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Lehrbuch
der
1 für Mittelschulen.
Nach den amtlichen Bestimmungen und mit besonderer Verück-
sichtigung der Heimat unter Mitwirkung von Fachmännern
herausgegeben von
Karl Wehrhan,
Rektor der Volta-Mittelschule in Frankfurt am Main.
Frankfurt am
Verlag von Moritz
1914.
Main.
viesterroeg.
Heimatkunde
von
WiMi-hGel»,
Gearbeitet von
h. Zievers
Rektor in Kltona.
Internationales Schü"bijpbiflStitut
Brl
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mit 34 Abbildungen und Plänen im Text.
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Frankfurt am Main
Verlag von Moritz viesterweg.
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Rlle Redete vorbehält
flltenburg
pierersche kjofbuchdruckerei
Stephan Eeibel & Co
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Vorwort.
Die vorliegende Heimatkunde ist bestimmt für die sechste und fünfte
Klasse vollausgebauter Mittelschulen. Die nächstgelegene Landschaft wird noch
in das Pensum der sechsten Klasse fallen; die übrigen Teile der Provinz
werden dagegen in der fünften Klasse zur Behandlung kommen. Da die
ganze Provinz als eine Gesamtlandschaft aufzufassen ist und der umfangreiche
Stoff in dem Rahmen, der in den Lehrplänen der Erdkunde für die fünfte
Klasse mit nur einer Wochenstunde eingeräumt ist, sich nur schwer bewältigen
läßt, wird man sich wohl allgemein genötigt sehen, den Ausdruck „heimat-
liche Landschaft" in dem Stoffplan für die sechste Klasse etwas weiter zu
fassen, als ursprünglich gedacht ist/ Im Süden der Provinz wird matt wohl
schon das ganze Gebiet der Niederelbe, im Westen die ganze Westküste, im
Osten das gesamte Hügelland in der sechsten Klasse behandeln.
Die Zeit, die man der eingehenden Behandlung der Provinz auf dieser
Stufe widmet, ist gut angewandt. Ist der Stoff auch sehr umfangreich, so
bietet er dafür doch den vorteil, daß er alle Landschaftstppen mit 5lus-
nähme der Gebirgslandschaft vorführt. Heide und Moor, Marsch und Geest,
sandige Ebene und lehmiges Hügelland, Düne und Haff, dazu ein großer
Strom und das Meer treten auf, und die Behandlung an dieser Stelle und
auf Grund des Erfahrungskreises des Kindes erspart Mühe und Zeit bei
der Behandlung des folgenden Pensums, des Norddeutschen Flachlandes.
Nur die erdkundlichen Verhältnisse der Heimat, die dem kindlichen
Kuffassungsvermögen auf dieser Stufe zugänglich sind, haben Aufnahme ge-
funden. Die schwierigeren wirtschaftlichen Verhältnisse sowie die geologischen
Belehrungen sind dem Teil III der Erdkunde von lvehrhan-Filbrp angefügt.
Altona, im März 1914.
h. Sievers.
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Inhaltsverzeichnis.
Seite
I. Allgemeine Übersicht.
§ 1. Die Grenzen der Provinz............................................1
§ 2. Längen- und Breitenausdehnung. Größe..............................2
§ 3. Gestalt und Umriß des Landes......................................2
§ 4. Die Bodengestalt des Landes........................................5
§ 5. Das Klima Schleswig-Holsteins.......................................7
II. Die Einteilung des Landes.
§ 6. Die Elbe..........................................................8
§ 7. Kreis Herzogtum Lauenburg....... ..........................10
§ 8 Das südliche Holstein............................13
§ 9. Vstholstein ..............................24
§ 10. Mittelholstein............. ......................27
§11. Dithmarschen........................................................35
§ 12. Eiderstedt......................................................40
§ 13. Nordsriesland.............. ..................42
§ 14. Helgoland........................................................48
§ 15. Mittelschleswig......................................................49
§ 16. Vstschleswig........................................................52
§ 17. Nordschleswig......................................................56
III. Zusammenfassende Übersicht.
§ 18. Größe. Volksdichtigkeit..............................................58
§ 19. Bedeutung der Landwirtschast........................................59
S 20. Die Fischerei....................................................60
§21. Handel und Schiffahrt..........................................60
§22. Die Verkehrswege..................................................60
§ 23. Der Kaiser-Wilhelrns-Kanal..........................................61
§ 24. Der Elbe-Trave-Kanal..............................................62
§ 25. Volkstum und Sprache der Bewohner................................62
§ 26. Die Religion der Bewohner..................................63
§27. Die Verwaltung der Provinz........................................63
Anhang 1: Bevölkerungstabelle der Kreise Schleswig-Holsteins nach der Volks-
Zählung 1910................................................64
Anhang 2: Tabelle der Städte, Flecken und größeren Landvemeinden mit ihrer
Bevölkerungszahl am 1. Dezember 1910........................65
Anhang 3: Beobachtung des Himmels, der Gestirne und des Wetters .... 66
I. Allgemeine Übersicht.
Unsere Stadt mit ihrer Umgebung liegt in der Provinz Schleswig-Holstein.
Line Provinz ist ein Teil von einem größeren Lande. Schleswig-Holstein
ist ein Teil des Königreichs Preußen. Preußen ist ungefähr 18 mal so groß
wie Schleswig-Holstein. Das Königreich Preußen ist wieder ein Teil des Deutschen
Reiches. Deutschland ist ein Kaiserreich. Oer König von Preußen ist gleichzeitig
Deutscher Kaiser. Unser Kaiser und König heißt Wilhelm II. Seine Gemahlin,
die Kaiserin Kuguste Viktoria, stammt aus Schleswig-Holstein. Schleswig-Holstein
bildet von Deutschland ungefähr den 28. Teil.
Schleswig-Holstein liegt im Norden Deutschlands- deswegen nennt man es
auch die Nordmark, von dem übrigen Deutschland wird es durch die Elbe
getrennt? deshalb hieß es früher Nordelbien.
§ 1. Die Grenzen der Provinz.
3m lvesten wird Schleswig-Holstein von einem großen Gewässer begrenzt,-
es heißt die Nordsee. Die Nordsee ist nur ein Teil von einem viel größeren
Gewässer, dem Atlantischen Ozean. Dieser wird ein Weltmeer genannt. Die
Nordsee hat ihren Namen nach ihrer Lage zu dem übrigen Deutschland erhalten.
In Schleswig-Holstein wird sie oft die Westsee genannt.
Kuch im Osten bildet ein Meeresteil die Grenze unsers Landes- es ist die
Ostsee. Wegen seiner Lage zwischen zwei Nkeeren heißt Schleswig-Holstein im
Liede das meerumschlungene Land.
Im Norden ist Landgrenze. Das Land jenseits der Grenze heißt Iütland.
Dieses gehört zum Königreich Dänemark.
Im Süden ist wieder eine Wassergrenze. Die Elbe trennt Schleswig-
Holstein von der Provinz Hannooer. Auf kurzer Strecke bildet der Hamburger
Staat die Südgrenze.
Nur im Südosten kann man auf dem Landwege in das übrige Deutschland
gelangen. Dort bilden das Fürstentum Lübeck, die Freie Stadt Lübeck und
Mecklenburg die Grenze.
Zusammenfassung: Schleswig-Holstein ist eine preußische Provinz und gehört
mit Preußen zum Deutschen Reich. Es ist von Preußen der 18., von Deutschland
der 28. Teil. — Es wird begrenzt: im Westen von der Nordsee, im Norden von
Iütland, im Gsten von der Gstsee, im Südosten von dem Fürstentum Lübeck, von
der Freien Stadt Lübeck und von Mecklenburg, im Süden von der Elbe. Auf einer
kurzen Strecke bildet die Freie Stadt Hamburg die Südgrenze.
Man kann auf dem Wasserwege von der Nordsee im Norden um Iütland herum
nach der Dstsee gelangen. TTtit Iütland zusammen bildet Schleswig-Holstein die
Cimbrische Halbinsel. Die Halbinsel hat diesen Namen nach einem Volksstamm er-
halten, der hier vor 2000 Iahren gewohnt haben soll. Oie Cimbern wurden der Sage
Sievers, Heimatkunde von Schleswig-Holstein. 1
2 Schleswig-Holstein.
nach durch eine große Zlut veranlaßt, das Land zu verlassen. Sie suchten im Römerreich
neue Wohnsitze, wurden aber von den Römern gänzlich vernichtet.
Zusammenfassung: Schleswig-Holstein bildet den südlichen Teil der Lim-
brischen Halbinsel.
§ 2. Längen- und Vreitenausdehnung. Größe.
Schleswig-Holstein hat die größte Ausdehnung von Norden nach Süden,
vie Strecke von Hamburg nach der Elbmündung mißt ungefähr 100 km. ver-
gleichen wir mit diesem Matzstab die Länge der Provinz von Norden nach Süden,
so ergibt sich, daß diese ungefähr 2^ mal so lang ist,- die Länge beträgt also
250 km. Die größte Breite hat das Land zwischen Eiderstedt und Fehmarn -
sie ist 1*4 mal so lang wie unser Maßstab, mißt also 15Vkm. ün der schmälsten
Stelle, zwischen Husum und Schleswig, mißt die Breite nur 36 km; ein guter
Kußgänger könnte also in einem Tage an dieser Stelle das Land durchqueren,
vie Provinz nimmt einen Klächenraum von 19 000 qkm ein. (Wie groß ist
dein heimatkreis?)
Zusammenfassung: Schleswig-Holstein ist ungefähr 250 km lang und an der
breitesten Stelle 15V km breit. Seine Größe beträgt 19 000 qkm.
§ 3. Gestalt und Umriß des Landes.
Holstein hat ungefähr die Gestalt eines Dreiecks, das auf der Spitze steht.
Vie Spitze liegt bei Lauenburg an der Elbe. Schleswig dagegen bildet ein
Rechteck, dessen größte Ausdehnung in der Nordsüdrichtung liegt.
vie Küstenlinie sowohl an der Nordsee als auch an der Ostsee bildet keine
gerade Linie. Kn manchen Stellen schneidet das Meer tief ins Land ein, an
anderen springt das Land ins Meer vor. vie Meereseinschnitte werden Meer-
busen oder Buchten, die vorspringenden Landteile Halbinseln genannt. Ganz
vom Meer umspülte Landgebiete heißen Inseln. Halbinseln und Inseln zu-
sammen werden Glieder genannt, vie Küste Schleswig-Holsteins ist reich
gegliedert.
vie Nordsee und die Nordseeküste.
Salzgehalt. Oas Wasser der Nordsee ist wie in allen Meeren salzig, Wenn
man Salzwasser verdampfen oder verdunsten läßt, bleibt das Salz als Lodenkruste
zurück, verdampft man IM kg Nordseewasser, dann bleiben 3y2 kg Salz zurück.
Dieses Salz ist aber kein reines Rochsalz, wie wir es in der Küche gebrauchen/ es
sind andere Salzarten darunter, wovon das Meerwasser einen bittersalzigen Geschmack
erhält. Oer Salzgehalt macht das Meerwasser zum Trinken unbrauchbar. Oie See-
leute müssen deswegen für ihre Fahrt Trinkwasser vom Lande mitnehmen; sie
nennen es Zrischwasser. Gewöhnlich nennt man aber das Wasser der Bäche und
Zlüsse zum Unterschied von dem salzigen Meerwasser Süßwasser. Salzwasser gefriert
nicht so leicht wie Süßwasser. Oie Nordsee friert niemals zu.
Ebbe und Klüt. Oas Nordseewasser steht nicht immer gleich hoch; zweimal
am Tage steigt es, und zweimal fällt es. Wenn das Wasser steigt, haben wir Zlut,
wenn es fällt, Ebbe. Oen Wechsel zwischen Ebbe und Zlut nennt man die Gezeiten
(plattdeutsch: Tiden). Zur Zeit des Neumondes und Vollmondes steigt die Zlut
höher; sie heißt dann Springflut. Wenn erstes oder letztes viertel eintritt, erreicht die
Zlut eine geringere höhe,- sie wird dann Nippflut genannt.
§ z. Gestalt und Umriß des Landes. 3
Die Watten. Zur Ebbezeit wird an der Nordseeküste ein breiter Streifen,
der während der Klüt Meeresboden ist, vom Wasser frei. Auf der Karte sind diese
Stellen durch feine, graue Punkte kenntlich gemacht. Dort ist das Wasser auch zur
Zlutzeit nicht tief,- man kann dort waten, und darum nennt man sie Watten, Das
Watt ist eine öde, gelblich-graue Zläche, belebt von großen Scharen von Seevögeln,
die bei fallendem Wasser auf die zurückbleibenden Wassertiere: Krebse, Muscheln,
Schnecken, Garnelen usw. Iagd machen. Wo jetzt Watten sind, war wahrscheinlich
in grauer Vorzeit einmal festes Land.
Schiffahrt. Häfen. Die Nordseeküste ist flach. Das flache Wasser ist ein
Hindernis für die Schiffahrt. Gewöhnlich wird es erst in größerem Abstände von der
Küste tief genug, um Schiffe zu tragen. Nur vereinzelt wird das Watt von tiefen
Rinnen (wattströmen) bis zur Küste hin durchzogen. Sie sind dort zu finden, wo
Flüsse ins Meer münden. Sie werden von den Schiffern benutzt, wenn sie am Lande
anlegen wollen. Die Landungsstellen der Schiffe heißen Häfen, Die Nordseeküste bietet
wegen der Watten nur wenige gute Häfen, wo gute Häfen sind, da siedeln sich gern
Zischer, Schiffer und Kaufleute an/ es entsteht eine Hafenstadt. An unserer Nordsee-
küste liegen nur die kleinen Hafenstädte Meldorf, Tönning und Husum.
Meerbusen, vie Nordsee schneidet an vier Stellen tief ins Land ein;
dort sind Meerbusen. Zwei davon sind Flußmündungen, die Elb- und Eider-
Mündung. Außerdem sind die vithmarscher und Husumer Bucht zu merken.
Halbinseln. Zwischen diesen Einschnitten liegen drei Halbinseln:
Friedrichskoog zwischen Elbmündung und Oithmarscher Bucht, Norder-
dithmarschen zwischen Oithmarscher Bucht und Eidermündung und Eidelstedt
zwischen Eidermündung und husumer Bucht.
Inseln, vie schleswigsche Küste wird von einer großen Zahl von Inseln
begleitet, die nach ihren Bewohnern die Nordfriesischen Inseln genannt werden.
Dazu gehören: Rom, Sylt, Föhr, Hrnrum, Pellworm, Nordstrand und die
Halligen. Letztere sind kleine Eilande, die nicht durch Deiche oder Dünen vor
den Fluten geschützt sind. Bei Hochfluten werden sie überschwemmt. Die
größeren Inseln sind durch Deiche geschützt. Sie fehlen bei ihnen nur da, wo
hohe Dünen sie überflüssig machen.
vor der Elbmündung, weit von der Küste entfernt, liegt die kleine Selsen-
insel Helgoland.
Zusammenfassung: vie Nordseeküste ist eine Flachküste mit breitem lvatten-
saum. Sie ist arm an guten Häfen. An der Rüste liegen die Hafenstädte Meldorf,
Tönning und Husum, wegen des Salzgehaltes rftiert die Nordsee nicht zu; die
Häsen bleiben im Winter meistens eisfrei. An der schleswigschen Küste liegen die
Nordfriesischen Znseln. (Stelle sie zusammen!) vie kleinen uneingedeichten Inseln
heißen Halligen, vor der Elbmündung liegt die kleine Felseninsel Helgoland.
vie Ostsee und die Ostseeküste.
Salzgehalt. Auch die (Ostsee ist ein Meeresteil. In früherer Zeit nannte man
sie das Baltische Meer. Sie steht durch drei enge Wasserwege mit der Nordsee in
Verbindung. Ihr Salzgehalt ist viel geringer als der der Nordsee. In 100 kg Gstsee-
wasser ist an unsrer Küste noch nicht ganz 1 kg Salz enthalten. Das hat seine Ursache
darin, daß der (Ostsee durch zahlreiche Zlüsse große Mengen Süßwasser zufließen.
Durch die engen Verbindungen mit der Nordsee kann nicht soviel Salzwasser zuströmen,
daß der Unterschied ausgeglichen wird. Aus Schleswig-Holstein münden nur un-
bedeutende Zlüsse in die (Dstsee.
I*
4 Schleswig-Holstein.
IDegen des geringen Salzgehaltes frieren die Häfen oft zu- im Winter muh die
Schiffahrt meistens stilliegen.
Ebbe und §lut. Steilküste. Ebbe und §lut sind in der Ostsee kaum zu
verspüren,' der Unterschied im Wasserstand beträgt nur einige Zentimenter.
weil Ebbe und Zlut fehlen, gibt es an der Ostseeküste keine Watten. — Die Ost-
see hat nur geringe Tiefe. Würde der Meeresboden 60 m steigen, dann würde fast alles
Wasser abfließen- nur einige kleine Seen würden übrigbleiben. Doch fällt an den
meisten Stellen das Land steil zum Meere ab, und dieser Abfall setzt sich unter dem
Wasser fort, so daß das Wasser bis hart an die Küste von Schiffen befahren werden
kann. Die Ostseeküste
ist eine Steilküste (siehe
Bild).
Meerbusen.
Häfen. Die Ostsee-
küste ist stark geglie-
dert. Die Meeresteile
führen hier verschie-
dene Namen: Förde,
Busen, Lucht, Noor,
Haff. Die wichtigsten
Meerbusen heißen:
Neustädter Bucht,
KielerBuchtmitHoh-
wachter Bucht, Kieler
Hafen und Lckern-
förder Bucht, die
Schlei, Flensburger,
Apenrader und ha-
derslebener Förde.
Die Korden oder
Lüchten haben fast
alle tiefes Fahrwasser
und bieten vorzügliche
Häfen. Anjedemhafen
liegt eine Hafenstadt.
Oie wichtigsten Hafen-
flbb. l. holsteinische Steilküste, (Kus Hch. Möller. Gesicht der Heimat.) städte sind: Neustadt,
Kiel, Lckernförde,
Schleswig, Flensburg, Sonderburg, Apenrade und Hadersleben. Oer Kieler
Hafen ist Reichskriegshafen. Auch die Häfen von Eckernförde, Flensburg und Sonder-
bürg dienen unserer Flotte- doch liegen hier nur wenige und kleinere Kriegsschiffe.
Halbinseln. Zwischen den vielen Meerbusen liegen ebensoviele halb-
inseln. Oie wichtigsten Halbinseln heißen: tvagrien (davon bilden Oldenburg
und Probstei besondere Teile), Dänisch Wohld, Schwansen, Angeln, Sundewitt
und haderslebener Neh.
Inseln, von der Inselwelt der Ostsee gehören nur wenige zu Schles-
wig-holstein. Die beiden größten sind Alfen und Fehmarn. Fehmarn ist durch
den Fehntarn-Sund, Alfen durch den Alsen-Sund vom Festland getrennt.
§ 4. Die Bodengestalt des Landes. 5
Zusammenfassung: Die Ostsee ist ein Meeresteil mit geringem Salzgehalt,
ohne Ebbe und Flut und ohne Watten. Die Rüste ist eine Steilküste. Sie ist sehr
stark gegliedert. Die Einschnitte heißen meistens Förden. Sie bieten gute Häfen.
Der Kieler Hafen ist Keichskriegshafen. In strengen wintern muh die Schiffahrt
ruhen, weil dann die Häfen zufrieren.
Stelle die Meerbusen, Halbinseln und Inseln zusammen!
§ 4. Die Vodengestalt des Landes.
Abdachung. Die höhenschichtentöne der Karte lassen erkennen, daß
sich an der Westküste von Schleswig-Holstein ein recht breiter Landstreifen
hinzieht, der nur eine geringe höhe hat. Die Marschen und die Gebiete der
Flußmündungen erheben sich kaum 10 m über den Meeresspiegel. Fast die
ganze westliche Hälfte des Landes ist weniger als 25 m hoch. Nur vereinzelt
ragen Hügelketten über diese höhengrenze hinaus. Weiter nach Osten hin steigt
das Land an und erreicht eine durchschnittliche Höhenlage von ungefähr 60 m.
An der (Dstseite treten die tiefgelegenen Gebiete ganz zurück,- erst in der Nähe
der Küste sinkt das Land unter die 25 m-höhenlinie herab. Die Oberfläche
unsers Landes gleicht somit im allgemeinen einem Vach, dessen First (Dach-
rücken) aber nicht in der Mitte, sondern nahe der Ostseite liegt. Die beiden
Seiten bezeichnet man als westliche und östliche Abdachung. Die westliche
Abdachung ist breit und fällt allmählich zum Meere ab/ die östliche dagegen
ist schmal und senkt sich schnell,- nur in Holstein erreicht sie eine größere Breite.
Nach der Abdachung richtet sich der Lauf der Flüsse. Die höchste Stelle, der
Landrücken, bildet die Wasserscheide. Die westlich fließenden Gewässer haben
nur geringes Gefälle/ die Auen und Flüsse haben einen trägen Lauf. Wegen
der größeren Breite der westlichen Abdachung konnten sich hier größere Fluß-
gebiete entwickeln. Die Flüsse haben meistens westliche Stromrichtung,- im
Süden Holsteins ist der Lauf nach Südwesten gerichtet.
