Haupt-
stadt an der Mulde; n von der Elbe Zerbst. Köthen ehemal. Hauptstadt.
§ \6. Mitteldeutsche Länder.
Schwarz- 1. Schwarzburg
öur0' a) sondershausen, b) Rudolstadt; w der mittleren Unstrnt und
von der oberen Gera und Ilm zur Saale. Sondershausen an
der Wipper, n der Hainleite. Art der Gera Arnstadt (S. 98).
Rndolstad t, schöne Residenzstadt am Saaleknie, aufwärts im Schwarza-
thal Schloß Schwarzburg.
Reust. 2. Reutz
a) ältere, b) jüngere Linie. Greiz an der Elster Hauptstadt des
weit kleineren Gebietes a; Gera für b; beide mit lebhafter Web-
Warenindustrie.
Sächs. 3. a) Herzogtum Sachsen-Altenburg. l>) Herzogtum Sachseu-
^tümer. Meiningen, c) Herzogtum Sachsen-Coburg-Gotha. (!) Grotz-
Herzogtum Sachsen-Weimar.
a) An der Pleiße und an der Saale; Altenburg nahender Pleiße,
13 000 Einw. — b) an der Wertet und südwestlich des Thüringer
Mitteldeutsche Länder. 109
Waldes, noch rechts der Saale. Sonneberg, Spielwarenfabriken,
Hildburghausen, früher Residenz, an der Werra; abwärts Mei-
ningen, 12 000 Einw. — c) An der Jtz das Coburgische Gebiet; die
Stadt in reicher Gartenumgebung, 16 000 Einw. Das Gothaische Gebiet
n des Thüringer Waldes. Spielwarenfabrikation; die Stadt mit
30 000 Einw. — d) 3 größere Teile: an der Werra mit Eisenach,
in dessen Nähe die Wartbnrg.
An der Ilm Weimar, 22000 Einw. Doppelstaudbild Goethes
und Schillers; flußabwärts Apolda, Wirkwareuiudustrie; au der
Saale die Universität Jena.
Thüringen hat nur eine sehr wichtige Verkehrslinie, nämlich von dem
Becken um Leipzig nach dem Nordfuß des Thüringer Waldes. Sie zieht zuerst
aufwärts der Saale, dann dsgl. der Ilm bis zu ihrem Knie bei Weimar, dann
w über Erfurt, Gotha, Eisenach zu der Strecke des Werrathales, welcher sich
das der Fulda am meisten nähert, in welchem dann der Weg entweder s nach
der Frankfurter Mulde oder nw nach der Eder oder n nach Kastel u. s. w. abbiegt.
Doch ging schon zur Zeit Karls d. Gr. eine uralte Handelsstraße von Magde-
bürg her über Erfurt nach dem heutigen Suhl und von da einerseits nach der
fränkischen Saale (Mellrichstadt), andrerseits nach der Regnitz(Bamberg). Ein anderer
Weg von Belang zieht von dem Knie der Thüringer Saale bei Rudolstadt
und Saalfeld nach der Jtz (nach Sonneberg)'. Napoleon zog weiter ö zu der
für ihn siegreichen Schlacht bei Jena (1806).
4. Königreich Sachsen. Sachsen.
4 Kreishauptmannfchaften: Leipzig, Zwickau, Dresden, Bautzen.
Leipzig, ohne Vororte 180000 Einw., mit diesen 280—300000
Ziel von 7 Bahnlinien wegen seines überaus lebhaften Handels und
ebenso lebhafter vielseitiger Industrie, 2 große Jahresmessen, Haupt-
ort des Buchhandels und der Buchdruckerei jeder Art. Große Universität.
An der Kreuzung der Wege von der Tiefebene her nach dem mittleren
und s Deutschland und desjenigen von der Saale nach 0 am s Rand der
Tiefebene über die Elbe nach Schlesien war das Becken oder die Tieflandsbucht
von Leipzig die Stätte vieler Kämpfe. So schon 933 Sieg über die Magyaren
nahe bei Merseburg; n bei Breitenfeld 1681 und 1642; s-w bei Lützen 1632;
auf allen Seiten um Leipzig 16.—18. Oktober 1813.
Zwickau an der Mulde, Kohlen und Eisen. Planen an der
Elster, Weißwaren und Stickerei. Schneeberg, oberhalb Zwickau,
und Annaberg, n des Keil- und Fichtelberges, haben große Spitzen-
fabrikation. Chemnitz, n von Annaberg, großartige Fabrikstadt
(Spinnerei, Maschinenfabriken) 120000 Einw. — Freiberg, Berg-
akademie, Silberausbeute. An der Elbe Pirna, unterhalb der
Feste Königstein. Dresden, 250000 Einw.; bedeutende Sammlungen,
besonders im „Grünen Gewölbe" und in der Gemäldegalerie für die
Kunst. Technische Hochschule. Rege Elbschiffahrt. Abwärts Meißen
mit großer Porzellanfabrik. Dann Riesa mit großer Elbbrücke, da
6 Bahnen hier zusammentreffen. — Bautzen, 22000 Einw. an der
Spree, im wendischen Gebiete. Hier wie in der übrigen Lausitz,
besonders in Zittau an der Neiße, lebhafte Webeindustrie.
Über die Wege nach 8 s. S. 86.
110
II. Mittel-Europa.
§ \7. süddeutsche Staaten.
1. Königreich Bayern s. S. 45.
^rttem- 2. Königreich Württemberg;
4 Kreise: Neckarkreis, Jagstkreis, Donaukreis, Schwarzwaldkreis.
Stuttgart, schöne Hauptstadt nahe dem Neckar, 130 090
Einw., großer Gewerbefleiß, lebhafter Buchhandel und Buchdruckerei;
Technische Hochschule, anmutige Umgebung mit königl. Schlössern.
Durch Anlagen geht es zum Neckar nach Cannstatts Badeort.
Flußaufwärts Eßlingen, Fabrikstadt; abwärts Heilbronn, Dampf-
schissahrt bis Mannheim. — An der Enz Wildbad, dann Ludwigs-
bürg, Militärstadt.
Am oberen Neckar Tübingen, Universität, s-ö davon Reut-
lingen, sehn: gewerbthätig (Tuch, Leder). — Im S am Bodensee
Friedrichshasen, Dampffähren über den See. Ulm, große Festung,
Ansänge der Schiffahrt. — Ellwaugeu an der oberen Jagst; Hall,
Saline am Kocher; Mergentheim, Badeort an der Tauber.
Vadm. .. Z. (Hrofzherzogtnm Baden;
11 Kreise nach Städten benannt.
Wertheim. an der Tanbermündnng; lebhafte Mainschiffahrt.
Heidelberg am Neckar mit den Ruiueu des von den Franzosen
angezündeten herrlichen Residenzschlosses, Universität. Mannheim,
sehr günstig gelegen, größte Handelsstadt des Hberrheingebietes für
Produkte und Bedürfnisse der Landwirtschast, bis 1777 Residenz.
60 000 Einw. Karlsruhe, Hauptstadt unter 49. Grad n Br.;
Technische Hochschule. 58 000 Einw. Psorzheim an der Enz,
Goldwaren. Rastatt anderunterenMurg,ehemal. Festung. s-L-ö davon
Baden-Baden, reicher Kurort. An der Kinzigmündung gegenüber
Straßburg Kehl, weiter auswärts Offenburg, vou wo die Eisen-
bahn über den Schwarzwald führt nach Donaueschingen. Freiburg,
n des Feldbergs, im W des Höllenthales, aufblühende Stadt mit
Universität, 40 000 Eiuw. Lörrach, Haudelsstädtcheu bei Basel.
Constanz am Bodensee; Konzil 1414, Verbrennung des Böhmen Hnß.
Hessen. 4. Grotzherzogtnm Hessen;
2 getrennte Teile, 3 Provinzen.
Provinz Starkenburg: Darmstadt, Residenz in sandiger Um-
gebung, reger Gewerbsfleiß, Technische Hochschule, 52 000 Einw.
Offenbach, Fabrikstadt am Main. — Provinz Rheinhessen: Mainz,
Hauptort schon zur römischen Kaiserzeit; ältester deutscher Erz-
bischosssitz; ausblüheud durch Schiffahrt und Handel der Rheingau-
Produkte; große Festung, 70000 Einw. An der Nahemündung Bingen.
Rheinaufwärts Worms, ältester Sitz einer waffentüchtigen selbstän-
digen Bürgerschaft (1075), infolge Verbrennung durch die Franzosen
Übersicht über die Größe u. Bewohnerzahl der deutsch. Bundesstaaten. 111
UM seine Bedeutung gebracht (22 000 Einw.). — Provinz Oberhessen
vom Vogelsgebirg und der Wetterau eingenommen. Gießen, Univer-
sitütsstadt an der Lahn.
5. Reichsland Elsaß-Lothringen; 3 Bezirke. Reichsianve.
Bezirk Lothringen (fast ^/s Deutsche): Metz an der Mündung
der Seilte (Lei) in die Mosel; 1552—1870 franz.; große Festung.
Diedenhofen flußabwärts. Sargemüud an der Bliesmündung.—
Bez. Unterelsaß: Weißenburg im N (Schlacht), Hagenau, Zabern.
Straßburg an Jll und Arensch, alter Platz zur Römerzeit; Münster;
Universität; große Jndustrieen uud Kunstgewerbe; Rhein-Rhone-
und Rhein-Marnekanal; große Festung; 120 0000 Einw. Die Jll
aufwärts Schlettstadt. — Bez. Oberelsaß: Colmar, rege Webe-
industrie. ö davon Nen-Breifach, früher wichtige Festuug wegen des
Rheinüberganges, s Mühlhausen, der bedeutendste Baumwoll-
uud Leinenwebereiplatz Deutschlands, 75 000 Einw.
Deutschlands koloniale Schutzgebiete: a) 2 am Golf von Guinea;
b) in Südwestafrika; c) Deutsch-Ostafrika; d) Neu-Guinea, Bismarckarchipel,
Salomonen, Marschall- und Gilbertinseln. (Siehe die betr. Abschnitte in Afrika
und Australien.
§ \8. Übersicht über die Größe und Bewohnerzahl
der deutschen Bundesstaaten:
Größe iu qkm. Bewohner in Million. Größe in qkm. Bewohner
Preußen 350 000 28,87 Anhalt 2300 250000
Bayern 76 000 5,45 S.-Kob.-Gotha 2000 210000
Württemberg 19 500 2,04 S.-Altenburg 1300 170000
Baden 15 000 1,63 Lippe 1200 130000
Sachsen 15 000 3,30 Waldeck 1100 60000
Elsaß-Lothr. 14 500 1,60 Schwarzburg-
Mecklenburg- Rudolstadt 940 85000
Schwerin 13 300 0,58 Schwarzburg-
Hessen 7700 0,97 Sondersh. 860 75000
Oldenburg 6400 0,35 Reuß j. Linie 830 115000
Braunschweig 3700 0,40 Hamburg 410 530000
S.-Weimar 3600 0,32 Schbg.-Lippe 340 40000
Mecklenburg- Reuß ü. Linie 320 60000
Strelitz 3000 0,10 Lübeck 300 75000
S.-Meining. 2500 0,22 Bremen 250 170000
112 II. Mittel-Europa.
v. Österreich-Ungarn.
§ ^9. Grenzen.
Die ^-Grenze vom Bodensee an s wird durch das Rheinthal,
dann auf dem Rhätikon, quer über das Engadin auf die Ortler-
und Adamelloalpen gezogen. Die 8-Grenze verläuft quer über die
Etsch, dann auf den Trientiner-, Dolomit-, Karnischen und vom W
der Julifchen Alpen links des Jsonzo zum Meere. Wird dann Bos-
nien einbezogen, so hat man an der Küste der Adria fast vom 42. Grad
an über die Plateaux der Herzegowina n zu gehen, um längs des
größten Nebenflusses der Save, uämlich der Driua, zu ersterer Wasser-
straße zu kommen. Die Save bildet dann namentlich infolge ihrer
Überschwemmungsstrecken längs der Ufer eine natürliche Grenze bis
zu ihrer Mündung, desgleichen die Donau, bis sie am Südende der
Banatischen Gebirge in die landschaftlich so großartige Enge tritt,
welche bei Orsowa aushört, worauf bald in Gestalt von Klippen und
einesFelsriffes das „EiserneThor" (s. S. 34) folgt. Die Staatsgrenze aber
geht auf dem Hauptrücken der bis fast 2540 m hohen Transsyl-
dänischen Mpen fort, deren w Teil das Vulkaugebirge mit dem
gleichnamigen Passe (1620 m) bildet, den ö Teil das Bnrzen-
gebirge mit dem Tömöspasse (1050 m), den eine Eisenbahn über-
schreitet. Die Mitte des ganzen Gebirges durchbricht der Alt (Alnta)
in einer Enge (360 m hoch), Roterturmpaß genannt. Die Trans-
sylvanischen Alpen biegen nach N um und enden bald am Oitozpaß
(850 w), der vom Alt 0 nach dem Sereth führt. — Die 0-Grenze
zieht sich aus dem Rücken des Karpatischen Waldgebirges bis nahe an
den Borgopaß (1200 m), der von einem Theißnebenfluß herüber
nach NO führt. Hierauf wird aber ö ausgebogen, fo daß Sereth
und Pruth im Oberlauf noch österreichisch sind; es geht n über den
Dnjestr und dann über die oberen Strecken des Weichselgebietes und
längs des letztgenannten Flusses selbst zur obersten Oder.
§ 20. ^Bodengestalt. Flußgebiete.
Über den W, d. h. das Alpen- und das obere Elbegebiet s. S.
38 und 92. Es folgt das Tonaugebiet vom Wiener Becken an, die
Karpaten und die Flüffe des n nnd ö Tieflandes Weichsel und
Dniestr, sowie im 8 das Küstenland am adriatischen Meer.
Tie Donau. Die Donau nimmt in dem Tieflande des Wiener Beckens nur
die March auf, welche vom Glatzer Schneeberg kommt, am meisten
durch die Taya verstärkt. Im 0 zieht die Leitha nahe der Donau
in die oberungarische Tiefebene, wo der Neusiedler See das Ende
einer großen Moorfläche bildet. Die Leitha mündet erst etwas ober
der Raab, welche von den östlichen Alpen (s. S. 39) in 5 Bogen
heranfließt. Unterdes blieb die Donau in Arme verteilt, welche die
Insel Schütt bildeten. An deren ö Ende war von N her die Waag
Österreich; Bodengestalt. Flußgebiete. 113
gekommen, welche das Ungarische Erzgebirge im N begrenzt. Aus
diesem wird weiter ö die Gran von der Donau ausgenommen,
worauf der Bakouywald an das Knie der Donau herantritt, die
nun die große niederungarische Tiefebene durchströmt.
Auf dieser Strecke kommt zu ihrem ^V-Ufer der Sio, welcher Donau-
deu Abfluß des Plattensees bildet. Dann wird die Donau von der suflusse.
Drau nach 0 gedrängt, durch die Theiß nachher 8, worauf die
SaveWasserstraße au dem vorspringenden Felsgestein Belgrads wieder
die ö Richtung herstellt. Die Drau nahm erst weit ö vom Windisch
Bühel (S. 39) die Mur auf. Die Save jedoch verstärkte ihr Wasser
nach der Laibachmündung noch durch die Kulpa, Unna, Vrbas,
Bosna, Drina. Die Kulpa eutspriugt auf dem stattlichen Kapella-
gebirge, die Unna aus den Dinarischen Alpen, dem Grenzgebirge
Dalmatiens und Bosniens, wo der Monte Dinara 1810 m hoch
emporragt. Der Vrbas kommt vom Bosnischen Erzgebirge,
die Bosna von dem Plateau Romanja, die Drina von den
Schwarzen Bergen, aus 2 Flüssen entstanden (Piba und Tara);
ihr fließt vom Komberge (2450 m) der Lim zu. — Zum Adria-
tischen Meere geht die Narenta, von welcher über das Jvangebirge
die Straße 1000 m hoch zur Bosna führt. Zwischen Drau und
Save liegt das Kroatische Bergland, rechts der unteren Dran das
Fünfkirchengebirge, abwärts ihrer Mündung die Frnschkagora,
ein reiches Weingebiet.
Zur Linken hat die Donau das Ungarische Erzgebirge, als weit-
aus mächtigsten Nebenfluß die Theiß. Sie entsteht ungefähr unter zuflösse,
dem geographischen Breitengrad der Marchmündung in den Waldkar-
Paten, die dort an ihrem Ostabhang gegenüber den Pruth entsenden.
Dann fließen der Theiß zu: 1. von links der Szamos (Samosch),
aus dem großen S. von 0 und dem kleiueu von SW her entstanden:
2. von rechts der Brodrog bei Tokay; 3. der Sajo mit dem
H ernad, welch letzterer nahe der Waag entspringt; 4. von links die
Körös, aus der Schnellen, Schwarzen und Weißen K. entstanden;
5. desgleichen der Maros aus dem L der Waldkarpaten, mit der
Kokel; 6. die Bega, wegen ihres Kanales beachtenswert. — Dagegen
fließt die Temes (Temesch) in die Donau.
Im 0 der Karpatengebirge fließen Sereth und Pruth zur
Donau, der Dnjestr (er erhält eine Anzahl von Nebenflüssen) geht
zum Schwarzen Meer, nachdem er die Ruthenische Platte wiuduugs-
reich durchlausen. N von ihm entspringt der Bug (S. 29). Von
den Karpaten aber gehen der San und von der Hohen Tatra der
Dunajetz zur Weichsel, die selbst von ersteren abfließt.
Die Karpaten verlaufen als weite n und ö Umgrenzung des Karpaten.
Gebietes der mittleren Donau in folgenden Abteilungen:
1. Die Kleinen Karpaten von der Marchmündung bis zur
Betfchwa; 2. die West-Beskiden bis n der Hohen Tatra; über
114 II. Mittel-Europa.
dieselben führt der Jablunkapaß von der Oder zur Waag (588 m
hoch); 3. die Ost-Beskiden bis in die Nähe der Sanqnelle; 4. die
Waldkarpaten oder Karpat. Waldgebirge bis zum Oitozpaß.
— Wo Ost- und Westbeskiden aneinander treten, ragt im 8 ihnen
parallel zwischen 4 Flnßthälern der Kamm der Hohen Tatra steil und
hoch empor (Gerlsdorfer Spitze 2660 m). Ihr vorgelagert sind
im 8 die manchsach verlaufenden Rücken des Ungarischen Erz-
gebirg es. Die südlichste Erhebung in diesem gebirgigen Oberungarn
bildet die Matra, der Richtung nach eine Fortsetzung des Bakony-
Wäldes. An ihre weinreichen Abhänge (Erlau) schließt sich im NO
der Gebirgszug, an welchem der Tokayer Wein wächst, die Hegyallya
(Hejiallja) ö des Hernad. — 5. Von den Waldkarpaten an der
Samosquelle nach W und von dem W-Ende der Transsylvanischen
Alpen nach N ^ziehen die mäßig hohen Massen des Siebenbürger
Erzgebirges, in dessen Mitte das Bihargebirge. 6. Im SW
schließt sich noch das Banater Gebirge an, durch welches die Donau-
enge bei Orsowa zu stände kommt.
Die Siebenbürgische Gebirgsumrandung hat ihre Ausgänge wie nach
0 am Oitoz- und Borgopaß, so nach N durch das enge Samosthal. Im W
geht es vom Kleinen Samos zur Schnellen Körös nach Groß-Wardein, des-
gleichen im Marosthal und s davon im Hatzeger Thal nach dem der Temes.
Im 3 bilden Vulkanpaß, Schildurchbruch, Alt-Roter Turmpaß, Törzburger
(1420 m) und Tömöspaß hinreichende Aus- oder Übergänge. Das Innere
Siebenbürgens besteht größtenteils aus sanft welligem Tafelland, namentlich
durch Maroszuflüsse wie die beiden Kokel und Aranyos (goldführend) ge-
gliedert. — Die Waldkarpaten dachen sich nach NO ziemlich langsam ab, in
ihrem 8 Teile nach 0 ziemlich rasch, daher der Verkehr namentlich durch Hoch-
wasser oft gestört ist. Über ihren Rücken nach NO gibt es wenige und nur
hoch emporführende Wege. Unter ihnen ist der Magy ar ensteig (950 m)
von der Theißquellgegend zur Quelle des Pruth; sodann der Übergang 8 der
Dnjestrquelle von Munkacz nach Stryj (1000 m), heute eine Schienenstraße. —
Die Ostbeskiden passiert man 1) im Paß von Dukla (Städtchen in Gali-
zien); 2) ö desselben mit einer Eisenbahn, welche mit großem Tunnel die
beiden Gebirgshänge (zum Brodrog und zum oberen San) verbindet; 3) mit
der Eisenbahn vom Hernad zum Dunajetz in dem windungsreichen Thal des
Poprad. — In den Westbeskiden geht eine sehr belebte Eisenbahn von der
Waag über den Jablunka (kurzer Tunnel); — somit 4 Eisenbahnen nach dem
Weichsel- und Dnjestrgebiet.
§ 2\. Probufte und Alima.
Die Naturprodukte Österreich-Ungarns werden hinsichtlich des
Mineralreiches an vielen Orten gewonnen, wie auch der Boden aus-
gedehnter fruchtbarer Striche nnd Thäler ergiebige Ernten gewährt.
Produkte a) Der Westen. In den Alpen sind erst die östlicheren Er-
d. Westens. jungen reicher an Kohlen und Erzen. Im W wird nur der Sta-
tuenmarmor von Schlanders im Vintschgan (oberes Etschthal) weit-
hin versendet. An den 8-Abhängen der Steirisch-Kärntner Alpen sind
zwei große Eisenlager (Hüttenberg). Quecksilber zu Jdria 3 der
Julischen Alpen. Kohlen ö der Karawanken und ö der Kärntner
Österreich; Produkte und Klima. 115
Alpen nahe der Tieflandsbucht von Graz (nämlich bei Köflach).
Eisenstein im Erzberg, welcher am Prebühlpaß zwischen Mur- und
Ennsknie sich erhebt; einzelne Eisenwerke im oberen Leithagebiet. —
Im Marchgebiet Kohlen von Brünn, desgleichen rechts der Oder bei
Ostran. In Böhmen, Blei und Silber sws von Prag bei Pschi-
bram; Kohlen in der Gegend von Pilsen und w von Prag (Kladno),
und am Südfuß des östlicheren Erzgebirges (Komotau).
In diesem Sudeten- und Alpengebiete ist an Bodenprodukten
das Wein- und Obstland der Etsch (Bozen, Meran), die Viehzucht
des Pusterthales (Rienz und oberste Drau) wichtig. Die Süd-
früchte am Jsonzo, die Weine im Gebiete um Graz und s davon,
sowie am W-Rand des Leithabeckens, die reichen Ackererträgnisse zwischen
unterem Inn und desgleichen Enns haben besondere Geltung. In
den tiefergelegenen Strichen des Marchgebietes wächst die beste Gerste
Europas; in den höheren Weideländereien gedeihen vorzügliche Schaf- .
Herden. Zuckerrübenbau ist hier und besonders im ö Teile der
Elbenmgebnng bedeutend, welch letztere überhaupt sehr reiche land-
wirtschaftliche Ernten bringt. An der mittleren Eger wächst bei Saaz
Hopfen, defsenGüte dem vonSpalt (s.S.60)sast ganz gleichkommt. Höchst
wirksam sind die Heilquellen von Marienbad ö des n Böhmerwald,
von Karlsbad an der oberen Eger und von Teplitz s des Ostendes
des Erzgebirges.
b) Der Osten. Landwirtschaftlich reich in Viehzucht, ein- .Produtte
schließlich der Pferde, in Feldfrüchten und durch Branntweinbrennerei
ist auch der größte Teil des Weichsel-, des Dnjestr- und des Pruth-
gebietes. Dieses Land, Galizien, hat an den Abhängen der Wald-
karpaten, welche noch immer viel Holz ausführen lassen, im Dnjestr-
gebiet Petroleumquellen; Salzlager im W bei Bochnia und Wieliczka,
w des Dunajetz. — In Ungarn ist im Bereich der Ebene fast allent-
halben reicher Weizenboden; Rinder und Pferde gedeihen bestens.
Wein wächst an allen etwas tieferen, besonnten Abhängen, besonders
noch (S. 113) am NO-Ende des Bakonywaldes bei Ofen (Westteil von
(Budapest) und auf dem Füufkirchener Gebiete; an der Frnschka-
gora (Karlowitz); auch in Siebenbürgen am Kokel. — Siebenbürgen
hat wie die Marmaros (Gebiet der obersten Theiß) Salzlager,
Kohlen im SW. Kohlen und Eisen besitzt das Banater Gebirge,
Kohlen gibt es an der Matra, Eisen in der sogen. Kleinen Tatra
s des oberen Hernad, Gold und Silber beiderseits der mittleren
Gran. — In Bosnien findet sich Kohle an der mittleren Bosna; etwas
aufwärts, sowie w der obersten Bosna Eisen. An der Narenta ge-
deiht wertvoller Tabak, namentlich auch Südfrüchte, wie besonders
in Dalmatien, einem aufstrebenden Weingebiete. Massenhast werden
Faßdauben und andere Nutzhölzer aus Südungarn, dem Lande zwischen
Drau und Save, und aus den Alpenländern ausgeführt.
Das Klima hat abgesehen von den Gebirgsgegenden sowohlVe?hätt?Me.
8*
116 II. Mittel-Europa.
stärkere Gegensätze von Wärme und Kälte, also auch eine geringere
Menge von Niederschlägen.
Die Sommer treten rascher ein und sind heißer. Die Winter
zeigen nicht nur in der Tiefebene Ungarns heftige Schneestürme,
sondern überhaupt schärfere Kälte. Der Regeg fällt, wie im Gebirge,
so auch an der Seeküste in Menge, auch in Bosnien, doch in beiden
letzteren Gebieten nicht im Sommerhalbjahre; außerdem aber zum
teil sehr spärlich, besonders im ungarischen Tieflande. Durch die im
Frühjahr oft verspäteten Fröste und durch die große Sommerhitze
kam es, daß die große ungarische Tiefebene zu Steppenland wurde,
baumloses Gebiet, dessen Weideflächen (Pußta — Wüste genannt) aber
jetzt größtenteils in Weizenfelder umgewandelt worden.
Gebiete. Nieder-- fchlags-- Vrke Temperaturen (Mittel)
menge. mit Seehöhe. Jan. April Juli Jahr
m + + ~b
Prag (202) 1 —1,4 9,1 19,6 9,2
Tschaslau —2,2 8,3 19,1 8,5
Böhmen-Mähren 64 cm (o-s-o v. Kut-
tenberg)(259)
Brünn (225) —2,5 9,3 19,8 8,9
Nieder- und Ober- 84 cm Wien
Österreich Linz (377) —2,7 9,0 19,1 8,5
Tamsweg -8,6 4,0 14,3 3,9
Tirol, Salzburg, 110—115 cm (1014) -|-0,5 12,8 23,1 12,2
Kärnten, Bozen (277)
Obersteiermark Klagenfurt -6,3 8,8 19,0 7,3
(440)
Laibach (287) -2,6 9,8 19,7 9,4
Krain 110 cm ■ Rudolfswerth —1,5 9,9 20,1 9,8
(184) (n d. Kulpa)
Südsteiermark, 94 cm I Pettau (212) —1,1 10,2 20,7 10,1
Kroatien Agram (163) -0,5 11,9 22,3 11,3
Küstengebiete 92 cm J Görz Fiume 4-4,9 13,9 23.8 14,1
Ungarn 60 cm Pest (153) —1,4 10,8 22,3 10,7
(Tiefland) 41 cm Debreczin -2,4 10,7 22,4 10,5
Pantschova (65) -0,8 12,2 23,0 11,7
(i.8a/Tonau) 19,3 8,2
Hermannstadt —4,7 8,7
Siebenbürgen 77 cm ' (414) Bistriz (i. N) -4,9 8,8 19,3 8,6
(357) 16,4 5,9
Arva Varalja —5,5 5,6
Nordungarn und 75 cm ' (429) Westfuß der Tatra
Galizien, Bukowina Lemberg (298) -4,1 7,7 19,5 8,1
Czernowitz —4,0 8,3 19,9 10,0
Österreich; Bevölkerung; Staat und Städte. 117
§ 22. Bevölkerung; Staat und Städte.
Die Bevölkerung der Monarchie ist sehr mannigfaltig nach Ab-
stammung und Sprache, wie großenteils auch nach ihrer Bildungsstufe.
1. Im W wohnen die Deutschen im größten Teil des Donau-DeuttcheBe-
gebietes, desgleichen an der Etsch bis s der Eisackmündung. Von
Tarvis geht die Sprachgrenze durch das Becken von Klagenfurt
zum Windischbühel (S. 39). (Links der oberen Kulpa große Sprach-
insel von Gottschee.) Vom Windischbühel zieht diese Grenze nach
dem Neusiedler See und znm Fuße der Kleinen Karpaten. Dann die
March aufwärts und n der Taya nach W bis in die Nähe der
Moldauquelle; dann am Ostfuß des Gebirges und nach Pilsen; von
hier n-o-n nach der unteren Eger und weiter in ONO bis nahe an
die Elbequelle; am Glatzer Gebirgskessel vorüber nach 8 bis zum
geographischen Breitengrad von Pilsen, alsdann ö bis an die Beskiden;
zuletzt n über das Mährische Gesenke. Außerdem Sprachinseln (z. B.
um Jglau auf dem Mährischen Höhenrücken, Brünn an der Zwittava);
besonders zahlreich in Ungarn, z. B. in der Zips am oberen Hernad;
um Ofen; namentlich in Südungarn; dazu die 220000 Siebenbürger
„Sachsen" im Altgebiete und am Großen Szamos. Zahl der
Deutschen im Reiche 10 Millionen; davon im ungarischen Staats-
gebiete 2 Millionen.
2. a) Tschechen bewohnen Böhmen und Mähren 5,2 Mill.-Nich^eutsche
ihre wenig veränderte Fortsetzung nach 0 bilden b) die Slovaken völkerung.
in Nordungarn, 1,9 Mill. 3. Polen bewohnen fast das gesamte
Weichselland, 3,2 Mill. 4. Ruthenen ö von diesen und nach der
obersten Theiß hinüber, fast 3,2 Mill. 5. Magyaren (Majiaren),
das beherrschende Volk des Gebietes der mittleren Donau s von
2b uud 4, sowie von dem obersten Marosch zum obersten Alt (als
Szekler) 6,4 Mill. 6. Rumänen im übrigen Siebenbürgen und im
0 und 80 Ungarns 2,6 Mill. 7. a) Serben im s Ungarn ge-
mischt, desgleichen n der unteren Save und in fast ganz Bosnien
und Süddalmatien; b) Kroaten (römisch-katholisch, während die
Serben der orientalisch-christlichen Kirche angehören) w der Serben
bis zur politischen Grenze, zum teil längs der oberen Kulpa. Serbo-
Kroaten: 2,9 Mill. 8. Slovenen bis ins Jsonzothal: 1,2 Mill.
9. Italiener in den Küstenlandschaften des Adriatifchen Meeres
nnd in Südtirol: 0,7 Mill. (Slaven sind: Tschechen nnd Slovaken,
Polen, Ruthenen, Serbo-Kroaten, Slovenen.) In kleinerer Zahl
finden sich noch Bulgaren und Zigeuner vor.
Die Gesamtheit der Bevölkerung beträgt fast 38 Millionen; Bolkszahl
davon gehören 15,7 Mill. zum ungarischen Staatsgebiete; der Flächen- Flächen-
inhalt der Monarchie 625000 qkm, der des ungarischen Gebietes iuhakt.
322000 qkm. Bosnien umfaßt außerdem noch 51000 qkm und hat
118 II. Mittel-Europa.
1,35 Mill. Bewohner, darunter fast 500000 Muhammedaner und
575000 griechisch-orientalische Christen.
politische Österreich-Ungarn besteht aus zwei unabhängig von einander
'regierten Staaten: den westlichen Ländern, ungenau auch „Öfter-
reich" genannt, mit Galizien und Dalmatien, — und Ungarn, zu
welchem Siebenbürgen und Kroatien gehören, das Gebiet zwischen
Drau und Save resp. Kulpa. — Bosnien steht unter der Militär-
Verwaltung, da es dem Namen nach noch zur Türkei gehört. Das
Gebiet des westlichen Staates heißt amtlich „die im Reichsrate ver-
tretenen Königreiche und Länder" und hat wie der ungarische Staat
eine Volksvertretung, welche über die Ausgaben und Einnahmen des
Landes Beschlüsse fassen: es sind die Landtage. Im ungarischen
Staate besteht ein solcher nur für Kroatien. — Für die gemeinsamen
Angelegenheiten beider Staaten, nämlich ein Reichsheer (neben den
beiden von einander völlig getrennten Landwehrheeren) und die Aus-
gaben für die Gesandtschaften und Handelskonfnlate in fremden
Staaten u. dgl. gibt es 3 gemeinsame Minister, sowie zur Geld-
bewilligung eine Abordnüng von je 60 Vertretern aus dem Wiener
Reichsrat nnd-. dem ungarischen Reichstag.
I. Österreichische oder westliche Reichshälfte.
a. Sudetenländer.
Seemen. 1. Königreich Böhmen; 5,6 Mill. Einwohner, davon 2,1 Mill.
Deutsche. Hauptstadt Prag an beiden Seiten der schiffbaren Moldau,
250000 Eiuw. Das steile linke Ufer trägt den Stadtteil Hradschin
mit der alten Königsburg und dem nnansgebauteu Dom. Überhaupt
zahlreiche alte und neuere Kunstbauten in der malerisch gelegenen
Stadt. Deutsche und tschechische Universität. Große Industrie, be-
sonders in Eisenwaren. — An der Egermündnng Leitmeritz und
das feste Theresieustadt. An der oberen Eger die gleichnamige
Stadt, wo 1634 Wallenstein ermordet wurde. Pilsen, Bierbrauerei,
40000 Eiuw. Budweis an der oberen Moldau, wo die Wege von
8, von 0 und NW zusammentreffen. Kuttenberg, ö von Prag,
alte Bergwerksstadt, n davon Kolin an der Elbe (Niederlage
Friedrich II. 1757). Im N an der Lausitzer Neiße Reichenberg,
33000 Eiuw. Hauptort der großen Webeindustrie, welche von der
Elbe bis zu den Beskiden am Südrand der Sudeten überall rege
betrieben wird, besonders auch in Trautenan. Ein gleiches geschieht
auch auf dem gesamten Mährischen Gesenke im Kronland.
Schlesien. 2. Herzogtum Schlesien; 560000 Bewohner (Deutsche,
Tschechen und im 0 Polen). Städte: Jägerndorf, Troppan,
Teschen (Friede von 1779 bei Verzichtleistung Österreichs auf das
bayerische Erbe).
Mähren. 3. Markgrasschaft Mähren; 2,17 Mill. Einw., davon 560000
Deutsche. Hauptstadt: Brünn, Fabriken, gegen 100000Einw. Olmütz^
Österreichische oder westliche Reichshälfte. 119
große Festung an der March. Kremsier, flußabwärts. W-s-w
davon Austerlitz (Napoleons I. Dreikaiserschlacht 1805). Znaym
an der Thaya, feine Töpferei.
b. Jioncmtöniier.
4. Erzherzogtum Niederösterreich; 2,3 Mill. Einw. Wien
mit Vororten 1,2 Mill. Bew. Vorzügliche Kunstbauten bes. an der
Ringstraße; Stephansdom aus dem Mittelalter; Votivkirche, größte
deutsche Universität; große und vielseitige Industrie, bes. zur Be-
kleiduug, in Möbeln und Schmucksachen.
Von einem schiffbaren Kanal durchzogen ist es großer Kreuzungspunkt
wichtiger Naturwege von der Weichsel und Oder, der Elbe, vom Adriatischen
Meere und von der Donaulinie; Lage an den Übergängen vom Gebirge zum
Tiefland; leicht zugänglich; fruchtbare Umgebung; riesige Tegelmasfen und Kalke
im Leithabecken; Übergangsplatz für Deutsche, Slaven (Slovaken) und Magyaren.
Belagerungen durch die Türken 1529 und 1683; auf dem Marchfeld links der
Donau die Schlachtfelder von Dürnkrut 1278, Aspern 1809 (Sieg über
Napoleon I.), Wagram 1809. Dagegen auf dem rechten Donaufer bei dem
heutigen Tabakfabriksort Hainburg die Reste des starken röm. Carnuntum.
In Leithagebiet Bruck a. d. Leitha, Militärlagerplatz; Wiener-
Neustadt, im 15. Jahrhundert Residenz. Donauauswärts Kloster-
Neuburg mit Weinbauschule. Weiter w Krems und Stein;
dann auf dem rechten Stromufer Pöchlaru, bekannt schon im
Nibelungenliede.
5. Erzherzogtum Gberösterreich oder Österreich ob der Euns; gleich.
760000 Einw. An der Enns Steier mit großartiger Gewehr-
fabrik; aufwärts Weyer, Eisenindustrie. Linz, Hauptstadt ober der
Mündung der Traun, 50000 Eiuw. Aufwärts an der Traun Wels,
Sammelpunkt von Wegen (Ovilavis der Römerzeit). Braunau am
Inn, früher Festung; 1705 im Kampf der bayerischen Bauern gegen
österreichische Herrschaft wichtig. Im 8 Bad Ischl an der Traun.
c. Mpenländer.
6. Herzogtum Salzburg; 160000 Bew. Hauptstadt S a l z - TlU^burg.
bürg, 25000 Einw., landschaftlich überaus anmutig, merkwürdige
Bauwerke. Eisenbahn auf den aussichtsreichen Gaisberg. 8 Hallein,
Salzbergwerk. 8desSalzachkuiesBadGasteiu amFußderHoh.Tauern.
7. Grafschaft Tirol mit Vorarlberg 920000 Bew., teils Deutsche, Tirol,
teils Italiener. Kufstein, Grenzstädtchen amJun, Cementmühlen. Hall,
am Inn aufwärts, kleines Salzbergwerk. Innsbruck, schöu gelegene
und gebaute Hauptstadt mit bemerkenswerten Kirchen; Universität;
20000 Einw. Nach Vorarlberg führt die Bahn in 10,6 km
langem Tunnel unter der Arlbergstraße; Städte Feldkirch und
Blndenz mit reger Webeindustrie; Bregenz, Verkehrsplatz am Boden-
see. Im Etschgebiet Merau, ein reizend gelegener Luftkurort im
Vintschgan; Bozen durch Obst uud Wein wichtig. An der Etsch:
Trient, Konzil von 1563; Roveredo. Am Gardasee: Riva. Am
Eisack die kleine Bischofstadt Brixen.
120
II. Mittel-Europa.
Siechten- Mit Österreich durch sein Fürstenhaus und durch den Zollverband hängt
'tem' mannigfach enge zusammen das unabhängige kleine Fürstentum Liechtenstein,
n der Jllmündung, Hauptort Vaduz.
Kärnten. 8. Herzogtum Kärnten; 350000 Bew. Villach, Kreuzungs-
punkt der Wege nach 0 und 8 an der Drau; w davon Bleiberg
mit bedeutenden Bleigrubeu am Fuße des Aussichtsberges Dobratsch.
Tarvis im Kaualthale. Klagenfurt, 20000Einw., hübscheHauptstadt.
Steiermark. 9 Herzogtum Steiermark; 1,2 Mill. Bew. (450000 Sloveueu).
In Obersteiermark im Murthale Judenburg; Leoben, Berg-
akademie. Von da führt der Weg zum Ennskuie über den Erzberg
und an den Eisenplätzen Vordernberg und Eisenerz vorüber.
Zur Mündung der Mürz kommt die Semmeringbahn nach Bruck.
In Mittelsteier ist um eine malerische Kuppe mit Schloß die Haupt-
stadt Graz schön angelegt: 100000 Einw. Universität; technische
Hochschule. An der Drau am Fuße von Weinbergen Marburg.
Im Sloveuischen das deutsche Cilli.
Krain. 19. Herzogtum Rrain; 0,48 Mill. Bew. (60000 Deutsche).
Laibach, Kreuzungspuuft der Straßen von N und von W, am Fuße
des steilen Rückens, auf dem das römische Aemona lag, 25000 Einw.
d. Itdriatische Hebiete:
Küsten- Küstenlande .6,7 Mill. Bew. 11. Grafschaft Sörz-Bradiska
mit gleichnamigen Städten am Jsonzo.
12. Triest mit Gebiet 135000 Bew., einziger großer Seehafen
Österreichs, große Dampsschifsgesellschaft Lloyd.
13. Markgrafschaft Istrien; Parenzo, Seehafen. Pisino,
Sitz des Landtages. Pola, Kriegshasen, große römische Baureste.
Die Statthaltereiregierung der 3 Gebiete ist in Trieft.
14. Königreich Dalmatien; 480000 Bew. (50000 Italiener).
Hauptstadt Zara. Größter Platz Spalato mit 20000 Einw.
Ragusa mit Gravosa. Cattaro in der gleichnamigen gewundenen
Bucht.
e. Karpatenländer.-
Galizicit. 15. Königreich Galizien; 6,1 Mill. Bew., davon zu gleichen
Teilen Polen und Rutheneu und 10 Prozent Juden. Krakau an
der schiffbaren Weichsel, 75000 Einw., Universität, Festung. Am
San die Festung Przemysl (Pfchemisl). Ö Lemberg, Hauptstadt,
112000 Einw., befestigt. Ö-n-ö davon Brody, Handelsplatz ander
Grenze. Desgl. Tarnopol, 25000 Einw., ö von Lemberg.
Bukowina. 16. Herzogtum Bukowina; 570000 Bew. (davon 230000
Rutheneu, 235000 Rumänen, 45000 Deutsche). Czeruowitz am
Pruth, Hauptstadt, 45000 Einw., deutsche Universität.
2. Länder der ungarischen Krone.
Ungarn. 1. Königreich Ungarn (mit Siebenbürgen und Fiume);
66 Comitate oder Gespanschaften; 14,1 Mill. Bewohner.
Länder der ungarischen Krone. 121
In Oberungarn: Preßburg am Südfuß der Kl. Karpaten,
50000 Eiuw. (Polonium der Römer), alte Krönungsstadt. Raab,
nahe der Raabmündung, hat lebhafte Schiffahrt. Komorn, Festung
am Ostende der Insel Schütt. Gran, Erzbischofssitz gegenüber der
Granmündung. Schemnitz und Kremnitz, Bergbaustädte seitlich der
mittleren Gran. Am Hernad Kaschau, 28000 Einw., Verkehrs-
sammelpunkt im ö Gebirgsland. — In der Ebene: Budapest
^Ofen-Pest), Hauptstadt mit 410000 Eiuw. Auf den Höhen des .
rechten Ufers der Donau Ofen (=33uba) mit der Königsburg und
vielen Regierungsgebäuden: Warmbäder und in nächster Umgebung
Weinberge. Jenseits der von Schiffen aller Art ungemein belebten
Donau die stattlichen Ufergebäude von Pest, dessen große Ausdehnung
zum teil von ungemein vornehmen Straßen veranlaßt wird. Pest
ist der einzige bedeutende Sitz der Industrie, des Handels, der Kunst
und der Wissenschaft in Ungarn. Budapest macht den Eindruck einer
großartigen und schönen Stadt. Im 0 Debreczin, rein magyarische
Stadt mit 55000 Einw. An der Schnellen Körös Groß-Wardein,
wo Kaiser Sigismund begraben liegt, 33000 Einw. Gegenüber der
Mündung des bis Karlsburg in Siebenbürgen schiffbaren Maros
Szegedin, durch die Theißschiffahrt und als Kreuzungspunkt von
4 Bahnen sehr belebt, 80000 Einw., n-o-n davon Hod-Mezö-
Wascharhely, 52000 Einw.; w-s-w aber Maria-Theresiopol,
ein weit verstreuter Hauptort im fruchtbaren „Alföld" (= Tiefland).
65000 Einw. Den Maros aufwärts Arad, vormals Festung. —
In Siebenbürgen: Von Großwardein kommt man zum Hauptort
der Magyarenbevölkerung, Klausenburg am Kl. Samos, 30000
Einw. Im 80 Kronstadt, 1/3 deutsche, J/a magyarische, V3 rumänische
Bewohner, 32000 Einw. Nahe dem Alt-Durchbruch uach S liegt
Hermannstadt, fast ganz deutsch, 20000 Einw. — Im s Ungarn,
dem Banate (s und sw des unteren Maros bis zur Donau),
hat Temesvar an der Bega ähnliche, nur miuder zahlreiche Be-
völkeruug wie Kronstadt. An der Temesmündung das von Serben
bewohnte Pantschova. Donauauswärts gegenüber dem aus steilen
Felsrücken erbauten, vordem so festen Peterwardein das Handels-
rege Neusatz. — In Westungarn: an der Donau: Mohacz mit
Ziegel- und Thonwarensabriken; als Ort eines alten Donauübergangs
auch Schlachtfeld 1526 (Soliman d. Prächtige) und 1687 (Sieg der
Kaiserlichen unter Karl von Lothringen). Fünfkirchen, Stuhl-
Weißenburg, Ödenburg.
2. Königreich Rroatien-Glavmüen; 2 Mill. Bew. Im 0 an Tlav, Teil
der Savemünduug das belebte Semlin mit fester Eisenbahnbrücke ' nflaru'
nach Belgrad, Haupthasen für Donau- und Savedampfschiffahrt,
Esseg nahe der Dranmündnng. Übergangsplatz für die Eisenbahn
nach Bosnien ist Brod an der Save, deren Dampfschiffahrt zu
Äissek an der Kulpa beginnt. Die Hauptstadt Agram auf der
122 II. Mittel-Europa.
letzten Stufe des wein- und obstreichen Agramer Berglaudes hat sich
durch hübsche Neubauten sehr gehoben, 33000 Einwohner, süd-
slavische Universität. Der einzige größere Seeplatz Ungarns ist das
von Pest aus verwaltete Fiume am Quarnerogolse, wegen des
steilen Karstabfalles am Meeressaume ausgedehnt, mit neuem Hafen;
Seemannsschule, 22000 Einwohner.
Ottuva- Okkupationsland Vosnien uud Herzegowina; 51000 qkm,
Gebiet. 1,37 Mill. Bew. Die Bevölkerung hat erst durch die österreichische
Verwaltung Anteil an den Vorteilen europäischer Gesittung in Bezug
auf Rechtspflege, persönliche Freiheit, Verkehrsleben und Förderung
des Wohlstandes erhalten. Die einzige Heerstraße aus türkischer Zeit
führt von Gradiska-Berbir (zwischen Unna- und Vrbasmündung)
nach Banjaluka am Vrbas, einer ausgedehnten Stadt in fruchtbarster
Umgebung, 12 000 Einw., Eisenbahn von Sissek hieher. Dann geht
es 3-o nach Travnik, w des Bosnaknies, dem Sammelpunkt alter
Wege, auch desjenigen von Spalato landeinwärts. Weiter s-ö am
Fuß des Romanjaplateau liegt malerisch beiderseits des Hauptquell-
baches der Bosna die Hauptstadt Serajewo, 26000 Einw. Von
hier s-w jenseits des Jvanpasses (S. 113) die Herzegowina mit der
Hauptstadt Mostar an der Narenta, 13000 Einw. Im 80 aber
endet die österreichische Herrschaft im Thale des Lim.
III.
Europa ausschließlich Wittel-Europa.
I. Balkanhalbinsel.
§ \. Lage und Grenzen.
Die Lage zwischen dem Donaustrome und dem Meere, sowie
am Übergange nach Kleinasien, dazu das günstige Klima zwischen
dem 36. und 45. Grad n Br. gewähren der Halbinsel bedeutende
Vorteile.
Die Grenze verläuft im N größtenteils längs der Donau. Im 0 der
traussylvau. Alpen besteht bis zum Beginn der letzten Ostbiegung der
Donau keine natürliche Grenze. Daher ist das Gebiet des Sereth
und des Pruth größtenteils noch heute staatlich mit dem Land s
der transsylvan. Alpen vereinigt. Die breite Donau und deren
Delta bilden dann den östlichsten Teil der natürlichen ^-Grenze der
Halbinsel. — Der 0-Rand endet am Schwarzen Meer, welches nur
mit einer Bucht einschneidet, mit der von Burgas, dann noch am
schmalen Bosporus oder der Straße von Constantinopel. 80 uud
8-Grenze: Marmarameer (— Proponüs); Dardanellenstraße
(= Hellespont); Ägäisches Meer (r= Archipelagus) mit dem
Golf von Salonik, w der Halbinsel Chalkidike, demjenigen von
Volo, von Ägina s-w der Halbinsel Attila und dem von Nanplia;
Mittelmeer. — ^V-Grenze: Jonisches Meer mit dem Golf von
Korinth und Adriatisches Meer.
Inseln.
Vom Festland getrennt gehört noch eine große Zahl von
Inseln zu diesem Gebiete: a) Diejenigen zwischen Chalkidike und
Kleinasien, darunter Thasos und Lemuos, b) die Reihe derer, welche
an das langgestreckte Enböa oder Negroponte sich nach 80 anschließen,
unter ihnen Naxos; e) die s-ö von Attila folgende Reihe, in ihr
124 III. Europa ausschließlich Mittel-Europa.
Paros Marmor noch heute wichtig) und Santorin oder Thera,
ein Ergebnis vulkanischer Thätigkeit. — Im 8 zeigen sich als eine stück-
weise Fortsetzung festen Bodens Kythera-Cerigo und das große
Candia oder Kreta. — Im W begleitet im Jonischen Meere die
Reihe der jonischen Inseln; unter ihnen bei Mittelgriechenland
Kephalonia, bei Epirns Korfu. —
Im NW ist die lebhafteste Küstengestalt durch die Fjord-Halbinsel- und
Jnselbildung Dalmatiens gegeben. Am malerischesten und zugleich als Hafen
bedeutsamsten ist die Boccha di Cattaro. Am weitesten vom Festland entfernt
die durch den ruhmreichen Seesieg der Österreicher 1866 bekannte Insel Lissa.
Die einzige kleine Halbinsel an der einförmigen Küste Albaniens bezeichnet
das Cap Linguetta. Die Grenze Mittelgriechenlands bezeichnet an der Küste
der Golf von Arta (= Ambracia). Südlicher folgt der Golf von Patras,
von welchem aus die Straße von Lepanto (Seesieg unter Don Juan d'Austria
über die Türken 1571) nach dem Golf von Korinth führt. Die westlichste
der 3 südlichen Halbinseln der Halbinsel Morea (Peloponnes) wird durch den
Golf von Koron ~ö begrenzt. — Im Ägäischen Meere ist ö oder gegenüber
vom Golf von Arta der Golf von Zeituni (siuus Malicus), wo der Spercheios
durch Anschwemmen seiner Sinkstoffe den ehemaligen Thermopylenpaß zu
einem breiteren Küstenweg ^ gemacht hat. — Die Halbinsel Chalkidike, im 0
vom Golf von Orfani begrenzt, hat als östlichste ihrer 3 Halbinseln jene des
Berges Athos, -wie durch Xerxes' Durchstich so noch mehr durch sein großes
Kloster besonders berühmt. — Im NO des Ägäischen Meeres schneidet der
Golf von Saros die Halbinsel von Gallipoli (= thrazischer Chersones) ab.
§ 2. Bodengestalt (Gebirge, Misse).
Wie die Insel- und Fjordbildung an der Küste Dalmatiens
die Richtung nach 80 und 0 weitaus vorherrschen läßt, so thun
dies auch die bedeutendsten Gebirgsrücken der breiteren n Landmasse
der Balkanhalbinsel. 1) In Bosnien, wo das Vorherrschen Plateau-
ähnlicher Züge am ausgedehntesten stattfindet, geht das Grenzgebirge
Dalmatiens, die Dinarischen Alpen, ebenso nach 80 als der
Hanptrücken des Bosnischen Erzgebirges von der rechten Seite
des mittleren Vrbas an zu den Quellflüssen der Drina. Auch die
mächtigsten Kuppen des sich anschließenden schroffen Berglandes
von Montenegro, nämlich der Dormitor (2480 m) und der
Kom stehen s-ö zu einander. Erst für den Drin, der zuletzt
infolge Vereinigung mit dem Abfluß des Skutarifee (der Bojana)
mittels Delta zum adriatifchen Meer kommt, bildet ein Querplateau
des Albanischen Berglandes die n Wasserscheide. — 2) Die
s-ö Richtung hat auch das Serbische Grenzgebirge, parallel dem
Bosnischen Erzgebirge. Von ihm geht nach N die Serbische Morava
ab, während es vom Nebenfluß der letzteren durchbrochen wird.
Dasselbe endet an der oberen Bulgarischen Morava, welche auf
ihrem n Lauf rechts noch die Nischava aufnimmt und in 2 Armen
zur Donau gelangt. Die Nischava entspringt bereits nahe an einem
der wichtigsten Pässe des Balkan, nämlich dem Ginzi. — 3) Der
Balkan von der Donauenge bei Orsova bis zum Kap Emine am
Balkanhalbinsel; Bodengestalt. 125
Schwarzen Meere zieht allerdings zuerst fast im Halbkreis dahin,
da er das Gebiet des serbischen Grenzflusses Timok w umschließt;
dann aber richtet sich dieser ziemlich einförmige breite Gebirgsrücken
nur ö. Er ist aus sehr zahlreichen Wegen n-s zu überschreiten,
während der einzige Flußdurchbruch, der des Jsker, keinen gangbaren
Weg längs seines Uferrandes hat. Gute Fahrstraßen führen von
der Donau s über den Ginzipaß nach Sofia, der bulgarischen
Hauptstadt im oberen Jskerbecken, Paß und von dem Donauneben-
flnß Jautra über den Schipkapaß nach dem Thale der Tnndscha,
die zur Maritza zieht. Die Maritza entspringt wie der Jsker
auf — 4) Dem Rilo Dagh, von welchem 5) das Rhodope-
gebirge nach 80 abgeht. Vom Rilo Dagh nach W aber lagern
jenfeit des Thales des Struma (vom Aussichtsberg Vitosch)
Plateaux, bis jeuseit der Bulg. Moravaquelle der schroffste und
schmälste Hochgebirgskamm der Halbinsel emporstarrt (in s. ö Gipfel
3050 m hoch), es ist — 6) der Schar Dagh. — 7) Von ihm
zieht der Hauptrücken der Albanischen Bergmassen nach 8, daruuter
das Grammosgebirge. An diesem fließt w aus dem Ochridasee
der Schwarze Drin, um n mit dem Weißen Drin sich zu vereinigen,
während an der 0-Seite der Vardar abfließt nach dem Golf von
Saloniki. An das Grammosgebirg setzt sich — 8) der Pindus
an, durch die Einsattelung vom stumpfen Kegel von Metzovo nahezu
iu 2 Hälften getrennt. Von ihm fließt 1. der Salambria
(Peneios der Griechen) nach 0 ab und mündet zwischen Ossa und
Olymp (2970 m); der Aspropotamo länft nach 8. Der Pindus
endet im 8 dort, wo nach 0 zwei Rücken parallel weitergehen: Der
Othrys und der Öta. — In Mittelgriechenland ist noch der
Parnaß besonders hervorragend (2460 w); im Peloponnes oder
Morea — 9) der Taygetos (2400 m), an dessen 0-Seite der
Eurotas fließt. Hieuach nehmen Gebirge und mit ihnen zusammen-
hängende Bodenerhebungen, zu denen noch die vereinzelte Plateau-
landschast der von Steppe bedeckten Dobrudscha rechts des Donau-
deltas gehört, weitaus den größten Raum der Halbinsel ein. Daher
ist die Zahl und der Umfang von breiteren und langen Thalflächen
und Tiefebenen ziemlich beschränkt (s. S. 40). Zu ihnen gehören:
1. das große Tiefland der Walachei; 2. die etwas höheren flachen Ge-
biete Donaubulgariens; 3. das Becken der oberen und das der unteren
Maritza; 4. Das hügelige Gebiet am unteren Vardar; 5. Das weite
Thal des Salambria; 6. das Savetiefland in Bosnien und Serbien;
— außerdem noch kleine Küstenebenen, besonders in Griechenland.
Im Innern sind nur wenige Becken und Mulden bemerkenswert. Eine
besondere Eigentümlichkeit bilden die Dolinen Bosniens, rings von steilen
Felshängen umschlossene Hochmulden (deren größte die von Livno auf dem
Wege von Travnik nach Spalato). — Durch 3 Feldschlachten berühmt ist das
Amselfeld, das sich vom O-Fuße des Schar Dagh nach dem Jbar neigt, heute
von einer Eisenbahn nach Salonik durchzogen, in welche aber erst s des
126 III. Europa ausschließlich Mittel-Europa.
Schar Dagh die Eisenbahn mündet, die vom Moravathal in das des Vardar
führt. — Das erst neuerdings wichtiger gewordene Becken des oberen Jsker
bildet zugleich einen Abschnitt des natürlichen Weges von der Nischava zur
Maritza (Eisenbahnlie Belgrad—Constantinopel), während man vom Ginzipaß
aus nach dem Strumathale diesen Weg kreuzt. — Die Einsenkung des
Kopaissee oder See von Topolias im antiken Böotien in Mittelgriechen-
land ist großenteils noch versumpft, nachdem der See fast ganz ausgetrocknet
ist (s. S 40). An seinen einstigen Ufern führte der gesamte Verkehr von X
nach Attika und dem Peloponnes vorüber; daher viele Schlachtfelder im Gebiete
Böotiens.
§ Z. Klima und Produkte. Bevölkerung.
Wärme. 1. Das Klima steht zum teile unter den Einflüssen der feuchten
Wärme des Mittel- und Ägäischen Meeres, teils unter dem der
schrofferen Gegensätze, welche die Ländermasse des europäischen Ostens
mit sich bringt. Doch verursacht auch die plateauartige Gestalt der
meisten gebirgigen Teile ein rauheres Klima. Im NO ist der Winter
so streng, daß man mit beladenen Wagen über die gefrorenen Arme
des Donaudeltas fährt. —25 Grad C ist in Rumänien häufig. —
Der Sommer kommt im Donautiefland plötzlich; man hat schon im
Mai oft 37—-38 Grad. Auch in Griechenland wird dies oft erreicht.
Schon am Vardar kann Reis, am Salambria Baumwolle gebaut
werden; die trefflichsten Südfrüchte und schwersten Weine erzielt man
an den besonnten Hängen Griechenlands und seiner Inseln, besonders
gedeiht in diesem Gebiete der Ölbaum.
Schläge" Die Niederschläge fallen besonders im SW der Halbinsel zumeist
nicht im Sommer, woher die ausgedehnte Dürre in so vielen Gebieten
stammt, — sondern im Spätherbst und Frühjahr. Man hat aber
in Bosnien durchschnittlich 110 cm, in Griechenland im W 70, im
0 40 cm Regenhöhe*); in Rumänien 40—50 cm.
*) Längere Klimabeobachtuugeu:
V r l e. Mittlere Wemperglur. Negeumrnge.
Januar. Juli. Jahr.
+ 8,8 + -f cm
Ragusa 25,4 16,8 162
Corsu 10,2 26,3 17,8 132
Janina (478 in hoch) 4,1 23,9 16,3 130
Patras 9.4 26,6 19,9 73
Athen 8,1 26,9 18,5 39
flutte, 2. Produkte. Im 8 Griechenlands reift die Dattelpalme,
e '» ni5-^e-^ ^ 5jer Ertrag an Feigen, Korinthen, Wein und Mandeln im
ganzen Bereich der griechischen Südhälfte. Mais und Weizen wächst
sowohl in tiesgelegenen als mittelhohen Gegenden bestens, besonders
im Vardar- und Maritzagebiet; im Bereich des letzteren viel Wein;
Tabak in den Ebenen dieser Thalgebiete. Bulgarien n des Balkan
hat viel Weizenausfuhr. Nahe dem obersten Jsker sind beträchtliche
Klima und Produkte. Bevölkerung. — Staaten, Städte (Wege). 127
Eisenlager (bei Samakow). Als Zugtier verwendet man s und n
des Balkan vorwiegend den Büffel, ebenso n der Donau. Noch im
Maritzagebiete findet das Kamel Verwendung.
Im Timokgebiet gedeihen vorzügliche Weine um Negotin; auch^odutte^
in der Walachei wächst der Weinstock sehr üppig. Im Morawagebiet '
ist die Schweinezucht durch Eichenwälder sehr begünstigt. In diesem
bildeten die Zwetschgen den wichtigsten Ausfuhrartikel, wenn auch
noch nicht ebensostark als in Bosnien. Kohlen lagern nur an der
Mitte der vereinigten Morawa (bei Ttschuprja) und am Timok in
bedeutenden Flöhen. (Bosnien s. S. 122.) Felle liefern die Wölfe,
Wildkatzen und Luchse des Balkan und der serbischen Gebirge. (Bären
gibt es noch in Bosnien.) Das Schaf ist in der ganzen Nordhälfte
das hauptsächlichste Nutztier neben dem Rind. — Am Fuß der trans-
sylvanischen Alpen Salzlager, Petroleum ö des Abstieges vom Tömos-
paß. Das Land hat den bedeutendsten Maisbau in Europa, auch
große Getreide- und Viehausfuhr.
3. Völkerschaften. 1. Rumänen wohnen nicht nur in der Balkan-
Walachei und Moldau, sondern etwa 100000 auch s der Donau,
wie sie auch über den Prnth hinaus' bis zum Dnjestr vorherrschen.
Sie bilden mit den Rumänen des ungarischen Gebietes ein Volk von
über 9000 000 Köpfen. — 2. Slaven. a) Die Bulgaren im NO
der Halbinsel von der Donau s bis zum ägäischen Meer und sw bis
an die n Wasserscheide des Vardar, über 4000000. b) Die Ser-
ben, im ganzen Timok- und Vardargebiet, wie bis zur Adria, nicht
ganz 4000000. — 3. Turanischer Abstammung sind die Tataren
der Dobrudscha und die Türken, welche nur im ö Bulgarien und
in der Thrazischen Halbinsel innerhalb größerer Bezirke an Zahl
vorherrschen. — 4. Die Griechen im 8 und am n Küstenrand des
ägäischen Meeres, wie bis zum Golf von Burgas und auf allen
Inseln; gegen 2900000. — 5. Die Albaner (Albanesen) vom
Drin bis nahe an den Golf von Arta, ein Mischvolk alter Jllyrier
und von Slaven; das einzige Volk, das sich, trotzdem es großenteils
mohammedanisch ward, in seinen Gemeinden und kleineren Stämmen
nicht entzweite; 1050000 Köpfe. Mohammedaner sind außer einem
großen Teile der Albanesen die Türken und Tataren; die übrigen
sind orientalische Christen. '
§ Staaten, Stäöte (ZVege).
1. Serbien.
Königreich, 48600 qkm, 1700000 Bew. Hauptstadt Bel- Serbien,
grad an der Savemündung, 45000 Einw., eine wohlhabende Stadt
in malerischer Lage, zugleich der weitaus wichtigste Handelsplatz. An
der Donau Smkderovo (Semendria), Weinbau. Landeinwärts
Kragnjevatz, frühere Hauptstadt. Vranja an der bulgarischen
Morava. Nisch a. d. Nischava 18000 Einw.
128 III- Europa ausschließlich Mittel-Europa.
1. Rumänien,
Rumänien. Königreich, 130000 qkm, 5300000 Bew. Turnseverin an
der Donau, Hauptstation der Donauschiffahrt. Crajowa am Schyl.
. Giurgiu (fpr. Djurdju, auch Dfchurdfchewo), lebhafter Schiffahrts-
platz für die Hauptstadt Bukarest (Bukurefcht) au der Dimbowitza,
sehr ausgedehnte Stadt mit 250000 Einw.; Universität. Plojetschti
am Fuß des Burzeugebirgs, Sammelpunkt von verschiedenen Wegen.
In der noch fruchtbareren Moldau nicht weit vom Prnth Jassy,
90000 Einw., Universität. An der Pruthmündnng Galatz, See-
schiffsverkehr, sehr handelsthätig. Nahe liegt Braila, gleichfalls
rege im Warenverkehr. — In der Dobrudscha die Hafenstadt
Küstendsche (amtlich Constantia genannt).
3. Bulgarien,
Bulgarien Fürstentum, "mit welchem die 1878 hergestellte, dem Namen
nach türkische Provinz Ostrnmelien gleichheitlich regiert wird. —
100000 qkm und 3000000 Bew. (über 2000000 Bulgaren,
750000 Türken). Im' 0 Varna an einer Hasenbucht, Hauptaus-
fuhrplatz, 26000 Eiuw. W davon Schnmla, Festung. N an der
Donau Silistria, früher starke Festung. Rustfchuk, mit Be-
festignng; wichtigster Handelsplatz im Lande, 27 000 Einw. Sistow,
an der Donau, wo sie dem Balkan am meisten sich nähert. Im W
Widin, noch befestigt. Zwischen Sistow und dem Schipkapaß höchst
malerisch an den Steilufern der gewundenen Jantra Tirnova, die
Hauptstadt des früheren Bulgarenreiches, 12000 Einw. 8 des
Balkan Sofia im Jskerbecken, Hauptstadt, 24000 Einw. Philip-
popel an der Maritza, 34000 Einw. An der Tnndscha das durch
feine Rosenfelder wichtige, wohlhabende Kasanlik, 14000 Einw.
Burgas, Seeplatz. — Bulgarien erkennt im Sultan seinen Oberherrn an.
4. Türkei,
Türkei. Despotische Monarchie, 172000 qkm mit fast 4400000 Bew.
(ausschließlich Kreta mit 280000). Von diesen sind etwa 23 Prozent
Türken und ebensoviele Griechen. Einteilung des Staats in Vilajets.
Hauptstadt Konstantinopel am Goldenen Horn, 875000 Einw.;
auf deffeu 8-Seite dehnt sich die alte Stadt Konstantins aus, vor-
wiegend von Türken bewohnt, von ihnen Stambul genannt. Das
alte Serail an der Spitze zum Bosporus hin, großartige Moscheen,
darunter die einstige Sophienkirche Jnstinians und der Große Bazar
bilden die wichtigsten Bauwerke; auf dem Platze des alteu Hippodrom
eiue Siegessäule aus dem 4. Jahrhundert. Am N-Ouser des Goldenen
Hornes steigt der Boden rasch an, von neueren Stadtteilen bedeckt,
unter welchen Galata und Pera am meisten von abendländischen
Europäern bewohut werden. Die Sultanspaläste Dolmabagdsche und
Jldiskiosk liegen schon am Bosporus. Das Goldene Horn ist eine
tiefe Bucht, welche als trefflicher Hafeu und wegen des bedeutenden
Balkanhalbinsel; Staaten, Städte (Wege).
129
Handels jährlich von 15000 Schiffen besucht wird. Gegenüber auf
der asiatischen Seite Skutari mit vielen Palästen, 100000 Einw.
Konstantinopels Lage: ander Spitze einer Halbinsel; an dem Übergang
nach Asien; am Wege zwischen 2 Meeren; mit bestem Naturhafen; fruchtbare
Umgebung; gleich zugänglich von W und NW. Reiche Geschichte.
Über Hügelland geht es w-n-w nach Adrianopel oder Ediru«
an der Tundfchamündung, 60000 Einw., als Kreuzungspunkt der
Wege vom N nach der Maritzamündung und von der Morava zum
Bosporus bis 1453 Hauptstadt des türkischen oder osmauischen
Reiches. Gallipoli (3000 Einw.) an der Straße der Dardanellen,
d. i. einander gegenüber liegender Festungswerke am Hellespont;
w der Maritzanmünduug der Ausfuhrplatz Dede-Agatsch. Salonik
55 000 Einw., Endpunkt der Bahn von Belgrad her, zweite See-
Handelsstadt der Türkei. Am oberen Vardar das malerisch gelegene
Uschküp ("Skoplje slav., Scupi der Römer). Skutari (Scodra)
am gleichn. See rechts des untern Drin, Vilajets-Hanpstadt. Janina
ebenso am gleichn. See im epirotischen Albanien.
(Zrnagora), Fürstentum; 9000 qkm, 200000 Bew. serbischen Stammes.
Hauptort Cettinje, ö oberhalb von Cattaro.
Königr.; 64 700 qkm, über 2 Mill. Bew. a. Nordgriechenland:
Thessalien mit Larissa 14 000 Einw. Volo. Bon Epirus ist der
80 griechisch. — b. Mittelgriechenland Rumelia, Hellas): Athen,
Hauptst., 85 000 Einw., fast ganz im N der Akropolis als eine
freundliche neue Stadt ausgedehnt; Ruine des Parthenon auf der
Akropolis, andere Rninenvund stver letzteren; wohlgepflegte Universität;
Sammlungen antiker Funde. Hafenstadt Piräus, wichtigster See-
platz des griech. Staates, 24 000 Einw., o-s-ö von da die Insel
Syra mit Hermnpolis, 22 000 Einw., regste Seestadt der Inseln.
Der Landweg von Attika nach — c. Morea-Peloponnes muß den
größerenteils gegrabenen Kanal des Isthmus, der Landenge von
Korinth, überschreiten. Er wird 7 km lang und für große See-
schiffe passierbar. Städte: Nauplia. Das endlich wieder etwas auf-
blühende Sparta am Eurotas (6000 Einw.). Navarino (Pylos)
im SW.; aus den Kanonen hier versenkter türkischer Kriegsschiffe ist
zum teil der Obelisk zu München gegossen. Patras, rege Ausfuhr
von Wein und Südfrüchten, 26 000 Einw. Das gleiche gilt von
Korfn (18 000 Einw.)
Daß die Balkanhalbinsel national und staatlich so viele Verschiedenheit
zeigt, erklärt sich großenteils aus der Zergliederung in kleinere Gebiete durch
die Gebirgszüge und Längsplateaux mit beschwerlicheren Übergängen, sowie
daraus, daß nirgends Raum gelassen ist für ein ausgedehntes, vereinigendes
5. Montenegro,
Monte-
negro.
6. Griechenland,
Griechen-
land.
9
130 III. Europa, ausschließlich Mittel-Europa.
Flußsystem. Zum Adriatischen Meere ist der Zugang meist äußerst ungünstig;
auch das Gebiet am Nordufer des Archipelagus entbehrt infolge des Rhodope
der natürlichen Verbindungen. Selbst das Ziel des großen Naturweges von
der Save- zur Vardarmündung ist durch die vorgelagerte dreigezackte Halbinsel
sehr beeinträchtigt. Dagegen hatte Griechenland an seiner Lage zwischen
Meeresarmen die wirksamsten Anregungen und Vorteile, besonders auch für das
Zusammenführen und -greifen seiner Kulturleistungen.
B. Italien.
§ 5. Lage und Grenzen.
Zwischen dem 37. und 46. Grad n. Br. erstreckt sich Italien
von dem Grenzwalle Mitteleuropas aus als Mittelstück der s Halb-
inseln nach Afrika hin (145 km von diesem entfernt, da die Insel
Sizilien als ein untrennbarer Teil Italiens erscheint).
NoMrmzc Die Grenze im N siehe S. 36 n. 80. — Im W schließen
1 ' zunächst die - Alpen ,ab, vom M. Blane an: die Grafischen,
Cottischen und Seealpen s. S. 34. Über die Grajischen führt vom
Po her im Thal der Dora Baltea der Paß des Kleinen St.
Bernhard 2160 m zum Rhonenebenfluß Jsere.— In den Cottischen
A. — vom M. Cenis bis M. Biso — führt aus dem dem Po-
uebeuflußthale der Dora Riparia n-w der Paß des M. Cenis
(2080 m) ins Gebiet der Jsere, s-ö aber derjenige des M. Genevre
(Schenävr) (1860 m) zum Rhonenebenflusse Dnrance (Dürans). —
Die Seealpen beginnen am Col Della Maddalena an einer Paß-
höhe von 2000 m und reichen bis zum Col di Tenda (1875 m).
Die w Küstenlinie Italiens sodann ist durch eine große An-
0 m ' zahl von Meereseinschnitten und kleinen Halbinseln sehr vorteilhaft
gestaltet (im Gegensatz zur O-Küste). Wichtige Golfe sind: der
von Genua, von Gaeta, von Neapel, von Salerno. Eine Reihe
von Inseln ist dem W vorgelagert, darunter das eisenreiche Elba,
1814 eine Art Gefangenensitz Napoleons I.; Jschia (Jskia) und
Capri bei Neapel, die Liparischeu Inseln. Diese liegen noch näher
an der insularen Fortsetzung des Festlandes, nämlich an Sizilien
(hiezn S. 135), während ö erst jenseits des breiten Tyrrhenischen
Meeres die großen Inseln Sardinien und Korsika (letzteres ein
französischer Besitz) auftauchen. Im 8 bespült das Meer die Halb-
inseln Calabrien samt deren Kap Spartivento und Apulien samt
dem Kap di Leuea; zwischen beiden breitet sich der Golf von
Taranto aus.
Ostgrenze Die O-Greuze wird meist von der einförmigen Adriatischen
^aims. gebildet, in welcher nur die Halbinsel des Monte Gargano
ö vorspringt. Weiter n hat der Po sein rasch anwachsendes Delta ö
vorgeschoben; n von ihm ist der flache Golf von Venedig mit
Italien; Lage und Grenzen. — Bodengestalt. 131
seinem lagunenreichen Strande. Dann geht es aus der w Wasser-
scheide des Jfonzo zu den Julischen Alpen (S. 39).
Günstige Umstände für die Entwicklung des antiken römischen
Mittelmeerstaates: 1. Durch die Abschließung im einen Schutzwall gegen
die Barbaren, und durch die ungünstige Ostküste (dazu das im Altertum
gefürchtete Adriatische Meer/ war ein kräftiger italischer Staat gegenüber dem
Ausland selbständiger, um die Hilfsmittel der Halbinsel zusammenzuschließen,
ihre Teile innig zu vereinigen. 2. Der Verkehr im Inneren aber wird durch
die Gebirge doch so erschwert, daß die straffe Staatsgewalt Roms dadurch
zum Straßenbau, dem ersten der Weltgeschichte, sich angehalten fand, andrer-
feits aber wesentlich auch die Schiffahrt nötig ward, um das Ganze verlässig
zusammenzuhalten. Die belebte Westküste, durch die Entwicklung der Hauptstadt
in der Mitte des W nahe der Mündung des einzigen mittelgroßen Flusses mit
beherrschender Macht versehen, wies auf ^V-Europa und Nordafrika hin, die
8-ö Halbinseln, zudem griechisch besiedelt, auf die griechische Welt und deren
geistige Mittet, zugleich damit auf den 0 des Mittelmeeres.
§J). Bobengeftalt (f. auch £. 5\).
1. Das Pogebiet und der NO. In letzterem treten dieMien- und
Kalkalpen mehrfach mit ihren Verzweigungen über die Grenze °BC Ict"
Italiens. Aus den vorgelagerten Rücken der karnischen A. kommt
der Tagliamento (Nebenfluß Fella, Kanalthal) und die Piave;
aus den Trientiner A. im Val Sassuna Tirols die Brenta, die
in die Lagune w Venedig mündet. Die Etsch dagegen vereinigt
einen Teil ihres Wassers mit dem nördlichsten Deltaarm des Po.
Alle diese Gewässer durchziehen das venetiauifche Tiefland.
Fast unter gleichem geographischen Breitengrad mit dem süd-
lichsten Deltaarm des Po liegt dessen Quelle am M. Biso. Abgesehen
von dem Berglande von Montferrat rechts von seinem Oberlaufe hat er
nur Tiesland zu beiden Seiten. Links durcheilen dieses 1. die
Dora Riparia, 2. Dora Baltea, 3. Tefsin, 4. Adda, 5. Oglio,
6. Mincio (aus dem Garda-See). Zur rechten ist von belang 1. der
Tanaro, der aus deu Ligurischeu Alpen kommt, mit welchen die
Alpen enden (S. 35); in sein Thal mündet an der Psorte von Savona
die Straße vom Col Della Maddalena her; — 2. die Trebbia (durch
Hannibals Sieg über die Römer frühzeitig bekannt) vom Liguri-
scheu Apennin.
2. Die eigentliche Halbinsel. Am Südrand der Poebene Italien,
steigen langsam die Apenninen an, im Mittel etwa 1000—1500 m Halbinsel,
hoch, zwischen zahlreichen Po- und Küstengewässern vielverzweigt.
1. Der Ligurische Apeuuiu mit dem Boccchettapaß n der Spitze
des Golfs von Genua 770 m, von einem Eisenbahntunnel unter-
führt. —2. w des Monte Cimoue (Tfchimoue), 2160 m, beginnt
am Finmalbopaß der Etruskischeu Apennin, in welchem der
^utapaß, einst der via Cassia, heute der Eisenbahn vom unteren
Po und der Etsch, von Bologna nach Rom, die Linie vorzeichnet. —
9* .
132 HI. Europa, ausschließlich Mittel-Europa.
3. Der Umbrische Apennin ward im Altertum von der via
Flaminia nach der 0-Küste durchzogen, der wichtigsten Straße von
Rom nach dem gesamten N. — 4. Die Abrnzzen, das schroffste
Berggebiet Italiens, das mittels zweier Ketten die Hochmulde des
oberen Pesearagebietes einschließt. Sie beginnen mit dem M.
Vettore, 2480 m hoch, und euden an der Flnßfurche des Saugro;
in der ö Kette steigt der Gran Sasso d'Jtalia zu 2920 m an.
Die Abruzzen und der Umbrische Apennin biegen nach 8 0 aus,
um Raum zu lassen für die Entwicklung wenigstens eines mittel-
großen Flußgebietes, desjenigen des Tiber, der wie der Arno, n von
ihm, auf dem Toscanischen Apennin entspringt. Seine wichtigsten Zu-
flüsse erhält er von den Abruzzen. — s von diesen folgt dann bis
zu den Calabrischen Gebirgen der Neapolitanische Apennin.
Aus seinem NW kommt der Voltnrno, nahe dessen linkem Ufer
zu Capua die'via Appia von Rom her durch die Caudiuischeu Pässe
ihre Fortsetzung nach 0, nach Benevent, erhielt. Hier teilte sie sich
in einen nördlicheren Arm, der nach der Apulifchen Ebene führte
(nach Lnceria ^Nocera/ und Cannae) und (über Venufia) nach
Taranto (Tarentum).
An der W-@eite des Apennin reihen sich vom Arno an bis
zum Golf von Salerno etwas niedrigere Erhebungen aneinander,
häufig Subapennin genannt, welche in wechselnden Formen teils als
Ergebnisse einstiger vulkanischer Thätigkeit, teils als kalkige Ab-
lagernngen wenig Raum zu Flachland übrig lassen. Außer der Arno-
ebene sind nur an der Küste die flachen Gegenden der Campagna
(Campanja) von Rom mit den pontinischen Sümpfen, sowie
die Campanische Ebene; daneben treten die ungesunden Sumpfstriche
der Maremmen an der W-Kiiste mehrfach auf. Am stattlichsten
erheben sich: 1. die Gruppe des M. Amiata, 1730 m, w der
vom mittleren Tiber aus n zum oberen Arno führenden Senke,
durch welche der Ch i a n a k a n al(Kiana) gebaut wurde. 2. Das S abi n er
Gebirge ö des mittleren Tiber. Vorgelagert sind Albaner
Berge. 3. Der Neapolitan. Subapennin; vorgelagert ist der
Vesuv (S. 132), fast 1300 m. — Vereinzelt im 0 der M. Gargano,
1060 m.
Italien. Auf Sizilien setzt sich die gebirgige Beschaffenheit Unter-
Inseln, Haltens fort, namentlich im N. In den ägadifchen Inseln im
W wird diese Gebirgsbildnng noch einmal im kleinen bemerkbar.
Im 0 ragt der größte Vulkan Europas empor, der Ätna (f. S. 42).
Sardinien ist von ausgedehnten und unwirtlichen Ge-
birgen größtenteils eingenommen, noch mehr Eorfica, wo der
M. Rotondo (2620 w) und M. Cinto (2700 w) die höchsten
Punkte find.
Italien; Klima, Produkte, Bevölkerung, 133
§ 7. "Klima, Produkte, Bevölkerung.
Fast ganz Italien ist beherrscht von den Eigenschaften des AAgnisse.
Mittelmeerklimas.*) Naturgemäß sind die w Teile, soweit sie nicht
der alpinen Gebirgsnachbarschast angehören, durch größere Wärme,
gleichmäßigere Temperatur begünstigt. Im s des Po hat man im
Sommer geringeren Regensall, als im Spätherbst und Frühjahr,
wodurch jedoch das Vorherrschen der immergrünen Laubhölzer nicht
beeinträchtigt wird. In dem Tieflande des Aruo, an den Hängen
des Golfes von Genua wie in Campanien und natürlich auf Sizilien
gedeiht außer der Olive nnt> Zitrone auch au geschützteren Stellen
die Zwerg- und die Dattelpalme. Die wertvollsten Weine gedeihen
auf dem reichen Frnchtboden der campanischen Hügel.
Aber auch im oberen Pogebiet, wie überhaupt in der Ebene
des Po ist der Wein ein vorwiegendes Produkt. In dieser ist außer
dem Reichtum, welchen die Viehzucht durch Milchprodukte gewährt,
wie zwischen Tessin und dem Oglio und s des mittleren Po, die
Geflügelzucht sehr einträglich. Am wichtigsten aber in ganz Ober-
italien erweist sich die Seidenkultur.' Reis gedeiht in der Niederung
längs des mittleren Po, während die besten Südfrüchte an den
oberitalienifchen Seen und an den untersten Stusen der Alpenberge
wachsen. Weizen und Mais sind überall die vorwaltenden Getreide-
arten. — In der Reihe der Nutztiere haben Büffel, Esel und
Maultiere besondere Wichtigkeit.
Vielfach sind einflußreiche Winde bemerkbar, wie der Säroeeo
uud der Maestro. Der Seirocco ist iu Sizilien ein sehr trockener
und schwüler 80-Wind, in Mittel- und Oberitalieu eiu sehr feuchter
und warmer 8-Wind. Der Maestro, oft sehr andauernd, kommt von
NW und N als sogenannter Schönwind, der etwas abkühlt und
klaren Himmel bringt.
*) Längere Temperaturbeobachtungen (Ii Jahre):
V r k e. Seehöhe. Tempera luv in <&.i Traden. Regenmenge
Januar. Juli. Jahr.
m + cm
Turin 275 -0,1 23,3 11,9 79
Mailand 147 +0,4 24,8 12,8 67
Genua 73 5,2 25,3 14,8 108
Florenz 48 7,9 24,8 16,0 129
Ancona 30 5,6 26,3 15,7 72
Rom 50 6,8 24,9 15,3 80
Neapel 10 9,7 25,8 17,4 90
Palermo 0 12,1 25,5 17,9 60
Die Winterkälte steigerte sich zuweilen in Turin bis —15,5 Grad ; in Mai-
land bis —10,9; in Florenz bis —11; in Genua zu —4,8; in Rom zu —6.