Die Gewässer der östlichen Abdachung haben starkes Gefälle und raschen
Lauf. Weil die östliche Abdachung nur schmal ist, konnten hier keine Flüsse
von größerer Lauflänge entstehen. In Schleswig fließen deswegen nur Bäche
und unbedeutende Auen der Ostsee zu. Zn Holstein ist die Abdachung breiter/
dort finden sich die kleinen Flüsse Trave und Schwentine.
Die beiden Abdachungen zeigen auch sonst große Unterschiede. Die west-
liche Abdachung besteht überwiegend aus einer sandigen, wenig fruchtbaren
Ebene. Nur die vereinzelt auftretenden Höhenzüge zeigen einen freundlicheren
Charakter/ an solchen Stellen ist meistens fruchtbarer Lehmboden/ so auf dem
Mittelholsteinischen Höhenzug, der sich von Bordesholm über Nortorf, hohen-
westedt und Grünental bis dicht vor Heide hinzieht.
Hügel. Seen. Die östliche Hälfte dagegen ist hügelig. Man bezeichnet
sie scherzhaft als die „buckelige Welt". Dort liegen die höchsten Erhebungen
des Landes. Zu merken sind: der Bungsberg (164 m), der Pielsberg (128 m),
der Segeberger Nalkberg (91 m), der ttisdorfer Wohld (91 m), der höchels-
berg in Lauenburg (97 m) und die Blankeneser höhen. (Baursberg 92 in,
Süllberg 87 m). Zn Schleswig liegen die hüttener Berge (108 m), der
Scheersberg in Angeln (70 m) und der Rnivsberg bei Apenrade (96 m). Das
6 Schleswig-Holstein.
hügelgebiet zeigt fast überall fruchtbaren Lehmboden. Oas hügelgebiet im öst-
lichen Holstein ist außerordentlich reich an Seen, weswegen man dieses Gebiet
auch als holsteinische Seenplatte bezeichnet. Die größten Seen sind folgende.
Kbb, 2. Verlauf der Wasserscheide.
der Grohe plöner See, Neller-See, Viek-See, Selenter-See, Westensee,
Gruber-See, Ratzeburger und Schaal-See. Die (Dstseite Schleswigs ist nicht
so reich an Seen. 5lm häufigsten treten sie noch im Süden auf. Dort liegt
der Wittensee.
5. Das Klima Zchlesrvig-Holsteins.
7
Zusammenfassung: Die Oberfläche Schleswig-Holsteins gleicht einem Vach,
dessen Seiten nach Westen und Osten abfallen. Der Landrücken liegt aber nicht
in der Mitte sondern nahe der Ostküste. Die westliche Abdachung ist breit, eben,
sandig und wenig fruchtbar. Die Flüsse haben trägen Lauf. Fast alle haben
westliche Laufrichtung (Lider, Soholmerau, wiedau, liönigsau). Im Süden
Holsteins fliehen sie nach Südwesten (Bitte, Alster, Pinnau, Nrückau und Stör).
Die östliche Abdachung fällt steil ab; sie ist nur schmal, hier sind nur kleine Flüsse
(Traoe, Schwentine) mit starkem Gefälle und raschem Lauf. Die östliche Abdachung
ist hügelig und hat durchweg fruchtbaren Lehmboden. (Nenne die wichtigsten
Lodenerhebungen!) Die Ostseite ist reich an Seen, (holsteinische Seenplatte.)
§ 5. Das Rlima Schleswig-Holsteins.
Wärmeverhältnisse. Schleswig-Holstein hat ein gemäßigtes
Klima- die Winter sind milde und die Sommer kühl. Andauernde und hohe
Wärme ist selten. Mehr als -j- 31 Grad im Schatten werden kaum be-
obachtet. Ebenso selten sind strenge Winter mit andauerndem Krost. 15 Grad
Kälte sind schon eine Seltenheit. Zm Winter 1912 wurde die größte bisher
gemessene Kälte beobachtet (— 33°-C.). viele Gewächse, die unsre Winter-
kälte sonst gut überstehen, waren erfroren, so Walnußbäume, hülsen, Kirsch-
lorbeer, Weinstöcke usw. Die durchschnittliche Zahreswärme beträgt etwa
+ 8 Grad. Sie nimmt im allgemeinen von Süden nach Norden und von
Westen nach Osten ab. Das Elbtal hat das mildeste, der Landrücken das
kühlste Klima.
Ze weiter nach Norden, desto später tritt das Krühjahr ein,- d. h. Bäume
und Sträucher werden später grün und kommen später zur Blüte. Der Unter-
schied in der Blütezeit zwischen Altona und Hadersleben beträgt für viele
pflanzen 14 Tage.
Bewölkung. Niederschläge. Die Zahl der Tage mit unbewölktem
Himmel ist nicht groß. Zm Winter gibt es oft wochenlang keinen einzigen
wolkenlosen, sonnenhellen Tag. Das Elbtal ist besonders reich an nebligen
Wintertagen. Das Land ist regenreich,- doch ist der Negenfall nicht gleich-
mäßig über das Land verteilt. Im Westen regnet es häufiger als im Osten.
Kehmarn und Land Oldenburg sind sogar regenarm zu nennen. Die durch-
schnittliche Zahreshöhe der Niederschläge beträgt 70—74 cm; im Westen ist sie
höher, auf Fehmarn beträgt sie nur 55 cm. Die Niederschläge kommen zum
allergrößten Teile in Horm von Negen zur Erde,- schneereiche Winter bilden
eine Ausnahme. Ebenso sind verheerende Hagelwetter selten. Am häufigsten
kommen sie in Mttelholstein zwischen Itzehoe, Kellinghusen und hohen-
westedt vor.
Das feuchte, gemäßigte Klima ist günstig für pflanzen- und Tierwelt.
Weiden und Wiesen zeigen meistens ein üppiges Grün. Das ist eine der
Ursachen, weswegen in Schleswig-Holstein die Viehzucht blüht. Wegen der
Unbeständigkeit der Witterung wird es dem Landmann aber oft schwer, die
Ernte in gutem Zustande unter Dach zu bringen.
Die Winde. Schleswig-Holstein wird oft von schweren Stürmen heim-
gesucht, vorherrschend sind Winde aus westlicher Richtung. Die Wirkung
8
Schleswig-Holstein.
der Westwinde ist an den Bäumen, besonders den freistehenden, deutlich zu
erkennen. In den Wäldern sind die Baumkronen am Westrand wie ab-
geschoren. In dem waldarmen Lande sind die Knicke darum von großer Be-
deutung,- sie brechen die Gewalt der Stürme. — Arn häufigsten treten die
schweren Stürme im herbst auf. In manchem Hause bangt man dann um
das Leben des Zamilienvaters, der als Schiffer oder Zischer seinem Beruf
nachgeht. In den herbststürmen brachen in früheren Zeiten auch oft die
Deiche der Marschen. — In den Zrühlingsmonaten herrscht oft andauernder
Ostwind.
Zusammenfassung: Schleswig-Holstein hat ein gemäßigtes, feuchtes ttlima.
Die vorherrschenden winde kommen aus westlicher Richtung. Oer Regenreichtum
ruft einen üppigen Pflanzenreichtum hervor. Das ttlima ist gesund.
Oie Provinz Schleswig-holsteM zerfällt in die drei ehemaligen Herzog-
kümer Schleswig, Holstein und Lauenburg. Schleswig umfaßt die nördliche
Hälfte- es reicht im Süden bis zur Eider. Holstein umfaßt die südliche Hälfte
außer Lauenburg. Letzteres ist ein Ländchen im Südosten von Holstein. Kuf
längerer Strecke bildet die Lille die Grenze zwischen Holstein und Lauenburg.
Man kann die Provinz in folgende Einzellandschaften zerlegen:
Elblauf. Werder. Oie Landschaften Lauenburg und Südholstein
liegen an der Elbe, Oie Elbe bildet die Südgrenze von Holstein. Holstein liegt
an ihrer rechten Seite. Sie berührt unsre Provinz zuerst bei Lauenburg. Dort
ist sie aber schon ein breiter Strom. Ihre Quellen liegen fern von uns auf
einem hohen Gebirge, dem Riesengebirge. Oer Teil der Elbe, der Holstein be-
rührt, heißt die Unter- oder Niederelbe,- es ist das Mündungsgebiet des Klusses.
In uralter Zeit lag die Mündung der Elbe in der Nähe von Lauenburg,- denn
ein langer, schmaler Meerbusen der Nordsee reichte bis hierher. Oie Elbe riß
aber in ihrem Oberlauf Erd- und Gesteinsmassen mit fort, die ihre Zluten
trübe färbten. Wenn solch schmutziges Wasser stillsteht oder langsam stießt,
sinken die Schmutzstoffe als Schlick und Schlamm auf den Grund. Oas ist
hier auch geschehen. Oie Schlammassen füllten nach und nach den Meerbusen
ganz aus, und die Mündung der Elbe kam dadurch der Nordsee immer näher.
Oos angeschwemmte Land war niedrig und fruchtbar/ man nannte es Marsch.
Oie Elbe mußte sich ihren Weg durch das Schwemmland suchen. Wenn sich
das Klußbett zu weit erhöht hatte, bahnte sich das Wasser oft einen neuen
ll. Die Einteilung des Landes.
1. Lauenburg.
2. Südholstein.
3. Gstholstein.
4. Mittelholstein
5. Othmarschen.
7. Nordfriesland.
8. Mittelschleswig
9. Gstschlessng.
10. Nordschleswig.
6. Eiderstedt.
§ 6. Die Elbe.
§ 6. Die LIbe. 9
Weg,- noch häufiger teilte es sich in mehrere Krme. So entstanden Inseln.
Diese nannte man Werder. Dazu gehören die Vierlande, Steinwerder, Zinken-
werder, Menwerder usw. Solche Werder entstehen auch noch jetzt im Unter-
lauf der Elbe, wenn man sie nicht durch Laggerungen entfernt.
Nbb. 2. Einteilung Schleswig-Holsteins in Landschaften.
Die vielen Elbarme vereinigen sich in der Nähe von Kltona. Oie wichtigsten
Krme heißen Norderelbe, Röhlbrand und Süderelbe. Bei Blankenese ist die
Elbe 2,4 km breit, an der Mündung bei Cuxhaven l5 km.
Ebbe und Zlut. In der Elbe ist Ebbe und Zlut. Bis Lauenburg ist
der Wechsel von Ebbe und Alut fühlbar. Bei Altona beträgt der Unterschied
zwischen hoch- und Niedrigwasser 1,80—2 m, an der Mündung 2,50—3 in.
10 Schleswig-Holstein.
Bei Springfluten ist der Unterschied viel größer. Zm Kreise Lauenburg und
zwischen Altona und Wedel ist das Nordufer der Elbe hoch und steil- dann
wird es ganz flach.
Schiffsverkehr auf der Elbe. Auf der Elbe herrscht ein ungeheurer
Schiffsverkehr, von Hamburg stromaufwärts werden die Güter meistens auf
gewaltigen Kähnen befördert. (In einen großen Elbkahn gehen 30 Eisen-
bahnladungen.) In dem breiten Mündungsgebiet verkehren die größten See-
schiffe und Segelschiffe jeder Art und Größe. XDir nennen die Elbe unsre
wichtigste Verkehrsstraße,- darum ist hier auch die größte Handelsstadt Deutsch-
lands entstanden: Hamburg mit Altona, Wandsbek und Harburg.
Schleswig-Holstein hieß in alter Zeit auch Nordalbingien oder Nordelbien.
Zusammenfassung: Die Llbe bildet die Südgrenze von Holstein. Sie ent-
springt auf dem Riesengebirge und mündet bei Cuxhaven. Sie berührt Schleswig-
Holstein zuerst bei Lauenburg. Oberhalb Hamburgs teilt sich die Llbe in viele
Arme. Zwischen den LlbdrMen liegen Inseln, die den Namen Werder führen.
Das von der Llbe angeschwemmte Land nennt man Marsch. Die Elbe ist eine
sehr wichtige Verkehrsstraße; darum ist hier Deutschlands größte Handelsstadt
entstanden.
Die Nebenflüsse der Elbe. Alle Zlüsse und Bäche aus dem süd-
lichen Holstein fließen der Elbe zu. Ein Kluß, der nicht ins Meer sondern in
einen andern Kluß mündet, heißt Nebenfluß. Die wichtigsten Nebenflüsse,
die die Elbe aus Holstein aufnimmt, sind Bitte, Alster, Pinnau, ttrückau und
?>tör. Die Hille kommt aus Lauenburg. Sie wird bei Bergedorf schiffbar
und mündet bei Hamburg. Alster, Pinnau und Krückau entspringen am
Kisdorfer Wohld. Die Alster hat südliche Laufrichtung. Sie durchfließt ein
schönes Tal. Vicht vor Hamburg erwetiert sie sich zweimal seeartig. Vie
Erweiterungen heißen Außen- und Binnenalster. vie Mündung der Alster ist
durch Schleusen abgeschlossen, darum gibt es in der Alster keine Ebbe und Flut.
Pinnau und Krückau sind in ihrem Unterlauf schiffbar, ver bedeutendste
Nebenfluß ist die Skör. (ver Name bedeutet wahrscheinlich großer Kluß.) Sie
kommt aus der mitte Holsteins und nimmt zahlreiche Auen und Bäche auf.
Bei Kellinghusen wird sie schiffbar. Bis Itzehoe können größere Schiffe ae-
langen (2% m Tiefe). Die Nebenflüsse der Elbe sind ebenso wie die Elbe durch
Deiche eingefaßt, damit sie die fruchtbaren Marschen nicht überfluten.
Zusammenfassung: Vie Llbe nimmt aus Holstein Lille, Alster, Pinnau,
lirückau und Stör auf. Alle Nebenflüsse sind in ihrem Unterlauf schiffbar. Ver
bedeutendste Nebenfluß ist die Stör.
§ 7. ttreis Herzogtum Lauenburg.
Lage. Grenzen. Das Herzogtum Lauenburg liegt im Südosten von
Holstein. Es war früher ein selbständiger Staat. 1864 mußte Dänemark es
abtreten. Seit dem Zahre 1876 ist es mit der Provinz Schleswig-Holstein
verbunden. Lauenburg liegt zwischen Elbe und .Trave? doch erreicht es die
Trave nicht ganz, weil Lübecker Gebiet dazwischen liegt. Es hat ungefähr
die Korm eines Rechtecks, dessen nordsüdliche Ecklinie vom Elbe-Trave-Kanal
gebildet wird. Auf der Grenze gegen Holstein fließt die Bille. Nach Osten
§ 7. Kreis Herzogtum Lauenburg. 11
und Nordosten grenzt es gegen Mecklenburg. Eine natürliche Grenze (Ge-
wässer oder Höhenzug) ist hier nicht vorhanden.
Zusammenfassung: Lauenburg liegt im Südosten von Holstein, zwischen Elbe
und Trave. Gegen Holstein bildet die Lille die Grenze. Im Gsten grenzt es an
Mecklenburg.
Lodenbeschaffenheit. vas Kartenbild von Lauenburg weist fast
nur gelbliche oder bräunliche Zlächen auf- das Grün fehlt. Was grün gefärbt
ist, ist weniger als 25 m hoch und ist als Niederungsland anzusehen. In den
Niederungen findet man meistens feuchtes Wiesen- und Weideland. Während
das übrige Schleswig-Holstein daran sehr reich ist, fehlt es hier fast ganz. Wo
viele Wiesen und Weiden sind,
kann Viehzucht betrieben werden.
In Lauenburg wird wegen des
Mangels an Grasland weniger
Viehzucht betrieben als in den
übrigen Teilen der Provinz-
doch ist die Zahl der Schafe hier
größer als in anderen Landes-
teilen.
Oer gelbliche Zarbenton be-
deutet hohes Land, die braunen
Siecke noch höheres Land oder
Hügel. Lauenburg besteht dem-
nach größtenteils aus Hügelland.
Die Hügelketten im Osten unsers
Landes bestehen meistens aus
Lehmboden, und so ist es auch
hier. Oer Lehmboden ist frucht-
bar und vorzüglich zum Kornbau
geeignet. In der Mitte ist eine
sandige Hochfläche von geringer
Zruchtbarkeit. Oer höchste Punkt
ist der höchelsberg bei Geesthacht
(97 in). Im Süden fällt das
Land steil zur Elbe ab. Oieses
bewaldete Ufer zeigt Täler und Schluchten von großer Schönheit.
In Lauenburg ist der Kornbau Haupterwerbsquelle. Angebaut werden
Roggen, Weizen, Hafer und Gerste.
Wälder. Sachsenwald. Lauenburg ist sehr reich an schönen Wal-
düngen. Mehr als ein viertel der gesamten Zläche ist Wald, viele Waldungen
gehören dem Kreis- der größte Wald, der Sachsenwald, gehört dem Fürsten
Bismarck, einem Enkel des großen Reichskanzlers. Er liegt im Winkel zwischen
Elbe und Lille.
In der Vorzeit war er noch viel größer als jetzt und bildete lange Zeit die Grenze
zwischen den Sachsen, die Holstein bewohnten, und den östlich wohnenden Wenden.
3iu Walde findet man noch Reste von einem Grenzwall, den die Sachsen zum Schutz
gegen die feindlichen wenden aufgeworfen hatten, wann der Sachsenwall angelegt
flbb. 4. Kreis Herzogtum Cauenburg.
12 Schleswig-Holstein.
worden ist, weiß man nicht sicher. Durch den Wald führen gute Chausseen und Zahr-
straßen. Oer größte Teil des Waldes besteht aus schönen Eichen- und Buchenbeständen.
Kuf den sandigen Stellen gibt es aber auch Bestände aus Birken und Nadelholz. Im
Walde ist viel wild; in einem eingehegten Teil findet sich auch noch Schwarzwild (wild-
schweine).
Der Wald war früher im Besitz der herzöge von Lauenburg. Oft genug mutzten
sie den schönen Besitz gegen die Hamburger und Lübecker verteidigen. Nach dem
großen Kriege 1870/71 verschenkte Kaiser Wilhelm I. ihn an den Zürsten Bismarck
„in Anerkennung seiner großen Verdienste um das Vaterland als Dotation zum Eigen-
tum". Bismarck ließ ein früheres Jagdhaus zu dem Schlosse Zriedrichsruh umbauen,
hier hat der große Mann gern geweilt, wenn er von den Negierungsgeschäften Er-
holung suchte. Und als er 1890 aus dem Dienst schied, zog er sich ganz hierher zurück,
hier ist er am ZI. Juli 1898 aus dem Leben geschieden und auf seinen Wunsch auch
in dem geliebten Walde begraben worden. Seine Ruhestätte (Mausoleum) steht in
der Nähe des Herrenhauses. Das dankbare Volk wallfahrtet hierher, besonders an
seinem Geburts- oder Sterhetgg.
wo Bismarck liegen soll.
Nicht in vom oder Zürstengruft,
Er ruh' in Gottes freier Luft.
Draußen auf Berg und Halde,
Noch besser tief, tief im Walde,-
widukind lädt ihn zu sich ein:
Ein Sachse war er, drum ist er mein,
Im Sachsenwald soll er begraben sein!
Zontane.
Seen. Verkehrswege. Lauenburg ist sehr reich an lieblichen Seen.
Die größten sind der Ratzeburger und Schaal-See. von besonderer Schönheit
sind die Seen bei Mölln.
Oer Sachsenwald und die waldgekrönten Hügel zwischen Mölln und Lauen-
bürg sind reich an Naturschönheiten,' deswegen richten die Großstädter aus
Hamburg-Altona und Lübeck an schönen Sommertagen hierher ihre Ausflüge.
Die Verkehrsverhältnisse sind günstig. Im Süden stellt die Elbe eine gute ver-
bindung mit Hamberg her, und seit 1900 durchschneidet der Elb-Trave-Nanal
das Land auf einer Ecklinie und stellt so die Verbindung mit Lübeck her. Trotz-
dem sind Handel und Schiffahrt noch nicht stark entwickelt. Zahlreiche Eisen-
bahnen durchschneiden das Land und erleichtern den Absatz der Erzeugnisse.
Besiedlung. Oer Boden liefert keine Rohstoffe für Fabriken irgend-
welcher Art, darum gibt es hier wenig Industrie, und aus diesem Grunde fehlen
auch größere Städte. An der Elbe und am Elb-Trave-Kanal liegt Lauenburg
mit sehr schöner Umgebung. Zwischen zwei Seen und von bewaldeten höhen
umkränzt, liegt das freundliche Städtchen Mölln, hier wird das Grabmal Till
Eulenspiegels gezeigt. (Welche Streiche Eulenspiegels sind dir bekannt?) Oie
Hauptstadt des Landes ist Katzeburg. Oie Stadt liegt auf einer Halbinsel im
Ratzeburger See.
Oie Bewohner. In alter Zeit war Lauenburg von einem wendischen
Volksstamm, den polaben (Elbanwohner), bewohnt. Sie sind von den
holsteinischen Sachsen bezwungen und zum Teil verdrängt worden. Oas
Bauernhaus ist dem holsteinischen Sachsenhaus vollständig gleich. Oie Oorf-
§ 8. Das südliche Holstein.
13
anlage erinnert aber noch vielfach an die wendische Zeit? denn häufig findet
sich wie in Wendendörfern in der Mitte ein rundlicher, freier Platz.
Zusammenfassung: Lauenburg besteht fast ganz aus hügeligem, fruchtbarem
Lehmboden? Niederungsland fehlt fast ganz, und darum fehlen auch wiesen und
weiden. In der Mitte ist ein wenig fruchtbarer, sandiger Landstrich. Das Land
ist reich an Seen und schönen Waldungen. Die größten Seen sind der Ratzeburger
See und der Schaal-See. Oer größte Wald heißt Sachsenwald. Im Sachsenwald
bei Friedrichsruh ist das Grab Bismarcks. Die Bewohner nähren sich größtenteils
von Ackerbau. Die Viehzucht ist hier nicht so bedeutend wie in anderen Teilen der
Provinz. Die wichtigsten Grte sind Ratzeburg, Mölln und Lauenburg.
§ 8. Das südliche Holstein.
Lage. Grenzen. Oas südliche Holstein bildete in alter Zeit die Graf-
schaft Stormarn. Oie Grenzen dieser Grafschaft lassen sich nicht mehr genau
angeben, da sie sehr früh mit der Grafschaft Holstein zu einem Staatsgebiet
vereinigt wurde. Jetzt trägt nur noch der östliche Teil den Namen Stormarn.
Kbb. 5. Das südliche Holstein.
Wahrscheinlich gehörte früher alles Land zwischen Elbe, Stör, Lramau, Trave
und Lille dazu, vie Abmärschen, die bis zumNaiser-ll)ilhelm-Nanal mit zu
Südholstein gehören, sind erst in späterer Zeit besiedelt worden.
Lodenbeschaffenheit. Oer östliche Teil von Südholstein ist hügelig
und trägt denselben Charakter wie Lauenburg,' doch ist der Seenreichtum viel
geringer? auch nimmt die Fruchtbarkeit nach Westen hin schnell ab. vie
sandige Hochfläche Lauenburgs findet hier ihre Fortsetzung und nimmt an
Breite zu. Ungefähr in der Mitte von Südholstein liegt das hügelgebiet des
14 Schleswig-Holstein.
Kisöorfer Wohlds. Dieser ist ein (Huellenmittelpunkk. Kuf ihm oder in seiner
Nähe entspringen Alfter, Pinnau, Kriicfau und kleinere Zuflüsse der Stör und
Trave. Ein Ausläufer vom Kisöorfer Wohld zieht nach Süden bis Altona und
biegt dann nach lvesten um. hier bildet er das Steilufer der Elbe bis Wedel.
Er ist reich an Naturschönheiten. In Blankenese trägt er seine höchsten Er-
Hebungen (Laursberg 92 m, Süllberg 87 in).
Nach Ivesten senkt sich das Land allmählich und geht in eine sumpfige
Niederung über, die noch reich an Heide- und Nloorflächen ist. Noch weiter nach
Westen und Süden schließen sich die fruchtbaren Elbmarschen an.
Einfluß der nahen Großstadt auf die Beschäftigung. Abgesehen
von den Elbmarschen und den östlichen Teilen des Hügellandes ist Südholstein nicht
fruchtbar. Es ist aber doch dicht bewohnt, und die Bebauung, auch der unfruchtbaren
Heide- und Moorflächen, schreitet schnell vorwärts. Das rührt her von dem Städte-
gebiet Hamburg—Altona—Wandsbek. Don der Nähe Hamburgs wird die Erwerbs-
weise der Bewohner beeinflußt, und je mehr die Städte anwachsen, desto größer wird
das Gebiet, in welchem dieser Einfluß zu spüren ist. Alle wichtigeren Verkehrs-
wege, die Eisenbahnen und Ehausseen, weisen auf diesen Mittelpunkt hin, und an
diesen Straßen wächst das Häusermeer gleich großen Zangarmen über die Stadtgrenzen
in das Land hinaus. Hamburg hat jetzt eine Million Einwohner, Altona 180 00O,
Wandsbek 35 000. Die Städte sind von einem Kranz großer Dörfer umrahmt, die
kleinere Städte an Volkszahl übertreffen. Da liegen Mein- und Groß-Zlottbek, Nien-
stedten, Dockenhuden, Blankenese, .Eidelstedt, Stellingen-Langenfelde, Lokstedt und die
hamburgischen Dörfer im Alftertal. Nach Osten schließen sich an Wandsbek volkreiche
Zabrikorte an: Schiffbek, Sande, Bergedorf. Und auch nach Süden schreitet die Ent-
Wicklung fort. Die Insel lvilhelmsburg hat schon 30 000 Einwohner, und die west-
lichen Elbinseln werden jetzt in Hafen- und Industriegebiete umgewandelt. Selbst
auf dem Südufer der Elbe setzt sich die Städtebildung fort,' dort ist die Mittelstadt
Harburg (60 000) entstanden.
Die große Menschenmenge muß jeden Tag gesättigt werden, und die nächst-
gelegene Landschaft sorgt in erster Linie dafür. Daher rührt es, daß die Bewohner
dieser Landschaft ihre alte Wirtschaftsweise aufgeben, den Kornbau und die Aufzucht
von Vieh, und dafür Gemüsebau und reine Milchwirtschaft einführen. Aus diesem
Grunde werden auch die großen Bauernhöfe in Kleinbauernstellen zerschlagen.
Beschäftigung der Bewohner. Die Kleinbauern nähren sich vom Gemüse-
bau, vom (Obstbau und von der Geflügelzucht. Die größeren Besitzer und die entfernter
wohnenden Landleute ziehen ihren Hauptgewinn aus der Milcherzeugung. Jeden
Morgen schicken sie die gewonnene Milch mit der Lahn oder auf Fuhrwerk in die
Stadt, hier wird sie für hohen preis abgesetzt (1 1 = 20—24 Pf.). Da die Milch
so den höchsten Ertrag liefert, wird sie nicht mehr in Meiereien verarbeitet. Butter
und Käse würden einen geringeren Gewinn bringen. Aus demselben Grunde mag
der Bauer auch keine Zeit und kein Zutter mehr zur Aufzucht von Jungvieh ver-
wenden. In der Nähe der Stadt hält er nur Milchkühe. Die Kälber werden kurze
Zeit mit Milch getränkt und dann an den Schlachter verkauft. Dagegen steht die
Aufzucht und Mast von Schweinen in hoher Blüte.
Gemüse- und (Obstbau. Der Gemüsebau steht seit alten Zeiten auf den
Elbinseln in hoher Entwicklung. Die Vierlande nennt man mit Recht Hamburgs
Küchengarten. Auf Elbkähnen bringen die Bewohner die Zrüchte ihrer Arbeit an den
Markt. Dort versorgen sich zuerst die Grünwarenhändler, die dann die lvare an die
Hausfrauen weitergeben. Immer seltener sieht man die Vierländerinnen in den
Straßen der Stadt, um selbst den Bürgern die Ware ins Haus zu bringen.
Immer mehr gehen auch die Bewohner der übrigen Elbinseln und der nahen
§ 8. Das südliche Holstein. 15
Geest zum Gemüsebau über, über die verschiedenen Drte pflegen die verschiedenen
Gemüsearten nicht in gleicher Ausdehnung. Zede Gegend hat sich je nach dem Loden
eine oder mehrere Gemüse- und Cbstarten auserwählt, denen sie ganz besondere
Pflege angedeihen läßt. Berühmt sind Vierländer Erdbeeren und Frühkartoffeln,
Zinkenwerder Meerrettich und Zwetschen, Altenländer Kirschen und Apfel,
Glückstädter weiß- und Rotkohl. Oie sandige Geest erzeugt viel Spargel und
Rhabarber.
Oie Glückstädter Gemüsebauern haben mit ihrer Ware den weitesten Weg. Im
Herbst bringen sie ihre Ernte an Kartoffeln, Kohl, Sellerie, Rüben, Wurzeln und (Dbst
aller Art auf Ewern an den Altonaer Sischmarkt. Oas ganze Jahr hindurch beladen
sie gemeinsam wöchentlich mehrere Eisenbahnwagen mit Grünwaren und senden sie
an den Altonaer Markt.
Aber ebenso hat wieder die Stadt die Landleute der weiten Umgebung mit allem
zu versehen, was sie nicht selbst herstellen und gewinnen können, mit Kolonialwaren,
Kleiderstoffen, Maschinen aller Art, Gerätschaften usw. So bilden die Bewohner der
ganzen Landschaft, Städter und Landleute, gleichsam einen großen Haushalt, dessen
Glieder die Arbeiten unter sich verteilt haben.
Baumschulen. Doch gibt es in der Landschaft ein Gebiet, wo man sich um
die Nähe der Großstadt wenig kümmert. Gleich nördlich von Eidelstedt beginnen in
meilenlanger, ununterbrochener Zolge Baumschulen, voll von Sämlingen für Zorst-
und Gartenzwecke. Oer Mittelpunkt dieses Baumschulbetriebs ist Halstenbek. Ganz
ungeheuerlich ist die Zahl der jungen pflanzen, die hier erzeugt wird. In der
wichtigsten Versandzeit von Mitte März bis Mitte Mai werden jeden Tag 30 bis
50 Eisenbahnwagen, mit jungen pflanzen beladen, in die weite Welt geschickt. Ab-
nehmer finden sich in allen Teilen Deutschlands,- ja alle Nachbarstaaten und sogar
Amerika stellen Käufer.
Im herbst ist der Versand nicht so groß,' aber gegen 200 Millionen junger Fichten
und ungeheure Mengen junger Obstbäume kommen dann zum Versand.
Rosenzucht. Oie Umgegend von Pinneberg ist fast ebenso reich an Baum-
schulen,' doch überwiegt hier die Zucht edler Rosen, viele hohe und niedrige Rosen-
stämme werden an Gartenbesitzer verschickt. Aber ganze Rosenfelder dienen nur
dazu, schöne Schnittrosen zu erzeugen, die nach allen Großstädten des Reichs ver-
schickt werden.
Besiedlung. Das südliche Holstein ist sehr dicht bevölkert, hier ist eine
große Zahl von Städten und ansehnlichen Dörfern entstanden. Abgesehen
von Hamburg, Kltona und Wandsbek, die in dem folgenden Abschnitt be-
handelt werden, sind zu nennen: die Solbäder Bad Oldesloe und Lad
Bramstedt, Pinneberg und Ütersen an der Pinnau, das industriereiche
Elmshorn und die Schuhmacherstadt Barmstedt an der Rrückau, Wedel und
Glückstadt an der Elbe.
Zusammenfassung: Zum südlichen Holstein gehört das Gebiet zwischen Lille
und tiaiser-lvilhelm-ttanal, zwischen Elbe und Bramau. In alter Zeit bildete
es die Grafschaft Stormarn. Im Osten ist hügeliger Lehmboden, westlich davon
eine sandige Ebene mit großen Heide- und Moorflächen; an der Elbe liegen
die fruchtbaren Elbmarschen. Obgleich der größte Teil wenig fruchtbar ist, ist
das Land doch dicht bevölkert. Vas rührt her von der Nähe Hamburgs. Von
der Nähe der Großstadt wird auch die Erwerbsweise der Bewohner beeinflußt.
Sie nähren sich von Milchwirtschaft, Schweine- und Geflügelzucht, Gemüse- und
Obstbau. Bei Halstenbek sind große Baumschulen.
Stelle die Städte Südholsteins zusammen und gib ihre Lage an!
16 Schleswig-Holstein.
Die Hreie und Hansestadt Hamburg.
Hamburg ist keine schleswig-holsteinische Stadt, aber es ist auf holsteinischem
Loden entstanden, und der größte Teil des hamburgischen Staates gehörte
ursprünglich zu Holstein- es ist darum ein Teil der holsteinischen Landschaft.
Geschichtliches. Im Iahre 804 gründete Karl der Große im Mündungs-
gebiet der Elster die hammaburg (Waldburg). Sie lag in einer sumpfigen Niederung,
von Bruch und Wald umgeben,- es war darum leicht, sie gegen feindliche Angriffe zu
verteidigen. Trotzdem wurde sie wiederholt von Dänen und wenden zerstört. Aber
jedesmal erhob sie sich neu aus Schutt und Esche. Neben der Burg und in ihrem
Kbb. 6. Oer Segelschiffhafen in Hamburg, (Pfyot Glückstadt & Münden, Hamburg.)
Schutz siedelten sich bald Zischer und Kaufleute an, so daß eine kleine Stadt entstand.
Oas Aufblühen wurde dadurch gefördert, daß die junge Stadt Sitz eines Bischofs
wurde.
Ums 3«hr Uli wurden die Schauenburger Grafen Herren von Holstein und
Stormarn. Viesen Fürsten verdankt Hamburg seine erste Blüte. Ein schauenburger
Graf bewirkte auch, daß der Kaiser Friedrich Barbarossa der Stadt einen Freibrief
erteilte. Hamburg wurde eine Freie Siabt. (Es schloß sich bald dem Städtebund der
Hansa an. Im verein mit Lübeck baute es Handelsstraßen aus, säuberte die Elbe von
Seeräubern und brach die Burgen der Raubritter, die den Handel störten. So kam
das Amt Ritzebüttel (Cuxhaven) an Hamburg. Auch die Burg Bergedorf wurde von
Hamburg und Lübeck erobert. Damals war die Norderelbe ein schmales Gewässer-
die Süderelbe war der Hauptarm des Flusses. Durch Kanalbauten bewirkten die ham-
burger, daß von der wasserfülle der Elbe immer mehr durch die Norderelbe floß, so daß
diese der Hauptarm wurde. Dadurch wurde die Nlacht und Größe Hamburgs ge-
fördert. Die alten Festungswälle waren zu eng geworden und mußten erweitert werden.
§ 8. Das südliche Holstein.
17
Im Mittelalter schlug der Handel andere N)ege ein, und andere Völker wurden
seegewaltig, vor allen Dingen ging der Reichtum dadurch zurück, daß die Herings-
schwärme nicht mehr in der Tlbmündung zum Laichen erschienen. Oa kam Hamburg
in Gefahr, seine Freiheit zu verlieren. Schleswig-Holstein wurde mit Dänemark unter
einer Nrone vereinigt,
und die Oänenkönige
trachteten danach, die
Stadt in ihre Gewalt zu
bringen. Die Bürger
wußten aber die Geld-
not der Oänenkönige
auszunutzen und er-
kauften sich mehrfach die
Erhaltung ihrer Rechte.
Schlimmes mußte
Hamburg in der Zran-
zosenzeit vor 100 Jah-
ren erdulden. Napoleon
machte es zu einer fran-
zösischen Stadt. Oer
Handel stockte,- die Eng-
länder raubten die
Schiffe der Hamburger
Kaufleute, und die
Steuern und Abgaben
für die RriegeNapoleons
wurden immer drücken-
der. Noch größer aber
wurde die Not, als Na-
poleon geschlagen wurde
und sich nach Krankreich
zurückziehen mußte,-
denn nun wurde ham-
bürg, das noch von fran-
zösischen Truppen besetzt
war, von den verbün-
deten belagert. OerNtar-
schall Oavoust zwang
20000 armehamburger,
die Stadt zu verlassen,
weil sie sich nicht für sechs
Monate mit Lebens-
mittein versorgen konn-
ten. In der bitteren
Winterkälte sind viele
von ihnen umgekommen. Nach dem Nriege blühte der Handel nur langsam auf.
Im Jahre 1842 traf die Stadt ein neues Unglück. Ourch eine dreitägige Feuers-
brunst brannte der dritte Teil nieder. Ooch schöner und geräumiger wurde sie wieder
aufgebaut.
Die jetzige Größe Hamburgs hängt mit der Entstehung des neuen Deutschen
Keiches zusammen. 1870 hatte die Stadt ungefähr 190 000 Einwohner, jetzt
reichlich eine Million.
Sievers, Heimatkunde von Schleswig-Holstein. 2
5ibb, 7. Hamburger Zleet,
»>.,
18 Schleswig-Holstein.
Der Hamburger Hafen. Hamburg ist die größte und wichtigste
Handelsstadt Deutschlands, vie Hamburger Flotte ist größer als die irgend
einer andern Stadt. Das Fahrwasser der Elbe wird durch Laggerungen ver-
tieft- auch die größten Seeschiffe können bis zur Stadt kommen, vie Häfen
werden ständig erweitert- jetzt fallen ihnen auch die grünen Elbinseln Walters-
Hof und Zinkenwerder zum Opfer. Hn den Kais reiht sich Schuppen an
Schuppen, um die Schiffsladungen aufzunehmen. Eisenbahnen laufen an den
Schuppen entlang,- durch sie werden die Güter ins Inland befördert oder von
dort zur Verladung nach den Häfen. Schuten und Kähne nehmen andere Güter
auf und bringen sie nach den turmhohen Speichern an den Fleeten, die wie
ein Netz die Stadt durchziehen.
Werften. Elbtunnel. In Hamburg (Steinwerder) sind auch große
Werften entstanden, auf denen die größten Kriegs- und Handelsschiffe erbaut
werden. Mehr als 10000 Arbeiter finden auf den Werften lohnende Arbeit.
Um für diese Tausenden einen bequemen Weg nach der Arbeitsstätte zu
schaffen, hat Hamburg einen Tunnel erbaut. In einem großen Fahrstuhl
sinken Menschen und Fuhrwerke über 20 m in die Tiefe. Dann wandern sie
in einer 500 m langen--Köhre unter der Elbe durch und werden darauf durch
einen zweiten Fahrstuhl am jenseitigen Ufer wieder emporgehoben, von
einem merkwürdigen Gefühl wird man im Tunnel beschlichm, wenn man
bedenkt, daß über einem die Elbe rauscht und stolze Schiffe mit ihrer un-
geheuren Last trägt.
Verkehr. In der Stadt ist ein gewaltiger Verkehr, vie vielen elek-
irischen Straßenbahnen, die die Geschäftsstraßen durchziehen, genügten nicht
mehr, den Menschenstrom zu befördern- die hoch- und Untergrundbahn wurde
zu ihrer Entlastung angelegt. So flutet unter, aus und über der Straße der
Menschenstrom dahin.
Hamburg hat viele Sehenswürdigkeiten: den zoologischen und botanischen
Garten, die Kunsthalle, mehrere Museen, vie größte Sehenswürdigkeit ist und
bleibt aber der Hafen mit dem Mastenwald der Schiffe.
Bedeutung für Holstein. Ist Hamburg jetzt auch keine holsteinische
Stadt mehr, so übt es doch auf die Beschäftigung der Bewohner Holsteins den
größten Einfluß aus, wie im vorigen Abschnitt gezeigt ist. Auf den Hamburger
Viehmärkten verkauft der holsteinische Lauer seine Rinder, Schafe und Schweine.
Ein großer Teil wird davon weiter verschickt nach Sachsen, dem Rheinland
und andern Teilen Deutschlands. In Hamburg wohnen auch gegen 150 000 Le-
wohner, die in Schleswig-Holstein geboren sind. Es zählt mehr geborene
Schleswig-Holsteiner als die Großstädte Mona und Kiel.
Altona.
vie Stadt Altona verdankt der Nähe Hamburgs ihre Entstehung und ihr
schnelles Anwachsen.
Im Iahre 1536 erbaute ein Fischer, Jochim von Lohe, an dem Grenzbach gegen
Hamburg ein Haus, in welchem er eine Brauerei und Wirtschaft anlegte. Die ham-
burger wollten von dieser Nachbarschaft nichts wissen und verlangten den Abbruch
des Hauses. Lei den Streitigkeiten fiel von seiten der Hamburger wiederholt der 5lus^
§ 8. Das südliche Holstein. 19
druck, das Haus liege „all to nah" (allzunahe). Davon erhielt zunächst die Wirtschaft
den Namen „Rrug Altona". Später siedelten sich in der Nähe mehr Zischer an, und
der Name der Wirtschaft wurde nun auch auf den neuen Grt übertragen.
Damals gehörte das südliche Holstein mit der Stadt Altona den Grafen von
Schauenburg, die in Pinneberg residierten. Diese beförderten das Wachstum Altonas
in jeder weise. Sie gestatteten Andersgläubigen, sich in Altona niederzulassen. So
kamen Nlennoniten aus Holland, Hugenotten aus Frankreich, Juden aus Portugal.
Auch gestattete der Graf solchen Handwerkern, die in Hamburg nicht selbständige Meister
werden konnten, sich auf Altonaer Gebiet, nahe der Hamburger Grenze, ein Haus zu
bauen und ihr Gewerbe zu treiben. Der Stadtteil, wo sie sich ansiedelten, wurde die
Freiheit genannt. So wuchs Altona schnell zu einem ansehnlichen, gewerbreichen
Ort heran. 1664 wurde Altona zur Stadt erhoben.
Kbb. 8. In der Altonaer Fischhalle, (phot. Matth. Kruse, Altona.)
1713 wurde Altona von dem schwedischen General Stenbock bis auf wenige Häuser
niedergebrannt. In der Zranzosenzeit drohte der Stadt dasselbe Schicksal. Der tapfere
und kluge Gberpräsident (Oberbürgermeister) Graf Konrad von Blücher-Altona rettete
sie vor diesem Unglück.
Jetzt ist Altona eine Großstadt mit 180 000 Einwohnern.
Handel und Industrie. Zrüher war Mona in erster Linie Handels-
stadt. vie größten Handelshäuser sind aber nach Hamburg verlegt worden.
Zwar ist der Handel immer noch recht bedeutend, doch ist die Industrie jetzt
Haupterwerbsquelle. Besonders sind die Stadtteile Ottensen und Bahrenfeld
reich an Zabriken. Es gibt kaum einen Industriezweig, der in Altona nicht
vertreten wäre- zu nennen sind Eisengießereien, Maschinenfabriken, Margarine-
und Glasfabriken.