134 III. Europa, ausschließlich Mittel-Europa.
Jtal. Volk. Die Bevölkerung Italiens ist trotz der starken Zuwanderung
von germanischen Völkern eine durchaus einheitliche, wenn auch der
Norditaliener meist eine rührigere und thatkräftigere Eigenart zeigt
als die Bewohner des Südens.
§ 8. Staat und Städte.
Das Königreich Italien, 290000 qtm, hat 30000 000 Be-
wohner. Das ganze besteht aus 16 Landesteilen.
Lberttalim. 1. Gberitalien. Piemont im NW. Turin an der Tora
Ripariamündung und dem Knie des oberen Po; 250000 Einw.;
bis 1865 Hauptstadt Italiens, früher des Königreichs Sardinien,
Sieg der Kaiserlichen über die Franzosen 1706. Am Tanaro die
Festung Alessandria. — 2. Ligurien, das Küstengebiet mit dem
milden Winterklima der mit vielbesuchten Luftkurorten, z. B. San
Remo, besetzten Riviera. Genua, Ziel der Gotthardbahn, bedeuten-
der Hafenplatz, in malerischem Aufbau am Uferhang, 180000 Einw.
Spezia an der gleichnamigen Bucht ist der Hauptkriegshafen des
Staates. — 3. Lombard ei, das volkreichste und fruchtbarste größere
Gebiet Italiens, die Landschaft zahlreicher Schlachtfelder und vieler
Kanäle. Mailand sMilano), das Ziel von 3 wichtigen Alpenstraßen
(welchen?) große Industrien, besonders in Seide; gotischer Dom aus
weißem Marmor; 320000 Einw. Im N Como und die Seidenhandels-
plätzeBergamo und Brescia(Brefcha). An derAdda Lodi, Käsehandel,
siegreiche Schlacht Napoleons I. Nahe der Tefsinmündnng Pavia,
einst longobardische Hauptstadt. Sieg Karls V. 1525. Cremona
am Po, Geigenfabrikation. Mantua, vielgenannte Festuug anf
einer Insel im Mincio. — 4. Venetien. Peschiera (Peskiera)
Festung am Ausfluß des Mincio aus dem Garda-See. Verona, reich
an Kunstdenkmälern des Mittelalters, Amphitheater aus römischer
Zeit, starke Festung; 70000 Einw. s-w das Schlachtfeld von
Custozza, Siege der Österreicher 1848 und 1866. ö Padua,
Universität, Heimat des Geschichtsschreibers Livius. Venedig, aus
Pfählen in den Lagunen; statt der Fahrwege Kanäle, darunter der
Canale grande; lebhafter Hafen durch den Lido (f. S. 18) geschützt;
prachtvolle Bauwerke, wie der Dogenpalast, und die Marcuskirche;
Bildergalerie; 130000 Einw. Udine im NO. — 5. Emilia, nach
der römischen via Aemiliana von Piacenza (Piatschensa) am Po nach
Rimini (Ariminum) an der Adria benannt. An dieser Straße liegen
Parma (Parmesankäse wichtig), Reggio (Redscho). sw von diesem
das verfallene Schloß Canoffa. Modena und Bologna mit Uni-
verfität seit 1158; 125000 Einw.; Übergang nach dem oberen Arno.
Ravenna in sumpsiger Gegend, nachdem früher das Meer bis hieher
reichte, weshalb es Residenz der letzten römischen Kaiser, Odoakers
und der oströmifchen Statthalter war. An der 8-Grenze der Emilia.
die kleine Republik San Marino, 8000 Einto.
Italien; Staat und Städte. 135
2. Mittelitalien 6, 7. Die Marken und Umbrien. Mittel-
Ancona, Festung und Kriegshafen. Spoleto auf dem Wege von
hier und vom oberen Arno nach Rom. — 8. Toscana. Garten-
landschaft des Arnogebietes; reinste italienische Sprechweise. Florenz
(Firenze): die Hauptstätte höherer Bildung am Ende des Mittelalters, ge-
leitet durch die Familie Mediei; Paläste, Kunstsammlungen, 170090
Einw. Pisa am unteren Arno, n-v davon Carrara mit den besten
Marmorbrüchen; s-s-w Livorno; wichtiger Handelshafen; 100000
Einw. — 9. Latium. Rom 320000 Einw., meist links des hier
schiffbaren Tiber. Zahlreiche und große Baureste aus der Römerzeit,
z. B. das Colosfeum und Thermen, Engelsburg; größte Kirche und
desgleichen Palast der Erde, nämlich die Peterskirche und der Vatican
mit der größten Bibliothek, Residenz des Papstes; der König residiert
im Palast des Qnirinal; starke Festung. — 10. Abrnzzengebiet.
3. Unteritalien. 11. Campanien. Durch den zersetzten Untewalien
Boden von vulkanischem Gestein besonders fruchtbar, wie ja nament-
lich w der Hauptstadt Neapel Kraterreste und Kraterseen auf jene
Vergangenheit hinweisen (s. S. 41); Cumae und Bajae und der
Hafen Misenum besetzten zur Römerzeit diese w Halbinsel des
Golses. Neapel selbst am N-Raitd des Golfes hochberühmt durch
seine Lage, ist der belebteste aller Seehäfen Italiens, reich an
historischen Sammlungen; 500000 Einw. Auf den Vesuv führt
eine Eisenbahn; 3 von ihm Pompeji; Hereulauum w-s-w. Salerno
an der gleichnamigen Bucht. 12. Apulien, vorwiegend Tiefland,
in dessen n Teil ein sehr ergiebiger Boden. Hafenstädte Bari,
65000 Einw.; Brindisi, Zielpunkt für den Postverkehr aus
Mitteleuropa nach Vorderafieu und Ägypten. Otranto (Hydruntum)
an der gleichnamigen Meeresenge zwischen Adria und Jonischem
Meere. Taranto. — 13. Basilieata. — 14. Calabrien, reich
an Resten einstiger griechischer Pflanzstädte. Hier Eonsenza, durch
Alarich bekannt, Squillaee (Squillatsche) durch Niederlage und Gefahr
Ottos II. — 15. Jenfeit der im N nur 3 km breiten Meerenge
(Faro) von Messina, die Insel Sizilien 26000 qkm — Vs der Größe
Bayerns; durch Bodenkultur, Eiseubahubau uud Mineralaussuhr
(Schwefel und Schwefelkies) wieder wesentlich im Wohlstand gehoben.
Messina 125000 Einw. Catauia am reichen Abhang des Ätna,
100000 Einw. Siraeusa, Grabstätte des Ansbacher Dichters Aug.
v. Platen. Girgenti (Tfchirtschenti), Hauptort sür Schwefelausfuhr
im 8. Marfala im W, Wein. Palermo, malerische Hauptstadt
mit 250000 Einw. — 16. Sardinien, Hauptstadt Cagliari
(Caliari) im 8 mit wenig bebautem, aber fruchtbarem Boden.
Selbständiges Fürstentum Monaco an der Riviera.
136
III. Europa, ausschließlich Mitteleuropa.
C. Pyrenäische Halbinsel.
§ c). Lage und Grenzen.
Die Halbinsel liegt zwischen dem 36. Grad (Kap Tarifa)
und dem 43. Grad n Br. Vom übrigen Europa durch das Hoch-
gebirge der Pyrenäen geschieden, tritt sie nach W in das Weltmeer
am weitesten vor im Kap da Roca und an der Straße von Gibraltar
bis auf 16 km an Afrika heran.
Frühzeitig wurde die Halbinsel in Verbindung mit Afrika gebracht
durch die Punier—Karthager, und erst 1492 n. Chr. wurde in derselben der
letzte von Afrikanern (Mauren und Arabern) gebildete Staat vernichtet. Um
diese Zeit erst wurde auch von den beiden Staaten der Halbinsel das Vor-
urteil zerstreut, als sei der Ozean eine endlose Wasserwüste: Spanien und
Portugal brachten durch ihre Gmtdeckungen und Eroberungen in Amerika, in
Afrika und in Indien und seinem Archipel die Lage des westlichsten Teiles
von Europa zu ihrer vollen Geltung.
^grmze.^ Die Grenze ist ynr im NO eine festländische, gebildet von
den Pyrenäen. Wenig gangbar und wenig bewaldet ziehen sie mit
einer Kammhöhe von 2000—2400 m vom Kap Creus im 0 bis
zum Thale des Grenzslüßchens Bidassoa an den Golf von Biscaya.
Die höchsten Gipfel-befinden sich an der Grenze zwischen Ost- und
Westpyrenäen, der Pie d'Anethon (3400 m) und der Mont
Perdn (3350 m). Übergänge: im 0 25 km von derKüste 1. der
Paß des Col de Pertus, nur 250 m hoch, vom französischen
Perpignan (Perpinjan) nach Gerona. 2. Der des Col de la Perche
(Persch) zum Segura (Sicoris), Nebenfluß des Ebro (1610 in).
3. Der Paß des Col de Cansranc vom obersten Thal des Ära-
gon aus. Man will ihn mit einem Tunnel für eine Eisenbahn durch-
bohren. 4. Die Rolandsbresche (Roneesvalles) im W nach dem fran-
zösischen Flußgebiet des Adonr 1200 m. — Keiner dieser Wege
erlangte für den heutigen 'Verkehr größere Bedeutung.
Geschichtlich wurden im 0 die Übergänge durch Hannibal und Hasdrubal,
desgleichen durch Cäsar (Schlacht bei Jlerda-Lerida) wichtig; ebenso in den
langen Kämpfen um den Besitz des Vorlandes am N-Abh«ng (mit Perpignan),
bis ins 17. Jahrhundert. Im W fanden durch Roneesvalles (Rolandssage!)
Züge unter Karl den Großen statt; im übrigen wählte man hier für kriegerische
Unternehmungen in der Regel die Küstenlinie.
Küste»l- Die Küste ist im ganzen nur durch unbedeutende Halbinseln
giiederung. und flache oder kleine Buchten gegliedert. Im N tritt im Kap
Ortegal das Land weiter vor, wo dann die Fjordbildungen Galiziens
zahlreiche Einschnitte machen, besonders s des Westkaps Finisterre. —
Im W wird das Kap de la Roca, w der weiten Münduug des Tejo,
nur wenig bemerkbar. Im 8W endet eine Halbinsel Algarbiens
mit dem Kap San Vieente. — Zur L-Grenze gehört schon der
Gols von Cadiz. Von dem Kap Tarifa und der schmalen kleinen
Halbinsel von Gibraltar an ö bis zum Kap de Gata ziemlich gleich-
Pyren. Halbinsel. Bodengestalt. — Klima, Produkte, Bevölkerung. 137
förmige Küste (Bucht von Almeria). — Im 0 zeigen sich beträcht-
lichere Landvorsprünge, mit dem Kap de Palos und de la Nao. —
Dem letzteren ö vorgelagert ist die Inselgruppe der Pityusen, und
als eine verstärkte Landfortsetzung im NO erscheinen die Balkaren,
die Inseln Mallorca und Meuorca.
§ \0. Bodengestalt.
Die Halbinsel besteht im Wesentlichen aus einem großen inneren fl^töcc
Hochlande, welches meist von breiten Randgebirgen umzogen ist.
Diese dachen sich entweder zum Meere oder zu tieferen Flußebeueu
ab. Im NO befindet sich die des Ebro. Dieser entspringt auf dem
asturisch-eautabrischeu Gebirge, welches an die VV-Pyrenäen sich anschließt,
uud durchzieht das weite Becken von Aragon. Die Ebrowasser-
scheide zur rechten wird vom Iberischen Scheidegebirge gebildet,
welches der breite Ostrand des inneren Hochlandes ist und im 8
zum andalusischen Scheidegebirge übergeht. Von ersterem fließen zum
Mittelmeere: 1. der Jucar (Chucar), der in der Nähe des Tajo
(S. 43) entspringt und das ganze Gebirge ostwärts durchbricht; 2. der
Guadalaviar, an dessen Mündung Valencia 200 v. Chr. ent-
stand. Nach W gehen die großen Flüsse Dnero, Tajo uud die
obersten Nebenflüsse des Guadiana (Anas), welches vom NO-Ende
des andalusischen Scheidegebirges entspringt. Letzteres heißt Sierra
Morena und bildet den 8-Rand der inneren oder castilianischen
Hochebene; sein Rücken ist etwa 1000—1200 m hoch.
Den NW-Rand der n Hochebene bildet ein Teil des verzweigten
cantabrifchen Gebirges in Galizien, aus welchem hier der Minho
(Minjo) seine Wasser sammelt. Am entgegengesetzten Teile der
Randgebirge, im 80, beginnt das Bergland von Murcia (Mursia),
welches mehrere Rücken sw mit der Sierra Nevada verbinden, auf
deren Kamm (2500—2800 m) sich der Cumbre de Mnlahacen
3400 m erhebt; von ihrem N-Abhaug geht der Genil in die anda-
lnsische Ebene, anf die also von 3 Seiten Randgebirge herabführen.
Die Hochebene wird durch das sogenannte kastilifche Scheide- Inneres
gebirge in 2 Hauptteile getrennt, die altkastilische, 700—850 m ^'ateou"
hoch, und die neukastilische, 550—650 m. Das Gebirge zwischen
beiden hat als Hauptteile die rauhe Sierra (^Gebirge) de G uadarama
(bis zu 2400 m hoch), westlicher die Sierra de Gredos, n des
unteren Tajo die Sierra Estrella. — Eine meist unbedeutende
Wasserscheide lagert zwischen Tajo uud Guadiana.
§ Klima, Probufte, Bevölkerung.
1. Das Klima Spaniens zeigt einerseits infolge der vielfach Wärme,
beträchtlichen Seehöhe uud der plateauähnlichen Gebirgsrücken und
andrerseits infolge der s Lage und der vorhandenen Tiefländer und
sonnigen Hänge an den s und w Küsten starke Gegensätze, vor allem
138 III. Europa, ausschließlich Mittel-Europa.
in der Temperatur. Aber auch die Regenmenge ist bei der Lage
am w Ozean und, infolge der Gebirgsbildung an der ^V-Küste sehr
verschieden. Das Klima des Inneren ist ein sogenanntes kontinentales,
wie ja z. B. die durchschnittlich höchste Wärme in Madrid, Valla-
dolid in Altkastilien und Zaragoza in Aragon 39,6, 38,1 und 41,6
Gr. Cels. beträgt, die durchschnittlich größte Kälte ebenda —6,9,
—10,7 und —7,4 Gr. Die durchschnittliche Monatswärme des Juli
dieser Gegenden und schon in der oberen andalusischen Ebene ist
zwischen 21 und 25,8 Gr. Cels. Aus solchen Temperaturverhält-
nissen erklärt sich auch teilweise die Entstehung vou Steppenland-
fchaften namentlich im ö Neukastilien, aber auch uoch in Andalusien.
Überaus stark ist auch die Trockenheit der Luft sowohl im Inneren
als auch im 80 der Halbinsel.
täiäae' Auch die Regenmenge zeigt beträchtliche Gegensätze. Man
hat in Madrid 38, in Valladolid 34, in Zaragoza 36, in Murcia
37 cm; im W sodann mißt man für Lissabon 75, für Oporto an
der Dueromüudung 143, für das innere Galizien sogar 176 cm;
am Unterlauf des Guadalquivir find noch 44, in Tarifa 62 cm
verzeichnet.
Da überdies das Mittelmeer sich weit mehr erwärmt und
wärmer erhält als der Ozeau, hat Südspanien großenteils Produkte
der Länder der warmen Zone.
Produkte. 2. Produkte. Dattelu wachseu vom Segura an s, Zucker-
rohr im S der S^ Nevada; ebenso Baumwolle und Cochenillekaktus.
Doch auch sehr reich an Metallen ist der L. Das westlichste Gebiet
der SiL Morena, n von Hnelva birgt Kupfer, ber 1SIW das meiste
Quecksilber in Europa bei Almaden; im SO der Nevada bei
Almeria sind Bleilager, ebenso w des Kap Palos. An dieser
trockenen Küstenstrecke gedeiht das zähe Espartogras. Die reichste
Bodenkultur für Reis, Mais, Mein, Südfrüchte besteht infolge trefflicher
Bewässerungsanlagen längs der Bucht von Valencia. In Catalonien
zwischen dem Segre und der Küste findet sich Salz, Kohlen und
Eisen; letzteres am meisten in den sogenannten Baskischen Provinzen
an den W-Pyrenäen. Die Ostpyrenäen sind zum teil auch wie die
s Gebirge mit der Korkeiche bestanden. Kohlenflötze sind auch im
cantabrischen Gebirge. In den weiten Hochflächen und in den
Gebirgen, soweit sie nicht ganz kahl sind, hält man Millionen fein-
wolliger Merinoschafe, welche halbwild von magerem Gras und
anderen Gewächsen leben. Die andalusische Ebene hat noch beträcht-
lichen Anbau von Tabak. Im W ist das Küstengebiet links der
Douromüuduug und im SW Algarbien durch vorzüglichen Wein,
durch Johannisbrotwälder und Südfrüchte (bes. Oliven) wichtig.
Bous- 3. Die Bevölkerung zeigt 4—5 verschiedene Gruppen, meist
wesentlich im Zusammenhang mit geographischen Grenzen; am größten
ist die der Castilianer, aus den alten romanisierten Celtiberern
Pyren.HalbinselMima, Produkte, Bevölkerung.- Staaten u. Städte(Wege)^ 139
und den im 5. Jahrhundert zugewanderten Germanen gebildet;
2. die Basken, nach Sprache ntid Abstammung völlig isoliert dastehend;
3. die Aragonier und Catalonier (Valenzier), die aus dem Gebiet
der spanischen Mark Karls des Großen ein vergrößertes Königreich
geschaffen haben; 4. die Andalusier, die einigermaßen mit maurischen Be-
völkernngsteilen vermischt sind; 5. die Portugiesen im W.
§ \2. Staaten und Städte (IDege).
1. Königreich Spanien.
Es ist ein Staat von 500000 qkm mit 17 Mill. Bew., ein-
geteilt in 48 Provinzen, nach ihren Hauptorten benannt. Die
größeren, geschichtlich bekannten Landesteile reihen sich aneinander
wie folgt:
1. Galizien, das Zinnland der Karthager, hafenreich. Ter Spanien,
stattliche Seeplatz Corunna (Kornnja) ist nebst dem festen Ferrol
Ziel der alten Straße von 0 über das Grenzgebirge (1100 m hohe
Paßhöhe). Von dieser Straße biegt man w ab nach dem Wall-
fahrtsort Santiago de Compostella.— 2. N-ö davon ist das älteste
Gebiet, das sich gegen die Mauren siegreich erhielt, Astmien. Haupt-
stadt Öviedo; Hafen Gijon. — 3. Von hier aus geht der Weg s
nach Leon, eiuem Gebiet der alteastilischen Hochebene: Leon (Legio)
und Salamanea im 8 sind Städte aus der Römerzeit; letztere be-
sitzt eine altberühmte Universität. N-ö davon war Valladolid bis
ins 16. Jahrhundert Hauptstadt der Könige Castiliens, dann Spa-
niens; 50000 Einw. Von hier n-ö gelangt man nach 4. Alt-
castilicn und dessen einstiger Hauptstadt Burgos, dem Ziele der
alten Hauptverkehrsstraße von den Baskischen Provinzen her, während
vom Hafenplatz Santander aus leichter Valladolid erreicht wird.
In letzterem vereinigen sich auch die Wege, welche über das kastilifche
Scheidegebirge führen, besonders vom Passe Navaeerrada (1740 m)
nach Segovia. — 5. Nemastilien ist durch Boden, Klima und Be-
Wässerung sehr wenig begünstigt; hier liegt an dem Bache Man-
zanares die große Hauptstadt Madrid, 655 m hoch; örtlich, geistig
(Universität), politisch und für das Geschäftsleben der beherrschende
Mittelpunkt des Staates, Ziel der Eisenbahnen aus allen wichtigeren
Landesteilen; 500000 Einw. N-w das Kloster und die Königsgrab-
stätte Eseorial. Am Tajo erhebt sich Toledo, einst Hauptstadt
der westgotischen, dann der eastilifchen Könige. Die Flüffe Tajo
und Gnadiana leiten nach 6. Estramadura, wo am Fuße der S^
de Gredos das Kloster San Jnste(Chust) an Karl V. erinnert. Derbe-
festigte Hauptplatz Badaj oz(Badachoß) schirmt die Grenze am Gnadiana.
Über die S5-Morena 8 geht es nach 7. Andalusien und zwar nach
Sevilla (Sevilja), bis wohin Küstenschiffe den Gnadalqnivir auf-
wärts fahren, während die übrigen großen Flüsse der Halbinsel nur
aus uoch kürzere Strecken Binnenschiffahrt gestatten. Sevilla ist
140 III- Europa, ausschließlich Mittel-Europa.
berühmt durch seinen großen Dom, seine Universität, Tabaksabrikation,
Ausfuhr von Südfrüchten und Leder; 136000 Einw. Flußaufwärts
Cordova, eiust reichste und bedeutendste Stadt des maurischen
Spanien (Kuppelmoschee); Corduan und Saffianleder; 50000 Einw.
0 davon Ja6n, zu welchem der geschichtlich wichtige Übergang über
die S^- Moreua von N führt (dreitägige siegreiche Schlacht gegen
die Mauren 1212), über den 800 m hohen Paß von Despena-
perros. An der Küste außer Huelva besonders der zweite See-
handelsplatz Spaniens, Cadiz, 60000 Einw.; n davon das wein-
berühmte Jeres (Cheres) de la Frontera, 65000 Einw., wo die
Westgoten 711 den Manren erlagen. Auf der 8 Halbinsel das eng-
tische Gibraltar auf eiuer Felskuppe. N-ö davon Malaga, durch
Weiubau und Zuckerrohrpflanzuugen wichtig, 115000 Einw. Im
0 führt von Aaön eine Straße 1200 m hoch nach 8. Murcia mit
der gleichnamigen Hauptstadt und mit der Seefestung Cartagena
(Carthago nova). — 9. Valencia mit den Ausfuhrplätzen Alicante
und Valencia, 1500P0 Einw. N davon auf den Ruinen von
Saguntum (Hannibal!) Murviedro. Der Terrassenabfall des
iberischen Scheidegebirges macht die Übergänge ins Innere Spaniens
beschwerlich. An der Küste gelangt man nach 10. Katalonien
(Göthalanien), wo. n des zur Römerzeit wichtigeren Tarragona
(larraeo) die erste Industrie- und Seehandelsstadt des Staates sich ent-
wickelte: Barcelona (Weberei,Maschinenfabriken);Universität;260000
Einw. W am Segre ist ein uralter Kreuzungspunkt von Wegen,
Lerida (Herda, Cäsar!). Von da geht es auch w in ein Steppen-
gebiet. Es gehört zu 11. Aragonien, beiderseits des Ebro bis zum
Pyreuäenkamm. Hauptstadt Zaragoza (Oassar-Augusta), 85000
Einw.; von hier führt der einzige leichtere Übergang nach Neu-
castilien. Flußaufwärts 12. llavarra mit dem alten Pamplona,
dem Ausgangspunkt für den Weg durch Roncesvalles nach Frank-
reich. W 13. die Baskischen Provinzen mit Vittoria, auf dem
alten Wege von Pamplona nach Burgos und dem regen Ausfuhrplatz
Bilbao, nahe der Küste. — Auf der Insel Mallorca Hauptstadt
Palma, 60000 Einw. — Als eine „Provinz" Spaniens werden
auch die Eanarien, Inselgruppe unter dem 28. Grad n Breite,
regiert (s. Afrika).
Kleine Pyrenäen-Republik Andorra, halb selbständig.
2. Königreich Portugal;
92000 qkm, 4300000 Bew.; 6 Provinzen.
1. Minho: am besten angebaut; Porto oder Oporto (Portus
Cale), 100000 Einw., Weinausfuhr. — 2. Tras os Montes: Bra-
gan^a (fa), Stammort des Königshauses. — 3. Beira: Coimbra,
Universität. — 4. Cstremadura: Hauptstadt Lissabon mit Vor-
stadt Belem, an der fast 6 km breiten Bnchtmündnng des Tejo,
Frankreich. 141
die rings vor Winden geschützt ist; großer Seehandelsplatz schon vor
dem Entdeckungszeitalter (15. Jahrh.); 250090 Einw. — 5. Alem-
tejo: die am meisten verödete Provinz. — 6. Algarve (f. S. 136)
mit dem Hafenort Lagos. — Zu Europa rechnet die portugiesische
Regierung noch die Inselgruppe der Azoren w von Lissabon.
D. Frankreich.
§ j3. Lage und Grenzen.
Frankreich gehört teilweise noch zu Mitteleuropa, teilweise
ist es ozeanisches Küstenland des NW und W; südeuropäisch ist seine
Mittelmeerküste, die nach Spanien und nach Afrika hinüberweist.
Daher kommt dem Lande eine vielseitige Wichtigkeit für Europa zu,
und viele Anregungen erhält seine Bevölkerung aus dieser geographi-
schen Lage, welche zwischen dem 43. und 51. n Br.-Gr. gegeben ist.
Die Grenzen sind vorwiegend vom Meere gezogen, a. Im S
schließt sich an das 0-Ende der Pyrenäen die Flachküste des Langue-
doe an, als solches besonders erkennbar an Strandseen (etangs),
d. h. durch Meeresauschwemmung allmählich abgeschnürten Wasser-
flächen, am Rande des Golfs du Liön (Golf der Li'gyer). Dann
folgt das rafch ins Meer fortschreitende Rhonedelta und zuletzt die
von kleinen Buchten vielgegliederte bergige Küste der stumpfen Halb^
infel Provenee (Prowäus). s-ö von dieser liegt die Insel Korsika.
b. Im 0 trennt der innere Hauptrücken die Alpen von Italien F^anvs-
(s. S. 130). Die weitaus größere Gebirgsmasse lagert auf der w, J
französischen Seite. 1. Die See-A. haben ihr s Ende an der
Einsenkung, die von den Luftkurorten Nizza und Cannes (Kann)
an der Riviera w nach dem Rhonedelta zieht; n reichen sie bis zn
dem Seitenthale der Durauee, das vom Col Della Maddaleua w
verläuft. — 2. Die Cottifcheu A. entsenden ihre massigsten und
höchsten Erhebungen, besonders die Mont Pelvonxgruppe (Pelwuh),
4100 m hoch, zwischen die obere Durauee uud Jsere. — Beiden
Alpenabschnitten legen sich w die französischen Kalkalpen in breiten
Rücken an und bilden den O-Rand des Rhouetieflaudes. — 3. Die
Grajifch eu A. haben w und n-w des M. Blane die Savoyer
A., gleichfalls Kalkalpen. Sie sind n-w durchfurcht vou 3 Thälern,
namentlich von dem des Sees von Annecy und demjenigen des Sees von Le
Bourget (Burfchs) n von Chambery. —An die Alpen schließt sich die
Natnrgrenze des Jura (f. S. 36) mit dem zweifachen Übergang von
Pontarlier am obersten Donbs. DieGrenze gegen Deutschland s. S. 85. —
c. Im NO verläuft die politische Greuze meist beträchtlich nördlicher
als die natürliche. Letztere zieht auf der linken Maaswasserscheide
bei Sedan w-n-w über die Vorhöhen der Ardennen, auf welchem die
Quellen des Maasnebenflusses Sambre, der Schelde, des srauzös.
Küstenflusses Somme(Somm) und des Seinenebenflusses Oise (Oahs)
sich finden. Dann führt der Rücken der Flandrischen Höhen
142 Europa, ausschließlich' Mittel-Europa.
— Höhen von Artois (Artoa) bis znm^ Kap Gris Nez (Gri
Neh) an der Straße von Calais (Kaläh).
leeres- Die N-Küste Frankreichs ist zwar durch die Seinebai, die Halb-
insel Cotentin (Kotäntän) mit dem Kap La Hogne, die Bai von St.
Michel (Sänt Mischel) und die Fjordküste der Halbinsel Bretagne
(Bretahn) gegliedert, hat aber teils durch Steil- und Flachküsten, teils
durch Klippen, teils durch die versandende Wirkung einer Meeresströmung
und im NO durch Dünenbildung keine natürlichen Häfen von Bedeutung:
nur menschliche Arbeit stellten solche her und muß sie erhalten. Diese
unvorteilhafte Aufgabe bringt auch — e. die Westküste mit sich, wo eine
Anzahl flacher Inseln die zerstörende Wirkung der Meereswogen be-
zeugt, während Flachküste und Versandung, sowie die Dünenbildung
der Landes (Land) s der Gironde der Hafenanlage entgegen sind.
i § \q,. Bodengestalt (Flußgebiete).
"cheidnvand Frankreich wird größtenteils durch die an einander gereihten
der Gebirgc.französischen Mittelgebirge in 2 ungleiche Hauptteile unterschieden, den
0-8 und S einerseits und das übrige Laud andrerseits. Zum 8
gehört auch das Pyrenäengebiet uud das nur zum geringen Teil
durch jene Mittelgebirge dem 8 zugewiesene Flußgebiet der Garouue.
Die Garonne ist nußer dem v Adour (Adur) der einzige wichtigere
französische Flnß, der aus deu Pyrenäen kommt. Sie entspringt im
0 der Grnppe der Maladetta und erhält von dem Hochgebirge her
zu ihrer Rechten noch die Ariege (Arriäfch). ö von der Mündung
des letzteren beginnen die franz. Mittelgebirge mit
Franziis, 1. den Sevennen. Anf ihrem nordöstlichsten Teile ent-
springen Tarn und Lot, Nebenflüsse der Garonne, sowie der
Allier (Allieh) nnd noch dessen Hauptfluß Loire (Loahr). Dann
setzt sich das breite Gebirge 2. im Vivarais.fort, welches n an
einer Einfenkung endet, über welche der Weg von dem alten Vienne
am Rhone s-w nach der Loire führt. — Zwischen dem Lot und
Allier geht — 3. das Margueritegebirge n-w-n zu — 4. dem
ausgedehnten und manchsach gegliederten Plateau der Auvergne
(Ohwern), auf welchem mächtige Kegel etitsttger Vulkane ausgesetzt
sind; so w der Cantal (1860 m); n der Mout Dore (Dor)
(1880 m), von welchem die Dordogne zur Garonne fließt, welch
letztere dabei den Namen Gironde erhalten hat. n-ö des M. Dore
ragt der Pny de Dome bei Clermont vom Allierthale aus empor.
Zwischen Allier und Loire zieht von den Sevennen n — 5. das
Forezgebirge (Foreh), durch Kohlenlager wichtig. Es begleitet
jenseits der Loire — 6. das Lyonnais, und dann — 7. das
Charollais, beide wesentlich niedrigere Gebirgsrücken. Letzteres
endet in einer tiefen schmalen Furche, durch welche von der Loire
n-ö der Canal du Ceutre (dü Säutr) zum Rhonenebenfluß Saüne
(Sohn) gebaut ist. n von diesem Kanal solgt — 8. das Cote d'Or,
Frankreich; Bodengestalt (Flußgeb.). — Klima,Produkte,Bevölkerung. 143
durch den Kanal von Burgund — 9. von dem n-w ziehenden
Plateau von Langres getrennt. Von diesem läuft nach N die
Seine mit der Aube (Ohb) und Marne ab, dazu die Maas,
während von dem n-ö angeschlossenen — 10. Sichelbergen die
Saüne nach 8 geht. Die Sichelberge hängen 3-0 mit den Vogesen
^ Wasgenwald zusammen, aus welchem die Mosel entspringt, um,
wie ihr Nebenfluß Meurthe (Mört), das Lothringer Hochland tief
zu durchfurchen, w des letzteren zwischen der Maas und dem Oise-
Nebenfluß Aisue (Ähn) verlaufen n die Argonnen.
Außerhalb dieses Ganzen der Mittelgebirge sind als vereinzelte
schwache Erhebungen noch das Normannische Bergland s-w der
unteren Seine und die Moutagnes (Montahn) d'Arree in der
Bretagne bemerkenswert. Im übrigen herrscht größtenteils Tief-
land im SW und der NW-Hälfte Frankreichs vor. — Flüsse: Flüsse.
1. Seine; Nebenflüsse rechts: Aube, Marne, Oise mit Aisne;
links die Aonne von einem Parallelzug des Cote d'Or. — 2. Loire;
rechts: die Maine (Mahn), welche bei Angers (Anschehr) den Loir,
die Garthe und Mayenne (woher?) vereinigt; links:" Allier, Eher
(Scher) und Vienne (woher?). 3. Garonne; rechts: Ariege,
Tarn, Lot, Dordogne. — 4. Rhone; rechts: Saüne mit Oignon
(Danjon) und Doubs; links: Jsöre mit Are, Dürance. — Küsten-
flüsse: Adour, Charente; Vilaine vom Normann. Bergland; Somme.
§ ^5. Alima, Produkte, Bevölkerung.
Im größten Teile Frankreichs steht
1. Das Klima nnter dem beherrschenden Einfluß der See, Klima,
vor allem des atlantischen Ozeanes und der von ihm herkommenden
feuchten W- und NW-Winde. Die Folge davon sind eine ausgiebige
Summe von Niederschlägen'") und geringere Temperaturgegensätze.
Im 8, wo zudem durch Gebirge Schutz vor N- und N0 - Winden
mit Ausnahme des stürmischen Bergwindes Mistral gegeben ist,
wirkt das Mittelmeer erwärmend (f. S. 133).
*) Klimatische Beobachtungen:
Vebirle u. Vrle. Megenmxngp. Wikkl.T emprrak i.V.-Vv. Kxehöhe.
Januar. Juli. Jahr.
CID + 4- -4- IN
Am Adour 110 6° Dez. 19,8 13 220—500
Bordeaux 70 5,6 20,6 12,8
Montpellier 68 5,6 24,3 14,4 60
(Languedoc)
Nizza 90 8,4 23,9 15,7 —
Lyon 65 2,4 21/2 11,5 280
Paris 62 2.0 18,3 10,2 34
Calais 70 3,5 17,0 10,4
Brest 78 6,3 17,9 11,7 65
144 Europa, ausschließlich Mittel-Europa.
Natur- 2. Produkte. So erklärt sich im Rhonetiefland, an den
erzeugn e. unteren Stufen der Provence und im Langnedoc der
Pflanzenwuchs südlicher Zonen. Hier gedeihen die besten Oliven
(Proveneer Öl), Orangen (StadtOrange [Oranfdh] oberhalb des Rhone-
deltas), bes. die Seidenraupe in ganz Südsrankreich und bis über
Lyon hinaus. — Auf den Sevennen pflegt man Viehwirtschaft (Roque-
fortkäse); im 80 bei Alais lagern Kohlenflötze. Solche und Eisen-
erze spendet auch der S des Lionnais und das Forezgebirge, Haupt-
platz: St. Etienne. Reiche Gemüse- und Blumenkultur hat die
Landschaft um Lyon. Besonders aber ist der Weinban Frankreichs
weitaus der einträglichste Zweig der Bodenkultur des Landes; seine
stärkste Verbreitung im 0 findet sich in der Nordhälfte des Saüne-
gebietes („Burgunder" mit Dijou als Hauptplatz). — Auf der
W-@eite des Cote b'Or find die Eisen- und Kohlenwerke von
Crenzot (Krösö) bedeutend. Im oberen Loiregebiet aber ist der
Thalboden des Allier abwärts Clermont, die Limagne (Limahn),
ein üppiges Fruchtland;s weiter aufwärts quillt der Gefundbrunnen
von Vichy (Wischi). Werksteine, Thone und Porzellanerde bietet
das Plateau 1)er Anvergne. Großartig ist die Weinkultur im oberen
Garonnebecken (Hauptplatz Toulouse) und an der Gironde (Bordeaux),
an welche sich die.Weingegend der Charente (Cognac) anschließt.
Reichen Ertrag der Viehzucht und des in ganz Nordfrankreich ergiebigen
Weizenbaues hat die Vendee (Vandeh), die Landschaft s der untersten
Loire. Obstbau und Gartenkultur verschönert das Anland der Loire
von Angers bis oberhalb der Chermünduug (Blois, Bloa). Flachs-
bau ist bedeutend in der Bretagne und Normandie; im 80 der
letzteren auch die Pferdezucht in der Landschaft Perche. Der fette
Boden im Osten von Paris, in der Brie, ist durch seine Milch-
Produkte berühmt. Die thonigen Kalkböden der Champagne liefern
die Trauben zur Champagnerfabrikation, wie dort auch viel Schreib-
kreide gebrochen wird, n der Berge von Artois hat Frankreich teil
an dem großen Kohlenflötz, welches bei Lille aus Belgien herüber
reicht. — An der N- und besonders W-Kiiste wird Fischerei in
regster Weise betrieben.
Völker- 3. Die Bevölkerung ist vor allem im 8 und in der Mitte
Sprachen, die der romanisierten Celten (Kelten), wenig durch Zuwanderung
verändert. In Savoyen und im 80 an der Riviera ist italienische
Nationalität vorwiegend, wie auf Korsika überall. Im 8W machten
sich baskische Volksteile und in noch geringerer Menge westgotische
Einflüsse geltend. In der Bretagne behauptet sich noch immer die
Eigenart und großenteils die Sprache der im 5. Jahrhundert zahlreicher
von N gekommenen (eeltischen) Briten. Im übrigen ^-Frankreich fand
vom 4. bis 10. Jahrhundert eine stärkere Mischung mit erobernden
Germanen statt, besonders mit Franken nnd Normannen. Das Volk
der Burgunder siedelte sich im 5. Jahrhundert im Saünegebiete an.
Frankreich; Staat, Städte (Wege). 145
§ \6. Staat, Städte (lvege).
Frankreich ist eine Republik. An der Spitze der Regierung
steht ein Präsident; zwei gewählte Körperschaften, Senat und Tepu-
tiertenkammer, beherrschen die Gesetzgebung. — Umfang des Staates:
530000 qkm; Bewohnerzahl; 3820000(1 Das Ganze ist in 86,
mit Korsika in 87 Departements (Departman) eingeteilt. Auch hier
aber empfiehlt sich im Nachfolgenden die geschichtliche Einteilung nach
Provinzen und Gruppen derselben, zumal ihre Namen noch immer
vielfach sprachüblich sind.
1*. Isle (Jhl) de Lrance (Frans), das mittlere Seinegebiet. sU(m*-
Paris beiderseits der schiffbaren Seine, unter der Marne-, ober der
Oifemünduug; auch noch das Aonnethal führt mittelbar hieher,
wo auf einer Flußinsel die Stadt einst entstanden. Abhänge
sanfter Höhen im W, N, 0 und SO, im SW die allerdings kaum
merkliche Loirewasserscheide lenken hieher. Höhere Erhebungen dachen
sich von NO, 0 und SO in weiterer Entfernung ab. Natürliche Wege
verweisen hieher: von der Sambre (Belgien) und Oife, von dem w
Moselknie über die mittlere Marne, von der Saüne via, Dijon über
das sw Plateau von Langres, die Fortsetzung der Richtung des
oberen Loirethales. Dazu hat dieser Zielpunkt fruchtbare Umgebung,
sowie treffliche Kalksteine und Gips im Moni Martre (Martr) und
sonst im Stadtbereich. Ein Zentrum des gesamten Großverkehrs,
ist Paris auch erste Industriestadt des Landes, reich an älteren und
neueren Prachtbauten und Monumenten (Vendomesäule, Obelisk von
Lnksor), sowie großartigen Sammlungen im Lonvre (Lnwr) (Gemälde,
Statueu, zweitwichtigste Bibliothek). Hochschulen für die Wissenschaft,
Technik uud Kunst; 2350000 Einw. Großartigste Umfassung durch
Festungswerke; deren Gürtel ist 4mal so lang, als er 1870 war.
In der reichen Umgebung: im S^V Versailles (Wersaj), neue Provinzen
Residenz Ludwigs XIV. mit berühmtem Schloß und Park, deutsche""
Kaiserproklamation 18. Jan. 1871. Auf dem Wege dahin Sevres
(Sewr), wichtige Porzellanfabrik. N St. Denis (Denih), 50000
Einw., Ort der Gräber der Könige Frankreichs. An der Aisne
Soissons (Soason, Suessiones), Hauptstadt zur Zeit der mero-
wingischen Frankenkönige, Sieg Chlodevechs 486. Von der Oise
führt ein vielbenützter Kanal zur Somme nach St. Queutin
(Kantän), 50000 Einw. — 2. Aennegau, Flandern, Artois und
j)icardie. Mächtige Industrie, besonders in Webwaren jeder Art in
Cambrai, Valenciennes (Walansienn), Arras und Lille (190000
Entw.), welche Städte zugleich Festungen sind; Roubaix (100000
Einw.) und Tonrcoing (60000 Einw.) (Rubäh, Tnrkoän) durch
Kohlenabbau bedeutend geworden. Dünkirchen (noch vlämische,
d. i. niederdeutsche Sprache), Hasen. Calais, lebhafter Verkehr mit
England, 60000 Entw., desgl. Bo ulogne (Gessoriacum), das
10
146 III. Europa, ausschließlich Mittel-Europa.
uralte Ziel der Straße von Paris nach Britannien. Amiens (Amiän)
an der Somme, Samtfabrikation. — 3. Normandie. Ronen (Ronan)
im Mittelalter Hauptanlegeplatz für Seeschiffe. Le Havre (Lö
Hawr), zweitwichtigster Seehafen, 115000 Einw., gegenüber Seebad
Trouville. Auf Cotentin der großartige, nur künstlich geschaffene
Kriegshafenplatz Ch erbourg (Scherbuhr). — 4. Bretagne. Renn es
(Ren) a.d. Villaine, alteHauptstadt des Herzogtums Bretagne. Brest im
W, Ausgangspunkt transatlantischer Kabel, 70000 Einw., Seefestung
wie L'Orient (Lorian), im SW. An der Loire Nantes (Nant), beträcht-
licher Schiffsverkehr, 130000 Einw.; große Ozeandampfer kommen
nur nach St. Nazaire (Nasär) an der Flußmündung. — Flußauf-
wärts 5. Anxou (Auschuh), Maine, Touraine (Tnrän). Le Mans
a. d. Sarthe, Kreuzungspunkt wichtiger und alter Wege (auch von
Tours nach Cotentin), Schlacht 1871. Angers. Tours (Thür), ältester
Bischofssitz Westfrankreichs, Übergangsstelle der Straße von Paris
nach dem SW (Bordeaux), 60000 Einw. — 6. Grleanais. Blois.
Orleans (Aurelianum) am Loireknie, 60000 Einw., ein entschei-
dender Platz zur Zeit Attilas, der Jungfrau von Orleans und 1870.
Oberhalb mündet von Fontaineblean a. d. Seine her der sehr
belebte Kanal von Briare (a. d. Loire). — 7. Loireaufwärts
llivernais, Berry, B.ourbonnais. Nevers nahe der Alliermündnng,
Eine uralte Verkehrslinie führt w nach Bourges (Buhrsch), ge-
schichtlich und durch Artilleriewerkstätten wichtig. — Am Allier auf-
wärts 8. Auvergne und w Limoufiu (Limusäü) und Marche
(Marsch). Clermont, Ausgangspunkt des 1. Kreuzzuges. An der
oberen Vienne Limoges (Limohsch), wichtig durch Woll- und Seiden-
Weberei. Auch über Limoges führt ein uralter Hauptweg aus dem
i~>W nach Orleans und n. — W. 9. Poiton (Poatuh), s davon
Augumois (Ogumoa), Aunis (Ohni) und Saintonge (Säntonsch).
Poitiers (Poatje) auf dem alten Heerweg zwischen der unteren
Garonne und Tours, daher mehrere entscheidende Schlachten in der
Umgebung(507,732,1356). La Rochelle (Roschell) n der Charentemün-
dnng und an dieserselbst Rochefort sind befestigt; ersteres durch die Ver-
teidiguug der Protestanten gegen die katholische Macht des Staates
unter Kardinal Richelieu (Rischeljö) berühmt, 1628. Angoulßme
am Knie der Charente, Wegekreuzung von N und 0. — Garonne-
gebiet: 10. Guienne (Güjenn), Gascogne (Gascohn), auch Navarra
und Bearu. Bordeaux (Burdigala) an der Grenze des Astuariums
der Gironde, bedeutender Seeplatz für Wein und Öl. Bayonne
nahe derAdourmündung, vor welcher das Seebad Biarrits. Pa u(Poh)
in Bearn, Badeort. Am Tarn Montauban (Montauban), Tuch-
fabrikeu. — Ö 11. Languedoc mit Ronfillon (Rufiljon) von den
Pyrenäen bis an das Lyonnais. Toulouse in fruchtbarer Umgebung,
an der Wasserstraße der Garonne; Ziel des Arriege und des mitt-
leren Tarn, sowie der tiefen Bodensenke vom Mittelmeere her, durch
Frankreich; Staat, Städte'(Wege). 147
Welche der freilich wenig benützte Canal du midi von Narbonne
(Narbo) herübergeführt ist; Hauptstadt des älteren Westgotenreichs,
dann der mächtigen Grafschaft Toulouse; 150000 Einw. Perpig-
nan in Roussillou (S. 136). Ce t te (Sett), reger Hafenplatz, auch für das
Garonnegebiet, 40000 Einw. Montpellier, Universität, 60000
Einw. Nimes (Nemausus) mit bedeutenden Baudenkmälern der
Römerzeit. Seidenweberei, 70000 Einw. Ö davon Beaueaire
(Bokähr), nach welchem der hier beginnende Schiffskanal von der
Rhone zum Meere benannt ist. — 12. Die Provence hat natur-
gemäß am Rhoneufer und an der Küste ihre dichteste Bevölkerung.
An letzterer Marseille, der bedeutendste Seeplatz Frankreichs, ein
belebter Hafen seit der Gründung durch die Phokäer um 600 v. Chr.,
und durch die Phöniker, welche Zinn auf dem Landwege durch Gallien
von Brittanien her bezogen. Sitz der größten französischen Dampfergesell-
schaft, Hauptaus- und Einfuhrplatz auch für die Schweiz; 380000
Einw. 0 Toulon, mächtige Seefestuug und Arsenal; 75000 Einw.
Cannes; Nizza (früher italien.), 77000 Einw. N von Marseille Aix
(Ähx, Aquae sextiae), Badeort, bekannt durch Marius' Sieg über
die Teutonen. Arles (Arl, Arelate) am Beginn des Rhonedeltas,
Hauptstadt des vormal. burgundischen Reiches. Avignon (Awinjon)
n der Düraneemüudung, Sitz der Päpste im 14. Jahrhundert. —
13. Die Danphine. Festung Grenoble an der Jsere. Vienne
(S. 143). — 14. t^yonnais zwischen Saone und Forezgebirge. Lyon
(l.uZdununi) links der Saonemündung entstanden, größter Seiden-
industrieplatz der Erde; große Befestigungen; 410000 Einw. s-w
St. Etienne (S. 144) 120000 Einw. w-n-w von Lyon führte in
der alten gallischen und in der Römerzeit die Handelsstraße an die
Loire, die von dort aus Wasserstraße war. — n-ö von der Dauphine
— 15. Gavoyen. Hauptstadt Chambery (S. 141); das Ländchen
erfreut sich des größten Zuflusses von Reisenden, besonders auch
wegen seiner Thäler, so auch des Chamounix (Schamuni) am
NW -Fluß des Mout Blane. — 16. Burgund. Dijon,
65000 Einw. (s. S. 144). Crenzot, (S. 144). — 17. Lranche-
<Lomts (Frannsch - Konntee). Besanyon (Besanson, Vesontio
Casars) am Donbs 60000 Einw.; große Nhrensabrikatiou. —
Selbständig verwaltetes Gebiet der starken Festung Belfort an der
„Burgundischen Pforte" n der Sichelberge. — 18. Lothringen,
lange Zeit in etwas lockerem politischem Zusammenhang mit dem
Deutschen Reiche, kam 1766 an Frankreich. Alte und schöne Haupt-
stadt ist Nancy (Nansie) an der Meurthe, 80000 Einw. 0-3-0
Luueville(Lünwill) auf dem großen Wege von Straßburg nach der mittleren
Marne und Paris. An der oberen Mosel die Festung Epinal,
abwärts am Moselknie die alte Festung Toul, wie überhaupt eine
dichte Reihe von kleinen und mehreren großen Festungen nahe der
deutschen Grenze sich geltend macht; vor allem auch Verdun (Werdön)
10*
148 III. Europa, ausschließlich Mittel-Europa.
a. d. Maas. Hiezu gehört auch in — 19. der Champagne
Langres a. d. Marne, am altbedeutenden Hauptweg vom 3 Steil-
abhang des Plateau zum Seine- und Rheingebiet. An der mittleren
Marne sind Chalons (Schalon, Catalaunum zur Zeit Attilas) und
Epernay und n von diesem Rheims (Raus) wichtige Weinhandels-
Plätze, Rheims durch Chlodevechs Taufe und als Krönungsstadt der
französ. Könige geschichtlich bekannt; gotischer Dom, wie in Toul;
100000 Einw. An der Maas Sedan, Gefangennahme Napoleons III.
2. September 1870. — 20. Insel Korsika mit der Hauptstadt
Ajaecio (Ajatscho).
E. Niederländische Staaten.
1. Königreich Belgien.
§ \7. Die Lage des Landes
erscheint wesentlich günstig durch die Meeresnähe und dnrch die
Nachbarschaft Wohlhabenoer Staaten, namentlich auch durch Ver-
bindungen mit den Rhein- und dem Seinegebiete, wie solche durch
Flüsse und durch künstliche Wege (Kanäle, Schienenstraßen) gegeben
sind. — Die Grenzen siehe bei Frankreich und dem Deutschen
Reiche; im N ist nur die halbe Strecke der politischen Grenze ganz
schwach von der Natur als natürliche Grenze empfohlen, nämlich
durch die Campine, Kempenland, eine fast unmerkliche Wasserscheide
der Scheldeznflüsse. Eines der ausgedehntesten Haideländer Europas.
§ \8. Die Bodengestalt
Gebirge, zeigt 3 Stufen: a) den SO, rechts der Maas und der Sambre,
wo die Ardennenplateanx von scharfgerissenen Thalwindungen durch-
zogen sind; b) das Belgische Bergland links beider Flüsse, in
deren Thal durch die enge Folge von Kohlenflötzen und durch Erz-
lager von der Gegend s Aachen an bis nach dem französischen
Valenciennes die großartigste Industrie bewirkt ward. Seine Nord-
grenze hat dieses Belg. Bergland an einer Linie von der Mitte des
Scheldelauses an ö nach Aachen.
Flüsse. Außer der Maas mit Sambre hat nur noch die Schelde
Bedeutung, deren Gewässer am meisten durch die Rüpel mit der
Dyle (Deik) von rechts verstärkt wird. Die Schelde hat nur einen
benützten Mündungsarm, den südlicheren = Westerfelde.
§ ^9. "Klima, Produkte, Bevölkerung.
Klima und Das Klima ist wesentlich dasjenige Nordfrankreichs, nur
>rzeugm e. rau^er -m gQ un^ m|j. höherer Sommerwärme im Inneren. — An
Produkten sind außer den Kohlenflötzen, die von Charleroi (oa)
a. d. Sambre n nach Möns und Touruay sich fortsetzen, Eisenerze
Niederländische Staaten. 149
in den Ardennen und an den Seiten des Maasthales hervorzuheben. Sehr
verbreitet ist der Bau des besten Flachses von Europa. Übrigens ist
Belgien noch in stärkerem Maße Industrieland, als Sachsen und die
Nordschweiz, besonders durch seine Weberei und Stahlverarbeitung.
Die Bevölkerung besteht aus zwei Teilen, den s Wallonen,
französisch gewordenen Franken, und den Vlamen. Deren Südgrenze
verläuft von Aachen her fast rein w, schließt die Hauptstadt Brüssel
noch teilweise ein und ebenso noch auf dem Boden Frankreichs den stämme.
nördlichsten Teil bis nach Gravelingen hin (s.S. 145). Die Vlamen
machen ^/? der Bevölkerung aus; aber die Amtssprache ist noch
fast allenthalben die französische.
§ 20. Staat und Städte.
Das Königreich umfaßt 29500 qkm und fast 6 Mill. Be-
wohner. Es wird in 9 Provinzen eingeteilt.
1. Westslandern. Hafenstadt Ostende (3jährige Belagerung
bis 1604); Brügge, erste Handelsstadt Mittel-Europas im 15. Jahr-
hundert, durch Kanal mit der See verbunden. 2. Ostslandern.
Gent, 150 000 Einw., gleichfalls im 15. Jahrhundert höchst industrie-
reiche und handelsthätige Stadt, Kanal zur Scheldemüudung.
3. Antwerpen (einst die Mitte von Brabant) mit der gleichnamigen
Stadt, großartiger Seehandelsplatz und dsgl. Festung, 220 000 Einw.
8 Mechelu, Sitz des Kardiual-Erzbischofs, berühmte Kathedrale.
4. Vrabant mit 305 Einw. aus je 1 qkm. Hauptstadt Brüssel,
regste Industrie besonders in Gespinsten und Geweben, mit Vororten
420000 Einw. ö Löwen, Universität; hier an der Dyle Sieg König
Arnulfs über die Normannen 891. Es zieht sich überhaupt in breitem
Bande zwischen der Schelde und der Mitte des belgischen Berglands
nach SW eine zahlreiche Folge von Schlachtfeldern hin, aus welchen
um die Ausbreitung oder die Zurückweisung französischer Macht über
die Niederlande und über Mittel-Europa gestritten ward. Hierzu
gehört auch Waterloo s vou Brüssel, wo Napoleons I. Macht 1815 end-
giltig erlag. 5. Bennegau (Hainaut) Möns; Charleroi. 6. llamnr.
Gleichnamige Industriestadt an der Sambremünduug. 7. Luxemburg,
wo im Bezirke von Arlon noch die deutsche Sprache vorherrscht.
8. Luttlch. Lüttich (Liege) mit großartigen Waffen- und Gußstahl-
sabriken, dsgl. Seraiug (Serän); ersteres 140 000 Einw. Spaa,
Badeort. 9. Limburg mit dem Fabrikort Haßelt. Neutrales
Gebiet Altenberg (unabhängig) ö von Lüttich.
2. „Holland"-Niederlande.
§ 2\'
1. Im äußersten SO bei Maastricht (Mosae Trajectus) endet
das Bergland und zwar mit großen Lagern trefflicher Bausteine
(Kalk). Bezüglich der Rheingewässer s. S. 90.
150 III. Europa, ausschließlich Mittel-Europa.
§ 22.
2. Die Produktion des Inlandes beruht hauptsächlich auf
der Viehzucht und Milchwirtschaft, da nicht nur die Zahl von Nieder-
schlagen des Sommerhalbjahres (Jahresmenge 68 cm), sondern
namentlich die starke Luftfeuchtigkeit den Graswuchs begünstigt.
Ungemein sorgfältig ist der Anbau und die Benutzung des vielfach
sumpfigen Bodens (s. S. 29). Doch ist Fischerei noch immer ein wichtiger
Erwerbszweig, der bedeutendste aber der Handel, durch den großen
Kolonialbesitz des Staates besonders angeregt.
§ 23.
BevöUer- 3. Das Königreich der Niederlande ist 33 000 groß,
un0- von 4 100 000 Germanen, und zwar fränkischen und friesischen, im
0 der Zuydersee auch sächsischen Stammes bewohnt.
Während in Belgien fast ausschließlich die katholische Konfession herrscht,
bekennen sich hier 61 Prozent zum calvinischen Protestantismus, der sich infolge
des Befreiungskampfes von 1567—1609 und 1621—1648 gegen die spanische
Monarchie behauptete.
Provinzen.' 11. Provinzen. 1. Limburg, meist unfruchtbar. Maastricht,
Tuchfabrikation. 2. Nordbrabant, auch größerenteils Haide und
Sandboden. Hertogenbosch, 26 000 Einw. 3. Seeland, srucht-
bare Marschen, die wie der ganze W und NW etwas unter dem
Meeresspiegel liegen. Middelburg und Vlissingen, Festung, auf
der Insel Walcheren. 4. Güdholland; marschreiches Gebiet. Tie
Festung Brlel schirmt die Maasmündung, in welcher man Rotter-
dam (fast 200 000 Einw.), die zweite Seehandelsstadt des kolonien-
reichen Staates, vom Meere her erreicht. Im 80 an der Merwe
das geschichtlich und zur Hansazeit wichtige Tordrecht; im NO
Haag ('§ Gravenhaag) Residenzstadt, 150 000 Einw.; an der Küste
daselbst das Seebad Scheveningen. Am Alt-Rhein die Universität
Leyden. 5. llordholland. Harlem, altberühmte Blumenzucht
(Blumenzwiebeln) am Rande einer trocken gelegten Bucht der Südersee,
des „Harlemer Meeres". — Amsterdam, reiche Hauptstadt, wie
Venedig durchaus von Kanälen für den gewöhnlichen Verkehr durch-
zogen; Großhandel besonders in Kolonialwaren und Getreide, Geld-
platz; 380 000 Einw. Großer Schiffskanal nach W und ein solcher
mit Schleusen zur Spitze Nordhollands nach Held er. — An der
W-Küste der Südersee das durch Käseausfuhr berühmte Ed am.
6. Utrecht mit der gleichnamigen Universitätsstadt, 80 000 Einw.
7. Geldern; vielfach sandiges Haideland^ Nijmwegen, lebhafter
Rheinhandel nach Deutschland. 8. Gberijsiel (eissel) mit Zwolle an der
Jjssel und 9. Drenthe sind weithin moorige Gebiete. 10. Groningen
mit der gleichnamigen Stadt und 11. Kriesland haben reiche Vieh-
zncht. Leenwarden, Hanptort. Dokknm n-ö davon, durch den
Niederländische Staaten. — Die britischen Inseln. ^51
Märtyrertod des Winfrid-Bonifacius (754) bekannt. Unter den
vorgelagerten westfriesischen Inseln ist die größte Texel gegenüber
dem Helder.
Die Zuydersee ist wegen ihrer Seichtigkeit ohne Bedeutung für die
Meeresschiffahrt, hat daher auch keinen Seehandelsplatz an ihrem Ufer. Da-
gegen dient sie dem Verkehr der Schiffe, welche auf den Flüssen und auf den
zahllosen Kanälen des Landes den gewöhnlichen Transport von Dorf zu Dorf,
wie in weiteren Abständen besorgen, meist von Pferden (Treckscheute) gezogen.
Durch Kanäle also ist seit alter Zeit das Land trotz seiner Sumpfgebiete nach
allen Seiten hin wegsam gemacht, während die Flüsse nur wenige Linien von
Wasserstraßen sind; unter ihnen auch jene V echte, die bei ihrer Mündung
mit der 2)siel in Verbindung steht.
F. Die Britischen Inseln.
§ 2^.' 5age und horziontale Gliederung.
Wie in nächster Nähe Frankreichs (nicht 34 km weit ist der
Abstand in der Straße von Calais), nnd der Niederlande, liegt die
großbritannische Insel auch in der Nachbarschaft Deutschlands und
Skandinaviens, 450 km von Norwegen. Nach England hin deuten
zunächst die Mündungsarme des Rhein und der Ausgang aus der
Ostsee, das Skager Rak. Nach W aber, in den Ozean hinein, ver-
weisen die meisten Halbinseln und Glieder der beiden großen Inseln
Großbritannien und Irland. Auf einer Erdhalbkugel; welche die
größte Laudmasse aufzeigt, ist Englands Süden der centralste Teil
des gesamten Festbodens.
Die Küstengliederung der Hauptinsel bestimmen hauptsächlich .Küsten-
folgende Halbinseln und Buchten (f. S. 43):
im 0: Halbinsel Keut im W: Halbinsel Cornwall mit
Kap Landsend
Themsebucht Bristolkanal (Bristl)
Halbinsel Wales (Wohls) Halbius. Norfolk (Norfok)
Buchten des Dee (Dih) und
Merfey (Mörsä) Waschbucht (Uäsch)
Moreeambe-Bai (Morkämb) Humber (Ömbr)
Solway-Firth (Soluäsörs)
Firth of Clyde (Förs of Cleid) Firth os Förth (Fürs)
imSW:girth of Loru imN0: Moray (Moräh) Firth.
Schottland, das im NW mit dem Kap Wrath (Röss) endet, Tchottlanö.
zeigt im NO zwei große und durch die Fjordbildung des W aus
dieser Seite zahlreiche kleine Halbinseln. Eine Art Fortsetzung des
Landes oder Reste eines solchen hat Schottland im NO au den
Gruppen der Orkney- (Orknä) und Shetlandinseln, im W an
den Heb rid en, wie auch zahlreiche andere Inseln den Fjords vor-
152 III. Europa, ausschließlich Mittel-Europa.
gelagert sind, darunter w des F. of Lorn die kleine Insel Staffa
mit der Basaltsäulenhöhle Fingal.
Irland. Über die Inseln der Irischen See und Irland, dem sich
Schottland am Nordkanal auf 36 Km nähert, s S. 44.
Sonstige Im SW Englands liegen die kleinen Scillyinseln, nahe der
vsn ei» Z.Mste die klimatisch und landschaftlich gerühmte Insel Wight (Weiht).
§ 25. Vertikale Gliederung. (Mineralschätze.)
Der W Großbritanniens etwa vom 2. Grad w L. an ist
vorwaltend gebirgig, der 0 Tiefland, von Hügelzügen schwach ge-
gliedert.
Gebirge. 1. Im SW die niedrigen Berge von Cornwall nnd Devon
(Dewn) mit reichen Zinn-Blei und Kupferminen. — 2. Die Gebirge
von Wales, besonders im Süden reich an Kohlen und Eisenerzen,
letztere auch im N um den Gebirgskuoten Snowdon (Suohdn)
1100 m hoch; s von ihm entspringt der Dee(Dih), südlicher der Severn.
n-ö von diesem beginnt — 3. das Penninegebirge, das an einer
tiefen ö Furche endet, die am Solwaysirth beginnt. In demselben
ausgedehnte Kohlenflötze und Eisenlager. Erstere auch s vom Pennine,
zwischen dem von ihm kommenden Trent und dem Severn; Eisen
besonders auch ö vom Pennine nahe der Nordsee in den Bergen
von Jork (Hauptort Middlesborough ^Middlsböro^). Vom Peuuine
fließt nach W der Mersey, nach 0 a) die Ouse (Auß), welche mit
dem Trent vereint den Hnmber bildet; b) der Tyne (Tein). Zwischen
Solway und Tyne das größte Kohlenflötz Großbritanniens. —
n davon 4. das Cheviotgebirge (Tschewiot), durch die dortige Schafs-
zucht ertragsreich. — In Schottland: 5. das südschottische Bergland,
ans welchem der Clyde abfließt. Im NW find die reichsten Eisen-
lager des Landes, neben Kohlenflötzen; Hauptort Glasgow. Jenseit
' der Landenge, welche die Firths of Clyde und of Förth bilden,
erfüllen 6. die hohen und wildgeformten Grampians (Grämpiän)
in o-n-ö Erhebungen das Land, unter welchen im W der Ben Newis
(Niwis) 1340 ra hoch. Ter ealedouifche Kanal (f. S. 44) trennt
von 7. dem nordschottischen Bergland.
Über die Berggebiete, welche aus dem in Irland vorherrschen-
den Tiefland meist in der Nähe emporgehen, s. ebendort.
S-iüfec. Flüsse Großbritanniens: 1. Themse, in der Nähe des unteren
Severn entspringend, schiffbar im Meridian der Insel Wight bei
Oxford (Oxförd). 2. Hnmber, entstanden aus Trent und Ouse.
3. Tyne. 4. Clyde. 5. Mersey. 6. Der Severn. — In Jr-
land der Shannon (Schönnen). — Zahlreiche Kanäle, ähnlich wie
in Belgien, verbinden die einzelnen Flüsse, die meist sehr wasserreich
sind und durch die Flutwirkung des Meeres Seeschiffen den Zugang
ziemlich weit herein gestatten.
England; Klima, Produktion und Handel. Bevölkerung. 153
§ 26. Klima, Produktion und Handel. Bevölkerung.
1. Das Klima dieses Jnsellandes ist infolge der Meeres- Wärme.
Umgebung und namentlich einer warmen Meeresströmung in jederHinsicht
gemäßigt. Daher gibt es natürlich im s England Sommerwärme
wie im ö Europa unter gleicher geographischer Breite. Wein kann
hier nicht, wie bei Bonn oder in Schlesien, reifen, auch nicht die
Kirsche. Die Januartemperatur der Insel Wight ist derjenigen von
Görz und Fiume fast gleich. Auch im N zeigen z. B. die Hebriden
eine wärmere Temperatur im Winter als z. B. Bordeaux. Gegenden
wie die am F. os Förth und an der NO-Küste Schottlands haben
3 Grad Januarmittelwärme wie das Innere Mittelenglands, während
Dänemark unter gleicher Breite —0,4 und —0,6 Grad. Dagegen
erreicht der Sommer auch nur eine Julimittelwärme von 14—15
Grad an der Ostküste, in Schottland und in Mittelengland, 16
bis 17 Grad im Innern uud im W.
Die Folge der großen Luftfeuchtigkeit und der W-Winde Nicver-
ist nicht nur die andauernde Bewölkung des Gebietes, sondern auch ^,ö0e-
der reichliche Regen fall. England hat sowohl im 0 und in der
Mitte, als im W eine jährliche Niederschlagsmenge von 100 cm,
Schottland 102 cm. Irland wenig darüber.
2. Die Produkte der Landwirtschaft sind bei solchen klima-Ackerbau u.
tischen Verhältnissen und bei der besonderen Sorgfalt, welche der ^'^zucht
reiche Großbesitzerstand auf die Bodenkultur und Viehzucht der
Inseln verwendet hat, ausgiebig und von hoher Güte, da zudem immer
nnr wenige Landstriche unfruchtbare Bodenzusammensetzung haben.
Doch wird mehr und mehr Gebiet dem Getreidebau eutzogeu
uud zu gunsten der Viehzucht in Gras- und Futterboden verwandelt.
Die trefflichen englischen Pferde, die fleisch- und milchreichen Rinder,
die ausgezeichnete Wolle der Schafe uud die schweren Schweine Eng-
lands zeugen von den bezüglichen Bemühungen des Grundbesitzes.
Der meist sehr fruchtbare Boden Irlands ist wegen übergroßer Be-
völkeruug vorwiegend zu Kartoffelbau verwendet, daneben auch viel
für Leinfelder, welche auch eine größere Ausdehnung in Schottland
haben. — An den Küsten wird, namentlich in der Nordsee, Fisch-
uud Austernfang sehr lebhaft betrieben; Heringe liefert in Menge
das Meer an der N-Küste Schottlands, von dessen n-ö Häfen man
besonders auf Wal- und Robbenfang nach den Polargegenden ausfährt.
Untergeordnet im Gesamterwerb der Bevölkerung erscheinen Industrie
aber diese Nahrungszweige neben der Industrie und dem Handel"'^
einschließlich der Rhederei. In der Spinnerei uud Weberei hat das
Land fast doppelt so viele Fabrikanlagen als das ganze übrige
Europa. Ebenso überragt Großbritannien in Masse des verarbeiteten
Eisens Deutschland weitaus und daher noch mehr jeden anderen
europäischen Staat. — Der Seehandel und die Rhederei wird von
III. Europa, ausschließlich Mittel-Europa.
23 000 Schiffen besorgt, unter welchen 6700 Dampfer, zum teil
mit 6000—8800 Tons Tragfähigkeit, sich befinden. Dem Binnen-
Handel dient vor allem das dichteste und aufs regste benützte Netz
von Eisenbahnen; aber auch die zahlreichen Kanäle haben durch
Transport von Rohstoffen eine große Nutzbarkeit.
Brit. Volk. Z. Die Bevölkerung ist in England, im ö oder mehr n-ö
Irland und im s-ö Schottland jene, welche durch die Angeln und
Nordsachsen unter Vereinigung mit den Britanniern als angel-
sächsische oder englische zu stände kam. Sie konnte durch die um
1000 einwandernden Dänen und durch die französisch redenden
Normannen, welche 1066 kamen, in ihrer germanischen Nationalität
nur gekräftigt werden. Im n-w Schottland, in der W- und 8-Hälste
Irlands, sowie im größeren Teile von Wales haben die eeltischen
Ureinwohner, Seoten und Kymrer, Sprache und Volkstum sich be-
hauptet.
Religions- Der Konsession nach sind die Engländer und die Schotten
ver litt f jjprttHcgctit) Protestanten, meist der bischöflichen anglikanischen Kirche
zugehörig. In Irland aber finden sich unter 1000 Köpfen 765
Katholiken, wie in England nur 46, in Schottland 95; im ganzen
bilden die Katholiken etwa der Bevölkerung.
§ 2?. ötaat. Städte.
Poltt. Großbritannien nnd Irland sind ein Königreich, in welchem
9'aber die Regierung wesentlich von der Volksvertretung, d. i. dem
Haus der Gemeinen und dem Haus der Lords, abhängt. Die
derzeitige Herrscherin ist zugleich Kaiserin von Indien, wie ja durch
den Kolonienbefitz dieser Staat das größte Weltreich geworden ist.
Eine Flotte von 680 Schissen (darunter 77 Panzerschisse) dient der
Ausrechthaltung der Seeherrschaft „Englands" (wie man den Staat
gewöhnlich nennt).
Größe und Das eigentliche England mit Wales umfaßt 150000 qkm
.Volkszahl. gejü0^J1j üon 28300000 E.; Schottland 79000 qkm und
4 000 000; Irland und Inseln 85000 qkm und 4950000; im
ganzen 37 250 000 Einwohner. — Für die Verwaltung ist dieses
Ganze in 126 Grafschaften — shires (Schirs) eingeteilt.
England. 1. England. London an der Themse 4 200 000 (Polizei-
bezirk 4 800 000) Einw.; ungemein ausgedehnte Anlage der Stadt,
welche eine Anzahl von Lokomotivbahnen durchzieht; erste Verkehrs-
stadt der Erde. Daher die größten Häsen und Docks an der Themse.
KnlurgeschichtlicheSammlungen. Im 0 Vorort Greenwich (Grihnitsch)
mit großer Sternwarte (s. S. 11). Daran schließt sich das Arsenal
Woolwich (Wuhlitsch) und etwas östlicher der Kriegshafen Chatham
(Tschätäm). ö von diesem der erste Erzbischosssitz des Landes Canterbury
sKenterbörri). Dover, Überfahrtsplatz nach dem Kontinent. — n-ö der
England; Staat. Städte. 155
InselWight die starke Seefestung Portsmouth (Pohrtsmauß), 140000
Einw., wo die Marine-Rhede von Spithead (Speithähd) ist. In
der Spitze der Bucht n von Wight Sonthampton (Sausämtn),
wo die meisten Postdampfer abgehen oder anlegen. Im W
der Südküste die Marinefestung Plymouth (Plymauß). Am Süd-
ufer von Wales Cardiff, Kohlenausfuhr. Nahe der Severumüuduug
Bristol, 230 000 Eiuw. An der oberen Themse Oxford, alte
Universität, wie auch zu Cambridge (Kämbridsch), n von London.
In der Mitte zwischen London und der Deemündung Birmingham,
die bedeutendste Stadt für Eisen- und überhaupt Metallwareu aller
Art; 450 000 Eiuw. Am Dee Ehester (Tschestr), durch Käse und
Schiffsbau wichtig. Am Mersey Liverpool (Liverpuhl), 600 000
Eiuw., erste Rhedereistadt Englands, erster Platz für Baumwolle. Von
hier bis Manchester (Mäntschestr), der größten Webereistadt der Erde,
samt dem mit ihm verwachsenen Salsord ist ein Seeschiffkanal im Ban;
beide zusammen 1 000 000 Einw. Am Osthang des Pennine
Sheffield (300000 Einw.) und Leeds (Lihds 320000 Einw), ersteres
durch Messer und Säbel letzteres durch seine Webeftosfe bedeutend. Hull,
großer Schiffahrtsplatz am Humber (160000 Einw). Snnderland,
größter Kohlenexportplatz der Erde, 8 der Tynemünduug. Newkastle
(Njukafsl) und Carlisle (Karleil) Kohlenplätze. —
2. In Schottland: Edinburgh, malerisch gelegene HauptstadtSchottland,
des früheren Königreiches, großartige Weberei. (260000 Einw.).
Obgleich durch einen Kanal für Seeschiffe zugänglich, hat es doch
als eigentlichen Hasen Leith (Lihs). ö und n Hafenplätze Duudee
(Döndih), Aberdeen (Äwerdihn) und Jnverneß. Im SW der
mächtigste Eisenplatz und die erste Schiffbaustätte der Erde, Glasgow
am Elyde 540 000 Einw. —
3. Irland. Im NO B elfa st (225 000 Einw.), mit großer und
Spinn- und Webeindustrie. Diese blüht besonders auch in der Re- ^ '
gierungshauptstadt Dublin (Döwlin) im 0, Universität; 360000 E.
In der Shanuoubucht Limerick, Ausfuhrhasen. Im 8 Cork,
namentlich für Fleifch-Schlachtviehzufuhr wichtig. Noch eine beträcht-
liche Zahl von Städten mit 100—230000 Eiuw. kann aus dem
vereinigten Königreich bemerkenswert erscheinen. Im SW Irlands
ist das Jnselchen Valentia gelegen; Ausgangspunkt von 10 Kabeln nach
Amerika (auch eines deutschen). — w der sranzös, Normaudie liegen
die politisch zu Großbritannien gehörigen Normannischen Inseln.
In Europa gehören noch zu England:
1. Festung Gibraltar in Spanien (S. 140);
2. die Inseln Malto, Gozzo, Cominv, im Mittelmeere
(S. 41); Hauptort La Valetta.
156 III. Europa, ausschließlich Mittel-Europa.
G. Skandinavische Länder.
1. Königreich Dänemark.
§ 28.
Bestandteile. Dieser Staat besteht a) aus der Halbinsel Jütland, welche
sich an Schleswig anschließt, b) aus den sogenannten Dänischen
Inseln iu der Ostsee, c) aus den Färöerinseln und Island.
Die Grenzen für a) und b) sind: Nordsee, Skager Rak,
K.ittegat, Sund und Ostsee.
§ 29.
Beschaffen- Die B o-d en sta l t Jütlands, zunächst Fortsetzung der schleswigschen
^elt' Halbinsel (S. 27), wird n des breiten Wasserdurchgangs Lymsjord ganz
flach, es erscheint meist nur dürftiger Saudboden. Im W ist Flach-
küste und fortwährende^ Dünenbildung unter dem Flutmeeresspiegel;
sie trägt der.. Wind teilweise landeinwärts; Förden und ergiebiger
Boden zeichnen den 0 aus. — Die Inseln zeigen sanfte Hügel-
formen; die größte, Seeland, besitzt sehr fruchtbaren Boden.
§ 30.
Klima. Das Klima hat gemüßigte Temperatur; die Niederschläge sind
wie in Norddeutschland. Die Produktion ist abgesehen von der
Industrie und Schiffahrtsthätigkeit der Hauptstadt in den Händen
der Landwirtschaft, die sehr gefördert erscheint, besonders in der
Viehzucht und Milchwirtschaft. Fischerei.
§ 3\.
Provinzen Der Staat, das eigentliche Dänemark, umfaßt über 38000 qkm
und Stadtc-und hat 2100000 Bew. Färöer 1390 qkm; Island 105000 qkm
mit 72500 Bewohnern, a) Jütland mit Aarhnus im 0, 26000
Eiuw. Aalborg am Lymfjord. Fredericia, Festung am Kleinen
Belt. d) Inseln. Fünen zwischen dem Kleinen und Großen Belt
mit Odense. Seeland mit Kopenhagen, landschaftlich sehr
schöne Lage und Umgebung, zu welch letzterer auch die gemüse-
reiche Insel Amager gehört; große Rhederei, Industrie, Kunstschätze;
290000 Einw. w davon Roeskilde (Roschild) berühmt durch den
Friedensschluß des wittelsbachischen Schwedenkönigs Karl X. nach
seinem Heereszuge über den gefrorenen Belt. — Über die Insel
Falster führt eine Eisenbahn als Abschnitt des Weges Berlin—
Kopenhagen, der binnen 14 Stunden zurückgelegt wird. — c) Aus
deu Färöer, welche nicht sämtlich bewohnt sind, hat man als Nahruugs-
zweige das Halten von Schafen und Gewinnung von Eiderduueu.
Skandinavien; Lage und Grenzen. 157
6) Island, 104000 qkro, ift(f.@.44) ein meist unfruchtbares Plateau von
beträchtlicher Höhe, über dem sich verschiedene Vulkane erheben,
darunter der Oeräfajökul 1960 w. Mit diesen hängen unmittelbar
die heißen Springquelleu, die Geysir's, zusammen. Doch nährt der.
Boden in den Küstenstrichen Rinder und besonders Schase, auch
Pferde. — Die Bevölkerung besteht aus Normannen (Norwegern),
welche im 9. uud 10. Jahrh. hieher wanderten und eine tüchtige
Allgemeinbildung erwarben. So kam es denn auch hier zur Samm-
luug der alten germanischen Helden- und Mythusgedichte, zu der
„Edda." — Reikjavik im SW ist Hauptort; 1500 Einw.: regel-
mäßige Dampferverbindung mit Kopenhagen.
2. Die skandinavische Halbinsel.
§ 32. Lage und Grenzen.
Zwischen 56. und 72. Grad n. Br. gelegen ist dieses Gebier
doch durch seine s-w-s gestreckte Gestalt in sehr ausgedehntem Maße
den Küsten anderer Länder Europas benachbart, insbesondere in der
Richtung von dem Finnischen Meerbusen her und in derjenigen der
2 großen Flüsse Ostdeutschlands gelegen, durch den teilweise nur
3 km breiten Sund das Gegenüber Dänemarks. Die Landesgrenze
im NO ist nicht nach der natürlichen Andeutung vom Bottnischen
Meerbusen zum Weißen Meere gezogen, sondern verläuft von ersterem
längs des unteren Torneöflusses uud windet sich dann n und ö über
das 300—500 m hohe Plateauland zum Eismeer. Der Küsten-
verlauf zeigt nur wenige größere Glieder der Halbinsel; im 8 trennt
die große Bucht des Skager Rak das 8 Norwegen vom Kap
Lindenäs an vom s Schweden, dem dann 3 des Kattegat zwischen
dem Sund und der Ostsee die Halbinsel Schonen angefügt ist. An
der Ostsee finden sich nur 2 ganz stumpfe Halbinseln: am Zugang
zum Bottnischen Meerbusen und weiter n. Eine einzigartig reiche
Küstengliederung aber ergibt sich, sobald man die dichte Aufeinanderfolge
großer und kleiner Fjorde und an der schwedischen Küste die Bodden
und Skjären in betracht zieht. Die größten und ausgebildetsten
Fjorde sind: Hardanger im SW, n davon Sogne und das Dront-
heimer n-ö. Im W und im 0 begleitet eine Unzahl kleiner Inseln
und Klippen die Fjordküste, wie auch größere Juseln uud Inselgruppen
vorgelagert sind. Zu solchen gehören z. B. Gotland in der Ostsee,
die Losoten unter dem 68. Gr. n. Br., Magerö mit dem euro-
päischen Nordkap (s. S. 25).
§ 33. Bodengestalt.
Einfach, wie die horizontale Gliederung des Landes, ist auch
die vertikale. Nahe der N- und W-Küste verläuft der Hochrückt'n
158 III. Europa, ausschließlich Mittel-Europa.
des einen großen skandinavischen Plateaugebirges. Vom höchsten
N an auf 2 Dritteile seiner Länge durch die s-ö ablaufenden Flüsse
gleichförmiger gegliedert, steigt es südwärts mehr und mehr an, von
400 m mittlerer Kammhöhe bis 1000 m; der höchste Berg des Nordens,
Snlitelma, liegt 8-ö der Lofoten, 1870 m hoch. An einer 650 m hohen
Einsenkuug ö des Drontheimer Fjords ändert sich die Gebirgsgestalt.
Die nördliche der Kjölen (^Flächen mit Renntierflechten bewachsen)
hört auf, und es erfüllen massige Plateaux, durch enge Thalspalten
wenig von einander geschieden, breithin das Land; es sind die Fjelds
(s. S. 25). Sie ragen an sich beträchtlich höher empor, und tragen noch auf-
gesetzte stumpfe Kuppeu; zunächst das Dovrefj. mit dem Snee-
hätten über 2300 m; dann das Jötuu(mnRiesen)fj., auf welchem
noch das Jmesfj. mehr als 2600 m sich erhebt; s davon das
Hardangerfj. Nach W fällt das ganze Gebirge zu den Fjords
jäh ab; nach 80 geht es durchweg in langgestreckten Terrassen nieder,
welche durch an Stromschnellen reichen Flüsse und Längsseen ab-
geteilt werden. Unter diesen gehen zum bosnischen Meerbusen außer
dem Torney besonders der Lulea, sodann der Dalelf; aus
Osten- und Westen-Dalelf am Ostabhang des Dovrefjeld entstanden.
Von ebenda geht 1. der Klarelf zum 6240 km großen Wenersee
und alsGötaelfnachBildungdergroßenTrolhaettafälle(s.S.26)insKatte-
gat; 2. der Glommen ins Skagerrak. Von hier aus zieht sich ein breiter
Tieflandstreisen in der Richtung nach dem Finnischen Meerbusen;
in demselben liegen mehrere tiefe Seen: Wener-, Wetter-, Hjel-
mar- und Mälarsee; die ersten beiden verbindet ein Kanal mit
der Ostsee.
§ ZH. Klima. Produkte. Bevölkerung.
Süima. Das Klima Norwegens ist durch eine warme Meeresströmung außer-
ordentlich begünstigt. Bis zur Nordspitze gefriert kein Hafen im Winter
zu. Im Sommer reist massenhaft Obst im Drontheimer Fjord (in
warmen Sommern sogar Wallnüsse), Kirschen gedeihen noch unter dem
66 Gr.; Gerste noch unter dem 70., wo noch die Kiefer und
Espe wächst.
In Tromsö, n-ö der Lofoten, unter 692/3 Grad n Breite, hat aber
immerhin der Januar eine Mitteltemperatur von — i Gr. Cels., der Juli
11,5; Bergen unter 60^/s Grad hat im Januar -f-0,8, im Juli 14,5 Gr.