Die Zischerei. Ein besonders wichtiger Erwerbszweig ist die Elb- und
Hochseefischerei und die Verarbeitung der Zische in den Räuchereien, Zisch-
bratereien und Nlarinieranstalten. Altonaer Zischdampfer fahren nach der
2*
20 Schleswig-Holstein.
Nordsee, den dänischen, norwegischen und englischen Gewässern und sogar
nach Island und bringen ihren Zang in Mona an den ITTarft; ebenso die
Hochseefischer aus Zinkenwerder, Blankenese und andern Elborten. Jeden
Morgen werden die Zische in einer großen Zischhalle versteigert (über
60 Millionen Pfund im Iahre). Große Mengen werden in der Stadt ge-
räuchert oder zu Zischkonserven verarbeitet. Andere werden als Frischfische,
in Eis verpackt, mit der Bahn verschickt. Mona ist der wichtigste Zischereiplatz
in der Provinz.
Sehenswürdigkeiten. Die älteren Stadtteile haben enge Straßen
und Gassen- in den neueren sind breite Straßen und schöne Plätze. Oer
schönste Platz ist der Naiserplatz. Er ist von vielen wichtigen Gebäuden um-
geben. Oa steht das Rathaus (davor das Naiser-Wilhelm-Oenkmal), das
Museum für schleswig-holsteinische Natur- und Landeskunde, das Eisenbahn-
direktionsgebäude und der Hauptbahnhof, vor dem Hauptbahnhof steht der
schöne Stuhlmann-Brunnen.
Seit 1889 ist Ottensen mit Altona vereinigt. Dieser Stadtteil ist ganz be-
sonders reich an Fabriken. Berühmt ist der Kirchhof von Ottensen (Gedicht
von Rückert: „Die Gräber zu Ottensen"), von den besungenen Gräbern ist
nur noch das Grab Klopstocks unter einer prächtigen Linde erhalten.
Zusammenfassung: Mona ist eine Großstadt mit 18V 000 Einwohnern. (Es
liegt westlich von Hamburg und ist mit dieser Stadt vollständig verwachsen. Sie
Stadt ist in erster Linie Fabrikstadt; doch ist auch der Handel recht bedeutend.
Altona ist der wichtigste Fischereiplatz in Schleswig-Holstein.
Das hohe Llbufer von Altona bis Wedel.
Die Elbchaussee. Die Elbe wird von Mona bis Wedel an der Nord-
feite von einem hohen Steilufer begleitet. Auf der höhe führt eine Straße
entlang, die Elbchaussee, die zu den schönsten Straßen Deutschlands gehört,
fln beiden Seiten liegt eine ununterbrochene Reihe herrlicher Parks mit präch-
tigen Landhäusern. Einige der schönsten Parks, voll von in- und ausländischen
Ziersträuchern, alten Eichen und Luchen, Rosen- und Blumenbeeten, sind
dem Publikum geöffnet. An verschiedenen Stellen hat man von der Elb-
chaussee eine großartige Aussicht über den majestätischen Elbstrom mit dem
vielgestaltigen Schiffsverkehr, über die Llbinseln, besonders Zinkenwerder, dessen
Zrieden jetzt durch die Hamburger hafenanlagen gestört wird, und über das
Alte Land am jenseitigen Ufer. Oer Blick wird im Süden begrenzt durch die
Schwarzen Berge, dea Nordrand der Lüneburger Heide.
Die Elbdörfer. In den Elbdörfern darf keine Zabrik und kein viel-
stöckiges Mietshaus erbaut werden,- sie alle bilden einen großen Landhaus-
bezirk. Alle Ortschaften zeigen ein schnelles Wachstum.
Das schönste aller Elbdörfer ist Blankenese. Dort erreicht das Elbufer
seine größte höhe (Süllberg 87 m, Baursberg 92 m). Das Ufer ist von tiefen
Tälern durchfurcht. Die Abhänge sind meistens bewaldet. Die schmucken
Häuschen scheinen den Abhängen, Schwalbennestern gleich, angeklebt zu sein.
Ursprünglich war Blankenese ein Zischerdorf,' jetzt ist es Wohnsitz vieler reicher
Hamburger, viele von ihnen haben hier nur ihre Sommerwohnung. Blankenese
hat 6000 Einwohner.
§ 8. Das südliche Holstein. 21
Das hohe Elbufer findet seinen Abschluß bei Schulau (Wedel), Dort be-
ginnt das flache Marschland. In Schulau sind vi.'le Zabriken.
Zwischen Wedel und Ütersen ist die Gegend zu suchen, die in der Gudrun-
sage genannt wird. Oer Name der Hetlinger Schanze ist noch in dem Dorf-
namen Hetlingen erhalten.
Rbb. 9. Blankenese mit dem Süllberg. <phot. von T. Roth, Blankenese >
Nördlich von den Elbdörfern geht das Land in eine sandige und moorige
Ebene über. Die Ortschaften zeigen hier ganz andern Charakter. In Eidel-
stedt und Stellingen-Langenfelde sind viele Zabriken. In letzterem Orte ist der
berühmte Tierpark Hagenbecks.
Zusammenfassung: Auf dem hohen Steilufer der Elbe westlich von Altona
führt eine der schönsten Ströhen Deutschlands durch die Elbdörfer nach Blankenese.
Die Elbdörfer bilden einen großen Landhausbezirk. Bei Wedel beginnt das flache
Elbufer.
Wandsbek.
Wie Altona im Westen, so schließt sich Wandsbek im Osten eng an Hamburg
an. Wandsbek ist eine wichtige Industriestadt mit 35 000 Einwohnern. Alle
Zabrikzweige sind vertreten. In Wandsbek lebte vor WO Jahren der Dichter
Matthias Claudius. Nach einer Zeitung, die er herausgab, wurde er der Wands-
beker Lote genannt.
Die Dörfer in der Umgebung von Wandsbek nehmen schnell an Bewohner-
zahl zu. Da liegen die großen Zabrikdörfer Schiffbek (10 000) mit großen Jute-
spinnereien und Sande (7000). Nördlich von Wandsbek liegen große Dörfer
mit Landhäusern (Ahrensburg).
22 Schleswig-Holstein.
Die Llbmarschen.
Lage. Ausdehnung. Oer Lage nach gehören auch die Elbmarschen
mit zu Südholstein,- auch wird hier in mannigfacher Weise die Beschäftigung
der Bewohner durch die Nähe Hamburg-Monas beeinflußt. Aber Boden-
beschaffenheit, Bodenbenutzung und Besiedelung weichen doch so sehr von der
der Geest ab, daß sie eine gesonderte Behandlung verdienen.
Die Llbmarschen begleiten den Strom von Wedel bis zur Mündung des
Raiser-Wilhelm-Kanals. Knfangs sind sie nur schmal- im Störgebiet erreichen
sie ihre größte Breite und dringen hier tief ins Land ein. vie wichtigsten Teile
der Elbmarschen werden haseldorfer, Kemper- und Wilstermarsch genannt.
Die Wilstermarsch liegt westlich von der Stör.
Eindeichung, vor 1000 Jahren wurde das Marschgebiet noch von vielen Elb-
armen durchzogen. Die Inseln waren mit Buschwerk oder Schilf bewachsen. Bei
hohem Wasserstand wurden, sie überflutet, und die Sturmfluten riefen manche ver-
änderung der Landgrenze hervor. Nur die Teile, die dem Geestrand nahe lagen,
wurden nutzbar gemacht, zum Teil auch besiedelt und durch Deiche geschützt. Noch
jetzt liegen die größten Ortschaften auf dem Geestsaum: Wedel, Pinneberg, Ütersen,
Elmshorn, Itzehoe.
Die eigentliche Marsch wurde aber erst gewonnen, als holländische Kolonisten
ins Land kamen und es eindeichten. Sie kannten aus ihrer Heimat den Kampf mit
den Wogen. Aus jener Zeit stammt die folgende Liedstrophe:
Naer (Dostland willen tvy ryden,
Naer Gastland willen tvy rrtee,
Hl Over de groenen Heiden,
Frisch ooer de Heiden,
Daer isser en betere stee.
(Dethlefsen, Geschichte der Elbmarschen.)
Den zahlreichen Gewässern verschafften sie durch gerade, tiefe Gräben (Wettern)
Abfluß,- die von der Geest kommenden Moorwasser (Schwarzwasser) wurden abgewehrt
und das ganze Land gegen die Elbe durch Deiche geschützt. Auch die Nebenflüsse der
Elbe: Pinnau, Krückau und Stör mußten durch Deiche abgeschlossen werden. Damit
war aber der Sieg über die Elbe nicht endgültig erkämpft,- viele Male wurde durch die
Fluten wieder zerstört, was der Mensch schon gesichert glaubte. Wo jetzt die Elbe
fließt, lagen früher einmal blühende Städte und Dörfer. Andere Gegenden lagen
nach großen Deichbrüchen jahrzehntelang unbewohnt, bis die zähen Bewohner den
Kampf aufs neue aufnahmen. Die Namen Blomesche und Engelbrechtsche Wildnis
erinnern noch heute an solche vorübergehende Siege der Fluten. — Jeder Bewohner
war zum Deichbau verpflichtet. Unter selbstgewählten Deichgrafen verstärkten und
verbesserten sie die schützenden Wälle, Es galt das Wort: „Wer ni wöll dieken, de
mut wieken."
Entwässerung. Die Elbmarschen liegen sehr tief, zum Teil tiefer als
die gewöhnliche Fluthöhe der Elbe. Das hat seine Ursache in dem Moorunter-
grund. Vie Morscherde hat im Laufe der Zeit das Moor zusammengepreßt,
und dadurch sind Senkungen entstanden. Dies ist der Grund, weswegen das
Regenwasser durch Pumpwerke über die Deiche in die Flüsse gehoben werden
muß. Diese Pumpwerke werden durch Windmühlen betrieben. Ihre große
Zahl, besonders in der Wilstermarsch, verleiht der Landschaft ein eigenartiges
Kussehen. In der Neuzeit sind große Dampfmaschinen zur Entwässerung auf-
gestellt.
§ 8. Das südliche Holstein. 23
Anbau, von jeher ist die Viehzucht in der Marsch von großer Bedeutung
gewesen. Durch die holländischen Ansiedler wurde die Milchwirtschaft ein-
geführt, die jetzt in ganz Schleswig-Holstein in so hoher Blüte steht, wie in
keinem andern Teile des Vaterlandes. Qn einzelnen Landesteilen bedeuten
Meierei und holländerei dasselbe.) hier werden schwere, milchreiche Rinder-
rassen gezüchtet, die Wilstermarschrasse und die Breitenburger Rasse, viele
Gegenden Deutschlands beziehen von hier Zuchtvieh, vor wenigen Jahrzehnten
wurde in der Wilstermarsch viel Rase gewonnen und durch umherziehende
Käsehändler in ganz Holstein vertrieben. Die Teile des Landes, die der Bahn
nahe liegen, verschicken aber jetzt die frische Milch nach Hamburg-Altona, weil
sie dadurch höhere Erträge erzielen. Nur in den abgelegenen Gegenden
wird die Milch noch in der früher üblichen Weise zu Butter und Käse ver-
arbeitet.
In den Marschen blüht die Pferdezucht. Die Krempermarsch-Pferde zeichnen
sich durch Stärke und Schönheit aus.
Der Kornbau ist von geringer Bedeutung, obgleich die Bodenfruchtbarkeit
den Anbau jeder Getreideart gestattet. Immer mehr Land wird zu Dauer-
weide gemacht. Oer Landmann hat dann nur wenig Arbeit und doch reichen
Ertrag.
Bei Glückstadt nimmt der Gemüsebau ständig zu. Das wichtigste Absatz-
gebiet ist Altona. Große Mengen Weißkohl werden auch mit der Lahn ins
Innere Deutschlands verschickt.
In der Nähe der Elbe gibt es noch zwei Erwerbsarten, die man in anderen
Gegenden vergeblich sucht. Auf dem Vorland der Elbe, da, wo das Land noch
bei jeder Zlut überschwemmt wird, gedeiht eine Grasart, das Reet, das im
Vinter geschnitten und verschickt wird. Zrüher diente da^ Reet zur Bedachung
der Häuser. Wegen der größeren Zeuersgefahr darf es in geschlossenen Ort-
schaften nicht mehr dazu verwendet werden. Darum ist der preis für Reet
stark gefallen. Jetzt stellt man aus dem Reet ein Geflecht her, das der Maurer
vor dem vergipsen an die Zimmerdecke heftet, hieran haftet der Gipsputz
vorzüglich.
In dem feuchten Gebiet des Vorlandes, aber auch binnendeichs, wird ferner
die Korbweide angebaut. Sie liefert das Material für die Korbflechter. Die
stärkeren Reiser dienen zur Herstellung von Tonnenbändern für Zement- und
Weinfässer. Die Arbeiter, die die Weiden abernten und zubereiten, werden
Bandreißer genannt.
Besiedlung. In der Marsch sind die Ortschaften langgestreckte Reihen-
dörfer, die sich an schnurgeraden Straßen und Gräben entlang ziehen. Die
größeren Ortschaften liegen aber auf dem Rande der Geest. Am Ostende der
Marsch liegt Wedel. hier und in Bramstedt steht auf dem Marktplatz eine
Rolandfigur, wie sie früher in vielen Orten gefunden wurden. Sie waren in
alter Zeit ein Zeichen für Gerichts- und Marktrecht des Orts. — An der
Pinnau liegen Pinneberg und Ütersen. Pinneberg liegt an einem schönen
Walde und wird deshalb gern von Hamburgern aufgesucht. In beiden Orten
sind größere Fabriken. — An der Krückau liegen Barmstedt und Elmshorn.
In Barmstedt wohnen viele Schuhmacher. Ein großer Teil ihrer Erzeugnisse
wird ins Ausland verschickt. In Elmshorn ist viel Industrie. — An der Elbe
24 Schleswig-Holstein.
liegt Glückstadt. Diese Stadt wurde von dem dänischen König Christian IV.
mit der Absicht gegründet, den Hamburger Handel hierher abzulenken. Ives-
wegen ist aber Hamburgs Lage viel günstiger für den Handel? Auf einer
Geestinsel in der Marsch liegt das große Dorf Lägerdorf. Dort befindet
sich ein großes Kreiöelager, das zur Herstellung von Zement abgebaut wird. —
In IDilster sind bedeutende Gerbereien.
Itzehoe und Rellinghusen, die beide an der Stör liegen, gehören schon
mit zur Landschaft ITTittelholstein.
Zusammenfassung: Sie Elbmarschen beginnen bei Wedel und begleiten die
Elbe bis zum Raiser-Wilhelm-Nanal. Ihre größte Breite erreichen sie an der
Stör. Sie sind von Holländern eingedeicht und besiedelt worden. Die größten
Orte liegen auf dein Geestrand. Die Bewohner nähren sich von der Viehzucht
(Pferde- und Rinderzucht). Bei Glückstadt blüht der Gemüsebau. In den Städten
ist recht viel Industrie.
Nenne die Flüsse, ^)ie der Elbe aus Holstein zufließen! N)o gibt es viele
Baumschulen? lvo wird Gemüsebau betrieben? Nenne Fabrikorte in Südholstein!
Inwiefern ist die Nähe Hamburgs von Einfluß auf die Erwerbsweise der Be-
wohner in Südholstein?
§ 9. Ostholstein.
Lage. Grenzen. Ostholstein wird im Norden von der Kieler Bucht,
im Osten und Südosten von der Lübecker Bucht, im Süden von der Trave be-
grenzt. Im Westen wird die Landschaft nicht scharf abgegrenzt, da das Hügel-
land des Ostens allmählich in die sandige Hochebene der Mitte übergeht. Ost-
Holstein ist eine Halbinsel, die nach dem wendischen Volksstamm der lvagrier,
der bis ums Iahr NW das Land bewohnte, ll)agrien genannt wird, von
dieser großen Halbinsel bilden die Halbinseln probstei (zwischen Kieler Hafen
und hohwachter Bucht) und Land Oldenburg (zwischen hohwachter und Neu-
städter Lucht) kleinere Teile.
Bodenbeschaffenheit. Ostholstein ist landschaftlich der schönste Teil
Holsteins. Abgesehen von Fehmarn und Land Oldenburg, die eben sind, be-
steht das ganze Land aus hügeligem Lehmboden von großer Fruchtbarkeit.
Auf den hügelkuppen, die wegen ihres steilen Abfalls schwierig zu bearbeiten
waren, sind meistens prächtige Buchenwaldungen erhalten geblieben. Die
höchsten Punkte sind der Bungsberg (164 m) und der pielsberg (128 m).
Zwischen den Hügeln sind viele liebliche Seen eingebettet. Die größten sind
der plöner See und der Selenter See. Wegen seines Seenreichtums nennt
man Gstholstein auch die holsteinische Seenplatte.
Flüsse. Ostholstein wird größtenteils von der Schwentine und Traue
entwässert.
Die Schwentine entspringt auf dem Lungsberg. Sie durchfließt eine lange Seen-
kette. Nach dem Ausfluß aus dem plöner See wendet sie sich nordwärts. Sie hat sich
durch das Hügelland ein tiefes, an Naturschönheiten reiches Tal gewaschen. Lei Neu-
mühlen mündet sie in den Kieler Hafen. — Im Fürstentum Lübeck entspringt die
Trave. Sie fließt erst westwärts, dann nach Süden und von Oldesloe nach Osten.
Bei Lübeck erweitert sie sich seeartig. Sie mündet bei Travemünde in die Neustädter
§ 9. Vstholstein.
25
prnfo^er
Bucht. Bis Lübeck ist ihr Bett durch Baggerungen so vertieft, daß auch große 5ee-
schiffe bei der Stadt anlegen können. Die Trave ist durch den Elb-Trave-Nanal mit
der Elbe verbunden.
Schönheit der Landschaft. Ostholstein wird wegen seiner Schönheit
viel von Fremden besucht. Oer schönste Teil wird als holsteinische Schweiz
bezeichnet. Dom Lungsberg hat man einen wundervollen Ausblick über das
schöne Land. Zu unsern Füßen breiten sich wohlbestellte Acker aus, die durch
die knicke ein gartenähnliches Aussehen zeigen. Noch Westen bin blinkt eine
ununterbrochene Seenkette, umrandet von waldgekrönten Mügeln. Und nach
Norden reicht
unser Gesichtsfeld
bei klarem Wetter
bis zur blauen
Ostsee und den
dänischen Inseln.
Anbau, Das
Land ist durchweg
sehr fruchtbar. Es
gedeihen alle
Nornarten:
lveizen, Gerste,
Hafer, Roggen.
Oer Ackerbau ist
haupterwerbs-
quelle,- die Vieh-
zucht ist von ge-
ringerer Bedeu-
tung. Dies kommt
zum Teil daher,
daß das Land
nicht so reich an
Wiesen ist wie
andere Teile hol-
steins- zum Teil
kommt es aber
auch daher, daß das Land größtenteils in den Händen von Großgrund-
besitzern ist. Auf den Bauernhöfen wird das Vieh besser gepflegt. In der
probstei und auf Fehmarn, wo das Land in den Händen von Bauern ist, hat
die Viehzucht stark zugenommen, Die Güterdistrikte im Seengebiet haben
viele prächtige, schloßähnliche Edelsitze mit großen Parkanlagen aufzuweisen.
Daneben finden sich aber auch armselige Tagelöhnerdörfer. Die Bauerndörfer
der probstei und Fehmarns bilden dazu durch ihre Sauberkeit einen schroffen
Gegensatz.
Besiedlung. Ostholstein ist trotz seiner Fruchtbarkeit nicht dicht be-
wohnt. Dies hat seine Ursache in der Vorherrschaft der großen Güter. Auf
Fehmarn und in Land Oldenburg gibt es aber auch fast keine landwirt-
schaftlichen Arbeiter. Zur Erntezeit strömen fremde Arbeiterscharen ins Land
Kbb. Ig. Gstholstein.
26 Schleswig-Holstein.
und verdingen sich wochenweise bei den Lauern für hohen Lohn. Ist aber
die Ernte beschafft und das Korn abgedroschen, dann oerlassen sie wieder das
Land. Im lviater und Vorsommer hat der Lauer nicht viele Kräfte nötig.
In Ostholstein fehlt auch fast jegliche Industrie. Die zahlreichen Städte sind
nur von geringer Größe. In ihnen versorgt sich die Landbevölkerung mit
Kolonialwaren und Hausstandssachen.
Auf einer Halbinsel zwischen dem Großen und Kleinen plöner See liegt
Plön. In dem Schloß zu Plön ist eine Kadettenanstalt, die von sämtlichen
Söhnen unseres Kaiszrs besucht wurde. Un der Schwentine liegt Preetz. Dort
wohnen viele Schuhmacher, die mit ihren lvaren alle Jahrmärkte der Provinz
besuchen. Nicht weit vom pielsberg liegt das Städtchen Lütjenburg in sehr
schöner Umgebung. Heiligenhafen und Neustadt sind hafenorte von geringer
Bedeutung. Oldenburg und Burg a. F. sind kleine freundliche Landstädte.
5ln der Neustädter Lucht reiht sich ein Ladeort an den andern.