Cels. Hammerfest nnter 702/3 Grad n, Br. hat im Januar —5/2, im Juli
11,8 Gr. — Hier hat z. B. Dovre bei 643 rn Seehöhe eine Januartemperatur
von —9,7 und einen Juli von 11,1 Gr. Der Regen- und Schneefall ist
an der Küste sehr bedeutend; die s W-Äüfte hat 100—180 cm (Bergen 172;
nach N nimmt die Menge etwas ab). Tromsö hat noch 91. Im Inneren aber,
besonders auf den Fjelds, hat man nur 40 cm und weniger. Schweden
ist natürlich ärmer an Niederschlägen; die SW-$iiste treffen 72, das Innere
im 8 55, die 8 Ostküste 43, das übrige 40—50 cm. Die Temperatur zeigt
entsprechend kältere Winter und wärmere Sommer, vom Kontinentalklima Ost-
europas wesentlich beeinflußt. Schon Stockholm bezeichnet Januar und Juli
Skandin.Halbinsel; Klima, Produkte, Bevölkerung. — Staat, Städte. 159
mit —3,7 und 16,4 Gr.; UmeZ (fast unter dem 64. Breitegr.) —9,8 und
14,9. Haparanda am Tornes, —13,1 und 15,2. Der Februar ist allerdings
hier meist kälter als der Januar.
An pflanzlichen Produkten ist man naturgemäß nicht reich.
Nur kurz dauert die frostsreie Jahreszeit, und es ist zu viel Hoch-
gebirge mit einer unteren Schneegrenze bei 1200—1600 m (vom
S bis zum Drontheimer Fjord) vorhanden. Nur die Nadelhölzer
gedeihen auf dem Zersetzungsboden des Ur- und Massengesteines
namentlich auf der 8 0- Seite reichlich, wo die obere Grenze hoch-
stämmiger Bäume in der Mitte des Landes bei 8—900 m Seehöhe
eintritt. Es wird sehr viel verarbeitetes Holz ausgeführt. In
S-Schweden gedeiht Flachs und Roggen bestens. — Dagegen lagert
in Skandinavien viel Metall, besonders wertvolle Eisenerze. Letztere
zwischen Wener- und Mälarsee (Sammelplatz Orebro); s-ö des
unteren Dalelf (Danemora) und zwischen dem mittleren Lulek und
Torneä. Kupfer am mittleren Dalelf (Falun); Silber zwischen
unterem Dalelf und Mälarsee (Sala). In Norwegen gräbt man
letzteres besonders in Kongsberg w des Fjords von Christiania,
Kupfer im 0 des Dovrefjeld bei der .Bergakademie Röros.
Die wichtigeren Erwerbsmittel in Norwegen aber sind: Gewerbe.
a) Fischerei (Kabeljau ^ Stockfische bei den Lofoten, durch eine
Meeresbank veranlaßt, desgleichen s-w des Drontheimer Fj. Hering-
fang besonders vor dem Sogne- und Hardangerfj.) und der Hummer-
fang; dazu kommt noch Walfang und Robbenschlag im N. —
b) Rhederei. Norwegen hat nächst der britischen die größte Handels-
flotte der europäischen Länder, wenn ihm auch Deutschland durch
Zahl und Größe der Dampfschiffe vorgeht. — Auch Schweden ist
sehr thätig in der Schiffahrt. Beide Länder haben zusammen etwa
7400 Seefahrzeuge.
Die Bevölkerung besteht im O aus den nordgermanischen
Schweden, mit denen sich einst ein Zweig der Goten mischte, im ° CtUU0'
W aus den normannischen Norwegern, im N aus den mongolischen
Lappen (etwa 30 000), die nur von ihren Renntieren, von Jagd
und Fischerei leben.
§ 35- Staat. Städte.
Die skandinavische Halbinsel hat an Schweden und Nor- Politische
wegen zwei völlig getrennt regierte Staaten, die nur in der Person"Ct
des gemeinsamen Königs eine politische Verbindung haben (Personal-
union); sogar Heer und Kriegsflotte sind gesondert.
Schweden: 450 000 qkm; 4 700 000 Bew. — Norwegen: Gröke.
325 000 qkm; 1 900 000 Bew.
1. Schweden: a) Der 8-Gotland: Göteborg, zweite Schweden.
Handelsstadt des Staates am Göta-Elf, 95 000 Einw. Am Sund
Malmö, lebhaftester Dampferplatz für die Ostseelinien. Karls-
1 60 III. Europa, ausschließlich Mittel-Europa.
krona, Seefestung; n-n-ö davon Kalmar durch die Union der
3 skandinav. Staaten bekannt. Jönköping am Wettersee, Eisen-
gewinnung, Zündholzfabriken. — b) Svealand, die Mitte. Stock-
Holm, auf einer Insel zwischen den Ausgängen des Mälarsee einst
entstanden; schön gelegene und gebaute Hauptstadt für Regierung,
Wissenschaft, Handel; 225 000 Einw. Upsäls, n davon; alte
Universität; Bibliothek mit dem codex argenteus Ulfilas; 21,000
Einw. — c) Norrland, n des Dal-Elf. Gefle an dessen Münd-
nng, größte Stadt, 21 000 Einw. Von hier führt eine Eisenbahn
n-n-w nach Ostersnnd und von hier über die obengenannte Ein-
fattlung nahe dem Fjord von Drontheim zu dieser. Stadt.
Norwegen. 2. Norwegen, n von Drontheim nach Tromsö, Dampfer-
station und Ausgangsort der Walfischfänger. Desgleichen Hammerfest,
Vardöe. SüdlicherDrontheim (Trondjem). Ausfuhrplatz auch infolge
der ö Bahnlknie, für den Bergwerksbezirk Röros, und belebt durch
eine zweite Eisenbahn. Sie führt über Röros am Glommen zur
Hauptstadt Ehristiania; 130 000 Einw.; Universität; fruchtbare
Niederung um die Fjordspitze, s-ö Fredrikshald, wo Karl XII.
erschossen winde 1718. Im SW Christiansand, Hanptplatz für
Stockfischhandel. Bergen, n-w des Hardanger Fj., erster See-
Verkehrsplatz des Landes, 45000 Einwohner.
H. Ruszland.
§ 36. Lage und Grenzen.
Ruklanos Das große osteuropäische Flachland ist den weiten asiatischen
. u. e angefügt und daher vou dessen Klima und Völkerbeweg-
nngen stets fühlbar beeinflußt. Von X nach 8 erstreckt es sich vom
69. oder 70. Grad an über etwa 24 Breitengrade und mit dem
politisch zu Europa gezogenen Kaukasusgebiet über etwa 30; von
der polnischen Westgrenze bis auf den Ural sind rund 2800 km.
Rußlands Die Grenze im N bildet das Eismeer, in welchem zwischen
(»lenzen. ^ Halbinseln Kola und Kanin das weiße Meer mit 3 Buchten
einschneidet. Ö führt noch die Jugorstraße ins Karische Meer;
dieselbe trennt die Waigatinsel vom Festland; n von dieser jenfeit
der Waigatstraße liegt die Doppelinsel Nowaja-Semlja, in der die
Bodenerhebung des Ural ihre letzte Fortsetzung hat. — Der Ural
bildet die Ostgrenze (f. S. 22). Im 8 legt sich westwärts an ihn
die niedrige Obtfchei Syrt an. Von ihr ans würde die natürliche
Grenze w zum Bergufer der Wolga, dann s zu den Ergenihügeln
und über die Manytschsenke zur Wasserscheide zwischen Terek und
Kuban ziehen, dann auf dem Kaukasus nach W. Doch geht die
staatliche Grenze von der Obtschei Syrt 8 zum Delta des Uralflusses
an den Kaspischen See.— Im 8 verläuft die Staatsgrenze von dem Fuße
Rußland; Bodengestalt und Flußgebiete. 161
der n-ö Berge Persiens über das Armenische Hochland. Am
Schwarzen Meer, der Straße von Kertsch, die zum Asowschen Meere
führt, und zuletzt am nördlichen Donauufer endet Rußlands Gebiet.
^-Grenze s. bei Deutschland-Öesterreich. 11 des Njemen oder Memel
beginnt die Küste der Ostsee, welche mit dem Busen von Riga
und namentlich dem Finnischen Meerbusen vorteilhast in die
Landmasse einschneidet.
§ 37. BodengestaltZund Flußgebiete.
S. S. 23 ff. Wo der wüste und der erzreiche Ural aneinander RnsMes
gefügt sind, geht die 1. Nordrussische Landhöhe nach W bis n H»aelland.
des nördlichsten Knies der Wolga. Von ihr kommen die meisten
Gewässer der Dwina, die aus Wytschegda im 0 und Suchoua
im W entsteht. Sie ist weit nutzbarer für die Schiffahrt, als die
sehr gewundene und viel vereiste Petschora im NO, die zuletzt durch
das Tiefland der Tundra (Moossteppe s. S. 15) fließt, w der Nord-
russischen Landhöhe erhebt sich bald 2. die Waldaihöhe, aus dereu
sumpfreichen und hügeligen Gebieten die Wolga nach SO und die Düna
zunächst nach SW, dann nach NO in den Rigaischen Meerbusen ab-
fließt. Von der nach 8W fortgesetzten Platte 3. der Westrussischen
Landhöhe geht a) der Lowat nach N ab zum Jlmeusee und fließt
als Wolchow n in den Ladogasee; d) im SW der Njemen zum
Kurischeu Haff. Von der Waldaihöhe nach S und dann nach 0 bis
an das Bergtffer der Wolga zieht 4. die Düna — Donsche
Landhöhe, mit welcher ein oberes Wolgabecken gegeben ist. Von
jener Höhe stammen Dnjepr, Oka und Dou. In der Richtung der
oberen Oka s setzt sich die Erhebung fort zu 5. der Südruffifcheu
Steppenplatte, die sich vom Doukuie w nach dem oberen Dnjestr
zieht, zuletzt 6. als Podolisch-Rutheuische Platte. Dieselbe wird
vom Donez, Nebenfluß des Don, vom Dnjepr unter Überwindung
von zahlreichen Querriffen und vom Bug durchschnitten. — Ohne
Zusammenhang mit diesen geringen Erhebuugeu befinden sich 7. die
Baltischen Höh en beiderseits der unteren Düna, im NO vom
Petpitssee begrenzt, den die Narowa entwässert; jenfett des Fin-
nischen Meerbusens 8. die nach 8 steil abfallende, aber im N höhere
Finnische Seenplatte, ein Granitgebiet, in welchem der Saima-
see am Wnoxen seinen Abfluß hat, der den höchsten außeralpinen Wasser-
fall Europas, dem Jmatra, bildet und dann znm Ladogasee eilt.—
Über das Jailagebirge der Krim und den Kaukasus s. S. 23 ff.
Der meist gefrorenen Snmpfsteppe des N steht die Salzsteppe am
Nordrand und im W des Kaspischen Meeres gegenüber, wo schon
vom letzten Wolgaknie an der Boden nnter die Meeresoberfläche
sinkt, während die Wolga 26 m unterhalb des (Schwarzen-) Meeres-
niveans sich mit dem Kaspischen See vereint.
Wolga. Wolganebenflüsse; links: 1. Twerza, durch Kanal- Wolga,
11
162 III. Europa, ausschließlich Mittel-Europa.
Verbindung mit dem Wolchow und dadurch mit der Newa iu
Zusammenhang; 2. Mologa durch den Tichwinkanal mit dem
Ladogasee und seinem Abflüsse Newa verbunden; 3. Scheksna,
durch Bisurkation mit der Suchona und durch Kanal mit dem Onega-
see, aus welchem der Swir zum Ladogasee strömt; 4. Kama mit
Wjatka. — Von rechts: 5. die Oka mit der Moskwa. —
Dnjepr. Dnjepr (Borysthenes): rechts kommt 1. dieBeresina, durch
Kaual mit der Düna in Verbindung; 2. Pripet aus den Rokitno-
sümpfen; Kanäle nach dem Njömen und nach dem Weichselzufluß
Bug. Über die Weichsel s. S. 29.
8 des Kaukasus fließt die Kura (Kyros) zum Kaspischen See,
der Rion (Phasis) zum Poutus.
§ 38. Klima. Produkte. Bevölkerung.
Klima. 1. Klimä. Die eigene Landmasse und die uoch weit größere
Asiens neben der ziemlich hohen geographischen Breite bewirken
allenthalben in dem weiten Gebiete starke Gegensätze im Klima.
Im N haben die Tundren nur Torfmoose, Flechten und sehr med-
rige schwache ' Sträucher, auf der Krim gedeihen die besten Süd-
fruchte; in Finnland benützt man das Renntier, das Wolgatiefland
durchwandern Kamele: auch dies ist teilweise eine Folge der Ver-
schiedenheit der geographischen Breite.
Schon im NW, in Finnland und den Ostseeprovinzen finden
Temperaturgegensätze für Januar") und Juli statt, wie folgt: Helfingfors an
der finnischen 8-Küste: —10,1 und 16,5 Grad; Petersburg: —9,4 und 17,7;
Dorpat w des Peipussee: —8,0 und 17,4; Wilna im mittleren Njkinengebiet:
—5,5 und 18,8. Bei solchem Sommer können in diesen baltischen Provinzen
Roggen, Flachs und Hanf in reichem Maße gedeihen. Die vorhandene Regen-
menge ist genügend mit einer Jahressumme von 50 cm. — In Mittel-
rußland wird letztere Zahl infolge zahlreicher Gewitterregen im Hochsommer
noch etwas übertroffen. Die Temperatur zeigt hier für Januar und Juli in
Moskau —11,1 und 18,9; an der Okamündung —11,7 und 19,5 Gr. Im
N hat Archangel —13,6 und 15,8 Gr. — In Ostrußland erhöht sich der
Gegensatz immer mehr; hier zeigen beide Monatsmittelzahlen in Kasan ober-
halb der Kamamündung —13,8 und 19,6; an der Wolga w der Obtschei
Syrt, zu Saratow, —10,2 und 21,7 Gr. Zugleich nimmt der Regen beträcht-
lich ab; man findet einschließlich des regenreicheren Uralgebirges 40 ein.
Roch etwas weniger Niederschläge fallen dann in Süd rußland, wo zwar
reicher Fruchtboden v der Wolga lagert, Tscherno-sem(S. 23) = Schwarzerde, aber
doch meist Steppe sich ausdehnt. Furchtbare Schneestürme mit eisigem Winde
erweisen hier im Winter sich Tieren und Menschen verderblich (die Burane).
Am N-Fuß des Kaukasus (42 Gr. s. Br.!) hat der Januar —4,1 und der Juli
21 Gr. An der N-Küste des Asowschen Meeres: —6,6 und 21,6; am mitt-
leren Dnjepr (50^2 Gr. n. Br.): —6 und 19; w des Dnjestr unter
47. Gr. n. Br.: —3 und 22,7 Gr. Am 8-Abhang des taurischen (Krim)
Gebirges zeigt der Januar +3,8, der Juli 23,6 Gr. Im Wolgadelta: —7
und 25,5 Gr.; und doch jagt man Seehunde am Kaspischen See.
*) Die tiefsten Temperaturen der betr. Gegenden geben freilich andere
Zahlen: z. B. in Petersburg kommt es zu —39, in Dorpat zu —36, in
Moskau zu —42,5, in Archangel an der Dwinamündung zu —47,5 Gr.
Rußland; Produkte, Bevölkerung. 163
2. Die Produkte des Landes sind vorwiegend landwirt- Produkte,
schaftlicher Art: Weizen im SW (Bessarabien, Podolien, Ukraine);
Pferde, Rinder, Schafe im ganzen 8; Roggen, Gerste, Hafer, Flachs,
Hanf in der Mitte, im W und NW; Holz n einer Linie von der
Kamamündung zur österreichischen Bukowina; Pelzwerk besonders aus
den Waldgebieten n und n-ö der mittleren Wolga. Große Kohlen-
flöhe lagern im Donezgebiet und im zentralrussischen Becken um
Moskau. Eisen und Kupfer liefert das Gebiet der oberen Kama
und der Ural (s. S. 22). Zuckerrüben werden verarbeitet bei
Moskau, Kasan und n des Kaukasus. Mächtige Petroleumquellen
finden sich am Ostfuße des Kaukasus uahe dem Kaspischen See bei Baku.
0 der unteren Wolga wird Salz aus dem Boden der vertrocknenden
Seen und Pfützen gebrochen. Reich ist dieser Fluß an Fischen, auch
au Haufenund Stören (Kaviar), desgleichen auch das Asowsche Meer
und der untere Don. Fischreichtum und Schiffbarkeit ist überhaupt ein
ausgedehnter Vorzug der Flüsse Rußlands. — Am bedeutendsten
bleibt in der Aussuhr vor allem das Getreide, dann kommen Gespinst-
pflanzen und deren Ölsaat, sodann tierische Produkte, Häute, Leder.
3. Die Bevölkerung ist erst im Laufe der Jahrhunderte in
eine vorwiegend russisch-slavische verwandelt worden. Eine Anzahl
von Staaten bildeten im 9. Jahrhundert im heutigen Mittelrußland
die normannischen Waräger. Zahlreiche mongolisch-finnische und ugrische
Zuwanderungen aus Mittelasien fanden bis ins 15. Jahrhundert
statt. Bis ins 16. war das Großfürstentum Rußland ein Vasallen-
land der turauischen Tatarenchane. Heute bewohnen mongolische
Völkerteile, wie die Samojeden, Syrjänen und Wogulen als Jagd-
und Fischerstämme den NO. Wolgafinnen besiedelten das obere
uud untere Kamagebiet (besonders Mordwinen). Zu den Türk-
Tataren gehören die Baschkiren und Kirgisen ö der Wolga,
s der Kama. Die Kalmücken s der untersten Wolga sind Mo ngolen.
Den Turkvölkern gehört auch ein Teil der Kaukasusstämme an. —
Deutsche wohnen dichter am unteren Wolgaknie, n des Asowschen
Meeres, in der Krim und w davon. Rumänen herrschen w des
Dnjestr vor. Im W besetzen das Weichselgebiet die echt slavischen
Polen. Vom Njemen bis zum s Peipussee herrscht die Bevölkerung
der Letten vor, n von ihnen die der finnischen Esthen, beide mit
Deutschen untermischt. Die Finnen sind der mongolischen Rasse
zugehörig, desgl. die Lappen. Man zählt 4,3 Mill. Finnen;
3,6 Mill. Letten; 7 Mill. Polen; 3,5 Mill. Tataren; 1,5 Mill.
Deutsche; 1 Mill. Rumänen; 0,4 Mill. mongolische Stämme,
3,6 Mill. Judeu.
§ 39. Staat. Städte.
Das europäische Rußland umfaßt 5 390 000 qkm und
Wirt) von 88,4 Mill. Menschen bewohnt. Es wird vom Kaiser un-
eingeschränkt („absolut") regiert und ist in 60 Gouveruements
11"-
164 III. Europa, ausschließlich Mittel-Europa.
(Gnverneman) eingeteilt. Dem Großfürstentum Finnland verblieb
eine gewisse Autonomie. Die geschichtlichen größeren Gebiete sind:
Grenz- 1. Linnland mit eigener Landesregierung, landschaftlich viel
Provinzen. ger^mk An der Küste herrscht das Schwedische vor. Hauptstadt
Helsingfors, 55000 Einw., im 8. Abo im W; ihm lagern die
Alandsinseln vor, welche infolge säkularer Hebung des Landes
zunehmen. Bis Uleaborg unter 65. Gr. n. Br. führt die Eisen-
bahn. — 2. Die russischen Gstseeprcwinzen: Jngermannland.
Petersburg im Delta der Newa, wo zugleich das Meer am tiefsten
ins Land eindringt; gegründet 1703 von Peter dem Großen; Haupt-
und Residenzstadt mit großartigen Gebäuden; 950000 Einw., darunter
50000 Deutsche. Seeschiffe können in die Newa nicht einfahren;
sie legen auf der Insel an, auf welcher die schützende Seefestung
Kronstadt liegt, 50000 Einw. Narwa an der Narowa, durch
Karls XII. großen Sieg bekannt. — Esthland mit Rewal. —
Livland: Dorpat, zur Zeit noch deutsche Universität. Riga,
großer Seehandelsplatz,, besonders für russische Bodenprodukte,
175000 Einw. — Kurland. Libau, durch verschiedene Maßregeln
begünstigter Seehafen. — 3. Polen. Warschau (alte Wegkreuzung
von der Dauziger Bucht nach dem Pontus und von der Mährischen
Pforte nach den Hauptübergängen am Njemen und der Düna),
Sammelpunkt des Handels in Polen; Festung; 430000 Einw.
w-s-w die Tuchfabrikstadt Lodz, vielfach deutsch, 115000 Einw.
Kalisch im W an der Prosna (Aufruf von 1813). Lublin im 80.
— 4. Westrußland5 d. i. Littauen, Wolbynien, Podolien).
In der Linie der Flußübergäuge von SW und über Warschan liegt
am Njemen Grodno, an seinem Nebenfluß Wilja Wilua, 100000
Einw., wo sich dieser Weg mit der großen Verkehrsstraße aus dem
Inneren nach der Pregel- und Weichselmüudung kreuzte; daher in
letzterer Richtung am Njemenknie die alte Handelsstadt Komno
(„Kauen" der Hansa), 50000 Einw. An der Düna Dünaburg,
70000 Einw. In Wolhynien Schitomir, 55 000 Einw., auf dem
alten Wege vom Lemberg ö nach — 5. der Ukraine und Klein-
rußland> d. h. nach deffen Hauptstadt Kiew, dem alten Hauptsitz
des orientalisch-christlichen Kirchentums mit Klöstern und Kirchen;
130000 Einw. ö Poltawa, wo Karls XII. Macht vernichtet wurde,
ö Charkow, Universität, Wichtger Handelsplatz, Eisenbahnknotenpunkt;
130000 Einw. — 6. Güdrußland mit Veffarabien. Cherson an
der versandeten Dnjeprmünduug, 100000 Einw. Seeschiffe legen
westlicher, unterhalb des Kriegshafen Nikolajew im Bug, an. In
Bessarabien ist Sammelpunkt des Verkehrs Kischenew, 130000 E.
Erste Seehandelsstadt Rußlands, besonders für Getreide und Mehl,
ist das schöngebaute Odessa, wohin auch der Weg von Jassy über
Kischenew führt; Universität; 260000 Einw. — Auf der Halbinsel
Krim der wiederhergestellte Kriegshasen Sebastopol (Belagerung
Rußland; Staat, Städte. 165
1854/55). Im 8 das kaiserliche Lustschloß zu Livad ia. Kertsch im 0.
Im NO des Asowschen Meeres der lebhafte Seeplatz Taganrog, 65000
Eiuw., und innerhalb der seichten Donmündung Rostow, 70000 E.
7. Großrußland (bis zum Eismeere). Von 8 bis fast zur Grotz.
Wolgalinie breitet sich die reiche Schwarzerde über das wohlbewässerte rutzlano
Gebiet aus. Daher meist dichte Bevölkerung und zahlreiche Städte.
Am Don Woronesch, 60000 Einw. w davon aus dem Wege vom
Reichszentrum nach der Krim und nach Kiew Kursk, n im Gebiete
der oberen Oka Tnla mit seinen Gewehrfabriken und Kaluga mit
Metall- und Webeindustrie. Es beginnt hier die ungemein ver-
breitete und allseitige Industrie der weiteren Umgebung von Mos-
kau, dem Zentralsitz der Industrie und des Handels. Bei der
Gunst der Lage (Fruchtbarkeit, schiffbarer Fluß, Kreuzung aller
wichtigen Straßen, besonders NW und W, Kohlenlager nahe) ward
die Stadt, um das ausgedehnte Residenzschloß Kreml ringförmig
angelegt, rasch groß und wohlhabend. Universität; 760000 Einw.
Auf der Straße nach W Smolensk am Dnjepr; hier wiederholt
Schlachten. Am Jlmensee hat die einst so überaus mächtige Hansa-
stadt Nowgorod nur 20000 Eiuw. Au der Dwiuamüudung
Archangel, Ausfuhrplatz für Waldprodukte, wenn auch von der
s-n Dwinalinie die Zone der hochstämmigen Nadelbäume begrenzt
wird. — An der Okamündung Nischnji-Nowgorod, dessen groß-
artige Messen im Juli/August von 2-^300000 Menschen aus
Asien und ganz Rußland besucht werden. — 8. Die vormaligen
Reiche Nasan und Astrachan. Kasan unmeit des Wiesenufers der
Wolga an dem Hauptwege vom zentralrussischen Becken über den
Ural; Universität, 140000 Einw. Dampfschiffahrt von da nach
Perm, ,wo die Eisenbahn nach dem transnralischen Gouvernement
von Jekateriuburg beginnt, welchem die Bergwerke der Ostseite
unterstellt sind. Am Uralsnß die befestigte Uralstadt Orenbnrg,
Endpunkt der Eisenbahnlinie von Moskau, w davon an der von
Schiffen stark belebten Wolga Saratow, 125000 Einw. Am
Wolgaknie ist Endpunkt der nächstsüdlichen Eisenbahn aus dem
Juneren Zarizyn, nahe dabei das vorwiegend deutsche Sarepta. Im
Wolgadelta, in welchem der Fischfang neben Weingärten höchst ertrags-
reich, Astrachan, Ausgangsort für die Dampferfahrten nach den
Plätzen Persiens am Kaspifchen See, nach der Eisenbahnlinie im
transkaspischen Gebiet Rußlands und — 9. dem Aaukasusland, vor
allem nach Baku (f. S. 163). n des Kaukasus am einzigen
befriedigenden Übergang über dieses Hochgebirge liegt Wladikawkas.
Jenseits geht es nach Tiflis hernieder (110000 Einw.), der
Binnenstadt der Eisenbahn von Baku nach Batnm, dem einzigen
guten Hafen im 0 des Schwarzen Meeres. Bereits innerhalb des
armenischen Hochlandes Eriwan und die vielumkämpfte Festung
Kars (schon zur Römerzeit genannt).
IV.
Außereuropäische Erbteile.
I. Asien.
§ Grenzen und Größe.
Nur Osteuropa oder Nußland benimmt dem Erdteile Asien die
Eigenschaft eines rings von Wasser umflossenen Festlandes, nachdem
auch das schmale Band zwischen Asien und Afrika dnrch menschliche
Kunst, durch die Herstellung des Snezkanales, zertrennt worden ist.
Auf mehr als drei Seiten aber ist es von Meeren umgeben, welche
Buchten einschneiden und in welche von dem massigen Rumpfe nicht
wenige und sehr große Glieder hinausragen.
östl^Meeres- Im N ist letzteres noch wenig der Fall. Nur die Halbinsel
grenzen. Taimyr mit dem Kap Tscheljuskiu tritt Q-ö des tiefen Obfchen
Meerbusens bis 78 Grad nördl. Breite in das Eismeer'vor. —
Anders im 0. Hier nähert sich die Tfchuktscheuhalbinsel mit
dem O stkap Nordamerika an derBeringsstraße aus 100 km. Jene Straße
führt ins Beringsmeer, welches im SW von der langen Halbinsel
Kamtschatka begrenzt wird. Die W-Seite derselben wird von dem
Ochotskischen Meer bespült, welches durch die Insel Sachalin
vom Japanischen Meere getrennt wird. Dieses dehnt sich zwischen
Japan, dem Kontinent und der Halbinsel Korea aus. 8 von letzterer
folgt das Gelbe oder Ostchinesische Meer und weiter im 8 jen-
seits der aus den einstigen Zeiten furchtbarer Landeinstürze in 80-
Asien steheu gebliebenen Insel Formosa das Südchinesische Meer,
welches im SW den Golf von Siam landeinwärts dringen ließ. Diese
sogenannten Randmeere (s.S. 17), welche dem Großen Ozean angehören,
sind durch Juselreiheu nach den« Ozean hin abgegrenzt: das Ochots-
tische durch die Kurilen, das Japanische durch die Japanischen
Inseln, das Ostchinesische durch die Liukiu, das Südchinesische
durch die Philippinen und Borneo.
Asien; Grenzen u. Größe. — Gebirgsbau u. Oberflächenbeschaffenheit. 16?
In den Indischen Ozean erstreckt Asien seine 3 großen Halb- Südliche
inseln: Hinter-, Vorderindien und Arabien, zwischen welchen 1. der
Meerbusen von Bengalen, 2. der Golf von Oman und der
Persische Meerbusen liegen, während Arabien durch den Golf
von Aden und durch das Rote Meer mit dem Golf von Suez
von Afrika getrennt bleibt. — Im W tritt zwischen das Mittelmeer
uud den Pontus die breite Halbinsel Kleinasien mit vielgegliederter
W-Küste am Ägäischen Meere, wo das Kap Baba im NW der
westlichste Punkt Asiens ist. Wie Kleinasien im W den griechischen
Archipel (Jnselmeer), so hat Südostasien den Hinterindischen
Archipel als eine Art Landfortsetzuug. Ein Teil dieser Meeres-
gewäsfer ist die Snnda-See, von den Großen Sundainseln
Sumatra (mit Baugka), Java, Borueo uud Celebes umlagert,
dazu von den Kleinen Sundainseln im 80, deren bedeutendste
Timor ist. 0 schließt sich die Banda-See an, von der Timorlaut-
gruppe und den Molnkken oder Gewürzinseln eingefaßt. N-w der
letzteren befindet sich die Celebes-See, welche im NW an den Su lu-
inseln, imN an den Philippinen endet. —W der hinterindischen Halb-
insel Malaka ziehen sich n die kleinen Gruppen der Nikobaren uud
Andamaueu hin, zur Zeit ausschließlicher Segelschiffahrt wichtige
Stationspunkte. Noch unbedeutender sind sw von Vorderindien die
Malediven und Lakkediven, während das große Ceylon im 80
eine ungemeine Wichtigkeit für die Gesamtproduktion Indiens besitzt. Asiens
In diesem Bereiche uud mit diesen Gliedern und losgelösten
Teilen erstreckt sich Asien dnrch 88 Breitengrade und 164 Längengrade.
Sein Flächenraum umfaßt 44600000 qkm (Europa 9500000),
wobei sich die Glieder zum Rumpfe etwa wie 1:3 Verhalten.
§ 2. Gebirgsbau und Oberflächenbeschaffenheit.
Der N und NW Asiens ist Tiefland oder hat nur schwächere
Erhebungen. Im übrigen Kontinent bestimmen mehr oder weniger
geschlossene Gebirgsumranduugeu die vertikale Gliederung, mit
Ausnahme Hinterindiens.
1. Zentralasiatische große Gebirgsumrandung: Das höchste
Gebirge der Erde, der 3) Himä-laya, steigt vom Tieflande
Vorderindiens rasch zu einer durchschnittlichen Kammhohe von
5000 na in mehreren eng an einander gedrängten Zügen empor.
Auf diesen erheben sich zahlreiche einzelne Kuppen zu unersteigbarer
Höhe, wie der Gaurisankar, 8840 m hoch, westlicher der Dhaulad-
schiri, 8200 m. Ersterer ist der höchste Berg der Erde (s. S. 4).
Doch führen nicht wenige Paßwege hinüber. So etwas ö vom Gauri-
sankar; dsgl. am schroffen Abfall des Dhauladschiri; ebenso unterm 80. Meridian,
besonders zu dem Hauptplatz am oberen Indus, nach Leh, von 8 und von
SW, letztere Wege 5000 m hoch.
168 VI. Außereuropäische Erdteile.
An der N-Seite fließt in einem 4500—3000 m hohen Thale
nach NO der Indus, nach 0 aber der Dsangpo, der Hauptquellfluß
des Brahmaputra. Dieser und der Indus ziehen je in einer
tiefen Schlucht die W- und die 0-Grenze des Himalaya. — Im
NW setzt sich an den Himalaya an b) das Pamirplatean, „das Dach
der Welt", nw. Die aufgesetzten Gipfel übersteigen die Höhe von
6000 m; der s Übergang ist 4200 m hoch, der Terek-dawanpaß, im
NW, 3730 m.
Beide Wege benützte seit Jahrtausenden auch der Warentransport
zwischen China (Seide) und dem W, dem Mittelmeer.
prowestliche AVom 80 des Pamir zieht längs des Indus so c) das Kara-
Gebirge, korum mit einer Kammhöhe von über 7000 m; ö vom höchsten
Gipfel, dem Dapsang 8620 m, oder n von Leh ist der Haupt-
Übergang, Karakorum genannt, 5560 m. — Unmittelbar n des
Karakorum schkießt sich am Pamir an ä) der Küenlün, der nach
sanfter ö Ausbiegung im Nan-schan am Hoanghostrome endet. —
Der dritte Teil der großen Gebirgsumrandung ist e) der Tiön-schan
mit zahlreicher Verastnng im W, wo dann Raum ist für die Thäler
des Syr Darja (Jaxartes), des Jssyk-kul(-See) und des Jli, der
zum Badkasch-See strömt. Von den 3 Hauptübergängen ist der höchste,
ö des Chantengri (6500 m hoch), der Mnfartpaß 3900 m. N folgen
nur niedrigere Erhebungen im Steppenland, der Dsungarei, weshalb
hier die ostasiatischen Wandervölker (Hunnen, Mongolen) nach dem W
ausschwärmten. — Jenseits des oberen Jrtifch f) das goldreiche
Altaigebirge; es endet im Thale des Jeniffej. — g) das
Sajanische Gebirge bis s des Baikal-Sees. — Dann jenseits des
Selenga Ii) das Jablonoi(-Apfel)gebirge bis zum Beginn des
Amur, nach Vereinigung der Schilka und Kerulen. — Nach S folgt
nun rechts des Amur 1) das Chingan bis zu den Übergängen
nach Peking; k) das Nordchinesische Bergland nach SW, vom
Hoangho durchbrochen; — 1) das Jün-ling nach L hin;—m) zahl-
reiche n-s Parallelketten am oberen Jangtse-kiang bis zum Brahma-
pntra und Himä-laya, noch sehr wenig erforscht.
Zentral- Innerhalb dieser Grenze dehnt sich 1) das Hochland von
asten. Tibet aus, das höchste und größte der Erde, 3500—4500 m über
dem Meeresspiegel; — 2) die Gobi-Wüste im NO, 1000—1300 m
hoch; — 3) das wüste Becken des Tarim; es beginnt an der Ein-
schnürung der Gesamtwüsten- und Steppenfläche (= dem Hanhai),
welche der Nan-schan und das Ostende des Tien-schan bewirken; nur
seine Anßenränder sind bewohnt.
Iranische 2. Iranische Gebirgsumrandung. An das PamirZist im 3
Gebirge. mit me^r g_w Richtung angefügt: a) der Hindukusch; unter seinen
vielen Pässen sind am wichtigsten jene, welche durch das Hochthal
Bamjian nach dem Qnellgebiet des Hilmend und von da zum
Kabul führen (bis zu 3600 m); — b) w die Gebirge von
Asien; Gebirgsbau und Oberflächenbeschaffenheit. 169
Chorasan, vom Heri-Rud(s.S. 16)n durchbrochen; — c) das Elburs-
gebirge mit dem 5630 w hohen Vulkan Demaweud; — ä)'das
Gebirgslaud Aderbejdschan (^.tropatsus) zwischen Kaspischem See und
e) dem Armenischen Hochland, auf welchem als Grenzberg der
Ararat 5170 m hoch emporragt. — S-ö ziehen dann f) die Ge-
birge von Kurdistan; — g) das Zagrosgebirge, nach dem
gleichnamigen Passe benannt, der aus Iran nach Bagdad am
Tigris führt; — h) die Gebirgsketten von Farsistan (?srsis)
und Kirman im 8, unwegsame Ketten, die den Weg zum Meere
sperren; — i) die Randrücken von Beludschistau (Gedrosia).
— Endlich im 0 als Jnduswasserscheide zieht k) das Soliman-
gebirge zum Hindukusch; der Bolaupaß gliedert die Südhälfte, der
Keiberpaß liegt etwas südlicher als die Thalschlucht des Kabul.
3. Das kleinasiatische Randgebirge. a) Das Armenische Gebirge
Hochland, durchschnittlich 2—3000 m Hoch, mit zahlreichen aufgesetzten m
kurzen Rücken nach allen Richtungen, von den Thälern der beiden
Quellflüfse des Euphrat nach W, vom Kur und Aras im NO, ebenso
von dem Becken des Wan-See gegliedert. — Im ^ schließt sich an
b) das Politische Küstengebirge;'— nach SW geht vom oberen
Euphrat ab e) der Antitaurus, welcher sich von Südrande Klein-
asiens an ä) im Tanrus höher fortsetzt. Dieser hat nur einen be-
quemereu Übergang, die cilicischen Pässe, die nach Tarsus in Cili-
cien herabführen. Im W hat die Halbinsel keine n-s Bergzüge,
sondern breite Thäler bilden die Ausgänge zum Ägüischen Meere
und zu den vorgelagerten Inseln.
Im Inneren hat diese Umrandung die Große Salzwüste
w des mächtigen einstigen Vulkans Erdschias (Argaios), 3800 m;
im übrigen herrscht waldarme Plateaubilduug vor.
. 4. Syriens Küstengebirge wird n der Querspalte .des Orontes. Gebirge imi
oder El Asy vou dem Hauptverkehrswege uach dem Euphrat
schritten, vom Beilanpaß. Südlicher steigt der Libanon höher
empor, mit Gipfeln von 2600, ja über 3000 m. Der ö parallele
Antilibanon ist nur 1200—1500 m hoch. Von ihm kommt der
Jordan, dessen Thal bereits n des See Tiberias unter die
Meeresfläche sinkt und am Toten Meere 390 m tiefer als letz-
tere liegt (s. S. 19). W davon steigt das n-s P lateau von Judäa steil zu
7—900 m an. Dasselbe setzt sich neben der seichteren Spalte, die
vom Jordan her zum Golf vou Akabah zieht, in der Richtung
nach 8 fort, in die Wüste der Halbinsel Sinai, wo dieser Doppel-
berg zu 2830 in sich erhebt.
5. Die Gebirgsumrandnng Arabiens ist im W, S uud teil- Arabiens
weise im 0 (Gebirge von Oman) deutlich ausgeprägt; die Gebirge
sind nach den einzelnen Landschaften benannt.
6. Vorderindiens eigentliche Halbinsel. Das Hochland Dekhan Indische
fassen als Randgebirge ein: Im W die West-Ghats, im 8 Nila ®et,irfle'
170 VI. Außereuropäische Erdteile.
(Neila)-giri, im 0 die Ost-Ghats, im N das Vhindiagebirge.
Das' eingeschlossene Plateaugebiet neigt sich nach 0, weshalb auch
die meisten größeren Flüsse von W nach 0 fließen. N-w des
Vhindia geht es zur Sandwüste Tharr (Tärr) nieder und dann
zum Jndustiesland; n-ö zum weiten Tiefland des Gangesgebietes
und des unteren Brahmaputra.
Östliche 7. Ohne Randgebirge erscheint Mnterindien. Zwischen den
Gebirge n_s Flüssen verlaufen parallele Gebirgszüge von der ö Nachbarschaft
des Him^laya her und lassen dem Unterlauf der Flüsse beträchtliche
Tieflandstrecken frei.
8. In (Lhina wird das Tiefland der Mitte und des NO vom
Nan-fchan im 8 und von dem n-ö ziehenden Gebirge von Fnkien
gegen das Meer hin begrenzt.
9. Die vielfach tief gelegene Mandschurei ö des Chingan hat
ihre Randgebrrge im N von Korea und an der 0 - Küste, wo dem
Tartarischen Gebirge der Amur nach N ausweicht.
Nordöstliche 10. An das Jablonoigebirge legen sich dicht an einander
Gebirge, gedrängte Rücken n - ö 'an, deren s und höhere Erhebung nahe der
Küste das Stnnowoigebirge ist. Ohue eigentliche Verbindung mit
ihm stehen die sogar in dem schmalen Kamtschatka als Randgebirge
erscheinenden Züge,, aus denen der Vulkan Klintschew im 0
hervorragt.
Im NO geht das Vorland der großen zentralen Umrandung
in das Tiefland Sibiriens, zuletzt in Tundren über, w des
Meridianes des Satanischen Geb. herrscht ausschließlich Tiefland in
Sibirien.
Turan 11. Im SW davon liegt auch das Tiefland von Turan,
im s und mittleren Teil Sandwüste, im n dürftige Steppe, inner-
halb einer, wenn auch im N und W schwachen, Umrandung; man
steigt n zu dem herrschenden Rücken der Kirgisensteppe, im W
zum Ust-UrtPlateau (zwischen Kaspischem See und Aral-See) an.
Astatische 12. Reich an Gebirgszügen und an Vulkanen sind endlich
Inseln. aucfj Me größeren Inseln namentlich 0- und S 0 - Asiens. In
Ceylon hat die vulkanische Thätigkeit allerdings aufgehört; aber die
Gruppe der großen Snndainfeln, ganz besonders Java, wo erst vor
kurzem (1883) der furchtbare Ausbruch auf dem Vorinselchen Krakatau
stattfand, ■— ist reich an rauchenden und ausbrechenden Vulkanen.
Ähnlich ist es auf Mindanao (on) und Luzou (Lnson) in den Philip-
pinen und auf der größten japanischen Insel Nipon. Aber auch
den „Gnirlanden" der kleineren Inseln fehlen die Vulkane nicht.
§ Z. hydrographische Verhältnisse.
I. Abflußlose Gewässer.
Teils wegen des Gebirgsbanes und der Oberslächenbefchaffen-
heit und teils wegen des weiten Abstandes des Inneren von der See
Asien; Hydrographische Verhältnisse,
171
finden sich in Asien viele und darunter große Gewässer ohne Abfluß
zum Meere. Im W gehen zum Aral-See: der Syr darja; der
Amu (Oxus) darja vom Pamir. Letzteren erreicht rechts nicht
mehr der Seraf schau; links verteilt sich der Heri-Rud noch
weiter entfernt im Wüstensands (©. 16).
Die Flüsse, welche der Kafpifche See aufnimmt, gehören hierher;
namentlich die Kura mit dem Aras vom Armenischen Hochland,
in welchem der Wan-See ein größeres Becken ist, wie der Urmjia-
see in Aderbejdschan. — Im SW wird der Jordan nnd das Tote
Meer bemerkbar. — In Iran sodann gelangt der Hilmend nur
zum Sumpfsee Hamuu. — ö des Pamir sammeln sich die Ge-
Wässer des Tarim: der Kaschgar darja vom Terek Dawan, der
Jarkand und Khotau vom Karakorum (Küeulüudurchbruch). Durch
ödeste Sandwüste fließt der Tarim bis in den Lob-noor (-See).
Wie s in Tibet, so gibt es auch ö und in den Steppenplateaux und
-mulden n-ö der Tien-schan kleinere solche Binnengewässer. Vom
Tien-schan n-w fließt der Jli zu dem von Dampfern befahrenen
großen Balkasch-See.
II. Ozeanische Gewässer.
A. Zum n Eismeer: 1. Der Ob vom Altai, welchem der
Jrtisch vom 8 dieses Gebirges zuströmt, verstärkt vom Tobol.
2. Der Jeuissej vom 8 des Sajauischen Geb. mit der Tnnguska
oder Angara, die aus dem Baikal-See fließt, welchen die Selenga
vom Nordrande der Gobiwüste her füllte. 3. Die Lena vom NW-
Rand des Baikal-Sees mit dem Aldan, welcher den Weg zum
Ochotskischen Meer erleichtert. — Der Auadyr, an welchem die
nördlichsten Jahrmärkte stattfinden, geht bereits ins Beriugsmeer.
B. Zum Großen Ozean: 1. Der Amur s. S. 170. 2. Der
Pej-Ho fließt vom uordchiues. Bergland in die Petschilibai, den
n-w Teil des Gelben Meeres. Ebenhierher*) strömt 3. der
Hoangho. Er entspringt s des Nan-schan, in welchem derKnkn-
noor 3300 m hoch lagert. Trotz seiner Wassermenge ist
er selbst von der Mündung des Wej-Ho an (110. Meridian) der
Schiffahrt wenig günstig. 4. Der Jangtse-kiang vom mittleren
Küenlün. 5. Der Sian-kiang 8 des innerchinesischen Nan-schan,
mit stattlichem Delta bei Kanton mündend. 6. der Song-koi
mündet in den Golf von Tongking. 7. Der Mekong aus dem
inneren Tibet, mündet mit großem Delta an der hinterindischen 80-
Küste. 8. Der Menam ergießt sich in den Golf von Siam. Die Golfe
von Tongking und Siam sind Teile des Südchines. Meeres.
*) Der Hoangho wechselt seine Mündung seit Jahrtausenden nicht selten
unter furchtbaren Verheerungen, so daß er zu anderen Zeiten seine N 0-
Biegnng unterläßt und einen durchaus ö Unterlauf hat.
172
VI. Außereuropäische Erdteile.
C. Zum Indischen Ozean: 1. u. 2. DerSalutzn und der
bis zum 24. Grad hinaus schiffbare Jrawadi im w Hinterindien.
— In den Busen von Bengalen münden: 3. u. 4. Der Brahma-
putra, dessen Name ä des Hims.laya beginnt, und der Ganges.
Dieser entspringt s-w der Jndnsqnelle und nimmt in deren Meridian
den Dschamna auf. Beide Flüsse sind weit hinauf mit Dampfern
befahren; im Delta ist der Hauptarm für den Verkehr der
Hugly (Högli). 5. u. 6. Der Godavery und der Krischna von
den w Ghats. Nach der W- Küste Indiens fließt 7. der schiffbare
Nerbudda. 8. Der Indus ungemein wasserreich durch die Zuflüsse
des P and schab (Fünfstromland), unter welchen der Sutdlesch
(Sädledsch) unweit der Jndusquelle entspringt und den einzigen
Himalayadurchbruch zu stände bringt. Bis hierher drang Alexander
der Große vor. Von W kommt ins Pendschab der wichtige Kabul. —
9. Die im Schat el Arab vereinigten Flüsse Karun von N,
Tigris und Euphrat von^I^V. Der Karun gestattet, nach L'A-Persien
hineinzufahren. Der rasche Tigris erlaubt nur bis Bagdad die
Schiffahrt bergwärts. Der Euphrat ist nur abschnittsweise eine
benützte Wasserstraße.
D. Zum Mittelmeer und Pontus (Atlant. Ozean)^gehören:
1. Der antike Orontes, heute El Asy im n Syrien. 2. Der
Kisil Jrmak (Halys) im n Kleinasien.
§ Das Klima.
L Wegen der gewaltigen ö Ausdehnung des Erdteiles und der
weithin herrschenden Plateauländer sind in Asien die Eigentümlich-
keiten des Kontinentalklimas aufs stärkste ausgeprägt: starke
Temperaturgegeusätze und große Trockenheit der Luft. Da
diese Ländermaffe der kalten, der gemäßigten und der heißen Zone
angehört, so treten fast alle wichtigeren klimatischen Verhältnisse nach
einander in dem Ganzen aus. Als Teilganze Asiens in dieser Hin-
sicht können betrachtet werden: Nordwest- und Nordasien; Mittel-
und Ostasien; Südasien; das mittlere Westasien.
Suran. 1. Nordwest- und llord-Men. Im Tnranischen Tiefland,
seiner Wüste und seiner n-ö Steppe, werden die Gegensätze des
Kontinentalklimas um einiges gemildert durch die nicht allzuweite Ent-
sernuug der w Binnenmeere, durch die dortigen 3 großen Seen und
durch die ö Gebirge. Es erklärt sich die Wüste wesentlich aus der
Trockenheit bei vorherrschenden OWinden und dem seltenen, wenn
auch heftigen Regen des Sommers. Die geringe Menge des jähr-
lichen Niederschlags, 25—33 cm, fällt zumeist in der kalten Jahres-
zeit. Etwa vom 50. Grad n Br. beginnt dann die Zone der
vorwiegend im Sommer fallenden Niederschläge, wodurch die Nomaden-
Asien; Klima. 173
Wirtschaft der Kirgisensteppe ermöglicht wird. Die Temperatur des
Sommers ist sehr hoch.*)
Sibiriens Klima hat neben den überaus starken Kon- Sibirien,
trasten der Temperatur, der furchtbaren Winterkälte und der geringen
Summe von Niederschlägen, besonders im Winter, wo weithin keine
Schneedecke schützt, auch bemerkenswerte Vorzüge: dazu gehört die
Trockenheit im Winter und deren günstiger Einfluß auf die Gesund-
heit, die große Beständigkeit der Witterung, sowie das rasche Ein-
treten und die hohe Temperatur des Sommers, infolge deren in
Wald, Feld und Garten bis 60 und 65 Gr. n. B. Bäume, Getreide,
Blumen und Gemüse gedeihen.
Ungefähr in der Linie des Jenissej unterscheidet sich das w - sibirische
vom o-sibirischen Klima. Der W ist ärmer an Niederschlägen (von der Mitte
nach dem 8 hin 16—23 cm); die Sommerdürre seiner Vegetation rührt
namentlich auch von dem Mangel einer dichteren Schneedecke her. Im Winter
sinkt die Temperatur in den bewohnten Stadtgegenden auf die Januarmitte zu
auf —20 und —23 Grad. Der Sommer zeigt einen Juli von 19—20 Grad.
Ostsibirien ist das Land des n Kältepoles der Erde. Hier steigerte
sich die Kälte ausnahmsweise z. B. in der Stadt Jakutsk auf —62, in
Werchojansk unter 67*/, Gr. nBr. auf —63,2. Die furchtbaren Schneestürme
(Buran) vernichten jedes Menschenleben, das im Freien kurze Zeit ihnen aus-
gesetzt ist. Gleichwohl behauptet sich noch Wald bei 1120 in Seehöhe unter
61 Gr. n Br., während im tieferen Gebiete stämmiges Gehölz bis zum 65 Gr.
wächst, ob auch die Bäume im Winter von der Gipfel- bis zur Wurzelspitze ganz
hart gefroren sind. Im Sommer fallen hier etwas reichlichere Niederschläge,
33- 50 cm, wie auch die Luftfeuchtigkeit sich erhöht. Im W des Baikal-Sees
treffen Pflanzen der polaren Gebiete mit denen der subtropischen zusammen;
man reitet hier Renntiere und Kamele, der Tiger aus China gelangt in die
Wälder dieser Gegenden. — In Jakutsk unter 62 Gr. n Br. hat man Juni,
Juli, August 14,6, 18,8 u. 15,5 Gr., weshalb hier Weizen und Roggen auf
den 1 ni tief aufgetauten Feldern gebaut wird. Die abgrenzenden Gebirge
des 0 und 8 sind es hauptsächlich, welche zu solcher ungestörter Wirkung der
Bestrahlung im 8 und der Sammlung kalter Luft im Winter begünstigen.
Am Ochotskischen Meere und im Amurland ist die zeit-Amurgebiet,
liche Ausdehnung des Winters neben seiner Heftigkeit und
die geringe Sommerwärme besonders bemerkenswert. An der
*) Vrogr. Vreile. Kerhöhe. Vrk. Ianugr. Juli.
453/* 41V3 58 */b 561/* 56 53 Vs 52'/4 51'/» 62 m 60 450 50 70 170 140 460 660 160 Kasalinsk Taschkent Tobolk Tomsk Krasnojarsk Barnaul Jrkutsk Nertschinsk Jakutsk 11,5 1,7 19 20 20,2 19.4 20.5 29,4 42,8 25.1 26,8 19.2 19,2 19.2 19,6 18,8 18.3 18,8
Hier, wie weiter unten, ist die Temperatur in C. Gr. angegeben.
174 VI. Außereuropäische Erdteile.
Mündung des Amur hat der Januar —23 Gr., und selbst Wladiwo-
stock unter 43 Gr. n. Br. hat eine Wintertemperatur der 3 (!)
Wintermonate von —12 Gr. (Januar —15, Juli 20,8).
Zentralem. 2. mittel- und Gst-Asien.*) In dem tieferen Gebiete Inner-
asiens herrscht eine erstaunliche Trockenheit der Lnft, welche zugleich
eine Folge und eine Ursache der Wüsten ist. Staubnebel erfüllen
Monate lang die Atmosphäre im Tarimbecken, während dagegen in
den Steppen im N ziemlich viel Regen im Frühsommer fällt, und das
gleiche für das Hochland von Tibet gilt. Die Winter sind allent-
halben, besonders im n-ö Tibet, sehr streng.
China. Das eigentliche China hat infolge gewisser Meereswinde (s.u.)
von 8 und 8 0, im 8 des Landes auch von SW reichliche Nieder-
schläge, besonders im Sommer. Es hat teil an der Erhöhung der
Niederschlagsmassen tropischer Seegegenden in seinem südlichen Ge-
biete, wie an tropischer Wärme.
Östl. Inseln. Japan erfreut sich 1. gemäßigter Winter, namentlich auf der
W-Seite, wo auch ein warmer Meeresstrom sich geltend macht;
2. reichlicherer Niederschläge während verschiedener Jahreszeiten,
weshalb auch eine ausgiebige Schneedecke der Pflanzenwelt zu
gute kommt.
Süöasien, 3. Südosten. Die s Halbinsel und der s-ö Archipel bilden
das eigentliche Monsun gebiet Asiens, haben also die Eigenart,
daß 2 große Jahreszeiten die 12 Monate ausfüllen, beherrscht von
2 wechselnden Windströmungen. Im Winter ist heiterer Himmel vor-
herrschend: die Luft strömt vom Lande nach dem Meere hin. Im
Sommer (April—Oktober) finden starke Niederschläge zahlreich statt:
der Monsun streicht vom Meere her landeinwärts; denn die aus dem
Festboden stark erwärmte und aufgelockerte Luft veranlaßt die minder
erhitzte, die über dem Meere lagert, heranzudrängen; so findet vom
Lande her „Aspiration" statt.
Auf dem Meere vollzieht sich die Umkehr der Windströmnng
mittels schwerer Stürme, „Wirbelstürme," welche bei Hinterindien
nnd im Archipel Taifune heißen.
Hinterindien und die Inseln des Archipel haben infolge ihrer
Meeresumgebung und Gebirge sehr starke Niederschläge: Hinterindiens 8
Küstengebiet 300—500 cm (!), auf der Halbinsel Malakka noch mehr; die
Philippinen 200 cm. Die Temperatur der Inseln und des 8 von Hinterindien
*) Veogr. Vrettr. Kxxhöhe. Vrk. Januar. Juli.
m +
48 1150 Urga —26,7 17,7
30Vs 1257 Jarkand -6,0 27,7
40 40 Peking —4,6 26,2
352/3 — Tokio lJapan) -f2,3 25,5
Asien; Klima. 175
und zwar an der Küste (!) zeigt im kältesten Monate ein Mittel von 24, im
wärmsten von 28 Gr. Vorderindien hat natürlich a) auf seinem Hochlande,
b) im Tieflande am Fluß des Himälaya, c) auf der Ost- und d) der Westküste
merklich verschiedene Temperaturen. (Die Gegensätze der Monate geben an
a) 26,5 und 33; b) 13—16 und 32—34; c) 22 und 31; d) 23—26 und
30 Gr.) Die Niederschläge sind hauptsächlich je nach der Seehöhe sehr ver-
schieden und außerdem im Jndusthale auffallend kärglich. Im Dekan fallen
45—80, im Gangestieflande 70—80; anders- und 0-Küste120—180<zm. Doch
wechselt dies sehr in einzelnen Jahrgängen, woraus verderbliche Dürre und
Hungersnot entstehen.
Arabien steht nur im 8 unter dem Einfluß der Monsune, hat im
Sommer reichlich Regen bis etwa zum 60 Gr. n Br. Im übrigen herrscht
trockener und vielfach windstiller Zustand der Luft vor; die Nächte bringen
infolge Ausstrahlung starke Abkühlung, doch nur mäßig Tau.
4. Das mittlere West-Asien, d. h. Syrien, Mesopotamien, Der Westen.
Kleinasien mit Armenien haben wesentlich das Klima der mittel-
ländischen Küstengebiete, gemäßigte Winter und warme Sommer,
doch geringe Niederschlagssummen. Plateauartige Erhebungen aller-
dings, wie das Armenische Hochland und das Gebiet w davon, zeigen
sehr rauhe Winter, das Mesopotamische Tiefland abe.r infolge der
Nähe der Wüste und des ö und u-ö. Gebirgswalles heiße Sommer.*)
§ 5. pflanzen- und Tierwelt.
Wie das Klima zeigt auch die Pflanzen- und Tierwelt des
Erdteiles die größten Verschiedenheiten, während sich zugleich Pflanzen
der verschiedensten Wärmezonen unter einander mengen. Dies ist
sowohl eine Folge ihrer selbständigen Wanderung als namentlich
auch der menschlichen Arbeit, wobei sich das Vermögen vieler Pflanzen
zeigt, sich sehr verschiedenem Klima anzupassen, sich zu „akklima-
tisieren." Wenn man die heutigen Ausbreitungsgebiete der Nutz-
pflanzen und -bäume in betracht zieht und nicht blos ihre nrsprüng-
liche Heimat, so läßt sich der Erdteil nur ungenau in bestimmte größere
Gebiete (Pflanzenprovinzen oder -zonen) abteilen. Ähnliches
gilt auch für die Tierwelt. Es trifft nur für eiue geringe Zahl
von Arten zu, daß sie nur innerhalb engerer Grenzen zu fiudeu
ist; die meisten akklimatisiren sich gleichfalls in ausgedehntem Maße.
Gleichwohl können als zusammengehörend gelten: a) der mittlere
Westen inel. Tnran und Iran; b) die südlichen Halbinseln, der
Archipel und China, c) Der Norden.
*) Veogv. Breite. Seehöhe. Vrke. Ianngr. Juli.
co ^ co cd o oo ! 960 Smyrna Eriwan Bagdad 8,2 —11 9,7 + 26,7 26,7 35
176 VI. Außereuropäische Erdteile.
Westen u. k) Der W zeigt auch auf den unteren Stufen seiner Berge
Südwesten, immergrüne Laubhölzer, Zypressen und Lorbeer, beträchtlich hoch
(bis 1500 vi) gedeiht die fuße Kastanie und Walnuß, z. B. im
oberen Euphratland. Im Inneren Kleinasiens wird Opium
gewonnen und trefflicher Tabak im N und W. Die Abhänge des
Pontischen Küstengebirgs sind die Heimat der Kirsche (Eerafns.
Lucullus!) Ebenso ist das Land s des Rion, das antike Xolodis, und
die Südküste des Kaspischen Sees das Heimatgebiet des Weinstockes,
der üppig hier wild wächst. Von Syrien aus verbreitete sich die
Olive, wie Datteln und Südfrüchte hier bestens gedeihen. Das
untere Euphratland gilt als Heimat des Weizens, Iran als
die des Pfirsichs und der Aprikose, auch der Mandel. Üppig
gedeiht hier im S und im bewässerten 0 Tnrans das Zuckerrohr
und Baumwolle. Allenthalben mit Ausnahme Armeniens ist das
Kamel übliches'Transporttier; in Tnran das zweihöckerige oder
baktrische Kamel, das ö bis an den Großen Ozean gehalten wird;
in Iran aber und im, W und noch im inneren Indien bedient
man sich des einhöckerigen, des Dromedars. Altberühmt ist die
Pferdezucht von Iran, wo auch die Seidenraupenzucht eine wichtige
Rolle spielt.
Süden. b) Der S .ist naturgemäß noch mannigfaltiger in seinem
Pflanzen- und Tierleben. In Arabien gedeihen die vorzüglichsten
Schafe und Pferde, wie Kamele, welche am meisten von da aus
erst über Vorderasien, dann über Nordafrika verbreitet wurden. Der
8 der Halbinsel bringt den feinsten Kaffee („Mokka"), gummi- und
harzliefernde Akazien und Ficusarten, wie in den Küstenstrichen die
Kokospalme und außerdem die Dattelpalme wichtig für das Land
sind. — Am reichsten aber erweist sich Indien, welches besonders
durch seine Pflanzenprodukte neben den früher häufiger gefundenen Edel-
steinen zu dem Rufe fabelhaften Reichtums schon bei den ältesten
Völkern gelangte. Hiefür traten in vorderster Linie die Gewürze
ein, die aber stets mehr von 0 kamen.. Von altersher liefert
Indien und Hinterindien Pfeffer, sehr viel davon auch Sumatra.
Ceylon ist die ergiebige Zimmtheimat. Kordamom wächst wie Pfeffer
in 80-Jndien (Malabarküste). Als Genußmittel baut man in
Indiens 8 Kaffee und Thee, letzteren aber namentlich auch am Fuß
des Himalaya, Zuckerrohr an den bewässerungsfähigen Küsten. Als
weiteres Nahrungsmittel ist noch das Obst des Pisang oder der
Banane und des Mangobaumes, auch die Dattelpalme im Indus-
land und die Kokospalme an den Küsten des Dekhan von besonderem
Belang. Für den Ausfuhrhandel hat am meisten Bedeutung das
Opium aus dem Gangesgebiet, sodann die Baumwolle von ebenda
und vom W, die Jute (Gespinstfaser) vom Gangesdelta, Seide und Flachs.
Im steigendem Maße wird Weizen nach Europa gebracht, da der
massenhaft gedeihende Reis schon von der dichten eigenen Bevölkerung
Asien; Pflanzen und Tierwelt, 177
verbraucht wird. Indigo und Körnerlack (rot) sind ergiebig für
Farben. Das treffliche Schiffbauholz des Teak(Tihk)baumes wächst
in Indien, wie an den meisten Küstenstrichen des Archipels. Diese
Inselwelt zeitigt als wichtigste Produkte außer Reis, Kaffee, Zucker
und Tabak der großen Sundainseln die Muskatnuß der Bandasee-
Juseln, die Gewürznelken der Molukken, Tabak und Zucker auf den
Philippinen. — Die Tierwelt Vorderindiens und der Juseln ist
ziemlich gleichartig. Wir nennen Tiger und Panther, Rhinozeros,
die Krokodilart der Gaviale, den zähmbaren grauen Elefanten, den
starken Buckelochsen oder Zebu, Affen. Für Papagaieu, Pfauen
und das Perlhuhn ist Indien, für den Kasuar der östlichste Archipel die
Heimat. — Hinterindien ist reich an Pfeffer, Zimmt, Cassia
(ein Ersatzmittel für Zimmt), an Guttapercha und an Pisang; ihm
eignet wie den Inseln der so überaus ergiebige Brotbaum. Die
stärkste Reisausfuhr der Erde hat der 8 und w der Halbinsel.
China ist das große Heimatland des Thees und der Seidenraupe,
es ist reich an Zucker und Baumwolle, Bambusrohr und Zimmt, wie
an Indigo bis an den Nordrand des Petschilibai. Alle Früchte
der subtropischen und gemäßigten Zone erzielt man in dem reichen
Fruchtboden des Landes. Die Tierwelt ist dürftiger in bezug auf
den Artenreichtum, wenn auch der Goldfasan und der Goldfisch von
China stammen. Kamel, Rind und Maulesel siud die üblichen Trans-
porttiere; Reis ist das alles andere zurückdrängende Nahrungsmittel.
c) Das Innere Asiens ist hauptsächlich durch seine Tier- Jnnerasten.
Welt von belang. Hier allein bei 2—5000 m Höhe gedeiht die
vorzügliche Rinderart des Aak oder Grunzochsen; in den Steppen-
erhebungen Tibets und ö der Dsnngarei existiert noch im Urzustände
Esel und Pferd; Antilopenarten auf den Höhen und ebenso der
Moschusochse sind Jagdtiere. Die Zibethkatze findet sich im nw
von China, wo auch die Heimat des Rhabarberstrauches ist; in dem
niedrigeren Steppengebiete Jnnerasiens und Turans ziehen die
Herden der Kamele und der fettschwänzigen Schafe der Mongolen,
Kirgisen und Kalmücken umher.
d) Sibirien ist das Land der Pelztiere, bes. der Biber, der Sibirien.
Sumpsottern, der Füchse; im 0 das des Zobels und Hermelins. Als
leistnngs- oder entbehrungsfähigstes Tier seiner Art erscheint das
tnugusische Pferd im NO, bes. im Lenagebiete. Das Rentier als
allseitig versorgendes Nutz- (auch Jagd)tier macht eigentlich den N
erst bewohnbar. Das kostbare Borkentier wurde leider ausgerottet.
§ 6. Ethnographisches.
Die etwa 800000000 Bewohner Asiens zeigen Verhältnis-
mäßig einfachere oder minder vielgestaltige Verhältnisse, als die
Pflanzen- und Tierwelt des Erdteiles. Da die körperlichen Eigen-
12
IV. Außereuropäische Erdteile.
schaften nur teilweise die Herkunft und die Unterschiede der Völker
feststellen lassen, so dient wesentlich auch die Eigenart der Sprache
dazu, die Teile dieser Völkerwelt zu bestimmen. Man wird aber
vor allem 3 große Teilganze finden: A) Die Indisch-kaukasische
Raffe; B) die Mongolische; C) die Malayifche.
fattfafter Zur Indisch-kaukasischen Raffe innerhalb Asiens gehören
wesentlich a) die sogenannten Arischen Völker, d. i. 1. die Inder
oder Hindus, welche den N, die Mitte und den W Indiens auch Ceylon
zum Teil bewohnen, etwa 200000000 Menschen; 2. Die Perser,
die Bewohuer von Iran, ursprünglich in Turau zu Hause, wie wahr-
scheinlich auch die Inder; sie finden sich dort noch als Städte-
bewohner unter dem Namen Tadschik. Enge verwandt sind diesen —
3. die Kaukasischen Völker und zwar die Armenier und die meisten
Bergvölker des Kaukasus (z. B. Tscherkessen, Osseten). Einen
merklich verschiedenen Zweig der Rasse bilden dann b) die Semiten.
Ihnen gehörten im Altertum an: die Assyrer, Altbabylonier-Chaldäer,
Aramäer oder Syrer, Ehräer einschließlich der Edomiter, die Phöniker
und Philistäer und wohl auch kleinasiat. Völker. Heute ist fast das
ganze Gebiet" dieser Völker besetzt von den Arabern, deren süd-
westliche Stämme jenseit des Roten Meeres nach Nnbien und
Abessynien wanderten.
Die weitaus zahlreichste Völkermasse Asiens haben wir
Mongolen. b) an der mongolischen Rasse vor uns. Zu ihr gehören
a) die Völker des chinesischen Sprachstammes und zwar 1. Die
Chinesen, die Bewohner des eigentlichen China, etwa 380000000
Menschen; — 2. Die Jndo-Chinesen, d. i. die Völker Hinter-
indiens (Anamiten, Siamesen); — 3. Die Tibetaner.
b) Die Völker tatarisch-finnifcher Abstammung, welche den
ganzen N und den n Westen Asiens innehaben. Zu ihnen gehören:
1. Die Japaner und Koreaner, den Chinesen manchsach
nahe stehend; 2. Die Mandschn in NO der Chinesen, welche
zugleich auch die politisch herrschende Klasse Chinas bilden. 3. Die
eigentlichen Mongolen, w der Mandschn und bis zu den n Er-
hebungen der großen Gebirgsumranduug, im W bis zur Dsnngarei.
4. Die sibirischen Völker der Tnngnsen ö und n-ö des Baikal-
Sees, die Korjäken und Tschnktschen im äußersten NO, die
Samojeden im W.
5. Die Turkstämme; unter ihnen die Jakuten, von ihren
Sprachverwandten losgesprengt im 0 und N der Tnngnsen; die
Usbeken im Tarimbecken, die Turkmenen (und Uiguren) in
Tnran und die Osmanen in Kleinasien (neben den Griechen).
Dazu siehe S. 127.
Die dritte wichtige, wenn auch innerhalb Asiens weniger zahlreiche
Rasse machen
Asien; Ethnographisches. — Staatliche Gebiete. 179
C) Die Malayeu aus. Sie bewohnen den Ostindischen Archipel Malaien,
und die Halbinsel Malakka, eine körperlich und geistig wohlbeanlagte
Bevölkerung. Neuere sprachliche Forschungen lassen stets deutlicher
die Verwandtschaft der Mongolen und Malayen hervortreten.
Von ihnen in beider Hinsicht ungünstig verschieden sind die
Reste der einstigen negerartigen Gesamtbevölkerung Indiens und der
großen Inseln. Bon letzterer leben noch u. a. die Batta (Menschenfresser)
im Inneren Sumatras und die Dajaken in Borneo; in Vorderindien
und auf Ceylon aber die Drawidavölker, etwa 40000000.
§ 7. staatliche Gebiete.
1. Nord- und Nordwest-Asien, Russisch-Asien.
Der russische Staat besitzt unter seiner unmittelbaren Verwal-
tung innerhalb Asiens 16,5 Mill. qkm, welche im ganzen von etwa
9,8 Mill. Menschen bewohnt werden. Unter diesen befinden sich,
namentlich infolge von Ansiedlungeu, nahe der Südgrenze Sibiriens
und im Amurlande, etwa 2 Mill. Russen. Man unterscheidet
2 Hauptteile: Turkestan und Sibirien.
). Turkestan, — Transkaspisches und zentralasiatisches Gebiet: Asiat.
3,58 Mill. qkm; 5,75 Mill. Einwohner; dazu kommen noch 2 unter
russischer Oberhoheit stehende Staaten: das ChanatChiwa, 57000 qkm
mit 750000 Bew. und das Emirat Buchara, 240000 qkm und
2,1 Mill. Bew. Beide sind fast ganz von russischem Gebiete um-
schlössen, nachdem dessen Grenze im 8 bis in das Thal des Heri-Rnd
uud aus 100 km Abstand von Kabul und im 80 in die Hochthal-
steppen des Pamir vorgerückt worden ist.
Städte: Der jetzige Haupteingang in dieses russische Gebiet ist der
Anfang der Eisenbahn durch die Turkmenenwüste, des einzigen derartigen
Schienenweges, beginnend am Ufer des Kaspischen Sees 8 der Stadt Krasnowodsk.
Über Merw an den letzten verzweigten Abschnitten des Murghab geht es
zum Amu darja und von seiner Brücke zum Sorafschan. An dessen wegen
der Berieselung des Bodens zerteiltem Ende liegt das bisherige Hauptziel der
Verkehrswege des innern Vorderasiens, Buchara, Hauptstadt des Emir, 70000
Einw. in ertragreichster Umgebung. Flußaufwärts das zur Mongolenzeit im
15. Jahrhundert so großartig gewesene Samarkand (russ.), das Marakanda
Alexanders d. Gr., Endpunkt der Eisenbahn. Am untersten Amu Chiwa,
Hauptstadt des Ehanats, bisher Ziel des Weges vom Uralfluß über das Ust-
Urt, 20 000 Einw. Im 0 sodann, im Gebiete des Syr darja Turkestan ö
des Syr und das große Taschkent, 100 000 Einw. Von diesem aus geht
die regelmäßig nach je 25—30 km mit Stationen versehene Poststraße (Reit-
post) quer über das obere Jligebiet nach dem Jrtisch.
Durch die Herstellung des politischen Bezirkes „Russisch Zentral-
asien" wurde von Sibirien der SW losgetrennt, so daß das ganze obere
Jrtischgebiet bis einschließlich der größten Stadt in diesem weiten Tiefland,
Omsk an der Mündung des Om in den Jrtisch, nicht mehr zum politischen
Gebiete West-Sibiriens gehört. Ja selbst noch am oberen Ob ist Barnaul
eine Stadt ..Zentralasiens", von welcher aus die Metallausbeutung des Altai
am lebhaftesten betrieben wird. Man gewinnt besonders Gold und Graphit,
auch Kupfer und Kupferzusammensetzungen (Malachit, Lasur).
12*
180 IV. Außereuropäische Erdteile.
Asiat. # 2. Sibirien und Amurgebjet: Sibirien war bisher in die
Nordm.' Generalgouvernements West- und Ostsibirien geteilt und umfaßt
12,5 Mill. qkm, innerhalb welcher 4,15 Mill. Menschen wohnen.
In zwei Linien bewegt sich der Verkehr durch ^V-Sibirien, und in
diesen finden sich naturgemäß die wichtigeren Städte vor.
Vom Ural her führte bisher der sogen, „sibirische Trakt" mit geordneten
Reise- und Poststationen von Jekaterinburg aus nach Omsk an der Mündung
des Om in den Jrtisch, n aber liegt die Hauptstadt Westsibiriens Tobolsk
mit 20000 Einw., wohin jetzt eine Eisenbahn (von Perm her) fertig hergestellt
worden. Dann bewegt man im Sommer sich zu Schiffe nach Omsk (32 000
Einw.). ö geht dann die große Straße nach Tomsk an der Mündung des
Tom in den Ob. Hierauf erreicht man am Jenissej Krasnojarsk, um
von hier s-ö nach Jrkutsk zu gelangen. Jrkutsk, Hauptstadt Ostsibiriens,
die wichtigste Handelsstadt und der Sammelplatz für die Wege vom Lenagebiet,
vom Amur und von China. An der Lena liegt Jakutsk, die nördlicyste
zivilisierte größere Stadt (S. 175). Von der Straße dorthin zweigt der sehr be-
schwerliche Gebirgs- und Fußweg nach der unwirtlichen Küste von Ochotsk
ab. Doch sind diese Berg- und Waldgebiete des 0 noch immer sehr ergiebig
für den Handel mit Pelzen und Fellen, durch welche Jrkutsk weit mehr als
durch die Metalle des Jablonoigebirges wichtig ist, wie namentlich auch durch
den Verkehr mit China. Von dieser Stadt aus passiert man ö zuerst
den Baikal-See (Dampfer; Schlitten) und verläßt dann s-ö vom See die
Straße nach China, um den Hauptort der ostsibirischen Bergwerksdistrikte zu
gewinnen, Nertschinsk an der Schilka, Von hier aus erreicht man längs
des Amur an dessen Mündung die Hafenstadt Nikolajewsk, die aber 7
Monate lang Vereisung sperrt. Auch der Hafen Wladiwostok unter dem
43. Gr. u Br. hat oft 3 Monate gefrorenen Hafen. Sehr rauhen Winter hat
man auch auf dem Steppenplateau der Mongolei, über welches der erwähnte
Weg von 3 des Baikal-Sees führt, auf welchem man zur Grenzstadt Kiachta
gelangt, in deren nächster Nähe die Grenze des chinesischen Reiches beginnt;
dessen Grenzstadt (berühmte Messe) ist Maimatschin.
Rutz. Inseln. Zum russischen Reiche gehören noch die ö Inselgruppen der
Aleuten, die das Beringsmeer 3 begrenzen; sodann Sachalin,
während die Kurilen an Japan überlassen wurden.
2. Ost- und Jnnerasien.
Kljinesisches Weich.
Umfang und Grenzen.
Lage. Das chinesische Reich umfaßt beinahe ganz Jnnerasien und
Ostasiens Festland. Doch ist das weite Steppen- und Wüstengebiet,
Tibet und die am Ozean s des Amur gelegene Mandschurei nur in
Abhängigkeit oder beaufsichtigt von der kaiserlichen Regierung Chinas,
nicht in unmittelbarer Verwaltung durch chinesische Oberbeamte.
Grösze. Die Ausdehnung des ganzen Reiches beträgt etwa 11 570 000
qkm, innerhalb deren etwa 405 Mill. Menschen wohnen, von welchen auf
das eigentliche China sicher 380 Mill. treffen.
Begrenzung. Die Grenzen sind von der Natur großenteils deutlich gezogen.
Im SW reicht Tibet bis an den Him^laya; doch hat der britisch-
indische Staat seine politische Grenze dort, wo das Karakornm an
Ost- und Jnnerasien; Chinesisches Reich. — Abhängige Gebiete. 181
das Pamir angeschart ist, beträchtlich nach N geschoben. Im W
endet das chinesische Reich am Pamir, begreift dann innerhalb der
w Tien-schanketten noch das Gebiet von Kuldscha wieder ein und
hat seine N - Grenze in manchfach gebogener Linie auf den Er-
Hebungen und Einsenkungen des n Gebirgsrandes von Zentral- und
Ostasien. Im 0 sind noch in dem Großen Ozean die Liukiu-
iuselu und der größere Teil von Formosa chinesisch. Im 8 ver-
laust die Grenze auf der Wasserscheide des Sougkoi am Golf von
Tongking und auf den wenig durchforschten Gebirgszügen w davon
bis zum Himalaya. Auch die Insel Hainan gehört zu China.
Abhängige Gebiete.
1. Tibet. Das große und unwirtliche Plateauland Tibet ist Tibet,
noch sehr wenig durchforscht und jedenfalls sehr dünn bevölkert. Es
wohnen etwa 5 Mill. Menschen aus fast 1,7 Mill. qkm. Doch be-
sitzt dieses Gebiet eine große Wichtigkeit dadurch, daß der Ober-
Priester der buddhistischen Religion oder der Stellvertreter des
Buddha, der Dalai Lama, hier den Sitz seiner Herrschaft hat,
dessen Anhänger im chinesischen Reiche zahlreicher sind, als diejenigen
der älteren chinesischen Staatsreligion (s. S. 183). — Im SO zu L'Ha ssa
residiert derselbe, einer Stadt mit zahllosen Tempeln, Kapellen und
Häusern für die Mönche des Buddhismus; 25—30000 Eiuw. Die
Hauptpilgerstraße hierher kommt von NO, auf welcher auch der Tribut
an den kaiserlichen Hos nach China gebracht wird. Außer dem Tribut
ist noch die Anwesenheit eines chinesischen Gouverneurs und einzelner
chinesischer Oberbeamter (^Mandarine) eine sichtbare Erinnerung
an die oberste Staatsgewalt.
Eine Teilung der Regierung zwischen chinesischen Gouverneuren
und zwischen den vornehmsten Familienhäuptern des Landes findet
sich auch in dem n-w und n von Tibet oder n des Küenlün ge-
legenen
2. Ost-Tnrkestan, 1 012000 qkm, 600 000 Bewohner. Chtn.
Soweit die Gewässer das Tarim und der Schutz der Gebirge die ^kestan.
Wüsteubildung hintanhalten, ist es hier zu einer beträchtlichen Stadt-
entwicklnng seit ältester Zeit gekommen.
Städte. Die Hauptstadt ist aber nicht mehr Kaschgar im NW, son-
dern der wohl ebenso alte südlichere Ausgangspunkt für die Überschreitung des
Pamir, nämlich Harkand (40 000 Einw.). Wie beide an gleichnamigem
Flusse liegen, so auch Khotan, Unter den Städten an den Übergängen des
Tien-schan ist T u r s a n wichtiger geworden. Dagegen gehört von ihnen
weiter ö
Kami zu der Provinz Kansu des eigentlichen China, welche
vom oberen Hoangho über die weiter oben erwähnte Einschnürung der
Wüste nach NW und weiter in die Dsnngarei ausgedehnt wurde.
Unter dem Statthalter dieser Provinz steht auch die Regierung des
Distriktes von Kuldscha am Jli, wegen der altgewohnten Übergänge
182 IV. Außereuropäische Erdteile.
über die n-w Auszweigung des Tien-schan von großer Wichtigkeit.
Am meisten benützt ist außer dem Wege vom Tarimbecken derjenige
von Tnrkestan nach
Dsungarei. 3. der Dsnngarei, einem Lande der Hochmulden und breiten
Einsenknngen mit Steppenbedeckung, von einigen mäßig hohen Er-
Hebungen durchzogen, welche dem Ganzen des Altai zuzuteilen sind.
Die Nomadenbevölkerung dieses Gebietes wird auf 600000 äuge-
nommen (Kalmücken und Chinesen), die Ausdehnung zu 380000 qkm.
Der größte Platz ist am Tien-schanübergang, von Turfan her,
Urumtsi. 0 sodann dehnt sich
Mongolei. 4. die Mongolei als weites Steppen- und Wüstenland aus,
wie die Dsuugarei im N auch von bewaldeten Hängen durchzogen.
Der Umfang dieses großenteils nicht bewohnbaren Gebietes beträgt
etwa 3 380 000. qkm; als Summe der Bevölkerung nimmt man
2 Millionen an. Nur im N konnte es zu einiger Städtebildung
kommen, wo auch ein Postweg (für Reitpost) mit geordneten Sta-
tionen w-ö zieht.
Städte.-. Vor allem verbindet derselbe mit s-ö Umweg die beiden Haupt-
orte Uljassutai und Urga, Letzteres ist wichtig als Sitz eines Stellver-
treters des Dalai Lama, daher ein großer Sammelplatz buddhistischer Priester
und Ziel großer Wallfahrten; es bildet aber auch die wichtigste Station auf
dem Handels wege von Jrkutsk nach dem eigentlichen^China; 40000 Einw.
Moni,- Mandschurei ö des Chingangebirges, ein fruchtbares
schüret - und namentlich durch chinesische Zuwanderung dichter besiedeltes Land.
Von diesem aus erfuhr China i.J. 1644 seine letzte Eroberung, weshalb nicht
nur die Herrscherfamilie der chinesischen Kaiser, der Tsing, sondern
auch die Mehrzahl der hohen Beamten und des Soldatenstandes im
eigentlichen China mandschurischer Herkunft find. Das Gebiet erstreckt
sich nicht mehr bis zur Petschilibai, wo vielmehr die frühere Hauptstadt
'Mnkden mit 180000 Einw. nunmehr Hauptstadt der nördlichsten
chinesischen Provinz ist. Die übrige Mandschurei hat immerhin noch
etwa 10000000 Bewohner innerhalb 900000 qkm.
S-ö der Mandschurei zieht sich die Halbinsel des Staates
Korea in das Meer. Siehe darüber S. 184.
Das eigentliche China.
§ 8. Der Umfang
des eigentlichen China beträgt 4000000 qkm; es ist von etwa
380000000 Menschen bewohnt, wobei im Tieflande, welches vom
Gelben Meere einwärts liegt, 3'—400 auf 1 qkm leben. Dieses
Ganze ist in 19 Provinzen eingeteilt, unter welchen das s der
Petschilibai gelegene Schantung 36500000, 9 andere zwischen 20
und 34 Millionen Bewohner haben.
Das eigentliche China; Regierung. — Bevölkerung. 183
§ c>. Die Regierung
dieses „Reiches der Mitte" durch den Kaiser, den „Sohn des
Himmels", geschieht uneingeschränkt. Die Provinzen haben Statt-
Halter, deren Rang häufig mit der Bezeichnung Viceköuig angedeutet
werden will. Die Leitung des weiten Staatsgebietes von der über-
dies weit im N gelegenen Hauptstadt Peking ist dadurch erschwert,
daß neben der Unzahl schiffbarer Flüsse und Kanäle nur wenige
besser gehaltene Wege über die Gebirge hinführen, so daß sich nach
dem Inneren und besonders nach dem SW z. B. die Bewegung
von Truppen und Lasten nur langsam vollzieht. Daraus läßt sich
auch die Ausbreitung und lange Daner einzelner Aufstände gegen
die kaiserliche Regierung erklären, welche freilich durch die Selbst-
sucht oder Gewissenlosigkeit der Beamten am meisten gefördert werden.
§ j^O. Die Bevölkerung
ist ohne lebhafteren Sinn für den Staat und entbehrt überhaupt
höheren Strebens, wie ja die eigentliche chinesische Staatsreligion,
welche Consucius lehrte, sehr wenig wirklich religiöse Anklänge in
sich trägt, sondern im wesentlichen nur das Trachten nach äußerem
Vorteil und den Kultus der verstorbenen Familienangehörigen lehrt.
Allerdings trug dies dazu bei, daß die Chinesen, auch die Anhänger
des Buddha uud Lao-tse, ungemein fleißig und geschickt im Erwerbs-
leben wurden, vorzüglich in der Bodenbearbeitung, in kunstgewerblicher
Behandlung derWebstoffe, desHolzes und desElfenbeins, wie auch in aller
einfachen Metallbereitung. Ihre Seidenstoffe, Stickereien, Schnitzereien,
Porzellan, Tusche, Papierprodukte und Lackwaren werden nach den
zivilisierten Ländern aller Erdteile ausgeführt; auch von Zucker,
Indigo, Baumwolle gehen beträchtliche Mengen ins Ausland. Nur
die Unmasse Reis, welche das Land erzeugt, wird als Hauptuahruugs-
mittel fast ganz im Lande felbst verbraucht. — Im Groß- und
Kleinhandel erweiseu sich die Chinesen sowohl in der Heimat als
in den meisten größeren Plätzen am Großen Ozean hervorragend
geschickt. Transportunternehmer betreiben die Lastenführung für das
Inland und nach N und NW als Großgewerbe; ganz besonders ent-
wickelt ist die Binnenschiffahrt, wobei überdies nordamerikanische und
englische Dampfschiffahrtsgesellschaften auf dem Jangtfe- und auf dem
Siang-kiang eingreifen. So kann die Entstehung zahlreicher und sehr
bevölkerter Städte nur naturgemäß erscheinen.
§ Städte (lvege).
Peking, innerhalb des Pejhogebietes, ist eine ungemein ausgedehnte
Stadt mit 600 CCO Einw,, Sitz des kaiserlichen Hofcs, der fremden Gesandt-
schaften, großartigen Handels. Die Hafenstadt für Peking ist Tientsin am
Pejho mit 900 C0O Einw. n-ö führen 2 Hauptwege über das Gebirge in die
Mongolei, auf welchen mit Kamelen aber auch mit Achsen transportiert wird.
184 IV. Außereuropäische Erdteile.
Hauptausgangsort ist Kalgan. Nach L aber zieht von Tientsin an der
Große Kaiserkanal als wohlbenützte, wenn auch nicht in gutem Stande
erhaltene Wasserstraße bis an den Unterlauf des Jangtsekiang. An letzterem
liegt Kiangning oder Nanking nahe bei mehreren anderen großen Städten,
trotz furchtbarer Verheerung im Taipingausstand vor etwa 25 Jahren wieder
mit 400 000 Einw. Stromaufwärts liegt gegenüber dem einen Zentralplatz
für Theehandel, Hankou, das große Wutsch a ng und n angrenzend Hanjang;
diese 3 haben zusammen 4—5000000 Einw. Von hier führt der große Ver-
kehrsweg nach Jnnerafien n—w und zwar über das Tsinglinggebirge nach
der üppigen Thalweite des Wej, nahe welchem Si-ng an, die einstige Haupt-
stadt des Reiches, liegt; 1000000 Einw. Von hier führt über starke Berg-
rücken die Linie weiter über den oberen Hoangho und nach Sutschüu, am
Südrande der Wüste Ausgangsplatz jenes oben erwähnten Weges nach Kami.
Von Hankou-Wutschang führt aber der lebhafteste Verkehr nach dem s von der
Iangtfemündung gelegenen Schanghai mit 300000 Einw., dem von fremden
Schiffen am meisten besuchten Hafen Chinas; hier treffen sich Postdampfer der
größeren europäischen Staaten, Nordamerikas und Australiens. Etwas süd-
Ucher liegt in einer Bucht der ehemals riesige Handelsplatz Hangtschüu, noch
heute mit etwa 800000 Einw. Die erste Theehandelsstadt ist die Hauptstadt
von FukiSn, Futschou, mit 600000 Einw. Im 8 ist der Sammelplatz für
den Absatz der reichen tropischen und anderen Bodenkulturerzeugnisse Kanton
im Delta des Siang-kiang (Tigerflusses) mit 1500000 Einw. Der Hauptort
des Westens ist das wohlgebaute, reiche Tsching-tn (Verkehr mit Tibet).
Vorgelagert ist die englische Insel Hongkong mit der regen
Handelsstadt Viktoria, 120000 Einw. Unbedeutend aber blieb
gegenüber das portugiesische Macäo.
Von Kanton aus wird nicht nur nordwärts im Kanal über
die Wasserscheide die Binnenschiffahrt nach dem Jangtse betrieben,
sondern auch w ist der Siang-kiang schiffbar in die Provinz Jün-
nan, mit der gleichnamigen Hauptstadt; 600000 Einw. Von da
aus führt der vielbenützte, wenn auch durch die quer aufeinander-
folgenden Gebirgsketten beschwerliche Verkehrsweg nach dem Jrawadi,
dem hinterindischen Bamo, von wo die Flußschiffahrt zum Golf von
Bengalen führt.
Nur durch eine hergebrachte Sitte, Ehrengeschenke an den kaiser-
lichen Hof nach Pöcking zu senden, kann eine scheinbare Abhängigkeit
von China behauptet werden bezüglich des Staates
Korea.
Er ist 218000 qkm groß und von 10—11 Millionen
Menschen bewohnt. Die Bevölkerung hat allerdings im ganzen
chinesische Sitte, doch ist das Land den Chinesen verschlossen, an der
Grenze sogar durch eine unbewohnte oder doch für die Besiedlung
verbotene Wildnis, wje überhaupt keine politische Machtäußerung von
China her in Korea versucht wird. Das Laud ist ziemlich ergiebig
und offenbar metallreich, aber Fremden ist es nicht gestattet, daselbst
sich niederzulassen. ^Hauptstadt ist Sö-ul (Kjöng), nahe dem Ufer des
Gelben Meeres.
Südost-Asien; der ostindische Archipel. 185
Japan.
Der japanische Inselstaat umfaßt 380000 qkm und hat
38 Millionen Bewohner. Die drei größten Inseln sind: Jefo,
Nipon und Kiusiu. Die Staatsregierung erhält ihre oberste Leitung
durch die meuschgewordene Gotteserscheinung, den Mikado, unter
welchem dann ein Beirat von Vornehmen steht, welcher Gesetz und
Verwaltung mit überwacht. Das regste Streben nach geistiger Bil-
dung und Fortschritten im Erwerbsleben beherrscht den Geist der
einflußreicheren Bevölkerungsklassen, so daß europäische Kultur hier
vielfach zur Geltung gekommen ist, wie man ja sogar für die Univer-
sität der Hauptstadt zum Teil die deutsche Sprache, zum Teil die
englische als Unterrichtssprache gewählt hat. Ackerbau, Handel und
Kunstgewerbe sind bestens entwickelt.
Die bedeutendsten Städte sind: Tokio oder Jedo im SO von Nipon,
Hauptstadt des Reiches mit 80000 Ernw. Der bessere Hafenplatz dafür ist
Jokohama mit 70 000 Einw.. wohin namentlich von Nordamerika her ein
reger Verkehr stattfindet. Hauptstadt des W ist Kioto mit 250000 Einw.
Auf Kiusiu ist der seit alter Zeit vielbesuchte aber nicht große Hafenplatz
Nagasaki. Hauptort Jesos ist Hakodade; die Bewohner dieser Insel, die
A'inos, stellen ein ganz anderes Volk dar/als die mongolischen Japaner.
3. Südost-Asien, Indien und sein Archipel.
). Der ostindische Archipel.
Die ausgedehnte Inselwelt Südostasiens beginnt auf dem Wege
von Japau her mit
a) den Philippinen. Diese Gruppe ist seit 1521 nach und Spanische
nach ganz der Macht Spaniens unterstellt worden. Sie umfaßt etwa So,omm*
296 000 qkm und mag etwa 6 000 000 Bewohner haben. Haupt-
ausfuhrgegenstand ist Zucker, wichtig aber auch der Haus und Tabak, der
seinen Namen gewöhnlich nach der Hauptstadt Manila ans Lnzon
führt. Sie liegt nicht ganz am Meere und hat mit Vororten fast
200000 Einw. Auch die Suluinseln sind jetzt Spanien nnterthänig.
b) Den Niederländern gehören die Gruppen: a) der Mo - Holland, u.
lukkeu oder Gewürzinseln, unter welchen die ertragreichste Ceram Kolonien
und die wichtigste Handelsstadt Amboina auf einem Jnselchen gegen-
über geworden ist; ß) die kleinen Sundainfeln, unter welchen das
zur Hälfte portugiesische Timor die größte ist; Z) die Gro ßen Sunda-
inseln: Celebes, Borneo, Java, Sumatra, dessen NO-Küste Bangka
gegenüberliegt. Der N von Borneo ist durch Verträge der dortigen
zwei vordem unabhängigen Fürsten (von Snlu und von Sarawak)
unter britischer Oberhoheit, resp. unter der einer britischen Kompanie.
Die Hauptstadt von Sarawak ist das seit alten Zeiten bedeutende
Brnnneir. Das den Niederländern nominell unterstellte Innere der
Insel ist noch sehr wenig bekannt. — Java besitzt durch seine gewaltige
Aussuhr von Kaffee, Zucker, Tabak und anderen wertvollen Kolonial-
Produkten eine ganz hervorragende Bedeutung. Von 38 Vulkanen
186 |IV. Außereuropäische Erdteile.
überragt ist das übrige Land in manchfachem Wechsel eben und
bergig, doch überall wegsam. Eisenbahnen durchziehen die Insel,
welche bei einer Größe von 130000 qkw 20 000 000 Bewohner zählt,
darunter über 200 000 Chinesen und etwa 20000 Europäer. Haupt-
stadt ist Batavia in wenig gesunder Lage, 110 000 Einwohner;
s und höher gelegen der Sitz des Generalgouverneurs, das kleine
Bnitenzorg (Beutensorg). 0 die größte Stadt der Insel, Snra-
baya, hat 125 000 Einwohner. — Die Insel Bangka ist für Zinn die
wichtigste Fundstätte der Erde. Diese Lager setzen sich auch auf der
Halbinsel Malakka in Hinterindien fort.— Die Jusel Sumatra,
in deren Innerem es noch mehrere den Holländern abgeneigte Stämme
gibt (Atschinesen, Battas), ist eines der ersten Tabakländer der
Erde; zumal gilt dies für die Refidentschaften Padang und Deli.
Z. Ainterindien.
Französ. Die hinterindische Halbinsel ist fast ganz in der Macht Frank-
staateil, reichs und des britischen Staates. Unter französischer unmittel-
barer Verwaltung a) ist im NO Tongking, 90 000 Hauptstadt
Hanoi am Songkoi. — b) eine einheimische Regierung unter fran-
zösifcher Aufsicht und Zollverwaltung besitzt noch Ann am, 280000
qkm, mit 6—8000000 Bew. Der König residiert in der Hauptstadt
Hue. Auch — c) Cambodscha im 8 hat noch einen eigenen
Herrscher unter französischer Überwachung. — Dagegen ist das üppige
Reisgebiet von — d) Cochinchina (Kotfchintfchina) im Mekongdelta
eine unmittelbare Kolonie; Hauptstadt ist das weit gedehnte Saigon,
60000 Einwohner.
Sjam. B) Das unabhängige Königreich Siam im Menamgebiet, wo
der weiße Elefant als besondere Art lebt, ist gleichfalls durch seine
Reisausfuhr von Belang. Hauptstadt ist das für Seeschiffe zugäng-
liche Bangkok, 300000 Einw., das „hinterindische Venedig".
ngl. Btsitz. C) Britisch-Hinterin dien. Dazu gehören: a) die Be-
sitzungen an der Straße von Malakka, die „Straits (Sträts) Settlements"
unter denen an der Südspitze auf einem Jnselchen Singapur durch
seinen Großhandel und seine Bankenthätigkeit in der Vermittlung
zwischen Australien, Ehiua, Indien und weiter hinaus eine über-
ragende Wichtigkeit erlangte; 100000 Einw. Malakka, wie die
benachbarten Jnselchen durch Zinnhandel wichtig. — b) Die Küsten-
provinzen: Tenasserim, Pegn und Äraean, wo die bedeutendste
Reisausfuhr aus Pegu und Rangun stattfindet. — c) Das erst
neuestens um seine Selbständigkeit gebrachte, aber im 0 noch nicht
unterworfene Barma oder Birma im Jrawadigebiet, wo man von
der Hauptstadt Mandaleh aus die Ordnung herzustellen sucht._ Im
N Bamo (s. S. 184). Unabhängig gelassen ist noch ein 8 Teil der
Halbinsel von Malakka.
Südost-Asien; Vorderindien. 187
5. Vorderindien.
a) Die gesamte Halbinsel einschließlich der britischen Himü-laya- GMennd
gebiete und des nördlichsten britischen Besitzes am Karakorum umfaßt Einteilung.
4100000 qkm und wird von etwa 260000000 Menschen bewohnt.
Mit diesem Ganzen sind die unmittelbar regierten Länder,
2 900000 qkm mit über 200000000 Köpfen, und die unter Vasallen
des anglo-indischen Staates stehenden Gebiete, 1220000 qkm und
53000000 Menschen, zusammengefaßt. Das unmittelbare Gebiet
ist in 6 Provinzen abgeteilt, über welchen ein Vicekönig steht:
1) Bengalen; 2) die Nordwestprovinzen, darunter Andh (Ahd),
Pendschab; 3) Zentralprovinzen; 4) Madras; 5) Bombay; 6) dem
Vicekönig unmittelbar unterstellte kleine Gebiete im Inneren. —
Die Vasallenstaaten sind sehr zahlreich und an Größe sehr verschieden;
die bedeutendsten find: Haiderabad im Inneren des Dekhan,
Travankur im SW, Sind am untersten Indus, Kaschmir im —
b) Der Religion nach bekennt sich die Bevölkerung mit fast Neligions-
75 Prozent zur Brahmanifchen Hindureligion; 20 Prozent stnd^WWfe.
muhammedanisch; Buddhisten sind in diesem Heimatland Buddhas
nur etwa 2 Prozent, Christen nur 1. Die Anzahl der in Indien
lebenden Europäer erreicht trotz der beträchtlichen Zahl geworbener
europäischer Truppen nicht 200000. Das Heer besteht überwiegend
aus einheimischen Soldaten (SipoYs).
c) Den Verkehr zu heben, ist das Land von Eisenbahnen Verkehr;
manchfach durchzogen und der Straßenbau außerdem wohlgepflegt. Produtte.
Dadurch begegnete die Regierung am wirksamsten den früher bei
einiger Sommerdürre fürchterlich aufgetretenen Hungersnotzuständen
und regte u. a. den Getreidebau mächtig an, weil in allen besseren
Jahrgängen die Ausfuhr nunmehr lohnend wurde.
Die uralte hohe Kultur ausgedehnter indischer Gebiete brachte
bei dem ungemeinen Vorwiegen der Ackerbaubevölkerung nur eine
mäßige Entwicklung größerer Städte mit sich. Doch sind schon aus
der Römerzeit eine Anzahl derselben, besonders im W, aber auch
solche am Golf von Bengalen und im Gangesgebiet inbezng auf
ihre besondere Handelstätigkeit näher bekannt. Wichtig erscheinen
heute folgende:
6) Städte.
Städte: I) In Bengalen! Calcutta am Hugly mit großartiger Webe- Städte,
industrie, Sitz der Regierung des Kaiserreichs Indien und der wichtigsten
wissenschaftlichen Anstalten, 300 000 Einw. Am Ganges aufwärts Patna,
160 000 Einw. im Gebirg des stärksten Opiumbaumes. Im Himalaya durch
Eisenbahn zu erreichen der Lustkurort Darjeeling (Dardschihling).
2) Zu den Nordwestprovinzen gehört schon: Benares, die Stadt der
Tempel und Priester des Brahmanismus, jährlich von Hunderttausenden der
religiösen Reinigung wegen besucht, 180 000 Einw. Allahabad, Sammel-
punkt für die Dampfschiffahrt des Ganges und Dschaema und der Eisenbahnen
von Calcutta, vom Pendschab und vom SW aus Bombay. — Delhi mi.
188 IV. Außereuropäische Erdteile.
einst reichen Palästen und Tempeln (Moscheen), als Stadt des glänzenden
indischen Reiches des Groß-Mogul, einer muhamedanischen Mongolendynastie,
100 000 Einw. — Im Pendschab das stattliche Lahore, auch einst eine
glänzende Residenz des Großmogul; am Kabul das feste Peschawer (Pischaur).
Auf dem Abhang des HimÄlaya liegt Simla, Erholungsstadt für die
europäischen Truppenteile und Sommerrefidenz des Vizekönigs.
Im Kaschmir ist Hauptstadt Sriuagur, ein Wallfahrtsort mit der
noch immer rege gepflegten Weberei von Tüchern aus Haaren der Kaschmir-
ziege, 140000 Einw. Jenseits des HimÄlaya Leh oder Ladak.
c) Zur Provinz Bombay gehört bereits der wichtige Kreuzungspunkt
der Jnduslinie und der Eisenbahn durch das Solimangebirge in das iranische
Afganistan, nämlich Schikar pur. Desgleichen das im Sindlande w des
Jndusdeltas gelegene Karatschi, sehr wichtiger Ausfuhrplatz für Baumwolle,
s-ö des Baumwollgebietes von Gudscherat in dem für den antiken und mittel-
alterlichen Handel sehr wichtigen Golf von Cambaya ist in der Mündungsstrecke
des Narbbada wichtig für Getreide- und Wollhandel Baroda (Barotsch,
Barygaza der Alten). Bombay auf einer schmalen Insel, Hauptverkehrsplatz
Indiens für die''Schiffe Europas, mit großer Webeindustrie, 800000 Einw.
4) zur Provinz Madras gehört Kalikut an der Küste Malabar, wo
zuerst die Portugiesen nach Entdeckung des Seeweges um das Kap der guten
Hoffnung 1498 landeten. Auf der ö vom Kap Eomorin beginnenden für die
Schiffahrt weniger günstigen Küste liegt das ausgedehnte Madras, Ziel der
Eisenbahnen vonKalikut und vonBombay; 400000 Einw. — Im Inneren bezeugt
imElloregebiet vonHaiderabad n des oberenGodawery, o-n-ö von Bombay, ebenso
wie die bei Bombay gelegene Insel Elefante durch die dort vorhandenen groß-
artig gemeißelten Felsen4empel die Befähigung des Brahmanismus zu Kunstbauten.
Portug, u. Außer diesem britischem Gesamtbesitz sind noch einige Reste
Kolonien, der einstigen Kolonialgebiete der Portugiesen und der Franzosen auf
der Halbinsel. Den ersteren gehören an der Westküste die Städte Diu
und G oa, die aber wenig Regsamkeit besitzen, den Franzosen 4 Plätze,
darunter s von Madras Pondischery und, als nördlicher Vorort von
Kalkutta, Tschandernagor. Im Him^laya dagegen gibt es noch 2 that-
sächlich unabhängige Gebirgsstaaten, für welche allerdings China auch
den Schein einer Oberhoheit beansprucht: es sind Nepal mit der Haupt-
stadt Katmandu und ö von Darjeeling Bhutan mit Taßisudan.
Ceylon. Auf der 64000 qkm großen und von 2 600000Menschen bevölker-
ten, in der Verwaltung selbständigen Insel Ceylon jenseit der Palkstraße
ist der Hauptausfuhrplatz Colombo, 120000 Einw. Für den Post-
verkehr besonders wichtig ist das südlichere Point (Poen) de Galle. —
Wie im 0 dieAndamanen undNikobaren, so sind auch dieJnselgrupPender
Malediven und Lakkediven nvon Ceylon und Malabar unter Briti-
scher Verwaltung.
4. Iran und Südwestasien.
A. Iran umfaßt im ganzen die 3 Staatsgebiete von Belud^
schistan, Afghanistan und Persien.
Beluv- 1. Beludschistan ist kaum als Staat zu betrachten. Nomadische
schistan. unk Raub geneigte Stämme durchziehen großenteils das vielfach
öde Land und erkennen dem Namen nach als Chan oder Oberherrn
den Fürsten von Kelat an, welches nahe dem Bolanpaß liegt.
Beludschistan hat etwa 300000 Bewohner auf 275000 qkm.
Iran und Südwestasien. 189
2. Afghanistan umfaßt die Striche 11 und s des Hiudukufch-^kmuistan,
und das Gebiet des Hilmeud; am Ostabhang des Solimangebirges
ist die Grenze Indiens gezogen. Das Ganze umfaßt ruud 720000
qkm und hat etwa 4000000 Bewohner. Englische Unterstützung
hält die Macht des Emir tatsächlich aufrecht, von dem z. B. die
Stämme des Pamirplateau und die n-ö des Kabulthales sich völlig
unabhängig behauptet haben. Eine besondere Wichtigkeit hat aber
Afghanistan als das Durchgangsland für den friedlichen und den
kriegerischen Verkehr zwischen Indien und dem russischen Turkestan.
Im N des Hindukusch liegt innerhalb Ruinen seiner einstigen Größe
Balch, das Bactra der Alten. Die Hauptstadt Kabul mit 60 000 Einw. liegt
am gleichnamigen Flusse. Als erster Zielpunkt der Eisenbahn von Schikarpur
ist K a nd ahar zugleich der Sammelpunkt für den Verkehr vom unteren Hilmend,
von Kabul und von dem in fruchtbarer Gegend gelegenen Herat und damit von
Turkestan südwärts. Herats Erwerbung ist zur Zeit ein Hauptziel Rußlands.
3. Persien, 1650000 qkm groß mit etwa 8 000000 Be- Persien,
wohnern, ist das Land der schiitischen Muhammedaner, welche die
von den ersten 3 Kalifen dem Koran einverleibten Zusätze, wie sie
im Buche Sünna enthalten sind, nicht anerkennen und schon deshalb
mit den im W und N sie umgebenden Sunniten im Gegensatz stehen.
Das Land ist durch die große Salzwüste im Inneren und durch
deren s - ö Fortsetzung in zwei bewohnbare Hauptteile geschieden.
Wasserreicher und ergiebiger ist der N, wo auch die wichtigen alten
Durchgangswege vom Pamir und von Turkestan her zum Pontus
und nach Mesopotamien verlaufen.
Städte: Hier ist nicht weit vom Heri-Rud-Thale Mesched, reger Haupt-
Wallfahrtsort der Schiiten und ein wichtiger Verkehrsplatz. Auf dem Wege zur
Hauptstadt Teheran, s des Demawend, kommt man durch Schahrud, das
Hecatonpylos zu Alexanders d. Gr. Zeit. Teheran hat etwa 200000 Einw.;
von hier aus werden die ergiebigen Türkisminen im Elburs betrieben. Am
Kaspischen See liegt als Haupthafenort für den Verkehr mit Rußland B a l f u r u s ch,
50 000 Einw. Belebteste Handelsstadt des Staates war bisher Täbris n-ö
des Urmijasee, Ziel der Wege vom A rasthal und von Eriwan, wie vom Pontus
her, 120 000 Einw. Bereits zu dem Bewässerungsbereich der s-ö und s Ge-
birgsmasfe gehört Hamadan, vielleicht das alte Ekbatana, und die frühere
großartige Hauptstadt I späh an, welche wiederholt Erdbeben zerstörten; doch
hat sie noch immer 60 000 Einw. Schiras im Gebirge von Farsistan ist durch
Rosenfelder und Rosenöl berühmt, s des getreidereichen Kirman ist der Hafen-
platz Bender Abbas gegenüber der im 14. bis 16. Jahrhundert so Handels-
mächtigen Insel Ormuz. Binnendampfschisfahrt wird heute im SW auf dem
Flusse Karun betrieben.
B. Arabien. Die große Halbinsel läßt staatlich 3 an Größe
sehr verschiedene Hauptteile unterscheiden.
1. Im 0 liegt das Sultanat Oman, regiert von einem Priester- Ostarabien,
fürsten von der lebhaften Handelsstadt Maskat aus (50000 Einw.).
2. Das Gebiet an der Westküste w des im 8 eingenommenenWxstgrabim.
englischen — Kolonialgebietes von Aden gehört zu den un-
mittelbaren Besitzungen des Großherrn zu Konstantinopel. Hier findet
sich an der Straße von Babel Mandeb Mocha, Kaffeeausfuhrplatz
190 IV. Außereuropäische Erdteile.
für das Land Jemen, n geht der große Pilger- und Warentrans-
port der mnhammedanischen Welt zu der heiligen Stadt Mekka
und ihren großen Märkten vom Hafen von Dschedda aus. Mekka
hat den heiligen Stein der Kaaba mit der gefeiertsten Moschee,
welche einmal im Leben zu sehen das Trachten des rechtgläubigen
Muhammedaners ist. n davou an der wichtigsten der Pilger- und
Karawanenstraßen, die nach Mekka führen, liegt Medina, wo der
Islam 622 n. Chr. seinen Anfang nahm und die Grabmoschee
Mnhammeds steht, ö von diesem türkischen Gebiete erstreckt sich von
der 8-Küste an bis zum 35. Grad n Breite
Inner- 3. Das Laud unabhängiger Stämme. Die belebteste
0111 tm' größere Gegend desselben ist das Gebiet von Nedfchd, ein uraltes
Durchgangsland aus dem Wege aus der Gegend von Mekka nach dem
unteren Euphrat. Den größten Teil des bewohnten oder durch-
streiften Landes links des Euphrat bildet
Meso- c. Mesopotamien, dem sich die Provinz von Bagdad im 8,
polaunen, Babylonien, anschließt.
Dieses einst so überaus dicht bevölkerte und ebenso fruchtbare
Land ist infolge Vernachlässigung und Zerstörung der Bewäfserungs-
einrichtnngen im Mittelalter nach und nach zu eiuem ungesunden
und meist verödeten Gebiete geworden, fast ganz von Arabern bewohnt.
Unter den Städten zählt auch das einst so glänzende Bagdad, das
von den Mongolen zerstört wurde, heute nicht mehr als 40—50 000 Einw. Basra
am Schat el Arab ist der kleine Landungsplatz für die eigentlichen Seeschiffe.
Das noch immer in Webewaren ziemlich rührige Mosul am oberen Tigris,
gegenüber den Ruinen von Ninive, ist die volkreichste Stadt mit etwa 60 000
Einwohner.
Im NO von Mesopotamien erhebt sich das Bergland von
Kurdistan, dessen Bewohner noch immer schwer an friedliche Ord-
nnng zu gewöhnen sind.
Armenien, d. Armenien und Kleinasien. Längs des Euphrat und des
Tigris nach N wird man in das hochgelegene Armenien geführt.
Durch dieses zog seit den Zeiten der Asfyrer der Weg vom w
Euphrat zum Schwarzen Meere uud nachher diejenigen vom Halys —
Kifil Jrmak nach dem Kaspischen See und von Iran nach dem Pontus.
Hauptplatz hiefür wurde seit vielen Jahrhunderten Erzerum in
einer reichen Thalweite; zugleich Ausgangspunkt des Weges nach der
Küstenstadt Trapezunt (Tarabison).
Kleinasien. Kleinasien hat als Hafenplätze am Pontus vor allem Sa ms UN
für sein reiches Hinterland und Sinope, eine uralte Gründung
der Milesier. Im Inneren ist nahe dem mittleren Halys wohl
noch älter Angora (Ankyra), wo die alte Poststraße des Darius
nach WSW weiterzog, um Sardes ö von Smyrna, der großen
heutigen Hasenstadt am Ägäifchen Meer, 150 090 Einw., zu erreichen.
Infolge der Bedeutung Konstantinopels und des in Teppichweberei
sehr hervorragenden Brnssa ward aber der heute für eine Eisenbahn
Asien; Entdeckungsgeschichte. 191
bestimmte Weg vom Marmarameere her nach Angora wichtiger. Im
Mittelalter führte er vorwiegend südlicher, nämlich über Konia
(Jconinm) als einem Platze auf der Straße nach dem heiligen Lande.
Anf Samos, Chios und Lesbos zeigt sich durch die Regsamkeit der
griechischen Bevölkerung langsam ein besseres Gedeihen, nur Rhodos
will sich von dem schweren Drucke der türkischen Regierung noch
immer kaum erholen. Von Inseln, welche zur asiatischen Türkei
gehören, zeigt sich im W Cypern s des Taurus; es ist gegen eine
jährliche Abgabe an England überlassen. Infolge der Maßregeln
dieser Verwaltung zum besten der Gesundheit und des Hafenverkehrs
ist ein Wiederaufblühen manchfach ersichtlich, namentlich auch in der
Hauptstadt Larnaka.
E. syrien mit Palästina. Am antiken Golfe von Jssns oder Syrien,
dem heutigen von Jskenderuu beginnt Syrien, dessen ö Grenze
vom 35. Grad an südwärts ganz unbestimmt ist; bis dorthin bildet
sie der Euphrat. Dieses Land incl. Palästina wird etwas über
2 Mill. Einwohner haben uud mag 250000 qkm groß sein.
Die wichtigste Verkehrs- und Gewerbestadt im Binnengebiet
ist im N, nämlich Haleb (Aleppo), wo verschiedene Handelswege
vom Euphrat her münden, auch über das ehemalige Edessa, heute
Ursa, und über den Beilanpaß, n Antakieh (Antiochia), einer
verfallenen und armen Stadt, zum Hafen von Jskendernn oder nach
8, nach Damaskus ö des Antilibanon, führen. Damaskus, eine
wohlbewässerte und gewerbsthätige Stadt (Säbelklingen) mit 150000
Entw., ist auf einer sehr gut gebauten Straße vom wichtigsten See-
Platz Syriens aus. nämlich Beirut, in einem Tage erreichbar.
In Palästina hat der Hasen von Joppe, 11000 Einw., Palästina,
eine zuuehmeude Lebhaftigkeit erlangt. Eine Eisenbahn ist im Werke,
welche von da aus nach Jerusalem führeu soll. Dieses Ziel vieler
christlicher Pilg'er oder Reisenden ist gleichfalls wieder in langsamer
günstiger Entwicklung begriffen; doch hat die Stadt des heiligen
Grabes noch immer kaum 20000 Einw. Außerdem ist uur noch
im SW wie seit Jahrtausenden Gaza als Ausgangspunkt für den
Verkehr durch die Grenzwüste Ägyptens von Wichtigkeit; es hat
etwa 20000 Einw.
Entdeckungsgeschichte.
In Asien stand die Wiege des einheitlichen Menschengeschlechtes,
von dessen Völkern wir geschichtliche Kenntnis besitzen. Höchst wahr-
scheinlich das Pamir, „das Dach der Welt", und jedenfalls vor-
wiegend dessen westliches Vorland war das Gebiet, von welchem aus
die Verbreitung der Stämme und Völker erfolgte. Letzteres geschah,
sobald sich die Menschheitsfamilie in größere Gemeinschaften verzweigt
192 IV. Außereuropäische Erdteile.
hatte. Diese waren jedenfalls mit der Kenntnis ihrer Wohn-
sitze und ihrer früheren Heimat ausgestattet. Allein zu einem Anfang
der Länder- und Völkerkunde von Asien konnte es erst durch das
Wissen vonseiten jener Völker kommen, welche Schrift und geschicht-
liche Überlieferung hatten und pflegten. Solche entwickelten sich der
Geschichte nach nur im W. Zu ihnen gehören die ältesten Bewohner
des Landes am unteren Euphrat und Tigris im 4. Jahrtausend
und vorher, die Sumerier, dann ihre Nachfolger, die Chaldäer, weiter
die Afsyrer, die Phöuiker, Syrer, Hethiter, Araber uud Elamiter im
8-^v Iran. Sowohl durch die Handelsthätigkeit namentlich der Phö-
niker als durch Kriegszüge ward dann bis um 800 v. Chr. ganz
Borderasien den Kulturvölkern geographisch besser bekannt.
Phöniker. Um das Jahr 800 haben sicherlich die Phöniker durch ihren
Handel auf j)ert Wegen, welche sie selbst großenteils für den Verkehr
genauer erkundeten, auch zu laud eiue zutreffende Kenntnis der
Länder zwischen dem Persischen Golf und dem Zagrosgebirge einer-
feits und dem Roten und Mittelländischen Meere andererseits besessen.
Ophir. Von dem Produktenreichen Ostland am Meere, von Indien,
hatte mau nur die unbestimmte Vorstellung seines Daseins, wie z. B.
auch die Ophirfahrten Salomos nicht ohne Berührung mit indischer
Ausfuhr zu denken sind.
Grieth. Der Nordw esten Asiens aber ward erst durch die Griechen
Forscher. aufgehellt. Vom Ägäischen Meere aus, namentlich von der W-Küste
Kleinasiens her wurden zahlreiche Kolonien an den Küsten des Pontus
im 7. und 6. Jahrhundert gegründet; der Handelsweg aus Turau
nach dem Phasis ^ Rion ward sehr belebt. In dem wichtigsten
Ausgangspunkte der Kolonien, in Milet, ö von Samos, wurde die
erste Karte der damals bekannten Länder durch Anaximander her-
gestellt. Die erste Länder- und Völkerkunde von Bedeutung schrieb
der aus Kleinasien stammende Grieche Herodot um A50(s.S.2.) Er
hatte Westasien und Ägypten persönlich durchforscht und konnte die weit-
greifenden Kenntnisse verwerten, welche aus der genau geordneten
Herrfchaft des Perserreiches naturnotwendig am Regierungssitze des
Großkönigs sich ergaben; in bestimmten Provinzen gehorchten seinen
Geboten die Völker bis an den Jaxartes und an das Soliman-
gebirge.
Alexander Das Jndnsgebiet Indiens ward dann durch Alexander
Ö' <vr' d. Gr. planmäßig untersucht, und auch nach seinem Tode wurde die
Kenntnis des Inneren der Halbinsel, wie diejenige Tnrans im
griechisch-baktrifchen Reiche erweitert.
Erste Kunde Lange blieb China ohne alle unmittelbare Berührung mit
von China. bem y0gar mit J^ien. Im 1. Jahrhundert n. Chr. beginnen
erst die Nachrichten von einem Serervolke, dem Volke des Seiden-
landes. Unter dem Kaiser M. Ant. Pius erfolgte eine Gesandtschaft
oder eine von Kaufleuten aus Syrien unternommene Sendung an
Asien; Entdeckungsgeschichte. 193
den Hof des chinesischen Kaisers. Aber der Seidentransport nach W
nahm größtenteils den Weg über das Pamir.
Eine Vermehrung des Gesamtwissens über Asien ward für die Arab.
Literatur jener Zeit ganz besonders durch die arabisch-muhamme- Reisende,
dänische Völkerbewegung bewirkt. Hatte doch ein einzelner Reise-
schriftsteller, Jbn Batuta 1351) die Außenpuukte seiner Wände-
rung und seiner vorzüglichen Beschreibung an Cordova, Fez, Tim-
bnktu, an der Äquatorgegend Ostafrikas, an Java uud vielleicht
Celebes, an Kanton und Peking, wie an der mittleren Wolga. Nicht
wenige arabische Werke über Länder uud Völker der damals bekannten
Erde erhielt die Zeit vom 11.—14. Jahrhundert, also z. B. auch
Darstellungen über den ostindischen Archipel und hinterindische
Gebiete.
Aber auch für die europäische Literatur entstanden vorzügliche Europ.
Werke über Jnnerasien und China, sowie über die Küste des 8 Reisende,
durch die Schriften bedeutender Reisender, wie des Niederländers
Ruysbrock (Reusbruhk) oder de Rubruquis oder des Veuetianers
Marco Polo. Dieser machte seine Zeit — es war das 13. Jahr-
hundert — auch mit Japan (Zipaugu) bekaunt.
Nach längerem Stillstande brachten dann die Portugiesen, als Seeweg nach
Vasco de Gama 1498 den Seeweg nach Indien um Afrika herum Indien,
gefunden, näheres Wissen über die Länder und Inseln am Indischen
Ozean, und 1522 entdeckte eine spanische Unternehmung unter
Magelhaens (Mageljans) die Philippinen, während von 1602 an
durch die Holländisch-Ostindische Handelskompagnie die Kleinen Sunda-
inseln und die Molukken genauer erkundet wurden.
Zu gleicher Zeit kam es auch im N zur Erweiterung des Erforschung
geographischen Wissens durch die Russen. Der Kosakenführer Jer- Sibiriens,
mak eroberte den Westen Sibiriens von 1577—84, und nach ihm
wurde durch weitere Kosakenzüge auch der Osten bis 1640 für Ruß-
land in Besitz genommen; 1644 wurde von da aus bereits der
Amur entdeckt. Die Nordostküste Sibiriens wurde dann 1648 zu
Schiffe umfahren (von Defchnew). Aber erst fast ein Jahrhundert
später fand der Hauptmann Tscheljuskin die nach ihm benannte
nördlichste Halbinsel und das Nordkap Asiens 1743. Die genauere
Durchforschung der Ostküste verdankte man der längeren Thätigkeit
Berings 1741. Doch ward erst 1787 Sachalins Insel-Charakter
durch La Perouse festgestellt.
Die bedeutendste Leistung der Gegenwart im N, nach zahlreichen Nordöstl.
wertvollen Entdeckungsfahrten im Eismeer (z. B. durch Kapitän Durchfahrt.
Roß), bewerkstelligte Nordenskiöld (Nordenschöld), nachdem er 1876
von der Ob- zur Jenissejmündung gefahren war, 1880 durch die
vollständige Umseglung der ganzen Nordküste Asiens.
Inner- und Ost-Asien erfnhr in ausgedehnten Teilen, aber Erforschung
noch lange nicht ausreichend, eine genauere geographische Feststellung. Chinas.
13
194 IV. Außereuropäische Erdteile.
China hat auf einzelnen Linien einige Aufhellung erfahren durch die
Lazaristen-Mönche Huc und Gäbet 1850, welche auch nach L'Hassa
in Tibet gelangten. Unvergleichlich wichtiger aber sind v. Richt-
Hofens (Berlin) berühmte geognostische und geographische Forschungen
über Nord- und Mittelchina (1868—72).
Hochasien. Das Gebiet des östlichen Küenlün, die Mongolei, der Lob-
noor und das n-ö Tibet sowie das Tarimgebiet ist von dem Russen
Prschewalski mit großem Erfolge bereist worden innerhalb 1871 und
1886. Die Brüder S'chlagiutweit haben bereits 1856 das Karako-
rnm und den Küenlün durchforscht. Der Titzn-schan und das Pamir
wurde von dem Russen Sewerzow in verdienstvoller Weise vielfach
durchsucht (zwischen 1864 und 1878).
Der Himälaya und das Innere Hinterindiens fand durch ver-
schiedeue englische Expeditionen Klarstellung, besonders inbezng auf
die Flußläufe. Hiezu verwendet man mit Vorliebe einheimische Priester
(Panditen). Doch läßt Hinterindien noch weite Aufgaben übrig.
Arabien. Das Innere Arabiens wurde von dem Erforscher der Länder
am Roten Meere, Burkhardt, bereits 1828 betreten; dann wurde
von 1848—1887 auf einzelnen Linien quer durch die Halbinsel
gezogen (Palgrave, Pelly, Lauger), und Glaser drang zuletzt
in das Innere Jemens ethnographischer Studien halber am
weitesten vor.
Kleinasien. Das Innere Kleinasiens bedarf noch immer, auch nach Tfchichat-
scheffs großem Werke (Ergebnis seiner Reisen von 1847—58),
vielfacher Ausklärung.
Es wird also die Erdbeschreibung Asiens für ausgedehnte
Gebiete erst in der Zukunft auf durchaus v^rlässige Forschungen sich
berufen können.
II. Afrika.
Meeresgrenzen.
§ \2. Geographische Lage und Größenverhältnisse.
Begrenzung. Der Erdteil Afrika, dem, weil noch stets gewaltige Räume
in seinem Inneren uns unbekannt sind, wohl auch der Name des
dunkeln oder schwarzen Kontinentes beigelegt wird, gehört zur
alten Welt, obwohl man während des Altertums und Mittelalters
kaum mehr als einen schmalen Küstensaum desselben erforscht hatte.
Längs seiner ganzen Nordseite wird Afrika begrenzt durch das
Mittelländische Meer, längs der Westseite durch den Atlantischen,
längs seiner Ostseite durch den Indischen Ozean, beziehungsweise
durch das einen Golf des letzteren darstellende Rote Meer, welches nach
Norden in zwei schmalen Meereszungen, den westlichen GolfvonSnez
Afrika; Oberflächenbeschaffenheit und Gebirge. 195
(Sues) und den östlichen Golf von Akabah ansläust. Die Land-
enge von Suez verbindet die Erdteile Afrika und Asien; doch ist
dieselbe durchstochen von dem bekannten Kanal von Suez, welcher
für die größten Meeresschiffe passierbar gemacht ist und die kürzeste
Verbindung zwischen Europa und dem östlichen Asien vermittelt.
Südlich hängt das Rote Meer durch die Babelmaudeb-Straße
(Straße des Thränenthores, wegen ihrer Gefährlichkeit so zubenannt)
mit dem Indischen Ozean zusammen. Da Afrika südlich in eine
Spitze ausläuft, so kann an dieser Stelle von einer Begrenzung
nicht wohl die Rede sein; eine von dem südlichsten Ausläufer, dem
Nadelkap (Kap Agulhas) südlich gezogene Linie bildet die Grenze
zwischen dem Atlantischen und dem Indischen Ozean.
Bezeichnend ist sür Afrika seine plumpe Gestalt, die geringe Mstm-
Gliederung seiner Küsten, durch welche es hauptsächlich auch be- gliederung.
dingt erscheint, daß die Bereisung des Erdteiles und seine Er-
schließung für Handel und Verkehr mit so großen Schwierigkeiten
verknüpft sind. Alle in die Festlandmasse eindringenden Buchten sind
weit geschweift, schmale Golfe und Baien fehlen gänzlich. Zu nennen
find einzig und allein die stärkere Einbuchtung der tunesisch-tripoli-
tanischen Mittelmeerküste (Große und Kleine Syrte, resp. Bucht
von Sydra, Bucht von Gabes) im Norden, der Busen von
Guinea im Westen und der zwischen Rotes und Indisches Meer
sich einschiebende Golf von Aden im Osten. Auch verdient der
Kanal von Mocambique (Mossambik) Erwähnung, jene Meeres-
straße, welche einen Teil der ostafrikanischen Küste von der großen
Insel Madagascar trennt.
Der Größe nach ist Afrika der dritte unter den fünf Erdteilen alt und
(Asien uud Amerika sind größer); sein Flächeninhalt wird ohne die ^zahl"^
zugehörigen Inseln aus 29280000 qkm, mit den Inseln auf
29910000 qkm berechnet. Eine auch nur einigermaßen zutreffende
Schätzung der Bewo^nerzahl wird selbst in vielen Jahren noch nicht
möglich sein; doch darf man es als sicher betrachten, daß diese Zahl
200 Millionen übersteigt.
§ \3. Oberflächenbeschaffenheit undIGebirge.
Einförmig, wie der Verlauf seiner Küstenlinie, erscheint auch Gebirgbau.
der sonstige Bau des afrikanischen Kontinentes. Derselbe setzt sich
wesentlich zusammen aus weiten Plateaux und Tafelländern, welche
in Terrassen gegen das begrenzende Meer abfallen. Nicht selten tritt
der Abfall der untersten Terrasse bis hart an das Meer selbst vor,
so daß nur ein schmaler oder auch gar kein Küstensaum für mensch-
liche Ansiedluug übrig bleibt. Mau unterscheidet vier solcher Pla-
teaux, das nördliche oder mediterrane, das östliche, das innere
oder zentrale und das südliche. Nur der breite Landstrich, welcher
13*
196 IV. Außereuropäische Erdteile.
das nördliche und das zentrale Gebiet von einander scheidet, ist anders
beschaffen; es ist dies die den ganzen Erdteil von West nach Ost
durchziehende und eigentlich nur durch das Nilthal unterbrochene
Wüste, deren (größeren) westlichen Teil man die Sahara, deren
östlichen Teil man die Libysche Wüste nennt. Da, wo die Sahara
das atlantische Meer berührt, ist die sonst nahezu überall herrschende
Steilküste in eine sandige Flachküste übergegangen.
Geologisches. Im Inneren Afrikas bemerkt man meist flach gewellte Land-
schaften, die nur ausnahmsweise durch einen scharfen Gegensatz von
hohen und niederen Bergen an die Verhältnisse anderer Erdteile er-
innern. Auch die geoguostische Beschaffenheit des Landes läßt
sehr die anderorts herrschende Abwechslung vermissen, wiewohl nach
den Untersuchungen neuerer Reisender die Einförmigkeit keine so große
ist, als früher angenommen worden war. Vorwiegend sind durchaus
die Urgebirg'sarteu (Granit und Gneis), uud über diese ist auf
weite Räume eine dünne Sandsteindecke ausgebreitet, welche weit
jüngeren Bildungen angehört. Sehr merkwürdig ist der fast allent-
halben in Afrika zu Tage tretende Laterit, ein Zersetzungsprodukt
festerer Gesteine von gelber oder rötlicher Farbe, welches den Ein-
Wirkungen der Luft und des fließenden Wassers in hohem Maße
ausgesetzt ist und infolge dessen sehr häufig die abenteuerlichsten Ober^
flächenformen erkennen läßt.
Nord- Wenn wir die Gebirge Afrikas durchmustern, so begegnet uns
"Gebirge?* zunächst in dessen nordwestlichster Ecke der Atlas, ein hohes Ketten-
gebirge, welches vom Atlantischen Ozean bis zur Kleinen Syrte sich
erstreckt. Die atlantische Küste, längs deren das Gebirge sich hin-
zieht, ist zwischen den Thälern des Wadi Sns (nördlich) und des
Wadi Draa (füdlich) enthalten (Wadi bedeutet im arabischen ein
Flußthal, welches nur zeitweise, nicht aber zu allen Zeiten des
Jahres, mit Wasser erfüllt ist). Der westliche oder Marokkanische
Atlas ist der höhere, der östliche oder Algierifch-Tnnesische Atlas
ist der niedrigere; die Schneehäupter des ersteren ragen bis 3500 m
empor. Sehr steil fallen die Gebirgswände gegen die mittelländische
Küste Marokkos ab, zahllose kleine Buchten bildend, die sich jedoch
sämtlich nicht zu Seehäfen eignen. Besser sieht es in dieser Hinsicht
an der Küste Algeriens aus. Nachdem man das Küstengebirge über-
stiegen, gelangt man in die zwischen den beiden Parallelketten des
Atlas eingelagerte fruchtbare Hochebene des Tell. Im übrigen sind
von gebirgigen Partien der Mittelmeerküste Afrikas nur uoch das
Gebirge von Barka (der antiken Cyrenaica) und das westlich vom
Nil bis nahe an das Meer herantretende Libysche Wüstenplateau
zu nennen.
Wüsten- Südlich von den Abdachungen des Atlas breitet sich die nn-
gürtel. geheure Wüste aus, deren Gesamtgebiet man wohl nicht überschätzt,
wenn man es auf 8 000 000 qkm anschlägt. Man darf sich die
Afrika; Oberflächenbeschaffenheit und Gebirge. 197
Wüste jedoch nicht einfach als eine überall gleichmäßige horizontale
Ebene vorstellen; dieselbe ist vielmehr auch ein Tafelland mit viel-
fach zerrissener Oberfläche, die sich, zumal im Inneren des Landes,
nicht unbeträchtlich über den Spiegel des Meeres erhebt. Die eigent-
liche Sandwüste wechselt mit der sogenannten Steinwüste,' der
Hamm ada der Araber; erstere ist eine Ansammlung von Sand-
Hügeln, die jedoch nicht stille stehen, sondern unter dem Einflüsse der
herrschenden Luftströmungen unausgesetzt ihren Ort ändern, während
die Steinwüste sich bald mit größeren, scharfkantigen Steinbrocken,
bald mit winzigen Kieselchen bedeckt zeigt. Auch wirkliche Gebirgs-
züge fehlen der Sahara nicht; der Tufside erreicht eine Höhe von
2500 m. Diesen Erhebungen stehen gegenüber die nirgends ganz
fehlenden, in der Libyschen Wüste aber besonders zahlreichen Boden-
senkuugen (Djof), welche sür die Quellenbildung und damit auch für
Pflanzenwuchs und Bodenkultur günstigere Verhältnisse darbieten.
Überall da, wo eine natürliche oder künstliche Quelle emporstrudelt
— die französische Regierung hat auf ihrem Gebiete zahlreiche arte-
fische Brunnen graben lassen —, entsteht ein Fleck von oft üppiger
Fruchtbarkeit, eine Oase (vom altägyptischen Worte nahe = Wohn-
platz). Solche Plätze umsäumen namentlich den Ostrand der Libyschen
Wüste (Oase Chargeh, Oase Dachel, Oase Farasrah, Oase
Siwah, Oase Audschila). Die Oase Siwah, welche 32 m unter
dem Mittelländischen Meere gelegen ist, war in früherer Zeit berühmt
wegen ihres dem Gotte Juppiter Ammon geweihten Tempels.
Das weite, füdnördlich sich ausdehnende Thal des unteren Nil Nilgebirge,
wird zu beiden Seiten begleitet von rauhen, steinigen, baumlosen
Gebirgsketten, w vom Libyschen, ö vom Arabischen Gebirge,
auf dessen anderer Seite sich die Arabische Wüste, gewissermaßen
als Fortsetzung der Libyschen (s. o.), bis zum Roten Meere er-
streckt. Beide Gebirgsketten sind niedrig, ihre mittlere Höhe beträgt
etwa 350 m.
Das ganze, große Land zwischen dem Atlantischen Ozean nndDer Sud»n.
dem oberen Nil, welches nördlich von dem Wüstenterritorium begrenzt
wird, führt den Namen Sudan; dies ist eben der Hauptsache nach
das oben erwähnte zentrale Plateau von Afrika. Die Gebirge des
w Sudan sind noch sehr wenig erforscht, scheinen aber mehr malerische,
abwechselnde Berggestalten darzubieten, als man sie sonst in diesem
Weltteile zu finden pflegt; der mittlere Sudan ist ein weites,
flaches Becken, dessen tiefste Partie, Bodele genannt, sogar fast unter
das Niveau des Meeres sinkt; der ö Sudan hat noch an vielen
Stellen einen ausgesprochenen Wüstencharakter. Flacher und ziemlich
fruchtbar ist dagegen der zwischen den beiden Quellflüssen des Nil
gelegene Landstrich, das Sennaar. ö hievon stoßen wir ausweinen
mächtigen, rings in sich abgeschlossenen und in steilen Terrassen 'gegen
das Meer und das angrenzende Tiefland sich absenkenden Gebirgs-
198 IV. Außereuropäische Erdteile.
knoten, das abessynische Hochgebirge. Die drei in jeder Be-
ziehnng sehr verschiedenen Staffeln dieses mächtigen Tafellandes be-
zeichnet die Landessprache als Kola, Woina und Dega; letztere
reicht bis zu einer Höhe von 4200 m. Trotz ihrer teilweise be-
deutenden Höhe entbehren die Berge von Abessynien (Habesch) des
ewigen Schnees und der Gletscher.
Äquatoriale Beides trifft man dagegen an bei dem Äquatorgebirge,
Gebirge, welches durch eine hohe, wennschon mehrfach unterbrochene Gebirgs-
kette (Woscho mindestens 5000 m) mit dem Hochlande von Habesch
in Verbindung steht. Man kennt von jenem hart am Äquator und
südlich von ihm gelegenen Massengebirge nur einzelne Gipfel näher,
aber diese sind von beträchtlicher Höhe: Kilimanjaro (Kiliman-
schg.ro) 5700 m, Kenia nur wenig niedriger. Beide Berge tragen,
trotzdem die Sonnenstrahlen fast immer senkrecht auf sie fallen, eine
niemals schmelzende Schnee- und Eisdecke; doch verläuft natürlich die
Schneegrenze (f. o. S. 16) in großer Entfernung vom Boden, näm-
lich in einer Höhe von '5000 m. Die beiden genannten Berge sind
erloschene Vulkane.
aspanische Ungefähr in gleicher geographischer Breite mit den abessynischen
Gebirge. Bergen zieht sich längs der Nordküste des Meerbusens von Guinea
das Konggebirge hin, das aber nur eine durchschnittliche Höhe von
etwa 1000 m zu erreichen scheint. Mit den westlich von ihm be-
findlichen stattlicheren Gipfeln der Sierra Leone (spanisch, soviel
wie Löwengebirge, angeblich wegen des Gebrülles der anbrandenden
Wogen diesen Namen führend), die bis zu 2000 m hoch werden,
steht das Kong in keinem Zusammenhange, ö vom Nigir - Flusse
gelangen wir zu dem altvulkanischen Kamerungebirge, dessen be-
deutendere Höhen (Kamerunpik über 4000 m) aus dem Grunde
einen besonders imposanten Eindruck hervorbringen, weil sie unmittel-
bar von der See aus emporsteigen.
afrUailische Derjenige Teil Afrikas, welcher südlich vom Äquator gelegen
Gebirge, ist, entbehrt im W der größeren Gebirge gänzlich, obwohl Höhenzuge
den ganzen O-Rand des Meerbusens von Guinea begleiten. Weite
Plateanx mit schmalen aber tiefen Flußthälern bilden die Regel.
Im 0 aber erweitert sich das Tafelland zu einem sehr massigen
Hochland, dessen stärkste Anschwellung die sogenannten Livingstone-
Berge darstellen (3000 m). n vom Wendekreise des Steinbockes
geht das Tafelland in eine ausgesprochene Steppenlandschaft über,
welche — obzwar nach dem (S. 15) über den Unterschied von Steppe
und Wüste Gesagten nicht mit Recht — als die Wüste Kalahari
bekannt ist. Ihren Flächeninhalt schätzt man auf 550000 qkm.
w von ihr breiten sich in ziemlich regelloser Anhäufung die NamaquH-
Berge aus, ö geht das Plateauland allmählich in jenes Rand-
gebirge über, welches das ganze Südafrikanische Dreieck um-
säumt. Gegen 0 fallen die Drachenberge steil gegen den Atlan-
Afrika; Hydrographische Verhältnisse. 199
tischen Ozean hin ab, gegen S teilt sich das Gebirge, indem die
beiden Ketten eine weite Hochfläche umschließen, die Karroo (Karruh).
Je nach der Jahreszeit ist diese selbst wieder von Hügelketten durch-
setzte, 80000 qkm umfassende Ebene eine dürre Steppe oder ein Gras-
meer mit üppiger Vegetation. Der höchste Berg Südafrikas ist der
Cathkin Peak (Pik), der mehr als 3000 m mißt; außerdem ist
noch zu beachten der durch seiue sonderbare Gestalt ausgezeichnete,
oben platt abgeschnittene und meist durch eine den Seeleuten wohl-
bekannte Wolkenfahne gezierte Tafelberg (nahe 1100 m) in un-
mittelbarer Nähe des Kaps, d. h. des Vorgebirges der guten
Hoffnung. Letzteres bildet den s-w Ausläufer des afrikanischen
Kontinentes, während wir den südlichsten bereits im Kap Agulhas
(s. S. 195) kennen gelernt haben.
§ Hydrographische Verhältnisse.
Afrikas N ist wasserarm, nicht blos da, wo die Wüste ihre Zuflüsse
Herrschaft geltend macht, sondern auch in seinen übrigen Bestandteilen.
Nur kleine Küstenflüsse, von denen der Schelif und die Medscherda
(im Altertum Bagradas) die bedeutendsten sind, rinnen vom Atlas
zum Mittelmeere herab, während die n von der Sahara in den Ozean
mündenden Wasserläufe ausnahmslos die uns schon bekannten Wadis
sind. Dagegen mündet im äußersten 0 ins mittelländische Meer
einer der merkwürdigsten und großartigsten Flüsse der Erde, der
Nil, welchen man als den Lebenbringer für Ägypten bezeichnen
darf. Etwas n vom 15 Gr. n Br., bei der Stadt Chartnm, ent-
steht der eigentliche Nil aus der Vereinigung zweier an sich schon
großer Flüße. Der blaue Nil (Bahr el Asrak) entströmt dem
hochgelegenen, landschaftlich schönen Tsana-See in Abessynien, der
wArm, der weiße Nil (Bahr el Abiad) besitzt einen viel längeren
Lauf, denn seine Quellen befinden sich in der Nähe des Äquators,
und es kann zur Zeit als sicher gelten, daß die nördlichsten unter den gleich
nachher zu besprechenden großen Seen Zentralafrikas mit dem weißen
Nil, der außerdem aus seinem Wege noch eine Menge von Zuflüssen
(Bahr el Arab, Sobat u. s. w.) aufnimmt, in Verbindung stehen.
In vielfach gewundenem Laufe durchströmt der vereinigte Nil das
in einiger Entfernung vom Flusse öde Land Nubien, nimmt rechts
den Atbara auf und erzwingt sich durch den Durchbruch bei Aßuan
(dem Syene der Griechen) den Eintritt in das eigentliche Ägypten,
das er im Sommer, wenn die große Regenzeit aus seinen Quell-
bezirken gewaltige Wassermassen ihm zusendet, in einen riesigen See
verwandelt. Dadurch wird das Land befruchtet; der zurückbleibende
Schlamm ist von Alters her als trefflicher Getreideboden bekannt,
und dem so eben geschilderten Naturereiguisse allein verdankt Ägypten,
daß es die älteste Menschenkultur hervorgebracht hat. Die Lauflänge
200 IV. Außereuropäische Erdteile.
des Nil beträgt 6000 km; nur von der Quelle des Missouri bis
zur Mündung des Mississippi in Nordamerika ist der Weg noch ein
weiterer. Gegen das Ende seines Laufes hin erweitert sich der Fluß
zu dem bekannten Nildelta (s. S. 13), von dessen zahllosen Armen
nur zwei mit Schiffen befahrbar sind. Diese Arme verbinden sich
mit dem Mittelländischen Meere in den Mündungen von Damiette
und von Rosette.
Die Schotts. Von den Flüssen der Wüste kann natürlich kaum die Rede
sein, obwohl-es sich ereignet, daß unmittelbar nach heftigen Gewittern
die Wadis von tosenden Giesbächen durchbraust werden. Erwähnung
aber verdienen die Schotts (Schott Melrir, Schott el Dus
u. s. w.), Reste eines Binnensees, der in geologischer Vorzeit südlich
vom Algerisch-Tunesischen Atlas die Tiefebene bedeckte, von dem aber
heute uur noch diese Salzsümpfe übrig sind. Der von französischer
Seite gehegte 'Plan, die Landenge zwischen den Schotts und dem
Mittelmeer zu durchstechen, um so das Wasser des letzteren in die
teilweise unter dem Meeresspiegel gelegene Senkung zu leiten, ist
gänzlich aufgegeben worden. So wenig Wasser die Schotts auch
enthalten, fo ist doch das sie umgebende Land durch Fruchtbarkeit
ausgezeichnet (Dattelland, arabisch öllsä-ul-äsedkriä).
afrUanttche ^er Westseite Afrikas begegnen wir, von Westen nach
Flüsse. Süden fortschreitend, erst nachdem die Wüstenzone durchwandert ist,
wieder bedeutenden Flüssen, nämlich dem Senegal und dem Gambia.
Auch fernst münden in den Busen von Guinea viele größere oder
kleinere Flüsse, weitaus der wichtigste unter ihnen aber ist der Nigir,
dessen gewaltiges Delta 50000 qkm einnimmt. Seine Quellen sind
vom Atlantischen Ozean nicht allzuweit entfernt, dann aber wendet
sich der Strom, dessen einzelne Teile im Ober- und Mittellaufe
verschiedene Namen (Dschüliba, Qnorra n. f. w.) führen, nord-
östlich ins Innere des Kontinentes, und erst da, wo er — bei der
berühmten Handelsstadt Timbnktn — den Rand der Sahara er-
reicht hat, biegt er scharf nach Osten und später nach Südosten um.
Von seinen Nebenflüssen ist anscheinend allein der Binüe, der von
Osten kommt, von größerem Belang. Östlich vom Delta des Nigir
finden wir dasjenige des Kamerunflusses, der, seinem Wasserreich-
tum nach zu schließen, eine größere Lauflänge haben muß, dessen
weitere Erforschung jedoch bisher auf Hindernisse aller Art gestoßen
ist. Etwas besser bekannt ist der Lauf des ziemlich nahe am
Äquator sich mit dem Busen von Guinea vereinigenden Ogowe.
Gewässer im Vom zentralen Sudan wissen wir bereits, daß er ein Tiefland
ÄitDan. dessen Gewässer nicht dem freien Meere, sondern dem großen
Tsade-See (besser wohl Tfade-Sumpf) zustreben. 28000 qkm
groß, nimmt dieser eine Anzahl von Zuflüssen auf, uuter welchen der
Schari der bedeutendste ist; entwässert wird der See durch den
Bahr el Gasa-l (arabisch, ^ Gazellenfluß), der aber, soweit unsere
Afrika; Hydrographische Verhältnisse. 201
heutige Kenntnis reicht, nach längerem, östlichem Laufe sich im
Wüstensande verliert.
Das äquatoriale östliche Zentralafrika kann als das Gebiet Seengebiet
der großen Seen bezeichnet werden. Etwas n vom Gleicher liegt
der Mwutan oder Albert Njansa, der zweifellos mit dem süd-
westlich von ihm gelegenen Muta Nsige zusammenhängt; vom
Gleicher selbst wird durchschnitten der gewaltige Ukerewe oder
Viktoria Njausa (wohl 80000 qkm groß), und ö von diesem
gewahren wir den Baringo-See. Südlicher und bedeutend tiefer
als jene eigentlichen Hochlandseen liegen der langgestreckte Tanganijka,
der gleichfalls sehr ausgedehnte Njaßa und der kleinere Bangweolo.
Auch noch weiter s hat man zahlreiche Seen aufgefunden; der süd-
lichste derselben ist der Ngami-See am Nordrande der Kalahari,
welch letztere allenthalben Ansammlungen von salzigem und brackigem
Wasser — die sogenannten Braak-Panns (Pann-Pfanne) der
holländischen Ansiedler — ausweist.
Die Anzahl der Flüsse, welche aus dem Hochlande s von^HM'se^
Abessynien sowie aus dem Seengebiete dem Indischen Meere zuströmen, Ozeanes.
ist keine geringe; doch kennt man von ihnen allen — Webbi,
Dschuba, Tana, Rovuma — den Oberlauf nur sehr unvollständig.
Der weitaus bedeutendste ist der aus dem Inneren des Kontinentes
stammende Sambesi, der weiter oben Liba genannt wird und kurz
vor seiner Mündung den wasserreichen Schire, den Abfluß des
Niaßa-Sees, in sich aufnimmt. Noch südlichere, namhafte Küsten-
flüffe des indischen Ozeanes sind der Sabi uud der Limpopo, vor
dessen Abfluß sich die kleine Delagoa-Bay ausdehnt.
Ganz unverhältnismäßig reicher bewässert ist jener Teil desKongobeckm.
südlichen Zentralafrika, welcher w vom Seengebiete liegt. Man
kann diesen Teil schlechtweg als das Kongobecken bezeichnen. Man
weiß seit kurzem, daß dieser mächtige Strom durch die Vereinigung
der beiden Quellflüsse Lualaba uud Luapula entsteht, daß aber
schon w vom Tanganijka diese Vereinigung sich vollzogen hat. Erst
n, dann w uud zuletzt entschieden s-w strömend, gewinnt der Kongo,
der abwechselnd Stromschnellen und Wasserfälle zu überwinden hat,
einmal auch — im Stanley-Pool (Stenlih - Puhl) — sich seen-
artig erweitert und zuletzt im tief eingeschnittenen Felsthale dahin-
strömt, die Vereinigung mit dem Atlantischen Meere. Der früher
für den Kongo nebenher gebrauchte Name Zaire wird jetzt selten
mehr gehört. Von den zur Rechten mündenden Nebenflüssen des
Kongo sind die wichtigsten der Arnwimi (Nepoko) uud, weiter d,
der Mobangi; letzterer heißt in der Nähe seines Ursprunges Uelle,
später Makna und besitzt selbst wieder einen bedeutenderen Zufluß im
Uerre. Die Verhältnisse auf der linken Seite des Hunptstromes
sind erst in allerjüngster Zeit geklärt worden. Es kann jetzt als -
202 IV. Außereuropäische Erdteile.
verbürgt gelten, daß der Kaßai, der bedeutendste Nebenfluß auf
dieser Seite, von 0 her durch den Lnlua und Sanknrru (auch
Sanknlln), von W her durch den Knango verstärkt wirb. Unsere
fStg. 19.
Figur 19 sucht ein Bild von der Hydrographie des Kongobeckens zu geben.
Südwest- s vom Kongo ergießen sich in den atlantischen Ozean zunächst
°^Flüfse.^der Kuanza, nachher der Kuuene und zuletzt der Garip 'oder
Oranje-River (Oranche-Riwer, Oranien-Fluß), dessen größter
Nebenfluß den Namen Vaalslnß führt. Die äußerste Spitze des
südafrikanischen Dreieckes entbehrt namhafter Flüsse gänzlich. Aus
der n von der Kalahari gelegenen Gegend ist dagegen noch zu ge-
denken des Kubango, den nian früher mit dem Sambesi (f. o.)
in Verbindung dachte, der aber, den Angaben neuerer Reisender zu-
folge, uuter dem Namen Tioge im Ngami-See sein Ende findet.
Ebenso ist der Ovämbo oder Knerrai kein Nebenfluß des Kunene
(f. o.); fondern erlischt im Sande der Steppe oder in einer'der oben
genannten Salzpfannen.
Schlutz» Nahezu sämtlichen afrikanischen Binnenflüssen, welche ihre
betrachtung. Vereinigung mit dem Meere erstreben, ist ein starkes, nicht selten durch
Katarakte (Stromschnellen) unterbrochenes Gefälle gemeinsam, wie es eben
der eigentümliche Terrassenban des Kontinents (s.S. 195) mit sich bringt.
Infolge dieses Umstandes wird die Schiffahrt und das Eindringen
ins Innere sehr erschwert. Bezeichnend für Afrika ist auch (s. S. 20)
Afrika; Hydrographische Verhältnisse. — Klima. 203
die durchgängige Niedrigkeit der Wasserscheiden und das
gegenseitige Eingreifen der Stromgebiete in einander, wie
denn z. B. die Ursprungsstellen für den Uölle (f. S. 202) und für den
Weißen Nil einander äußerst nahe liegen. Bei Regenzeit kommt es
wohl vor, daß die flachen Landrücken gänzlich überschwemmt werden,
so daß dann zwei verschiedene Flußsysteme vorübergehend in wirkliche
(nasse) Verbindung mit einander treten.
§ ^5. Das Alima.
Der weitaus größte Teil Afrikas ist zwischen den beiden Klima
Wendekreisen enthalten und besitzt demzufolge ein heißes, feuchtes der Tropen.
Klima, welches der Gesundheit des Europäers durchaus ungünstig
ist. Die Krankheiten der Tropenzone, vor allem die gefürchtete
Malaria (italienisch, Mala ä.ria — schlechte Luft), sind im
zentralen Afrika ganz besonders zu Hause, an der 0-Seite übrigens
noch mehr als an der 'VV-Seite. Abgesehen davou, daß die Atmosphäre
auch schon unter gewöhnlichen Umständen mit Wasserdampf schwer
beladen ist und so die für die Erhaltung der Gesundheit notwendige
Ausdünstung der menschlichen Haut erschwert, gibt es auch eigeut-
liehe Regenzeiten, während deren <s jeden Tag regnet. Der Regen
ist seltener ein milder Landregen, sondern meist umzieht sich immer
am Nachmittage der Himmel mit schweren Wolken, und es kommt
ein heftiges Gewitter mit furchtbaren Donnerschlägen zum Ausbruche,
ohne daß aber die Blitzgefahr irgend größer oder selbst nur so groß
wäre, als sie in der gemäßigten Zone ist. Viele Orte haben eine
doppelte, gleich stark ausgesprochene Regenzeit, wenn nämlich die
Sonne aus ihrem scheinbaren Laufe ungefähr zu Häupten des be-
treffenden Ortes steht; anderwärts ist nur die eine dieser beiden
Regenperioden eine entschiedene, die andere dagegen nur schwach an-
gedeutet, uud wieder in manchen Gegenden regnet es nur einmal im
Jahre regelmäßig ein paar Wochen hindurch.
Das Wüsteugebiet ist bekanntlich durch große Trockenheit aus- Klima von
gezeichnet; doch dringen die tropischen Regen nicht selten bis tief in Norvafrika.
die Sahara und die Nnbisch-Libysche Wüste hinein vor. n von der
Wüstenzone breitet sich das Mittelmeerbecken aus, für welches die
winterlichen Regen das Maßgebende sind. Einzelne Länder, wie
besonders Ägypten, müssen aber selbst in der kälteren Jahreszeit
lange der Befeuchtung von oben entraten. Jene kältere Jahreszeit
ist noch lange keine kalte, vielmehr sendet man neuerdings mit Vor-
liebe — wie einstens zur Römerzeit — Kranke nach Ägypten, denen
der europäische Winter zu rauh ist.
Trockenheit der Luft und ungleichförmige Verteilung des Regens Mma von
bilden auch die Besonderheiten des südafrikanischen Dreieckes. Zwar Südafrika,
sind die Niederschläge nicht so ausschließlich an den Winter gebunden,
wie in Nordafrika, aber jene ziemlich gleichmäßige Verteilung de?
204 IV. Außereuropäische Erdteile.
Regens durch alle Jahreszeiten, an welche man in Europa großen-
teils gewöhnt ist, findet sich in Südafrika nur in wenigen Bezirken.
Gleichwohl sagt das Klima dem Nordländer zu, wie dies durch das
Gedeihen der zahlreichen germanischen Einwanderung (s. u.) zur ge-
nüge bewiesen wird.
§ \6. pflanzen- und Tierwelt.
Tropische !• Die äquatoriale Zone des Erdteiles zeichnet sich durch die dem
Gewächse, fraglichen Gürtel eigentümliche üppige Pflanzenbedeckung aus; doch
besitzt der Westen den größeren Formenreichtum. Die Eigenart des
Landschaftsbildes bedingen besonders die Palmen, die nicht bloß
einzeln, sondern in ganzen Wäldchen auftreten. Wirtschaftlich die
bemerkenswerteste unter den Palmen ist die Ölpalme; mit den in
Europa zur .Seifenfabrikation verwendeten Palmenkernen wird
namentlich von den Hafenplätzen des Meerbusens von Guinea aus
ein gewinnbringender Handel getrieben. Während aber diese Palme
auch in anderen heißen ^ Ländern vorkommt, sind der ungeheure Di-
mensionen erreichende Affenbrotbaum (mit dem lateiuifch-botanifchen
Namen Musa ensete) und der Kaffeebaum die eigentlich afrika-
nischen Bäume. Wälder im europäischen Sinne sind in Afrika sel-
tener; meist begleiten dieselben nur die Thäler der Flüsse und besitzen
— bei großer Länge — eine geringe Breite, so daß dafür die Be-
Zeichnung Galleriewälder üblich geworden ist. Die mit den
Stengeln vom Boden abgerissenen Staudengewächse, vorab die be-
kannte Papyrusstaude, werden von den Flüssen mit fortgeführt
und an schmalen Stellen zu den gefürchteten Pflanzenbarren zu-
fammeugepreßt, welche selbst Dampfschiffe nicht immer zu durch-
schneiden imstande sind.
Nord- Die Wüste selbst ist zwar höchst pflanzenarm; dafür gedeiht
G^wöchfeCans ihren Oasen die Dattelpalme, der Gummibaum und der
durch die Berichte des alten Testamentes bekannte Mannastrauch.
Die Dattelpalme ist auch der wichtigste Baum im Mittelmeergebiete,
wo seine Früchte die Hauptnahrung der Bewohner bilden. Getreide
in unserem Sinne gedeiht wenig; doch Produziert Ägypten Mais und
in großer Menge die beliebte Negerhirse oder Durrah (in der
europäischen Handelswelt als Dari bekannt). Auch Baumwolle
wird in neuerer Zeit viel gebaut. Sonst verdienen als Vertreter
der nordafrikanischen Flora noch Erwähnung der Korkbaum, durch
dessen Entrindung man die in der Technik so vielfach verwendete
Korksubstanz gewinnt, und das die Bergabhänge dicht bedeckende
Halfa- oder Esparto-Gras (s. S. 138), aus welchem zierliche
Geflechte bereitet werden,
afrlf(mische Die Pflanzen des der südlichen gemäßigten Zone ungehörigen
Gnvttchsc" Teiles von Afrika sind von den europäischen wenig verschieden.
Pflanzen mit dicken, fleischigen Blättern herrschen vor.
Afrika; Pflanzen- und Tierwelt. 205
2. Hinsichtlich seiner Fauna zeigt Afrika ein merkwürdig gleich-Säugetiere,
mäßiges Gepräge. Weit verbreitet ist die afrikanische Abart des
Elefanten, die sich durch ihre Größe, schwarze Farbe und ge-
ringe Zähmbarkeit von der indischen unterscheidet, das Nashorn
oder Rhinozeros (mit einem Hörne und mit zwei Hörnern), das
Flußpferd oder Hippopotamus (auch Nilpferd genannt), sowie
der Löwe. Letzterer kommt allenthalben in Afrika vor, in der Nähe
des Mittelmeeres ebensowohl wie im Kaplande, während vielen An-
zeigen zusolge die Verbreitungsgrenze der drei anderen Tierarten
vor Zeiten eine weit nördlichere war, als sie es heute ist. Hyäne
und Schakal bevorzugen den Norden; Antilopen und Gazellen
gibt es überall; ebenso haben die Equideu oder gestreiften Pferde
— Zebra, Quagga — eine sehr weite Verbreitung. Als das
Paradies der Jäger gilt das südliche Afrika am Garip und Limpopo,
wo die Giraffe, das eine sonderbare Mischung von Rind, Pferd
und Antilope darstellende Gnu, der in gewaltigen Herden auftretende
Springbock und der seiner Wildheit halber gefürchtete afrikanische
Büffel zu häufe sind. Der Wüstenregion eigentümlich ist das dem
Einwohner als Last- und Reittier unentbehrliche — einhöckerige —
Kamel. Europäisches Rind- und Schafvieh einzuführen, ist nur im
südlichen Afrika mit wirklichem Erfolge gelungen, während zwischen
den Wendekreisen die giftige Tsetsefliege diesen Tieren allzu ge-
fährlich wird. An Affen fehlt es in Afrika nirgends, wie die-
selben denn auch von hier aus sogar nach Europa vorgedrungen sind
und den Felsen von Gibraltar (f. S. 140) besiedelt haben; Afrika ist auch
die Heimat der großen anthropoiden (wörtlich menschenähnlichen)
Affen, des Gorilla und Schimpanse, sowie des gefährlichen,
selbst vor dem Angriffe auf den Menschen nicht zurückscheuenden
Pavian oder Mandril.
Von den Vögeln heben wir hervor den Strauß und die Vögel,
stelzbeinigen Sumpfvögel, wie den Reiher, den Flamingo, den
bei den alten Ägyptern heilig gehaltenen Ibis. Der in Nordafrika
häufig vorkommende Aasgeier wird selbst in den Gassen der Städte
geduldet, weil er durch die Vertilgung tierischer Überreste für die
Reinlichkeit ersterer sorgt. Verhältnismäßig arm für einen tropischen
Erdteil ist Afrika an Papageien, welche nur innerhalb eines
schmalen Gürtels zu beiden Seiten des Äquators vorkommen.
Reptilien gibt es selbstverständlich in großer Menge; doch ist Anderweite
der Artenreichtum sowohl der Riesenschlangen wie der Gift- Tiere,
schlangen nicht so groß wie etwa in Indien oder Südamerika.
Nahezu überall wird das Krokodil angetroffen, welches übrigens
von den in Amerika lebenden Arten (Alligator, Kaiman), sowie
von der indischen Art (Gavial) sich ziemlich scharf unterscheidet.
Für das gefährlichste dieser Tiere gilt die kurze aber träge Puff-
otter in Südafrika. Von den Bewohnern der angrenzenden Meere
206 IV. Außereuropäische Erdteile.
seien der Haifisch und die — vielfach zu Schiuuckgegenständen ver-
arbeitete — Edelkoralle des Roten Meeres angeführt. Eine große
Landplage sind die Ameisen, insbesondere die weißen Termiten,
welche sich große, kegelförmige Bauten zu errichten pflegen.
§ \7. Ethnographisches.
vmmitcu Der Norden Afrikas wurde ursprünglich von Völkern bewohnt,
und Arabers je man ihrer vielen gemeinsamen Züge halber als Hamiten (Ham,
der jüngste Sohn Noahs), bezeichnet, und die nach der Meinung der
gewiegtesten Forscher — Lepsins begründet seine Ansicht aus dem
Gesichtspunkte der vergleichenden Sprachenkunde, Virchow aus
dem der Anthropologie oder Lehre voin Menschen — von den
Negern grundverschieden sind. Im 0 wohnten die Ägypter, im W
die Berbern; 'durch die Einwanderung der Araber oder Mauren,
welche den Semiten (von Sem) zuzurechnen sind, wurden die
Hamiten nicht bloß ausnahmslos zur muhammedauischeu Religion
(Islam) bekehrt, sondern es ging auch teilweise eine Völkermischung
vor sich. Der Fellah oder ägyptische Landmann trägt noch ganz
den Stempel des Hamiten, wenn er auch arabisch spricht; ein gleiches
gilt von den der christlichen Religion treu gebliebenen Ägyptern, den
Kopten. Die Berbern Algeriens werden auch Kabylen genannt;
die nomadischen und räuberischen Stämme der Wüste — Tuariks,
Tibbus — sind ebenfalls eigentlich Berbern, wennschon teilweise
mit großer Annäherung an das Negertum. Aber auch wirkliche
Araber (Beduinen) gibt es in der Wüste, und nicht minder haben
diese unternehmenden Wüstenabkömmlinge sich durch das ganze innere
Afrika hin verbreitet, die Eingeborenen zu Anhängern ihres Propheten
gemacht und den ganzen Handelsverkehr, bis gegen die Westküste hin, an
sich gerissen. Leider ist dieser Handel nicht aus wirklich gesetzliche Handels-
artikel — Elephantenzähne, Straußenfedern u. s. w. — beschränkt;
sondern weit wichtiger ist der verwerfliche Sklavenhandel, indem von
Afrikas Ostküste aus alle Länder, in denen Muselmänner wohnen,
mit den für unentbehrlich gehaltenen schwarzen Sklaven versorgt
werden. Das Loos derselben ist, wenn sie erst einmal an ihrem
Bestimmungsorte angekommen sind, keineswegs ein hartes; umso
unsittlicher sind dagegen die von den arabischen Händlern — der
bekannteste unter diesen ist zur Zeit der mächtige Häuptling Tippu
Tip — betriebenen Sklavenjagden. Die europäischen Staaten suchen
neuerdings die.sem Unwesen mit Waffengewalt zu steuern; doch ist
ein Erfolg so bald nicht zu erwarten. Im Osten (s. u.) haben
Araber geordnete Staatswesen gestiftet.
Bedscha- ®*ne ursprünglich semitische, aber mit Hamiten und Negern
Völker, stark durchsetzte Rasse scheinen die Bedschah-Völker zu sein, welche
die Länder am Blauen Nil bewohnen und sich bis zum Osthorn
'Afrika; Ethnographisches. 207
Afrikas ausdehnen. Großenteils sind die Bedscha Moslemin; doch
gibt es auch zahlreiche Juden, und die Abessynier huldigen sogar
dem Christentum, welches bei ihnen freilich so viele verschlechternde
Zusätze erhalten hat, daß es kaum mehr wieder zu erkennen ist.
Die s von den Abessyniern wohnenden Galla und Somali, kriege-
rische Völker, sind zwar ganz schwarz von Farbe, werden aber trotz-
dem mit Unrecht als Neger bezeichnet; denn ihre Gesichtsbildung ist
eine kaukasische, d. h. europäisch-semitische, und ihre Haare sind
nicht gekräuselt, wie bei deu wirklichen Negern.
Der Neger nun bildet den Grundstock der afrikanischen Be- Nigritier.
völkernng. Seine Haut enthält einen schwarzen Farbstoff, welcher
derjenigen des Hamiteu sehlt, mag letzterer durch den Sonnenbrand
seine ursprünglich hellere Färbung auch noch so sehr eingebüßt haben.
Die Neger müssen wieder in zwei Hauptabteilungen geschieden
werden: n von einer ungefähr durch die Mündung des Kamerun-
slusses (s. S. 201) ö gezogenen Linie. leben die Nigritier oder
SudZ-n-Neger, 3 davon die Bantu-Neger. Erstere sind fast
durchaus zum Islam übergegangen und haben es zu selbständigen
Staatenbildungen gebracht; nur an dem Busen von Guinea herrscht
noch in seiner schlimmsten Form der Fetisch dien st (Anbetung selbst-
gemachter Götzen). Die ö Stämme stehen auf tieferer Kulturstufe;
beidenNiam-Niam (N j am a nnn Fleisch) findet sich noch die Menschen-
sresserei. Gewöhnlich rechnet man auch die Nubier mit ein; doch
müssen diese als ein Volk betrachtet werden, welches den Hamiten
näher als den Negern selbst steht.
Die Bantu (soviel wie Menschen) sind noch fast durchweg Heiden; Bantu.
sie sprechen ungemein viele Sprachen, die jedoch nur als Abzweigungen
der nämlichen Ursprache anerkannt werden können. Die Intelligenz
des Negers wird nicht selten unterschätzt; ihm fehlt nur der Sinn
für höhere Dinge; allein die Befähigung für die Aufgaben des täg-
lichen Lebens wird schon durch die von ihm ausgedachte Trommel-
Telegraphie dargethan, deren man sich auf eine Entfernung von
mehreren Meilen zu bedienen weiß. Als Bantu haben auch die
Kaffern der 80-Küste (Ka.fir heißt bei den Arabern ein Un-
gläubiger), sowie die Betschuauen, Herero und Ovämbo im 8
zu gelten, während die an den Ufern des mittleren Kongo und des
Ogowe (S. 201) wohnenden Völkerschaften den Übergang zu den
Nigritiern vermitteln. Die ö vom Seengebiete nahe der Küste an-
gesiedelten Bantu-Stämme, Suaheli genannt, haben im Laufe der
Jahrhunderte sehr viel Semitisches in sich ausgeuommeu und sind jetzt
halbe Araber.
Die im südafrikanischen Dreiecke wohnenden Urbewohner zer- Hüö-
fallen in die Buschmänner oder Batna und in die Hottentotten, stamm?*
die — ebenso wie die ihnen nahe verwandten Namaquä. oder Nama —
208 IV. Außereuropäische Erdteile.
bis zu einem gewissen Grade sich zivilisieren ließen. Ihre Sprache ist
grundsätzlich verschieden von derjenigen der Bantn. Man hat ver-
mutet, die Buschmänner möchten desselben Stammes sein mit den
Akka, einem herumziehenden Jägervolke des obersten Nilgebietes.