Oie Bewohner. Gstholstein war bis zum Jahre 1100 von den heidnischen
Wagriern, einem wendischen Volksstamm, bewohnt. Gft drangen sie raubend und
sengend in das benachbarte Holstein ein, und große Teile Holsteins waren nach und
nach in ihre Gewalt gekommen (bis Neumünster und Nortorf). Als bald nach 1100
die Schauenburger Grafen nach Holstein kamen, begannen diese einen Eroberungskrieg,
in welchem die Wenden den Holsten erlagen. Oer größte Teil der Wenden wurde
ausgerottet,' der Rest geriet in Leibeigenschaft. Oie Grafen verschenkten große Teile
des Landes an ihre Krieger, andere an die Kirche. Aus den Kriegern ist ein Teil
des holsteinischen Adels hervorgegangen. Oie unterworfenen Wenden mußten ihre
Acker bearbeiten. Oie Grafen riefen außer den Holsten auch fremde Ansiedler ins
Land aus Westfalen, Hessen, Holland und Zriesland. Sie hielten an manchem Brauch
ihrer früheren Heimat fest, nahmen aber die Sprache und Bauart der Holsten an.
Manchem Oorf sieht man es aber noch an, daß es ursprünglich wendisch war. Oann
findet sich in der Mitte ein freier Platz, um den die Gehöfte rundherum liegen.
Das Fürstentum Lübeck. Das Fürstentum Lübeck gehört zur Land-
schaft Gstholstein, aber nicht zur Provinz Schleswig-Holstein sondern zum
Großherzogtum Oldenburg. Die Hauptstadt des Fürstentums ist Eutin am
Eutiner See. Oas Städtchen hat eine wunderschöne Umgebung.
Die Freie Stadt Lübeck. Auch das Gebiet der Travemündung gehört
nicht mit zu Schleswig-Holstein- hier liegt das Gebiet der Freien Stadt Lübeck.
Im Mittelalter war Lübeck das Haupt der Hansa (Städtebund). Damals war
es so mächtig, daß es in den nordischen Reichen (Dänemark, Schweden
und Norwegen) Könige ein- und absetzte. Später schlug der Handel andere
lvege ein, und Lübeck verlor seine Macht. Noch erinnern aber an die alte
Zeit prächtige Lauten: das Rathaus, die Marienkirche, das Holstentor u. a. m.
Jetzt beginnt die Stadt sich wieder zu beleben. Es wird ein Industrieort.
von einem hochofenwerk in Lübeck wird das ganze östliche und mittlere
Holstein mit Elektrizität versorgt. Lübeck hat 100 000 Einwohner.
Zusammenfassung: Ostholstein wird im Norden von der Kieler Bucht, im
Osten und Südosten von der Neustädter Bucht, im Süden von der Traoe begrenzt.
Im Westen ist ein flacher Höhenzug, die Wasserscheide zwischen Lider und Schweu-
tine, die Grenze. Ostholstein besteht fast ganz aus hügeligem Lehmboden? nur
Fehmarn und Land Oldenburg sind eben. Die hügelkuppen sind häufig von schönen
Buchenwäldern bedeckt. Das Land ist sehr reich an Seen (holsteinische Seenplatte).
§ 10. Mttelholstein. 27
Die bewaldeten Hügel, die blauen Seen und die fruchtbaren, wohlbestellten Acker
bieten Landschaftsbilder von großer Schönheit. Haupterwerbsquelle ist Ackerbau?
die Viehzucht ist von geringerer Bedeutung; Industrie fehlt fast ganz. In Ost-
Holstein sind viele große Güter. Zn der Landschaft finden sich zahlreiche, aber
nur kleine Städte.
Das Fürstentum Lübeck und die Freie Stadt Lübeck liegen mit in der Landschaft
Ostholstein, gehören aber nicht mit zu Schleswig-Holstein.
8 10. Mittelholstein.
Lage. Grenzen. Mittelholstein umfaßt das Gebiet der früheren
Grafschaft Holstein. Diese grenzte im Westen an Othmarschen, im Norden an die
Lider, im Osten anWagrienund im Süden an die Grafschaft Stormarn. Gegen Oth-
marschen bildetjetzt
der Kaiser-Wil-
helm-Ranal die
Grenze. Während
im WestenundNor-
den eine natürliche
Grenze vorhanden
ist, fehlt diese im
Osten und Süden.
Im Osten ist als
Grenze eine Linie
anzunehmen, die
von Kiel nach Sege-
berg geht; dort ist
die Wasserscheide
von Lider und
Schwentine.ImSü-
den sind Wilsterau,
Stör, Bramau und
Schmalfelderau als
Grenze anzusehen.
Bodenbeschaffenheit. Ntittelholstein gilt gewöhnlich als ein ein-
förmiges, wenig fruchtbares Gebiet; doch sind große Teile recht fruchtbar und
reich an Naturschönheiten. Das gilt besonders von den Teilen, die von Hügel-
ketten durchzogen werden; denn diese zeigen denselben lehmigen, fruchtbaren
Boden wie die hügelgebiete des Ostens. Ein solcher Höhenzug durchzieht ganz
Nlittelholstein. Er beginnt bei Bordesholm und läuft dann westlich über
Nortorf, hohenwestedt, Grünental bis dicht vor Heide. Er bildet die Wasser-
scheide zwischen Lider und Stör. Ein zweiter Höhenzug zieht sich von Born-
böved südwestlich über die Boostedter höhen (94 in) bis Rellinghusen hin. Ein
kleines höhengebiet liegt nördlich der Stör bei Itzehoe. Im Gebiete dieser
höhen sind noch viele Waldungen erhalten, die meistens aus Eichen und
Luchen bestehen. Die Ebenen zwischen den höhenketten sind allerdings sandig
und unfruchtbar. Da ist das Gebiet großer Heiden; die größten sind die
5lbb. II. Mittelholstein.
28 Schleswig-Holstein.
Abb. 12. Segeberger Heide. (Aus Tl). Möller, Das Gesicht der Heimat.)
Abb. 13. Segeberger Heide mit dem Dampfpflug umgebrochen; links mit Korn besät, rechts rohe Schollen.
(Aus Th. Moller, Das Gesicht der Heimat.)
§ 10. Mittelholstein. 29
Segeberger und Lockstedter Heide. Seit vielen Iahren ist man aber bemüht,
die Heide in Kulturland zu verwandeln. Zrüher geschah dies besonders durch
üufforsten mit Nadelwald. In der Gegenwart schreitet die Umwandlung
viel schneller fort. In geringer Tiefe findet sich unter dem Sandboden eine
gelb, braun oder schwärzlich gefärbte Erdschicht, die durch Eisen zu einer
steinharten Masse verkittet ist- man nennt sie Ortstein oder Ahlerde. Oer
(Drtstein verhindert das Eindringen der Pflanzenwurzeln in die Tiefe, und
darum ist ein flcker mit Grtsteingrund unfruchtbar. Jetzt aber werden die
großen Heiden mit dem Dampfpflug l m tief umgebrochen, mit Mergel be-
düngt und dann als Äcker oder Weide verwertet. Ivo vor wenigen Jahren
die dürre Heide armselige Schafherden nährte, da wogt jetzt mannshohes
Korn oder weiden die prächtigsten Rinderherden. Die große Segeberger Heide
wird in wenigen Jahren ganz verschwunden sein- dagegen wird die Lockstedter
Heide bleiben, was sie ist- denn sie dient als Truppenübungsplatz, viel
schwieriger ist es, die großen Moorgebiete urbar zu machen, die besonders reichlich
im Eidertal vertreten sind.
v i e E i d e r. Abgesehen von der Elbe, die für Holstein nur Grenzfluß ist, ist
die Eider der wichtigste Zluß Schleswig?holsteins. Im herzen Holsteins liegt die hoch-
fläche von Bornhöved. Oer Name bedeutet (Huellhaupt. Die Gegend trägt den
Namen mit Recht,- denn von hier kommen Stör und Schmale, Zuflüsse der Lramau,
Trave und Schwentine. Und an ihrem Nordrand entspringt auch die Eider. Diese
hat erst nördliche Laufrichtung und nähert sich dem Nieler Hafen bis auf wenige
Nilometer. Dann wendet sie sich westlich und durchfließt mehrere Seen, von denen
der lvestensee der größte ist. Nach dem Ausfluß aus dem Zlemhuder See folgt sie jetzt
dem Bett des Naiser-Ivilhelm-Nanals bis Rendsburg. Durch den Nanalbau ist ihr Lauf
gerade gelegt,- eine Seenkette, die sie durchfloß, ist zum Teil mit Nanalerde vollgeschüttet.
Bis Rendsburg nannte man sie Dbereider; dann folgt die Untereider. In der
Untereider herrscht Ebbe und Flut. Bei Rendsburg beträgt der Unterschied im Wasser-
stand noch 1 m. In einem sehr gewundenen Lauf durchfließt sie das weite Eidertal
und mündet bei Tönning in die Nordsee. An der Mündung ist sie ein breiter Strom
(5 km), von dem Mittelholsteinischen Landrücken flössen der Eider früher zahlreiche,
wasserreiche Auen zu: lvehrau, Jevenau, Luhnau, haalerau und Gieselau,' jetzt sind diese
alle durch den Naiser-lvilhelm-Kanal abgeschnitten. Es fließen ihr nur noch aus
Schleswig die Sorge und die T r e e n e zu. Die Treene mündet bei Zriedrichstadt.
Die Eider bildet die Grenze zwischen Holstein und Schleswig. — Das Gebiet
des oberen Eidertals ist reich an Naturschönheiten, wie das Bild „Tal an der
Gbereider" zeigt.
Moore. Das mittlere Eidertal, von dem nur die südliche Hälfte zu hol-
stein gehört, ist ein weites Sumpf- und Moorgebiet. Südlich und südwestlich
von Rendsburg liegen das Wilde Moor, das Meckel- und Neitmoor, zwischen
Eider und Sorge das Königsmoor. Es sind zum Teil unwirtliche Gegenden,
die den Menschen von der Besiedlung abschrecken. Und dennoch beginnt man
auch dort, fleißigen Bewohnern eine Wohnstätte zu schaffen. Bei Bokelholm
müssen Sträflinge das Wilde Moor mit tiefen, breiten Gräben durchziehen.
Der Sand, der unter der Moorschicht liegt, wird über die Moordämme aus-
gebreitet, und der so zubereitete Loden wird mit Roggen, Hafer, Gerste und
Lohnen bestellt. Das Korn steht ebenso üppig wie auf dem fruchtbaren
Loden Ostholsteins. An den zahlreichen Nebenflüssen der Eider liegen weite
Abb. 14. Tal an der Vbereider. (Kus Th, Möller, Das Gesicht der Heimat.
§ 10. Mittelholstein. 31
Wiesen- und Weideflächen,- darum steht die Viehzucht hier in hoher Blüte,
von dem südlichsten Knie an begleiten Aufmärschen die Eider, die durch
Deiche gegen Überflutungen geschützt sind.
Oer südliche Teil von Mittelholstein wird von der Stör entwässert. In
der Störniederung finden sich ebenfalls fruchtbare Wiesen und Weiden.
Landwirtschaft. Die Bewohner Mittelholsteins nähren sich von der
Landwirtschaft. Es wird besonders Roggen und Hafer angebaut. Oer Anbau
von Buchweizen, der früher weit verbreitet war, geht ständig zurück,- ebenso der
Anbau von Rartoffeln. Dafür nimmt der Anbau von Steckrüben und Röhl zu.
Obgleich der Kornertrag durch Anwendung von Kunstdünger außerordentlich
steigt, genügt er doch lange nicht für den eigenen verbrauch- große Mengen
Kbb. IS. holsteinisches vauerngehöft. (Aus Th. Möller, Das Gesicht der Heimat.)
von Zutterkorn werden von auswärts zugekauft. Das ist die Kolge der hoch-
entwickelten Viehzucht. Im Kreise Rendsburg steht die Pferdezucht auf ähn-
licher höhe wie in den Marschen. Groß ist die Zahl der Rinder, die von hier
verschickt wird. Ganz besonders stark ist aber die Schweinezucht entwickelt.
Selbst in kleinen Dörfern werden mehr als 1000 Schweine gezählt. Während
das südliche Holstein die frische Milch nach Hamburg-Altona liefert, wird sie
hier verbuttert. In jedem Dorf ist eine Meierei. Das Jungvieh wird an
die Marschbauern verkauft und auf den Marschweiden fettgeweidet.
Die Holsten. Die Bewohner Mittelholsteins heißen Holsten, ver Name ist
entstanden aus holsaten oder holseten, d. i. holzbervohner. Nur durch falsche Über-
tragung ins hochdeutsche ist der Name Holstein entstanden. Oer Name wurde nach
und nach auch auf die andern Teile des heutigen Holsteins ausgedehnt. Sudlich der
(Hbe nennt man vielfach auch die Bewohner Schleswigs holsteiner.
32 Schleswig-Holstein.
Die Holsten sind groß gewachsen, haben blaue Augen und blondes haar- sie sind
langsam und bedächtig, aber auch fleißig und ausdauernd. In alter Zeit hatten sie viele
kämpfe mit den vithmarsen, Dänen und Wenden zu bestehen,- sie sind aber schließlich
doch Sieger geblieben. Sie haben das eroberte Land der Wenden größtenteils, das
südliche Schleswig bis zur Schlei ganz besiedelt und für das Deutschtum gewonnen.
In der Gegend von Neumünster, dem sogenannten Aukrug, sind viele wenden ge-
blieben und haben sich mit den Holsten vermischt? daher findet man dort mehr kleine
und mittelgroße Personen mit dunklem haar und braunen flugen.
TMttelholstein ist ein rechtes Bauernland. Nur im (Dsten finden sich große Güter,-
das eigentliche Holstenland kennt nur Bauernhöfe. Die Besitzer heißen hufner. In
der ältesten Zeit gab es wohl nur ganze oder volle Hufen. Erst als mehr Wald gerodet
und in Ackerland verwandelt war, wurden die Hufen in halb- und Viertelhufen ge-
teilt, da diese Teilstücke nun hinreichten, eine Kamilie zu ernähren. Außer den hufnern
gibt es in jedem Dorf Kätner (Kleinbauern) und Insten oder Heuerlinge. Oer Stand
der Kätner ist wohl erst 200 Jahre alt. Er ist aus den jüngeren Kindern der hufner
hervorgegangen. Oer älteM Sohn erbte die Hufe,- ein jüngerer Sohn bekam nur ein
Haus mit etwas Land. Jetzt werden viele Hufen parzelliert, d. h. in Teilstücken ver-
kauft. Dadurch wird die Zahl der Landstellen größer, und es steigt damit die Le-
wohnerzahl. Nlittelholstein ist jetzt schon dichter bewohnt als das fruchtbarere (Dst-
Holstein.
Das holsteinische Dorf. Die holsteinischen Dörfer liegen geschlossen,
haben aber ganz unregelmäßige Straßenzüge. Nur in den Kirchdörfern stehen
die Häuser eng zusammen; sonst ist ein Bauernhof sehr geräumig und mit
zahlreichen Gebäuden (Wohnhaus mit Viehhausflügel, Scheune oder Schuppen,
Lackhaus, Schweinestall, verlehntshaus) besetzt. Ein holsteinisches Dorf mit
uralten Eichen, schattigen Linden und blühenden Kastanien ist ein hübscher
Anblick. Das alte Sachsenhaus (ein Rauchhaus ohne Schornstein und ohne
Oiehhausflügel) ist eine Seltenheit geworden. Leider wird das Strohdach
durch das Pappdach oder durch das noch häßlichere Zinkblechdach verdrängt.
Die Städte in Mittelholstein.
Die ältesten Städte der Landschaft sind Rendsburg, Itzehoe und Kiel? in
späterer Zeit erfolgte die Gründung von Kellinghusen, Segeberg und Neumünster.
Rendsburg liegt an der Eider und am Kaiser-Wilhelm-Kanal. Die Stadt
ist aus einer Burg hervorgegangen, die auf einer Eiderinsel lag. Rendsburg
hat eine sehr günstige Lage, da die wichtigste Verkehrsstraße, die die Provinz
von Norden nach Süden durchzieht, über Rendsburg führt und dort die Eider
und den Kanal kreuzt. fln die Stelle der alten Verkehrswege sind Eisenbahnen
getreten. Zünf Eisenbahnlinien laufen in Rendsburg zusammen. Die Eider
war früher eine wichtige Wasserstraße, besonders nach Erbauung des Eider-
kanals. Bis hierher konnten Schiffe mit 3 m Tiefgang gelangen. Rendsburg
und die Dörfer an der Eider hatten zahlreiche Segelschiffe, und bei Rendsburg
waren mehrere Werften, die diese Segler bauten. Das ist nach Erbauung des
Kaiser-Wilhelm-Kanals anders geworden,- denn die Segler können den IDett-
kämpf mit den Dampfschiffen nicht aushalten,- ihre Zahl geht deswegen schnell
zurück. Auch hat die Eider als Wasserstraße durch den Kaiser-Wilhelm-Kanal
verloren. Die Stadt selbst hat natürlich durch den Kanal an Bedeutung ge-
wonnen. Rendsburg war früher eine wichtige Festung; einzelne Reste der
§ 10. Mttelholstein. 33
Stadtmauer sind noch erhalten. — In Vüdelsdorf, einem großen Vorort von
Rendsburg, befindet sich die älteste Eisengießerei der Provinz, die Karlshütte,-
sie beschäftigt 800 Arbeiter.
Bisher führten in Rendsburg drei eiserne Drehbrücken über den Kanal.
Ietzt ist eine große Hochbrücke erbaut, die in 42 m höhe den Kanal überspannt.
Diese ist für den Eisenbahnverkehr bestimmt, von Süden her führt ein 5 km
langer Damm auf die erforderliche höhe. An der Nordseite muß die Lahn
auf einer 5 Km langen Schleife zur Ebene herabgeführt werden. Die Schleife
ruht auf einem gewaltigen Eisengerüst. Oer fertige Lau wird die größte eiserne
Brücke Europas sein. Zür den lvagenoerkehr wird eine neue Drehbrücke erbaut. —
Rendsburg hat fast 20 000 Einwohner. Die nähere Umgebung von Rendsburg
ist einförmig und öde,- das Stadtgebiet ist reich an hübschen Anlagen.
Itzehoe (20 000 Einwohner) liegt an der Stör, hier gründete Karl der
Große die Essesveldoburg, aus der die Stadt hervorgegangen ist. Bis hierher
besteht auf der Stör ein lebhafter Schiffsverkehr,- bis KeUinghusen können nur
flbb. 16. Rendsburger Hochbrücke, (phot. 3. Leschen, Rendsburg.)
noch kleinere Fahrzeuge vordringen. In Itzehoe ist recht viel Industrie- zu
nennen sind eine Zuckerraffinerie, Tabak-, Zement- und Netzfabriken. Im
herbst wird hier seit alten Zeiten ein berühmter Gchsenmarkt abgehalten.
Nördlich von Itzehoe liegen schön bewaldete höhen.
Zwischen Itzehoe und Kellinghusen, auf der Lockstedter Heide, ist der Truppen-
Übungsplatz für das IX. Armeekorps.
Am Zusammenfluß von Lramau und Stör liegt ttellinghusen. Dort ist
etwas Industrie, z. B. eine große Gerberei.
Neumünster (35 000 Einwohner) liegt in der mitte Holsteins, an der Schwale.
hier kreuzten sich von jeher die wichtigsten Verkehrsstraßen Holsteins. Darum
ist Neumünster der wichtigste Eisenbahnknoten unsers Landes geworden, lvegen
seiner günstigen Verkehrslage ist Neumünster nächst Altona die wichtigste In-
dustriestadt der Provinz geworden, hier sind viele Tuch- und Kattunwebereien,
Färbereien, Gerbereien, Eisengießereien, Maschinenfabriken usw.
Die Umgebung von Neumünster ist eben, sandig und unfruchtbar.
Auf der Grenze von Nüttel- und Gstholstein liegt Segeberg (Trave). hier
ragt ein 90 m hoher Gipsfelsen aus der Ebene empor. Auf ihm erbauten die
Sievers, Heimatkunde von Schleswig-Holstein. Z
34 Schleswig-Holstein.
Schauenburger Grasen zum Schutze Holsteins gegen die Wenden eine Lurg,
die Siegburg genannt. Danach hat Segeberg seinen Namen erhalten, von
der Burg ist nichts mehr erhalten. Oer Gips wird losgebrochen, gebrannt und
dann als Laumaterial verwertet. Unter dem Gips liegt ein mächtiges Stein-
salzlager. Man hat versucht, das Salzlager abzubauen- aber es brach Wasser
in den Schacht, das sich nicht wegschaffen ließ, vas Salzwasser dient zu Lade-
zwecken (Solbad). Im Zrühjahr 1913 wurde hier unter dem Gipsfelsen eine
große höhle voll prächtiger Tropfsteingebilde entdeckt.
Riel liegt ebenfalls auf der Grenze von Mittel- und Ostholstein. Nach
der Lodenform gehört Kiel mit seiner schönen Umgebung schon mit zu Ost-
Holstein- es hat aber seit den ältesten Zeiten zum eigentlichen Holstein gehört,
und deshalb wird es hier zu Nlittelholstein gerechnet.
Kbb, 17. Der Kieler Hafen zur Zeit der Kieler Woche, iphot. Renarb, Kid.)
Kiel verdankt wahrscheinlich der keilförmigen Lucht, an der es liegt, seinen
Namen, hier erbaute Graf Adolf IV. vor 700 Jahren ein Schloß, und lange haben
seine Nachfolger hier residiert. Jetzt ist das alte Schloß die Residenz des Prinzen
Heinrich, des Lruders unseres Kaisers.