Buschmänner sowohl wie Akka weichen nämlich durch ihren zwerghaft
kleinen Wuchs vou den übrigen Afrikanern erheblich ab; erwiesen
ist erwähnte Annahme jedoch noch keineswegs.
§ \8. politische Geographie von Afrika.
Wir umwandern zuerst den Kontinent, indem wir an der Nord-
Westseite beginnen und uns dann ostwärts wenden. Erst nachher
können die Staaten des Inneren an die Reihe kommen.
Marokko. 1) Das Kaisertum Marokko (arabisch Maghreb, der Westen
genannt, ohne die Oase Tuat über 800000 qkm, Bevölkerung an-
geblich über 6000000) ist ein despotisch regierter Staat, in welchem
die der mnhammedanischen Religion eigentümliche Schroffheit und In-
toleranz ans das äußerste ausgebildet erscheint. Trotzdem der Kaiser
seine Macht tyrannisch ausübt, reicht sie doch nur soweit, als er
sie dnrch sein Heer zu stützen imstande ist. Der ehedem berühmte
Gewerbsleiß — Saffianleder, nach der Stadt Saffi so benannt
— ist geschwunden, die großartigen Hochschulen arabischer Wissen-
schast aus dem 11.—14. Jahrhundert sind verfallen. Auch die einst
prachtvollen Hauptstädte Fez (über 100000 Eiuw.) und Marokko
(5000 Einw.) bergen mehr Ruinen als wirkliche Wohnhäuser in sich.
Bedeutendere Hafenstädte sind Tanger, Tetuan und Mogador;
doch ist der Handel durch verkehrte Einfuhrverbote gelähmt. Die
Oasen Tuat (s. o.) uud Tafilelt im Süden erkennen Marokkos
Oberherrschaft nur bedingt an.
Die An der Mittelmeerküste Marokkos besitzt Spanien seit dem
Prestdios. Mittelalter einige befestigte Hafenplätze, die Presidios, die aber
eigentlich nur als Verbannungsorte dienen. Am bedeutendsten ist
darunter noch Ceuta (Senta) mit 7000 Einw.
Algier. 2) a. Östlich grenzt an Marokko die französische Provinz Algier
(667 000 qkm, gegen 4000000 Einw.). Bis 1830 ein unter tür-
kischer Oberhoheit stehender Raub-(„Barbareskeu-) Staat, wurde die
Provinz von den Franzosen in langwierigen Kämpfen mit den Ka-
bylen erobert und mit Kolonisten (darunter viele Deutsche) besetzt.
Hauptorte sind Algier (Alschier) mit 75000 Eiuw., Oran im
Westen, Constantine im Osten, Tlemssen im Inneren. Die Re-
gierung hat den Ackerbau sehr gefördert und neuerdings auch Eisen-
bahnen angelegt, die bereits eine Länge von 2000 km erreichen.
Politische Geographie von Afrika.
209
b. Wir gelangen nun zu Tunesien, das seit 1881 franzö- Tunesien,
sischer Schutzstaat geworden und seiner früheren lockeren Beziehung
zur Türkei gänzlich verlustig gegangen ist (116000 qkm, 1500000
Einw.). Die Hauptstadt Tunis hat 145000 Einw., die nächst wich-
tigere Handelsstadt Kairowan bloß 15000 Einw.
3. Von den drei einstigen Barbareskenstaaten ist nur noch Tri- Trwoli-
politanien (etwa 1000000 qkm, 1 000000 Einw.), türkische Statt-
halterschaft (Paschalik). Der Hauptort Tripolis hat gegen 30000,
Benghasi 20000, Mnrsuk am Rande der Wüste 5000 Einw.
4. Das Land vom Nildelta bis zum Nildurchbruch bei Assuau
(s.S. 199) ist der türkische Vasallenstaat Ägypten, regiert von einem
nahezu unabhängigen Vizekönige (Khedive), der allerdings wieder
unter einer gewissen Oberaufsicht der europäischen Großmächte steht.
Der Staat enthält ungefähr 30000 qkm meist kulturfähiges Land
und 5500000 Einw. Hauptstadt ist Kairo, unweit des Randes
der Wüste und der großen Pyramiden am Nil gelegen (380000
Einw.); die große von Alexander dem Mazedonier gegründete
Hafenstadt Alexandria hat 230000 Einw. Neuerdings ist die am
Roteu Meree gelegene Stadt Suez (zusammen mit Jsmaila
15000 Einw.) rasch emporgekommen, während die aus dem grauen
Altertum bekannten ägyptischen Königsstädte Memphis und Theben
heute nur noch in stolzen Trümmern existieren. Dampfschiffe und
Eisenbahnen (über 1500 km) beleben den Verkehr innerhalb des
fruchtbaren Landes.
5. Seit 1830 begannen dieVizekönige, ihreHerrschaft nilanfwärts Än>wtische
mit den Waffen auszudehnen, und vor etwa zwölf Jahren waren »ändert
ganz Nnbien, Kordofan, Darfnr, das Zweistromland Sennaar
und das Gebiet des Weißen Nil bis zum Mwutau-See deu
erstereu uuterworfen. Chartnm (am Zusammenflusse des Weißeu
und Blauen Nil mit 40000 Einw.), Suakim, Obeid, Omdur-
man, Lado sind die Hauptorte des ungeheuren Gebiets, dessen süd-
lichster Teil ägyptische Äquatorialprovinz genannt wurde. Im
Jahre 1877 aber erhob sich, von einem mohammedanischen Propheten
oder Machdi geleitet, ein Aufstand gegen die Ägypter, der diese
nach und nach fast des ganzen Landes beraubte. Nur im nördlichsten
Nubieu und im äußersten Süden erwehren sich dieselben, teilweise
von den Engländern unterstützt, zur zeit noch der Rebellen.
6. Bis vor kurzem bildete das aus den Provinzen Tigre, Schoa Abessinien
und A m h a r a bestehende christliche Abessynienein Kaiserreich (330 000°*"* H^esch.
qkm, über 3000000 Eiuw.), dessen Herrscher sich Negns nannte.
Der letzte Negus hat 1889 sein Leben im Kampfe gegen die ein-
dringenden Mnhammedaner verloren, und so ist die Frage nach der
zukünftigen Gestaltung des Landes eine um so schwierigere, als auch
die Italiener, welche schon längere Zeit in der Hafenstadt Mas-
14
210
IV. Außereuropäische Erdteile.
sau ah festen Fuß gefaßt haben, Anspruch auf einen Küstendistrikt
erheben. Der Negns residierte in Debra Tabor; die alte Haupt-
stadt des Reiches aber ist Gondar (12 000 Einw.), der religiöse
Hauptort Axum.
Afrikas 7. An der ö von Habesch bis zum Kap Guardafui sich hin-
Ostküste, gehenden Danakilenküste, wie in dem südlich davon gelegenen
Somalilande fehlt es an geordneten Staaten; innere Kriege be-
unruhigen die Bewohner, und die Handelsstadt Harrar wurde un-
längst erst in einer solchen Fehde zerstört. An der Küste besitzt
Frankreich den Hafen Obok und die Tadschnrra-Bai, England
die Insel Muschal uud deu zu gewissen Zeiten des Jahres stark
besuchten Handelsplatz Berberah, Italien die Bai von Assab.
Weiter s ist das kleine Sultanat Witn (dabei die Insel Lamn),
welches seit einigen Jahren unter deutschem Protektorate steht.
Das Festland s von Witu zerfällt iu eine englische, deutsche und
portugiesische „Interessensphäre"^). Letztere beiden werden durch
die Rovuma (s. S. 201) getrennt, so daß Kap Delgado dem
Anteile Portugals zufällt. Landeinwärts sollen sich diese Besitzungen
bis znm Kilimandjaro und zu den großen Seen erstrecken; doch hat
namentlich Deutschland die mit dem Einflüsse der Ausländer uuzufriede-
neu Araber nur erst mit Mühe von der Küste zurückzudrängen vermocht.
Englischer Hauptort ist M o m b a s sa. Zum deutschen Küstenstriche gehören
Pangani, Saadani, Bagamoyo, Dar-es-Salaam. Die be-
deutendsten portugiesischen Küstenstädte sind Mocambique (s. S. 195),
Quilimaue und Sofala. Der Sultan von Sansibar ist dem
Namen nach noch der Oberherr des Küstenstreifes längs des deutschen
Schutzgebietes, seine wirkliche Herrschaft beschränkt sich jedoch gegen-
märtig allein auf die drei Küsteuinseln Mafia, Pemba und San-
sibar, auf welch letzterer auch die Hauptstadt gleichen Namens (etwa
80000 Einw.) gelegen ist.
Das süd- 8. Das gesamte Küstengebiet zwischen der Delagoa-Bay im Osten
**Dreieck^ und dem Einflüsse des Garip im Westen gehört zu Großbritannien.
Nachdem dasselbe den mächtigen Staat der Zulus unterjocht hat,
umfaßt Englisch-Südafrika 12000000 qkm mit mehr als 2 000000
Einw. Kaffraria, Bafuto-Land, West-Griqua-Land, Zulu-
Land, Transkei- (Transks-)Distrikte, Natal und Kapkolonie
sind die Namen der einzelnen Provinzen. Natal ist eine von einem
englischen Statthalter regierte Kolonie ohne Selbständigkeit; die Kap-
kolonie dagegen besitzt ein eigenes Parlament und steht nur noch in
*) Mit diesem Worte soll ein Gebiet bezeichnet werden, innerhalb dessen
ausschließlich der Einfluß der betreffenden europäischen Nation sich geltend zu
machen hätte. Im Bereiche der deutschen Interessensphäre haben demnach auch
nur Deutsche das Recht, Landerwerbungen zu machen, Verträge mit den ein-
geborenen Stammesfürsten zu schließen, Verkehrswege und befestigte Nieder-
lassungen anzulegen u. s. w.
Politische Geographie von Afrika.
211
geringer Abhängigkeit vom Mutterlande. Bemerkenswerte Städte
sind die Kapstadt mit 60000 und Durban (in Natal) mit 6000
Einw. Im Jahre 1886 waren bereits 3300 km Eisenbahnschienen
gelegt. — So gut wie völlig unabhängig sind die von eingewander-
ten holländischen Bauern oder Boers (Buhrs) gegründeten beiden
Freistaaten: die Oranje-Repnblik (107000 qkw, 140000 Einw.)
mit der Hauptstadt Bloemfontein (Blnrnfontain) und die Süd-
afrikanische oder Transvaal-Republik (308000 qkm, 380000
Einw.) mit der Hauptstadt Pretoria. Die Einwohnerzahl des erst-
genannten Boerenstaates ist in raschem Steigen begriffen, seit über-
aus reichhaltige Diamantbergwerke in seinen Grenzen erschlossen
worden sind.
9. Vom Oranje-Flnsse zieht sich bis zum 20. Breitengrade ein Das^Land
unter die Schutzherrschaft des Deutschen Reiches gestellterKüstenstrich Gariv- und
hin, der nur einmal durch die bei England verbliebene Walfisch- münmmg.
Bai unterbrochen wird. Darnarä,- und Namaqu^-Land sind eben-
falls dem Schutzgebiete einverleibt; doch ist das ganze Land nur von
geringem Werte. Den besten Hafenplatz gewährt die Bucht von
Angra Peqnena.
n grenzen die portugiesischen Besitzungen mit den Städten
Mofsamedes, Benguela undLoandaan. Vom Kongostaate (s.u.)
gehört nur ein ganz kleiner Bestandteil dem Küstengebiete an.
10. n vom Kongo begegnen wir zunächst noch einer portugiesischen ^ischen^
Ansiedelung (Kabiuda). Daranreiht sich die — landeinwärts vom Kongo- und
Kongo selbst begrenzte — französische Kolonie Gabun. Die geo- ^flnii""°
graphisch zu Gabun gehörige Corsico-Bai ist spanisches Besitztum.
Da endlich, wo die afrikanische Küste — in der Biafra-Bai —
eine rechtwinklige Umbiegnng erfährt, liegt Kamerun, von fämt-
lichen deutschen Erwerbungen in Afrika wohl die wertvollste.
Ein von Berlin gesandter Gouverneur (Guveruöhr) übt mit wenigen
deutschen Beamten die Oberhoheit über die hier wohnenden Dnalla-
Neger aus, welche im übrigen nach wie vor unter ihren eigenen
Dorshänptlingen oder „Königen" stehen.
11. Das Land zwischen Kunene und Kamernnslnß wird zusammen-
fassend Nieder-Guiuea genannt; am innersten Winkel der Biafra-
Bay stößt es an Ober-Gninea, welches sich in ostwestlicher Rich-
tnng bis zum Kap Palmas hin erstreckt. Die alte Einteilung der
Küste von Ober - Guinea entspricht den Haupthandelsartikeln des
Landes; man spricht von einer Sklaven-, Gold-, Zahnküste,
wozu noch weiter im W bie Psefferküste kommt. Früher gehörte ber
größte Teil ber Küste ben Hollänbern; gegenwärtig teilen sich in
dieselbe die Engländer (Lagos, ganze Goldküste), die Franzosen,
Portugiesen und Deutschen (Gebiet von Togo).
12. Von Kap Palmas an bespült das Meer auf eine größere Atlantische
Strecke das Gebiet der unabhängigen Negerrepublik Liberia Irüste^
14*
212 IV. Außereuropäische Erdteile.
(37000 qkm, vielleicht 1000000 Eiuw.) mit der Hauptstadt
Monrovia (3000 Einw.). Der wohlgemeinte Versuch, die schwarze
Rasse zur Begründung eines selbständigen, uach europäifch-ameri-
konischem Vorbilde eingerichteten Staates heranzuziehen, kann leider
kaum als ein gelungener angesehen werden. — An Liberia grenzt
nördlich (s.S. 198) die Sierra Leone-Küste, an welcher Frank-
reich, Portugal und England (Freeto Wn-Frihtann, Bathurst-
Bätherst) auteil haben, und abermals weiter nach N liegt das statt-
liche französische Gouvernement (Guwerueman) Senegambien,
dessen Hauptorte Goree (25000 Einw.) und Saint Louis
(Siw Lui, 15 000 Einw.) sind, und welches sich ties landeinwärts
erstreckt. Bei Segu haben die Franzosen bereits den oberen Niger
erreicht, und nunmehr schicken sie sich an, auch Timbuktu (s. S. 200)
in ihre Interessensphäre (s. o.) einzubeziehen. Frankreichs angeb-
liches Gebiet reicht bis zum Kap Blauco, und von hier an bis
zum Kap Bojador macht neuerdings Spanien Rechte auf die
unwirtliche Küste geltend, welcher nur der Rio d' Ouro (Rio Duro,
Goldfluß) einiges Leben verleiht. Das völlig wüste Gestade zwischen
Kap Bojador und der marokkanischen Grenze ist herrenlos.
Das Wüsten- Die Nordküste Afrikas steht mit den Sudan durch einige
ßcWet' regelmäßig begangene Karawanenstraßen in Verbindung. Von
diesen verdienen fünf besondere Erwähnung:
I. Von Tafilelt (im 8 von Marokko) durch die Oase Tuat
uach Timbuktu. Mau hat letztere Stadt, die bisher nur gauz wenige
Europäer betraten, die „Königin der Wüste" genannt; hier befindet
sich der große Stapelplatz für Salz, Gold, Elfenbein (Elefanten-
zähne), Gummi.
II. Von Ghadames oder Rhadames (südlich von denSchotts)
führt ein Weg einerseits nach Tuat und Timbuktu, andererseits nach
Agades (Oase Asben) uud von da s-ö nach Sokoto und Kano.
III. Von Tripolis gelangt man s in das noch die türkische
Oberherrschaft anerkennende Land Fessau mit Murfuk (s. S. 209)
und von hier aus in genau südlicher Richtuug, w der Landschaft
Tibesti, an den Tfade-See. Diese Verbindungsstraße nach dem
inneren Afrika ist die am häufigsten benützte.
IV. Von Benghasi (an der Großen Syrte) kaun man über
die Oasen Andschila (s. o. S. 197) und Kufra nach dem Lande
Wadai, ö vom Tfäde, kommen.
V. Von dem großen Nilknie s von Dongola führt ein Kara-
wanenpfad, die Bajnda-Steppe ö lassend, nach Fascher in
Darsur (s. S. 209).
Tie Neger- 13- Um den Tsäde-See herum liegen fünf große Negerreiche: im
stallten im 0 Wadai mit der Hauptstadt Abeschr, im N Kanem, im W
_uD.ut. (jgornu ^er Hcmptfiadt Kuka, im SW (am Binüe) Adamaua,
im 80 Baghirmi. Kuka ist ein äußerst lebhafter Handelsplatz und
Politische Geographie von Afrika. 213
verdankt seinen Wohlstand teils seiner günstigen Lage am Tsade,
teils auch dein Umstände, daß der Sultan von Bornn, von den
sonstigen Gepflogenheiten afrikanischer Herrscher vollkommen abweichend,
für sein Land die Handelsfreiheit*) verkündet hat. w von
Bornn, zwischen Nigir und Binüe, breitet sich das Haussar eich
aus, bewohnt von einem thatkräftigen Volke, dessen Angehörige auch
gerne in europäische Dienste treten. Die beiden dortigen Städte
Sokoto und Kano wurden schon genannt; letzteres fabriziert in
großen Mengen die durch ganz Afrika beliebten blauen Baum-
wollenzeuge. Die muhammedauifcheu Bewohner des mittleren
Nigir heißen Fellatan oder Fulbe; sie gliedern sich in verschiedene
kleinere Staatswesen.
14. Q von dem (s.o.) in europäischen Händen befindlichen Küsten-Die^Neger-
säume Guineas liegen die beiden Königreiche Aschanti (Hauptstadt Ober-
Kumassi) und Dahome (Hauptstadt Abome). In beiden herrscht 0U,nen§-
schrankenloser, grausamer Despotismus; der furchtbare Gebrauch,
Leichenbegängnisse durch Menschenopfer zu feiern, hat hier seine eigent-
liche Heimat. Doch macht sich in .allerueuester Zeit der englische
Einfluß fühlbar, der wohl eine Milderung der Sitten im Gefolge
haben wird.
15. Durch die von allenbei der wirtschaftlichen Erschließung Afrikas Der^Kongo^
beteiligten Staaten beschickte Kongokonferenz wurde vor wenigen
Jahren der Kongo staat mit 2740000 qkm Inhalt und — schätzungs-
weise — 20000000 Einw. begründet. Oberherr ist der König
der Belgier, Leopold II.; tatsächlich wird das Regiment aus-
geübt durch den Generalgonvernenr und eine geringe Zahl europäi-
scher Beamten. Der Staat, der nur 40 qkm Kusteuauteil hat (s.
S. 211), zersällt iu die vier Provinzen Nieder-Kongo, Living- .
stone-Fälle, Stanley-Pool und Ober-Kongo; Hauptplätze sind
Boma, Leopoldville (will), Vivi, Fallstation und im äußersten
Osten Njangwe, eine durch den Sklavenhandel blühend gewordene
Negerstadt, Hauptsitz der arabischen Händler. Im Ganzen beschränkt
sich die Macht der Regierung auf das Kongothal; an Orten, welche
für die Flußdampfer unerreichbar sind, ist der Kongostaat vorläufig
noch ebenso unzivilifiert, wie irgend ein anderer Teil Zentralasrikas.
Indessen hat man auch im Kassai-Gebiete jetzt Stationen zu be-
gründen begonnen, und das von Wißmann angelegte Luluaburq
ist in raschem Aufschwünge begriffen.
16. Die weite, wüste Landschaft Kaffa trennt Abessynien vom Das Sem-
Seengebiete. Zwischen Albert und Viktoria Njansa liegen die Neger- vottuWr
Beziehung.
*) Dies bedeutet, daß der Kaufmann mit seinen Waren ins ^aud
kommen und diese dort absetzen darf, ohne an der Grenze die üblichen — meist
hohen — Zölle entrichten zu müssen.
214 IV. Außereuropäische Erdteile.
reiche Unjoro und Uganda (Hauptstadt Rubaga); deu Ukerewe
begrenzt ö das Land Ururi, und zwischen diesem und dem aqua-
torialen Hochgebirge, das von den Ukambani- und Dschagga-
Negern bewohnt wird, breitet sich das schwer passierbare, von einem
streitbaren Volke bewohnte Massai-Gebiet aus. s vom Ukerewe
treffen wir auf die Usuknma und Unjamwesi, ö vom Tanganjika
auf die Uruudi, Udschidschi und Urori. Das Land Uregga
s-w vom Mntan - Nsige und das Land Lnnda am Bangweolo ge-
hören — wenigstens auf dem Papiere — bereits zum Kongostaate.
Wenig sicheres weiß man vom Mambunda - Reiche am oberen
Sambesi.
§ (9. Die afrikanischen Inseln.
Nachdem somit die Länder der Kontinentes durchmustert siud,
haben wir uns zu erinnern, daß es auch zahlreiche afrikanische
Inseln und Inselgruppen gibt. Wir folgen bei unserer Auf-
zähluug derselben einem entsprechenden Gange, wie wir ihn auf dem
Festlande eingehalten haben, und machen den Anfang im äußersten 0.
Sontra. 0 vom Kap Guardasui liegt im Indischen Ozean die kleine
Insel Sokotra (Hauptort Tamarida). Kürzlich nahmen die Briten
von ihr besitz; sie kann für den Seekrieg einige Bedeutung gewinnen,
weil sie die Einfahrt in den Golf von Aden beherrscht.
AdmirmUeII Etwa unter 5 Gr. s Br. begegnen wir der fruchtbaren Insel-
schellen, grnppe der Seyschellen (Sehschellen) und dem unbewohnten Archipel
der Admiranten. Beide Gruppen gehören England.
Maskarmen, Von den Seyschellen genau 3 fortschreitend, stoßen wir auf die
. Maskarenen. Rodrignez (Rodriges) und Mauritius oder Jsle
de France (Jhl de Franß) sind englisches. Bourbon (Burböu) oder
Rennion (Reüniön) ist französisches Besitztum. Auf allen diesen
Inseln wird Kaffee, Baumwolle, ganz besonders aber Zucker gebaut;
die in den Pflanzungen beschäftigten Arbeiter (Kulis) müssen aus
China oder Hinterindien zu schiffe hierher gebracht werden. Port
Louis auf Mauritius hat 65 000, Saint Denis (Deny auf Bourbon
hat 36000 Eiuw.
Komoren- Vor dem n Eingange der Mocambique-Straße (s. 0.) liegen
die Komoren, kleine Jnselchen mit friedlicher, islamitischer BeVölker-
nng unter einheimischen Sultanen. Die zu der Gruppe gehörige
Insel Mayotta wurde von Frankreich in Besitz genommen.
Die große Insel Madagascar (1600000 qkm, 3500000
Madagas- Einw.) gehört nach ihrem geologischen Bau wie auch nach der Be-
cor' fchaffenheit ihrer Pflanzen - und Tierwelt viel mehr zu Asien
(Sunda-Archipel), als zu dem ungleich näher gelegenen Afrika. Un-
geheure Wälder mit dem kostbarsten Nutzholze (Eben- uud Maha-
goui-Holz) bedecken die Gebirge; nur hier findet sich der als
Die afrikanischen Inseln. 215
Ranivala bezeichnete Baum, der in seinem Innern reines Trink-
Wasser birgt. Die großen Vierfüßler des Festlandes fehlen Madagas-
car; dafür aber sind ihm eigentümlich die Halbaffen oder Lemuren,
besonders das vom Volke abergläubisch verehrte Aye-Aye.
Die Bevölkerung besteht aus 3 unter sich grundverschiedenen
Stämmen: dieBetsimis^kara wohnen an derO-, dieSakalaven an der
W-Küste, während die besten Gegenden von dem herrschenden Volke,
den Hovas, mit Beschlag belegt sind. Letztere, die von Königen
— zur Zeit von einer Königin — beherrscht werden, sind den
Malayen Südasiens stamm- uud sprachverwandt und wahrscheinlich
vom fernen 0 her eingewandert. Während der letzten zehn Jahre
hat Frankreich, ohne eigentlichen Gruud, mehrere Feldzüge gegen die
Hovas unternommen und es so erreicht, daß die Insel das franzö-
fische Protektorat (Schutzherrschaft) auerkannte. Gleichwohl herrscht
französischer Einfluß nur einigermaßen in der Hauptstadt Autana-
narivo und in der Hafenstadt Tamatave (an der O-Küste); eigent-
liche Kolonien haben die Franzosen lediglich angelegt aus den beiden
Küsteninselchen Noßi Bs (n-w) und Sainte Marie (n-ö).
Im 3 Teile des Indischen Ozeanes liegen vereinzelt zahlreiche
Inseln, die man gewöhnlich Afrika zurechnet, als da sind: St. Paul,
Amsterdam,Kerguelenslaud,Crozet-Archipel. Unbewohnt, wie
sie sind, werden diese Inseln nur vorübergehend von Walfisch-
fängern und Robbenschlägern aufgesucht; vor allem liefern die
Crozet-Jnseln reiche Ausbeute an Pelztieren.
Die beiden hier in frage kommenden Inseln sind das neuer-
diugs von seinen Bewohnern fast gänzlich verlassene Aseension und Atlantischen
das historisch — als Verbannungsort Napoleons I. — bekannte Dsean*
Felseneiland St. Helena (120 qkm) mit der Hauptstadt James-
town (Tschähmstauu). Tausende von Schiffen legen hier an, um
sich mit Wasser, Kohlen, Fleisch, Gartengewächsen zu versorgen. Auf
Aseension wird die Jagd nach Seevögeln, Schildkröten und deren
Eiern mit Gewinn betrieben.
Zieht mau vom Kamerunberge (s. S. 198) eine Linie s-w, so ^usen'"
liegen auf dieser die vier kleinen vulkanischen Inseln Fernando Po, von Guinea.
Principe, San Thome und Annobon, alle durch die Ungunst
ihres Tropenklimas in wenig vorteilhafter Weise ausgezeichnet. Auf
der spanischen Insel Fernando Po haust ein eigentümliches Neger-
Volk, die Bube; die drei anderen Inseln unterstehen der Krone
Portugal.
w vom äußersten Westvorspruuge des Festlandes erblicken wir
auf der Karte zunächst die portugiesischen Kapverden oder vorder
Inseln des Grünen Vorgebirges (3800 qkm mit ungefähr ^üste^
100000 Einw., Hauptinsel Santiago). Die vulkanischen, nur in Afrikas,
regenreichen Jahren fruchtbaren Inseln bringen gutes Quellsalz in
reicher Menge hervor. — Weiter n liegt die Gruppe der spanischen
216 IV. Außereuropäische Erdteile.
Canarien (7300 qkm mit 300000 Einw.); die wichtigsten Inseln
sind Gran Canaria, Lanzarote, Ferro (f. S. 10) und Tene-
rife (nicht Teneriffa) mit der Residenz des Statthalters, Santa
Cruz (10000 Einw.). Tabak und Wein (Canariensekt) sind die
Hauptprodukte der Gruppe. Der Pik von Tenerife hebt sein
schneebedecktes Haupt 3700 m hoch empor und bildet weithin eine
Landmarke für die Seefahrer. Von der durch die Spanier be-
siegten Urbevölkerung der Jusel, den blondhaarigen Guanchen oder
Manschen, find immer noch Spuren bemerkbar. — n von den
Canarien ist die Madeira-Gruppe gelegen, aus welcher neben der
Hauptinsel nur noch Portosanto erwähnt zu werden verdient;
Hauptort ist Fnnchal auf Madeira (Madshra). Der Reichtum
dieser Eilande besteht in ihren trefflichen Reben; zwar hatte die
Traubenkrankheit den Wohlstand der Bewohner schwer geschädigt,
doch erreicht fetzt der Weinbau allgemach wieder seine frühere Blüte.
— Der nördlichste der vier Archipele endlich ist derjenige der Azoren,
welcher allerdings von den Portugiesen administrativ zu
Europa, geographisch aber besser zu Afrika gerechnet wird (2400 qkm,
gegen 300000 Einw.). Die Hauptstadt der viel Wein und Süd-
früchte ausführenden Inseln ist Angra — im portugiesischen gleich-
bedeutend mit Hafen — auf Tereeira (Tersehra); San Miguel,
Fayal, Flores sind die drei größten unter den zahlreichen Jnfelchen.
Entdeckungsgeschichke.
Ägypten ist, wie jedermann weiß, der Schauplatz der ältesten
Kultur gewesen, und so bestand denn über die geographischen Ver-
Hältnisse des u-ö Afrika fchou in früher Zeit genügende Klarheit.
Der Grieche Herodot (um 450 v. Chr.) beschreibt Ägypten, Äthi-
opien (Nubieu), die Oasen Siwah und Audschila (s. S. 197) völlig
zutreffend. Allein an der Wüste endeten die geographischen Kennt-
nisfe des Altertums, wie auch die Römerherrschaft uur wenig über
deren Saum hinaus vordrang, und die „Glücklichen Inseln" im
fernen Westen (Azoren oder Canarien) bildeten überhaupt den Mark-
stein erdkundlichen Wissens (s. S. 11). Zwar soll König Necho
schon um 600 v. Chr. den ganzen Erdteil haben umschiffen lassen,
und hundert Jahre später gelangte eine karthagische Entdeckungsfahrt
unter Hanno bis zu einem als „Götterwagen" bezeichneten Gebirge
an der Westküste, worunter die neueren Ausleger meist die Sierra
Leone (f. S. 198) verstehen. Nachhaltige Folgen aber hatten diese
Reisen leider nicht. Sowohl von den Ptolemäern, die nach
Alexander über Ägypten herrschten, als anch von den Römischen
Kaisern wurden Expeditionen zur Aufsuchung der Nilquelleu
unternommen, und man wußte bereits, daß der Hauptquellfluß des
Nils einem Systeme von Seen nahe dem Äquator und nahe einer
Afrika; Entdeckungsgeschichte. 217
als Mondgebirge bezeichneten Bergkette entstamme — was alles
mit der Wahrheit übereinstimmt.
Während des Mittelalters gingen diese Kenntnisse großenteils Mittelalter,
wieder verloren. Die Araber durchzogen zwar das n und ö Afrika
nach allen Seiten (s.S. 193); allein ihre Karten, ans denen z. B. Nil und
Nigir aus ein und demselben Quellsee nach N und W abfließen,
dienten mehr zur Verbreitung unrichtiger als richtiger Vorstellungen.
Schon früh im 15. Jahrhundert begann der portugiesische .Zeit der
Prinz Heinrich, mit dem Beinamen „der Seefahrer", die Erforsch- ccatet"
ung der afrikanischen Küste ernsthafter zu betreiben. Doch dauerte es
lange, bis mau nur über das Kap Bojador hinauskam. Erst 1480
entdeckten Diego Ecu> ((£ön) und der ihn begleitende Nürnberger
Patrizier Martin Behaim die Kongomündung; 1486 erreichte
Bartholomäus Diaz (Dias) die Südspitze des Kontinentes; 1498
gelangte Vafco da Gama nach Melinde an der Ostküste und von da
hinüber nach Indien. Bon da an entstanden mehr und mehr kleine
Absiedlungen aller das Meer befahreudeu Völker an den afrikanischen
Küsten; am entschiedensten kolonisierten die Niederländer im süd-
afrikanischen Dreieck, welches ihnen freilich später durch die Eng-
länder zum großen Teile wieder entrissen wurde. Schon unter
Ludwig XIV. bemühten sich die Franzosen, auf Madagascar sich
festzusetzen (f. S. 215).
Stets aber handelte es sich bei allen diesen Reisen und Er- Ältere
Werbungen in erster Linie um Handelsvorteile; für wissenschaftlich-
geographische Zwecke begann sich die Teilnahme gerade vor hundert
Jahren neu zu beleben. Im Jahre 1788 bildete sich die Englisch-
Afrikanische Gesellschaft, in deren Auftrage Mungo Park den
Senegal und Nigir bereiste, um freilich 1806 an letzterem Flusse
durch Mörderhand zu fallen — das erste edle Opfer der Afrika-
forfchuug, welchem noch unzählige anders folgen sollten. Schon sein
nächster Nachfolger Hornemauu gehörte zu diefeu; derselbe gedachte
durch Audfchila in das Innere der Wüstenregion einzudringen. Mit
Erfolg studierten um dieselbe Zeit französische Gelehrte, an ihrer
Spitze Jomard (Schohmar), unter dem Schutze des von Napoleon
befehligten Heeres Ägypten und Nubieu, und gleichfalls mit Erfolg
bereiste Lichteusteiu das Land der Kaffern nnd der Buschmänner.
Dann tritt wieder eine Pause eiu; aber von 1820 an mehren sich
die Entdeckungen. Cailliö (Caijeh) erreichte als der erste das als
halb märchenhaft angesehene Timbuktu, Clapperton (Cläpperten)
schlug sich von Mursuk aus bis zum Tsä,de-See durch, Ehreuberg
nnd Rnssegger verbreiteten Klarheit über die Geographie von Kordo-
fan, Abesfynien und den oberen Nilländern, indem sie zumal zahl-
reiche Bestimmungen der Länge und Breite vornahmen, und der
Franzose D'Abbadie folgte ihnen hierin nach. Seit 1850 begann
Heinrich Barth mit Mut und Glück den zentralen Sudan anfzu-
218 IV. Außereuropäische Erdteile.
schließen; seine Nachfolger hierin waren Eduard Vogel, der 1856
von dem christenfeindlichen Herrscher Wadais (f. o.) getötet wurde,
Gerhard Rohlfs und Nachtigal, die beide durch den Sudan bis
zum Golfe von Guinea vordrangen. Die Libysche Wüste war das
besondere Gebiet des noch lebenden Schweinfurth, der 1874 eiue
deutsche Forschungsexpedition dorthin führte. Die erste Durchkreuzung
Afrikas seiner ganzen Breite nach gelang den Italienern Massari
und Mattencci (Matttzntfchi), und zwar iu o-w Richtung. Um
1850 entdeckten die Missionäre Rebmann nndKrapf, welch letzte-
rer sich auch unvergängliche Verdienste um die Kunde der ostasrika-
nischen Sprachen erwarb, das Äquatorialgebirge (f. S. 198); vou
der Decken suchte den Kilimandjaro zu besteigen, was aber erst
1888 Hans Meyer wirklich gelang; Speke (Spihk), Burtou
(Börten) und Graut brachten die ersten genaueren Nachrichten von
den großen Äee'n nach Europa. Von 1840—73 bereiste Living-
stone (Llvingsten) unermüdlich das südliche Zentralafrika, wo er
namentlich deu Bangweolo auffand. Für die Erkundung der w
Sahara hat Duveyrier (Düwehrieh), für die des Binüe-Flusses
Flegel großes geleistet.
Neueste Eiue neue Epoche beginnt mit dem Jahre 1877. Der kühne
Zeit- Amerikaner Stanley (Stänlih) ermöglichte es, zuerst den Ukerewe
rings zu umsegelu und sodann mit einer kleinen Flotte den ganzen
Kongo bis zur Mündnng hinabzufahren; an diese kühne That knüpft
sich die Gründung des Kongostaates (f. S. 213). An die Seite ist
der Leistung Stanleys diejenige Wißmanns zu stellen, der schon
zweimal den dunklen Erdteil von der Küste Niederguineas aus in
w-ö Richtung durchkreuzte. Die deutsche Afrikanische Gefellschaft
bildete den Zentralpunkt, von dem aus die in früherer Zeit ohne
Übereinstimmung unternommenen Vorstöße ins Innere einheitlich und
zielbewußt organisiert und die Reisen nach bestimmten Zielen hin
geleitet wurden. Unter den Afrikareisenden deutscher Abkunft steht
am höchsten Junker (aus St. Petersburg), dem wir so ziemlich alles
verdanken, was wir vom Uelle und Nepoko wissen, von welch letz-
terem eben auch Junker die Übereinstimmung mit dem Arnwimi
Stanleys nachwies. Vielfache Unterstützung fand Junker bei dem
trefflichen Naturforscher Schnitzer, der unter dem Namen Emin
Pascha noch heute den südlichsten Teil der ehemaligen ägyptischen
Äquatorialprovinz gegen die Scharen des Machdi behauptet. Vou
verschiedenen Seiten her hat man Emin Hilfe zu bringen gesucht —
mit welchem Erfolge, das läßt sich im Augenblicke noch nicht über-
sehen. Für die Erforschung der westlichen Bantu-Länder waren
Schütt, Pogge, Pechnel-Lösche, Zöller, Max Buchner, sind
noch Wolf, Kund, Zintgraff n. a. thätig; uuter den Erforschern
des Tauganjika-Sees steht Eameron in erster Linie; die Reise Wiß-
manns wurde weiter uördlich von Lenz wiederholt. Noch südlicher
Afrika; Entdeckungsgeschichte. — Australien. 219
dagegen gewann 1878 Serpa Pinto von Benguela aus das Ufer
des Indischen Ozeanes. Unter denjenigen endlich, welche am meisten
znr Erschließung der Kalahari und der Läuder am Garip, Limpopo
und Sambesi beitrugen, sind außer zahlreichen Missionären aller
christlichen Bekenntnisse hauptsächlich die Deutscheu Mauch und
Mohr, sowie der Böhme Holnb zu nennen^ Mullens und
Grandidier ^Grändidieh) haben viel für die bessere Kenntnis
Madagaskars getban. Endlich ist hervorzuheben, daß das früher so
höchst unvollständige geologische Bild Afrikas durch die Arbeiten von
Zittel, Schenk, Gürich, Blankenhorn u. a. eine sehr wesent-
liche Vervollkommnung erfahren hat.
III. Australien und Ozeanien.
§ 20. Geographische Lage und Größenverhältnisse.
Als fünften Erdteil stellt man gewöhnlich neben Europa, Lage,
Asien, Afrika, Amerika noch Australien, den in früherer
Zeit Neuholland genannten Kontinent in Verbindung mit der
weiten Inselwelt, welche der Große Ozean umschließt und welche
man für sich Wohl auch als Ozeanien oder Polynesien (polys =
viel, Nesos = Insel) bezeichnet. Wir werden zunächst das australische
Festland gesondert abhandeln und uns dann erst den Inseln im ein-
zelnen zuwenden.
Australiens Nordseite wird bespült von dem als Alsuren- Küsten-
See bekannten östlichen Ausläufer des Hinterindischen Archipelagus, aUederunn.
von dem aus der Golf vou Carpeutaria tief in den Kontinent
einschneidet. Das O-User dieses Busens läuft im Kap Jork in ein
steil nach N gerichtetes Horn aus, vor dem sich die Torres^
Straße hinzieht, ö grenzt der Erdteil an den Stillen Ozean, der
an dieser Stelle, n des Wendekreises des Steinbockes, Korallen-
See heißt; s bildet die Meeresgrenze zunächst die Baß-Straße
und nächstdem der Große Australische Golf. Letzterer ist ein
Randmeer (s. o. S. 17) des Indischen Ozeans, welcher auch die
W-Grenje Australiens bildet. Im ganzen ist dieser Erdteil eben-
sowenig oder sogar noch weniger gegliedert als das ihm in vielen
Beziehungen ähnliche Afrika, und ebendarum hat es auch bei ihm
lange gedauert, bis tieferes Eindringen in das Innere möglich
wurde. Selbst die Zugänglichkeit zur Küste ist oft erschwert, so be-
sonders durch das große Barriere-Riff, welches den Nordosten
Australiens in einer Ausdehnung von 15 Breitengraden umsäumt.
Der Kontinent hat einen Flächeninhalt von etwas über Größe.
7 600 000 qkm. Genaue Angaben über die Gesamtbevölkerung
220 IV. Außereuropäische Erdteile.
lassen sich schwer machen, da eben das Jnnenland noch gar zu wenig
bekannt ist. Da aber die aus Engländern und anderen Europäern
bestehende Bevölkerung des Küstengebietes die spärlichen Reste der
autochthonen Bevölkerung (autos ^ selbst, chthou — Erde, also ur-
einheimisch) zweifellos ungeheuer übertrifft, so mag mit sehr großer
Annäherung an die Wahrheit die Zahl der Bewohner des Australischen
Festlandes auf 2 800 000 angesetzt werden.
§ 2\. Oberflächenbeschaffenheit und Gebirge.
Südöstliche Das Innere Australiens kst ein Tafelland von Verhältnis-
Gebirge mäßig geringer Höhe. Nur der Südosten enthält eigentliche Ge-
birge; eine mehrfach geteilte Kette zieht der Baß-Straße und so-
dann der Ostküste, entlang; doch bleibt meist noch ein ziemlich breiter
Küstenstrich übrig. Die höchste Erhebnng im äußersten s-ö Winkel
nennt man Australische Alpen mit dem — nach dem polnischen
Freiheitshelden vou 1792 — so benannten Monnt Kosciusko
(Mauut Koßiusko), der 2200 m Höhe hat. n schließen sich die
Blauen Berge und an diese wiederum im N die Neueugläu-
discheu Berge au. Später löst sich das Gebirge in unregelmäßige
Hügelketten ans.
Westliche Ein ausgedehntes Tiefland scheidet das Alpengebiet von einem
Gebirge, slachgewellten Hochland, das sich nicht einmal bis zu 1000 m Höhe
erhebt. Die Hochfläche selbst ist steppen- und wüstenartig (Vik-
toria-Wüste). Gegen W zu steigt die Hochfläche an und senkt
sich in den Darling-Ketten rasch gegen den Indischen Ozean.
Inneres. Soweit man das Binnengebiet Australiens kennt, ist ihm der
Wüstencharakter deutlich aufgeprägt. Doch gibt es auch hier einzelne
Gebirge (Mac Donnell-Berge). Der Golf von Carpentaria
ist v? und ö von Plateaux umrahmt, während s eine ausgedehnte
Sumpfniederung seine Begrenzung bildet.
Geologisches. Die australischen Erhebungen bestehen dem Anscheine nach
überwiegend aus sehr alten Gesteinen; Granit, Gneis, ältere
vulkanische Felsarten finden sich überall. Wie überhaupt das Ur-
gebirge allenthalben auf der Erde Adern von Edelmetallen zu führen
pflegt, so auch hier: Australien zählt zu den wichtigsten Gold-
ländern der Erde.
§ 22. Hydrographische Verhältnisse.
Flüsse. Die Flnßentwicklnng Australiens ist eine höchst geringfügige.
Streng genommen kann man sogar nur vou einem einzigen Flusse
sprechen, welcher zu allen Zeiten des Jahres sein Wasser beibehält.
Es ist dies der Murray (Mörräh), der unweit des Koßiusko-
Berges entspringt und s von der Stadt Adelaide mündet. Der an
Australien und Ozeanien; Hydrographische Verhältnisse. — Klima. 221
sich bedeutende, ihm tributäre Darling, dessen Stromgebiet dem
unserer Elbe an Größe gleichkommt, versiegt im Sommer großenteils.
Zu anderen Jahreszeiten können ihn die aus dem Murray regel-
mäßig verkehrenden Dampfschiffe eine größere Strecke hinauffahren.
Zeitweise schiffbar ist auch der bei Perth (Pers) in den Indischen Ozean
sich ergießende Schwanen flu ß.
An der Grenze des südaustralischen Ties- und Hochlandes Seen,
finden sich einige stehende Gewässer: der Torrens- und derEyre-
(Ähr-)See. Nicht minder besitzt der W zahlreiche Seen, z. B. den
Au st in-(Ostin-) See. Das Wasser aller dieser Seen schmeckt salzig,
und Salz bedeckt in weißen „Blüten" weitum die Gegend; auch
fehlen eigentliche Salzsümpfe nicht (Amadeus-Sumpf s von den
Mae Donnell-Bergen). Manche zentralaustralische Wasserläufe finden
in solchen Morästen ihr vorzeitiges Ende.
§ 2Z. Das Alima.
Nordaustralien, welches ja noch der heißen Zone angehört, Wärme,
hat demgemäß sehr heiße Sommer, so daß das Thermometer nicht
selten auf 50° (und mehr) der hundertteiligen Skale an-
steigt. Auch im 8 des Festlandes ist es noch sehr warm, Schnee-
satt und Eisbildung sind eine große Seltenheit; selbst im Juli, dev
auf der 8-Halbkugel der Erde selbstverständlich der kälteste Monat
ist, werden Mitteltemperaturen von 10° bis 12° beobachtet.
Australien steht, zumal in seinem n Teile und im Inneren, Winde,
unter der Herrschast ähnlicher regelmäßiger Halbjahrs- oder Monsun-
Winde, wie wir dies von Indien kennen gelernt haben. Merkwürdig
sind die an den Küsten, vorab im 80, nicht eben seltenen heißen
Winde, die aus N von den Bergen herabwehen. Am 22. Januar
1860 waren bei einem solchen Sturme, wie der Bericht des berühm-
ten Nautikers Neumayer, eines Augenzeugen, bekundet, „die Äpfel
auf den Bäumen buchstäblich gebraten." Im Gegensatz hiezn bringen
die 8 von der Polarzone her wehenden Luftströmungen bedeutende
Kühle mit sich.
Im N herrscht vom Oktober bis April die Regenzeit, Nieder-
während der übrigen Hälfte des Jahres eine trockene Zeit. Im ichläge,
übrigen Australien sind die Niederschläge an den Winter geknüpft;
es fällt zwar auch im Frühling und Herbst etwas Regen, aber die
Regenmengen sind stets sehr geringe. So wird denn der Erdteil
nur allzuhäufig von schlimmen Dürreperioden heimgesucht; die
ohnehin spärlich vorhandenen Gewässer trocknen dann gänzlich aus,
und 1868 soll bei einer solchen Dürre eine Million Haustiere zu-
gründe gegangen sein. Bei alledem befindet sich der Europäer in
dem s vom Wendekreise gelegenen Teile des Kontinentes wohl; die
Sterblichkeit weist sehr niedrige Ziffern auf.
222 IV. Außereuropäische Erdteile.
§ 2<\. pflanzen und Tierwelt.
Der Busch. Das landschaftliche Bild Australiens ist ein unerfreuliches;
dem dürren Boden entsprießen auf weiten Mänmen bloß die gleich-
falls dürren Salzpflanzen, welche, untermischt mit sauren Gräsern,
den berüchtigten australischen Busch (englisch Strub) bilden.
Nutzpflanzen in unserem Sinne besitzt der Erdteil erst seit etwa
hundert Jahren; denn Getreide, Wein, Obst und Südfrüchte, Zucker-
rohr, Tabak- und Farbkräuter sind von den Ansiedlern mit großem
Erfolge angebaut worden; Weizen hat man sogar neuerdings anszu-
führen und auf den englischen Markt zu bringen vermocht.
Austr. Der tropische N enthält begreiflicherweise auch Palmen u. dgl.,
Bäume, ohne daß der Wald jedoch die sonst den heißen Ländern eigentümliche
Vegetation aufwiese. Als acht australisch müssen einige Baumarten be-
trachtet werden:' die Kasuarinen (den ausgestorbenen Schachtel-
Halmen ähnlich), die nngefiederten Akazien und die Gummibäume
oder Eukalypten, welche, da man ihnen die Kraft zuschreibt, ver-
bessernd auf das Klima zu wirken, neuerdings sehr vielfach auch in
anderen Ländern angepflanzt worden sind. Solche Eukalyptus-
Bäume erreichen nicht allzu selten eine Höhe von weit mehr
denn 100 m.
Säugetiere. Raubtiere kennt Australien ebensowenig wie Dickhäuter; die
größten Säugetiere sind die zahlreich vorkommenden Benteltiere
(Riesenkänguruh). Demnächst verdienen Erwähnung der wilde
Hund (Dingo) und das überaus merkwürdige Schnabeltier,
welches an der Grenze der Säugetiere und Amphibien steht, wahr-
scheinlich sogar den eierlegenden Tieren zugerechnet werden muß. An
den Küsten gibt es Robben und Meersäugetiere in Menge.
Australien ist das gelobte Land der Viehzucht; die großen australischen
Hafenstädte sind zugleich die ersten Wollmärkte der Erde, und es
soll Squatter (Großgrundbesitzer) geben, welche Schafherden bis zu
einer halben Million Stück ihr eigen nennen.
Vögel. Charakteristische Vögel sind der Australische Kasuar (eine
Art kleiner Strauße) oder Emu und der prächtige Leierschwanz.
Der anderwärts durchgängig weiße Schwau kommt hier nur in
seiner schwarzen Spielart vor. Singvögel sind erst mit den
Europäern eingewandert.
Andere Reptilien sind häufig; das Verhältnis der giftigen zu den
Tiere'' nicht-giftigen Schlangen ist sogar der Artenzahl nach das UN-
günstigste auf der ganzen Erde. Die Eidechsen gehören fast aus-
schließlich zu deu sogenannten Geckos. An Fischen besitzt Australien
so gut wie gar uichts ihm eigentümliches. Die Heuschrecken sind
eine gefürchtete Plage.
Schluß- Sowohl die Flora wie die Fauna Australiens gewähren uns
betrachtung. ein Bild, wie dasselbe von anderen Erdteilen in der geologischen
Australien und Ozeanien; Ethnographisches. 223
Vorzeit dargeboten worden sein mag. Man darf behaupten, daß
Australien der von der Entwicklung aller irdischen Geschöpfe am
wenigsten berührte Erdteil ist oder doch vor einem Jahrhundert
noch war; doch heutzutage unterscheidet sich hierin ein großer Teil des
Festlandes nur noch wenig von Europa. Sehr bemerkenswert ist der
Umstand, daß die Asiatische Tierwelt von der Australiens durch
eine ganz scharf gezogene Linie getrennt wird, welche zwischen den
Inseln Bali und Lombok (Kl. Sundainseln) hindurchgeht, so daß also
in dieser Hinsicht ein Teil Hinterindiens zu Australien gehören würde.
> § 25. Ethnographisches.
Die Ureinwohner des Landes, Australier oder — nneigent-Etngeborene,
lich — Australneger genannt, können sich der eindringenden Zivili-
sation gegenüber nicht halten, so daß ihre Rasse mit Riesenschritten
dem Untergange entgegengeht. Kaum mögen ihrer noch 6000 vor-
handen sein. An sich scheinen sie den tiefsten Standpunkt zu be-
zeichnen, auf dem der Mensch überhaupt stehen kann; feste Wohnsitze,
eigentliche Kleidung, Familie, regelmäßiger Gebrauch des Feuers sind
ihnen fremd; in kleinen Schwärmen ziehen sie von Ort zu Ort, von
den Ansiedlern gemieden oder verfolgt. Ihre Religion ist wüster
Gespensterglaube. Trotzdem ist es möglich gewesen, aus solchen
Männern geschickte Schafhüter und Soldaten zu machen; die
fchwarze Polizeitruppe hat gegen ihre eigenen Stammesgenossen,
wie gegen entlaufene Sträflinge vorzügliche Dienste geleistet.
Ursprünglich war Australien eine Strafkolonie; England @jn=
deportierte dahin seit 1788 viele Sträflinge, meist schwere Verbrecher, gewanderte,
die in Europa mit dem Tode bestraft worden wären. Seit 1867
ist die Deportation gesetzlich eingestellt. Dafür aber ergoß und er-
gießt sich noch heute ein Strom von freien Einwanderern über den
in vielen Beziehungen so günstige Niederlassungsbedingungen dar-
bietenden Erdteil. Beliebt sind die zahlreich vertretenen Deutschen
als Ansiedler; minder beliebt, aber kaum entbehrlich die Chinesen,
von denen regelmäßig eine größere Anzahl in den Minen- (Berg-)
werks-Distrikten beschäftigt ist.
§ 26. Politische Geographie von Australien.
Der ganze Erdteil ist englisches Besitztum und zerfällt in Staats-
fünf an Größe fehr ungleiche Kolonialstaaten. Regierungsform und einrichtüng.
staatliche Verhältnisse haben viel Gemeinsames. Jeder Kolonialstaat
hat an der Spitze einen von der Krone England ernannten Gon-
verneur mit mehreren Hilfsbeamten (Ministern); die Gesetzgebung
aber übt, wie in der Heimat, ein in Oberhaus und Unterhaus
zerfallendes Parlament aus. Von den entrichteten Steuern darf
224
IV. Außereuropäische Erdteile.
nichts nach dem Mutterlande gesendet werden. Jede einzelne Kolonie
ist von den Nebenstaaten völlig unabhängig; in der einen kann
sogar Handelsfreiheit (f. S. 213) herrschen, während eine andere die
Kauffahrer zwingt, von ihren Waren Zölle zu entrichten.
Wir betrachten im folgenden jeden der fünf Staaten einzeln.
Neu- 1. Der älteste derselben, desfen sich die britischen Ansiedler zuerst
Süd-Wales, bemächtigten, liegt im 80 und heißt Neu-Süd-Wales (englisch
New-Sonth-Wales, Nin-Saus-Wähls). Hauptstadt ist Sydney
(Siduih) mit 330000 Einw., Sitz der Australischen Universität, be-
rühmter Hafen-- uud Handelsplatz. Doch hat das benachbarte
Newcastl (Niukafsl) einen noch besseren Hafen. Von den Städten
im Inneren ist Bathnrst als Hauptort des Miuenbezirkes zu
nennen.
Viktoria. 2. 8 an die vorige greuzt au die Kolonie Viktoria, klein aber
klimatisch begünstigt und fruchtbar. Die Hauptstadt Melbourne
(Melburu) ist mit 370000 Einw. die volkreichste des Kontinentes.
Melbourne ist auch der Knotenpunkt des australischeu Eiseu-
bahnnetzes; -.eine wichtige Linie führt von hier, am Koßinsko-
Berge vorüber, uach Sydney, eine zweite über Ballarat (100000 E.)
nach Adelaide.
3. Die letztgenannte Stadt (s. o. S. 220) ist, mit 70 000 Einw.,
australim. die Hauptstadt der Kolonie Südaustralien; eine Eisenbahn verbindet
Adelaide einerseits mit seinem eigenen Hafen Port Adelaide,
andererseits mit Port Angnsta am Spencer- (Spensser-) Golf
und weiterhin mit demITorrens- und Eyre-See (s. S. 221).
West- 4. Dieweitaus größte aber am wenigsten erforschte uud kultivierte
australicn. Qfler Kolonien ist Westaustralien. Sie nimmt, ihrem Namen getreu,
den ganzen W des Erdteiles ein, ein Drittel des gauzeu Areales.
Der Hauptort Perth (s. S. 221) ist neuerdings rasch auf 20000
Einw. angewachsen.
Queensland. 5. Von der Nordgrenze von Neu-Süd-Wales erstreckt sich bis
zum Carpentaria-Golf der Staat Queensland (Qnihnslend, Königin-
Land). Außer Brisbane (Brisbähn, mit über 30000 Einw.)
sind hier nur noch zwei kleinere, schon nördlich vom Wendekreise des
Steinbockes gelegene Küstenstädte zu nennen, nämlich Rockhampton
(Rockhämptn) uud Cooktown (Kuhktaun)."
Territorien Das w von Westaustralien, s von Süd-Australien, ö von
Queensland begrenzte Gebiet besitzt, fchwach bevölkert, wie es ist,
noch keine eigentliche staatliche Gliederung, sondern ist einstweilen
dem Gouverneur vou Südaustralien zur Verwaltung unterstellt. Es
zerfällt in zwei sogenannte Territorien: Nordanstralien (west-
lieh vom Carpentaria-Golf) und Alexandra-Land (im Inneren).
In letzterem beginnt sich in jüngster Zeit ein Badeort zu entwickeln,
die Alice-Springs-Station.
Australien und Ozeanien.
225
§ 27. Übersicht der Inselwelt.
Wenn wir alle im weitesten Wortsinne zu Australien ge-
zählten Inseln überblicken, so drängt sich uns sofort die Notwendig-
keit einer gewissen Gruppeubilduug auf. In erster Linie stehen die
drei großen Inseln Neu-Guiuea, Tasmanien und Neu-Seeland,
sämtlich vom Kontinent nicht sehr weit entfernt. Neu-Guiuea bildet
nebst einer Reihe benachbarter Archipele ein besonderes Gebiet,
Melanesien genannt. Alle übrigen Bestandteile Polynesiens
wollen wir unter dem Namen Zerstreute Inseln zusammenfassen.
§ 28. Tasmanien.
s von der Baß-Straße liegt die Insel Tasmanien, ehemals
von den Holländern nach einem sehr geachteten Statthalter Van
Diemens-Land genannt. Die Insel hat 68000 qkm und etwa
120000 Einw. Die hier früher lebenden Australier sind heute total
ausgerottet. Die beiden Hauptorte Hobarttown (Hobarttauu) und
Launceston (Lühnstn) sind durch eine 200 km lange Bahnlinie
mit einander verbunden. Tasmanien unterhält lebhaften Handels-
verkehr, zumal mit dem australischen Festlande selbst, wohin auch
ein unterseeisches Telegraphenkabel gelegt ist.
§ 29. Neuseeland.
Diese schöne, klimatisch bevorzugte englische Kolonie zerfällt Größe;
in die kleinere Nord- und in die größere Südinsel, beide durch ^wohner.
die Cook-Straße getreuut. Der Gesamtinhalt beträgt 280000 qkm,
die Einwohnerzahl nahe 600000. Hierunter befinden sich höchstens
noch 40000 Autochthonen, die Überbleibsel des stolzen, kriegerischen
und — im Vergleiche mit den Australiern — hoch stehenden Volkes
der Mg-oris. Dieselben lebten bis 1840 im guten Einvernehmen
mit den Missionären, welche dort schöne Ergebnisse erzielt hatten;
seit der britischen Besitzergreifung dagegen haben Kämpfe und Krank-
heiten den Stamm mehr und mehr geschwächt.
Die Doppel-Jnsel ist durchaus vulkanisch; heftige Ausbrüche, Gebirge,
besonders des Feuerberges Tarowera, sind keine Seltenheit. Aus
unterirdisches Feuer weisen auch die überaus zahlreichen Geysirs
(s. S. 44) hin, um deren Rand sich die sonderbarsten Sinterbil-
düngen aufgebaut haben. Die Gebirge erreichen eine ansehnliche
Höhe; auf der Nordinsel steigt der Mouut Egmout bis zu 2500 m,
aus der Südinsel steigen die Neuseeländischen Alpen im Mouut
Cook (Kuhk) bis zu 4000 m auf. Den Namen Alpen verdient dieses
15
226
IV. Außereuropäische Erdteile.
Gebirge auch wegen seiner äußerst kräftigen Gletscherentwicklung.
Der Fund von Gold auf der Südinsel hat ihr seit der Mitte der
sechziger Jahre zahlreiche Einwanderung, zumal auch von Chinesen,
zugeführt.
Städte> Die Verwaltung Neu-Seelands ist eine ähnliche wie bei den
anderen australischen Kolonien. Von Städten sind auf der Nord-
iusel Auckland (Ohklend) mit 60 000 Einw. und Wellington mit
30 000 Einw., auf der Südinsel Dnnedin uud Christchurch
(Kreistschörtsch), beide mit ungefähr 45000 Einw., zu verzeichnen.
Die Länge des neuseeländischen Eisenbahnnetzes erreicht bereits
3000' Kilometer.
Zu Neu-Seeland gehören administrativ mehrere kleine, von Eng-
land in Besitz genommene Eilande. Es sind dies: Stewart-(Stuart-)
Insel, direkt- am Südende der Südinsel, die Kermadec-Jnseln
im Nordosten, die Warekauri-J-nseln im Osten, Norfolk (Norfok)
und die Lord Howe-Jnfeln im Nordwesten, die Auckland- und
Campbell-Jnfeln im Südwesteu.
§ 30. Melanesien.
Bevölkerung, Der Name dieses Jnselbezirkes rührt her von der Hautfarbe
seiner Bewohner (melas = schwarz). Die Mehrzahl derselben ist
dunkelfarbig uud kraushaarig, den Australiern vom Festlande
verwandt; doch kommen auch lichtere Hautschattieruugeu vor, welche
auf die nachher zn besprechenden Völker verweisen. Gewöhnlich
nennt man die Melanesier Papuas. Es sind Wilde im wahren
Sinne des Wortes; staatliche Gemeinwesen fehlen ihnen; nur am
Meeresgestade wird spärlicher Tauschhandel mit chinesischen und euro-
päischen Schiffen betrieben. Sehr erschwerend wirkt dabei der Um-
stand, daß es gänzlich an einer einheitlichen Sprache fehlt, daß von
Dorf zu Dorf die Mundart die einschneidendsten Veränderungen er-
fährt. Unter den Melanesien! ist leider auch uoch die Anthropo-
phagie (Anthropos — der Mensch, phagein — essen) im Schwange.
Wie erwähnt, gehören zu Melanesien außer einer Hauptinsel noch
zahlreiche kleinere Gruppen.
Neu- Diese Hauptinsel ist Neu-Guinea, nur durch die schmale,
Guinea, schwierig zu passierende Torres-Straße vom Australischen Festlande
geschieden. Obwohl die Biunengebiete der 190000 qkm umfassenden,
mit Gebirgen — Mount Owen (Auhn) Stanley 4000 m — be-
deckten Insel noch so gut wie gauz unbekannt' sind, kamen gleichwohl
Deutschland, Großbritannien und die Niederlande überein,
die Insel durch Vertrag unter sich zu teilen. Zu Holland gehört
demzufolge der ganze Westen nebst den nahe gelegenen Arn-Jnseln,
zu England das längs der Torres-Straße und des Papüa-Golfs sich
Australien u. Ozeanien; Melanesien. — Der Rest Polynesiens. 227
hinziehende Südufer; das im Nordosten gelegene Kaiser Wilhelms-
Land endlich ist deutsches Schutzgebiet. Eigentliche Eigentümerin
ist eine kaufmännische Gesellschaft, die in Berlin ihren Sitz
hat und durch einen Landeshauptmann und die ihm beigegebenen
Hilfskräfte ihren Besitzanteil verwaltet und wirtschaftlich zu erschließen
versucht. Bis jetzt ist dies nur in unerfreulich geringem Maße ge-
glückt; das Klima gehört nicht zu den gesunden, der Handel findet
noch wenig zum Tausch geeignete Gegenstände, das Eindringen in
das Hinterland ist schwierig, Anwendung von Waffengewalt gegen
feindselige Eingeborne wird noch zum öfteren erfordert. Die deutsche
Verwaltung hat ihren Sitz in Finschhafen aufgeschlagen.
Zu Spanien gehören die drei den äußersten Norden Poly- Svanische
nesiens erfüllenden Archipele der Palau-Juselu, der Marianen^nll3Ul,(ien-
oder Ladronen — so von den Genossen Magellans wegen der
diebischen Neigungeil ihrer Bewohner genannt — und der Karo-
linen. Das Besitzrecht der letzteren war zwischen Deutschland uud
Spanien so lange ein streitiges, bis es der letzteren Macht durch
den Schiedsspruch des Papstes- 1887 anheimfiel. Zusammen
gebietet hier Spanien über 2600 qkm und 40 000 Eiuw.; die Re-
gierung wird von den Philippinen aus (s. S. 185) geleitet.
Deutsches Kolonialgebiet ist in Melanesien ferner der Bis- Deutsche
marck-Archipel, dessen größte Inseln Neu-Pommeru und Neu-^'"'""^"'
Hannover sind, der Salomoueu-Archipel, der, wie die Namen
der Inseln Bongainville (Bnhgänwill) und Choiseul (Schoasöhl)
darthuu, zuerst von französischen Seefahrern besucht wurde. Die
Marshall-Juselu im äußersten Nordwesten, deren Archipel eine
Unzahl kleiner Eilande birgt, gehören politisch zum Deutschen Reich;
geographisch bildet man aus ihnen, aus den spanischen Inselgruppen
und aus den sich in s-ö Richtung anreihenden Gilbert- und
Laguuen-Jnseln eine besondere Jnselprovinz Polynesiens, nämlich
Mikronesien (mikros — klein). Jaluit aus einer der Marshall-
Inseln ist ein sehr besuchter Handelshafen.
§ Der Rest Polynesiens.
In dieseip Paragraphen sollen alle noch übrigen Bestandteile
Ozeaniens zusammengefaßt werden, sowohl die kleineren geschlossenen
Archipel, wie auch die eigentlichen zerstreuten Inseln. Wir ordnen
nach der politischen Zugehörigkeit.
Frankreich besitzt im pazifischen Ozean teils eigentliche Kolo- Französ.
nien teils Schntzstaaten, denen ein gewisses Maß von Autonomie^Hungen.
*) Autos-selbst, Nomos- Gesetz; Autonomie bedeutet also das Recht,
sich selbst Gesetze zu geben.
15*
228 IV. Außereuropäische Erdteile.
gelassen ist. In die erste Klasse gehören Neu-Kaledonien, die
bekannte Strafkolonie mit dem Hauptorte Numea, und die
Loyalty-Jnseln; ferner gehören hierher die kleine, zur Sämoa-
Gruppe (s. n.) gehörige Insel Uea, die Marquesas-Jnseln
(größte Insel Nnkahiwa) und die Gesellfchafts-Jnseln (größte
Insel Tahiti) nebst den Mangarewa - Inseln. Französische
Schutzherrschaft erkennen der Paumotu-und der Tubuai-Archipel
an. Im Ganzen umsaßt dieses Gebiet 24000 qkm mit etwa 100000
Bewohnern, wovon ein Fünftel europäischen Ursprungs ist. Die
Bewohner, die hier ihre wahre Heimat haben, find teilweise noch
Melanesier, teilweise aber echte Polynefier, Stämme, die in
Sprache, Sitte und Körperbeschaffenheit an die Malayen (s.S. 179)
erinnern. Es sind kunstfertige Menschen, bei denen die Europäer
bereits ein gewisses Maß von Kultur vorfanden; so besitzen sie ein
sehr ausgebildetes religiöses System, welches besonders daraus hin-
ausläuft, gewisse Gegenstände, Wälder, Ländereien für tabu zu er-
klären und damit für- das Volk heilig uud unantastbar zu machen.
Die christliche Religion ist jetzt weit verbreitet.
Brit. Zu England gehören vor allem die Fidschi-oder Viti-Jnseln
Besitzungen.^ geüu^ Vanna Levn n. s.w.). Die autochthone Bevölkerung
bezeichnet den Übergang von den Melauesieru zu den höher stehenden
Polynesiern; doch ist es erst nach großer Anstrengung gelungen, das
Laster der Menschenfresserei zu beseitigen. Der Handel der Gruppe,
in erster Linie mit Copra, dem ölreichen Mark der Kokosnuß, hat
sich in den letzten Jahren stark entwickelt. Englische Inseln sind
ferner Rotnma, n von Vanna Levu, und die kleinen Eilande
Fanning, Malten, Starbuck, im fernen Osten zu beiden Seiten
des Äquators gelegen.
Selbstäno. Autonom sind die Tonga-Gruppe (Freundschasts-Jnseln,
Staaten, -^qqq qkm^ die Sämoa-Grnppe (Schiffer-Inseln, 2800 qkm)
und die S andwichs- (Sändwitsch-) Inseln (17 000 qkm). Die
erstgenannte Gruppe ist vollständig unabhängig. — Über die Regierung
der zweiten üben England, die amerikanische Union und Deutsch-
land, wie im Berliner Vertrage von 1889 festgesetzt wurde, eiue
gemeinsame Oberaufsicht aus, da Kaufleute aller drei Länder den
Handel — mit Copra, Baumwolle uud Perlmutterschalen —
vorwiegend in Händen haben. Die Konsuln der drei Staaten wohnen
in Ap'ia auf Upolu.— Die Sandwichs - Inseln schließlich, die eine
aus 11 Inseln — Hawaii, Oahu, Palmyra u. s. w. — be-
stehende Gruppe unmittelbar s vom Wendekreise des Krebses aus-
machen, werden auch, nach dem Namen der Hauptinsel, das König-
reich Hawaii genannt. Der Form nach unbeschränkt, steht der
König doch sehr stark unter nordamerikanischem Einflüsse. Der Flächen-
inhalt beträgt 17 000 qkm, die Einwohnerzahl 60000 — Europäer,
Mischlinge, Chinesen und Polynefier, welche den Namen Kanaken
Australien und Ozeanien; Cntdeckungsgeschichte. 229
führen und in rascher Verminderung begriffen sind, obwohl das
Klima sehr gesund, das Land überaus fruchtbar ist. Kaffee, Reis,
die ein nahrhaftes Mehl liefernde Pfeilwurzel oder Arrowroot
(Arrohruht), Baumwolle und insbesondere Zucker werden mit großem
Nutzen gebaut. Merkwürdig sind die sehr hohen Berge — Mauna
Loa 4200 m, Mauna Kea 4250 m —, welche ohne vorliegendes
Hügelland schroff aus den Wellen aufragen. Die ganze Inselgruppe
ist vulkanisch. Die Hauptstadt Honolulu auf der Insel Oahu
(gegen 20000 Eiuw.) ist zum Welthandelsplatze ersten Ranges ge-
worden. Geschäfts- und Regieruugssprache sind englisch; Münzen,
Maße und Gewichte sind diejenigen der Vereinigten Staaten; Staats-
religiou ist die christliche.
Entdeckungsgeschichte.
Das nördlichste Polynesien war, wie erwähnt,'bereits bei der Inselwelt
ersten Weltumsegluug Magellaus durchschnitten und für spanisches
Besitztnm erklärt worden. Im Jahre 1606 entdeckte der Spanier
Torres die nach ihm benannte Meerenge (s. S. 226). Doch geschah
zunächst nichts weiter für die Erforschung des Australischen Festlandes.
Vielmehr blieb es dem berühmten Niederländer Abel Tasman vorbe-
halten, um 1640 die ungefähren Grenzen des neueu Erdteiles, den er
Neuholland nannte, festzustellen. Auch die Namen Neu-Seelaud und Vau
Diemeus-Laud (s.S. 225) rühren von Tasman her. Erst im 18. Jahr-
hundert kam dann wieder mehr Leben in die Entdeckerthätigkeit.
1722 fand Roggeveen die Paumotu- und Samoa-Jnfeln auf; in
den sechziger Jahren machten Bougaiuville (f. S. 227) und Wallis
weite Fahrten, und bald daraus erschien auf dem Schauplatze der
Engländer Cook, der alles vor ihm Geleistete weit hinter sich zurück-
ließ. Teilweise begleitet von dem durch klare Erfassung verwickelter
Naturerscheinungen ausgezeichneten deutschen Naturforscher Reinhold
Forster, befuhr er in den Jahreu 1768—80 dreimal die Südsee,
entdeckte Neusüdwales und Hawaii und fand auf letzterer Insel im
Kampfe mit den Kanaken seinen Tod. Nach ihm haben besonders Du-
mout d'Urville (Dümon Dürwill) und Adalbert v. Chamisso
(Schamisfo) unser Wissen von den polynesischen Inseln erheblich ge-
fördert.
Englische Forscher begnügten sich in den ersten Jahrzehnten Kontinent,
dieses Jahrhunderts mit einzelnen Vorstößen in das Innere Australiens.
Erst der Deutsche Ludwig Leichhardt versuchte die Durchkreuzung
des Kontinentes; allein er erreichte sein Ziel nicht, sondern blieb
lange Zeit verschollen, und erst in allerneuester Zeit ist es gelungen,
ieinen Spureu nachzugehen, eiueu Teil seiner Tagebücher auszu-
230
IV. Außereuropäische Erdteile.
finden und annähernd den Ort zu bestimmen, an welchem er den
Strapazen der Reise erlag. Nach ihm haben Bnrke (Börk), Giles
(Tscheils), Forrest n. a. Leichhardts Plan mit wechselndem Glücke
wieder aufgenommen, und nachdem 1872 der große Überland-
telegraph von Adelaide im 8 bis Port Darwin im N fertig-
gestellt worden ist, kann auch das Innere Australiens als einiger-
maßen bekannt bezeichnet werden, wiewohl im einzelnen den Ent-
deckungsreisenden künftiger Zeiten noch genug zu thuu übrig bleibt.
IV. Amerika.
§ o2. Geographische Lage und Größenverhältnisse.
Einteilung. Wie die Karte lehrt, ist es von selbst geboten, bei der Be-
trachtung des Erdteiles Amerika eine Dreiteilung vorzunehmen.
Nord- und Südamerika könnten mit gutem Rechte als je ein besonderer
Erdteil angenommen werden. Allein sowohl der Gebirgsban beider
Bestandteile wie auch ethnographische Erwägungen werden es recht-
fertigen, wenn wir diese Teilung in aller Schärfe nur bei der
politischen Geographie eintreten lassen. Die Landbrücke zwischen
Nord-nnd Südamerika nennen wir Zentral« merika, und diesem rechnen
wir auch die vielgestaltige Inselwelt im 0 zu. Die Grenze zwischen
Süd- und Zentralamerika ist ziemlich von selbst gegeben in dem
Isthmus von Panama (Landenge von Danen), während eine
Naturgrenze zwischen Nord- und Zentralamerika nicht ebenso klar ge-
zogen ist. Wir lasseu also einfach die politische Grenze der Republik
Mexiko und der Vereinigten Staaten als solche Scheidelinie gelten.
Amerika«, Südamerika, das in seiner äußeren, wenig gegliederten Gestalt
m" an Afrika gemahnt, läuft nach 8 ungleich spitzer zu als jener Erd-
teil; nahe der 8-Spitze wird durch die schwer zu durchfahrende
Magellan-Straße der Hauptkörper des Festlandes von der großen
Felseninsel Feuerland geschieden. Diese selbst ist wieder von kleinen
Inseln umgeben, deren südlichst vorgeschobene das Kap Hoorn trägt.
Allmählich sich verbreiternd, zieht sich der Erdteil, w vom Stillen,
ö vom Atlantischen Ozean umspült, nach N hin, ohne daß tiefere
Einbuchtungen des Meeres zu verzeichueu wären. Die Einschnitte
im 0 (St. Georgs-Bncht, St. Mathias-Bncht, La Plata-
Bucht, Allerheiligen-Bucht) sind durchaus unbedeutend, und noch
geringfügiger sind die pazifischen Meereseinschnitte. Der am weitesten
ö vorgeschobene Punkt 8-Amerikas ist das Kap Braueo, der am
weitesten w vorgeschobene das Kap Parina. Die N-Küste besitzt
einige schärfer markirte Einschnitte, nämlich die Golfe von
Maracaibo und von Darien.
Von hier an beginnt Zentralamerika, dessen XV-Küste der Große
Amerika; Oberflächenbeschaffenheit und Gebirge. 231
Ozean mit dem Golf von Tehuantepec und dem schmalen Golf von
Californien bildet. Den Beginn des letzgenannten Golfes bezeichnet
ö Kap Corrientes, n Kap St. Lukas. Abwechslungsreicher gestaltet
sich Zentralamerikas Küste im 0; die begrenzenden Meeresteile sind zu-
nächst das Karaibische Meer mit dem Golf von Honduras und
alsdann der Mexikanische Meerbusen mit der B ai von Campeche.
Nordamerikas W-Küste ist bis zum 45. Breitengrad nur
sehr wenig gegliedert; von da ab treten zahlreiche schmale
Buchten oder Fjords (f. S. 25) in das Festland ein, vor denen
zahllose Inseln liegen; nennenswert sind hierunter die große
Vaneonver- (Vaukuwer-) Insel, die König Karls-Jnseln und
Sitka. Noch weiter n streckt sich die Halbinsel Alaska nebst den
Aleüten-Jnseln gegen die Küste Asiens hinüber. Nordamerika
verläuft von der mexikanischen 0-Grenze ab anfänglich nach 0, biegt
aber an der 8-Spitze der Halbinsel Florida n um, um dann eine u-ö
Richtung beizubehalten. Von den meist nicht tiefen Meeresein-
schnitten mögen die Chesapeake- (Tschispihk-) Bai n vom Kap
Hatteras und die Bai von New Aork (Niu Jork) Erwähnung
finden. Weiter n schließen die Halbinsel Neu-Schottland und die
Insel Neu-Fundland den St. Lorenz-Golf zwischen sich ein,
und von hier aus erleidet die Küste eine scharfe Ausbieguug in n-w
Richtung. Diese Küste führt den Namen Labrador. Weiter im
V/ greift die durch die Hudson-Straße mit dem Atlantischen
Ozean zusammenhängende Hudsons-Bai mit ihrem südlichsten Aus-
läufer, der James- (Tschähms-) Bai, sehr tief in das Innere
des nordamerikanischen Kontinentes ein. — Die n Begrenzung
Amerikas wird im nächsten Abschnitte, bei den Polarläuderu, zur
Besprechung gelangen.
Nach Hermann Wagners Berechnung, der zuverlässigsten, Bewohner-
über welche mau verfügt, umfaßt Gesamt-Amerika, die polaren Gebiete zahl,
(s. o.) nicht mitgerechnet, mehr als 38000000 qkm. Auf Nord-
amerika entfallen hievon rund 20000000, auf Südamerika 17750000,
auf Zentralamerika mit der ihm zuzurechnenden Inselwelt 800000.
Die Gesamtbevölkerung des vereinigten Erdteiles ließ sich 1880,
dem nämlichen Geographen zufolge, auf 100000000 veranschlagen.
Näheres wird erst bei den einzelnen Staaten anzuführen sein, soweit
dieselben sich des Vorteiles einer genanen Volkszählung erfreuen;
die Schätzungen der im Inneren lebenden Jndianerbevölkerung
müssen der Natur der Sache nach an Ungenauigkeit leiden.
§ 33. Vberflachenbeschaffercheit und Gebirge.
Längs der ganzen W-Küste Südamerikas zieht sich ein nicht Die Anden,
sehr breiter aber hoher Gebirgszug hin, spanisch Cordilleras
(Kordiljeras) de los Andes, im Deutschen bald Kordilleren, bald Anden
232 IV. Außereuropäische Erdteile.
genannt. Zwischen ihnen und der pazifischen Küste bleibt meist nur
ein ziemlich schmaler Landsaum übrig. Man unterscheidet, je nach
dem vom Gebirge durchschnittenen Lande, die Kordilleren von Pata-
gonien, von Chile (Tfchile), von Peru, von Ecuador und von
Columbia. Der südlichste Teil, aus Granit bestehend, ist der
minder hohe, obschon bereits auf Feuerland Berge von 2000 m
Höhe vorkommen; die chilenischen Anden weisen meist jüngeres plnto-
nisches Gestein (s. S. 20) auf und enthalten viele Vulkane, denen
nach neueren Forschungen auch der höchste chilenische und zugleich
amerikanische Gipfel, der Aconcagna (6800 m), beigezählt werden
muß. Weiter n weitet sich das Gebirge zu zwei, durch ein breites
Hochplateau geschiedenen Parallelketten aus (Küstenkordillere,
Cordillera di Real); letzterer gehören der Jllimani (6400 m)
und der Nev^ado di Sorata (6550 m) an. Im n Teile von
Peru wird die binnenländische Kordillere allmählich niedriger, und in
Ecuador ist wieder nur ein einziges Längsgebirge vorhanden. Hier
erheben sich die vulkanischen Bergriesen des Chimborazo (Tschim-
borasso) mit 6300 m und des Cotopaxi mit nahe 6000 m. Un-
mittelbar n von letzterem bemerken wir eine abermalige Spaltung
der Kette, indem der w Zweig direkt nach N, der höhere ö aber
nach NO zieht, um nach und nach in das weit sanftere Küsten-
gebirge von Venezuela (Wenesuela) überzugehen. Der höchste
Berg der Kordillere von Kolumbia ist der Tolima (fast 5600 m).
Das Schneegebirge von St. Martha (etwa 5000 m) erhebt sich
isoliert w des Golfes von Maracaibo (s. S. 230). — Sehr sparsam
sind die Anden mit Pässen versehen.
Anverw. Von den Anden abgesehen, enthält Südamerika keine sehr be-
^Gebirge^ deutenden Gebirge, s-ö vom veneznelischen Küstengebirge erblicken
wir die Sierra Parima und das Hochland von Guyana
(Roraima 2400 m). Das ganze innere Brasilien stellt ein noch
recht wenig erkundetes, niedriges Plateau dar, dem da und dort
größere Bergreihen ausgesetzt sind (Sierra da Estrella). Die
geologische Beschaffenheit ähnelt derjenigen Afrikas; Urgestein
und sehr altes Schichtgestein (s. S. 21) tritt hinter der darüber
lagernden Sandsteindecke vielfach zurück, durchbricht dieselbe jedoch
auch an nicht wenigen Stellen.
Südamerik. Abgesehen von den sogenannten Llanos, welche zwischen dem
Tiefland. M^n^birge des Nordens und dem Hochland von Guyana einge-
lagert sind, sowie von dem schmalen Küstensaume des Landes selber
kann das gesamte Tiefland Südamerikas als ein zusammen-
hängendes angesehen werden. Zwischen den weiten Ebenen am
oberen Amazonenstrom und der ebenfalls sehr großen Ebene des
Gran Chaco (Gran Tschako) am Paranä stellt ein Tieflandstreif
die Verbindung her, welcher w von der Cordillera di Real (s. o.),
ö vom brasilianischen Hochland begrenzt ist. s läuft der Gran
Amerika; Oberflächenbeschaffenheit und Gebirge. 233
Chaco aus in die unermeßlichen Pampas, die Grasfluren von
Argentinien und Patagonien. Der ganz ebene Küstensaum Bra-
siliens besitzt nur eine sehr geringe Breite.
Die columbische Westkordillere tritt durch den Isthmus von
Danen (f. o.) nach Mittelamerika über; die Kette ist zwar niedrig, Gebirge,
hat aber der sie querenden Eisenbahnlinie mit den Endstationen
Colon (atlantisch) und Panama, (pazifisch) trotzdem Schwierigkeiten
in Fülle entgegengesetzt, nnd der von Ferdinand von Lesseps,
dem Erbauer des Suez-Kanals (s. S. 193) mit großen Mitteln
unternommene Versuch, die Landenge zu durchstechen, scheint einen
schlimmen Ausgang nehmen zu wollen. Von hier strebt die zentral-
amerikanische Cordillere in unregelmäßigen, reich mit Feuer-
bergen besetzten Parallelketten dem Isthmus von Tehuantepec
zu, wo Zentralamerika seine zweite, jedoch minder beträchtliche Ver-
engerung erfährt. DerJrazu hat 3300 m, der nördlichere Fnego
hat 4300 m Höhe, während der durch seine Eruptionen das Land
am meisten gefährdende Cosegnina nur etwa 1000 m hoch ist.
An der erwähnten Landenge beginnt der Boden mächtig anzuschwellen
zu dem Hochland von Anahuac, welches sich in regelmäßigen
Terrassen nach den beiden dasselbe begrenzenden Meeren absenkt. Längs
des Californischen Golfes erstreckt sich die durch ihren Silberreichtum
berühmte Sierra Madre nach N. Das Plateau von Mexiko,
selbst schon 2800 m über der See erhaben, trägt noch eine stattliche
Reihe schneebedeckter Bulkaugipfel: Popocatepetl (5400 m),
Jztaccihuatl (5200 m), Colima (4300 m). Die langgestreckte
Halbinsel Niederealifornien wirdvonniedrigenBergkettendnrchzogen.