Die Stadt hatte 1864 erst 12 000 Einwohner, jetzt dagegen ungefähr 220 000.
Das schnelle Aufblühen verdankt sie dem Hafen. Dieser ist tief, groß und ge-
schützt. Wegen dieser Eigenschaften wurde er zum Neichskriegshafen gemacht.
Zast immer ist im Kieler Hafen eine größere Zahl unserer Linienschiffe, Kreuzer
und Torpedoboote zu sehen. Am Kieler Hafen sind auch große Werften ent-
standen, die dem Bau der Kriegsschiffe dienen: die Kaiserliche Werft, die Ger-
maniawerft (Krupp) und howaldts Werft. Gegen 20 000 Arbeiter finden
hier beim Lau der Kriegsschiffe gutbezahlte Arbeit.
§ 10. Mittelholstein.
35
Kiel hat einen lebhaften Schiffs- und Handelsverkehr, besonders mit den
nordischen Staaten. Durch den Kaiser-lvilhelm-Kanal ist die Lage der Stadt
noch bedeutend günstiger geworden, Mt den größeren Ostseehäfen steht Kiel
in regelmäßiger Dampfschiffsverbindung.
Kiel gehört zu den wichtigsten Zischereiplätzen der Ostseeküste,- doch ist in
dem von Kriegs- und Handelsschiffen belebten Hafen kein Raum mehr für die
Beschäftigung der Zischer. Das Zischerdorf Ellerbek hat der Kaiserlichen Werft
weichen müssen- seine Bewohner haben sich am Eingang der Zörde neu an-
gesiedelt. Oer Zischhandel Kiels blüht aber weiter. Berühmt sind Kieler
Sprotten und Bücklinge. Die „echten" Kieler Bücklinge, die irt fremden Städten
angeboten werden, stammen meistens aus Eckernförde.
In Kiel ist eine Universität, die von über 2000 Studenten besucht wird.
Mit der Universität sind wichtige Anstalten verbunden, so ein botanischer Garten,
Museen für Altertümer, für Zoologie und Mineralogie und die akademischen
Heilanstalten, verunglückte und Schwerkranke der ganzen Provinz eilen hierher,
um Heilung zu suchen.
In Kiel haben viele wichtige Behörden ihren Sitz,- hier ist das Oberlandes-
gericht und ein Landgericht, die Oberpostdirektion, die Landesbrandkasse, das
Landesversicherungsamt und das Konsistorium. Die Stadt ist auch reich
an Denkmälern und schönen freien Plätzen. Besonders reizend ist Düstern-
brook.
Die Ortschaften in der Umgegend von Kiel wachsen schnell an. Ein ganzer
Kranz früherer Dörfer ist erst vor wenigen Iahren mit Kiel vereinigt worden.
Aber immer weiter greift der Einfluß von Kiel, und Dörfer, deren Namen vor
wenigen Iahren noch fast unbekannt waren, haben ein städtisches Gewand
erhalten, so Dietrichsdorf-Neumühlen, Altheikendorf, Laboe, Holtenau, Friedrichs-
ort. Der letztere Ort ist eine wichtige Zestung am Eingang zum Kieler
Hafen.
Kiel hat einen großen Fremdenverkehr. Arn stärksten ist er in der so-
genannten Kieler Woche, wenn hier Iachten aus aller Herren Länder in #n-
Wesenheit des Kaisers Wettfahrten abhalten.
Zusammenfassung: Mittelholstein liegt zwischen Lider und Stör mit Bramau,
zwischen dem Naiser-Wilhelm-Nanal im Westen und der Wasserscheide zwischen
Lider und Schwentine im Osten. Weite Gebiete der Landschaft sind eben, sandig
und unfruchtbar. An der Lider sind große Sumpf- und Moorgebiete. Doch gibt
es auch recht fruchtbare Teile, besonders da, wo Höhenzüge das Land durchziehen,
ver nördliche Teil wird nach der Lider, der südliche nach der Stör entwässert.
An den zahlreichen Auen und Bächen sind gute Wiesen und weiden. Darum blüht
die Viehzucht. Die Landschaft liefert gute Pferde, schwere, milchreiche Rinder,
Jungvieh für die Marschen und außerordentlich viele Schweine, ver Nornbau
liefert im vergleich zur Bodenfruchtbarkeit zwar reiche Erträge, doch mutz Futter-
koru zugekauft werden, vie großen Heiden werden urbar gemacht, vie wichtigsten
Orte sind Rendsburg, Itzehoe, Nellinghusen, Neumünster, Segeberg und Kiel.
In Neumünster, Niel, Rendsburg und Itzehoe ist viel Industrie. Neumüuster ist
der wichtigste Lisenbahnknoten. Niel ist Reichskriegshafen. Dort sind große
Schiffswerften und die Landesuniversität. Mittelholstein ist trotz der unfrucht-
baren Heide- und Moorflächen schon recht dicht bevölkert.
3*
36 Schleswig-Holstein.
§ 11. Othmarschen.
Lage. Grenzen. Im Westen Holsteins, zwischen der Elb- und Eider-
mündung, liegt die Landschaft Othmarschen. Im Westen wird Othmarschen
von der Nordsee begrenzt. Im Osten wa. früher Landgrenze,- jetzt aber bildet
der Naiser-wilhelm-Nanal die Grenze gegen Holstein. Oie Landschaft gleicht
also einer Insel. Viesen Charakter trug das Gebiet auch schon vor der Er-
bauung des Kanals- denn auf der holsteinischen Grenze dehnten sich im Norden
und Süden an kleinen Zlüssen weite, unzugängliche Moorgebiete aus. Nur auf
der kurzen Grenzstrecks zwischen den Moorgebieten, da, wo der Mittelholsteinische
Landrücken von hohenwestedt her bis Heide vordringt, führte eine viclbenutzte
entlang zieht sich die Lahn
einer prächtigen Hochbrücke
über den Nanal geführt ist.
vithmarschen hat demnach
eine abgeflossene , insel-
artige Lage.
Aus dieser Lage erklärt es
sich, dah die Bewohner, die
Oithmarscher oder Oithmarsen,
sich in Sitten und Gebräuchen
und auch in derSprache(Oialekt)
von den stammverwandten
Holsten deutlich unterscheiden.
Diese Lage machte es den Le-
wohnern auch leicht, ihr Land
gegen feindliche Angriffe zu
schützen. Jahrhunderte hindurch
haben sie ihre Zreiheit gegen
Holsten und Dänen verteidigt.
In der Schlacht bei hemming-
stedt (1500) besiegten sie die
Dänen und Holsten, obgleich
diese ihnen mit einer gewaltigen
Übermacht gegenüberstanden.
Reichlich 50 Jahre später mutzten
sie sich aber doch dem Nachbar beugen. Die Bewohner haben aber die Zreiheitsliebe
der vorfahren bewahrt, und noch singt und erzählt man von den Heldentaten der Väter.
Oie Geest. Othmarschen zerfällt deutlich in zwei recht verschiedene
Hälften, in Geest und Marsch. Oer Name Geest bedeutet unfruchtbar- die
Oithmarscher Geest ist aber nur im vergleich zur Marsch unfruchtbar zu
nennen; im ganzen ist auch dieser Teil des Landes ertragreich und wohlbebaut.
Ganz unfruchtbar ist nur der Geestrand an der Marsch- dort liegt ein vünen-
saum, der hier von den Winden aufgetürmt wurde, als noch das Meer über
die Marsch hinflutete, viese Inlanddünen sind meistens mit Heidekraut be-
kleidet. Kus manchem Ortsnamen (Michaelisdonn, hochdonn, vingerdonn)
hören wir die Bezeichnung „vüne" bervorklingen. üuf dem Vünenrand liegen
die bedeutendsten Orte: Meldorf, hemmingstedt, Heide, Lunden. (Siehe Bild:
Inlanddünenkette am Nande der Marsch.)
Verkehrsstraße ins Land. Kuf diesem Landrücken
Neumünster—Heide hin, die bei Grünental auf
Kbb. 18. vithmarschen.
z 11. Othmarschen. 37
Grünlandmoore. Die Dünen verwehrten den Gewässern der Geest
den Abfluß nach dem Meer. Es entstanden flache Nüstengewässer, die an-
fangs Brackwasser, später Süßwasser enthielten. Diese abflußlosen Gebiete
waren voll von Schilf und Neet, woraus nach und nach eine tiefe Moorschicht
entstand. Nur wenige Neste jener Seen sind bis heute erhalten. Diese Moore
haben aber ein ganz anderes Aussehen als die holsteinischen. Die meisten
tragen nicht Heidekraut sondern eine grüne Grasdecke- deswegen nennt man
sie Grünlandmoore. Das Moorgras liefert kein wertvolles Zutter- doch hat
man es durch Anwendung von Kunstdünger sehr verbessert, und jetzt weiden
dort große Ninderherden.
Kbb. 1?. Inlanddünen am Rande der Marsch. (Kus <Xf). Möller, Das Gesicht der Heimat.)
Bewaldung. Die Dithmarscher Geest wird von zwei Hügelketten
durchzogen. Diese zeigen, wie die hügeligen Gebiete Holsteins, fruchtbaren
Lehmboden, hier sind auch noch einige Neste von dem ehemaligen Grenzwald
(Niesenwohld) erhalten, während Dithmarschen sonst ohne lvald ist. Die lvest-
stürme, die ungebrochen über die Marsch daherbrausen, lassen auch kaum einen
guten Laumwuchs zu/ doch versucht man mit recht viel Glück die unfrucht-
baren Gebiete der Jnlanddünen mit Nadelwald aufzuforsten. Don hier
werden in jedem Winter große Mengen Weihnachtsbäume verschickt, die wegen
des dunklen Grüns ihrer Nadeln geschätzt sind.
Die Marsch. Die Marsch ist in Dithmarschen größtenteils Seemarsch-
nur zu geringem Teil verdankt sie der Elbe und Eider ihre Entstehung' zur
Hauptsache ist sie von der Nordsee aufgebaut. Der Marschboden ist in seiner
Zusammensetzung auch recht verschieden von dem der Zlußmarschen.
38 Schleswig-Holstein.
3n dem lVasser der Flüsse und Meere befindet sich immer eine ungeheure Zahl
kleiner Lebewesen, die wir zwar mit bloßem Auge nicht sehen können, wohl aber unter
dem Mikroskop. In Fluß- und Meerwasser leben aber nicht dieselben Arten. Die Arten
des Meeres können im Flußwasser nicht leben, die aus dem Flußwasser aber auch nicht
im Meer- oder Brackwasser. Bei dem Wechsel von Ebbe und Flut geraten sie in Wasser,
in dem sie nicht leben können,' sie sterben und sinken auf den Grund. Aus den Kalk-
und Nieselresten ihres Körpers entsteht fruchtbarer Schlamm, aus dem sich die Marsch
aufbaut. An der Küste bleiben zur Ebbezeit auch Schnecken, Muscheln, Krebse usw.
zurück, deren Körper ein ähnliches Geschick haben. Natürlich werden auch Senkstoffe
der Flüsse mit angespült und tragen zur Landbildung bei.
Oie Seemarschen liegen höher als die Elbmarschen,' sie wurden deswegen auch
viel früher besiedelt. Anfangs wurde die Marsch von dem Geestrand aus bewirt-
schaftet? hier entstanden darum große Dörfer, flls die Marsch breiter wurde, entstanden
auch hier Ansiedlungen. Oas Haus wurde auf einem Hügel aus Erde, Luschwerk und
Dünger errichtet. Ein solcher Hügel hieß wurt oder warft. Sie lagen so hoch, daß
die Fluten das Haus nichl bedrohten. Auf manchen wurten steht nur ein Bauern-
Haus,' in vielen Fällen steht aber eine ganze Ortschaft auf einer gemeinsamen wurt.
viele Drtsnamen tragen die Endung wurt (Ammerswurt, volkerswurt, Poppen-
wurt usw.). Die einzeln stehenden Häuser sind meistens von tiefen Gräben umschlossen
und gleichen einer Wasserburg. Zum Schutz gegen die weststürme sind sie mit Pappeln
und Eschen umgeben. Solche Höfe bilden einen Schmuck der sonst einförmigen Marsch.
Ledeichung, wahrscheinlich sind auch hier zugewanderte Holländer und Friesen
die Lehrmeister im Deichbau gewesen. Nach und nach wurde das ganze Marschen-
gebiet durch Deiche geschützt. Die Oithmarscher Landesgeschichte berichtet aber von
vielen Oeichbrüchen und Überschwemmungen. Oie jetzigen Deiche gewähren größere
Sicherheit, weil sie höher und zweckmäßiger angelegt sind. Sie unterscheiden sich
von den früheren besonders durch den allmählichen Anstieg von der Seeseite her.
Dadurch wird es der Brandung erschwert, den Deich zu unterspülen. Es wird sorg-
fältig darauf geachtet, daß der Deichabhang stets mit einer Rasendecke bekleidet ist.
Ist diese zerrissen, dann haben die Fluten leichtes Spiel. Oie Unterhaltung der
Deiche kostet jährlich große Summen.
Die Köge. Vor den Deichen baut die See neues Land auf. wenn sich das
öde Watt soweit erhöht hat, daß es von der gewöhnlichen Flut nicht mehr oder nur
kurze Zeit überspült wird, dann überzieht es sich mit einer Pflanzendecke. Zuerst er-
scheint der (Hueller, eine pflanze, die Salzwasser verträgt und aus der Ferne der Heide
ähnlich sieht. Sie hält mit ihren Zweigen den Schlick fest und bewirkt dadurch
schnellere Landbildung. Nun greift auch der Mensch ein. Er zieht Gräben durch das
Watt. Oie Grabenerde erhöht die dammartigen Flächen zwischen den Gräben,' in
diesen selbst aber sammelt sich aufs neue der Schlick. Ist das Land höher geworden,
so wird der Queller durch andere Salzpflanzen verdrängt. Endlich erscheinen auch
Gräser, die gern von Schafen und Gänsen abgeweidet werden. Oieses grüne Vorland
heißt Außendeichsland.
wenn das Vorland sich mit weißem Klee überzieht, ist es reif für die Eindeichung.
Natürlich muß das deichreife Land groß genug sein, die ungeheuren Oeichbaukosten
zu lohnen. Oas neugewonnene Land zwischen den Oeichen nennt man Koog. Fast
an keiner einzigen Stelle unserer Küste bildet der älteste Oeich die Grenze gegen das
Meer,' überall sind Köge vorgelagert. Oen älteren Oeich läßt man zur größeren
Sicherheit stehen,' viele Linnendeiche dienen als Verkehrswege.
In den letzten Jahrzehnten sind an der holsteinischen Küste einige kleine Inseln
entstanden, von wo die Landbildung dem Festland entgegenwächst.
Ooch geht das Anwachsen nicht gleichmäßig vor sich. Visweilen nehmen die
Abflußrinnen im Watt (Prielen) eine andere Richtung an, und ihre Strömung reißt
§ 11. Othmarschen. 39
aufgebautes Land wieder fort. Die Deiche an der Lidermündung müssen jetzt wegen
der veränderten Strömung durch Steindecken und Buhnen geschützt werden. In der
vithmarscher Bucht wurde durch solche Strömungen Klt-Büsum mit anderen Grt-
schaften zerstört.
(Dld Lüsen liggt int wille Haff,-
De Zlot de keem un wöhl en Grafs.
De $lot de keem un spöl un spöl,
Bet se de Insel unnerwöhl.
(Klaus Groth.)
Viehzucht. In Othmarschen blüht die Viehzucht in jeder Korm. Es
liefert in großer Zahl vorzügliche Reit- und Wagenpferde. Kein Gebiet der
Provinz kommt Othmarschen an Zahl der Rinder gleich. Man züchtet eine
schwere Rasse, die milchreich ist, sich aber besonders zur Mast eignet, Auf den
Außendeichsländereien werden fleischige Schafe geweidet. Auf der Geest hat
auch die Schweinezucht einen hohen Stand erreicht? in der Marsch ist diese
Zucht nicht lohnend, weil die Schweine dort zu oft von einer Seuche befallen
werden.
Korn bau. In der Marsch blüht aber auch der Kornbau. Weizen, Hafer,
Gerste, Bohnen und Rapssaat gedeihen hier so gut, wie kaum sonst an andern
Orten. Zür die Erntezeit fehlt es an Arbeitskräften im Lande. Sie strömen
von allen Seiten herzu und stellen sich am Sonntagmorgen neben den Kirchen
auf, um ihre Arbeitskraft für hohen Lohn wochenweise anzubieten (Menschen-
markt). Sie bleiben im Lande, bis die Ernte geborgen und abgedroschen ist.
Oie Lauern bedürfen dieser Arbeiter (Monarchen),- sie bilden aber eine Land-
plage- die Sicherheit auf den Straßen und in den Gehöften leidet, und die
Polizei mutz während dieser Zeit verstärkt werden, damit man sich ihrer erwehre.
Zuckerrüben. In Süderdithmarschen ist noch eine Zuckerfabrik. Oer
Anbau der Zuckerrüben erfordert auch viele Hilfskräfte, polnische Arbeiter und
Mägde strömen im Vorsommer ins Land, um die Rüben zu pflanzen, zu ver-
ziehen und zu hacken. Sie fallen auf durch ihre grellfarbigen Kleider und
Kopftücher.
Gemüsebau. In anderen Gegenden, besonders bei Wesselburen, ist
man zum Gemüsebau übergegangen. Ungezählte Eisenbahnladungen Weißkohl
werden von hier ins Innere von Deutschland verschickt (Magdeburger Sauer-
kraut). In Iahren mit hohen Kohlpreisen haben einzelne Lauern schon für
mehr als 100 000 Mark Kohl verkauft.
Othmarschen gehört zu den reichsten Landschaften des Deutschen Reichs.
Oie Bewohner. Oie Othmarsen sind mit den benachbarten Holsten
verwandt- sie sind Sachsen, aber mit Holländern und Friesen vermischt.
Man findet dort viele große, stattliche Männer. Oas blonde, oft rötlich
schimmernde und gekräuselte haar, sowie die blauen oder grauen Augen zeigen,
das sie ein reiner Germanenstamm sind. Oie Othmarsen sind ein Lauernvolk-
sie duldeten keine Ritter im Land (Gedicht von Klaus Groth: Graf Rudolf
von der Lökelnburg). Sie waren ein freihetliebendes, tapferes, aber ge-
Walttätiges Volk, das oft durch Raubzüge die Holsten und Eiderstedter kränkte,
viele trieben auch Seeraub. Es ist deswegen kein Wunder, daß ihre Nachbarn
sie nicht liebten und sich freuten, als sie endlich ihre Freiheit verloren. Vorher
40
Schleswig-Holstein.
war dem Namen nach der Erzbischof von Bremen ihr Gberherr- sie kümmerten
sich aber nur um diese Herrschaft, wenn sie ihnen im Kampf mit den feindlichen
Nachbaren nützlich schien. In Wirklichkeit bildeten sie einen Zreistaat, der sich
durch gewählte Vertreter (48 Regenten) selbst regierte. Man mutz den Helden-
mut bewundern, mit dem sie ihre Freiheit solange erfolgreich verteidigten.
Die Besiedlung. Obgleich Ackerbau und Viehzucht den Haupterwerb
der Bewohner bilden, ist das Land doch recht dicht bevölkert. Größere Städte
fehlen. Die alte Hauptstadt des Landes ist Meldorf (an der Miele), hier ist
wohl die älteste Kirche unsers Landes. In späterer Zeit wurde Heide die
Hauptstadt (10 000 Einwohner). Heide ist der wichtigste Eisenbahnknoten im
westlichen Holstein. Es hat einen großen, schönen, mit Linden umpflanzten
Marktplatz, auf dem jeden Sonnabend Vieh- und Krammarkt abgehalten wird.
Auf dem heider Kirchhof steht ein Denkmal, das an Heinrich Möller von
Zütphen erinnert. Er verkündete in Othmarschen zuerst die evangelische Lehre
und wurde in Heide verbrannt. In Heide wurde Klaus Groth geboren. -
lvesselburen ist die Geburtsstadt des Dichters Hebbel. Büsum ist ein besuchter
Badeort. — In Süderdithmarschen liegt noch die kleine Stadt Marne, ganz von
Marsch umgeben. An der Mündung des Kaiser-Wilhelm-Kanals ist eine neue
Stadt, Brunsbüttelerhafen, im Entstehen begriffen.
Zusammenfassung: vithmarschen liegt im westlichen Teil Holsteins, zwischen
Elbe und Lider und zwischen Nordsee und Raiser-wilhelm-ttanal. <£s hat eine
inselartige, abgeschlossene Lage, vithmarschen besteht zur Hälfte ans Geest, zur
Hälfte aus Marsch. Auf der Geest gibt es hügelige Gebiete mit Lehmboden und
ebene Flächen, die größtenteils aus Grünlandmooren bestehen. Auf der Grenze
von Geest und Marsch liegen Inlanddünen. vas Land ist waldarm.
Die Marsch gehört fast ganz zu den Seemarschen. An der Rüste sind zahlreiche
Köge. — Haupterwerbsquelle der Bewohner bilden Ackerbau und Viehzucht. Man
baut Weizen, Gerste, Hafer, Kapssaat, Bohnen, Zuckerrüben und Weißkohl,
vithmarschen liefert viele schöne Pferde, Rinder, Schafe und Schweine,
vie Bewohner sind ein tapferes, freiheitliebendes Volk. Sie haben lange
ihre Selbständigkeit gegen überlegene Feinde behauptet.
vie wichtigsten Grte sind: Meldorf, Heide, Wesselburen, Büsum, Marne und
Brunsbüttelerhafen.