Denken wir uns irgendwo zwischen 35° und 45° n. Br. einen
Durchschnitt parallel den Breitenkreisen und senkrecht zur Meeres- amerikas. °
fläche durch den nordamerikanischen Kontinent gelegt, so stellt sich
uns etwa das in Fig. 20 Versinnlichte Bild dar. Längs des
Küstenkordita. Sierratada MoantWasatseh.. Ro}^Mosatains Alieghanies
Ng. 20.
Atlantischen Ozeanes sehen wir einen ebenen, von S nach N schmäler
werdenden Küstenstreif vor uns, der Küste annähernd parallel zieht
sich von SW nach NO ein Kettengebirge, darauf folgt ein gewaltiges
Tiefland, welches langsam nach W zu einem gleichfalls gewaltigen
234 IV. Außereuropäische Erdteile.
Gebirge ansteigt. In diesem selbst aber sind drei große s-n ver-
laufende Ketten erkennbar, von denen die erste und zweite — von
0 an gerechnet — durch Hochplateanx, die zweite und dritte aber
durch ein schmäleres Thal von einander geschieden erscheinen, während
wieder den Abfall der dritten ein schmaler, ebener Saum vom
Pazifischen Meere trennt.
Die Küste des Mexikanischen Golfes zieht unsere Aufmerksamkeit
nicht weiter auf sich, da sie einfach ein weites, sehr häufig versumpftes
Tiefland vorstellt, und nicht minder tragen den Charakter eines ein-
förmigen Tieflandes die sogenannten Hndfonsbai-L änder, auf welche
uns das Studium der hydrographischen Verhältnisse zurückführen wird.
Alleghanics. Vom 34° n. B. bis zum St. Lorenz-Golf zieht sich eines
der regelmäßigsten Kettengebirge hin, welchem man überhaupt auf
der Erde begegnet: die Alleghanie s (Allegänihs) oder Appallachen.
Aus Ur- und sehr altem Sedimentgestein bestehend, zeichnen sie sich
durch den in ihnen enthaltenen Reichtum an allerlei nutzbaren Mineralien
aus, vorab an Eisen/ Kohle und Steinöl (Petroleumrevier
von Pennsylvanien). Die höchsten Erhebungen siud der Black
Dome (Dohm) mit 2050 ra im 8, der Monnt Washington
(Monnt Woschingtn) mit über 1900 m im N. Der nordöstlichste
Ausläufer führt den Namen Weiße Berge.
Groke Flutz- w von den Appallachen breitet sich die vorerwähnte umfäng-
Niederung. Niederung aus, welche gewöhnlich von dem sie ihrer ganzen
Breitenausdehnung nach durchschneidenden großen Flnße Mississippi
ihren Namen trägt. Die Senke des eigentlichen Miffiffippi-Thales
ist häufig überschwemmt und schon klimatisch größeren Absiedlungen
eben nicht günstig; wohl aber ist der Boden des von jener Senke
an nach beiden Seiten hin ganz langsam ansteigenden Geländes ein
überaus fruchtbarer; der Bottom kann sich in dieser Beziehung mit
der berühmten russischen Schwarzerde (s. S. 162) messen. Weiter
gegen W allerdings geht dieses Ackerland über in die öde Prairie
(Prährih), sanftgewellte Grasflächen, die von schärfer ausgeprägten
Plateaux unterbrochen werden. Die Prairien bereiten in langsamer
Erhebung die dritte der von uns eingehender zu besprechenden Haupt-
gruppen vor.
Rocky n von der mexikanischen Grenze nimmt das Gebirge, an
Mountains. die Sierra Madre und die ö derselben in südnördlicher
Richtung verlaufenden Höhenzüge sich anschließen, wieder jene kräf-
tigeren Formen an, welche wir von der südamerikanischen Kordillere
her gewohnt sind. Die erste Kette, an deren Fuß der vom Missi-
sfippi aus die Prairien durchkreuzende Wanderer gelangt, ist die der
Felsenbirge oder Rocky Mountains (Manntens), welche nach
ueueren Untersuchungen in verschiedene sowohl nach*der Streichungs-
richtung (s. S. 21) als auch nach der Zusammensetzung sehr ab-
weichende Bestandteile zerfällt. In Parallelzügen erstreckt sich im N
Amerika; Hydrographische Verhältnisse. 235
die Kette bis nahe zum Polarkreise hin; die Höhe ist eine wechselnde,
der Mouut Hooker (Maunt Hnhker) soll bis zu 5000 m ansteigen.
Das Große Becken, wie die Amerikaner den von den Felsen- Becken*
gebirgen und der westlichen Kette eingeschlossenen Abschnitt nennen,
ist teils Wüsten-, teils Steppenland. Es ist durchaus nicht etwa
eine einheitliche Fläche, vielmehr erheben sich auf dieser wiederum
beträchtliche Gebirgsketten, so das Wasatch--(Wäsätsch-) und das
Uintah-Gebirge. Die größte Eiusenknng ist das Plateau vou
Utah, aber auch n, von letzterem durch die Blauen Berge ge-
trennt, zieht sich die ziemlich weite Colnmbia-Ebene hin.
Da wo, ö von der Mohave-Wüste umsäumt, die Höhenzüge^rdamer».
Niedercalisorniens (s. S. 233) n ausstreichen, gewinnt die eigent-
liche Kordillere wieder energischere Formen. Unter 35° n. Br. tritt
eine Zweiteilung ein; nahe dem Pazifischen Ozean erblicken wir, dessen
Küste parallel begleitend, die Küstenkordillere, weiter östlich eine
viel mächtigere Gebirgskette, welche im 8 Sierra Nevada (s. S 42),
im N Kaskadengebirge heißt. Unter den stolzen Schneegipseln
der Kette nennen wir den Whitney Peak (Witnih Pihk) mit
4400 m und den ehemals vulkanischen Monnt Shasta (Mannt
Schasta) mit gleicher Höhe. Die Küstenkordillere setzt, ohne daß ihre
einzelnen Teile schon genügend bekannt wären, ihren Lauf fort,
bis sie, w umbiegend, in das Gebirgsrückgrat der Halbinsel Alaska
übergeht. Kurz zuvor aber erhebt sie sich noch einmal in dem vnlka-
nischen Eliasberg zu der imposanten Höhe von fast 6000 in, der
bedeutendsten bisher auf dem Nordamerikauischeu Kontinente gemessenen.
§ 3^. Hydrographische Verhältnisse.
Südamerika besitzt denjenigen Strom, dessen Gebiet (rund Südamerik.
7 Mill. qkm) das größte aus der Erde ist, während er allerdings " e
an Lauflänge vom Nil und vom vereinigten Mississippi - Missouri
übertrosfeu wird. Immerhin durchfließt der mächtige Amazonen-
ström, im Oberlaufe Maranon (Maranjön) genannt, den statt-
lichen Weg von 41 000 km. Er entspringt auf der peruanischen
Kordillere, biegt aber, nach anfänglich n-w Lause schon in der Breite
des Kaps Pariiia ö um und behält fortan diese Richtung nn-
verändert bei. Der wasserreiche Fluß ist uahezu vom Ursprünge
an schiffbar, Dampfer befahren ihn hoch hinauf. Auch seine Neben-
slüsse sind gewaltige Ströme; rechts fließen ihm zu der Ucayali,
Jurua, Purüs, Madeihra (Madchra), Tapajoz (Tapagos)
und der Schingü oder Xingü. Der Lauf dieser Flüsse ist erst in
den letzten Jahren gründlicher zu erforschen begonnen worden, trotz-
dem aber noch auf weite Strecken ziemlich unbekannt. Links nimmt
der Amazonas anf den Iapura uud den Rio Negro, in den
wieder der Parima mündet. Die Mündung des Amazonas ist, da
236 IV. Außereuropäische Erdteile.
sich die Insel Marajo (Marägo) vorlegt, eine zweigeteilte; der
südliche Arm ist der Rio Para. (Fluß von Pars.). Der nördlich
von dem Hauptstrome gelegene Teil Südamerikas enthält gleichfalls
zwei sehr bedeutende Ströme: der Magdalenenstrom mit dem Cauca
im W und weiter ö den in gewundenem Laufe das Hochland von
Guyana (s. S. 232) umfließenden Oriuoco, der durch sein ge-
räumiges Delta, s von der Insel Trinidad, gewaltige Wassermassen
in den Atlantischen Ozean entsendet. Seine wichtigeren Nebenflüsse
sind Meta, Apure und Caroui; vom Cassiqniare s. S. 239. Die
ins Atlantische Meer sich sonst noch ergießenden Flüsse des nördlichen
Südamerika sind wenig erheblich; die größte Lauflänge darunter be-
sitzt der S. Francisco. Dagegen begegnen wir weiter südlich
abermals einem der großartigst entwickelten Flußsystemen der Welt, dem
des Rio de Ia .Plata. Mit diesem Namen wird der Strom aller-
dings erst da benannt, wo er sich bereits zu einer Meeresbucht*)
auszuweiten beginnt. Vorher heißt er Paran^; derselbe entspringt
tief im Inneren Brasiliens, nimmt den fast noch mächtigeren Para-
gnay auf und wird später noch von rechts her durch den Rio Sa-
lado (Salzfluß), von links her durch den Uruguay verstärkt. Von
den übrigen mit dem Atlantischen Ozean sich vereinigenden Flüssen
verdient nur allenfalls noch der Rio Colorado (Gefärbte Fluß)
Erwähnung; die pazifischen Flüsse können, wie bei der Nähe des
Hochgebirges selbstverständlich, nur einen kurzen Lauf haben.
Von bedeutenderen stehenden Gewässern besitzt Südamerika,
wenn man von einigen Salzseen (Salinas) n-ö vom Kordilleren-
passe von Mendoza absieht, eigentlich nur drei: den See von
Valencia im äußersten N, w von der Stadt Caracas, und die beiden
Hochgebirgsseen Aullagas und Titicaca in der peruanisch - boli-
manischen Kordillere, die bezüglich 3700 m und 3800 m über dem
Meere gelegen sind. Aus dem inselreichen Titicaca-See geht ein
natürlicher Stromkanal, der Desaguadero, zum Aullagas - See.
Mit einigem Rechte kann man auch, wie dies die Brasilianer selbst
thuu, die Patos-Lagnne bei Porto Alegre den Seen — nämlich
den Strandseen — zuzählen,
amertt Ausnahmslos sind die Flüsse Zentralamerikas ohne Belang, sowohl
Gewässer, was Lauflänge als auch was Wasserreichtum anlangt. Der Rio
Chagres mag deshalb Erwähnung finden, weil man sich seiner zur
Verkürzung des PaumM-Kanales (s. S. 233) bedienen zu können hofft.
Erst Mexiko hat wieder mächtigere Flüsse; in das Stille Meer mündet der
Rio Santiago, in den Golf von Mexiko der Rio Grandedel Norte,
*) Die ersten portugiesischen Entdecker, welche an dieser Küste hinfuhren,
wähnten in der That in der La Plata-Öffnung die ersehnte Meeresstraße nach
der Südsee gefunden zu haben; sie fuhren in die weite Bucht ein und wurden
ihres Irrtums erst dann inne, als sich jene zu verengern und ihnen zugleich
eine starke Süßwasserströmung entgegenzukommen begann.
Amerika; Hydrographische Verhältnisse. 237
welch letzterer die Grenze gegen die Vereinigten Staaten bildet.
Mexikos Hochfläche enthält eine nicht geringe Anzahl Seen, hier
Lagnnas genannt, und auch die Hauptstadt selbst ist fast ringsum
von Seen umgeben. Doch übertrifft alle diese an Größe und son-
stiger Bedeutung der Nicaragua-See, der 8600 qkm Oberfläche
besitzt. Da dieser See nur durch eine niedrige Erhebung der Küsten-
kordillere vom Pazifischen Ozean getrennt ist, mit der Karaibischen
See aber an sich schon durch seinen Ausfluß San Juan (San
Chuan) in Verbindung steht, so eignet er sich vielleicht besser dazu,
das Mittelglied eines künftigen Zentralamerikanischen Kanales zu
bilden, als irgend ein anderer Ort.
Für das Festland Nordamerikas ist in hydrographischer Be-
ziehnng maßgebend das kolossale Flußsystem des Mississippi.
Derselbe entspringt nahe der ^-Grenze der Vereinigten Staaten und
behält, wenn auch in stark geschlängeltem Laufe, die anfängliche
n-s Richtung bei. Im Oberlaufe nimmt er rechts den Minnesota-,
links den Illinois-(so, und nicht französisch auszusprechen) River
auf. Bei der großen Stadt St. Louis (Sänt Luis) findet die
Vereinigung des Mississippi mit dem an und für sich mächtigeren
Missouri (Missuhri) statt, von der Quelle dieses Flusses bis zur
Mündung des Mississippi ist es weiter (6500 km), als vou
dem Ursprünge des Mississippi bis zu seiner Mündung. Der
Missouri selbst wird von der rechten Seite her durch namhafte
Zuflüsse verstärkt: durch den Aellowstone-River (Jellohston-Riwer),
den Platte-Fluß und den Kansas. Dem vereinigten Mississippi-
Missouri strömen von W her mehrere bedeutende Nebenflüsse zu,
vor allem der Arkansas und der Red River (Rote Fluß); vou
0 her kommt nur der allerdings gewaltige Ohio (Oheio), mit dem
sich vorher der Kentucky, der Wabash (Wäbäsch) und der Ten-
nessee (Tenusih) verbunden haben. In dem weiten Tieflande der
Küste erreicht der seine gelben Wogen langsam dahinwälzende Riesen-
ström eine ungeheure Breite und erzeugt vielfach Überschwemmungen,
da der Spiegel des Flusses gewöhnlich höher als die benachbarten
Gegenden liegt. In weitem Delta erreicht er endlich südlich von der
für den Welthandel außerordentlich günstig gelegenen Stadt New-
Orleans (Niu-Orlihus) den Mexikanischen Golf. Nirgendwo aus
der Erde ist die Flußdampffchiffahrt gleich großartig entwickelt,
wie auf dem Mississippi und den ihm tribntären Gewässern. — Die
übrigen in den Meerbusen von Mexiko mündenden Flüsse — ö der
Alabama, w der Colorado — verschwinden gänzlich neben dem
Mississippi.
Sämtliche dem Gebirgssystem der Alleghanies (f. S. 234) ent- Ab-
springenden Flüsse können nur einen kurzen Lauf haben, vermögen u u c'
aber gleichwohl in ihrem untersten Laufe sehr große Seeschiffe zu
tragen. Es siud, wenn wir von 8 nach N fortschreiten, der
238 IV. Außereuropäische Erdteile.
Savannah, der James-(Tschähms-)River, der aus der Geschichte
des großen amerikanischen Bürgerkrieges (1861—65) wohlbekannte
Potomac, der Snsqnehanna, Delaware (Delawahr), Hudson
(Hödsen) und Connecticut. Dann aber begegnen wir dem ungleich
großartigeren St. Lorenz-Strom, der die Gewässer der großen
kanadischen Seen (s. n.) dem gleichnamigen Meerbusen zuführt und
sich zuletzt, vor der Insel Antieosti, ähnlich wie der La Plata
(f. S. 236) erweitert. Der Mary- (Märi-) River zwischen Oberem
und Hnron-See, sowie der durch seinen an Großartigkeit nirgendwo
übertroffenen Wasserfall ausgezeichnete Niagara- (nicht Neiagara-)
River zwischen Erie- und Ontario-See können als die Anfänge
des St. Loreuz-Flufses betrachtet werden. Ein namhafter Nebenfluß
des letzteren ist der Ottawa.
Nördliche Dieser Teil Amerikas ist, wie wir gleich sehen werden, durch
gemässer. eine wahre Fülle von großen Seen ausgezeichnet. In einigen der-
selben finden bedeutende Flüsse ihr Ende, so im Winipeg-See der Sas-
katschewan, im Athabafka-See der gleichnamige Strom. Die Hnd-
sons-Bai wird nur durch kleine Küstenflüsse gespeist; dagegen münden
in das Nördliche Eismeer der Große Fisch-Fluß und der sich vor
seinem Ansflnß in zahlreiche Verästelungen auflösende Mackenzie-
(Mäckenzie-)River.-
Pazifische In den Golf von Californien ergießt sich der tief aus dem
3ufiuffe. <gnneren ker Felsengebirge kommende Colorado. Es folgen gegen
N hin der Sacramento, dessen scharf eingeschnittenes Thal für
längere Zeit die Grenze zwischen Küstenkordillere und Sierra
Nevada bildet, der Columbia, der südlich der Insel Vaneouver
mündet und sich durch den Snake-(Snäk, Schlangen-)River verstärkt,
und der Fräser. Bereits in das Berings-Meer aber ergießt sich
der Jukou, der als einer der gewaltigsten Ströme zu gelten hat.
Er ist 2, hie und da jedoch sogar 8 bis 10 km breit, freilich aber
einen sehr großen Teil des Jahres über mit einer Eisdecke verhüllt,
-emnebiet. Das Festland Nordamerikas kann an Menge und Größe der
stehenden Gewässer mit dem ö Zeutralasrika wetteifern. Der
8 allerdings nimmt daran kaum teil, wenn man nicht die großen
Strandseen oder Bayous der Golfküste und die riesenhaften Sümpfe
Floridas mitrechnen will. Auch das Hochgebirge ist fast seenlos; das
große Plateau w von den Felsengebirgen enthält jedoch zahlreiche
Brackwasseransammlungen, so zumal den Utah-See und den Großen
Salz-See, und im äußersten N der Alleghanies liegt tief in Bergen
der landschaftlich reizvolle Champlniu- (Tschamplähn-) See ver-
borgen, w von diesem begegnen wir der mächtigen kanadischen
Seenplatte; die fünf Seen — Oberer See, Michigan- (Mltschigän-)
See, Hnron-See, Erie-See, Ontario-See — besitzen zu-
sammen eine Obersläche von fast 260 000 qkm. Nicht minder dicht
mit Seen besetzt ist das Land zwischen dieser Seenplatte und dem n
Amerika; Klima. 239
Polarkreise; denn ans diesem Gebiete befinden sich außer sehr vielen
kleineren der Manitobo-See, der Winipeg-See, der Deer- (Dihr-)
See, der Athabaska-See, der Große und Kleine Bären-See
und der Große und Kleine Sklaven-See. betrachwng.
Die vorstehende hydrographische Übersicht berechtigt zu der
Behauptung, daß Amerika als das Land der Riesenströme au-
erkannt werden muß. Dieselben strömen anch meist in Tiefländern
dem Meere entgegen, so daß man mit ihrer Hilfe die geographische
und wirtschaftliche Aufschließung des Kontinentes ungleich leichter zu
ermöglichen vermochte, als dies beispielsweise bei Afrika der Fall war.
Immerhin fehlt es zumal auch in Nordamerika nicht an tief ins Ge-
birge eingeschnittenen Flußthäleru, welche man dort Canons (Kanjens)
nennt (Canons des Colorado). Besonders berühmt wegen merk-
würdiger in ihnen förmlich angesammelter Naturerscheinungen sind das
Josemite- (Josemit-) Thal in Calisornien und das Aellow-
stone-Thal (s. S. 237) am oberen Missouri, welch letzteres die
Unionsregierung zum Nationalpark erklärt und der Besiedlung
entzogen hat. — Bei den großen südamerikanischen Flüssen bemerken
wir, wie bei den afrikanischen, große Niedrigkeit der Wasserscheiden
und ein fingerartiges Eingreifen des einen Stromgebietes in das
andere. Die Quellen des Tapajoz und der Paranä. liegen z. B. in
ganz geringer Entfernung von einander auf dem brasilianischen Zen-
tralplateau. Ja es wird sogar — der einzige bekannte Fall dieser
Art auf der gauzeu Erde — der Begriff der Wasserscheide einmal
so gänzlich hinfällig, daß der obere Orinoko mit dem zum Amazonas
strömenden Rio Negro durch einen förmlichen, natürlichen Flußkanal,
den Caffiquiare, in Verbindung steht.
§ 35- Das Klima.
Die große Breitenausdehnung Südamerikas bringt es mit sich, Klima
daß sein südlichster Teil, das Feuerlaud und ein Stück von Pata- amerikas.
gonien, sehr rauh und unwirtlich erscheinen, während der eigentliche
Körper des Kontinentes ein echtes Tropenland darstellt. Gesund
und der europäischen Einwanderung günstig sind Chile, Argentinien
und das südlichste Brasilien; denn obwohl die kalten Südwinde
— Pamperos — dem Bewohner an sich nicht eben angenehm sind,
sorgen sie doch für stete Erneuerung der Lust. Überhaupt hat Süd-
amerika vor Afrika einen großen Vorteil voraus; es ist uicht, wie
dieses, allseitig von Gebirgswälleu umgeben; sondern erst im äußersten
W erhebt sich das Hochgebirge, und so können die vom Atlantischen
Meere kommenden Luftströmuugen ihre ventilierende Wirkung bis
tief ins Innere hinein ausüben. — Das tropische Brasilien ist
gleichmäßig warm; äußerst heiß, feucht und deshalb uugefuud ist die
Küste von Guyana. Die Küste von Peru und Ecuador ist reich an
240 IV. Außereuropäische Erdteile.
Nebeln, aber äußerst arm an eigentlichen Niederschlägen, so daß ge-
rade am s Wendekreise, wo zudem noch eine kalte Meeresströmung
nahe an das Land herantritt, die einzige wirkliche Wüstengegend
Südamerikas, die Wüste Atacama, sich bilden konnte.
Mitte?- Große Hitze und bedeutender Wasserdampfgehalt der Luft
amerikas. kennzeichnen auch die Küstenlandschaften Mittelamerikas; indessen hat
die Pazifische Küste den Vorzug größerer Trockenheit, während es
z. B. an der Chiriqni-Bai tag für tag zu regnen pflegt. Sehr
regenreich und entsetzlich ungesund ist auch die Landenge von Darien
(s. S. 233). Die Hochflächen der Kordillere sind trockener und bieten
einen weit angenehmeren Aufenthalt. In eigentümlicher Weise
stimmt die klimatische Gliederung des mexikanischen Hochlandes mit
dessen Gebirgsban (s. S. 233) überein; an der Küste breitet sich
aus die eine stetige Gluthitze ausstrahlende „tierra caliente"
(heißes Land); auf der ersten Terrasse herrscht das mildere Klima
der „tierra templada" (gemäßigtes Land), und die Hochplateanx
selbst werden als ,,tierra fria" (kaltes Land) bezeichnet. Hier steht
der Ansiedlung europäischer — selbst schwedischer und norwegischer —
Einwanderer kein gesundheitliches Hindernis im Wege, während in
den Küstenstädten des 0 nahezu immerwährend eine der schlimmsten
unter allen Tropenkrankheiten, das Gelbe Fieber, seine Herrschaft
geltend macht. Diese Herrschaft dehnt es aus dem Wege der Ver-
schleppung nicht selten sogar auf die n Golsküste und auf große
Teile von Guyana und Brasilien aus.
Klima Nordamerika zerfällt, soweit es nicht einen polaren Charakter
au7erikas. trägt*), in drei deutlich gesonderte klimatische Provinzen: in das
Gebiet zwischen dem Atlantischen Ozean und dem Ostrande der
Rocky-Mouutains, in das Gebiet auf und zwischen den beiden
großen Gebirgszügen und in den schmalen Pazifischen Küstensaum.
Die erstgenannte Provinz zeichnet sich aus durch schroffe Tem-
peraturgegeusätze; im Sommer wird es sehr heiß, im Winter sehr
kalt, der Schneefall ist zumal in den Gegenden am St. Lorenz-
Flusse ein überaus reichlicher. Heftige Stürme, von den Amerikanern
Hurricanes (Herrikähns) genannt, bilden eine wenig erfreuliche
Zugabe zum Klima Nordamerikas, vornehmlich in den Prärien, die
fönst eine sehr reine Luft haben, Wolken und Tau oft Monate lang
entbehren müssen. In heftigen Sprüngen bewegt sich auch das Klima
des Gebirgs, wo die Regenmenge stets nur eine ganz geringe ist und
wo denn also auch wirkliche Wüsten entstehen konnten. Ganz anders
sind die Dinge längs des Stillen Ozeanes gelagert; hier ist der
*) Bei unserer Besprechung der Polarländer werden wir auch das Ge-
biet der Hudsonsbai mit einbegreifen müssen, indem dasselbe, selbst noch s vom
Polarkreise, ganz zu den elfteren gehört.
Amerika; Pflanzen- und Tierwelt. 241
Unterschied zwischen den einzelnen Jahreszeiten nur schwach ange-
deutet, die Lust ist immer angenehm, die Hitze durch das benachbarte
Meer gemäßigt; Regen fällt weit mehr und häufiger im Winter als
in irgend einer anderen Zeit. Weiter gegen Norden, etwa vom
Einfluß des Columbia au, beginnt sich dann schon der Einfluß eines
rauheren Klimas geltend zu machen; die Gletscher des Kaskadengebirges
senken sich bereits sehr tief bis gegen das Meeresufer herab.
§ 36. pflanzen- und Tierwelt.
Dieser Kontinent ist der pflanzenreichste Teil der Erde. Zumal auieÄran.
die Palmen finden wir in noch viel üppigerer Arten- und Manzen.
Jndividueumenge als in Afrika vor, und selbst in größerer
Meereshöhe gedeiht noch dieser schöne Baum, wie denn die Wachs-
Palme in der peruanischen Kordillere bis zn 2500 m steigt.
Charakteristisch sind auch die Schlin gpflanzen, welche es bewirken,
daß Wanderungen im tropischen UrWalde niemals ohne die landes-
übliche Macheta (Matscheta, eine Art Säbelmesser) unternommen
werden können. An Nutzpflanzen ist reicher Vorrat vorhanden.
Hier ist die Heimat dreier unseren Apotheken unentbehrlichen Heil-
kränter, der Jpeeacuanha, der Sassaparille und der China-
rinde, welch letztere von den im Quellgebiete des Maranon Massen-
Haft auftretenden Chinabäumen (botanisch Chinona) abgelöst wird
und ein spezifisch wirkendes Heilmittel gegen jede Art von Fieber
abgibt. In der Peruanischen Kordillere gedeiht die Cocapslanze,
durch deren Kauen sich die indianischen Lastträger leistungsfähig zu
erhalten verstehen, und aus der die europäischen Ärzte einen sehr
kräftig auf die Nerven wirkenden Stoff, das Cocain, dargestellt
haben. Die Kartoffel, die Batate, die in ihrem Mehl das be-
liebteste Nahrungsmittel weiter Volkskreise bietende Maniokpflanze
(Cassavabrot), der Tabak, die Baumwolle, der Caeaobaum
sind recht eigentlich in Südamerika zu hause; den Kaffeestrauch
und die meisten europäischen Getreidearten hat man mit großem
Erfolge angebaut, und Bohnen mit Mais bilden sogar die fast
ausschließliche Nahrung der von den Spaniern abstammenden Landes-
bewohner in Süd- sowohl wie in Mittelamerika. Guyana und Bra-
silien liefern sehr viel Zucker in den Welthandel. Endlich sind die
Gebirgswälder erfüllt mit den wertvollsten Nutzhölzern, von denen
hier nur das Brasilianische Farbholz seine Stelle finden möge.
Im großen und ganzen sind die pflanzlichen Verhältnisse Zentral-
denen des nördlichen Südamerika sehr ähnlich gelagert. Die Hoch- Pflanzen.'
ebenen Mexikos bergen in unendlicher Zahl die eigenartigen Stachel-
gewächse (Agaven, Opuntien oder Kakteen). An der Küste des
16
242 IV. Außereuropäische Erdteile.
Karaibischen Meeres trifft man dichte Bestände des von der Möbel-
fabrikatiou hoch geschätzten Mahagoniholzes an. Die Fruchtbarkeit
ist allenthalben eine sehr erhebliche, der Landban jedoch steht meist
noch auf einer sehr tiefen Stufe,
amerllan mehr noch den europäischen Stempel tragenden Wälder
Pflanzen' Nordamerikas, worin die Eichen — Amerika hat deren 15 Arten,
Deutschland nur 3 —, die Ulmen, Eisenholzbäume, Platanen
oder Sykomoreu und der dem Waldbewohner vollen Ersatz für den
teuren Rohrzucker bietende Zuckerahorn die Hauptrolle fpieleu,
nehmen am unteren Mississippi nnd in Calisornien schon einen mehr
tropischen Charakter an: Tulpenbäume und die großblätterigen
Magnolien (Manjolieu) stellen sich ein. Nirgends in der Welt
begegnet man solchen Riesenbäumen wie gerade in Nordamerika;
der Mammutbaum im Sacramentothale erreicht gar nicht selten
eine Höhe voft mehr denn 100 m bei entsprechendem Umfange. Die
europäischen Kulturgewächse sind jenseits des Ozeanes bald heimisch
geworden, aber auch die aus Südamerika eingeführte Baumwolle
wird seit etwa 100 Zahren schwunghaft angebaut, und vor dem
großen Kriege waren die südöstlichen Staaten der nordamerikauischen
Union weitaus das erste Baumwollenland der Erde.
Säugetiere Von vierfüßigen Raubtieren hegt Nordamerika den Panther,
Zentral- und Südamerika den Jaguar uud Puma (Unze), welch
letztere beide etwa dem Tiger Asiens und dem Löwen Afrikas ent-
sprechen, ohne doch diesen Tieren an Stärke und Gefährlichkeit
gleichzukommen. Wolf und Hyäne bevölkern die Wälder Nord-
amerikas; auf den weiten Ebenen haust die als Prairiewolf be-
kannte Spielart. Von Bären sind, den polaren hohen Norden außer
acht gelassen, drei Arten vorhanden, von denen jedoch nur eine auch
nach Südamerika übergreift; zwei derselben werden wenig gefürchtet,
umsomehr dagegen der dritte, der graue (grizzly, grißli) Bär.
Der einzige amerikanische Dickhäuter, der Tapir, ist auf deu 8 be-
schränkt. Der früher die weiten Prairien bevölkernde Amerikanische
Büffel oder Bison ist durch unablässige Verfolgung jetzt in die
entlegensten Gegenden zurückgedrängt; Hirsche nnd Antilopen
sowie das Geschlecht der zahlreichen Nagetiere werden noch häufiger
angetroffen. Echt amerikanische Sängetiersormen sind der Ameisen-
bär, das dem australischen Käuguruh (s. S. 222) verwandte
Opossum, das Gürteltier oder Armadill und das Faultier,
und auch an Affen besitzt Amerika viele ihm eigentümliche Formen.
Ein in Europa fast ganz vernichtetes wertvolles Tier, der Biber,
baut noch in großen Mengen seine kunstvollen Dämme im nord-
amerikanischen Prairien- und Seengebiete, obwohl gerade ihm von
einer bestimmten Klasse einzig mit Jagen und Fallenstellen be-
schästigter Leute, den sogenannten Trappern, auf das eifrigste
nachgestellt wird.
Amerika; Pflanzen- und Tierwelt. 243
Allenthalben in ganz Amerika finden sich Papageien, Vögel.
Tukans (Pfeffersresser) und die kleinen reizenden Kolibris. Diese
letzteren Vögel besitzen die größte klimatische Widerstandskraft; sie
bevölkern ebenso die eigentliche Tropenzone wie die 8 - Seite der
schmalen Halbinsel Alaska, an deren X-Seite bereits Walrosse und
andere Tiere der Polarwelt ihr Wesen treiben. Die s Kordilleren
sind der Aufenthaltsort des größten Flng- und Raubvogels, den es
gibt, des Kondors; in den Pampas treiben sich in großen Rudeln
die Nandus oder Südamerikanischen Strauße umher, welche
der Trapper des Südens, der reitkundige Gaucho (Gautscho), mittelst
der Bolas, zusammengebundener Eisenkugeln, zu sangeu weiß. —
Alle gezähmten Vögel sind hingegen europäischen Ursprunges.
Das Amerikanische Krokodil bewohnt den 3 Teil
des Mississipi - Beckens und das ganze tropische Amerika. Un-
gemein zahlreich sind, vorab in Brasilien, die Giftschlangen,
doch erreicht kaum eine derselben an Gefährlichkeit das einzige im
südlicheren Nordamerika weit verbreitete Reptil dieser Art, die
Klapperschlange. Die furchtbare Lauzeuschlange, welche in den
Zuckerrohrpflanzungen einiger Inseln der Karaibischen See ihren
Schlupfwinkel hatte, ist jetzt fast gänzlich ausgerottet. Weit weniger
fürchtet man die große Riesenschlange (Boa Constrictor), welche
vielmehr da nnd dort gewissermaßen als eine Art Haustier betrachtet
wird. Von deu Eidechsen ist der gigantische und durch seiu Aus-
sehen Schrecken erregende, dabei aber höchst harmlose Leguau zu
bemerken. In den Flüssen, zumal der Llauos verbergen sich
masseuhaft Elektrische Fische (Zitteraal, Zitterwels u. s. w.),
welche iu ihrem Innern eine starke galvanische Batterie *) tragen
und dem sie Berührenden lebensgefährliche Schläge zu versetzen
vermögen. Die riesigen Ameisen uud die blutdürstigen Stech-
fliegen oder Muskitos verschonen Amerika mit ihrer Gegenwart
ebensowenig wie irgend ein anderes tropisches Land. Ein besonders
für Zentralamerika wichtiges Nutzinsekt ist die Kermes-Schildlaus,
deren Eier einen schönen roten, als Farbstoff sehr geschätzten Saft
enthalten. — Die Meeresküste wimmelt von Fischen; zumal auf der
Bank von Neu-Fouudlaud sind die ergiebigsten Fischereiplätze; die
Nachstellung gilt dem Dorsch, dem Häriug und am meisten dem
Kabeljau, der im getrockneten Znstande, je nach der Art der Zu-
bereitung, Klipp- oder Stockfisch genannt wird. Auch beherbergt
*) Ein Hinweis auf die in der Heilkunde und beim Telegraphieren ver-
wendeten, jedermann bekannten Apparate kann auch auf dieser Stufe einen
Begriff von den Dingen vermitteln, während allerdings eine sachliche Darlegung
des Wesens der gegen das Ende des 18. Jahrhunderts von dem italieni-
schen Naturforscher Galvani entdeckten Naturkraft hier noch nicht gegeben
werden kann.
16*
244 IV. Außereuropäische Erdteile.
Nordamerikas Atlantische Küste Kephalopodeu oder Polypen,
deren Fangarme eine Länge bis zu 10 m und mehr erreichen.
§ 37. Ethnographisches.
Indianer. Die gesamte Urbevölkerung des Erdteiles, den polaren N
wiederum ausgenommen, stellt eine einheitliche Rasse dar, zu deren
Bezeichnung, wie bekannt, der an sich ganz unzutreffende Name In-
dianer*) im Gebrauch steht. Hautfarbe ist bräunlich in verschiedenen
Schattierungen, bei vielen Stämmen Nordamerikas kupferrot (Rot-
häute), das Haar lang, schlicht und glänzend schwarz, der Gesichts-
ansdrnck düster; die Backenknochen treten weit hervor. Daß die
Rasse als solche bildungsfähig ist, beweist der Umstand, daß die
erobernden Spanier in Mexiko und Peru wohlgeordnete Reiche (der
Azteken und der Jnkas oder Sonnenkönige) vorfanden, deren Be-
wohner in vielen Punkten kulturell hinter den damaligen Europäern
nicht zurückstanden, von deren Thatkraft heute noch gewaltige, mit
Kunstsinn aufgeführte Bauwerke Zeugnis ablegen (Sonnentempel von
Cuzko in Peru, Terrassenbau von Uxmal in Aukatan). Auch die
jesuitischen Missionäre des vorigen Jahrhunderts machten mit der
Erziehung der Indianer von Paraguay zum Ackerbau u. s. w.
gute Erfahrungen, und ebenso ist es gelungen, einzelne nordameri-
kanische Stämme (die Tscherokesen und Choetaws) zu seßhaftem
Leben, zum Bestellen der Felder n. s. w. zu bringen. Im ganzen
aber bleibt der Indianer Jäger und Nomade — Hirtenvölker hat
es in Amerika niemals gegeben —, und es besteht, obwohl aller-
dings bewährte Forscher ans dem Gebiete der Völkerkunde anderer
Ansicht siud, die Gefahr, daß die vordringende Zivilisation mit diesen
Autochthonen bald vollständig aufräumen werde.
nimikan Man teilt die Indianer Südamerikas in drei Gruppen. Die
Stämme, größte derselben ist die brasilianisch-guyanische, welche den N
und das Zentrum des Kontinentes bewohnt. In kleine Stämme
zerfallend, ohne Spur politischer Ordnungen, leben die Angehörigen
dieser Gruppe großenteils im reinsten Naturzustande, so die erde-
essenden Botokuden am Orinoko und noch mehr die Xingü-
Indianer, zu denen die Forschung erst in den allerletzten Jahren
durchgedrungen ist. Diese Leute behelfen sich, da sie die Verarbeitung
der Metalle nicht kennen, noch ebenso mit Steingerätschaften,
*) Als Columbus (f. u.) die ersten amerikanischen Inseln aufgefunden
hatte, glaubte er, weil er die Erdkugel für viel kleiner hielt, als sie wirklich
ist, an der Ostküste Asiens, im eigentlichen Indien, angelangt zu sein. Aus
diesem Grunde nannte man auch die Einwohner des Landes Indianer; als
man später den Sachverhalt erkannte, behielt man doch für die Inselwelt
Amerikas den freilich nicht recht paffenden Namen Westindien bei.
Amerika; Ethnographisches. 245
wie dies die Urahnen der Europäer im Beginne der vorgeschichtlichen
Zeit thaten. — Etwas höher steht die Gruppe der Pampas-
Völker, zu denen die Patagonier gehören, und diese letzteren
leben immerhin schon in einem, wenn schon sehr locker gefügten
Staatswesen, Nur die Bewohner der Insel Feuerland, Pescheräh s
genannt, sind der Ungunst ihres Klimas halber auf der tiefsten,
überhaupt von Menschen eingenommenen Stufe verblieben. — Den
verhältnismäßig höchsten Stand nehmen ein die Andes-Völker.
Der bedeutendste Stamm unter ihnen ist derjenige der alten
Araucauer im mittleren Chile, welche Jahrhuuderte lang ihre
Unabhängigkeit gegen die Spanier in blutigen Kämpfen behaupteten
und auch der Republik Chile gegenüber sich bis zum heutigen Tage
eine bevorzugte Stellung bewahrt haben.
Die Übereinstimmung aller dieser Stämme in Körpergestalt,
Gebräuchen nnd Religionsanschauungen — Glaube an den guten
Geist Manitn — ist eine sehr merkwürdige. Ehedem bewohnten
die Rothäute den ganzen Kontinent; heutzutage finden sie sich unabhängig
nur noch im nördlichen Mexiko (Apachen) und in den weiten Ge-
bieten zwischen dem nördlichen Felsengebirge und Eismeer (Tschippe-
wähs, Kntschin- und Iukou-Jndianer); hier, im äußersten N, ist
der reine Typus des Indianers mit Federschmuck, Bogen und Pfeil
noch am besten erhalten. Die Urbewohner des Unionsgebietes hat
man gezwungen, sich in mehreren für sie bestimmten Distrikten,
Jndian Reservations (Reserwäschens) genannt, niederzulassen,
und hier leben denn also die kümmerlichen Überreste der dereinst
berühmten Stämme der Schoschonen, Komantschen, Sioux,
Schwarzfüße, Kiowas, Osageu u. s. w. beieinander. Leider werden
die diesen Indianern zugesicherten Rechte nicht immer so geachtet, wie
es Pflicht wäre; so hat erst in diesem Jahre (1889) die Regierung
einen Teil des Jndianerlandes abgetrennt (Bezirk Oklahoma) und
weißen Ansiedlern sich daselbst niederzulassen gestattet. In kleinen
Scharen umherstreifend, findet man wohl auch noch Seminolen
auf der Halbinsel Florida, Mohaves (Mohäss) und Clnb-Jn-
dianer in den Wildnissen der westlichen Gebirge, und ganz stirbt
der kleine Grenzkrieg gegen die noch freien oder aus dem ihnen
angewiesenen Bereiche flüchtigen roten Männer niemals ab. Es
gibt übrigens auch uordamerikanische Indianer, welche in Dörfern
oder Höhlenwohnnngen leben und sich äußerlich zur katholischen
Religion bekennen; es sind dies die Pueblos und Zunis in den
früher zu Mexiko gehörigen Ländern Arizona und Neu-Mexiko,
Stämme, die wahrscheinlich zu den alten Azteken (s. o.) in naher
Verwandtschaft stehen.
In ganz Amerika werden, von den Indianern selbstredend Ein-
abgesehen, fast nur drei Sprachen gesprochen, und damit ist zu- aewanderte.
gleich angedeutet, aus welchen europäischen Ländern die gegenwärtigen
V
246 IV. Außereuropäische Erdteile.
Herren Amerikas vorwiegend stammen. Französische und hollän-
dische Ansiedler findet man in Guyana und ans einigen Inseln; im
übrigen spricht Brasilien Portugiesisch, das ganze übrige Süd-
amerika sowie Zentralamerika spanisch und das gesamte Nordamerika
englisch; im äußersten NW ist ein Rest der ehemaligen russischen
Kolonie noch vorhanden. Diejenigen Bewohner der portugiesisch-
spanischen Staaten, welche eine nnvermischte Abstammung von den
Europäern nachweisen können, heißen Kreolen; die Mischung Weißen
und indianischen Blutes ergibt die Mestizen. Auch in den Süd-
staaten der nordamerikanischen Union gibt es viele spanische und
noch mehr französische Kreolen. Im übrigen ist die Mehrzahl der
nordamerikanischen Einwanderung angelsächsichen Ursprunges;
doch gibt es daneben sehr viele Skandinavier, Jrländer und —
als ein von den vernünftigen Amerikanern sehr gern gesehenes Volks-
element — 'Deutsche. Meist bevorzugen diese Bestandteile die
mittleren und westlichen Gebiete; den englisch - amerikanischen
Charakter wahrten sich am reinsten die den äußersten NO der Union
bildenden Neuengland staaten, deren Angehörige den Scherznamen
Uankees (Jänkihs) tragen. Das britische Nordamerika besitzt noch
heute eiueu stattlichen französischen Bruchteil. Neuerdings hat auch
in Südamerika die. europäische Einwanderung stark zugenommen; die
Italiener und Südsrauzoseu wenden sich zumeist nach Argen-
tinien, die Deutschen nach dem südlichen Brasilien, wo sie günstige
Vorbedingungen für die Anlage von Ackerbaukolonien zu finden ver-
sichert sind.
Negerin Da die schwächlichen Indianer den Feldarbeiten, welche ihnen
Amerika, von ihren spanischen Zwingherren aufgebürdet wurden, sich durchaus
uicht gewachsen zeigten, so verfiel um 1510 der Priester Las Casas
auf den Gedanken, die kräftigeren Neger, denen ja das Klima kein
fremdes sein konnte, aus Afrika herüber zu bringen. Der an sich
menschenfreundliche Vorschlag gab leider den Anstoß zu dem entsitt-
lichenden Sklavenhandel, der drei Jahrhunderte lang die Schande
der Menschheit bildete. Der Krieg, der mit der Vernichtung des
der Sklaveuhalterei günstigen Sonderbundes endete, brach die Fesseln
der Unglücklichen 1865 in ganz Nordamerika, und allmählich folgte das
gesamte amerikanische Festland nach, bis anch in allernenester Zeit
Brasilien die Freigebung aller schwarzen Arbeiter dekretierte. Nur
auf den von Spanien beherrschten Inseln besteht die Sklaverei teil-
weise noch fort. Man trifft in Amerika vielfach noch den reinen
Afrika-Neger mit tiefdunkler Hautfarbe, daneben aber alle nur mög-
lichen Übergänge zur weißen Haut. Diese Menschen nennt man
insgesamt Farbige und je nach dem Grade ihrer Annäherung werden
sie als Zambos, Mulatten, Qnadronen bezeichnet. Daß in
dem kurzen Zeitraum seit ihrer Befreiung die Neger es noch nicht
recht verstanden haben, ihre Lebensweise derjenigen der kreolischen
Allgemeines über die politischen Verhältnisse Amerikas. 247
und eingewanderten Bevölkerung anzupassen, kann vernünftigerweise
nicht befremden.
Der Umstand, daß es kein genügsameres und arbeitskräftigeres Wimm in
Volk gibt, als die Chinesen (f. S. 183), hat zur Folge gehabt,
daß kluge Unternehmer ganze Schiffsladungen chinesischer Kulis
(f. S. 214) nach Amerika brachten, wo sie bei Eisenbahnbauten und
in Bergwerken unübertreffliche Dienste leisten. Dadurch aber, und
weil sie mit ganz geringen Löhnen zufrieden find, erregten sie den
Neid der übrigen Arbeiter, und auch die andere Bevölkerung steht
ihnen feindlich gegenüber, weil die asiatischen Einwanderer sich schroff
absondern, in den Städten eigene chinesische Stadtviertel von nicht
eben gutem Rufe begründen und möglichst rasch in ihre Heimat
zurückzukommen trachten, wohin sie selbst ihre Toten regelmäßig
überführen. Im Jahre 1870 ergab die Volkszählung etwa 60 000,
im Jahre 1880 bereits über 100 000 Chinesen in den Vereinigten
Staaten, und so haben sich diese zur Erlaffnng eines Prohibitiv-
gesetzes entschlossen, welches die Einfuhr ueuer Kulis nur unter
besonderen, im allgemeinen nicht leicht erfüllbaren Bedingungen gestattet.
§ 38. Allgemeines über die politischen Verhältnisse Amerikas.
Durch die großeu Befreiungskriege, welche die Nordamerikaner
von 1775—1782 gegen die Engländer, die Bewohner Zentral- und
Südamerikas zu anfang des gegenwärtigen Jahrhunderts gegen die
Spanier führten, wurde die europäische Herrschaft auf dem amerika-
uifcheu Festlande nahezu gänzlich beseitigt. Nur England gebietet
noch über das nördlichste Nordamerika, Spanien, England,
Frankreich und die Niederlande teilen sich in den Besitz der
amerikanischen Inselwelt, und die letztgenannten drei Staaten haben
auch Anteil an der Küste von Guyana. Brasilien trennte sich
1822 in beiderseitigem Einverständnis von seinem Mutterlande
Portugal und konstituierte sich als Kaiserreich — der einzige
einheimische monarchische Staat in ganz Amerika. Die Union
sucht dem Anlegen europäischer Kolonien alle möglichen Schwierig-
keiten zu bereiten; denn die nach einem früheren Präsidenten so be-
nannte Monroe-(Mönro-)Doktrin fordert die Fernhaltung des
Einflusses der Monarchien Europas vom amerikanischen Boden. So
haben denn anch die Vereinigten Staaten wesentlich dazu beigetragen,
daß das zu Beginn der sechziger Jahre an die Stelle der Republik
gesetzte Kaisertum Mexiko — regiert von dem Habsburger-
Maximilian und geschützt von Napoleon III. — keinen Bestand
gewinnen konnte. Auch scheint gar nicht unmöglich, daß mit der
Zeit das heute noch britische Nordamerika den sprach- und stamm-
248 IV. Außereuropäische Erdteile.
verwandten Vereinigten Staaten zufallen werde. — Dieser allge-
meinen Einleitung lassen wir nunmehr die Durchmusterung der ein-
zelnen Staaten nachfolgen.
§ 39. politische Geographie von Südamerika.
Brasilien, 1. Der weitaus größte Staat Südamerikas ist das Kaisertum
Brasilien. "Der Kaiser stammt aus dem portugiesischen Königshause
Bragan^a und regiert strenge konstitutionell, so daß also ein Ober-
und ein Unterhaus die Verwaltung des Landes mitbesorgen. Bra-
silien hat einen Flächeninhalt von 8300000 qkm; seine Bevölkerung
betrug nach der Schätzung, die 1883 vorgenommen wurde, fast genau
13000000, ^ wovon etwa 1300000 Sklaven und 600000 freie
Indianer waren (s. 0.). Das weite Gebiet zerfällt in 20 Provinzen,
wozu noch das Stadtgebiet —Mnnicipio— der Hauptstadt Rio
de Janeiro (Tschanehro) kommt. — Diese prächtige Residenz rühmt
sich auch eines ausgezeichneten Seehafens; sie zählt mit ihren Vor-
orten über 400000 Einw. uud läßt an Bewohnerzahl alle übrigen
Städte weit hinter, sich. Ihr zunächst kommen die Hasenstädte Bahi a
mit 140000 Einw. und Pernambuco mit 130 000 Einw.;
ParÄ am Ausflusse des Amazonas hat 40000 Einw., CnyabÄ,
der Hauptort der ausgedehnten Zentralprovinz Matto Grosso,
deren etwa 10000. Viele blühende Absiedlungen — Porto Alegre,
Blumenau, Germania — haben (s. 0.) deutsche Einwanderer in
den südlichen Provinzen Santa Catarina und Rio Grande do
Sul ins Leben gerufen. Im ganzen kann man sagen, daß Brasilien
unter seiner Größe leidet; seine reichen wirtschaftlichen Qaellen sind
noch wenig erschlossen, die Verkehrswege mangelhast; 1887 waren
erst 8000 km Eisenbahnlänge vollendet. Wer Güter von Rio nach
Cnyaba, zu bringen unternimmt, muß, da das Innere ziemlich psad-
los ist, den weiten Umweg über Buenos Aires (s. n.) machen und
von dort per Dampser deu Paranä. hinauffahren. Nur mittelst des
Amazonas (f. 0.) erscheint das Binnenland der Küste etwas näher
gerückt. Brasilien ist das erste Kasfeeland der Erde und reich
an Diamanten, nnd diese beiden Artikel führt es natürlich
auch in erster Linie aus, daneben noch Caeao, Kautschuk, Färb-
Hölzer, Tierhäute, Chinarinde und sonstige Drognen (Drogen) aller
Art. Die atlantischen Inseln Trinidad, St. Paul und Fer-
nando do Noronha bilden einen Bestandteil Brasiliens.
La Plata- 2. Wegen der Gleichartigkeit ihrer geschichtlichen, wirtschaftlichen
staaten ^ politischen Verhältnisse pflegt man die drei Freistaaten Argen-
tina (Argentinien, Silberland), U^uguay und Paraguay stets zu-
sammensassend zu behandeln. Die argentinische Republik umfaßt
Politische Geographie von Südamerika. 249
14 Provinzen und 4 Territorien*), hat 2800000 qkm Inhalt
und etwa 3000000 Einw.; Uruguays Flächeninhalt beträgt 190000
qkm, seine Bewohnerzahl 600000, und bei Paraguay sind die ent-
sprechenden Zahlen 240000 und 370000. Die Hauptstädte sind
bezüglich Buenos Aires (Gute Lüfte) mit 420000 Einw, Monte-
video mit 120000 Einw. und Assuncion mit 25000 Einw. Die
beiden erstgenannten sind schöne moderne Städte mit Prachtbauten
und gradlinigen Straßen. Die übrigen Städte sind nur in Argen-
tina noch von einiger Bedeutung: Cordoba (Sitz einer viele deutsche
Professoren aufweisenden Universität) mit 50000 Einw., Rosario
mit über 40000 Einw., das zum Handelsverkehr mit der Pazifischen
Küste vorteilhaft gelegene Mendoza mit 20000 Einw. Die
drei Länder zeichnen sich durch eine außerordentlich entwickelte
Viehzucht aus; man exportiert nicht nur lebende Tiere, sondern
auch frisches Schlachtfleisch in Eisverpackung und stellt in großen
Mengen den bekannten Fleischextrakt her. Besonders bekannt sind
die Viehmärkte von Salta und die einen gewaltigen Raum eiu-
nehmenden Schlächtereien von Fray Bentos in Uruguay. — Para-
guay beginnt sich erst jetzt allmählich von den Wunden zu erholen,
welche die verkehrte Staatsverwaltung der unumschränkt regierenden
Präsidenten Garcia (Garsia) und Lopez (Lopes) ihm geschlagen
hat. Der letztgenannte wußte die drei Nachbarstaaten Brasilien,
Argentinien und Uruguay derart gegen sich aufzubringen, daß sie
zu seinem Sturze 1864 ein Bündnis schlössen; obwohl die Be-
wohner Paraguays sich heldenmütig verteidigten, so mußten sie doch
der Übermacht erliegen, und als es, nachdem Lopez 1870 gefallen
war, zum Frieden kam, war aus dem fruchtbaren Staate nahezu
eine Wüste geworden. Noch jetzt gibt es in Paraguay bedeutend
mehr Frauen als Männer.
3. Der am kräftigsten aufstrebende Freistaat Südamerikas ist ohne Chile.
Zweifel das den schmalen Küstensaum zwischen dem Kap Hoorn und
dem 20. Grad s Br. einnehmende Chile. Ein glücklicher, unlängst
erst durch einen überaus günstigen Frieden beendigter Krieg mit den
beiden Nachbarrepubliken Peru und Bolivia hat Chile ansehnlich
vergrößert, so daß es gegenwärtig 750000 qkm mit 2600000 Einw.
umfaßt. Das Heer- und Unterrichtswesen ist hier weit besser ein-
gerichtet als in irgend einem anderen Staate Südamerikas. Auch
wirtschaftlich hat Chile durch jenen Krieg erheblich gewonnen, indem
es von Bolivia die ungeheuren Salpeterlager der Wüste Atacg-ma,
*) Hier, wie in Australien und Nordamerika (s.u.), bezeichnet mau als
Territorium einen Bezirk, der noch eiue zu geringe Bevölkerungsziffer auf-
weist, um einer ganz selbständigen Verwaltung teilhaftig werden zu können,
©rst dann, wenn die Einwohnerzahl anwächst, kann aus dem Territorium, wie
dies im Gebiete der Union auch erst ganz kürzlich geschah, eine besondere
Provinz oder ein autonomer Staat werden
250 IV. Außereuropäische Erdteile.
von Peru die kleinen Gnano-Inseln eroberte, auf welchen
seit Jahrtausenden der als Dünger sehr geschätzte Mist der
Seevögel in solcher Menge angehäuft ist, daß man denselben
förmlich bergmännisch abbauen muß. Auch au Industrie fehlt es
nicht, zu deren Belebung hauptsächlich die zahlreiche deutsche Ein-
Wanderung mitwirkt; Eisenbahnen und Telegraphenlinien sind
zu bedeutender Entwicklung gelangt. Hauptstadt ist Santiago
(200000 Einw.), dessen Hafen das schön gelegene Valparaiso
(100000 Einw., paradiesisches Thal) darstellt; außerdem sind im 8
Valdivia, im N Copiapü und Antofagasta, der Stapelplatz des
Salpeters, besuchte Hafenplätze. Zu Chile gehört das halbe Feuer-
laud und eine Anzahl Küsteninseln, wovon Chilöe die größte ist;
dazu kommen noch im großen Ozean die Eilande San Felix, San
Ambrofio, Mifa-Fnera und Juan Fernandez (Ehnan Fer-
nändes); au^ dieser letzteren führten im 17. Jahrhundert ein
Indianer Robin und später ein Schotte Selkirk ein abenteuerliches
Einsiedlerleben, dessen Peschreibung die sogenannten R obinfonaden
im Gefolge hatte.
Boiww. 4. DieRepnblikBolivia (jetzt noch 1140 000 q1<m, 2300000E.)
ist durch ihren Mißerfolg gegen Chile und besonders durch die Abdrängung
vom Meere schwer- geschädigt worden. Politische Hauptstadt, Sitz
des Präsidenten, ist Sucre mit 17000 Einw.; volkreicher aber sind
La Paz (Friedensstadt) mit 45000 Einw., Cochabamba (Cofcha-
bämba) und Potosi. Diese letztere Stadt ist berühmt durch ihre
Silberbergwerke, und Silber ist denn auch der oberste Ausfuhr-
artikel Bolivias. Der Export will jedoch wegen Mangel an Ver-
kehrsmitteln nicht viel bedeuten; mit dem Bau von Eisenbahnen ist
kaum ein Anfang gemacht.
Peru. 5. Der Freistaat Peru trüge nach seiner natürlichen Beschaffen-
heit alle Elemente eines glücklichen Gedeihens in sich; alleiu der
mehrerwähute Krieg und fortdauernde bürgerliche Wirren lassen den
Wohlstand uicht recht aufkommen. Das Land hat über 1000000 qkm
mit 3000000 Einw. Die Hauptstadt Lima hat 100000, die nahe
gelegene Hafenstadt EalUo 35000 Einw.; ein anderer namhafter
Hafen ist Jslay bei Areqnipa. Guauo, Salpeter, Apotheker-
pflauzeu und vor allem die Wolle des einheimischen Schafkameles
oder Lamas find die Artikel, mit welchen Peru auf dem Weltmarkte
erscheint. Nachzurühmen ist dem Staate, daß er sehr viel für das
Verkehrswesen gethau hat; er kann sich rühmen, die beiden zu den
höchsten Punkten hinauf führenden Bahnen der Erde zu besitzen:
die Bahn Lima-Oroy^ (3780 m) nnd Jslay-Arequipa-Puuo (an:
Titieaea-See, über 3800 m). Tie Technik mußte bei dem Bau dieser
Eifeustraßeu ganz neue Mittel zur Überwindung der ungeheuren
Steigungen anwenden (Drehscheiben an jeder Winkelspitze der in
Serpentinen ansteigenden Bahnlinie.)
Politische Geographie von Südamerika.
251
6. Nach ihrer Lage unter dem Äquator so benannt, zählt die Ecuador.
Republik Ecuador 650000 Inhalts und 1 500000 Einw. Ihre
Hauptstadt Quito (80000 Einw.), umfingt von den höchsten Anden-
gipfeln, liegt 2850 m hoch und ist deshalb die höchstgelegene nam-
haste Stadt des Erdkreises. Die einzige nennenswerte Hafenstadt ist
Gnayaquil (40000 Einw., Cacaoausfuhr). Aus Ecuador kommt
die beste Chinarinde (s. o.) in den Handel. Zu dieser Republik
gehören auch die ozeanischen Galapägos-Jnseln.
7. Ehedem Neu-Grenada genannt, zerfällt die Republik Columbia.
Columbia in neun Regieruugs - Departements, die zusammen
830000 qkm mit gegen 4000000 Einw. ergeben. Ihr gehört
politisch die (f. o.) geographisch schon zentralamerikanische Landenge
von Danen zu. Neben der im Inneren gelegenen Hauptstadt Santa
Fe di Bogota (auch blos Bogota) mit 100000 Einw. kommen als
größere Städte Medellin mit 30000 Einw. und Panama mit
20000 Einw. in betracht. Die einheimische Industrie liefert die
allüberall wohlbekannten Panama-Stroh hüte.
8. wvonColumbia, 8vouBrasilien begrenzt, umfaßt Venezuelas
(1640000 qkm, 2200000 Einw.) das Gebiet des Orinoko. Ad-
ministrativ zerfällt der leider durch Bürgerkriege vielfach beunruhigte
Freistaat in 8 Staaten, 5 Territorien (f. S. 249) und den Muni-
zipaldistrikt der Hauptstadt. Hiezu kommt noch die Küsteninsel
Margarita, geehrt als Wiege der südamerikanischen Freiheit, denn
von hier aus begann im Jahre 1811 General Bolivar den Kampf
gegen die Spanier. Hauptstadt ist Caracas mit über 70000 Eiuw.;
Valencia hat deren 36000, Maracaibo sast ebensoviel. Kaffee,
Cacao uud andere Tropengewächfe, wie insbesondere die unter dem
Namen Dividivi gehenden Gerbschoten (zum Gerben und Schwarz-
färben) werden aus Venezuela ausgeführt.
9. Die Landschaft Guyana zerlegt sich in einen britischen, Guyana
niederländischen und französischen Gebietsanteil; Hauptorte
sind Georgetown (Dschordschtauu), Paramaribo und Cajenne
(Cajenn). Der Plantagenbau wird in den tropisch fruchtbaren
Ländern schwunghaft betrieben; doch verbietet das höchst ungesunde
Klima ausgiebigere Ausiedlung von Europäern. Besonders schlimm
sieht es aus in Französifch-Guyaua, welches das Kaisertum Na Po-
leous, aller Menschlichkeit Hohn sprechend, zum Deportationsorte
*) Der Name rührt von den spanischen Eroberern her, welche am
Strande mehrere auf Pfählen erbaute, mitten im Waffer gelegene Indianer-
dörfer antrafen und diese mit Venedig (Venezuela ^ Klein-Venedig) verglichen.
Im Jahre 1528 verlieh Kaiser Karl V. dem Augsburger Kaufherrn Bar-
tholomäus Welser Venezuela als Pfaud, und dieser sandte, um seine
Rechte geltend zu machen, den deutschen Söldnerführer Alfinger mit Mann-
fchaft hinüber; indeß vermochte der Kaiser das verpfändete Gebiet bald wieder
einzulösen.
252
IV, Außereuropäische Erdteile,
für Verbrecher ausgewählt hatte. Seit 1871 verfährt man humaner
und siedelt die zur Verbannung Verurteilten in Nen-Kaledonien
(s. S. 228) an.
§ HO, politische Geographie von Zentralamerika.
Republiken 1. Der Raum zwischen den Isthmen von Darien nnd von Tehnantepee
(f. S. 230) wird der Hauptsache uach erfüllt von fünf Republiken,
deren jede völlig unabhängig ist. Es sind dies, wenn wir von 8
nach N fortschreiten, Costarica, Nicaragua, Sau Salvador,
Honduras und Gnatemäla. Die Flächeninhalte der fünf Staaten
sind in Quadratkilometern bezüglich durch die Zahlen 52 000,
134 000, 19^000, 120 000 und 121 000, die Einwohnermengen
durch die Zahlen 210 000, 260 000, 640 000, 330 000 uud
1 360 000 gegeben. Wichtigere Städte sind in Costarica San
Jose, Cartago, die Hafenplätze Limon und Pnnta Arenas, in
Nicaragua Leon und Corinto, in San Salvador die gleichnamige
Hauptstadt, in Honduras Comayagna uud der atlauische Hafen
Truxillo, endlich in Guatemala die ebenso genannte Hauptstadt
und der pazifische Hafeu San Jose. Staatsverfassung und
sonstige Einrichtungen sind in allen fünf Staaten die gleichen; am
besten ist es wohl mit Costarica bestellt, namentlich auch im Punkte
des Schulwesens. Das vulkanische Land eignet sich, von den nnge-
sunden Küsten abgesehen, sehr wohl für den Ackerbau; doch wird
nur Kaffee und Indigo in größeren Mengen ausgeführt. Sehr
energisch wird auch die Produktion der Cochenille, des roten
Farbstoffes der Kermes-Lans (s. S. 243) betrieben, wovon zumal
Guatemala früher gewaltige Quantitäten lieferte; allein der Auf-
schwuug der Theerfarben-Jndnstrie in Enropa hat nenerdings
die Nachfrage nach diesem Artikel sehr beschränkt, zum empfindlichen
Schaden der zentralamerikanischen Staaten.
Mosquito- 2. Dem Namen nach Nicaragua angehörig, ist doch in der That
eng^Besitz-vollständig unabhängig die Atlantische Küstengegend dieses Staates,
anteil, Sie wird bewohnt von den Mosqnito-Jndianern, die sich zu
einer gewissen Zivilisation emporgearbeitet haben; Hauptort ihres
Gebietes ist Blewsields (Bliufihlds). Andererseits hat England
ein Stück von Honduras für sich in besitz genommen; das Terri-
torium Britifch-Honduras umfaßt 20000 qkm und 30000 Einw.
mit der Hauptstadt Belize. Von diesem Hafen wird viel Maha-
goniholz exportiert.
Republik 3. Der größte Staat Mittelamerikas ist die Republik Mexiko
Mexiko (1950000 qkm, 10 500 000 Einw.), der auch die im pazifischen
Meere gelegenen Revilla-Gigedo-Jnseln unterstehen, n wird
Mexiko begrenzt von den Bereinigten Staaten, an welche es 1840
Politische Geographie von Zentralamerika. — Vereinigte Staaten. 253
infolge eines unglücklichen Krieges drei Provinzen abtreten mußte,
s von Guatemala und Britifch-Honduras, ö und w vom Meere.
Eigentlich steht der stets ans eine Reihe von Jahren gewählte Prä-
sident an der Spitze eines Bundes von 27 Einzelstaaten, die eiu
großes Maß von Selbständigkeit besitzen; dazu treten dann noch der
hauptstädtische Distrikt und ein Territorium (s. S. 249). Die Haupt-
stadt Mexiko hat 300 000 Eiuw., Guadalajara (Gadalachära)
kommt ihm mit 80 000 Einw. am nächsten. Ferner nennen wir
noch das gewerbthätige Puebla (75 000 Eiuw.), die Bergwerksstadt
San Louis de Potosi (35 000 Eiuw.) uud die beiden Hafenstädte
Veracruz (Werakrüs) und Acapulco, resp. am Mexikanischen Golf
nnd an der Südsee. Die sehr abgelegene Provinz Dukatan besitzt
als Hauptort Merida (40 000 Einw.) und den besuchten Hasen
Campöche, während das gleichfalls entlegene Niedercalifornien nur
eine einzige größere Stadt in La Paz sein eigen nennt. Mit den
Grenzprovinzen steht die Hauptstadt uur in lockerster Verbindung;
die Entfernungen sind groß, die Wege schlecht uud durchaus uicht
sicher; doch sind endlich die beiden Hauptbahuen, welche die Stadt
Mexiko mit dem Hasen Veracruz und mit der am Rio Grande ge-
legenen Grenzstation El Paso bei Norte verbinden, zustande ge-
kommen. Die Republik führt viele edle uud andere Metalle, sowie
Tropeugewächse aller Art aus; die unter den aztekischen Herrschern
(s. S. 244) hoch entwickelte Industrie ist sehr zurückgegangen, und
uur die Mattengeflechte von Puebla sowie die Federstickereien
uud die Gold- und Silberarbeiten von Guadalajara haben ihren
alten Ruf bewahrt.
§ Die Vereinigten Staaten.
a) n grenzt das Gebiet der oft auch als Union bezeichneten Grenzen.
Vereinigten Staaten von Nordamerika an die englischen Be-
sitzuugeu, w an den Stillen, ö an den Atlantischen Ozean, s an die
Republik Mexiko uud au den Mexikanischen Meerbusen. Im äußersten
NW liegt völlig isoliert das Territorium Alaska. Mit demselben
breitet sich die Union über 9 070 000 qbm aus, aus denen nach
einer 1887 vorgenommenen Schätzung — eine geuaue Zählnng soll
erst stattfinden — 59 000 000 Einw. sich befinden (Alaska und die
Jndianerstämme sind dabei nicht mitgerechnet).
b) Die Union ist eine Föderativrepublik, dereu Bestandteile Verfassung,
sich einen hohen Grad von Autonomie bewahrt uud der Zentral-N'wtfse.
regierung nur einen Teil ihrer Machtbefugnisse abgetreten haben.
An der Regierung nehmen teil 42 Staaten*); die 6 Territorien, der
*) Dacotah, Idaho, Wyoming und Montana wurden erst 1886 aus
Territorien zu Staaten (f. S. 249) erhoben.
254
IV. Außereuropäische Erdteile.
Distrikt Columbia, worin die Hauptstadt liegt, die Indianer-
Reservationen und noch mehr natürlich das noch gänzlich unorgani-
sierte Gebiet in den westlichen Gebirgen entbehren gleicher politischer
Rechte. Das oberste Regiment führt der Präsident (von 1889—93
General Harrison), dem ein Kongreß —■ bestehend aus Senat
und Repräsentantenhaus — sowie sieben, den europäischen Staats-
miuistern gleich zu achtende Staatssekretäre zur Seite stehen.
Außerordentlich hoch entwickelt ist in Nordamerika das Schulwesen,
obwohl der Staat sich wenig um dasselbe kümmert. Dagegen beruht
die Landesverteidigung fast allein auf der Miliz; denn das kaum
30000 Maun zählende stehende Heer ist aus den Grenzposten
oder zur Bewachung der Indianer im Inneren verwendet. Nnr die
Flotte (140 meist ältere Kriegsschiffe) ist ein Gegenstand lebhafterer
staatlicher Fil^sorge. — Auffallend groß ist in Nordamerika die
Religionsverschiedenheit; kein Land der Erde beherbergt eine
solche Menge christlicher Sekten. Bemerkenswert darunter sind
die Methodisten, bie> den Kriegsdienst verabscheuenden Quäker
und die Mormonen, welche sich im W einen eigenen Staat nach den
Grundsätzen des alten Testamentes — auch die Vielweiberei ist zu-
gelassen — eingerichtet haben. In den letzten Jahren beginnt die
Unionsregierung sehr scharf gegen das Mormonentnm und seine
Unsitten vorzugehen.
Gruppen! c) Saaten teilen wir bequemeren Überblickes halber iu
Gruppen ein. Von selbst treten als ein Ganzes hervor jene Staaten,
in denen die Bewegung zur Abwersung des englischen Joches ihren
Anfang nahm, nämlich die Neueugland-Staaten. s reihen sich
ihnen an die Mittleren Staaten; darauf folgen die Südöstlichen
und endlich die Gols-Staaten. Weitaus der größte Flächenraum
entfällt anf die nicht an das Meer grenzenden Zentralstaaten,
und im fernen W endlich werden die Pazifischen Staaten von
den Wellen der Südsee bespült.
Neuenaland- 1. Es sind diese sechs: Maine (Mähn), Connecticut, Massa-
chusetts (Mässätschiussets), New-Hampshire (Niu-Hämpschihr),
Rhode-Jsland (Rohd-Eiländ) und Vermont (Vermönt). Der
bedeutendste Plcitz*) dieser von einer höchst thatkräftigen, betrieb-
samen Bevölkerung bewohnten Staaten ist die große, mit Europa
in lebhafter Handelsbeziehung stehende Hafenstadt Boston (Bostn)
in Massachusetts mit gegen 400000 Eiuw.
Mittlere 2. Es sind diese sechs: Delaware, Maryland (Märi-
Staaten. New-Jersey (Nin - Tsch«rseh), New-York, Pennsyl-
ücnnen**), West-Virginien. In diese Grnppe gehören drei der
*) Mit Vorliebe macht man in Nordamerika kleinere Orte zu politi-
schen Hauptstädten.
**) So genannt nach dem Quäker Penn, der das Land um 1690
oen dortigen Indianern abkaufte.
Amerika; Vereinigte Staaten.
255
ersten Handelsstädte der Welt, nämlich Baltimore (B^ltimor) in
Maryland mit 340000 Einw., Philadelphia in Pennsylvanien
mit 850000 Einw. und vor allem das gewaltige New-Iork mit
1200000 Einw. Im Staate New-Dork verdienen nach Erwähnung
die gleich gegenüber der Metropole gelegene Jnselstadt Brooklyn
(Bruklihn), die politische Hauptstadt Albany und das für den
Handelsverkehr mit den gcoßen Kanadischen Seen (s.S. 238) außer-
ordeutlich günstig gelegene Buffalo. Außerdem führen wir noch an
von Westvirginien Wheeling (Wihling) und von Pennsylvanien die
Fabrikstadt Pittsburg. Zu den Mittleren Staaten gehört geo-
graphisch auch der Distrikt Colnmbia ss. o.) mit der Landeshaupt-
stadt Washington (Woschingtn, ohne Bororte 150 000 Einw.).
3. Es sind diese fünf: Ost - Birginien, Nord - Karo-Südöstliche
lina, Süd-Karolina, Georgien und Florida. Ost-Birginiens Maaten.
Hauptstadt Richmond (Ritschmond) mit gegen 90000 Einw. ist
aus den Entscheidungsschlachten von 1865 bekannt; Nord-Karolina
besitzt einen bekannten Hasen in Wilmington, Süd-Karolina in
dem reichen, aber vor kurzem durch eiu Erdbeben schwer heimgesuchten
Eharlestown (Tschä-rlstauu) mit 50000 Einw., Georgien in Sa-
vannah. Die Hauptstadt Floridas ist das kleine Tallahassee
(Tällahässih); bedeutendere Orte haben in dem Sumpflande sich nicht
zu entwickeln vermocht.
4. Es sind diese sieben: Alabama, Teunesse!e, Kentucky, Golfftaatei».
Arkansas (englisch Orkansah auszusprechen) , Mississippi,
Louisiana (Lnisiana) und Texas, letzteres, mit 690000 qkm,
der weitaus größte Staat der Union. Bedeutendere Städte
sind Mobile in Alabama, Nashville (Näschwill) in Teuuessee,
Louisville (Lnihwill) in Kentucky, Little (Lütl) Rock in Arkansas,
Austin (Ostin) und Galveston in Texas und — als erste Stadt
dieser Gruppe — New Orleans mit im ganzen 240000 Einw.
5. Es sind diese fünfzehn: Illinois, Indiana, Iowa Z/ntral-
(Eiowäh), Kansas, Michigan, Minnesota, Missouri, Nebraska, ™ '
Ohio, Wisconsin, Colorado, Dakotah, Idaho (Eidäho),
Wyoming (Weioming) und Montana. Auf diesem großenteils
überaus fruchtbaren Gebiete hat znmal die Einwanderung feste
Wnrzeln geschlagen; hier entfaltet sich das eigenartig amerikanische
Leben in seiner Vollkraft. Von volksreichen und betriebsamen
Städten ragen hervor: Chicago (Tschigägo) in Illinois mit
über 500000 Einw., St. Lonis in Missouri mit 350000 Einw.,
Cincinnati und Cleveland (Klifläud) in Ohio mit resp. 260000
und 160000 Einw., Detroit in Michigan mit 120000 Einw. und
Milwaukee (Milwohki) mit ebensovielen. Als Eisenbahnplätze sind
von Bedeutung Omaha City (Omähä Siti) in Nebraska und
Denver in Colorado.
256 IV. Außereuropäische Erdteile.
©tonten* 6. Es sind diese drei: Californien, Nevada, Oregon. Der
erstgenannte, von der Natur außergewöhnlich reich bedachte Staat
besitzt das schönste und gesichertste Hasenbecken der Erde, um welches
herum in unglaublich kurzer Zeit das blühende San Francisco
mit gegeu 300000 Einw. entstanden ist, die alte Hauptstadt
Sacramento City weit hinter sich lassend. Astoria in Oregon,
an der Mündung des Columbia - River vorteilhaft gelegen, hat in
jüngster Zeit gleichfalls erhebliche Fortschritte gemacht.
Territorien. 7. Es sind deren gegenwärtig noch sechs: Arizona mit der Haupt-
stadt Tncson, Neu-Mexiko mit der Hauptstadt Santa Fe,
Uta h mit der — größtenteils von Mormonen — bewohnten Haupt-
stadt Salt-Lake-City (Sält-Läk-Siti, Salzseestadt), Washington
mit der Hauptstadt Olympia, Jndian-Territory lohne eigentliche
Städte) und Alaska. Dieses letztere Territorium, 1380000 qkm
groß, haben die Vereinigten Staaten im Jahre 1867 um den Preis
von 30 Mill. Mark vou Rußland oder, richtiger gesagt, von
der unter kaiserlichem. Schutze stehenden russischen Pelztier-
kompagnie erkauft. Hauptort des weiteu, nur dem Jäger, nicht
aber auch dem Ackerbauer zugänglichen Gebietes ist das auf einer
Küsteninsel gelegene Sitka oder Nen - Archangel. Auch die
vulkanische Inselgruppe der Aleüten ist damit in den Besitz der
Union übergegangen.
Produkte. d) Produkte. Der Ackerbau steht in den meisten Staaten in
höchster Blüte, am meisten wird Mais und Weizen gebaut, Koru
und Gerste in fast verschwindender Menge. Hanf, Flachs, weniger die
eine treffliche Gespiust-Faser(s.S.176) lieferndeJnte, werdennamentlich
in den n Golfstaaten kultiviert. Zuckerrohrbau wird seit 1726 an der
Küste des Mexikanischen Golfes, Baumwollenbau feit 1775 in
fämtlichen Südstaaten betrieben, und nachdem die Abschaffung der
Sklaverei diesen Betrieb stark geschädigt hatte, ist heute doch wieder Nord-
amerika eines der ersten Baumwollenländer der Erde geworden. Tabak
kommt besonders aus Virgiuien uud Kentucky, feuriger Wein aus
Californien. Noch immer geben die großen Waldungen Nutzholz
oller Art her, so das seiner Rinde halber von den Färbern gesuchte
Qnörcitron und das zähe, harte Hlckory-Holz. Neben der
noch sehr ergiebigen Jagd auf Pelztiere und der äußerst großartig
betriebenen Seefischerei gewährt auch die Viehzucht reichsten Er-
trag; in den Zentralstaaten sollen z. B. gegen 50 Mill. Stück
Schweine vorhanden sein, und manche der großen Schweine-
schlächtereien Cincinnatis verarbeitet an einem Tage 6—10000
Schweine so, daß auch nicht der kleinste Teil des tierischen Körpers
als nutzlos weggeworfen wird. Von Bestandteilen des Mineral-
reiches prodnzirt die Union Gold (120 Mill. Mark Pro Jahr),
Silber (200 Mill. Mark), Quecksilber (Bergwerke von Neu-
Almaden und Nen-Jdria in Californien), Blei, Zink, Kupfer,
Vereinigte Staaten. — Das britische Nordamerika, 257
ungeheure Mengen Eisen (massive Roheisenberge in Missouri),
Petroleum (Pennsylvanisches Erdölgebiet), Salz, Schwefel und vor
allem Kohle. Die Gefahr, daß die europäischen Steinkohlenschätze einmal
aufgebraucht werden könnten, verringert sich bei der Erwägung, daß
die ganze Mississippi-Niedernng (f. S. 237) ein einziges gewaltiges
Kohlenbecken ist. — Unter solchen Umständen übertrifft naturgemäß
auch die amerikanische Industrie in vielen Zweigen die aller anderen
Länder. Hervorragend ist die Verfertigung von Woll- und Leder-
waren; in 5000 Maschinenfabriken werden Maschinen hergestellt,
welche mit den englischen und deutschen wetteifern können. Die
Metall- wie auch die chemische Industrie sind in rapidem Fort-
schreiten begriffen, dagegen nimmt neuerdings die Produktion im
Schiffbau wesentlich ab; nicht als ob die Amerikaner diesen Zweig
minder gut verstünden, sondern weil der amerikanische Rheder es
mehr und mehr liebt, Schiffe anderer Nationen mit der Verfrachtung
seiner Waren zu betrauen.
Die Verkehrsmittel des Unionsgebietes sind großartig. Verkehrs-
70000 Km Wasserstraßen stehen den Handelsschiffen offen
(s. S. 237); davon entfallen 5000 km auf künstliche Kanäle,
durch welche das System der großen Seen einerseits mit dem
Gebiete des Mississippi, andererseits mit den in den Atlantischen
Ozean mündenden Strömen in Verbindung gebracht ist. Die Länge
der Telegraphendrähte betrug 1887 schon über eine Million km,
die der Telephondrähte 350000 km, die der Eisenbahnen 240000 km.
Das Land ö vom Mississippi ist mit einem dichtmaschigen Bahnnetze
übersponnen. Außerdem aber besitzt die Union etwas nicht Über-
troffenes in ihren drei Pazifiebahnen, mittelst deren ein Schnell-
zng in 5*/2—7 Tagen den Reisenden vom Ufer des Atlantischen
zu dem des Großen Ozeanes bringt. Die älteste, 1869 begonnene
Pazisicbahn erhält diesen Namen bei Omaha City am Miffouri,
berührt den Großen Salz-See und wendet sich nach Übersteiguug
der Sierra Nevada durch das Sacramento-Thal nach San Franzisco.
Die n Linie hat ihren Ausgangspunkt zu St. Paul in Minnesota,
geht am Jellowstone- und Columbia-River und dann an der
pazifischen Küste hin gleichfalls nach San Franzisco. Ebendort
mündet die dritte Bahn, die von St. Louis aus zuerst am Kansas,
sodann am Arkansas hinauf führt und nachmals die Hochebenen von
Neu-Mexio und Arizona kreuzt. In so kurzer Zeit wäre die Aus-
führung der an Tunnels und sonstigen Kunstbauten überreichen
Bahnen kaum möglich gewesen ohne die Zuziehung mongolischer
Arbeitskräfte (f. S. 246).
§ ^2. Das britische Nordamerika.
Der ganze N Nordamerikas, von Alasca abgesehen, gehört zu Gröke;
England. Dieses Gebiet umfaßt über 8000000 qkm und hat Verfassung
17
258 IV. Außereuropäische Erdteile.
etwa 4500000 Einw., die jedoch fast ausschließlich in den Süd-
Provinzen leben. Politisch hat man es mit einem Staatenbunde
von sieben Provinzen, der sogenannten Dominion (Dominien)
of Ca-nada zu thun. Ihr steht ein von London gesendeter General-
gouverueur vor, der für jede Proviuz einen ihm untergeordneten
Lieutenantgouverneur ernennt. Im übrigen liegt die gefetz-
gebende Gewalt, ebenso wie bei den australischen Staaten (f. S. 223)
und bei der Kapkolonie, bei dem aus zwei Häusern sich zusammen-
setzenden Parlamente, dessen Beschlüsse der Bestätigung der
Krone unterliegen. Jede Provinz hat dann noch ihren eigenen
Landtag. Das kleine Heer wird von England selbst unterhalten,
während die zahlreichere Miliz der Landesregierung unmittelbar
unterstellt erscheint.
Städte. Politische Hauptstadt des englischen Gebietsanteiles ist Ottawa
mit 35000 Einw. Weit wichtiger aber sind Montreal (Mauutrihl)
mit 190000 Einw. am Loreuzstrom und Toronto mit 120000 E.
am Ontario-See. Quebek, zur Franzosenzeit (bis 1770) die erste
Stadt des Landes, hat an Bedeutung erheblich eingebüßt, zählt aber
noch 65000 Einw. Die am Stillen Meere gelegenen Küstenstädte
New-Westminster und Viktoria (auf der mehrgeuannten
Vaneouver-Jnsel) scheinen sich rasch entwickeln zu wollen. Sehr
wenig in ihrem Inneren erforscht sind auffallenderweise bis zum
heutigen Tage die Ostprovinzen Neu-Braunfchweig mit der
Hauptstadt St. Johns (Sänt Tschohns) und Neu-Schottland
mit der Hauptstadt Halifax. Au den Usern der Hndsons-Bai
liegt in größter Einsamkeit das Städtchen Jork.
Produtte; Canada ist ein Getreide- und Holzland ersten Ranges;
Verkehr. eg das beste Holz für Schiffbau und Möbelfabrikatiou hervor.
Kohle findet sich massenhaft im W (vorab auf Vaueouver), Kupfer
und Zinn im Bereiche der fünf großen Seen. Ob die Gold-
ausbeute am Colnmbia-River eine nachhaltige sein wird, steht noch
sehr dahin. Dagegen besitzt das Tierreich unerschöpfliche Nahruugs-
quellen. An Fischereiprodukten exportiert Canada für 20—30000000
Mark, und der Fang von Pelztieren — weiße, rote nnd blaue
Füchse, Marder, Zobel, Biber, Polarhaseu, Fischottern, Mo-
schnsratten — wirft alljährlich ungeheuere Massen feiner Artikel anf
die großen, in Montreal und London abgehaltenen Pelzmärkte.
Diese Jagd wird besonders durch die Hudsonsbai-Kompagnie
betrieben, welche früher Hoheitsrechte über das Land ausübte, heute
aber nur mehr eine einfache Vereinigung von Kaufleuteu darstellt.
Die von ihr angestellten Trapper (f. S. 244) liefern ihre Beute
in den zahlreich von der Gesellschaft im Inneren des Landes er-
richteten befestigten Stationen — Forts genannt — ab; ihre Reisen
machen sie meist in leichten, aus Tierfell oder Birkenrinde ange-
fertigten Kähnen, welche man nötigenfalls auf den Schultern über
Das britische Nordamerika. — Allgemeine Übersicht der Inseln. 259
die Wasserscheiden — Portages (Portätsches) oder Trageplätze —
hinwegbringen kann. Die entlegenste Handelsstation ist Fort Jukon
an der Grenze von Alaska. — Die Wasserwege Canadas, wie
sie die fünf Seen und der St. Lorenz-Strom darbieten, sind wenigstens
im Sommer unübertrefflich, während allerdings im Winter die Ver-
eisung oft hinderlich wird; ein Eisenbahnnetz von fast 19 000 km
Länge findet seinen natürlichen Knotenpunkt in Montreal. Die
bedeutsamste Linie ist die canadische Pazi sieb ahn, welche man,
um sich in jeder Hinsicht von den Vereinigten Staaten unabhängig
zu machen, von Fort William am Oberen See durch die Staaten
Manitoba, Assiniboia und Columbia hindurch nach New-West-
minster (s. o.) geführt hat. Es gibt also jetzt im Ganzen vier
Überlandbahnen in Nordamerika.
Zu Cauada gehört in politischer Beziehung auch die englische Die
Kolonie der mitten im Atlantischen Ozean — genau ö von Charleston Bermudas
— gelegenen Bermudas-Inseln. Nur sechs von 350 kleinen
Koralleninseln sind bewohnt; Hauptort ist Hamilton (Hämiltn)
mit 40000 Einw. Der Umstand, daß sehr viele den Ozean kreuzende
Schiffe an der Gruppe anlegen, bringt Leben und Verkehr zuwege;
die eigenen Produkte des Archipels siud Indigo, Kaffee, Tabak,
Baumwolle und Pfeilwurzel (f. S. 220).
Eine zur Dominion of Canada in gar keiner Beziehung Neu-
stehende, vielmehr von England direkt abhängige Kronkolonie ist ^undland
die Insel New-Fonndland (Niu-Fauudländ) mit 110000 qkm und
180000 Einw, Der Gouverneur wohnt in St. Johns (nicht zu
verwechseln mit dem vorhin genannten) mit 30000 Einw. Als
Flottenstation und Strafkolonie besitzt die Insel eine gewisse
Bedeutung, eine weit größere aber wegen der in dem seichten Meere
(Bank) ringsum betriebenen Fischerei. Auch die Fischer Nord-
amerikas und Frankreichs dürfen gemäß besonderen Verträgen
an der Ausbeute dieser reichen Gründe teil nehmen; ja der letztgenannte
Staat hat sogar die Küsteninseln Miquelou (Mikelön) und St.
Pierre (St. Pisrr) mit annähernd 6000 Einw. an sich gebracht,
um dortselbst eigene Stationen für den im großen betriebenen Stock-
stfchfang anzulegen.
§ ^3. Allgemeine Übersicht über die Inseln.
Sämtliche amerikanische Inseln sind im vorstehenden bereits
mit behandelt worden, mit einziger Ausnahme der zwischen Nord-
und Südamerika gelegenen. Diese zerfallen in vier Gruppen: die
Bahama-Jnfeln s-ö von der Halbinsel Florida, die vier Großen
Antillen gerade ö der Halbinsel Aukatau, die Windwärts ge-
legenen Inseln, welche sich von den Großen Antillen zum süd-
17*
260
IV. Außereuropäische Erdteile.
amerikanischen Festlande hinüber ziehen, und die Leewärts*) ge-
legenen Inseln n der Küste von Venezuela. Die beiden letzt-
genannten Gruppen faßt man Wohl auch als Kleine Antillen
zusammen. Für das gesamte Jnselgebiet aber ist (s. S. 245) der
Name Westindien in Gebrauch.
§ 4/^. Die Westindischen Inseln.
Wir ordnen diese Inseln im folgenden nach den politischen
Besitzverhältnissen uud beginnen mit dem Staate, dessen Anteil der
bedeutendste ist.
Spanische Spanisches Eigentum sind die beiden zu den Großen Antillen
Inseln, zählenden Inseln Euba (fast 120 000 qkm, im Jahre 1877 über
1 500 000 Einw.) und Puerto Rico oder Portorico (9300 qkm,
im Jahre 1883 fast 800 000 Einw.). Hauptstadt und Sitz des die
Verwaltung führenden Generalkapitäns ist für Euba Havana
mit 200 000 Einw., für Portorico San Juan; die große Insel
Euba besitzt • noch mehrere namhafte Städte, wie Matanzas
(90 000 Eiuw.) und Santiago (70000 Einw.) Die Insel ist im
8 gebirgig (über 2000 m); der übrige Teil ist fruchtbar und aller-
orts mit Plantagen bedeckt. Zucker und Tabak sind die Haupt-
artikel; Havauazigarreu haben einen Weltruf. Freilich ist von den
150 000 000 Stück Zigarren, welche die Insel jährlich exportiert,
häufig nur ein Teil aus dortigem Tabak verfertigt. An Eisenbahnen
enthält Euba 1500 km, und auch der unterseeische Telegraphenan-
schlnß an das enropäisch-amerikanische Kabel ist hergestellt. Auch
Portorico produziert vorwiegend Kaffee und Tabak, welch letzterer
fast ausschließlich in die staatlichen Tabaksabriken Österreichs wandert.
Britische Hierher gehören zunächst die schou oben genannten Bahamas
Inseln. (14 000 qkm mit 45 000 Einw.), deren Bewohner Schildkröten-
schalen und Badeschwämme aus dem Meere holen, sodann die
Insel Jamaica**), eine der Großen Antillen (11 000 qkm,
600 000 Einw.). Hauptort auf der Bahamagruppe ist Nassau aus
New-Providence (Niu-Prowideuß), Hauptort auf Jamaica King-
ston (Kingstn). Die bemerkenswerteren britischen Antillen-Inseln
sind, in der Richtung von N nach S, Barbuda, Antigua, Do-
minica, St. Lucia, St. Vincent, Barbados, Grenada, To-
bago und Trinidad, letzteres die umfänglichste von allen. Aus-
*) Der Seemann nennt diejenige Seite seines Schiffes, welche unmittel-
bar von dem gerade herrschenden Winde getroffen wird, die Wind- oder Luv-
seite und die entgegengesetzte, im Windschatten liegende die Leeseite.
**) Jamaica war ursprünglich spanisch, wurde diesem Lande aber um die
Mitte des 17. Jahrhunderts von dem Lord-Protektor Oliver Cromwell
entrissen.
Amerika; die Westindischen Inseln.
261
geführt werden von den englischen Antillen alle möglichen Plantagen-
erzeuguiffe, Hölzer und — von Trinidad — Salzfleisch; einheimische
Produkte der Hauptinsel aber sind Jamaica-Pfeffer und Jamaica-
Num.*)
Von den der Anzahl nach nicht wenigen in französischem Fwnzömche
Besitze befindlichen Kleinen Antillen sind wirklich nennenswert nur
Martinique, Guadeloupe (Mdelup) und die halbe Insel
St. Martin — im ganzen weniger als 3000 qkrn mit 350 000
Einw. Die schon von Columbus entdeckten Inseln haben, weil
sehr gebirgig, ein leidliches Klima und bringen alle den Tropen
eigentümlichen Gewächse hervor. In Fort de France (For de
Franß) und Basseterre (Bästehr) haben die beiden Statthalter
ihren Sitz.
Die holländischen Antillen bestehen aus der zweiten HälfteHollänvische
von St. Martin (s. o.), aus St. Eustathius und Saba, sowie Unfein,
aus der Mehrzahl der Leewärts gelegenen Inseln, von welch letzten
Cura^ao (Kürassön) die namhafteste ist — im ganzen 1130 qkrn
mit ungefähr 45 000 Einw. Seit'1363 ist die Sklaverei aufgehoben
und dadurch ist die Erzeugung von Zucker, Caeao, Kaffee u. s. w.
beträchtlich eingeschränkt worden. Nach der Insel Cura^ao wird der
dort gebrannte treffliche Rum (s. o.) benannt.
Dänemarks Gesamtanteil an den Kleinen Antillen — die Dänische
Inseln St. Thomas, St. John und St. Croix (Sänt Krüa)— 3nfeln.
beschränkt sich auf 360 qkrn mit etwa 45 000 Einw. Außer Zucker
wird wenig produziert; dagegen ist St. Thomas hochwichtig für den
westindischen Transitverkehr.
Die vierte der Großen Antillen, Haiti (78 000 qkrri, Haiti
850000 Einw.), zerfällt in zwei selbständige Negerrepubliken:
Haiti im engeren Sinne (24 000 qkrn, 550 000 Einw.) und (im 0)
Sau Domingo (54 000 qkrn, 300 000 Einw.). Die Verfassung
eines jeden Staates ist zwar angeblich derjenigen der Union uachge-
bildet, in Wirklichkeit aber ein trauriges Zerrbild derselben; Unruhen
und Bürgerkriege sind au der Tagesordnung. So wurde die Haitische
Hauptstadt Port au Priuce (Port o Preuß) mit 30 000 Einw.
erst 1889 von Aufrührern zum großen Teile in Asche gelegt. Die
Hauptstadt von San Domingo führt ebendenselben Namen. Zwar
ist die Insel fruchtbar und mineralreich; allein die Trägheit der Be-
wohner und der Mangel an Verkehrswegen lassen einen gewinn-
bringenden Handel nicht aufkommen. Man berechnet den Gesamt-
wert des Umsatzes auf den für ein so reich gesegnetes Land uuglaub-
lich niedrigen Betrag von beiläufig 50 Millionen Mark.
*) „Rum" bedeutet einen zugleich starken und feinschmeckendenBranntroein.
262
IV. Außereuropäische Erdteile.
Entdeckungsgeschtchte.
Entdeckerzeit, Obwohl man schon im 14. Jahrhundert von kundigen Männern
die Vermutung hatte aussprechen hören, daß die Ausdehnung des
Atlantischen Ozeanes in geographischer Länge keine sehr beträchtliche
sein könne, obwohl sogar schon im 10. Jahrhundert die auf Island
uttb. Grönland angesiedelten Normannen die Küste Nordamerikas
— Winland —betreten hatten, fand doch der Genuese Christoph
Columbus noch die härtesten Schwierigkeiten zu bekämpfen, als er
im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts die seefahrenden Staaten
zur Aussendung einer Expedition nach diesem unbekannten Lande zu
gewinnen versuchte. Endlich gelang es ihm mit Spanien. Er ent-
deckte 1492 die Bahama-Jnsel Guauahani *) und auf drei weite-
ren Reisen die Küsten von Zentral- und Südamerika sowie ver-
schiedene Antillen. Ihm folgten andere Spanier: Balbüa über-
schritt den Isthmus voij Panama und sah als der erste Europäer
den Stillen Ozean (1513), De Solis drang (f. S. 236) in die
Mündung des La Plata ein (1516), Cortez (Eortes) eroberte
Mexiko (1519), De Soto entdeckte den Mississippi (1540) und
Magellan (Magelhaens), aus portugiesischen in spanische Dienste
übergetreten, stellte 1520 fest, daß Amerika im Süden umsegelt
werden könne. Seit 1527 faßten die Spanier, nachdem Pizarro
unter entsetzlichen Greueln das friedliche Reich der Jnkas (s. S. 245)
zerstört hatte, in Südamerika festen Fuß und drangen nach Ecuador
und Chile vor. Aber auch die Engländer waren während dieser
Zeit nicht müßig gewesen; eine britische Flotte, befehligt von dem
Italiener Cabot (eigentlich Gabotto) hatte schon 1497 Labrador
aufgefunden. Der Portugiese Cabräl landete 1500 an der Küste
Brasiliens. Ihn begleitete als wissenschaftlicher Berater der floren-
tinische Astronom Amerigo Vespncei (Wesputschi), der in mehre-
ren Reiseberichten seine Erfahrungen beschrieben hat. In der Mein-
ung, Vespucci müsse als der eigentliche Entdecker des neuen Welt-
teiles gelten, gab diesem ein in Deutsch-Lothringen lebender Geograph,
namens Waltzemüller, den Namen „Land des Amerigo" oder
Amerika, und so wenig diese Namengebung dem wahren Sach-
verhalte entsprach, so erhielt sie sich doch und wird sich mutmaßlich
durch alle Zeiten erhalten.
17. Jahrh. Nachdem der erste Entdeckereifer der Spanier und Portugiesen
verraucht war und sie in dem sogenannten Vertrag von Torde-
sillas den Erdball zwischen sich geteilt hatten, wurden fürs erste
nachhaltige Entdeckungen nicht mehr gemacht; man begnügte sich viel-
*) Nicht ganz sicher, aber doch sehr wahrscheinlich ist, daß die Wat-
lings-Jnsel dem Gnanahani des Columbus entspricht.
Amerika; Entdeckungsgeschichte. 263
mehr damit, die erworbenen Länder zu kolonisieren und wirtschaftlich
auszubeuten. Dann begann eine neue Periode für den Norden.
Juan de Fuea fand die nach ihm benannte Meeresstraße L der
Vaneonver-Jnsel auf, Davis (Däwis) segelte durch die seinen Namen
tragende Straße zwischen Grönland und Nordamerikas Festland,
Baffin und Hudson drangen in die gleichnamigen Baien ein. Im
Jahre 1670 ward die Hudsonsbaikompagnie (f. S. 231) gestiftet,
und von da an begann das weite Gebiet des heutigen britischen
Nordamerika erschlossen zu werden. Um 1600 erforschte Walter
Raleigh (Rähli) im Auftrage seiner Königin Elisabeth die Küste
der heutigen Neu-Eugland-Staaten; man legte auch wirkliche Kolo-
nien an, die aber 150 Jahre lang auf den Küstensaum beschränkt
blieben. Zu gleicher Zeit begannen die Franzosen längs des St.
Lorenz-Stromes in Canada vorzudringen, wo sie 1608 die Stadt
Quebek gründeten. Eine französische Postenkette schob sich s allmählich
längs des Mississippi so weit vor, bis sie den in Louisiana ange-
siedelten Spaniern die Hand reichte und so das englische Gebiet
vollständig umklammerte. Im 17. Jahrhundert breiteten sich auch
die Portugiesen in Brasilien, die Spanier in den La Plata-Ländern
aus; die Jesuiten schufen sich in Paraguay das uns (s. S. 245)
schon bekannte einzigartige Staatsgebilde.
Für die Erkundung der N-W-Küste waren im vorigen Jahr-18. Jahrh.
hundert besonders Bering, Cook, Gray (Gräh), Vaueouver
thätig. Für die Erschließung des Inneren wurde der Umstand
wichtig, daß nach Beendigung des siebenjährigen Krieges (1763)
Frankreich seine sämtlichen amerikanischen Besitzungen an England
abtreten mußte, und daß dann wieder mit dem Abschlüsse des Un-
abhängigkeitskampfes das ganze ungeheure Gebiet ein Freistaat wurde.
Scharen von Einwanderern ergossen sich in die Mississippi-Länder;
der Hinterwäldler mit Axt und Büchse, dessen Urbild Boone
(Buhn) und Finn darstellten, vertrieb die Indianer und wnrde der
eigentliche Entdecker und Kolonifator des Inneren von Nordamerika.
Für Südamerika wurden hochwichtig die Reisen, welche die Fran-
zosen Bouguer (Bugeh), de la Condamine und Godin in Ver-
binduug mit dem Spanier Ulloa 1735 nach den Äquatorgegeuden
machte, und als noch erfolgreicher erwies sich die im letzten Jahrzehnt
des Jahrhunderts unternommene Bereifung Guyanas, Venezuelas,
Columbias, Ecuadors und Mexikos durch Alexander v. Hum-
boldt und Aime Bonplaud (Ähmeh Bonplan). Humboldts Werk
über „Neuspanien" gilt noch gegenwärtig als eine nie versiegende
Quelle reichster Belehrung.
Seit 1830 machten sich die Nordamerikaner daran, die Felsen- Neuzeit,
gebirge und die w von diesen gelegenen Hochlande gründlich kennen
zu lernen. Zumal der Name Fremont (Friment) muß hier mit
Ehren genannt werden. Alaska wurde seit 1867 durch Dall,
264 IV. Außereuropäische Erdteile.
Whymper und Raymonds (Rähmends) systematisch entlang dem
Laufe des Aukon durchforscht. Um Zentralamerika bemühten sich
folgeweise Garella, Moriz Wagner und Reclus (Rsklüh). Der
Name deutscher Forscher verknüpfte sich untrennbar mit Südamerika;
Tschndi, Poeppig, Spix, Martins, der Prinz v. Wied
machten weite Fahrten durch die brasilianischen Urwälder; Schom-
bnrgk schloß zuerst das Innere Guyanas auf; Philippi und Pisfis
machten uns mit dem Inneren Chiles, De Monfsy und Bur-
meister mit demjenigen Argentiniens beginnt. Noch aber wußte
man so gut wie gar nichts von dem s Stromgebiete des Amazonas,
und hier schafften endlich Wandel die großen Expeditionen, welche
1877—79 der Franzose Crevaux (Kr«woh), seit 1384 aber deutsche
Forschungsreisende — die beiden Vettern von den Steinen,
Ehrenreich, Clauß und P. Vogel — unternommen haben (f.
S. 235). — ^Immerhin bleibt für Südamerika uoch vieles zu thuu
übrig; für unsere Kenntnis Nordamerikas ist durch das große Werk
Ratzels (München 1879) eine sichere Grundlage gelegt.
V. Polargebiete.
§ ^5. Lage und Größe.
Strenge genommen sind mit dem Namen Polarländer zu
bezeichnen die beiden s und n von den Polarkreisen gelegenen Teile
der Erdoberfläche. Doch müffeu hier einige Einschränkungen getroffen
werden. Die polaren Bestandteile Europas und Asiens sind
nämlich bereits bei der Besprechung dieser beiden Erdteile mitberück-
sichtigt worden. Es verbleibt somit für diesen Abschnitt vom n
Polargebiete nur einerseits das Nördliche Eismeer selbst mit
seinen Inseln und Archipelen und andererseits das polare Nord-
amerika, welchem wir sowohl Grönland als auch (s. S. 240) einen
Teil der Hudsonsbailänder zuzurechnen haben. Den Inhalt der
Polargegenden bringt man mit 4160 000 qkm in Rechnung; die
dünne Bevölkerung entzieht sich jeder zuverlässigen Schätzung.
§ ^6. Das Antarktische Gebiet.
Vom 3 oder Antarktischen*) Polargürtel wissen wir äußerst
wenig. Hohe Eismauern verhindern die Seeleute allenthalben an
*) Arktos ist der griechische Name für Bär; die vom Sternbilde des
Großen Bären gewissermaßen beherrschten Länder nennt man demgemäß die
arktischen und die eine entgegengesetzte Lage einnehmenden die antarktischen
(anti = gegen).
Polargebiete; das nördliche Eismeer.
265
tieferem Eindringen in das Innere. Menn kennt zur Zeit vier
Festlandsstücke — Grahams- (Grahams-) Land, Viktoria-Land,
Wilkes-Land und die Enderby-Jnseln; man weiß aber nicht,
ob dies kleine Inseln oder nur Bestandteile eines großen, zusammen-
hängenden Australkontinentes sind. Für diese Annahme sprechen
geologische, gegen dieselbe sprechen klimatologische Gründe. An
der Küste von Viktoria-Land hat man zwei hohe feuerspeiende Berge
bemerkt, den Erebus (3800 m) und den Terror (3300 m). Von
Bewohnern hat sich keine Spur gezeigt. In weiterem Sinne kann
man der Südpolarzone, wenigstens dem Klima nach, noch beizählen
das Feuerland, die Südlichen Orkney-(Orknih-) Inseln, Süd-
Georgiens und die Falklands-Jnseln, anfwelch letzteren neuer-
dings England seine Flagge aufgepflanzt hat.
§ H7. Das Nördliche Eismeer.
Wenn wir durch die Asien und Nordamerika trennende Berings- Gebiete von
straße in das Nördliche Eismeer eintreten, so befinden wir uns im
Gebiete der sogenannten Nordöstlichen Durchfahrt. Hier liegen
in fast ewigem Eise begraben die Neusibirischen Inseln und die
Wrangell-Jnsel. n von Nowaja-Semlja (s. S. 160) stoßen
wir ans das erst seit kurzem bekannte Franz-Josephs-Land, und
zwischen diesem und dem w gelegenen Spitzbergen scheinen noch weitere
Inselgruppen die Verbindung herzustellen, deren eine man mit dem
Namen Giles- (Tscheils-) Land belegt hat.|
Vom europäischen Nordkap direkt n sich wendend, erreicht man Gebiete vo>»
die Inselgruppe Spitzbergen, deren Hauptbestandteile die West-
iusel, die Nordostiusel, die Edge-(Edsch-) Insel und das König-
Karlsland sind. Die ans plntonischem Gestein (s. S. 20) auf-
gebauten Inseln erfreuen sich eines viel milderen Klimas, als man
es ihrer geographischen Lage nach erwarten sollte, weil sie noch von
einem Ausläufer der warmen Atlantischen Strömung berührt werden.
Aus diesem Grunde konnten auf Spitzbergen wirkliche Ansiedluugen
angelegt werden (s. S. 269).
Die Grönland-See scheidet Spitzbergen von Nordamerika,
In ihrem s-ö Teil liegt die einen hohen Berg tragende Bären- ne"
Insel, iu ihrem s-w die Insel Jan Mayen, auf welcher Österreich
seine polare Beobachtungsstation angelegt hatte.
*) Um von möglichst vielen weit aus einander liegenden Punkten das
astronomische Ereignis des Vorüberganges des Planeten Venus vor der Sonnen-
scheibe beobachten lassen zu können, hatte das Deutsche Reich einige Astronomen
im Jahre 1882 nenn Monate hindurch auf obiger Insel stationiert. Ähnlich
thaten die anderen europäischen Staaten; wegen Österreich s. u.
266
IV. Außereuropäische Erdteile.
§ 48. Das arktische Nordamerika.
Grönland, Wir beginnen mit Grönland (Grünes Land), dessen Insel-
charakter jetzt allgemein zugestanden wird, während man es sich vor-
dem im N mit dem Festlande Amerikas zusammenhängend vorgestellt
hatte. Im 0 begrenzt Grönland (s. 0.) der nach ihm benannte
Meeresteil und — gegen Island — die Dänemark-Straße, w
die Davis-Straße und der mit der eisreichen Melville- (Melwill-)
Bai tief ins Innere einschneidende Smith- (Smis-) Sund, von
dem aus der Kennedy-Kanal in das eigentliche Eismeer führt.
Nur die Westküste Grönlands ist, dank einer an ihr hinaufziehenden
warmen Meeresströmung, bewohnbar, die Ostküste wird durch einen
Eisgürtel abgesperrt, welchen nur ab und zu ein kühner Schiffer zu
durchdringen^ vermag. Das Innere Grönlands ist, wie neuere
Forschungen außer Zweifel gesetzt haben, eine zusammenhängende
Eiswüste, ein einziger ungeheurer Gletscher. Politisch unter-
steht die Insel, deren einheimische Bewohner jetzt sämtlich das
Christentum angenommen haben, dem Königreiche Dänemark; von
10 000 Einwohnern sind aber nur etwa 300 Europäer. Außer dem
Handel mit Fischereiprodukten (Speck, Fischbein, Stockfische), Pelzen
und Eiderdunen und der Einfuhr der notwendigsten Lebensbedürs-
nisse wird in Grönland kein Geschäft betrieben; fast der ganze
Handel ist daher Monopol der Regierung; die Beamten heißen
Händler und Oberhändler. Von 8 nach N wandernd, kommen
wir auf der Westküste an folgenden, meist nur ganz kleine Dörfer
darstellenden Ansiedlungeu vorbei: Juliauehaab, Frederikshaab,
Fifkerueffet, Holsteinborg, Godhavn (Hauptort aus der Insel
Disco) und Upernivik. Der nördlichste Posten, auf welchem noch
ein dänischer Steueraufseher unter lauter Eingeborenen wohnt, ist
Tassisnak.
Nordwest!. Nahezu die ganze Umgebung der Hndsons-Bai samt dem nörd-
Durchfahrt, gabrabor muß man ihrem Naturcharakter nach dem Polar-
gebiete zurechnen, 11-w von jenem großen Meerbusen erblicken wir
den Archipel der nordwestlichen Durchfahrt, welch letztere
freilich nur (f. u.) unter sehr günstigen Umständen zu erzwingen, für
gewöhnlich aber durch Eis versperrt ist. Hiezu gehören die
Sonthampton-(Saushämptu-)Jnsel n von dem Eingange der
Hndsons-Bai, ferner Baffin-Land und w von diesem als
Ausläufer des Kontinentes Boothia (Buhsia), den Magnetpol der
Nordhalbkugel*) enthaltend. Noch weiter w liegen die Inseln
*) Jede der beiden Erbhalbkugeln besitzt einen Punkt, über welchem
eine um eine horizontale Achse frei drehbare Magnetnadel (s. u.) sich genau
senkrecht zum Erdboden einstellt. Auf der südlichen Halbkugel ist man dein
magnetischen Pole nahe gekommen, hat ihn aber noch nicht ganz erreicht.
Das Polarklima, 267
King Williams-Land, Prince os Wales-(Wähls-)Land, New-
Somerset, Melville-Land und Banks-(Bänks-)Land; die
größte Insel des Archipels zerfällt in Viktoria-Land, Prince
Albert-Land und Wollaston-Land. Weiter im W ist die Ver-
teilung von Land und Wasser noch wenig aufgeklärt.
Die W-ßfifte des Smith-Sundes (f. o.) bilden North Polarmeer.
Devon, New-Lineoln, Grinnell-Land und Grant-(Grünt-)
Land, Festlandstücke, von denen man zur Zeit noch nicht weiß, ob
sie und welchen Zusammenhang sie unter sich haben. Kap Colum-
bia im W, das dem bis jetzt bekannten nördlichsten Punkte Gröu-
lands, dem Kap Washington, gegenüber liegt, scheint, wie es jetzt
wahrscheinlich ist, am Rande des eigentlichen Polarmeeres zu
liegen, das zwar kein ganz freies, offenes Meer im Sinne des be-
rühmten Geographen Petermann ist, dessen Eismassen jedoch nicht
dicht genug gelagert sind, nm einer aus der Gegend von Franz-
Josephs-Land über den Nordpol weg in den Kennedy-Kanal ge-
langenden Strömung den Durchpaß zu verwehren. . Weitere Auf-
schlüsse über das Polarmeer sind allerdings erst von einer vielleicht
fernen Zukunft zu erwarten.
§ ^9. Das Polarflima.
Die klimatischen Verhältnisse beider arktischen Zonen sind natür-
lich in erster Linie dadurch bestimmt, daß im Sommer längere Zeit
hindurch ewiger Tag, im Winter gerade so lange ewige Nacht
herrscht. Im Winter erreicht die Kälte oft ungeheure Dimensionen;
merkwürdigerweise finden sich aber die niedrigsten Wintertemperaturen
viel mehr in der Nähe des Polarkreises als in noch höheren Breiten.
Die Niederschlagsmengen sind durchaus gering, und in den
Ländern der n-w Durchfahrt pflegt auch die Luft sehr trockeu zu
sein, wogegen auf Frauz-Jofephs-Land die Lust weit mehr Wasser-
dampf enthält. Im Winter erhöht der Wind, einerlei woher er
weht, gewöhnlich die Luftwärme, im Sommer jedoch wirkt er ab-
kühlend. Sehr merkwürdige warme Winde, dem Föhn der Schweiz
vergleichbar, find an beiden Küsten Grönlands etwas Häufiges. Im
allgemeinen darf man behaupten, daß das Polarklima ein gesundes
ist; die zahllosen Krankheitskeime (Bakterien), welche in der ge-
mäßigten und noch mehr in der heißen Zone die Luft durchschwärmen,
fehlen eben in der kalten Atmosphäre des hohen Nordens gänzlich.
§ 50. Die pflanzen- und Tierwelt.
Man würde sehr fehlgehen, wollte man annehmen, Pflanzen Pflanzen,
würden in der Polarzone gänzlich vermißt. Da, wo die Sonne ihre
268
IV. Außereuropäische Erdteile.
erwärmende Kraft voll zu bethätigen vermag, also insonderheit an
Hügelhängen, überzieht sich die Erde im Sommer rasch mit einem
Blütenflor. Immerhin treten, je näher man dem Pole kommt, die
höher entwickelten Phanerogamen mehr und mehr gegen die wider-
standskräftigeren Kryptogamen — Moose und Flechten — zurück,
und die Blumen wie die Sträucher erhalten die übereinstimmende
Neigung, am Boden hinzukriechen, statt sich frei in die Luft zu
erheben. Dies hängt damit zusammen, daß die Wurzeln nicht tief
in den gefrorenen Boden einzudringen befähigt sind.
Herrscher unter den Vierfüßlern der Polarwelt ist unstreitig
der Polar- oder Eisbär; von größeren Säugetieren des Landes
sind außerdem der Moschusochse, eine eigentümliche Mischung von
Rind und Schaf, das Rentier und — in Alaska — das Amerika-
nische Elentjer.: oder Musetier. Der — blaue oder weiße —
arktische Fuchs, der Polarhase und ein winziges, in Erdhöhlen
nistendes Nagetier, der Lemming, werden fast überall angetroffen.
Im Waffer leben verschiedene Arten von Waltieren (Pottwal,
Finnwal, Narwal) und Robben, von denen im N namentlich
dem Walroß und der — am Kopfe mit einem eigentümlichen Luft-
sacke versehenen — Klappmütze nachgestellt wird. Die ein sehr
kostbares Pelzwerk liefernden Seelöwen und Seeelefanten sind
im s Eismeere und an dessen Grenzen heimisch.
Ungeheure Mengen Vögel aller Art, zum größeren Teile je-
doch den Geschlechtern der Möven und Enten angehörig, bevölkern
in Kolonien, sogenannten Vogelbergen, die Küsten der arktischen
Meere. Aus den Nestern der Eiderente holt der Menfch die warmen
Eiderdnncn, welche das Tier sich selbst ausgerupft hat, um seinen
Jungen eine behagliche Lagerstätte zu bereiten.
J Amphibien und Reptilien fehlen gänzlich; nur in Europa, im
mildeu Klima Skandinaviens, dringt das am meisten kosmopolitische*)
aller Reptile, die Kreuzotter, bis über den n Polarkreis vor. In
den Meeren und Landgewäsfern wimmelt es von Fischen, nnter'denen
zumal der Lachs eine seltene Länge erreicht. Die niederste Tierwelt
ist vertreten durch den Gletscherfloh, eine Spielart des alpinen
Tierchens gleichen Namens; anch Stechfliegen gibt es vielfach, die
an Blutgier den tropischen Muskitos wenig nachgeben.
§ ö\. Ethnographisches.
Die gesamte Polarzone, soweit sie nicht auf europäisches und
asiatisches Gebiet trifft (s. S. 157 und S. 189), ist entweder ganz
*) kosmopolitisch (-weltbürgerlich) bezeichnet die ^Fähigkeit, sich allen
Ortsverhältnissen anzupassen.
Polargebiete; Entdeckungsgeschichte. 269
unbewohnt oder beherbergt das eigentümliche Völkchen der Eskimos.
Den tiefgehenden Forschungen des Dänen Rink ist zu entnehmen,
daß die Eskimos von W her sich über den ganzen N Amerikas bis
zum Smith-Sund hinauf ausbreiteten; die Linie, welche Eskimos
und Indianer trennt, fällt fast genau mit der Waldgrenze zu-
sammen. Dieses Volk, deffen Angehörige sich selbst Jn n uit (^Menschen)
nennen, zerfällt in eine große Anzahl von Stämmen, die jedoch nach
Sitten, Religionsansichten und Sprache, mag dieselbe auch uoch so
verschiedene Mundarten ausweisen, einen einheitlichen Ursprung auf-
weisen. Von diesen Stämmen seien hier angeführt die Tschinglit
am Ausflusse des Mackeuzie-River, die Eidilliks»an der Hudsons-
Bai, die Ukusikfiliks auf King Williams - Land, die eigentlichen
Grönländer und die den höchsten N bewohnenden Jtaner. Die
Eskimos wissen ihre aus Narwalzahn und Schiffstrümmern gefertigten
Waffen und Schlitten sowie das bekannte, schwer im Gleichgewicht
zu haltende Boot (—Kajak) tresflich zu regieren; als Haustier dient
ihnen allein der wolfsartige, uulenkfame, aber zum Ziehen der Schlitten
unentbehrliche Eskimo-Huud. Sehr auffallend ist als Zeichen der
Rückbildung, daß die Eskimos am Smith-Sund den Gebrauch von
Fischnetz, Kajak, Bogen und Pfeil gänzlich verlernt haben, während
sie doch noch Ausdrücke für diese Gegenstände in ihrem Dialekte besitzen.
Entdeckungsgeschichte. .
Dem g Eismeer kam zuerst der große Weltumsegler Cook Süd»,
nahe. Später brachten die Robbenschläger Nachrichten über diese ei§mecr-
Erdgegend mit nach Hause, vor allem Wedell; 1841 entdeckte
James Roß (st S. 265) den Erebus und Terror. Die Breite
von 78° 10' ist die südlichste, welche man bislang erreicht hat.
Um sich einen von den Spaniern und Portugiesen unabhängigen Aufsuchung
Weg nach Indien zu suchen, unternahmen Engländer und Hol-DuiShrt!'
läuder feit 1550 zahlreiche Entdeckungsfahrten zur Auffindung einer
Nordöstlichen Durchfahrt. Willoughby (Willusbi) und Chancellor
(Schönster) umfuhren das Nordkap und knüpften mit den Russen
direkte Handelsverbindungen an, Rijp und Heemskerck entdeckten
(1596) die Bären-Insel; letzterer brachte in Verbindung mit dem
noch berühmteren Barentz die erste Überwinterung auf Nowaja-
Semlja (s. S. 160) zuwege. Auch Jan Mayen und Spitzbergen
wurden angelaufen, und auf dieser letzteren Insel richteten sich sogar
im Laufe des 17. Jahrhunderts die Niederländer so häuslich ein,
daß sie die Ansiedlung Smeerenberg (Smeer —Thran) erbauten.
Für die Kenntnis Spitzbergens sind dann später (zu unserer Zeit)
Parry, v. Heuglin, Torell und Adolf Erik v. Nordenfkiöld
(Nordenfchöld) erfolgreich thätig gewesen, während Payer als Führer
270 IV. Außereuropäische Erdteile.
der vom Grafen Wilczek ausgerüsteten Expedition das Franz-Josephs-
Land entdeckte. Dem Freiherrn v. Nordenfkiöld, unterstützt von
dem reichen Kaufmann Sibiri^koff, war es aber vorbehalten, die
* Nordöstliche Durchfahrt wirklich zu erzwingen. An der Lena-Mündung
fror zwar sein Schiff „Bega" im Eise ein; allein im nächsten Jahre
suchte und fand er auch den Weg durch die Berings - Straße nach
Europa zurück.
Aufsuchung Die Mitte des Weges zwischen Davis- und Beriugsstraße
Durchfahrt, erreichte 1819 der englische Kapitän Parry: 11 Jahre später fand
(s. o.) James Roß Boothia und den Magnetpol (s. S. 266) auf. Dann
nahm John Franklin (Fränklin), der schon früher mit Richardfon
(Ritschärtsn) und Back unter den größten Opfern den Lauf der in
das Nördliche Eismeer mündenden amerikanischen Flüsse untersucht
hatte, die Untersuchung anf. Allein plötzlich hörten alle Nachrichten
von ihm aüf; und die äußersten Bemühungen der Engländer
und Amerikaner konnten lange Zeit das über dem unglücklichen
Manne lagernde Dunkel nicht erhellen. Endlich verschaffte sich Mac
Clintock die Gewißheit vou dem Tode der Gesamtheit der bei
Franklins Fahrt beteiligten Mannschaften, und erst vor einigen
Jahren hat die Reise von Schwatka nnd Klntfchak nach King
Williams-Land, bei der die Teilnehmer sich durchaus an die Lebens-
weise der sie begleitenden Eskimos gewöhnt hatten, den Ort genauer
ermitteln lassen, an dem die Genossen Franklins den Entbehrungen
erlagen. Das Problem der Durchfahrt selbst aber wurde bei diesen
Aufsuchungsfahrten gelöst, indem 1850 Mac Clnre (Mäk Cliur)
tatsächlich von der Berings-Straße aus nach dem Atlantischen Meere
sich einen Weg bahnte.
Reisen im Da man nicht wußte, ob uicht am Ende Franklin dem
Sund.° höchsten Norden sich zugewendet hätte, so entschloß sich der Amerikaner
Grinnell, auch nach dieser Richtnng hin Schiffe auszuschicken.
Dieselben befehligten De Häven (Häfn) und Kane (Kähn), und
zumal diesem seltenen Manne verdankt man das meiste, was man
vom Smith-Sund heutzutage weiß. Noch weiter n drangen in der
Folgezeit vor Hayes (Hähs), Nares (Nährs) und der von dem
deutschen Naturforscher Bessels begleitete Amerikaner Hall, der auf
der Reise starb und im Polarishafen bestattet wurde. Die
höchste Breite (83° 23' 8") erreichte 1882 die von den Vereinigten
Staaten ausgesandte Expedition des Lieutenants Greely (Grily),
und auch sonst lieferte dieselbe zur Erkundung der Verhältnisse des
Polarmeeres wertvolle Beiträge. Leider aber verlor sie ihr Schiff,
und drei Vierteile der Bemannung gingen an Hunger und Kälte
zu gründe. Diese Erfahrung reizt so wenig zur Nachahmung, wie
der Untergang des Unionsschiffes „Jeanette" (Schanett) an der
ostsibirischen Küste. Überhaupt sympathisiert man jetzt mehr und
mehr mit dem von dem verdienstvollen Polarfahrer Weyprecht
Polargebiete; Entdeckungsgeschichte. 271
empfohlenen Versahren, nicht sowohl einzelne Vorstöße nach dem uube-
kannten hohen Norden zu wagen, als vielmehr den Nordpol mit
einem Netze fester wissenschaftlicher Beobachtungsstationen zu um-
spannen (f. o.). Für dieses System hat sich insbesondere auch Deutsch-
land entschieden, das sich übrigens auch durch die Fahrt der Schiffe
„Germania" und „Hansa" — Schiffsführer Koldewey und
Hegemann — energisch an der Erforschung der Küsten Grönlands
beteiligt hatte. — Grönland selbst haben neuerdings — vgl. Fig. 21 —
Nordenskiöld und Nansen der Quere nach durchschritten, der
erstere zur Hälfte, der letztere gänzlich.
....................^Nordenskiöld 1883.
--------------Nansen 1888.
fr, Eisgiirtel.
Fig. 21.
V.
Elemente der Mathematischen und
Mykkatischen Geographie.
§ Mathematische (Astronomische) Erdkunde.
Himmels- Schon im Eingange des Buches ward bemerkt, daß dem bloßen
lugel. Augenscheine zufolge der Himmel den Eindruck eines platt gedrückten
Gewölbes hervorruft. Diesem Himmelsgewölbe gegenüberdenken
wir uns sämtliche Gestirne zunächst, ehe wir über ihre wirkliche
Entfernung von unserer Erde etwas Sicheres in Erfahrung gebracht
haben, an die Innenseite einer hohlen Halbkugel versetzt, sodaß
deren einzelne Punkte von dem Standpunkte des Beobachters gleich-
weit entfernt sind. Dieser Beobachter befindet sich stets im Mittel-
punkte eines Kreises, welcher die sichtbare Himmelshalbkugel von
der unsichtbaren Himmelshalbkugel trennt und deshalb Ge-
sichtskreis oder Horizont (apitsiv, trennen) genannt wird.
Gestirne. Mit dem Worte Gestirne oder Himmelskörper fassen wir
alle die lichtaussendenden Objekte zusammen, welche uns an der
Himmelskugel zu haften scheinen. In erster Linie sind hier Sonne
und Mond zu erwähnen, weiterhin die Sterne, welche, wie wir
bereits wissen, in Planeten (7rXaväv, herumirren) oder Sterne mit
selbständiger Bewegung und in Fixsterne zerfallen (s.S. 10). Äußerlich
unterscheidet das unbewaffnete Auge beide Gattungen von Sternen
daran, daß die Planeten in ruhigem, mildem Lichte leuchten, die
Fixsterne dagegen das bekannte unruhige Funkeln oder Szintillieren
erkennen lasten. Ferner erscheinen am gestirnten Himmel auch
nicht selten die Kometen (xw^r/j?) oder Haarsterne, deren Kenn-
zeichen ein mehr oder minder auffälliger Schweif ist, und wer
aufmerksam den Himmel beschaut, nimmt in jeder Nacht „fallende
Sterne" wahr. Von dem Wesen dieser letzteren, welche man
Mathematische (Astronomische) Erdkunde.
273
Sternschnuppen oder Meteorite, bei sehr Hellem Glänze wohl auch
Feuerkugeln nennt, wird später gesprochen werden.
Denken wir uns an der Stelle, an welcher wir uns befinden, 3entt
eine Linie senkrecht zur Ebene des Horizontalkreises gezogen, so muß
diese Linie die Himmelskugel in zwei Punkten durchschneiden. Der
über uns gelegene dieser beiden Punkte heißt Scheitelpunkt oder
(arabisch) Zenit, der unter uns gelegene, also unsichtbare heißt
Fußpunkt oder (arabisch) Nadir.*)
Eine mehrere Nächte hindurch fortgesetzte Beobachtung des
Himmels vergewissert darüber, daß sämtliche Gestirne, abgesehen von der _, der
einzelnen darunter zukommenden eigenen Bewegung, ununter-
Krochen parallele Kreisbahnen am Himmel beschreiben. Fig. 22
Z
versinnlicht diese Bewegung. In Ai und A2 erheben sich zwei Ge-
stirne, deren Bewegungsrichtung von unten nach oben geht, über
den Horizont, in Bi und B2 sinken sie wieder unter denselben.
Verbindet man jeweils die Auf- und Untergangspunkte durch
*) Die Astronomie und mathematische Geographie haben in ihrem Wort-
schätze noch eine ziemlich große Anzahl arabischer Kunstausdrücke. Es kommt
dies daher, weil — seit dem Jahre 800 n. Chr. etwa — gerade die mathe-
matischen Wissenschaften bei den Arabern einer wenn auch kurzen Blütezeit
sich zu ersreuen hatten.
18
274 V. Elemente der Mathematischen u. Physikalischen Geographie.
grade Linien A1B1 und A2B2 mit einander, so sind diese Ver-
bindnngslinien unter allen Umständen parallel. Die Punkte C1C2,
in welchen die Gestirne ihren größten Abstand vom Horizonte er-
reichen, heißen die Kulminationspunkte; dieselben sind vom
Aufgangs- und Untergangspunkt der einzelnen Gestirne gleichweit
entfernt und liegen sämtlich auf der Peripherie eines größten Kreises
der Himmelskugel, welcher deu Namen Mittagskreis oder Me-
ridian führt. Auf diesem nämlichen Kreise liegen auch die beiden
Punkte, welche an der Umdrehung der Himmelskugel keinen Anteil
nehmen, der dem Europäer sichtbare Nordpol und der für ihn
unsichtbare Südpol, dereu Verbindungslinie wir als Weltachse
bezeichnen. In unserer Zeichnung ist PnPs diese Achse der
Himmelskugel.
mnkte"vcs Ebene des Meridianes schneidet diejenige des Horizontes
Horizontes, längs einer graden Linie, welche Mittagslinie genannt wird. Die-
felbe hat naturgemäß mit dem Horizontalkreife zwei Punkte gemein;
der dem Nordpole näher gelegene Punkt N (Fig. 22) ist der Nord-
punkt, der dem Südpole näher gelegene Punkt 8 der Südpunkt.
Mau sieht, daß dem Meridian außer den vier Punkten P^, N, P8, S
auch der Scheitelpunkt 2 und der Fußpuukt F angehören. Legt
man ferner in de? Horizontalebene eine Grade senkrecht zur Mittags-
liuie, so durchschneidet erstere den Horizont in zwei Punkten 0 uud W,
welche in Gemeinschaft mit N und S die vier Kardiualpuukte
des Horizontes darstellen. Der an der Aufgangsseite der Himmels-
kugel gelegene Punkt 0 ist der Ost Punkt, der an der Untergangs-
seite gelegene Punkt W der Westpuukt.
Äquator. Zu je zwei Punkten der Himmelskugel gibt es stets eiuen
größten, d. h. die Kugel in zwei kongruente Hälften zerteilenden
Kreis, dessen sämtliche Punkte von jedem der zuerst genannten
Punkte gleichen Abstand haben. Derjenige größte Kreis der Himmels-
kugel, welcher diese Eigenschaft mit Beziehung auf die beiden Himmels-
pole hat, ist der Gleicher oder Äquator. Derselbe geht auch durch
die beiden Punkte 0 und W hindurch (Fig. 22), während er den
Meridian in den beiden Punkten Ki und K2 schneidet.
Polhöhe und Die beiden Bogen NPn und S P9 sind einander gleich; jeder
dieser Bogen bezeichnet die Polhöhe. Ihr steht gegenüber die
U Äquator höhe, Bogen S Ki — Bogen NK2. Zieht man die
Grade Ki K2 und bezeichnet mit M den Standort des Beobach-
ters, so ist ersichtlich 4: Ki M Pn = 90"; da aber der gestreckte
Winkel SMN 180° ausmacht, so bleiben auch sür die Summe
(41 NMPn -f- 41 Ki MS) nur 90° übrig. Diese beiden Winkel werden
aber durch die Bogen NPn und SKi gemessen, und so sind wir
denn zu dem einfachen Satze gelangt: Die Polhöhe ist das Kom-
plement der Äquatorhöhe und umgekehrt.
Mathematische (Astronomische) Erdkunde.
275
Bisher war hauptsächlich nur von denjenigen Sternen die Rede, pZAerne.
welche auf- und untergehen. Von diesen sind zu unterscheiden die
Zirkumpolarsterne, mit deren Wesen uns Fig. 23 bekannt macht;
in dieser sind die Tageskreise der Sterne durch parallele grade Linien
dargestellt, während die Buchstaben M, N, Pn, Z, Ki, S, P8, F, K2
völlig die nämliche Bedeutung wie in Fig. 22 behalten. Die zu
Ki K2 Parallele Grade Li L2, welche in L von der Mittagslinie
geschnitten wird, versinnlicht die Bahn eines auf- und untergehenden
Sternes, weil die Strecke Li L im sichtbaren, die Strecke L2 L im
unsichtbaren Teile der Himmelskugel gelegen ist. Nunmehr aber
ziehen wir sowohl durch N als auch durch 8 eine Sehne der Himmels-
kugel parallel zu Ki K2; NN' und SS' sind diese Sehnen. Sie
schneiden von dem Mittagskreise Segmente NN'Pn und SS'Ps ab,
und es ist klar, daß der eine dieser beiden Teile, weil ober-
halb des Horizontes gelegen, von M aus ganz sichtbar, der
andere, weil unterhalb des Horizontes gelegen, von M aus ganz
unsichtbar ist. Jeder Stern, der seine Kreisbahn (PP') innerhalb
der Zone NN'Pn zurücklegt, ist ein nördlicher Zirkumpolarsteru,
der weder auf- noch untergeht; jeder Stern, der seine Kreisbahn (QQ')
innerhalb der Zone SS'Ps beschreibt, ist ein südlicher Zirkumpolar-
stern, und ein solcher erhebt sich niemals über den Horizont des in M
stehenden Beobachters. Die besten Beispiele nördlicher und südlicher
Zirkumpolarsterne sind für einen mitteldeutschen Beobachter die
beiden Sterubilder des Großen Bären und des Kreuzes, welch
letzteres von allen Reisenden als der Hauptschmuck des südlichen
Himmels geschildert wird.
Wir haben bisher angenommen, unser Beobachter behalte seinen 5>rts-
zuerst eingenommenen Standpunkt unverrückt bei. Unter dieser crtnDcIrunö
Boraussetzung konnte jener alle die Wahrnehmungen am Himmel^^^'
18*
n • z. p:
sr
Q'F S'
Fig. 28.
276 V. Elemente der Mathematischen n. Physikalischen Geographie.
machen, deren wir bis zn dieser Stelle zu gedenken hatten; er hatte
aber bisher keinen Grund, daran zu zweifeln, daß sein Wohnort,
die Erdoberfläche, eine ebene, von der Himmelskugel zeltartig
überdeckte Scheibe sei. Solche Zweifel können sich erst von dem
Augenblicke an einstellen, da der Beobachter seinen Standort auf
der Erde verändert. Wir denken uns, daß derselbe zuerst aus-
schließlich auf der Mittagslinie seines anfänglichen Beobachtungsplatzes
hin- und herwandere.
Wanderung Bewegt man sich genau nach L vorwärts, so bemerkt man,
AUttags-" daß die Polhöhe immer kleiner, die Äquatorhöhe immer größer wird.
lmie. 5^ einem Meßinstrumente, d. h. mit einem Kreise, dessen Rand
(Limbus) in Grade, Minuten und Sekunden*) eingeteilt ist, während
um den Mittelpunkt eine das Fernrohr tragende Schiene, die Al-
hidade (arabisch) drehbar ist, kann man feststellen, daß die Polhöhe
um gleichviel äbgeuommen hat, wenn man sich auf der Erde um
eine gleiche Anzahl Kilometer südwärts bewegt hat. Wandert man
umgekehrt in nördlicher Richtung, so steigt der Nordpol stets höher
und höher empor, und zwar ist wieder das Wachstum der Polhöhe
dem auf der Erde zurückgelegten Wege proportional.
Erd- Von diesen Thatfachen haben wir uns nun geometrisch Rechen-
von*Nord schast zu geben. Wenn wir uns (Fig. 24) zwei konzentrische Kreise
nach Süv.
8'
Fig. 24.
mit dem Mittelpunkte M denken und auf der Peripherie des kleineren
derselben drei Punkte A, B, C so annehmen, daß die Entfernungen
AB und B C, in irgend einem linearen Maße (Kilometer, Meilen)
ausgedrückt, einander gleich sind, — wenn wir ferner diese drei Punkte
mit dem Mittelpunkte M verbinden und diese drei Radien soweit
verlängern, daß sie den äußeren Kreis resp. in A', B', C' treffen, so
müssen die Bogen A'B' u^d B'C' im Bogenmaße gleich sein, d. h.
*) In Wirklichkeit bringt es die ausübende Mechanik niemals dahin,
auch noch so kleine Kreisteile durch Striche darzustellen; selbst bei den feinsten
Instrumenten unserer Sternwarten stehen die einander nächst benachbarten
Teilstriche noch um 10 Sekunden = */« Minute von einander ab.
Mathematische (Astronomische) Erdkunde. 277
es muß auf jeden von ihnen die gleiche Anzahl von Graden, Mi-
nuten und Sekunden entfallen. Unsere obige Beobachtung kann mit-
hin nur dann richtig sein, wenn folgendes zutrifft: Die sogenannte
Mittagslinie irgend eines Punktes der Erde ist in Wahr-
heit keine grade Linie, fondern ein Kreis, dessen Mittel-
Punkt mit demjenigen der Erde zusammenfällt; der Erd-
körper besitzt eine in der Nordsüdrichtung gleichmäßig
gekrümmte Oberfläche.
Nunmehr werde angenommen, daß ein Wanderer sich ausschließ-Wanderung
lich in einer zur Nordsüdrichtung senkrechten Richtungslinie bewege. Ostwestrich^
Geht er von W nach 0, so bemerkt er, daß die Sonne stets früher tu"9'
und früher aufgeht, daß er also seine Uhr ununterbrochen vorzu-
richten hat, um dieselbe mit der wirklichen Zeit in Einklang zu er-
halten (f. S. 5). Bei umgekehrter Richtung des Fortschreitens ist die
Uhr ebenso ununterbrochen nachzustellen. Genau dasselbe findet
statt, wenn der Beobachter den Aufgang, Untergang oder auch die
Kulmination eines beliebigen Gestirnes mittelst seiner Taschenuhr der
Zeit nach zu kontrollieren versucht.
Da die Bewegung der Himmelskörper — die scheinbare Um- . .Erd-
. trumuiunö
drehung der Himmelskugel — eine gleichförmige ist, da fernervo» Ost nach
gleichen, in der Ostwestrichtung zurückgelegten Wegen auch gleiche Zeit-
unterschiede entsprechen, so muß offenbar auch die Ostwestlinie kreis-
förmig gekrümmt sein. Der Erdkörper besitzt mithin auch
eine inderOstwestrichtnng gleichmäßig gekrümmteOberfläche.
Die Geometrie lehrt, daß es nur einen Körper gibt, dessen Geftatt^der
Oberfläche an allen Orten nach zwei auf einander senkrecht stehenden
Richtungen gleichmäßig gekrümmt ist, nämlich die Kugel. Eine
Kugelfläche ist eine krumme geschlossene Fläche, deren sämtliche
Punkte von einem innerhalb gelegenen Punkte, Mittelpunkt oder
Zentrum genannt, gleichweit entfernt sind. Die Größe dieser
Entfernung bestimmt der Halbmesser oder Radius. Dasjenige,
was wir über die geometrische Beschaffenheit unseres Wohnkörpers in
Erfahrung gebracht haben, können wir nicht anders erklären, als
wenn wir folgenden Satz aufstellen: Die Erde ist eine im Welt-
räume frei schwebende Kugel, welche von der ihr konzen-
irischen Himmelskugel allseitig frei umschlossen wird.
Auch sämtlichen anderen Himmelskörpern kommt, soweit uns das Finsternisse.
Fernrohr in dieser Beziehung zu Erkenntnissen verHolsen hat, die
Kugelgestalt zu, insonderheit der Sonne und dem Mond. Nun-
mehr ist leicht einzusehen, in welcher Weise eine Finsternis
(griechisch gxXeu|>u;, Ausbleiben des Lichtes) zustande kommt. In
Fig. 25 bedeutet 8 die Sonne, E die Erde, der um E als Mittel-
punkt beschriebene Kreis die Bahn des Mondes. Diese letztere fällt
nicht ganz genau in die Ebene der Zeichnung; denn sonst würde jeder
Bollmond (s. S. 10) zu einer Verfinsterung des Mondes, jeder Neu-
278 V- Elemente der Mathematischen u. Physikalischen Geographie,
mond zu einer solchen der Sonne führen. Zu gewissen Zeiten jedoch
ereignet es sich, daß der Mond in Mi sich gerade zwischen Sonne
und Erde stellt; dann tritt eine Sonnenfinsternis ein, und diese
ist total, wenn die Sonne völlig verdeckt wird, Partie ll, wenn ein Teil
der Sonne sichtbar bleibt, ringförmig, wenn um die schwarze Mond-
scheibe herum ein schmaler Lichtkranz das Vorhandensein der Sonne
bezeugt. Steht umgekehrt der Mond auf der entgegengesetzten'Seite,
nahe bei Ma, so kann unter Umständen eine Mondfinsternis ein-
treten, indem nämlich unser Trabant in den hinter der Erde sich
bildenden Schattenkegel der Erde tritt. Auch diesmal ist zwischen
einer totalen und partiellen Finsternis zu unterscheide!!. —
Alle Finsternisse kehren ungefähr nach Umflnß von 19 Jahren
in derselben Reihenfolge wieder; diese Periode, welche bei den Baby-
loniern den Namen Saros führte, war schon den Alten bekannt,
und ihrer bediente man sich, Finsternisse voranszubestimmen. So
soll Thales die Sonnenfinsternis vorausgesagt haben, welche in der
Schlacht am Halys (Lyder und Meder), Sulpieius Gallus die-
jenige, welche in der Schlacht bei Pydna (Römer und Macedouier)
wirklich eintrat.
Grsnttw für ^an findet in den Lehrbüchern außer dem vorhin näher
die Kugel-Ausgeführten wohl auch noch andere Beweise für die sphärische
gestalt. Krümmung (acpoüpa, die Kugel) der Erde zusammengestellt, doch
müssen dieselben an wissenschaftlichem Werte weit hinter jenem zurück-
stehen. Weitaus der wertvollste uuter diesen Beweisen zweiten Ranges
ist derjenige, welcher von der in die Augen fallenden Krümmung
einer Wasserfläche Gebrauch macht, und den wir seiner Leicht-
Verständlichkeit halber früher (S.3) an die Spitze gestellt haben; derselbe
hat jedoch den Nachteil, daß er nur für das Wasser, nicht aber auch
für das Festland gilt. — Dasselbe läßt sich sagen von einem neuer-
diugs viel besprochenen optischen Beweise. Ein ebener Spiegel
bildet jeden Gegenstand genau so ab, wie er wirklich ist, währeud
das Bild eines gekrümmten Spiegels bekanntermaßen Ver-
zerrnngen aufweist. Wenn man nun mit sehr genauen Meßinstru-
Fig. 25.
Mathematische (Astronomische) Erdkunde. 279
Meuten das von der Fläche des Meeres oder eines großen Landsees
zurückgestrahlte Bild eines Gegenstandes untersucht, so ergibt sich
stets eilte Veränderung, an welcher die Krümmung der Spiegelfläche
die Schuld trägt. — Der Philosoph Aristoteles wies darauf hin,
daß bei einer partiellen Mondfinsternis (s. o.) der schwarze Erd-
schatten sich auf der leuchtenden Scheibe stets als Kreislinie'abzeichne.
^ Dies kann immerhin dazu dienen, die Kugelgestalt der Erde wahr-
scheinlich erscheinen zu lassen. — Die Weltumseglungen (f. 4)
beweisen im Grunde nichts für die wahre Erdgestalt; sie bekunden
vielmehr blos das eine, daß längs des von dem betreffenden See-
fahrer eingeschlagenen Wegs der Erde eine allseitig zusammen-
häugeude, von Ecken und Kanten freie Oberfläche zukommt.
Durch geodätische Messungen*) von der Art, wie wir sie^bweichung
gleich nachher zu beschreiben haben werden, ist ermittelt worden, daßKugelgestalt.
die Erde — von den durch Berge und Thäler hervorgebrachten Un- '^Erde^
regelmäßigeren (s. S. 4) abgesehen — einigermaßen von der
Kugelgestalt abweicht, so wenig jedoch, daß nur auf Globen von-
ungeheure» Dimensionen die Abweichung erkennbar gemacht zu werden
vermöchte. Die Erde kann thatsächlich dadurch entstanden gedacht
werden, daß (Fig. 26) die Kurve AB CD um BD eine halbe Um-
drehung macht. Man nennt eine solche ovale Linie eine Ellipse**),
die Grade AC deren große Achse, die Grade BD deren kleine
Achse. Die Erde ist demgemäß ein abgeplattetes Umdrehnngs-
oder Rotationsellipsoid, an den Polen ein wenig eingedrückt,
längs des Äquators etwas aufgetrieben. — Neuerdings ist man sogar
*) fsooaiata (wörtlich Erdzerteilung) bedeutet die h ö h e r e F e ld m e ß k u n st.
**) Die geometrische Eigenschaft der Ellipse läßt sich leicht angeben, wie
folgt. Im Inneren der in sich zurücklaufenden Kurve, und zwar aus der
großen Achse liegen zwei Punkte Fi und Fa so, daß, wenn man irgend einen
Punkt 6- des Umfanges mit ihnen verbindet, stets die Streckensumme (GFi+G-Fa)
gleich der Hauptachse AC sein muß. Ein jeder der obigen beiden Punkte ist.
ein Brennpunkt oder Focus.
280 V. Elemente der Mathematischen u. Physikalischen Geographie.
zu der Überzeugung gelangt, daß auch das Ellipsoid nicht vollkommen
der Wirklichkeit entspricht; jene Fläche vielmehr, welche mit dem
Spiegel des von Wind und Wellen unbewegten Meeres
übereinstimmt und Geoid (7^, die Erde; ei8ifc, ähnlich) genannt wird,
besitzt keine streng geometrische Gestalt, ohne jedoch irgendwie
beträchtlich von einem gewissen sich möglichst nah anschmiegenden
Ellipsoid, dem Reserenzellipsoid, abzuweichen.
®r{^j,eöcr Um die Größe des Halbmessers der als kugelförmig
betrachteten Erde zu finden, dienen die sogenannten Grad-
Messungen (s. S. 4). Ihr Wesen erläutert Fig. 3a (f. 0.). Der
innere Kreis Versinnlicht einen Meridian; aus ihm wählt man zwei
Punkte A und B und bestimmt auf feldmesserischem Wege deren Ent-
fernung; wir wollen sie 1 nennen. Mit astronomischen Instrumenten
mißt man ferner den Bogenabstand der beiden Punkte A' und B',
welche die Zeüitälpuukte (f. S. 273) von A und B sind, und dieser
Bogen soll k Grad betragen.*) Da die Krümmung beider konzen-
trischer Kreise eine gleichmäßige ist, so muß, wenn u den Ansang
eines Meridiankreises bezeichnet, diese Proportion bestehen:
k : 360 1 : u.
Hat man hieraus u — —^-gefunden, so erhält man den Erdradius,
wenn man in u mit der Zahl 6,28 (wohl auch blos y) hinein-
dividiert. Solcher Gradmessungen sind seit Eratosthenes von
Alexandria, der im 3. Jahrh. v. Chr. eine solche vornahm, un-
zählige ausgeführt worden; man hat sogar unter dem Vorgange
Preußens (General v. Baeyer) eine Europäische Gradmessung
begründet, durch deren Mühwaltuug uns die Eigentümlichkeiten der
Erdgestalt — des Geoides (s. 0.) — von jähr zu jähr klarer werden.
Die große Achse a des Erdellipsoides wird auf 6377 km, die kleine
Achse b auf 6356 km angegeben; bildet man den echten Bruch
a—b 6377 — 6356 21 3 1 ,
* = IT = 6377 = 6377= W = MÖ
so ist dieser Bruch oc mit der sogenannten Abplattung der Erde
gleichbedeutend. Der Halbmesser derjenigen Kugel, durch welche in
den allermeisten Fällen das Erdellipsoid ersetzt werden kann, beträgt
(s. S. 4) 6370 kw.
Mond- thn die Erde kreist der Erdmond als deren ständiger Be-
ÖUn°' gleiter (Trabant, Satellit). Ein aufmerksamer Beobachter seines
Laufes gewinnt den Eindruck, als bewege sich dieser Himmelskörper
in einer zwischen zwei zum Äquator parallelen Kreisen der Himmels-
kugel enthaltenen Schraubenlinie hin und her. Wenn man jedoch
genauer auf einem Sternglobus tag für tag den Stern markiert, an
***) In früherer Zeit wählte man die Punkte A und B so, daß Bogen
A'B' gemeiniglich = 1° wurde; daher der Name „Gradmessung".
Mathematische (Astronomische) Erdkunde. 281
welchem der Mond in einem bestimmten Momente, etwa dem der
Kulmination, gestanden, so erkennt man, alle diese Punkte durch
einen Kurvenzug verbindend, die Wahrheit dieser Thatsache: Die
vom Monde beschriebene Bahn ist ein größter Kreis der
Himmelskugel. Die Lichtgestalten oder Phasen (s. S. 10)
erklären sich leicht durch folgende Überlegung (Fig. 27). Bon der
Sonne S geht ein wegen der großen Entfernung dieses Weltkörpers
als aus lauter Parallelstrahlen zusammengesetzt zu erachtendes
Lichtstrahlenbündel aus. Steht der Mond in A, fo kehrt er der
Erde feine dunkle Hälfte zu; denn alles Licht, mit dem er leuchtet, ist
nur geborgtes oder reflektiertes Sonnenlicht; es ist also unser
Trabant in A unsichtbar, man hat Neumond.*) Steht dagegen
der Mond in C, so ist gerade feine belichtete Hälfte der Erde zu-,
feine dunkle von ihr abgekehrt; man hat also Vollmond. Die
Linie BD steht auf der Linie AC, mit welcher sie sich in E —
dem Standorte der Erde — begegnet, senkrecht; 'wenn der Mond
auf seiner Bewegung (von A über B nach C) nach B gelangt,
erkennt man von E aus gerade nur die Hälfte der bestrahlten
Halbkugel; ein Vierteil der ganzen Mondkugel ist sichtbar, und
wir sprechen deshalb mit Recht vom ersten Viertel. Ebenso ver-
hält es sich, wenn der Mond in D angekommen, wenn also das
letzte Viertel eingetreten ist. — Um ohne besonderes Nachdenken
zu finden, ob das eben wahrgenommene Mondviertel das erste oder
letzte ist, erinnere man sich des lateinischen Sinnspruches: Buna, est
mendax; si decrescit, crescit, si autem crescit, decrescit. Der
lateinische Buchstabe D nämlich ähnelt der Gestalt des zunehmenden,
der Buchstabe C derjenigen des abnehmenden Mondes.
Von großer Wichtigkeit ist es, mit der scheinbaren Be-Scheinbare
wegung des Tagesgestirnes recht genau vertraut zu machen. Am &?w"Sg.
*) Das Wort erinnert an das graue Altertum, als man noch glaubte,
der unsichtbar gewordene Mond sei thatsächlich vernichtet, und es müsse sich
an seiner Statt erst wieder ein neuer Mond bilden.
282 V. Elemente der Mathematischen u. Physikalischen Geographie.
21. Dezember geht dasselbe nahe dem Südpunkte des Horizontes
auf, steigt nur wenig empor und geht ebenfalls nahe dem Endpunkte
wieder unter; man hat den kürzesten Tag und die längste Nacht
des Jahres. Nach einigen Tagen nimmt man wahr, daß Auf- und
Untergangspunkt sich mehr und mehr dem Ost- und bezüglich West-
punkte nähern, daß der Tag länger, die Nacht kürzer wird, bis
endlich am 21. März die Sonnenbahn genau mit dem Äquator
zusammenfällt, dessen eine Hälfte oberhalb, dessen andere unterhalb
des Horizontes liegt. Von da an geht die Sonne n vom Lstpunkte
auf und ebenso nördlich vom Westpunkte unter; ihr Tagbogen
wird größer als ihr Nachtbogen und damit der Tag länger
als die Nacht, bis endlich am 21. Juni um Mittag die Sonne
den höchsten Stand erreicht, den sie überhaupt zu erreichen vermag.
Jetzt beginnt^ ihre Bewegung wieder eine rückläufige zu werden,
die Tage nehmen an Länge ab, die Nächte zu, bis am 23. Sep-
tember die Tagesbahn der Sonne wieder in den Himmels-
äquator hineinfällt. Von diesem Zeitpunkte ab übertrifft wieder die
Nacht den Tag an Dauer, und der Tagesbogen wird kleiner und
kleiner, bis er (s. o.) am 21. Dezember wieder seinen allerkleinsten
Wert erhält. Die Zeit, welche inzwischen verstrichen, ist bekanntlich
ein Jahr. Die beiden Tage, an denen die Sonne im Äquator
einhergeht, sind die desÄquinoktiums oder der Tag-nndNachtgleiche;
am 21. Dezember hat die Sonne das Wintersolstitinm oder die
Wintersonnenwende und am 21. Juni das Sommersolstitium
oder die Sommersonnenwende erreicht. — Wie beim Monde, so
scheint auch bei der Sonne die im Laufe eines Jahres beschriebene
Bahn eine schraubenförmige zu sein; doch auch diesmal ergibt eine
genauere Prüfuug, daß man die Erscheinungen richtiger interpretiert,
wenn man annimmt, die Sonne bewege sich auf einem größten Kreise
der Himmelskugel, der mit dem Äquator einen Winkel von beiläufig
231/2° einschließt. Man nennt diese scheinbare Sonnenbahn die
Ekliptik^), den erwähnten Winkel die Schiefe der Ekliptik. —
Ein zu beiden Seiten 30" breiter Gürtel umschließt die Ekliptik;
es ist dies der Tierkreisgürtel oder Zodiakus (von Cwov, das
Tier), welchen man in 12 Zeichen einteilt. Die Namen dieser
Tierkreiszeichen merkt man sich am besten mittelst des nachstehenden
Distichons:
Sunt Aries, Taurus, Gemini, Cancer, Leo, Virgo,
Libraque, Scorpius, Arcitenens, Caper, Amphora**), Pisces.
*) Das griechische Wort ist sy.XstTCxiy.ö<; v-uvloq- man nannte die Sonnen-
bahn aus dem Gründe so, ryeil die Eklipsen nur dann zu stände kommen
können, wenn die Sonne sich in nächster Nähe eines der beiden Durchschnitts-
punkte des Äquators und des scheinbaren Sonnenkreises befindet.
**) Deutsch: Wassermann.
Mathematische (Astronomische) Erdkunde.
283
Um 150 n. Chr. begründete der alexandrinische Astronom l^em.
Claudins Ptolemüns jenes Weltsystem, welches späterhin mit
seinem Namen belegt und durch 1400 Jahre fast ohne allen
Widerspruch als das allein richtige anerkannt wurde. Danach steht
die Erdkugel unbeweglich im Zentrum der Weltkugel, die man sich
vielfach von einer krystallenen Kugelschale umschlossen dachte. Die
Weltkugel dreht sich um die Erde mit gleichförmiger Geschwindigkeit,
auf diese Weiseden Gegensatz von Tag und Nacht hervorbringend,
da auch die Sonne, wie jeder andere Himmelskörper, diese Umdreh-
nng mitzumachen gezwungen ist. Außerdem aber besitzen noch der
Mond, die Sonne und die Planeten ihre besondere Bewegung, indem
sie sich in Kreisen, deren Mittelpunkt jedoch keineswegs ganz genau
mit demjenigen der Erdkugel zusammenzufallen braucht (Exzentrische
Kreise), um das genannte Zentrum bewegen. Die Reihenfolge der
Wandelsterne, von der Erde aus gerechnet, ist die folgende: Mond,
Merkur, Veuus, Sonne, Mars, Jnppiter, Saturn. Gewisse Un-
regelmäßigkeiten der Planetenbewegung (plötzlicher Stillstand, zeit-
weises Fortschreiten in einer der ursprünglichen entgegengesetzten
Richtung) erklärte Ptolemüns durch die sogenannten Epizyklen
(hniwxloQ, der Beikreis). Auf dem Umfange des Hauptkreises rückt
der Mittelpunkt eines kleinen Kreises mit gleichförmiger Geschwindig-
keit fort, dessen Peripherie von dem Planeten ganz in derselben
Weise durchlaufen wird. Fig. 28 sncht von dieser Lehrmeinung der
alten Astronomen eine Vorstellung zu geben.
Ter große deutsche Astronom Coppernieus (s. S. 7) er- Covvern.
kannte zuerst, daß dieses System, wenn es auch die Erscheinungen W" CUt
so ziemlich zu erklären vermöge, doch überaus verwickelt und un-
natürlich sei. In die bisherige Verwirrung kommt jedoch die schönste
Ordnung, sobald man mit Coppernieus folgendes annimmt. Eine
\
Fig. 28.
284 V. Elemente der Mathematischen u. Physikalischen Geographie.
eigentliche Himmelskugel gibt es nicht, sondern einen unendlichen
Weltraum, in welchem uach allen Seiten hin selbstleuchtende
Körper, die Fixsterne, verteilt sind. Einer dieser Fixsterne ist
unsere Sonne, um welche als ihren Mittelpunkt die Planeten in
folgender Reihenfolge kreisen: Merkur, Venus, Erde uebst dem ihr
beigesellten Monde, Mars, Jnppiter, Saturu. Nunmehr erhält mau
eine sehr einfache Einsicht in das Wesen der Jahreszeiten, wie
dies schon früher (S. 9 ff.) dargelegt worden ist. Der Unter-
schied von Tag und Nacht aber ist dadurch bediugt, daß sich unser
Erdball im Verlaufe von 24 Stunden einmal um seine Achse dreht.
Man erkennt, daß Coppernieus und Ptolemäus nur in Einem
Punkte, nämlich in der Erklärung der Bahn und der Lichtgestalten
des Mondes, völlig zusammentreffen; im übrigen werden die älteren
Anschauungen ^vollständig beseitigt dnrch zwei ebenso großartige wie
ihrem Wesen nach einfache Entdeckungen: die Rotation der Erde
um eine feste Achse und die Revolution der Erde um die
Sonue als Zentralgestirn. — Es dauerte zwei Jahrhunderte,
bis das neue Weltsystem zur allgemeinen Anerkennung durchgedrungen
war; der berühmte dänische Gelehrte Tycho Brahe (1546—1601)
bemühte sich, eine Vermittlung zwischen Ptolemäus und Copper-
nieus durch das nach ihm benannte Tychonische System herbei-
zuführen, allein dasselbe hat seinen Begründer nicht überlebt.
Kepler und Die größten Verdienste um die Befestigung der neuen Lehre
erwarben sich der Schwabe Johannes Kepler (1571—1631) und
der Engländer Isaak Newton (Njutn; 1642—1727). Der
erstere wies nach, daß die Bewegung der Planeten um die Sonne
nicht in einem Kreise, sondern in einer Ellipse vor sich gehe,
in deren einem Brennpunkte der Zentralkörper sich befindet. Newton
dagegen begründete die Theorie der Gravitation oder allgemeinen
Schwerkraft. Alle Körper üben auf einander eine von ihrer Masse
und Entfernung in bestimmter Weise abhängige Anziehung aus, und
diejenige Kraft, mit welcher die Erde den sich um sie herum be-
wegenden Mond in seiner Bahn erhält, ist keine andere, als die,
welche den losgelassenen Stein zur Erde zu fallen zwingt. In
Newtons einzig dastehendem, 1687 erschienenem Werke „Die mathe-
matischen Grundlagen der Naturphilosophie" werden alle Erruugen-
schasten von Coppernieus und Kepler als einfache Folgerungen aus
dem Gravitationsgesetze hergeleitet.
Belege f. d. An direkten Beweisen für die Richtigkeit der neuen Lehre,
System' welche man wohl auch — im Gegensatze zu der geozentrischen
Auffassung der älteren Zeit— die heliozentrische nennt, fehlt es
nicht. Die Mathematik beweist, daß jeder aus einer rotierenden Erd-
kugel horizontal bewegte Körper unausgesetzt eine Ablenkung von
seiner anfänglichen Richtung erleiden muß, und zwar auf der Nord-
halbkugel nach rechts, auf der Südhalbkugel uach links. Nun
Mathematische (Astronomische) Erdkunde. 285
ist es aber gelungen, durch zahlreiche Beobachtungen darzuthun, daß
die Luft- und Meeresströmungen ebendieselbe Ablenkung aufweisen,
und daß auch Geschosse in gleichem Sinne vom Ziele abirren. Noch
deutlicher spricht zum Auge der sogenannte Pendelversuch von
Foueault (Fukoh). Man läßt einen an dünnem Faden aufgehängten
Körper Schwingungen machen und bemerkt bald, daß die Schwin gungs-
ebene nicht immer die nämliche bleibt, sondern fort und fort eine
andere wird. In Wirklichkeit ändert natürlich jene Ebene ihre Lage
nicht, wohl aber dreht sich die Erde, und der Beobachter, welcher
von dieser Bewegung nichts fühlt, bekommt den Eindruck, als schwinge
das Pendel fort und fort in einer anderen Ebene. — Für die Re-
volution der Erde ist der entscheidende Beweis gegeben durch die
Fixstern-Parallaxe (entdeckt in den dreißiger Jahren durch Bessel
und Struve). Wenn AB (Fig. 29) einen Durchmesser der Erd-
F
Fig. 29.
bahn vorstellt, A etwa den Punkt, welchen die Erde am 21. Juui,
B denjenigen, welchen sie am 21. Dezember erreicht, so müssen die
von A und B nach einem Fixsterne F gezogenen Gesichtslinien einen
kleinen Winkel AFB mit einander einschließen, die sogenannte Parall-
axe. Allerdings ist dieselbe sehr klein — die größte, 1 Bogensekunde
hat der helle Stern in dem s Sternbild Zentaur—, allein sie ist
eben doch vorhanden, und daraus folgt unwiderleglich, daß die Erde
nicht immer den nämlichen Ort im Welträume einnehmen kann.
Wäre nämlich letzteres der Fall, so müßten AF und BF parallele,
resp. zusammenfallende grade Linien sein.
Die Möglichkeit, daß alle Himmelskörper an einer soliden
Himmelskugel angehestet feien, schwand von dem Augenblicke an, als
es gelang, die verschiedene Entfernung der einzelnen Himmels-
körper von der Erde außer Zweifel zu setzen. Zu diesem Zwecke
haben sich die Astronomen im Laufe der Zeiten der mannigfaltigsten
286 V. Elemente der Mathematischen u. Physikalischen Geographie.
Verfahruugsweifen bedient, deren einfachste wir im folgenden kenn-
zeichnen wollen. C (Fig. 30) sei der Mittelpunkt der Erdkugel, der
Kreis möge einen. Meridian derselben darstellen. Nun wählt man
aus diesem Meridiane zwei Orte A und B beliebig aus, die jedoch,
wenn die Bestimmung genau aussalleu soll, recht weit auseinander-
liegen müssen. Zi sei das Zenit von A, Z2 dasjenige von B. Wenn
nun der Stern 8, dessen Abstand vom Erdzentrum C ermittelt werden
soll, in den Meridian tritt, mißt man gleichzeitig die beiden Winkel
ZiAS = a und Z2 B S = ß, die sogenannten Z enitdistanzen.
Denken wir uns die vier Linien CA, CB, SA, SB gezogen, so haben
wir ein ebenes Viereck vor uns, von welchem wir die folgen-
den Stücke kennen: die Seiten CA und CB als Erdhalbmesser
den CAS — 180° — a, den 4: CBS = 180° — ß und
endlich den JC ACB, der durch den bekannten Winkelabstand der
beiden Beobachtungsstationen, den Bogen AB, gemessen wird. Wenn
man aber, so lehrt die Planimetrie, von einem Viereck (Trapezoid)
fünf Bestimmungsstücke kennt, so kann man durch Zeichnung oder
Rechnung auch alle übrigen dazu finden, insbesondere die Diagonale
CS, auf welche es uns ankommt.*) — Die Entfernung der Sonne
von der Erde, welche als astronomische Fundamentalen^ heit
gilt, wird mittelst der sogenannten Venusdurchgänge bestimmt.
Von Zeit zu Zeit — 1874 und 1882 — tritt der zwischen Sonne
und Erde umlaufende Planet Venus als kleine schwarze Kugel in
*) Im Sinne dieser Methode ließ die Pariser Akademie im Jahre 1759
die Entfernung des Planeten Mars von der Erde ermitteln. Was oben A
genannt ist, war damals Berlin, und der mit B bezeichnete Punkt war ein
südafrikanischer Ort unweit des Kaps der guten Hoffnung.
Mathematische (Astronomische) Erdkunde. 287
die helle Sonnenscheibe ein, und die Größe des von diesem dunklen
Körper auf dem lichten Hintergrunde zurückgelegten Weges gewährt
ein Mittel zur Berechnung der betreffenden Distanz.
Von den Maßverhältnissen des Weltsystems, welchem unsere Ansicht
Erde als ein sehr untergeordneter Bestandteil angehört, soll in diesem Sonnen-
Abschnitte eine kurze Übersicht gegeben werden. Der Mond ist von
der Erde im Mittel*) 50 000. geogr. Meilen oder 370 000 km ent-
fernt. Mit möglichster Abrnndnng stellen wir ferner die Sonnen-
distanzen der einzelnen Planeten, sowie die Zeiten, welche dieselbe
zu einem Umlaufe um die Sonne benötigen, in folgender Tabelle
zusammen.
Plauxk. Vulfernung v. d. Sonne in g. W. Vnlftrnnug v. d. So mir in km. Amlaufszrik.
Merkur Venus Erde Mars Planetoiden**) Juppiter Saturn Uranus Neptun 8 Mill. 15 „ 20 „ 30 .. 60 „ t.Durchschn. 104 „ 190 „ 390 „ 600 „ 57 Mill. 107 148 225 „ 450 „ t.Durchschn. 770 „ 1400 „ 2800 „ 4400 „ 88 Tage 244 , 365 „ — 1 Jahr 1 Jahr 320 Tage 3x/2 bis 6^2 Jahre HJahre315Tage 29 „ 167 84 „ 6 , 164 216 „
Merkur und Venus besitzen keine Monde, Mars hat deren
zwei, Juppiter vier, Saturn acht und zudem mehrere, die Kugel des
Planeten konzentrisch umgebende Ringe, Uranus wird von vier Tra-
banten begleitet, und auch ein Neptuu-Moud wird mit besonders
starken Fernrohren aufgefunden. — Das Altertum kannte, wie wir
wissen, nur Merkur, Venus, Mars, Juppiter uud Saturn als Pla-
neteu (der Erde.) Urauus wurde 1781 von Herschel entdeckt,
Neptun 1846 von Levern er (Lewerrieh) durch Rechnung als
existierend nachgewiesen uud sofort auch von Galle an dem berech-
neten Platze erkannt. Daß die Lücke zwischen Mars und Juppiter
wohl auch noch einen Planeten bergen könne, hatte bereits vor fast
300 Jahren Kepler für wahrscheinlich erklärt, und in der That
fand hier Piazzi am I.Januar 1800 die Ceres auf, der seitdem
(f. S. 10) über 200 Genossinnen nachgefolgt sind.
Nach dieser Abschweifung in den Himmelsraum kehren wir zurVestimmung
Erde selbst zurück. Wie wir S.II gesehen haben, wird jeder Pnnkt 5ömte'
der Erdoberfläche durch feine Breite uud Länge bestimmt, zwei
*) Da in der elliptischen Bahn der Wandelstern vom Zentralkörper bald
weiter, bald weniger weit entfernt ist, so muß stets eine mittlereEntsernung
angegeben werden.
**) Planetoiden, Asteroiden und kleine Planeten sind synonyme Be-
Zeichnungen.