Die Landschaften Schleswigs.
Oas ehemalige Herzogtum Schleswig zerfällt in folgende Landschaften:
1. Eiderstedt, 2. Nordfriesland, 3. Mittelschleswig, 4. Gstschleswig, 5. Nord-
schleswig.
§ 12. Eiderstedt.
Lage. Die Landschaft Eiderstedt ist gleichbedeutend mit der Halbinsel
Eiderstedt zwischen der Eidermündung und der husumer Bucht. Das Land ver-
dankt seinen Namen (Eidergestade) und zum Teil auch seine Entstehung der
Eider. Im Mittelalter teilte sich die Eider vor ihrer Mündung in mehrere
Arme. Zwischen diesen lagen Inseln. Ein Eiderarm zweigte sich bei Friedrich-
§ 12. Eidelstedt.
41
stadt ab nach Norden und mündete in die husumer Bucht. Er trennte die
Inselwelt vom Festland. Nach und nach wurden diese Arme durch Tuer-
dämme abgeschlossen und der Lider der jetzige Lauf zugewiesen. Die Inseln
wurden dadurch landfest.
Bodenbeschaffenheit. Eiderstedt besteht ganz aus Marschland.
Eine flache Rette ehemaliger Inlanddünen durchzieht die Halbinsel der Länge
nach. Darauf liegen
die größeren Ort-
schaften: Tönning,
Garding, Tating usw.
tln der Nordseeküste
ist noch ein schmaler
Dünensaum erhalten.
Darin liegt das Nord-
seebad St. Peter. Das
ganze Land ist von
hohen Deichen um-
geben, und auch das
Innere ist von Deichen
durchzogen. Sie sind
zu einer Zeit errichtet,
als der Nlensch das
Nleer noch nicht soweit
zurückgedrängt hatte.
Diese Deiche dienen
jetzt meistens als Der-
kehrswege.
Landbau. Rein
Gebiet unsers Landes
übertrifft Eiderstedt
an Fruchtbarkeit. Der
Boden würde sich zu
jeglichem Anbau vor-
züglich eignen; aber
nur noch ein kleiner
Teil (ein Zehntel des
Landes) dient dem
Anbau von Weizen,
Lohnen, Hafer und
Gerste - fast alles Land
ist Dauerweide und
dient der Zettgräsung. Diese Landnutzung wirft den Besitzern mühelos einen
reichen Ertrag in den Schoß und fordert doch nur wenige Arbeitskräfte. Weil
die Arbeitsgelegenheit fehlt, ist Eiderstedt nur dünn bevölkert. Es übertrifft an
Volksdichtigkeit trotz seiner Fruchtbarkeit nur um ein geringes die unfruchtbaren
Heidegegenden auf dem INittelrücken. Die Bevölkerung ernährt sich fast aus-
schließlich von der Viehzucht, und zwar werden Pferde, Schafe und Rinder
Kbb. 20. Nordfriesland und Eiderstedt.
42 Schleswig-Holstein.
gezüchtet/ die Schweinezucht ist bedeutungslos- es wird dadurch nur reichlich
der eigene Bedarf gedeckt. Es werden zwar Rinder von vorzüglicher Le-
schaffenheit gezüchtet (Shorthorn, d. i. Kurzhorn von mehr als 1000 kg Ge-
wicht), aber die Zahl ist nicht groß. Es ist eben bequemer, das Vieh für
die Zettweiden von den Geestbauern oder auf den husumer Magervieh-
markten zu kaufen. Alle Teile der Provinz liefern hierher Jungvieh, von
Husum verteilen sich die Triften über das ganze Land. Auf den fruchtbaren
Weiden wird das Vieh schnell fett. Schon nach drei Monaten kehren die
ersten nach Husum zurück und werden dort auf den Zettviehmärkten verkauft.
In Husum finden sich Schlächter und Händler aus ganz Deutschland ein, um sich mit
Schlachtvieh zu versorgen. Zede Woche werden lange Eisenbahnzüge, mit Fett-
vieh beladen, ins
JnnereOeutschlands
verschickt. Das meiste
Vieh geht nach dem
Rheinland und nach
Westfalen.
Kein Landesteil
Schleswig-Holsteins
hat soviele Schafe
aufzuweisen. Die
meisten weiden im
Kußendeichsland;
denn wenn das Gras
von den salzigen
Fluten der Nordsee
überschwemmt wor-
den ist, taugt es
nicht mehr für Kin-
der. Oie Eiderstedter
Schafe haben keine
wertvolle Ivolle,
dafür um so mehr Fleisch. Ein Marschschaf wiegt oft mehr als drei Heide-
schafe. Oie Schafe werden auch häufig gemolken, wenn die Lämmer heran-
gewachsen sind. Oie ITTtlch ist außerordentlich fett und unverdünnt nicht zu
trinken. Man gewinnt daraus Schafkäse.
Oie Bewohner. Oie Eiderstedter Lauern sind reich,' doch wird das
müßige Leben manchem zum Verderben. Manche Marschbauern verpachten
ihre Ländereien und ziehen nach den Städten, weil das städtische Leben mehr
Kurzweil bietet, hochmütig schaut der Marschbauer auf den Geestbauern
herab, der schwer arbeiten muß, um seinem Loden Ertrag abzuzwingen. Aber
ein Marschgrundstück nach dem andern geht in die Hände fleißiger und spar-
samer Geestbauern über, die dann ihre Kufzucht selbst gräsen.
Eiderstedt ist von Bewohnern verschiedener Abstammung besiedelt. Friesen,
Sachsen und Züten haben sich vermischt- doch ist der Knteil der Friesen über-
wiegend. Oie Eiderstedter haben gleich den Oithmarsen lange Zeit ihre Selb-
ständigkeit und Freiheit behauptet,- sie haben mannhaft gegen die eroberungs-
§ 13. Nordfriesland. 43
lustigen Dänen gekämpft- doch wurden sie schon vor den Dithmarsen von ihren
Nachbarn zur Unterwerfung gezwungen. Trotz der abgeschlossenen Lage wurde
Eiderstedt wiederholt von fremden Kriegsvölkern durchzogen. (Lesestück:
„Martje Flors Trinkspruch.")
In Eiderstedt liegt keine größere Stadt. Die Städte Tönning und Gar-
ding sowie die größeren Kirchdörfer liegen auf Inlanddünen. An der Küste
liegt der vielbesuchte Badeort 5t. Peter.
Die kleine Landschaft im Winkel zwischen Eider und Treenemündung Hecht
Stapelholm. Ein großer Teil davon besteht aus Marsch oder Niederungsland,
hier herrscht dieselbe Wirtschaftsweise wie in Eiderstedt. An der Treene-
Mündung liegt das Städtchen Friedrichstadt. Die Stadt wurde von Herzog
Friedrich III. von Gottorp gegründet. Die ersten Ansiedler waren Holländer,-
deswegen gleicht die Stadt nach ihrem Stadtplan und nach der Lauart
vollständig einer holländischen Stadt.
Zusammenfassung: Eiderstedt liegt zwischen Cidermündung und husumer
Lucht. Die Halbinsel besteht ganz aus fruchtbarem Marschboden. Haupterwerbs-
quelle ist Viehzucht und Fettgräsung. Das Fettvieh wird auf den husumer Märkten
verkauft. Das Magervieh wird größtenteils von den Geestbauern gekauft. Lider-
stedt ist nur dünn besiedelt, hier liegen die kleinen Städte Tönning und Garding.
Kn der Treenemündung liegt Friedrichstadt.
§ 13. Norbfrieslanb.
Die Nordfriesen. Nordfriesland hat seinen Namen nach den Nord-
friesen erhalten, einem Volksstamm, der die Küste und die Inseln zwischen
Husum und Horner bewohnt. Fast die ganze Nordseeküste von Belgien bis
Iütland ist von Friesen besiedelt (West-, Ost- und Nordfriesen). Dithmarsen
und Eiderstedter sind mit Friesen vermischt. Wahrscheinlich haben vor den
Friesen andere Volksstämme die Westküste Schleswigs innegehabt. Wann die
Friesen eingedrungen und woher sie gekommen sind, ist nicht bekannt.
Die Friesen sind ein starker, großgewachsener Volksstamm mit blauen oder
grauen Augen und blondem, oft gekräuseltem haar. Sie sind langsam und
bedächtig, zäh und ausdauernd, gute Seefahrer und Viehzüchter. Ihre Volks-
spräche weicht immer mehr vor dem plattdeutschen zurück,- auf dem Festland
ist sie nur noch in der Marsch bei Niebüll allgemeine Familiensprache; auch auf
den Inseln ist sie im Schwinden. In den nördlichen Gegenden sind die Friesen
dreisprachig- mit gleicher Geläufigkeit sprechen sie Friesisch, Deutsch und Dänisch.
Grenzen. Zu Nordfriesland rechnet man die Westküste Schleswigs
zwischen Husum und hoyer in einer Breite, die nach Osten nur wenig über
die Marsch hinausgeht, und die Nordfriesischen Inseln.
vas festländische Nordfriesland.
Entstehung der Marsch. Kaum ein anderes Gebiet der deutschen
Küste hat so unter dem Wogenprall der Nordsee zu leiden gehabt wie Nord-
friesland. Wahrscheinlich ist die Küste gesunken- denn im Untergrund der
Marsch und im Wattenmeer ist man auf untergegangene Wälder und Neste
von pflanzen gestoßen, die nicht im Salzwasser gewachsen sein können. Die
44 Schleswig-Holstein.
Nordfriesischen Inseln sind demnach Reste eines versunkenen Zestlands. Die
niedriger gelegenen Teile dieses Festlandes wurden dagegen in Strandseen,
Haffe oder in ödes Watt verwandelt. Und die Wogen nagten weiter an dem
erhaltenen Inselkranz- manche Insel oder Hallig ist verschwunden- ohne die
schützende Hand des Menschen würden auch die noch erhaltenen demselben
Schicksal verfallen. Aber aus den abgewaschenen erdigen Lestandteilen dieser
Inseln und aus den Senkstoffen der vielen Zlüsse hat das Meer an der Zest-
landküste den Saum der Marschen aufgebaut. Noch vor ZW Iahren war das
Geestgebiet bei Niebüll eine Insel, an der eine schwedische Zlotte landen konnte.
Jetzt reiht sich hier Koog an Koog. Einige Neste des Meeres sind aber nach
der Eindeichung binnendeichs erhalten geblieben- von dem Meer abgelöst,
sind sie in flache Süßwasserseen umgewandelt, voll von Schilf, Reet und
Linsenarten. Aus den Moderresten dieser pflanzen erhalten die Seen einen
morastigen Grund. Wasservögel aller Art finden hier Schutz und Nahrung,
und ungeheure Mengen Aale wachsen hier heran, bis sie in stürmischen
Herbstnächten durch die Zlußläufe dem Meere zuwandern, um dort zu laichen.
Im Mai wimmelt es an den Flußmündungen von kleinen Aalen, die durch
die Schleusen ziehen, die Flüsse stromauf wandern und die Gewässer des In-
landes, besonders reichlich aber die der Marschseen bevölkern, bis sie erwachsen
sind. An der Küste wird deswegen bedeutender Aalfang betrieben.
Entwässerung. Nordfriesland wird von zahlreichen Flüssen durch-
quert. Für die Schifffahrt sind sie bedeutungslos, obgleich Soholmerau und
Wiedau der Stör an Lauflänge gleichkommen. Oas hat verschiedene Gründe:
Schleswig ist waldarm. Oas Negenwasser wird durch keinen Waldboden auf-
gesogen, sondern eilt sofort den Flüssen zu. Nach jedem starken Negen
werden deswegen die niedrigen Ländereien an den Flüssen überschwemmt.
Im Sommer führen die Flüsse dagegen nur wenig Wasser. — fluch sind die
Mündungen durch Schleusen gegen das Meer abgeschlossen. Zur Flutzeit schließen
sich die Schleusentore selbsttätig, hier kann also nicht die Flut zur Fahrt in
den Flüssen stromaufwärts benutzt werden, wie dies in Holstein geschieht.
Lodenbeschaffenheit. Oer Loden der nordfriesischen Marsch ist
zwar sehr fruchtbar, wegen seiner niedrigen Lage aber wenig für den Korn-
bau geeignet. Es wird darum auch nur ein wenig Hafer angebaut. Oas
meiste Land liegt als Oauerweide und dient wie in Eidelstedt zur Fettgräsung.
Auf der Grenze der Marsch wird aber auch viel Viehaufzucht betrieben. Ge-
züchtet werden schwere Ackerpferde, Ninder und Schafe.
In allen größeren Orten werden im Krühjahr Mager-, im herbst Fett-
viehmärkte abgehalten. Oer wichtigste Markt ist aber in Husum.
Oie Schweinezucht ist an der ganzen Küste von geringer Bedeutung. Oas
kommt daher, weil fast in jedem herbst unter den Schweinen eine Seuche aus-
zubrechen pflegt, woran die Tiere häufig sterben.
Lesiedlung. Weil in Nordfriesland der Ackerbau ganz zurücktritt und
damit die Arbeitsgelegenheit fehlt, ist die Landschaft nur spärlich besiedelt, be-
sonders die eigentliche Marsch. Eine Reihe größerer Ortschaften zieht sich
auf dem Geestrand entlang, hier liegen: Bredstedt, Niebüll, Tondern, hoijer.
In Nordfriesland liegt keine größere Stadt.
Nicht weit von Lredstedt liegt das Kirchdorf Lreklum mit einer Missions-
§ 13. Nordfriesland. 45
anstatt. Bisher wirkten die schleswig-holsteinischen Missionare nur in Indien,-
im Jahre 1912 sind zum erstenmal auch Missionare nach den deutschen Kolonien
in Afrika ausgesandt worden.
In dem Winkel zwischen Nordfriesland und Eiderstedt ist an einer kleinen
Au die Stadt Husum emporgeblüht. Sie gehört nach ihrer Bevölkerung eigentlich
nicht mehr zu Nordfriesland, aber der größte Teil der Landschaft ist mit der
Stadt durch den Viehhandel eng verbunden. Husum hat einen guten Hafen,-
es besteht hier deswegen ein lebhafter Schiffsverkehr, über Husums Bedeutung
beruht doch in erster Linie auf dem Viehhandel, von hier werden die Weiden
der Marsch mit Magervieh versehen, und von hier werden viele Gegenden des
Reichs mit Schlachtvieh versorgt. Husum ist die Heimatstadt des vichters
Theodor Storm. (Lesestück: „Am grauen Strand, am grauen Meer".)
Zusammenfassung: vas festländische Nordfriesland erstreckt sich von Husum
bis Hoyer. Kuher der Marsch ist nur ein schmaler Geeststreifen dazu zu rechnen.
Die Marsch wird von zahlreichen Flüssen durchflössen, die aber nicht schiffbar sind.
Der Loden ist sehr fruchtbar, aber wegen der niedrigen Lage nicht gut zum Rornbau
geeignet. Haupterwerbsquelle ist Viehzucht und Fettgräsung. Ls werden Acker-
pferde, Rinder und Schafe ausgeführt. Zn allen größeren Grten werden Vieh-
markte abgehalten. Die wichtigsten Märkte finden in Husum statt.
Die Nordfriesischen Inseln.
veiche und vünen. vie Nordfriesischen Inseln sind Neste eines
untergegangenen Festlandes. Sie bilden einen wirkungsvollen Schutz für die
veiche der Küste; wären sie nicht mehr vorhanden, dann würden die Deiche
dem Wogenprall nicht widerstehen können, varum sucht die Negierung jetzt
alle Inseln, auch die kleinsten, durch Uferbauten vor weiterem Abbruch zu
schützen, von den Inseln haben Nöm, Sylt, Köhr und flrrmim größtenteils
Geestgrund. Ihre Westseite ist durch hohe vünen vor Überschwemmungen
geschützt. Nöm, Sylt und flmrum sind fast ganz von vünen bedeckt. Wo
die vünen ohne Pflanzendecke sind, wandern sie, d. h. der Wind treibt den
feinen Sand vor sich her und lagert ihn auf andern Stellen wieder ab, leider
häufig auf fruchtbarem Marschboden. Um das Wandern der vünen zu ver-
hindern, werden sie mit Sandhafer bepflanzt, vieser findet in dem trockenen
Sande noch Nahrung, wurzelt fest und verwehrt dem Winde den Angriff.
(Siehe Bild einer Vünenbepflanzung.) Auf dem festgelagerten vünensand
wuchert Heidekraut.
pellworm und Nordstrand sind Marschinseln, Föhr besteht zum Teil aus
Marsch, hier fehlt der Vünenschutz, darum sind sie eingedeicht. Auch die vielen
Halligen bestehen aus Marscherde. Sie sind zu klein, um die großen Kosten der
Eindeichung zu lohnen, und darum ganz ohne Schutz. Manche Hallig ist ver-
schwunden,- mehrere sind so klein geworden, daß die Bewohner sie verlassen
mußten,- die übrigen werden durch Uferbauten vor dem sonst sicheren Unter-
gang gerettet. Man schützt die Ufer durch Steindecken gegen Abspülung. Auch
hat man mehrere Inseln durch Vämme (Löhnungen) aus Busch, Marscherde
und Steinpackung mit dem Festland und untereinander verbunden. Solche
vämme führen vom Festland nach Nordstrand, Gland-Langeneß und der ham-
46 Schleswig-Holstein.
burger Hallig. (Ein großer Damm mit einer Eisenbahn soll jetzt Sylt mit dem
Zestlande verbinden. Durch diese Damme entstehen im Wattenmeer stille Winkel,
in denen die Wogen nicht mehr bei jeder Klüt den Boden aufwühlen. Schon
nach kurzer Zeit bildet sich an beiden Seiten der Dämme ein Streifen Marsch-
land. TRan hofft, auf diese Weise dem HTeer wieder abzugewinnen, was es
vor Jahrhunderten geraubt hat.
5lbb. 22. vünenbepflanzung. (Aus Th. Möller, Das Gesicht der Fjeimat.)
^Sturmfluten. Das Meer hat viel Land geraubt. Noch zeigt man im
Wattenmeer die Stelle, wo vor 500 Jahren die reiche Stadt Nungholt lag.
heut' bin ich über Rungholt gefahren/
Oie Stadt ging unter vor 500 Jahren.
Noch schlagen die Wellen da wild empört
Wie damals, als die Marschen zerstört.
Oie Maschine des Dampfschiffs schüttelte, stöhnte,
Kus den Wassern rief es unheimlich und höhnte:
Trutz, blanke Hans!
(Liliencron.)
Vis zum Jahre 1634 lag in der husumer Bucht die große Insel Nordstrand, auch
der Strand genannt. In einer Nacht brachen die Deiche an 44 Stellen. Über 6000
Menschen und 50 000 Stück Vieh ertranken,' von 15 Kirchen blieben nur vier erhalten.
Weil die verarmten Bewohner die Deiche nicht gleich wieder schließen konnten, ver-
wandelte das Meer die fruchtbare Marsch in ödes Watt, pellworm, Nordstrand und
einige Halligen sind Reste von dem alten reichen Nordstrand. Jetzt sind die Deiche so
§ 13. Nordfriesland. 47
verstärkt, daß die Bewohner der größeren Inseln sich auch in stürmischen Nächten ohne
Sorge schlafen legen.
Oie kleinen Halligen werden aber bei jeder höheren Klüt überschwemmt. Oer
Halligbewohner hat sein Haus auf einem aufgeworfenen Erdhügel, der Werft, auf-
gebaut. Dahin führt er seine Schafherde, wenn der blanke Hans droht. Das niedrige
Haus vermag dem Sturm zu widerstehen,- denn seine Eckpfosten sind tief in das
Erdreich getrieben, wenn aber das Meer die werft zerreißt, dann schwankt der
Lau. Oie Bewohner flüchten vor dem eindringenden Wasser auf den Boden und
erwarten mit Zagen, was das Geschick über sie bestimmt hat. Jeder Augenblick kann
das Ende in der salzigen Klüt herbeiführen.
Oie letzte schwere Klüt war im Jahre 1825. Als nach der Sturmnacht der Morgen
tagte, trieben auf den wellen die Trümmer der Gebäude, ertrunkene Menschen und
5lbb. 23. Die Hallig Nordstrandischmoor. >phot. Glückstadi & Münden, Hamburg.)
Eiere; ja selbst die Toten waren von der unbarmherzigen Zlut in ihrer Ruhe gestört
worden,- die Kirchhöfe waren von den lvogen aufgewühlt und die Särge hinweg-
gespült worden.
Trotz aller Not liebt der Halligbewohner seine Heimat. Gewöhnlich durchkreuzt
er als Seemann fremde NIeere; er sieht schöne Länder, kennt die großen Städte, und
in einem arbeitsreichen Leben erspart er sich oft soviel, daß er sich in einem schönen
Hause der Stadt zur Nuhe setzen könnte,- aber unlösbare Bande verknüpfen ihn mit der
Heimat,- er kehrt wieder heim nach der Hallig. (Gedicht von Allmers: Oer Hallig-
matrose".)