288 V. Elemente der Mathematischen u. Physikalischen Geographie.
Bogengrößen, die man zusammen wohl auch die geographischen
Koordinaten des betreffenden Punktes nennt. Um diese zu be-
stimmen, bedarf es zunächst des Satzes: Die geographische Breite
eines Ortes, d. h. sein Bogenabstand vom Äquator, ist
gleich seiner Polhöhe. Man bestimmt nunmehr von einem
Zirkumpolarsteru die Höhe NAi (Fig. leicht zu zeichnen) der oberen
und die Höhe NA2 der unteren Kulmination, wo N den Nordpunkt
des Horizontes bedeutet. P ist der Nordpol; dem früher von der
scheinbaren täglichen Bewegung der Gestirne Gesagten zufolge ist
Bogen PAi — Bogen PA2, während NP die Polhöhe darstellt. Aus
der Figur ergeben sich unverzüglich die nachstehenden Beziehungen:
NP + PAi = NAi,
NP — PA2 — NA2.
Additivum 2NP = NAi + NA2; NO = 1/2(NAi + NA2). ~
Die geographische Breite ist sonach das arithmetische Mittel aus
der größten und kleinsten Höhe, die ein niemals untergehender Stern
am Himmel erreicht. Wegen der von der geographischen Breite
abhängigen Einteilung der Erdoberfläche in Zonen vgl. S. 13 ff.
Bestimmung Aus unserer Definition der geographischen Länge (s. S. 11)
nßC'folgt ohne weiteres: Zeit- und Längenuuterschiede sind pro-
portionale Größen. Um hiernach zu wissen, welches die Längen-
differenz der Orte A und B ist, reicht es hin, daß der Beobachter
in B in dem Augenblick, in welchem er auf seine Uhr sieht, weiß,
welches gerade die Uhrzeit von A ist. Zu diesem Zwecke wird auf
dem Festlande, da die Fortpflanzung des galvanischen Stromes so gut
wie gar keine Zeit braucht, die Ortszeit von A telegraphisch nach
B, resp. von B nach A gemeldet (Elektrische Zeitübertragung).
Auf hoher See freilich verliert dieses Verfahren seine Anwendbar-
feit; es muß daher jeder Schiffer mit einer äußerst regelmäßig
gehenden Uhr (Chronometer) versehen sein. Durch astronomische
Beobachtung bestimmt er die Zeit seines augenblicklichen Standortes,
und die Vergleichung des Chronometers zeigt ihm, wie viel Uhr es
eben in dem Orte ist, von welchem aus er seine Fahrt begonnen
hat. Damit aber ist ihm sein eigener Zeitunterschied gegen diesen
Ort und folglich auch der Längenunterschied gegeben.
Periöken: B (Fig. 31) sei ein beliebiger Punkt der Erdoberfläche, A Ai
Antipoden.
F'g. 31.
Mathematische (Astronomische) Erdkunde.
289
der Äquator. Die Bewohner der Örtlichkeit Li, welche mit L gleiche
geographische Breite, aber eine um 180° verschiedene Länge hat, werden
die Nebenwohuer oder Periöken (rcspxoixöi) von B genannt.
Sucht man dagegen den Punkt L2 auf der entgegengesetzten Halb-
kugel auf, welcher mit L sowohl gleiche Breite als Länge ^ hat, so
gelangt man zu den Gegenwohnern oder Antöken (avcomöi).
Die Gegensüßler oder Antipoden endlich (avTiTtoSe?, S. 5) in
B3 bewohnen den entgegengesetzten Endpunkt des von L ausgehenden
Erddurchmessers. Zieht man die verbindenden Sehnen, so nimmt
man wahr, das das Viereck L Li L3 L2 ein dem Meridian von L
einbeschriebenes Rechteck ist. Nebenwohner haben gleiche Jahres-
und entgegengesetzte Tageszeiten; Gegenwohner haben gleiche
Tages- und entgegengesetzte Jahreszeiten; Gegensüßler
endlich sind gleichzeitig Neben- und Gegenwohner.
Auf unseren Landkarten ist stets ein Gradnetz angebracht, so
daß die geographische Länge und Breite eines jeden Ortes direkt
aus der Karte entnommen werden können. Gewöhnlich fehlt auch
nicht der Kartenmaßstab; ist derselbe so heißt dies nichts
anderes, als daß die Entfernung irgend zweier Erdorte in Wirklich-
keit n mal so groß ist, als diejenige, welche man mit dem Zirkel
auf der Karte abmißt. Die Größe irgend eines Flächenstückes der
Karte verhält sich zu dem Areal der Erdoberfläche, dessen Karten-
Abbild man ausmessen kann, wie l:n2. Übrigens können diese
Bestimmungen niemals vollkommen genau sein. Die Erde ist näm-
lich, wie wir wissen, von einer gekrümmten Fläche^) umschlossen, welche
die Eigenschaft hat, sich auf keine Weise ohne Risse oder Falten in
eine Ebene ausbreiten zu lassen, und welches deshalb auch die Ab-
bildungsweise oder Projektion eines beliebigen Teiles der Erd-
obersläche sein möge, stets müssen dabei Fehler — Verzerrungen —
^begangen werden. Der Kartograph muß sich deshalb in jedem Einzel-
falle die Frage vorlegen, welchen Zweck er in erster Linie zu er-
reichen gedenkt, damit dieser Endzweck dnrch die unvermeidlichen Fehler
gar nicht oder doch möglichst wenig getrübt werde. Aus diesem
Grunde hat der Scharfsinn der Geographen und Mathematiker eine
sehr große Anzahl der verschiedensten Projektionsmethoden er-
sonnen, von denen jeder Atlas einige zur Anschauung bringt. Zur
Verdeutlichung unserer Worte erinnern wir an die von Gerhard
Kremer oder Mercato^ (im 16. Jahrhundert) erfundene See-
kartenprojektion, deren man sich gewöhnlich zur Darstellung der
Gesamtoberfläche bedient. Sie will nur erreichen, daß die krumme
Linie, welche alle Erdmeridiane unter gleichem Winkel schneidet
*) Es gilt dies keineswegs für sämtliche krumme Flächen. Hätte z. B. die
Erde die Gestalt eines Zylinders oder Kegels, so würde die Anfertigung
absolut genauer Karten nicht die geringste Schwierigkeit darbieten.
19
290 V. Elemente der Mathematischen u. Physikalischen Geographie.
(Loxodrome), sich auf der Karte in eine grade verwandle: zu dem
Ende werden die Meridiane gleichabständige Parallellinien, und auch
die Parallelkreise gehen in parallele Grade über, doch haben dieselben
nicht allenthalben gleiche Entfernung von einander, fondern der Ab-
stand wird mit wachsender Breite immer größer und größer. Das
Gesetz, nach welchem die Vergrößerung zu erfolgen hat, läßt fich
freilich ohne Kenntnis der höheren Mathematik nicht wohl erläutern.
§ 2. physikalische Erdkunde.
Entstehung Der Erdball ist, wie wir gesehen haben, ein zur Sonne als
der Erde. Zx^jx^lkörper gehöriger Planet. Man nimmt an, daß sämtliche
Bestandteile ^ des Planetensystems eine einheitliche Entstehungsart
gehabt haben, und zwar ist die Entstehung nach der Kant-
Laplace'fchen Hypothese^) in folgender Weise vor sich gegangen.
Die ganze Stoffmasse,, welche wir gegenwärtig auf die einzelnen
Körper des Sonnensystemes verteilt sehen, erfüllte vor undenklichen
Zeiten im Zustande äußerster Feinheit und Lockerheit eine Kugel
vou ungeheuer großem Halbmesser, welche sich um eine Achse drehte.
Sobald die Schwung- oder Zentrifugalkraft, die am Äquator einer
rotierenden Kugel ihren größten Wert erreicht, größer wurde als
jene Kraft, mit welcher die Kugel selbst ihre einzelnen Teile anzog,
trennte sich längs des Äquators ein Ring — Saturnsring —
vom ursprünglichen Körper los; auch dieser zerriß an einzelnen
Stellen, und die Bruchstücke mußten sich dann, den Gesetzen der
Mechanik gemäß, zu einzelnen Monden zusammenballen. Die auf
die angegebene Weise verkleinerte Zentralkugel erlitt einige Zeit
später einen weiteren Verlust der bezeichneten Art, bis sie endlich
auf jene Kugel zusammengeschrumpft war, welche wir als Sonne
bezeichnen. Die abgetrennten Teile aber sind nach uud nach in die
Planeten, Trabanten und Ringe verwandelt worden, mit denen uns
die Übersicht über unser solares System bekannt gemacht hat.
Beschaffene Die soeben auseinandergesetzte Lehre erhält ihre hauptsächlichste
Stütze durch den Umstand, daß Sonne, Planeten, Kometen und
Meteorite im wesentlichen aus den nämlichen Mineralstoffen bestehen,
welche man auch auf der Erde uud in deren Rinde nachweisen kann.
Was die Meteorsteine anlangt, welche aus der Lust herniederfielen,
so konnte man diese ohneweiters der chemischen Analyse unter-
werfen; den Himmelskörpern selbst gegenüber ist dies freilich
*) Ausgestellt wurde diese Ansicht von dem deutschen Philosophen K an t
(1724—1804), wesentlich vervollkommnet von dem französischen Mathematiker
Laplace (LaMs, 1794—1824). Unter einer Hypothese (taofreo^) versteht
mau einen wissenschaftlichen Satz, der sich zwar nicht in aller Strenge beweisen,
wohl aber durch viele Wahrscheinlichkeitsgründe unterstützen läßt.
Physikalische Erdkunde. 291
nicht möglich; allein die große vor dreißig Jahren gemachte Ent-
deckung zweier deutscher Gelehrter, R. Kirchhoffs und G. Buuseus,
hat es trotzdem ermöglicht, vermittelst der sogenannten Spektral-
analyse die Znsammensetzung der Gestirne zu bestimmen. So
fand sich, daß eine ganze Reihe irdischer Metalle — Gold selt-
samerweise nicht — in der Sonne vorkommt, daß die häufig aus
dem Sonnenkörper zu ungeheurer Höhe emporstrebenden, rosarot
gefärbten Protuberanzen aus Wasserstoffgas bestehen, daß im
Körper der Kometen sehr viel Kohlenwasserstoff enthalten sein muß
u. s. f. — Der Erde ähnlich ihrem ganzen Wesen nach sind die
Planeten Mars und Venns, auf denen man allenfalls auch eine
menschliche Bewohnerschaft für denkbar halten darf; die sogenannten
„oberen" Planeten, von Juppiter an nach auswärts gerechnet,
besitzen eine sehr geringe Dichte, befinden sich deshalb auch aller
Wahrscheinlichkeit nach noch großenteils in tropfbarflüssigem oder
sogar gasförmigem Znstande. Ein gleiches scheint von der Sonne
behauptet werden zu müssen, deren Außenhülle oder Photosphäre
jedenfalls aus geschmolzenen Massen, untermischt mit Gasen und
Metalldämpfen, zusammengesetzt ist. An Stellen, wo diese Dämpfe
sich dichter zusammenballen, zeigt sich eine vermehrte Helligkeit
(Sonnenfackeln), während die dunklen Sonnenflecke mutmaßlich
auf eine Art von Wolkenbildung hinweisen. Im Gegensatze zu der
großen Sonne, von der höchstens die inneren Teile sich bereits etwas
verfestigt haben, ist der kleine Erdmond heute bereits eine ausge-
brannte Schlacke; Luft uud Wasser besitzt er, wenn überhaupt, in
äußerst geringfügigem Maße, aber von der einstigen Feuerflüssigkeit
dieses Himmelskörpers legen noch beute zahlreiche erloschene, durch
das Teleskop deutlich erkennbare Vulkane Zeuguis ab. Von den
Meteorschwürmen, welche in großen Ringen die Sonne umgeben,
glaubt man allgemein, sie seien aufgelöste Kometen; denn es
zeigte sich, daß die Umlaufsbahnen vieler Meteorschwärme und
Schweifsterne völlig zusammenfallen. — Die Fixsterne müsfen nach
den Ergebnissen der Spektralanalyse als sehr weit entfernte Sonnen
anerkannt werden, sei es, daß sie einfach oder zu Systemen ver-
einigt auftreten (Doppelsterne; mehrfache Sterne). Ja sogar
die durch das Fernrohr nicht in Sterne zu zerlegenden Nebelflecke,
wohl die am weitesten von uns abliegenden Gebilde im weiten
Welträume, scheinen aus Elementarstoffen zu bestehen, welche mit
denjenigen unserer Erde übereinstimmen.
Vom Inneren unserer Erde besitzen wir eine direkte Kennt-Erdinneres,
uis überhaupt nicht. Die Tiesbohruugeu, welche man zu berg-
männischen Zwecken an vielerlei Orten angelegt hat, sind etwa Nadel-
stichen zu vergleichen, welche man in die Papierhülle eines großen
Erdglobus macht; selbst das tiefste aller bekannten Bohrlöcher
(Schladebach bei Halle a. S.) dringt nur ein paar Kilometer tief
19*
292 V- Elemente der Mathematischen u. Physikalischen Geographie.
ein. Immerhin ist, indem man Thermometer an bestimmten Eni-
fernnngen an der Wand solcher Bohrlöcher oder Schachte anbrachte,
eine hochwichtige Thatsache außer Zweifel gesetzt worden: Die Erd-
wärme nimmt von außen nach innen beständig zn. Im
Mittel ist anzunehmen, daß die Temperatur immer beim Hinabsteigen
um 25 m um einen Grad des hundertteiligen Thermometers
zunimmt. Diese Thatsache stimmt nun sehr gut zur Hypothese von
Kaut-Laplace (s. o.). Nicht sehr tief unter der Oberfläche müssen
sich demnach Steine uud Metalle in geschmolzenem Zustande befinden,
und in noch größerer Nähe am Erdmittelpunkte muß eine Hitze
herrschen, von der wir, auf die oberirdischen Verhältnisse angewiesen,
uns gar keine thatsächliche Vorstellung zu machen vermögen. Am
wahrscheinlichsten erscheint es noch, daß das ganze Erdinnere aus
einem äußerst feinen Gase besteht, während weiter nach außen
alle nur möglichen Stadien des Überganges aus dem gasförmigen in
den tropfbaren und aus dem tropfbaren in den festen Aggregat-
zustand sich finden dürften.
Bau ver Jede sich abkühlende Kugel aus geschmolzener Masse verfestigt
Erorinde. ^ gUerp. in den der Oberfläche benachbarten Teilen, und erst nach
und nach schreitet die Erstarrung nach innen zu sort. Von unserer
Erdkugel ist bereits eine ziemlich dicke Schale, die man Erdrinde
oder Erdkruste nennt*), in den Erstarrungszustand übergegangen.
Den weitaus überwiegenden Bestandteil dieser Rinde bildet in den
tieferen Schichten jenes Gestein, welches plutouischer Natur
(s. S. 20), d. h. langsam aus feurigem Fluffe erhärtet ist. Man
nennt es Urgestein, und es gehören hiezu Granit, Glimmer-
schiefer und Gneis; von diesem letzteren Gestein ist es allerdings
noch streitig, ob es wirklich fener-slüssiger und nicht vielmehr rein-
wässeriger Herkunft sei. Über diesem Urgesteine, welches an vielen
Stellen jedoch — man erinnere sich der Beschreibung der Alpen,
Pyrenäen u. s. w. — auch bis zur Erdoberfläche emporgedrungen ist,
lagern sich die neptunischen, Schicht- oder Sedimentgesteine,
welche, nachdem das die Erde in einem bestimmten Zeitraum be-
deckende Meer abgelaufen war, als Rückstand übrig geblieben und
allmählich in den Zustand mehr oder minder großer Festigkeit über-
gegangen sind.
Gestein? Wissenschaft von der Erde, die Geologie**), hat Mittel
c,Mie' gefunden, um von einer bestimmten Gesteinslage oder Schicht aus-
sagen zu können, ob sie älter oder jünger ist als eine andere,
d. h. ob sie sich früher oder später als diese aus dem Wasser nieder-
*) In Verbindung mit den Gebirgen und Plateaux der Oberfläche
bildet die Erdrinde die uns von früher (s. S. 12) bekannte Lithosphäre.
**) Von die Erde, und Xo-fo?, welches Wort hier soviel wie „wissen-
schaftliche Erörterung" bedeutet.
Physikalische Erdkunde. 293
geschlagen hat. Es dienen hiezu die in den Felsen eingeschlossenen
versteinerten Tiere oder Petrefakte, zn deren Studium sich
sogar eine besondere wissenschaftliche Disziplin, die Paläontologie*),
gebildet hat. Die Tiere und Pflanzen der Vorzeit lassen sich nämlich
im wesentlichen nach einer Stufenleiter anordnen, welche von den ein-
fachsten Formen zu den höher und höchst entwickelten hinaufführt;
in diesem Sinne gelangte man dahin, jene Lebewesen genau zu er-
Mitteln, welche einer bestimmten geologischen Stufe angehören.
Findet somit heutzutage der Naturforscher im Gesteine ein Petrefakt
(Fossil), so braucht er sich um die mineralogische Beschaffenheit des
Gesteines gar nicht zu bekümmern; er bestimmt vielmehr nur den
zoologischen Charakter des Tieres, den botanischen der Pflanze
und weiß dann sofort, aus welchem Zeitalter jene Gesteinsart
stammte. Nicht alle Versteinerungen eignen sich gleich gut für diesen
Zweck; wohl aber hat jede Stufe sogenannte Leitfossilien, welche
ausschließlich in ihr vorkommen und sich deshalb besonders gut zur
Altersbestimmung eignen (z. B. gewisse Ammoniten..für den Jura).
Daß jene Bestimmung nur eine relative, niemals aber eine ab-
solnte sein kann, daß man also niemals wird aussagen können, nm
wieviele Jahre oder Jahrtausende die Kohle älter ist als die Kreide,
das braucht Wohl kaum hervorgehoben zu werden.
In diesem Abschnitte sollen die einzelnen Haupt- und Unter-
stockwerke, aus welchen sich die Erdrinde aufbaut, übersichtlich zu-
sammeugestellt werden. Dasjenige, was in unserem Schema sich unten
befindet, ist auch in der Natur das untere. Nebenan sind stets einige
Leitsossilien namhaft gemacht.
IV. £>.imrtörc**) Stufe.
2. Alluvium (oder angeschwemmtes fort-
während sich neu bildendes Land der
Gegenwart).
1. Diluvium (Land der großen Fluten,
Sintflut).
III. Tertiäre Stufe.
4. Pliozän.***)
3. Miozän.
2. Oligozän.
1. Eozän.
*) Von TiaXcaoc, alt, und dem obigen \6yoc,.
**) Die im Augenblicke erreichte Gestaltung der Erdoberfläche wird, wie
man sieht, als das vierte, resp. fünfte Stadium der Entwicklungsgeschichte
unserer Erde betrachtet.
. , ***) Ua'-V0? heißt neu, ttXeio'v mehr, {xeiov weniger, öXrfoc; unbedeutend,
%>c die Morgenröte. Es soll durch diese Worte angedeutet werden, daß die
Organismen des Tertiärs sich mehr und mehr denen der Jetztzeit nähern, je
hoher man emporsteigt.
Moderne Tier- und Pflan-
zenwelt.
Erstes Auftreten des Men-
schen; Höhlenbär; Mam-
mut oder Riesenelesant.
Laubhölzer; Affen; Hip-
parion (Stammformdes
heutigen Pferdes);
Schwertfisch; verschie-
dene Riesensäuaetiere.
294 V. Elemente der Mathematischen u. Physikalischen Geographie.
II. Sekundäre Stufe.*)
3. Kreideformation.
2. Juraformation.
(Keuper.*^)
1. Trias, bestehend aus< Muschelkalk.
I Buutsandstein.
I. Primäre Stufe.
4. Permische Formation.f)
3. Kohlen- oder Karbonische For-
mation.i
2. Devonische Formation.
Erste Laubhölzer; Maas-
eidechse;
Saurier;**) Ammouiteu;
Belemuiteu.
Große Schachtelhalme;
erstes Auftreten der
großen Reptilien; äl-
testes Säugetier; Vo-
gelspuren.
Nadelhölzer; Amphibien.
Niedere Pflanzen; ff) In-
selten.
Erste Landpflanzen; Ko-
rallen.
Erstes Auftreten der Fische.
1. SilurischeFormatiou(uutersteSchich-
teu: Cambrium).
Die Urgesteinslagen, welche jenseits des Silur folgen, und für
deren Gesamtheit auch die Bezeichnungen Archäische oder Azoische
Formation (Cwov, das Tier, und a privativum) im Gebrauche sind,
entbehren pflanzlicher und tierischer Überreste gänzlich, was nicht auf-
*) Statt „sekundär" nennt man wohl auch diese Stufe die mesozoische
(tierisches Mittelalter), und ebenso heißt die primäre Stuse auch die paläozoische
(tierisches Altertum).
**) Die Saurier sind Eidechsen, doch unterscheiden sich die vorwelt-
lichen Tiere dieser Gattung von den gegenwärtigen durch ihre Größe und
abenteuerliche Gestalt. Allein das Krokodil erinnert noch einigermaßen an
jene Vorfahren. Besonders bekannt sind der krokodilähnliche Ichthyosaurus,
der am langen Schwanenhalse kenntliche Plesiosaurus, der plumpe Jgua-
nodon und die sonderbare Flugeidechse Pterodactylus. In den ver-
steinerungsreichen Brüchen von Solnhosen (s. S. 61) wurde auch der Archä-
opteryx gefunden, in dessem Gliederbau sich Anklänge an den Vogel- wie
auch an den Reptilien-Typus bemerklich machen.
***) Aus Keuper bestehen große, zum Weinbau sich hervorragend eignende
Landstrecken im bayerischen Franken.
f) Die Namen führen die Formationen nicht selten nach solchen Örtlich-
keiten, an welchen das betreffende Gestein besonders kräftig entwickelt ist.
Perm ist ein Gouvernement im ö Rußland; Devonshire (s. S. 154) eine eng-
lische Grafschaft; die Silurer waren ein Volk im alten Gallien lim heutigen
Frankreich); der Name Cambrium weift auf eine Landschaft im ö England hin.
ff) Die Kohle ist nichts anderes als versteinte Pflanzensubstanz, wes-
halb auch die Blätter und Stengel vielfach noch im Kohlengestein erhalten
geblieben sind. Diejenige Kohle, bei welcher der Übergang von der Pflanze
zum Mineral sich am vollständigsten vollzogen hat, ist die ihrer Brennkraft
halber gesuchte Anthrazitkohle; minder ausgiebig gestaltet hat sich dieser
Vorgang bei der Steinkohle, dieser steht wiederum nach die Braun- und
Lettenkohle, und das Ansangsglied des Prozesses kennzeichnet der Torf
(f. S. 15).
Physikalische Erdkunde. 295
fallen kann, wenn man sich ihres feurigflüssigen Ursprunges (f. o.)'
erinnert. Als jene Bildungen entstanden, war eben der Erdball
noch nicht fähig, die Wohnstätte noch so einfach gebildeter lebender
Wesen zu sein.
Nachdem wir die einzelnen Felsarten, aus denen sich die^ntstehnng
Gebirge der Erde aufbauen, im vorstehenden kennen gelernt haben,
müssen wir uns die sich von selbst aufdrängende Frage vorlegen:
Da die Begrenzungsflächen der einzelnen Schichten, als
diese vom Wasser niedergeschlagen wurden, zweifellos pa-
rallel und eben waren, wie kommt es, daß wir heutzutage
diese Schichten auf die verschiedenste Weise aus ihrer nor-
malen Lagerung herausgebracht erblicken? Diese Frage ist
jedoch offenbar ihrem Inhalte nach völlig einerlei mit der folgenden:
Wie sind unsere Gebirge entstanden? Vor hundert Jahren,
als Abraham Werner, Alexander v. Humboldt und Leopold
v. Buch die Geologie neu begründeten, glaubte man, feurigflüssige
Massen seien mit furchtbarer Gewalt durch Spalten der Erdrinde
hervorgedrungen, hätten die Schichtgesteine mit fortgerissen und seien
alsdann langsam erstarrt. Die heutige Wissenschaft, vornämlich ver-
treten durch Lyell (Leiell), Heim und Sueß, leugnet die Mög-
lichkeit, daß solches geschehen könne, keineswegs ab, in der großen
Mehrzahl der Fälle jedoch ist ihr zufolge der Hergang ein anderer
gewesen. Indem die Erdkugel sich abkühlt, zieht sie sich auch lang-
fam zusammen, und da die Kontraktion nicht überall eine gleich starke
ist, so bilden sich Fälteluugeu, dereu Ergebnis wir in den Ketten-
gebirgen der Erde — Alpen, Anden, vor allem aber Jura (f. S. 81)
und Appallachen vor uns sehen. Diese Gebirge sind sonach
nichts anderes als „die Runzeln im alternden Antlitz der Erde"
(Hinweis auf vertrocknende Früchte). Besonderheiten des Gebirgs-
baues können entstehen durch das Einsinken einzelner Stücke der
Schichten (Verwerfungen, Brüche). Maffengebirge, an denen
eine Gebirgskette ihr Ende findet, oder, wie man auch sagt, an-
geschart ist, kennzeichnen eine Stelle, in deren Bereich eine Art
Stauung der Faltenbewegung eingetreten ist.
Mit der Entstehung der Kettengebirge sind natürlich auch zu- Entstehung
gleich ihrer Richtung nach die Längsthäler (f. S. 20) gegeben. Thaler.
Doch darf man es als sicher annehmen, daß die Thäler von heute
ihrer Gestalt nach durchaus ein Werk der Erosion oder Aus-
nagnng des fließenden Wassers sind.*) Auch die Querthäler
(s. S. 20) verdanken höchst wahrscheinlich ihre Entstehung dem näm-
lichen Faktor; denn man weiß jetzt, daß die Erosion mit der Hebung
des Bodens gleichen Schritt zu halten, daß also auch ein Fluß
*) Das großartigste Erosionsprodukt auf Erden sind wohl die Canons
des Colorado in Nord-Amerika.
296 V. Elemente der Mathematischen u. Physikalischen Geographie.
Gestein zu durchschneiden vermag, welches geologisch (s. o.) von jüngerem
Alter ist, als dasjenige, in welchem der Fluß seinen Ursprung hatte.
— Neben der Erosion der Ströme darf aber auch die der Atmo-
sphärilien, d. h. der Luft selbst und des Regenwassers, nicht außer
acht gelassen werden; diese ist es, welche dem Kalkgebirge jene sonder-
baren, wilden Formen verleiht, von welchen bereits oben (s. S. 39)
die Rede gewesen ist.
Vulkane. Hohlräume (Schlüte, Kamine), welche von der Erdoberfläche zu
tieferen Schichten hinableiten, ermöglichen das Zustandekommen vul-
kauischer Ausbrüche. Es muß zur Zeit uueutschieden bleiben, ob
die ausgeworfenen geschmolzenen Massen Teile eines ausgedehnteren
feurigflüssigen Erdinneren (f. o.) sind, ob sie nur von kleineren
Glutherden im Inneren herstammen, oder ob nicht vielleicht erst kurz
vor dem Ausbruche durch Bewegungen innerhalb der Erdrinde*)
festes Gestein-, in den flüssigen Zustand versetzt worden ist. Von
einem ausgebrannten oder erloschenen Feuerberge ist anzunehmen,
daß entweder mit der Zeit an der betreffenden Stelle das unter-
irdische Feuer erloschen oder daß das Zuleitungsrohr irgendwie ver-
stopft worden, ist. Die meisten Vulkane (Vesuv, Ätna, Krakatau,
Vulkane der Kordilleren) haben sich selbst aufgebaut, indem stets neue
Aschenmassen um den allmählich anwachsenden Bergkegel sich herum-
legten; man nennt 'dieselben Schichtungs- oder Strato-Vulkane.
Mitunter aber sprengte auch die glutflüssige Masse die Erdrinde,
nachdem sie selbe zuvor blasenförmig aufgetrieben hatte, und trat
dann in ruhiger Majestät als Jutrufiv- oder Domvulkan hervor.
Der Hauptbestandteil solcher Domvulkane (Vogelsberg, Hohentwiel,
die von Ovid mit Sachkenntnis besungenen Vulkane von Argolis)
bilden die vulkanischen Gesteinsarten (s. S. 20) Basalt, Trachyt
und Phonolith (Klingstein), und ebendieselben finden sich durchgängig
vor in der Lava, welche aus den Schlöten der Stratovulkane auf-
steigt und an den Flanken des Berges herabläust. Sehr häufig kann
die Röhrenwandung den starken Seitendruck nicht aushalten, die Lava
bricht unterhalb der Öffnung aus, und es ist dann der Hauptkrater
durch einen.Parasitären Krater ersetzt. Solcher Nebenkrater hat
man am Ätna ein paar hundert gezählt.
Erdbeben. Mit dem Worte Erdbeben, Erdstoß oder Erderschütterung
bezeichnet man ein plötzliches, mehr oder minder starkes Erzittern des
Bodens. In vielen Ländern ist diese Erscheinung so gut wie unbekannt^*),
*) Die Physik lehrt, daß energische Bewegung, wenn ihr plötzlich halt
geboten wird, sich in Wärme umsetzt (Heißwerden eines rasch umlaufenden
Wagenrades). Man kann berechnen, daß durch das Rutschen oder Einstürzen
namhafterer Teile vom Schichtenbau der Erdkruste genug Wärme erzeugt
wird, um festes Gestein zum Schmelzen zu bringen.
**) Die weitaus meisten in Bayern beobachteten Erdbeben haben ein
weit entlegenes Epizentrum, und nur noch schwache Bodenschwingungen machen
sich diesseits unserer Grenzen fühlbar.
Physikalische Erdkunde. 297
andere wieder werden davon in schrecklichster Weise heimgesucht
(Sizilien, Hellas, Südamerika, Hinterindien). Durch Samm-
lnng vou Korrespondenzbeobachtungen und nachfolgende Rech-
nuug kann man in der Regel denjenigen Punkt der Erdoberfläche,
welcher direkt über dem Sitze des Bebens, dem Epizentrum, ge-
legen ist, ausfindig machen. Von dort aus breitet sich die Er-
schütteruug wellenförmig aus. Mau unterscheidet die minder
gefährlichen Vertikalstöße von den oszillatorischen Stößen,
welche meist den Zusammenhang der einzelnen Teile eines Bauwerkes
lockern und so den Einsturz der Häuser bewirken. Hinsichtlich ihrer
Entstehung unterscheidet man drei Gattungen von Erderschütterungen.
Die vulkanischen Erdbeben sind einfache Nachwirkungen der Erup-
tionen feuerspeiender Berge, die tektonischen Erdbeben weisen auf
Lagenveränderungen im Inneren der Erdrinde hin, die Einsturz-
erdbebeu treten auf, wenn ein unterirdisches Gewölbe zusammen-
bricht. Zur letzteren Gattung gehört ohne allen Zweifel der ziemlich
heftige Erdstoß, welcher am 22. Februar 1889 die Stadt Neuburg a. D.
getroffen hat.
Wir haben jetzt bereits eine 'ganz namhafte Anzahl von Ur-^M^er-^
fachen kennen gelernt, welche die Gestalt der Erdoberfläche, wie sie festen Erv-
in einem gegebenen Augenblicke bestand, zu ändern vermögen; der- "verflache,
jenige Zweig der physikalischen Erdkunde, welcher solche Veränderungen
systematisch zu betrachten lehrt, ist die Morphologie. Die großen
Faltenbewegungen der Erde schaffen Gebirge und Thäler; Vulkane
bilden sich und verhüllen mit einer Decke von Lava, Schlacken und
Asche ganze Gegenden (Pompeji, Hercnlanum); Erdstöße lassen da
Berge einstürzen und dort neue Erhöhungen sich bilden. Vor allem
aber ist die Erosion (f. o.) ein nie rastender morphologischer Faktor.
Sie lockert den Zusammenhang der Oberflächenschichten geneigter
Hänge und bringt die Runsen, Schutthalden und Kare (Kar-
Wendelgebirge) zuwege, welche das Aussehen der Berge von jähr zu
jähr verändern; durch ihre Thätigkeit werden mitunter sogar größere
Fels- und Erdmassen dazu veranlaßt, in langsamer Bewegung oder
jähem Sturze (Bergrutsch, Bergsturz) von der Höhe niederzu-
steigen. Erinnert sei nur au den großen Bergsturz von Goldau,
durch welchen das ganze Gebiet zwischen Zuger-, Lowerzer- und
Egeri-See eine so gründliche Umwälzung erfuhr, daß völlig neue
Karten des Bezirkes angefertigt werden mußten. — Ehe wir von
weiteren morphologischen Fragen sprechen, wird es zuvor nötig sein,
den Eigenschaften der Hydrosphäre unsere Aufmerksamkeit zuzuwenden.
Die Meeresbedeckung der Erde, also die Gesamtheit aller Das Meer
Ozeane, Mittelmeere, Raudmeere und Golfe (f. S. 17), umfaßt den luSS"
neuesten Bestimmungen zufolge 374 000 000 qkm oder 6 800 000
Quadratmeilen. Auf die einzelnen Hauptmeere verteilt sich dieses
Areal in der sofort anzugebenden Weise:
298 V. Elemente der Mathematischen u. Physikalischen Geographie.
Großer Ozean: 176 000 000 qkm
Atlantischer „ 89 000 000 „
Indischer „ 74 000 000 „
Nördl. Eismeer: 15 000 000 „
Südl. „ 20 000 000 „
Wegen des Verhältnisses der Wasser- und Landfläche (s. S. 17).
Die Tiefe des Meeres, zu deren Ausmessung die verschiedensten
Lotungsapparate dienen, ist eine überaus verschiedene, die größte
Tiese beträgt (f. S. 4) 8513 m. Im allgemeinen kann man
jedoch sagen, daß von dem Gegensatze zwischen Berg und Thal, den
wir am Boden des Luftmeeres wahrnehmen, ans dem Boden des
wirklichen Meeres kaum die Rede sein kann, denn dieser Gegensatz
ist nur ein Werk der Erosion; es ist vielmehr der Meeresgrund
eine sanft gewellte Fläche, wie er denn z. B. zwischen Irland
und Neu - Aundland der Erhöhungen fast gänzlich entbehrt
(Telegraphenplatean, auf welchem das große unterseeische Kabel
aufliegt). — Vom Meerwasser wissen wir bereits, daß es salzig
fchmeckt und der in ihm aufgelösten Festkörper halber sich nicht zum
Genusfe für Menfchen und Tiere eignet. Kochsalz, Chlormag-
nesium, Bittersalz und Gips find wesentlich die Stoffe, von
deren Nereiniguug das abhängt, was man den Salzgehalt^)
des Meeres nennt. Derselbe nimmt von der hohen See gegen das
Land hin stetig zu, weil er in der Nähe der Küsten durch die ein-
mündenden Flüsse stetig erneuert wird. Nicht überall find jedoch die
Verhältnisse die gleichen; die Ostsee z. B. besitzt nur einen ganz
unbedeutenden Salzgehalt. — Außer auf die fchon genannten Eigen-
fchaften richtet der Forscher fein Augenmerk auch noch auf die Tem-
perat ur, Durchsichtigkeit und Farbe des Meeres. Von letzterer
läßt sich nur sagen, daß sie die verschiedensten Abstufungen ausweist;
die Farbe des chemisch reinen Wassers ist ein lichtes Blau, und
alle abweichenden Färbungen sind dnrch die fremdartigen — organischen
oder anorganischen — Bestandteile bedingt, welche das Wasser in
sich aufgenommen hat.
Das Meer Die verschiedenen Bewegungsformen des Meeres lassen sich
^rei Unterabteilungen gruppieren, a) Die Meereswellen sind
ein Erzeugnis des über der Wasserfläche wehenden Windes; ihre
Fortpflanzung ersolgt, wie man an einem in eine ruhige Flüssigkeit
geworfenen Stein bemerken kann, in kugelförmigen Wellen. Dabei
bewegt sich jedes einzelne Wafferteilchen nur ganz wenig von seinem
ursprünglichen Platze fort (Vergleich mit einem vom Sturm ge-
peitschten Kornfelde). Auf freier See erreichen die Wellen nur ganz
ausnahmsweise eine bedeutende Höhe; die „haushohen" Wellen vieler
*) Durch Destillation (Austreiben der Salzteile im erhitzten Glas-
kolben) kann man jederzeit dem Meerwasser seinen Nebengeschmack nehmen und
es in gesundes, wenn schon nicht angenehmes Trinkwasser verwandeln.
Physikalische Erdkunde. 299
Beschreibe sind meist Phantasiegebilde; wohl aber kann die auf ein
unüberwindliches Hindernis treffende Brandungswoge ganz uu-
geheure Dimensionen annehmen (an der westenglischen Küste, an der
Fundy-Bai in Britisch-Nordamerika, an der Küste von Nieder-
Guinea, wo die als Kalema bekannte Brandung allseitig gefürchtet
wird). Nach neueren Erfahrungen glätten sich jedoch auch die wildesten
Wellen, wenn man eine kleine Quantität Öl darauf gießt, b) Die
Gezeiten oder Tiden werden von der Anziehungskraft des Moudes
und der Sonne hervorgerufen. Der erstere bringt seiner großen Nähe
wegen die stärkere Wirkung hervor. Jener Punkt des Meeres,
welcher den Mond gerade im Zenit hat, wird naturgemäß am
meisten angezogen; hier steigt somit das Wasser in die Höhe,
während es an dem um 90° entfernten Punkte einsinkt. Da jedoch
durch die Attraktion die Menge des vorhandenen Wassers nicht ge-
ändert werden kann, so muß auch an dem Antipodenpunkte des zuerst
genannten ein Ansteigen des Meeres stattfinden; zu jeder Zenitflut
gehört als notwendiges Korrelat eine Nadirflut, welche allerdings
nicht völlig die Höhe der ersteren erreicht. Die kugelförmige
Oberfläche des irdischen Wassermantels ist sonach in eine ellipfo idisch e
übergegangen, und der anziehende Himmelskörper steht in der Ver-
längernng der großen Achse dieses Ellipsoides. Jener Körper
steht aber nicht still, sondern umkreist infolge der scheinbaren Um-
drehnng des Himmels unsere Erde, und damit ändert auch der
Scheitel des Flntellipfoides seine Lage. Gäbe es kein Festland auf
der Erde, so wäre das Wesen der lunaren Gezeiten einfach in
folgendem Satze ausgesprochen: Die Flutwelle läuft in einem
Zeiträume von 24 Stunden zweimal um den Erdball herum,
so daß jeder Erdort in dieser Zeit zweimal tiefste Ebbe
und zweimal höchste Flut hätte. Die Abwechslung von Land
und Wasser, die sehr ungleiche Tiefe des Meeres und noch mancher
andere Umstand stören diese Regelmäßigkeit in nicht unerheblichem
Maße; auch muß man beachten, daß zwei anziehende Gestirne vor-
handen sind. Bei Neu- und Vollmond unterstützen sich die
Wirkungen von Sonne und Mond, es kommen die — zumal an der
friesischen Küste (s. S. 28) — gefürchteten Sturmfluten zustande;
im ersten und letzten Viertel dagegen thuu sich die anziehenden Kräfte
beider Himmelskörper gegenseitig möglichsten Abbruch, so daß die dann
als Nippsluteu bezeichneten Gezeiten den normalen Wasserstand, das
Mittelwasser, nur wenig beeinflussen. Im Weltmeere und in den
Randmeeren macht sich Ebbe und Flut beiweitem bemerklicher als in
den Mittelmeeren; die Ostsee verspürt z. B. nur wenig von den
Gezeiten, und im Mittelländischen Meere lassen wesentlich nur zwei
Küstenstriche — an: Lido von Venedig (si S. 18) und an der
Kleinen Syrte (s.S. 195)— ein lebhafteres Auf- und Abwogen der
Gewässer wahrnehmen. — c) Mitten im ruhigen Meere begegnet
300 V. Elemente der Mathematischen u. Physikalischen Geographie.
man vielfach einer Meeresströmung, deren Wasser sich auch durch
andere Farbe und Temperatur von den benachbarten ruhig ver-
bleibenden Teilen des Meeres unterscheidet. Man unterscheidet kalte
oder arktische und warme oder äquatoriale Meeresströmungen.
Schwächere Bewegungen dieser Art mögen wohl durch Ungleich-
Helten im Salzgehalte und in der Temperatur verschiedener
Meeresteile sich bilden; von den größeren Strömungen jedoch kann
es als erwiesen gelten, daß sie einzig und allein dem Winde ihre
Entstehung verdanken. Dauerwinde, welche das ganze Jahr hin-
durch unaufhörlich im gleichen Sinne wehen, zwingen durch Adhäsion
und Reibung die obersten Schichten des Wassers, in eine gleich-
gerichtete Bewegung zu gerathen, und dieser Antrieb setzt sich von
oben nach unten, von Wasserschichte zu Wasserschichte fort, bis endlich
auch die tieferen Partien an der Bewegung teilnehmen. Die Ge-
schwindigkeit natürlich wird mit größerer Tiefe immer kleiner und
kleiner. Über die Lage und Richtung der einzelnen Meeresströme
muß man sich auf der — heute Wohl keinem Atlas mehr fehlenden —
Karte derselben unterrichten; wir selbst wollen blos zwei derselben
hervorheben. ' Der eine derselben ist der (f. S. 174) Japans
Temperatur-Verhältnisse regulierende Schwarze Strom (Knrosiwo
oder richtiger Kuroschio der Japaner), der andere der bekannte
Golfstrom (f. S. 153 und 158), welcher aus dem Mexikanischen
Meerbusen entstammt, sich durch die Meerenge zwischen Euba und
Florida hindurchzwängt, in n - ö Richtung den Atlantischen Ozean
unter fortwährender Vergrößerung seiner Breite durchläuft und end-
lich, den Norden Europas umkreisend, in mehreren Armen dem
Nördlichen Eismeer znstrebt.*)
Meer und In der allermannigsaltigsten Weise wirkt das Meer aus die Küsten
Festland. £,eg Festlandes ein, bald Land bildend, bald Land zerstörend.
Indem der Seewind (f. n.) nach dem Ufer hin weht, führt er größere
Mengen Sand mit sich, die er, sobald er auf Hindernisse stößt, nach
und nach fallen läßt; so bilden sich die bekannten Dünen, Sand-
Hügel, die mit sanft geneigter Fläche gegen das Gestade, schroff ge-
böscht gegen das Binnenland hin abfallen und oft eine recht ansehn-
liehe Höhe — vorab an der Ostsee — erreichen. Sie bleiben auch
nicht etwa ruhig an ihrem Orte; sondern sie schreiten landeinwärts
fort, Wald, Feld und Baulichkeiten unter sich begrabend, wenn man
nicht durch Anpflanzung geeigneter Gewächse, deren Wurzelgeflechte
das Fortrücken des Flugsandes behindert, die Verfestigung der
Dünen bewirkt. Die Sandhügel großer Wüsten (s. S. 19) weisen
*) Aus seiner s Heimat bringt der Golfstrom ungeheure Wärme-
Vorräte mit und verschafft so Großbritannien, Skandinavien und Spitzbergen
eine gemäßigte Temperatur. Selbst die nicht seltene Eissreiheit des Karischen
Meeres und der Ob-Mündung (s.S. 171) ist wohl dieser mächtigen Strömung
zu verdanken.
Physikalische Erdkunde. 301
übrigens ein ganz ähnliches Verhalten ans. — Seine zerstörende
Gewalt bethätigt das Meer vornehmlich den steilen Felsküsten gegen-
über; die Brandungswogen sind fortwährend bemüht, das weichere,
weniger widerstandsfähige Gestein aus dem festeren herauszuspülen
und solchergestalt Buchte« und Baien zu bilden. Die langen,
schmalen Fjords der skandinavischen — und mancher anderen —
Küste (s. S. 136) sind höchst wahrscheinlich auf diese Art ausgefurcht
worden. Da, wo das Land in steter Senkung, das Meer in steter
Hebuug begriffen ist, erzielt die Abrasionswirkung der Brauduugs-
woge ihre größte Wirkung; namentlich in China hat der Ozean den
oberen Teil mancher Gebirge förmlich hinweggewaschen, so daß an
Stelle der gewohnten Abwechslung von Berg und Thal nur mehr
ausgedehnte Abrasionsflächen übrig geblieben sind. — Völlig ab-
gesehen von der Wellenbewegung des Meeres ist, worauf wir gerade
schon anspielten, an sehr vielen Erdstellen die Grenzlinie zwi-
sehen Meer und Land in steter Verschiebung begriffen. In
den Fels eingehauene Marken beweisen, daß da das Land in die
Höhe zu steigen, dort ins Wasser hinabzutauchen scheint; in Wirk-
lichkeit muß es als weit wahrscheinlicher gelten, daß das Wasser
durch seine Bewegung die Verschiebung der Niveaulinie bewirkt.
Man hat die sich hebenden und senkenden Küstenstrecken kartographisch
dargestellt; ein sehr auffallendes Beispiel ist aus Seite 164 namhaft
gemacht worden.
Die völlig vom Meere umgebenen Festlandteile oder Inseln Meeres-
(s. S. 18) haben eine sehr verschiedene Entstehungsgeschichte. Die infcIn"
physikalische Geographie glaubt die Inseln nach den folgenden Ge-
sichtspuukteu klassifizieren zu köuueu, indem sie vier Hauptgruppen
aufstellt, a. Alte Festlandsüberreste. Ein Kontinent wurde durch
große Umwälzungen in geologischer Vorzeit zertrümmert; ein über-
wiegender Teil seines Festlandes wurde vom Meere verschlungen,
doch sind Fragmente davon noch übrig geblieben. So sind sehr viele
Geologen der Meinung, die Insel Madagasear habe ehedem mit dem
Australischen Festlande zusammengehangen; es habe hier ein gewal-
tiger Kontinent bestanden, dem man sogar einen Namen — Lemuria,
das Land der Halbaffen (s. S. 215) — beigelegt hat. b. Abge-
sprengte Festlandstrümmer. Jene Inseln, die sehr nahe an
einem Kontinente liegen — Insel Wight (s. S. 152), Sizilien (s.
S. 42), das Feuerland (s. S. 230) u. s. w. —, die ferner nach ihrer
Gesteinsbildung, Tier- und Pflanzenwelt die größte Ähnlichkeit mit
dem benachbarten Festlande bekunden, sind zweifellos durch die Bran-
duug und die erodierende Wirkung der Gezeiten losgelöst worden,
c. Ozeanische- oder Hochfeeinseln; diese kleineren Eilande haben
sich im freien Meere erst gebildet. Zwei Möglichkeiten sind bei der
Entstehung dieser Inseln zu unterscheiden. Sie können vulkanische
Inseln sein, wie die Sandwichs- und Liparischen Inseln (s. S. 228,
302 V. Elemente der Mathematischen u. Physikalischen Geographie.
S. 258); sie können aber auch Koralleninseln sein, wie die Ber-
mndas (s. S. 42), die Lakkediven (s. S. 167) und viele Archipele Me-
lanesiens und Polynesiens. Die Korallenpolypen, Tiere, die nur
im Salzwasser, nicht jedoch im Süßwasser oder in freier Luft leben
können, scheiden aus ihrem Körper eine Kalksubstanz aus, welche
nach und nach erhärtet, und indem also seit undenklichen Zeiten Mil-
lionen solcher Tierchen thätig waren, konnten sich allmählich die statt-
lichen Bauwerke der Koralleuiuselu bilden. Dieselben sind teils
langgestreckte, der Schiffahrt gefährliche Dammriffe, teils kreis-
runde Atolle, in deren Innerem sich mehrfach ein Süßwassersee
befindet.
"waffer^ Nachdem wir im Vorstehenden das Erforderliche von der Salz-
wasserbedeckuug der Erde beigebracht haben, gehen wir nunmehr zu
deren Süßi^asserbedeckuug über. Oben (s. S. 15) ward bereits
erwähnt, daß das Wasser ans Quellen stammt, sich dann zu Bächen
und Flüssen sammelt und sodann im Meere oder in Binnenseen
sein Ende findet. Jeder dieser geographischen Begriffe soll einer
besonderen Behandluug teilhaftig werden, ebenso wie nachher auch
das festgewordene Wasser.
Quellen. Das Quellwasser ist nichts anderes als eingesickertes
Regenwasser. -Dasselbe durchdringt das poröse — mit Ritzen
und Löchern durchsetzte — Gestein und gelangt schließlich an eine nn-
durchlässige Schicht, welche ihm den Weg versperrt. Auf der
Grenzfläche dieser Schicht sammelt sich das Wasser und verbleibt auf
ihr so lange, bis es sich einen Ausweg ins Freie zu bahnen vermag.
Indem das Wasser das von ihm passierte Gestein chemisch und
mechanisch erodiert, werden ersterem Mineralbestandteile aller Art
einverleibt, und es kommen so die verschiedenen Mineralquellen
zustaude. Wenn aber der eigentliche Ursprung der Quelle in der
Nähe eines Vulkanes oder auch nur einer Stelle sich befindet, an
welcher namhaftere Störungen des Schichteubaues (Brüche, Ver-
werfungen) stattgefunden haben, so sind die Bedingungen zum Aus-
sprudeln einer heißen Springquelle gegeben. Unter diesen letzteren
sind die Geysirs (s. S. 44) am merkwürdigsten, welche sich ihr
Steigrohr selbst aufgebaut haben. Tritt man in der Ruhepause
au einen solchen Geysir heran, so ist das Rohr mit ruhigem,
klarem Wasser angefüllt; nach und nach kommt dasselbe in Unruhe,
mehrere kleine Explosionen treiben kleinere Wassermengen aus dem
Rohre heraus, und zuletzt wird mit lautem Krachen der ganze
Inhalt des Rohres in die Höhe geschleudert. Der Druck des Wassers
verhindert nämlich längere Zeit die unterirdischen Dämpfe, ihre
Expansionskraft auszuüben; sie können dies vielmehr erst dann, wenn
durch die vorausgegangenen örtlichen Explosionen bereits ein gewisser
Teil der Wassersäule weggeschafft, deren Gewicht und Druckkraft
entsprechend vermindert worden ist.
Physikalische Erdkunde. 303
Bei jedem fließenden Wasser, ob Strom oder Bach, interessiert
uns zunächst die Geschwindigkeit der Strömung. Dieselbe ist
am kleinsten am Flußbette und an den Rändern, weil hier ein
gewisser Reibungswiderstand zu überwinden ist, am größten längs
einer Linie, welche etwa in der Mitte — im Stromstrich — und
ziemlich tief unter der Oberfläche, dieser jedoch näher als dem Grunde,
zu ziehen wäre. Die Vereinigung eines Haupt- und Nebenflusses
geschieht, einem Naturgesetze zufolge, meist unter einem sehr spitzen
Winkel (Lech und Wertach, Po und Tanaro, Drau und Mur).
Wenn es im Ursprungsgebiete oder Sammelbecken eines Flusses
stärker regnet, als es sonst zu der betreffenden Zeit des Jahres zu
geschehen pflegt, so ist das Rinnsal des Flusses nicht geräumig
genug, um die Hochflutwelle aufzunehmen; es entsteht alfo eine
Überschwemmung. Dieser entgegenzuarbeiten, legt man um den
Oberlauf des Stromes herum Sammelteiche und Thalsperren
an, welche das überschüssige Wasser zurückhalten; gegen die Wild-
bäche des Hochgebirges aber, welche durch ihr Wasser sowohl wie
durch die mitgeführten Schlammströme — Muhren — den Menschen-
wohnungen verderblich werden können, schützt man sich teils durch
Verbauungen teils durch das Wiederausforsten kahler Berghänge
(s. u.). — In einzelnen Ländern haben die Flüsse weithin einen
unterirdischen Lauf.*)
Obwohl ihrem Aussehen nach die einzelnen Seen nicht sehr Seen,
verschieden von einander zu sein scheinen, so sind doch häufig sehr
abweichende Ursachen bei der Bildung der Hohlräume im Erdboden
maßgebend gewesen, welche nachher teils dnrch den Regen teils durch
einmündende Flüsse und Bäche mit Wasser gefüllt wurden. Wenn
wir uns auf die Hauptmomente beschränken, können wir folgende
genetische — d. h. die natürliche Entstehung darlegende — Seen-
tafel ausstellen, a) Abdämmungsseen. Durch einen Bergsturz
— Alleghe-See in Oberitalien —, durch eiueu Gletscher — Märjelen-
See im Berner Oberland — oder durch irgend einen anderen
*) Es gilt dies insbesondere vom Karstgebirge, welches (s. S. 39)
vom 80-Abhange der Julischen Alpen sich bis tief in die Balkanhalbinsel
hineinzieht. In dem brüchigen Kalkgestein dieses Gebirges hat die Erosion
gewaltige Wirkungen hervorgebracht; kolossale unterirdische Höhlen — Adels-
berger Grotte, Reka-Höhlen von St. Kanzian — sind ausgewaschen worden,
und nicht minder wurden durch Auswaschung und nachherigen Deckeneinsturz
die massenhaften Dolmen oder Kesselthäler (s. S. 125) gebildet. Der Reka-
Fluß verschwindet in der soeben genannten Höhle im Inneren der Erde und
tritt erst unmittelbar vor seiner Vereinigung mit dem Adriatischen Meere als
Timavo wieder ans Licht. Eigentümlich sind den Meeresufern des Karstes
auch die Meermühlen (Insel Kephalonia, Quarnero-Küste bei Finme); hier
stürzt sich das Meerwasser in tiefe Klüfte nahe dem Ufer, steigt jenseits durch
Spalten und Röhren im Inneren des Gesteines wieder in die Höhe und findet
in Gestalt von Brackwasserquellen wieder die Rückkehr zum heimischen Elemente
304 V. Elemente der Mathematischen u. Physikalischen Geographie.
Natur-Wall^) ist fließendes Wasser aufgestaut und ein See gebildet
worden. Gletscherseen durchbrechen häufig durch steten Druck die
vorgelagerte Eiswaud, und es werden dann benachbarte Thäler, wie
es das Otzthal in Nordtirol zu wiederholten malen erfahren mußte,
von furchtbaren Überschwemmungen heimgesucht, d) Einsturzseen.
Unterirdische Auswaschungen bringen dann und wann ein Stück
Erddecke zum Einsturz, und in die entstehende Mulde strömen
dann von allen Seiten die Gewässer ein. Dies gilt z. B. vom
Eib - See bei Garmisch (s. S. 66); auch die Karst - Dolmen
haben gar nicht selten aus ihrem Grunde einen kleinen See oder
Weiher, c) Tektonische Seen. Die bei den großen Fälteluugs-
bewegungen der Erdrinde von selbst entstehenden Hohlräume
haben auch oft Wasseransammlungen; dieser Gruppe scheinen die
kleinen Seey .des Französischen Jura (s. S. 36) anzugehören,
ä) Wohl die große Mehrzahl aller Binnenseen gehört zu den durch
die Aktion des fließenden Wassers vorbereiteten Erosionsseen,
e) Eine besondere Klasse für sich machen die Reliktenseen aus,
Meeresüberbleibsel^), welche entweder durch Landhebung oder
durch Meeresrückgang von der freien See abgetrennt und durch
Aussüßung (s. S. 14) in wahre Seen verwandelt worden sind.
Hierher sind u. a. alle Strandseen und des Zusammenhanges mit
dem Meere verlustig gegangenen Lagunen zu rechnen.
Ichnec und Schon früher (f. S. 21) wurde bemerkt, daß der Schnee, in
Gi§" den sich innerhalb der Hochgebirgsregion das fallende Regenwasser
umsetzt, nicht ruhig liegen bleibt, sondern die Thäler zu erreichen
sucht. An geneigten Hängen lösen sich die überhängenden „Schnee-
scknlde" los, und indem die ursprünglich kleine Schneemenge immer
größere noch ruhende Massen in Mitleidenschaft zieht, stürzt schließ-
lich eine sogenannte Lawine den Abhang des Berges hinab, alles,
was ihr in den Weg kommt, vernichtend. Die Rutschbahnen,
welche die Lawinen meistens einhalten, sind den Gebirgsbewohnern
wohlbekannt; man pflegt sorgfältig die auf denselben gelegenen
Baumbestände (Bannwälder; WilhelmTell; 3. Akt, 3. Szene), durch
welche der Lauf der Lawinen immerhin gemäßigt oder ganz aufge-
halten wird. — Unverhältnismäßig langsamer vollzieht sich die Be-
wegung der Gletscher. In einer Hochgebirgsmulde sammelt sich
Hochschnee, der allmählich abwärts gleitet und dabei durch Druck
in den sogenannten Firn, schließlich aber in eigentliches Gletschereis
übergeht. Letzteres unterscheidet sich in der Farbe wie in den
*) Der Biber bringt in Nord-Amerika durch seine Dammbauten geradezu
eine eigenartige Seenbildung zuwege (s. S. L42).
**) Die früheren Geographen erblickten in vielen Binnenseen Meeres-
Überreste, welche thatsächlich keine solchen sind. Das gilt insbesondere vom
Toten Meer (s. S. 171), welches vielmehr ein tektonischer See ist, mdem das
Jordanthal einen großartigen Einbruch der Erdrinde darstellt.
Physikalische Erdkunde. 305
physikalischen Eigenschaften von dem durch das Zufrieren der Ge-
Wasser sich bildende« Eise; es ist nicht weiß und krystallklar, sondern
grau oder bläulich, höchst nachgiebig gegen Druck, änßerst spröde
g^gen Zug und allenthalben von einem feinen Haarspalten netze
durchzogen. Der Gletscher ist in fortwährender Abwärtsbewegung
begriffen, und da diese ähnlich wie beim Flusse (s. o.) — an
den Rändern verlangsamt wird, so bilden sich die vom Bergsteiger
mit Recht gefürchteten Gletscherspalten. Der Gletscher oder
Förner — in den Tauern Kees genannt — erreicht sein Ende
da, wo die Luftwärme ein stetes Abschmelzen verursacht; aus diesem
Gruude eudet die Gletscherzunge häufig mit einem Gletscherthor,
dem ein Gletscherbach entströmt. Gesteinstrümmer, die vom
Gebirge herabfallen, sammeln sich in der Mitte des Gletschers als
Oberflächenmoräne, während die Grundmoräne dadurch entsteht,
daß die in 'die Unterfläche der Eismasse eingebackenen Steine den
Boden abschleifen. Jenseits der Zunge kennzeichnet die Endmoräne
den Ort, bis zu welchem der Gletscher vorgedrungen war. Nicht
in allen Jahren ist nämlich derselbe gleich stark entwickelt; bald
bringt er vor, bald zieht er sich wieder zurück. — Die großartigste
Entfaltung der Gletscher fand in jenem Zeiträume der geologischen
Vorzeit statt, welche man das Diluvium nennt; damals
war ein großer Teil Deutschlands mit Gletschereis bedeckt, und
man spricht mit gutem Gruude von einer Eiszeit. Eine
Erinnerung an jene mag uns heute noch das gänzlich vergletscherte
Grönland (s. S. 254) darbieten. — Außer den Gletschern trifft
man Schnee und Eis auch noch in den sogenannten Eishöhlen
und Eislöchern, welche sich in den verschiedensten Gebirgen finden
uud selbst im Hochsommer uoch eine Temperatur weit uuter 0° auf-
weisen. — Schwimmendes Eis findet man in allen den Polarkreisen
benachbarten Meeren. Erscheint es in der Gestalt niedriger, aber
langgestreckter Eisfelder, so hat man es mit gefrorenem Meer-
waffer zu thuu; die im Waffer schwimmenden Eisberge dagegen,
welche oft in den sonderbarsten Formen erscheinen, sind nichts anderes
als Gletscherbruchstücke. Eiu polarer Gletscher war auf seiner
Fortbewegung an den Rand einer steil ins Meer abfallenden Fels-
wand gekommen, und als die Bewegung noch fortdauerte, kalbte
der Gletscher, d. h. es fiel ein Stück von ihm ins Meer und
schwamm, weil das Meerwaffer spezifisch schwerer als das Gletschereis
ist, in demselben weiter. Erdmag-
Die Erdkugel wirkt auf jede Magnetnadel so, als wenn ucti*«tH5-
erstere selbst ein großer Magnet wäre; man spricht deshalb von den
Erscheinungen des Erdmagnetismus. Wenn man eine Magnet-
nadel in ihrem Schwerpunkte frei aufhängt, so stellt sie sich in einer
Richtung eiu, die mit der Südnordrichtung einen gewissen Winkel
bildet, und dieser Winkel führt den Namen Deklination. Eine
20
306 V. Elemente der Mathematischen u. Physikalischen Geographie.
durch die Richtung der Nadel gelegte Vertikalebene ist der magne-
tische Meridian. Bringt man dann eine zweite Magnetnadel so
in diesen Meridian, daß sie innerhalb der Vertikalebene sich frei um
ihren Schwerpunkt drehen kann, so bildet die Richtung der Nadel
mit der Horizontalebene einen größeren oder kleineren Winkel, die
Inklination. Schließlich gehört noch die Stärke oder Intensität
der magnetischen Kraft zu den drei Bestimmungsstücken des Erd-
Magnetismus. Man prüft diese Stärke dadurch, daß man eine Nadel
an einem ungezwirnten Fadeu aufhängt und die Anzahl der
Schwingungen bestimmt, welche sie auf einen gegebenen Anstoß hin
ausführt. Zum Erdmagnetismus steht in enger Beziehung eine der
großartigsten Naturerscheinungen, die man freilich nur jenseits der
Polarkreise in ihrem ganzen Glänze beobachten kann: das Polar-
licht (Nordlicht, Südlicht). Die sogenannte Krone dieses Licht-
bogens liegt stets da, wo die verlängerte Richtung der Jnklinations-
nadel das Himmelsgewölbe treffen würde.
Die ruhende Einige allgemeine. Eigenschaften unserer Atmosphäre sind
Atmosphäre. Bretts oben (f. S. 12) besprochen worden. Die Luft ist eiu uu-
sichtbarer, gasförmiger Körper, ein Gemenge aus 79 Teilen
Sauerstoff und 21 Teilen Stickstoff. Hiezu kommen noch als
weitere Bestandteile-Wasserdampf, die dem Menschen nachteilige
Kohlensäure, Ammoniakgas und Staub, d. h. der Inbegriff
der iu der Lust schwebenden Festkörper. Die Bedeutung dieses
letzteren Bestandteiles hat man erst in jüngster Zeit richtig zu
würdigen gelernt; man weiß jetzt, daß die Staubkörner die Ansatz-
Punkte bilden, auf welchen sich der Wasserdampf in Gestalt kleiner
Bläschen niederschlägt: ohne Stanb keine ausgedehntere
Wolkenbildung. Befindet sich in einem Kubikmeter Luft mehr
Wasserdampf, als derselbe bei der herrschenden Temperatur zu fassen
vermag, so bringt eine Erniedrigung der Temperatur Regenfall
zuwege, und dieser wiederum verwandelt sich bei einer Lufttemperatur
unter 0° iu Schneefall.—Die Witterungskuude oder Meteo-
rologie (iiszsoipoXoyta) bedars zur Verfolgung ihrer Zwecke gewisser
Instrumente, deren wichtigste hier aufgeführt seien, a) Thermo-
meter. Eine Quecksilbersäule ist in einer geschlossenen Glasröhre
enthalten uud gibt durch ihre Ausdehnung oder Verkürzung das
Steigen und Fallen der Temperatur au. Als Fixpunkte gelteu
der Gefrierpunkt uud der Siedepunkt des Wassers; die zwischen-
liegende Strecke wurde von Reaumur (Reomür) in 80, von Celsius
iu 100 gleiche Teile geteilt (hundertteilige Skale), b) Luft-
schweremesser oder Barometer.*) Der wechselnde Lustdruck
*) Dieses Instrument dient dem Geographen gewöhnlich dazu, Berg-
höhen zu messen (f. S. 19). Je weiter man sich nämlich vom Erdboden
entfernt, in umso weniger dichte Luftschichten gelangt man; das Quecksilber
sinkt deswegen in der Röhre mehr und mehr, je höher man steigt. Freilich
Physikalische Erdkunde.
807
bedingt es, daß das in einer gebogenen Röhre mit einem offenen
Schenkel befindliche Quecksilber bald steigt, bald fällt. Läßt man den
Luftdruck, statt auf eine Flüssigkeit, auf eine dünne, biegungsfähige
Metallplatte wirkeu, so erhält man das Feder- oder Aneroid-
barometer. e) Hygrometer oder Luftfeuchtigkeitsmesser. Für
den gewöhnlichen Gebrauch reichen Apparate aus, die zwar die Wasser-
dampfmenge nicht direkt zu messen, wohl aber deren Schwankungen
rasch zu verfolgen gestatten, sogenannte Hygroskope (axoTreiv, schauen),
d) Anemometer oder Windstärkemesser. Aus der Umdrehuugs-
geschwiudigkeit zweier senkrecht auf einander stehender, an den Enden
mit Hohlhalbkugeln zum Auffangen des Windes belasteter Stäbe
schließt man auf die Windstärke; die Windrichtung markiert die
bekannte Windfahne, e) Ombrometer oder Regenmesser. Man
fängt den Niederschlag in einem Zylinder von gleichbleibender Grund-
fläche auf und verzeichnet, wie viel cm oder mm hoch das Wasser
in der Röhre steht. Die vom Klima handelnden Abschnitte dieses
Buches enthalten mehrere Beispiele solcher Niederschlagsbestimmung.
Solange sämtliche Teile der Lufthülle genau gleich dicht sind, Die bewegte
kann in derselben keinerlei Bewegung eintreten. Durch lokale Er- tmosph re.
wärmung, die selbst von dem ungleich stark erwärmten Erdboden
auszugehen pflegt, wird dagegen eine Luftauflockerung eingeleitet;
es entsteht ein aufsteigender Lnftstrom, und in der Nähe des-
selben ist der Luftdruck geringer, als an anderen Stellen. Im all-
gemeinen wird innerhalb eines gewissen Bereiches sich stets ein Ort
geringsten Luftdruckes (Minimum, barometrische Depres-
sion) und ein Ort größten Luftdruckes (Maximum, barome-
trische Elevation) befinden, und da läßt sich denn, wenn man die
Lage der beiden Örter kennt, die Windrichtung vou vorherein bestim-
men auf Grund des von dem Niederländer Bnys-Ballot (Bens-
ballot) aufgestellten Gesetzes: Die Luft bewegt sich vom Maxi-
mnm zum Minimum hin, indem sie zugleich durch die Erd-
rotation auf der Nordhalbkugel nach rechts, auf der Süd-
halbkugel uach liuks abgelenkt wird. Der Minimalpunkt wird
infolge dessen nicht wirklich erreicht, die Luftteilchen bewegen sich um
ihn herum in Spiralbahnen, und diese Bewegung wird eine zyk-
lonale*) genannt, während die vom Maximalpunkt ausgehende
ist die Abnahme keine der Erhebung proportionale, doch haben die Physiker
eine Barometerformel aufgestellt, mittelst deren man, wenn das Jnstru-
ment an zwei verschieden hohen Punkten abgelesen ist, die Höhendifferenz
zn berechnen imstande ist. Kontrolliert werden muß allerdings die baro-
metrische Höhenmessung immernoch durch die nivellitische oder trigo-
nometrische Versahrungsweisen, deren Verständnis einige mathematische
Kenntnisse voraussetzt.
*) Die großen Wirbelstürme der Tropenzone — Taifune (Seite 174),
Hnrricanes — werden zusammenfassend auch Zyklonen genannt.
Damit ist ansgesagt, daß zwischen den leisen ^V-Winden unserer Gegenden
20*Georg-Eckert-ln3titut
^ für intsrnafionals
Scnu2buchforschun0
jraL'nschweig
— ____________-'V ■-
308 V. Elemente der Mathematischen u. Physikalischen Geographie.
Bewegung antizyklonal ist. — Nach dieser Regel lassen sich die
großen Windsysteme der Erde beurteilen, von denen für den Geo-
graphen wesentlich drei in Frage kommen, a. Land- und See-
wind. Nahe der Küste weht bei Tag der Wind vom kühleren Meere
nach dem erhitzten Lande hin, bei Nacht dagegen kühlt sich die Was-
sermasse weit langsamer ab als das die Wärme ebenso rasch ein-
schluckende wie ausstrahlende Festland, und somit geht jetzt der Lust-
zug vom Lande zur See. Zumal auf den griechischen Inseln ist
diese Erscheinung eine alltägliche (Kriegslist des Themistoeles vor
der Schlacht bei Salamis), b. Im großen wiederholen die Mon-
suue dasselbe Spiel, welches wir soeben im kleinen kennen zu ler-
neu hatten. In der heißen Jahreszeit — Monsim heißt im ara-
bischen der „Jahreszeitenwind" — bildet sich der aufsteigende Lnft-
ström über dem s Asien, in der kalten über dem Indischen Ozean
(f. S. 174). c. Am Äquator und in dessen unmittelbarer Nähe ist
der Erdboden naturgemäß am stärksten erwärmt- hier muß sich dem-
nach die Luftauflockerung, mit Macht geltend machen, und in den
entstehenden Hohlraum strömt von N und S her Luft ein, während
in größerer Höhe die erwärmte Luft gegen die Pole hin abfließt
und im Sinken erkaltet. Die Erddrehung lenkt alle diese Strö-
muugeu wieder bezüglich nach rechts und links ab. So weht that-
sächlich auf der ^-Halbkugel der Oberpassat als SW-SBiud, der
Unter Passat als NO-Wind, während aus der L-Halbkugel der
Oberpaffat ein NW-Wind der Unterpaffat ein SW-Wmd ist.
Am Äquator wird das Wehen der Passat- (englisch Handels-)
Winde kaum gespürt; hier liegt vielmehr die Zone der Kalmen,
die übrigens der Sonne folget, auf der Erdoberfläche hin- uud her-
wandert.
Lust-_ Die Atmosphäre besitzt nahezu immer eine elektrische Ladung,
eieltrizitat. f,e{ Regen- oder Schneefall verstärkt wird. Wenn die Spannung
zwischen der Erde und einer Wolke, welche beide mit entgegenge-
setzter Elektrizität geladen sind, allzugroß wird, so schlägt der
elektrische Fuuke als Blitz von der Wolke zur Erde über; das
jede elektrische Ausgleichung ohne Unterschied begleitende Geräusch
wird in diesem Falle Donner genannt. Ein von Blitz und Donner
begleiteter Sturm ist ein Gewitter, doch unterscheidet die Meteoro-
logie zwischen Wärmegewittern und Wirbelgewittern. Erstere
sind den heißen Ländern eigen und haben einen rein örtlichen Cha-
rakter, „verderben" also gewöhnlich auch das Wetter nicht; die Wirbel-
gewitter andererseits gehören zu einem Zyklone und machen sich
deshalb auch auf weitere Strecken hin bemerklich. Die Blitzgefahr
und den schauerlichen Orkanen der tropischen Meere kein qualitativer,
sondern lediglich ein quantitativer Unterschied obwaltet. Die antizyklonale
Luftbewegung hingegen ist etwas durchaus verschiedenes.
Physikalische Erdkunde. 309
ist bei den Wärmegewittern, auch unter den Tropen, nie eine be-
deutende, bei den Wirbelgewittern aber umso mehr. — Noch nicht
genügend erklärt ist der Hagel, d. h. das Fallen großer, eckiger,
von den Graupeln des Frühjahrs scharf geschiedener Eisstücke auf
einem nur schmalen Landstriche.
Derjenige Teil der Meteorologie, welcher sich mit der Auf- Uma-
suchung der für eine bestimmte. Erdstelle kennzeichnenden, d. h.
annähernd gleichbleibenden Witterungserscheinungen beschäftigt, ist die
Lehre vom Klima (s. S. 12) oder Klimatologie. Besondere
Übersichten über die klimatischen Verhältnisse der einzelnen Länder
der Erde sind im Texte des Buches in größerer Zahl gegeben
worden. Hier ist nochmals daran zu erinnern, daß die Einteilung
der Erdoberfläche in eine heiße Zone, zwei gemäßigte und
zwei kalte Zonen nach wie vor die Grundlage der Klimatologie
bildet. Freilich würden besser die Grenzlinien dieser Zonen nicht
mit Parallelkreisen, sondern mit gewissen Jahres-Jsothermeu
zusammenfallen, d. h. mit Linien, für deren sämtliche Punkte die
Mitteltemperatur des Jahres die nämliche ist. Aus praktischen
Gründen schiebt man zwischen die heiße Zone einerseits und die
uördliche und südliche gemäßigte Zone andererseits noch je eine sub-
tropische Zone ein, deren auszeichnende Eigentümlichkeit darin be-
steht, daß der Regen gewisse Jahreszeiten bevorzugt. Diese
Zonen bilden jedoch keinen in sich zurücklaufenden Gürtel; auf der
n Halbkugel fällt die subtropische Zone, da sie in Nordamerika weit
weniger deutlich ausgeprägt ist, im wesentlichen mit dem Mittel-
meerbecken zusammen (Spanien und Portugal, Südfrankreich,
Italien mit Südtirol, und dem Kanton Tefsin, Jstrien, Dal-
matien, Küstengebiet der Balkanhalbinsel und des Schwarzen
Meeres, ein Teil von Transkaukasieu, West-Persien, Syrien,
Nord-Arabien, Ägypten und der ganze Nordrand des Mittel-
ländischen Meeres). Auf diesem ganzen Gebiete walten mit größter
Entschiedenheit die Winterregen vor. — Die Klimate der Erde
hängen der Hauptsache nach ab von zwei Gegensätzen, a. Konti-
nental- und Küsten-(Jnsel-)Klima. Das erstere zeichnet sich
durch jähe Temperatursprünge, sehr heiße Sommer und sehr
kalte Winter aus, weswegen es auch in Hochasien und Sibirien
(s. S. 173) seine kräftigste Entfaltung findet, das zweitgenannte ist
mild und gleichmäßig, die Temperaturverteilung über das ganze
Jahr läßt keine schroffen Unterschiede hervortreten. Ein typisches
Beispiel für dieses Klima ist das vom Golfstrom umflossene
Großbritannien; hier können italienische Gewächse den Winter
über im Freien verbleiben, ohne zu erfrieren, der Weinstock aber
kommt niemals zur Reife, weil er hiezu der heißen Monate des
Binnenklimas bedarf. Ausgedehnte Waldbedeckung bewirkt, daß
das Klima der betreffenden Gegend einen insularen Charakter erhält,
310 V. Elemente der Mathematischen u. Physikalischen Geographie.
Während Waldentblößung das Gegenteil bewirkt, b) Tiesen-
nnd Höhenklima. Dieser Gegensatz ist dadurch bedingt, daß im
allgemeinen die Temperatur abnimmt, je höher man aufsteigt.
Nur in den Wintermonaten beobachtet man, wenigstens im Gebirge,
vielfach die entgegengesetzte Erscheinung (Temperatnrnmkehr). —
Die Klimatologie ist auch die wichtigste Hilfswissenschaft für die
Pflanzeu-und Tiergeographie, deren Zweck es ist, die lebenden
Wesen der Erde zu Provinzen von gemeinsamen Eigentum-
lichkeiteu zusammenzufassen. Wir haben z. B. oben uns über-
zeugt, daß die hinteriudische Tierprovinz von der australischen durchaus
verschieden ist.
Fernerer Verlag der Buchliersclien Verlagsbuch-
handlung in Bamberg.
Zum Gebrauch an den R. B. Lehranstalten ministeriell genehmigt!
Bauer, Dr. Wolfg., Übungsbuch zum Übersetzen aus dem Deutschen
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Gymnasialklasse (Sekunda). 6. Auflage von A. Brunner. 1889.
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Englmann, L., Lateinische Grammatik für Latein- und Realschulen.
1880. 2 Mk.
Englmann, L., Grammatik der deutschen Sprache. 7. Auflage,
bearbeitet von Dr. Heinrich Welzhofer, Kgl. Studienlehrer in
München. 1887. 2 Mk.
MM" Vorstehende weit verbreitete „Deutsche Grammatik"
ist zum Schulgebrauche genehmigt in den Königl. Bayerisch. Studien-
anstalten und Realschulen (3. Oktober 1877, Kultus-Minist.-Blatt 1877,
Nr. 34 S. 435), von der Königl. Württemb. Kultns-Ministerial-Abtei-
lung für Gelehrten- und Realschulen (12. April 1873) und vom
Grossherzoglich Hessischen Oberschulrat (29. April 1873).
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Englmann, L., Homerische Formenlehre. 28 Pf.
Englmann, L., Cornelius Nepos. Mit Anmerkungen für Schüler.
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Englmann, L., Deutsche Orthographie und aiphabet. Wörterver-
zeichnis für richtige Schreibung u. Beugung. 4. verbesserte Auflage.
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gebrauch erklärt von W. Gross. Mit metrischen Vorbemerkungen.
I. 1. Tristia. 1 Mk. 60 Pf. I. 2. Fast!. 1 Mk. 50 Pf. II. Meta-
morphoses. Index nominum. 2 Mk. 50 Pf. 2. Auflage bearbeitet
von Dr. A. Hellmuth. 1890.
Einmerig, A., Geometrische Kopfrechenaufgaben uud deren Auflö-
sungen. 1887. 1 Mk. 60 Pf.
Helm, J., Grundzüge der empirischen Psychologie und der Logik. .
4. verb. Auflage. 1887. 1 Mk. 60 Pf.
Hofmiller, O., Grundzüge der orthogonalen Projektion. Mit 16 Figuren-
tafeln geometrischer Vorlagen. 1889. 3 Mk. 80 Pf.
Hübsch, Gg., Abriss der Geschichte der Erziehung und des Unter-
richts unter vorzugsweiser Berücksichtigung des deutschen
Volksschulwesens. 1887. 1 Mk. 80 Pf.
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eines Lehrganges und Mafstafel. Zum Gebrauche an Gymnasien und
anderen Mittelschulen. 1888. 80 Pf.
Büchners Sammelbuch für die Schätze (1er deutschen Muttersprache.
1888. 5 Mk. 40 Pf. . ,
Emmerig, A., Unser nächtlicher Sternenhimmel. Ein Taschenbuch
für die studierende Jugend sowie für nächtliche Wanderer. 2. Auflage.
Mit einer Sternkarte und 27 Figuren. 1888. Kartonniert 2 Mk., eleg.
geb. 8 Mk.
Ausser den oben verzeichneten weit verbreiteten Lehrbüchern, welche
sich des vollsten Beifalls der Herren Fachmänner erfreuen und seit vielen
Jahren mit bestem' Erfolg beim Unterricht benutzt werden, erschien vor
kurzem in unserem Verlage:
Baldi und Brunner, Lese- und Hilfsbuch für den Unter-
richt im Deutschen an Gymnasien und höheren Bildungs-
anstalten. 520 Seiten stark, Preis 3 Mk. 90 Pf.
Durch die Herausgabe dieses Lehrbuches beabsichtigen die Herren
Verfasser, zwei erprobte Schulmänner, einem schon längst gehegten
Bedürfnisse abzuhelfen. In wie weit diese ihre Absicht richtig war, be-
weist, der Umstand, dass es sofort an vielen Lehranstalten eingeführt
wurde und ihm die günstigsten Beurteilungen zu teil wurden. (S. auch
„Blätter für Bayer. Gymnasialschulwesen" Band 25, 5. u. 6. Heft, Seite 283.)
Ferner erlauben wir uns auf eine 'Novität, welche soeben die Presse
verliess und gewiss von allen Fachmännern willkommen geheissen wird
aufmerksam zu machen. Es ist das:
Die Schulordnungen
Studie naiistiil teil, Realgymnasien und Real seh nie 11
Königreiche Bayern
vom 20. August 1874 und bezw. 29. April 1871,
dann die
Prüfungsordnung
für das Lehramt an humanistischen und technischen
Unterrichtsanstalten
mit den seither erschienenen
Erläuterungen, authentischen Interpretationen
und Vollzugsbestimmungen
nach aihtlichen Quellen systematisch geordnet von
J. Füg er,
z. Z. Vorstand der Lateinschule zu Miltenberg.
Circa 16 Bogen stark, octav, eleg.ausgestattet. Preis broch. 3 Mk. 50 Pf.
Seit Einführung der obenangeführten Schulordnungen für die K. Baye-
rischen Mittelschulen ist eine Reihe von erläuternden, ergänzenden und
den \ ollzug derselben regelnden höchsten Ministerialentschliessungen
erschienen, welche teils in den vom K. Staatsministerium des Innern für
Kirchen- und Schulangelegenheiten amtlich herausgegebenen Ministerial-
blättern enthalten, teils in besonderen Erlassen an die K. Kreis-
regierungen und an die K. Rektorate ergangen und für die mit dem
Vollzug der schulordnungsgemässen Bestimmungen betrauten Organe,
sowie für alle Männer von Fach von der grössten Wichtigkeit sind.
Neben den die Verteilung des Unterrichtsstoffes betreffenden Ent-
schliessungen hehen wir nur hervor den höchsten Erlass vom 13. August
1889 „den Turnunterricht an den humanistischen und technischen Mittel-
schulen des Königreichs betr." mit dem umfassenden Programm dieses
Unterrichtes, dann die Änderungen in der Eerienordnung, die Erläuterungen
der Altersdispensationen, die authentische Interpretation einzelner „die Ab-
haltung der mündlichen Absolutorialprüfung betreifenden Bestimmungen,
die gleichmässige Anerkennung der deutschen Gymnasial-Reifezeugnisse,
die Ausstellung der Qualifikations-Zeugnisse für den Einjährig-Ereiwilligen-
dienst u. a. m." '
In dieser ,vollständigen und übersichtlichen Bearbeitung soll das Buch
für die Vorstände und Lehrer der Mittelschulen, welche fortgesetzt in
der Lage sind.i die bezüglich des Studienwesens bestehenden Bestimmungen
anzuwenden, ein das zeitraubende Nachschlagen der betreffenden Ent-
schliessungen ersparendes Hilfsmittel sein.
DM" Zur geneigten Beachtung.
Wo die Einführung eines dieser in diesem Verzeichnisse auf-
geführten bestbekannten Lehrbücher bereits stattgefunden hat oder
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berg) auf gefällige direkte Mitteilung bereitwilligst Liehrer-
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für die Lehrer an sämtlichen Mittelschulen ein in jeder Beziehung
praktisches und handliches „Schul-Taschenbuch" geboten, wie es in
gleich solider und eleganter Ausstattung um so geringen Preis bis jetzt
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raubende Schematisiren zu ersparen und ihm Gelegenheit zu bieten, alle
während des Jahres nötige Notizen in übersichtlicher Weise machen
zu können. Ein zweites Bändchen, das einschlägige statistische Material
enthaltend, ist .in Vorbereitung und erscheint im Laufe des Winters.
Die Ausgabe dfer Jahrgänge obigen Taschenbuches erfolgt den Be-
dürfnissen entsprechend, jeweilig Mitte September.