Oie schleswigsche Westküste ist gefährlich für den Seemann. Nicht ohne Grund
nennt er die Nordsee die Nlordsee. In früheren Zeiten haben oft böse Elemente unter
den Inselbewohnern das traurige Schicksal der Schiffbrüchigen verschuldet, indem sie
den Schiffern in der Nacht irreführende Lichter zeigten. Oie Habsucht trieb zu solchem
Werk,- denn die Güter, die von den Schiffen an den Strand trieben, gehörten den
Kindern. In den Kirchen betete man: „Gott segne den Strand!" ohne zu bedenken,
48 Schleswig-Holstein.
daß Sturmnächte, die ihnen Strandgut brachten, vielen Seeleuten das Leben raubten.
Jetzt gehört das Strandgut dem Staat, und an der Küste entlang sind Veranstaltungen
getroffen, Schiffbrüchige zu retten. Die Bewohner setzen oft ihr eigenes Leben aufs
Spiel, um das Leben fremder Seeleute zu retten. (Gedicht von ©tto Ernst: Iiis
Randers.)
Oft werden nach solchen Sturmestagen die Leichen ertrunkener Seeleute von den
Wellen an den Strand geworfen. Kein Zeichen läßt erkennen, woher der Tote stammt
und wie sein Name war. In Westerland hat man für solche unbekannten Toten einen
besonderen Friedhof eingerichtet. Da finden die heimatlosen eine Ruhestätte. Ein
schlichtes holzkreuz mit einer Nummer und dem Datum, an dem die Leiche gefunden
ist, bezeichnet das Ende der irdischen Pilgerfahrt des Unbekannten. (Gedicht von
Rudolf Kögel: Heimat für heimatlose.)
Besiedlung. Auf allen Inseln zusammen wohnen reichlich 10 000 Le-
wohner. Huf pellworm und Nordstrand nähren sie sich vom Kornbau und
von der Viehzucht. U^f den Inseln Nöm, Sylt und flmrum ist der Dünen
wegen kaum Äckerbau möglich - die heideflächen geben nur fleischarmen Schafen
eine dürftige Weide. Föhr hat dagegen recht fruchtbaren Loden. Früher
nährten sich die Inselbewohner größtenteils von Fischfang (Walfischfang) und
Schiffahrt. Die Neigung zum Seemannsberuf hat leider abgenommen. vas
hat seine Ursache wohl darin, daß viele in den Seebädern auf leichteren ver-
dienst rechnen. vie Ladeorte Westerland auf Sylt, Wyk auf Föhr und Nebel auf
Amrum ziehen nämlich in jedem Sommer viele Tausende als Ladegäste hierher.
Auf einigen Inseln sind Vogelkojen eingerichtet, in denen im herbst viele
Tausende Krickenten gefangen werden.
Zusammenfassung: Die Nordfriesischen Inseln sind Reste eines gesunkenen
Festlands. Sie schützen das jetzige Festland vor dem kinprall der Vogen. Die
größeren Inseln sind durch Dünen oder Deiche vor Überschwemmungen geschützt,
zum Teil aber auch ganz von Dänen bedeckt. Die Marschinseln Pellworm und
Nordstrand sind eingedeicht. Die Halligen haben keine Deiche? ihre Ufer werden
jetzt aber durch Schutzbauten vor weiterem Abbruch geschützt, viele Bewohner
sind Seeleute. Kuf pellworm, Nordstrand und Föhr wird Ackerbau und Viehzucht
betrieben. Westerland auf Sylt und tDyf auf Föhr sind vielbesuchte Seebäder.
§ 14. Helgoland.
Lage und Lodenbeschaffenheit der Insel. Weit ab von der
Küste, 60 km von der Elbmündung entfernt, liegt in der offenen Nordsee die
kleine Kelseninsel Helgoland, vie Lewohner sind zwar auch Friesen, doch
zählt man Helgoland weder zu den Nord- noch zu den Gstfriesischen Inseln-
denn es liegt von den genannten Inselgruppen weit getrennt und besteht auch
nicht wie diese aus Ntarsch oder Sand, sondern aus einem großen Kelsblock.
Fast senkrecht erheben sich die roten Felsenwände aus dem Nleer bis zu einer
höhe von 60 m. Nur im Südosten ist ein flaches, niedriges Gebiet vorgelagert.
Dieser Teil heißt das Unterland- der hochgelegene Teil dagegen heißt das
Oberland. Die ganze Insel ist nur 59 ha groß. Ehemals war die Insel
größer, vie Wogen des Meeres und die Winterkälte sprengten von den Fels-
wänden ein Stück nach dem andern ab. vie härteren Stücke sind länger vor
dem Einsturz erhalten geblieben und zeigen dem Leschauer oft wunderliche
§ 14. Helgoland. 49
Zormert. Um ein weiteres Abbröckeln zu verhindern, werden Schutzmauern
gebaut, die den zersetzenden Einfluß des Wassers hemmen.
Geschichtliches. Der Name Helgoland bedeutet das „heilige £and"*).
Viesen Namen erhielt das Eiland schon in der heidnischen Vorzeit; wahr-
scheinlich hatten die heidnischen Nachbarvölker hier ein ihren Götzen geweihtes
Heiligtum. Oft hausten hier Seeräuber, die in der Elb- und lvesermündung
ihrem unehrlichen Erwerbe nachgingen. Später nährten sich die Bewohner vom
Zischfang, und noch jetzt betreiben sie eifrig den Zang von Hummern, viele
Seeleute sind Lotsen, die die Schiffe in das gefährliche Zahrwasser der Elbe
führen. — Achtzig Jahre war Helgoland im Besitz der Engländer. Seit dem
5ibb. 24. Helgoland aus der Vogelschau. (Phot. Glückstadt & Münden, Hamburg.)
Jahre 1890 gehört es wieder zu Deutschland. Huf dem Oberland sind starke
Befestigungen angelegt, die den Eingang zur Elbe, Weser und Jade verteidigen
sollen. — Helgoland ist ein vielbesuchtes Seebad. Oer Ladestrand befindet
sich auf einer vorgelagerten Düne.
Ackerbau ist auf dem Zelsboden unmöglich- die Bewohner müssen sich
durch Zischfang, Schiffahrt und den Fremdenverkehr nähren.
Grün ist das Land,
Rot ist die Kant',
Weiß ist der Sand:
Oas sind die Zarben von Helgoland.
*) vielleicht hat der Name „Helgoland" mit „Hallig" dieselbe sprachliche Wurzel,-
er würde dann „das hohe" bedeuten.
Sievers, Heimatkunde von Schleswig-Holstein. 4
50 Schleswig-Holstein.
§ 15. Mittelschleswig.
Lage und Beschaffenheit der Landschaft. Mittelholstein ist
nur stiefmütterlich von der Natur bedacht- das gilt erst recht von Mittel-
schleswig. Zieht man von Rendsburg über die Westenden der tief ein-
schneidenden Korden eine Verbindungslinie nach Hadersleben, dann gibt diese
fast genau die Stelle an, wo das fruchtbare, hügelige Gebiet des Ostens
unvermittelt in die sandige Ebene der Mitte übergeht.'vas Marienbild zeigt,
daß fast ganz Mittelschleswig Tiefebene von weniger als 25 m höhe ist. Nur
zwei niedrige Höhenzüge, die beide von Flensburg ausgehen, bilden eine 5ws-
nähme. Einer bildet den westlichen Abschluß des Treenegebietes- der andere
zieht sich in westlicher Richtung bis zur Marsch hin. Oer letztere teilt Schleswig
Abb 25. Niederung an der Sorge, (klus 0ch. Möller, Das Gesicht der Heimat,)
in Zwei fast gleiche Teile, von denen der nördliche Nordschleswig genannt wird.
Auf dem höhengebiet an der Treene sind noch einige schöne Wälder erhalten
geblieben. 5luch auf dem (Huerwall westlich von Klensburg waren einst große
Wälder. An diese erinnern aber nur kümmerliche Eichenkrattgebüsche. Sonst
ist Mittelschleswig eine weite, baumlose, öde, ebene und unfruchtbare Fläche, voll
von Heide- und Moorländereien. Ungehindert streift das fluge über das Land
hin; kein Knick, kein Wald schließt das Gesichtsfeld ab. Wie leer das Land dem
Wanderer erscheinen muß, zeigen die beiden Lilder. Das erstere führt uns
in die Niederung der Sorge. Am träge dahinschleichenden Kluß ziehen sich
Wiesenländereien hin,' daran schließen sich nördlich und südlich Heiden und
Moore. Das zweite Lild, (Dchsenweg bei Leck, gibt uns dagegen einen Überblick
über die höher gelegenen, sandigen Teile des Landes. Welteinsamkeit über-
kommt uns beim Anblick beider. Wer aber einmal bei sonnigem Wetter den
§ 15. Mittelschleswig. 51
Blick über diese weiten hat schweifen lassen, über sich den Himmel voller
Lerchenlaut, der weih, daß auch diese Gegend schön sein kann.
Entwässerug. Eine große Zahl träger Gewässer schleicht durch die
Ebene hin. Den südlichen Teil der Landschaft entwässert die Treene. Oer
Name bedeutet holzau- aber abgesehen von dem Teil ihres Laufs, der noch
Ingeln angehört, sind ihre Ufer nirgends mehr von Wald eingesäumt. Vie
Treene mündet bei Friedrichstadt. Sie ist ein sehr fischreicher Kluß. Kn der
Treene liegen große Wiesenflächen, die häufig durch den angeschwollenen
Fluß in ein weites Seengebiet verwandelt werden.
Nördlich von dem Treenegebiet haben sämtliche Flüsse westliche Laufrichtung.
5ln ihnen breiten sich ebenfalls weite lviesenflächen aus. Diese Wiesen- und
Abb. 26. Gchsenweg bei Leck, (flu? Th. Möller, Das Gesicht der Heimat.)
Weidegebiete machen die Landschaft erst bewohnbar. Sie bieten die Grundlage
für die Viehzucht, die fast die alleinige Erwerbsquelle des Landes bildet. 5ln
den Flüssen oder in deren Nähe liegen auch die dünn gesäten Dörfer.
Heiden und Nloore. Zwischen den einzelnen Flußgebieten dehnen
sich noch große heideflächen aus, so die Lohheide und Kropper Heide, fln
mehreren Stellen haben Staat oder Provinz die Heide mit Nadelwald auf-
geforstet. Wo in der heidefläche Senkungen waren, da sind im Laufe der
Jahrhunderte Nloore entstanden. Die größten Moore sind zwischen
Eider und Sorge und zwischen Flensburg und Husum zu finden. Kein Oorf
ist ganz ohne Torfmoor. In dem waldlosen Gebiet sind die NIoore nicht ohne
Bedeutung. Sie liefern den Bewohnern das Brennmaterial für Ofen und Herd.
Anbau. Während die Heide in Holstein in schnellem Schwinden be-
4*
52 Schleswig-Holstein.
griffen ist und in fruchtbares Ackerland umgewandelt wird, geht diese Um-
Wandlung in Mittelschleswig nur langsam vor sich. Oer feinkörnige, graue
Sand, der in der Tiefe zu Grtstein oerkittet ist, ist viel schwerer zu kultivieren
und verweigert an manchen Stellen trotz sorgfältigster Bearbeitung den ge-
ringsten Ertrag. Und doch finden sich bei jedem Dorf Ausbauerstellen. Fleißige
Knechte haben sich dort mitten in der Heide ein Stück Land erworben und
urbar gemacht. Ist der Landertrag auch nicht groß, so finden die genügsamen,
fleißigen Bewohner doch ihr Fortkommen. Können sie auf dem mageren
Boden auch nicht viel Großvieh halten, so liefern doch Bienen- und Schafzucht
einen reichlichen Ertrag. Solch einen Heidebauern hatte Theodor Storm vor
5lugen, als er die Heide in seinem Gedicht „Ubseits" besang.
Ivo aber die Wiesen nicht fehlen, da ist der Bauer ein wohlhabender Mann.
Das hier gezüchtete Jungvieh ist in der Marsch außerordentlich begehrt, weil
es auf den Marschweiden das beste Gedeihen zeigt. In solchen Dörfern blüht
auch die Pferdezucht. Große Gebiete des Südens versorgen sich hier mit
starken Acker- oder Lastpferden der schleswigschen Rasse.
Besiedlung. Mittelschleswig ist nur spärlich bewohnt, hier liegt
keine einzige Stadt. Oje Bewohner setzen ihre Erzeugnisse in den Städten
der benachbarten Landschaften im Westen und Gsten ab. Eine größere Zahl
von Eisenbahnen, die das Land durchqueren, erleichtern den Absatz.
Geschichtliches. Auf den Heiden Mittelschleswigs haben sich die
meisten Kämpfe zwischen Holsten und Dänen abgespielt. Die Dänen legten
zum Schutz gegen die vordringenden Deutschen das Oannewerk an, einen lvall,
der sich von Schleswig bis zur Treeneniederung hinzieht. 1864 mußten die
Dänen das Oannewerk bald preisgeben und hinter den Oüppeler Schanzen
Schutz suchen. Nördlich von Schleswig liegt der Schlachtenort Jdstedt- hier er-
litten die Schleswig-Holsteiner 1850 eine entscheidende Niederlage.
Zusammenfassung: Mittelschleswig ist eine weite, öde, baumlose, unfruchtbare
Ebene, voll von Heide- und Moorflächen. sin der Oberfläche ist feinkörniger,
grauer Sand, der in der Tiefe zu Ortstein verkittet ist. Die Landschaft wird von
zahlreichen kleinen Flüssen durchströmt. Kn diesen liegen fruchtbare weiden und
lviesen: an ihnen liegen auch die dünn gesäten Dörfer. Die Bewohner treiben
Viehzucht. Sie liefern starke Ackerpferde, gute Ochsen für die Marschen und viele
Schafe. Die Kleinbauern treiben Bienenzucht. Das Land ist sehr dünn besiedelt.
§ 16. Ostschleswig.
Das östliche Schleswig ist in semer Lodengestaltung dem östlichen Holstein
durchaus ähnlich, hier wie dort ist das Land von hügeliger Beschaffenheit-
der lehmige Loden zeigt hier dieselbe Fruchtbarkeit, und prächtige
Luchenwaldungen schmücken die höhen. Doch gibt es neben diesen Ähnlichkeiten
auch große Unterschiede. Der Seereichtum ist nur noch im Süden vorhanden
(Wittensee) und nimmt nach Norden hin schnell ab. An die Stelle der Seen
treten die tiefeinschneidenden Förden, an die sich meistens seeartige Lecken
anschließen; man nennt sie Noore. Solche Noore sind mit der Eckernförder
Lucht, der Schlei, Flensburger und haderslebener Förde verbunden. Die
Wasserscheide nähert sich der Ostseeküste oft auf wenige Kilometer: darum ist hier
§ 16. Gstschleswig.
53
noch weniger Raum zur Entwicklung von Zlüssen als in Holstein, (Suche die
Ouellen der Treene, Soholmerau und Wiedau!) Oer Ostsee fließen deswegen
nur Bäche oder unbedeutende
Auen zu.
Die Hörden bewirken eine
Zerlegung der Landschaft in
Einzelgebiete, die zwar dieselbe
Lodengestaltung haben, aber
eine verschiedene Bevölkerung
nach Abstammung, Sitten und
Gebräuchen und nach der Wirt-
schaftsweise aufweisen, so daß
man sie auch als gesonderte
Landschaften auffassen kann.
Dänisch Wohld undSchwansen
Lage. Grenzen. Zwischen
dem!iaiser-Wilhelm-!5anal und
der Schlei liegen die Halbinseln
Dänisch Wohld und Schwanken,
die durch die Eckernförder Lucht
gabelförmig getrennt werden.
Im Westen erhalten sie gegen
ITtittelschleswig einen gemein-
samen Abschluß durch diehügel-
landschaft der hüttener Berge.
Dieses hügelgebiet macht durchaus den Eindruck einer kleinen Gebirgslandschaft.
Die höchsten Punkte sind über 100 m hoch. Die meisten höhen sind bewaldet-
nur der westliche Anstieg ist kahl- die starken Weststürme haben auf dem weniger
fruchtbaren Loden keinen Baumwuchs zur Entwicklung kommen lassen.
Bewaldung. Vor 800 Jahren bedeckte noch ein großer zusammen-
hängender Wald beide Halbinseln- daran erinnert der Name Dänisch Wohld.
Auch jetzt noch sind die kuppen der höhen meistens bewaldet,- doch ist die
gesamte Waldfläche nicht groß.
Besitzverteilung. Das Land befindet sich größtenteils in den Händen
von Großgrundbesitzern. Es gibt hier deswegen manchen herrlichen Herren-
sitz mit großem park und schloßähnlichem Gebäude, daneben aber auch arm-
selige Tagelöhnerdörfer, die nicht nur zu dem Herrenhaus, sondern auch zu den
sauberen Gehöften der freien Lauern in den hüttener Lergen einen schroffen
Gegensatz bilden. Don manchen Gütern sind Teile abgetrennt und in Bauern-
stellen zerlegt, die auf größere Zeiträume verpachtet werden.
Land bau. In Schwansen und Dänisch Wohld überwiegt, wie auf den
Gütern Ostholsteins, der Kornbau. Weizen, Roggen, Gerste, Hafer und Raps-
saat werden in großen Mengen ausgeführt. Doch hat auch hier die Viehzucht
große Zortschritte gemacht. Wegen der Nähe Niels ist die Milchwirtschaft
besonders lohnend. Es werden deswegen viele Nlilchkühe gehalten,- die Auf-
Kbb, 27. Gstschleswig.
54 Schleswig-Holstein.
Zucht von Jungvieh ist nicht so umfangreich. Wiesen sind nicht reichlich- das
Wiesenheu wird durch Kleeheu und Rübenfütterung ersetzt.
Besiedlung. Mittelpunkt der Landschaft ist Lckernförde. Die Stadt
liegt auf einer Halbinsel zwischen der Eckernförder Lucht und dem Noor. Der
Hafen ist tief, breit und geschützt. Er dient den Torpedo- und Unterseebooten
als Übungsplatz. Eckernförde ist eine rechte Kischerstadt. von hier stammen
die meisten „echten" Kieler Sprotten und Bücklinge. Leider waren die Kischer
in den letzten 15 Iahren in arger Bedrängnis, weil die großen Herings- und
Sprottenzüge ausblieben, viele Zischerfamilien verliehen deswegen die Stadt,
um anderswo ihr Glück zu versuchen. Im Winter 1912/13 haben sich zuerst
wieder ungeheure Kischschwärme eingestellt,- hoffentlich bleiben sie nun auf
längere Zeit diesem Zanggebiet treu.
Im Jahre 1849 wurde hier von wenigen schleswig-holsteinischen Truppen eine
dänische Zlotte besiegt. Ein großes Linienschiff (Christian VIII.) flog in die Luft,- ein
anderes mußte sich ergeben, und zwei kleinere Schiffe wurden beschädigt, fln diese
Heldentat erinnern mehrere Denkmäler.
5ln der Nordseite des Hafens liegt der Ladeort Borb^.
In Schwansen und Dänisch Wohld ließen sich zuerst Dänen nieder, darum heißt
die südliche Halbinsel Dänisch-Wohld. 5ln die dänischen Bewohner erinnern auch die
Ortsnamen mit der Endung „br>"- Später zogen Holsten ins Land und vermischten sich
mit den Dänen. Längst sind alle sonstigen Spuren aus der dänischen Zeit oerwischt.
Die Bewohner sprechen plattdeutsch,- die Bauernhäuser gleichen denjenigen in Holstein.
Zusammenfassung: Schwansen und Dänisch Wohld liegen zwischen Raiser-
Wilhelm-Nanal und Schlei und werden durch die hüttener Berge gegen Mittel-
schleswig abgeschlossen. Die Halbinseln haben hohen, hügeligen Lehmboden von
großer Fruchtbarkeit. Die Bewohner nähren sich überwiegend von Rornbau.
Das meiste Land ist in den Händen von Großgrundbesitzern. 5lm Westends der
Eckernförder Bucht liegt die Fischerstadt Eckernförde.
Angeln.
Lage. Name. Lodenbeschaffenheit. Die größte von den halb-
inseln an Schleswigs Gstküste ist Angeln. Sie liegt zwischen Schlei und Zlens-
burger Körde. Sie ist benannt nach dem Volksstamm der Angeln, der in alter
Zeit größere Teile von Schleswig bewohnte. Ums Jahr 449 zogen Ingeln,
Sachsen und Iüten nach England. England trägt auch nach den Ingeln
seinen Namen (Angelland). Wahrscheinlich hat dieser Volksstamm sich am
stärksten an der Wanderung nach England beteiligt. Die Karte läßt erkennen,
daß Angeln ganz dem hügelgebiet des Ostens angehört, ver höchste Punkt
ist der Scheersberg (70 m); ausgedehnte Niederungsgebiete fehlen. Ingeln
ist ein wunderschönes Land mit fruchtbarem, wohlbestelltem Loden, zahl- .
reichen prächtigen, wenn auch nur kleinen Waldungen und lieblichen Seen.
Durch die gutgepflegten Knicke erhält die Landschaft ein gartenmäßiges Kussehen.
Landbau. Das Land eignet sich vorzüglich zum Kornbau - alle Kornarten
gedeihen, va ausgedehnte Niederungsgebiete fehlen, scheinen die Grundlagen
zur Viehzucht, die Wiesen und Weiden, zu fehlen, und dennoch ist hier eine
so blühende Viehzucht wie in wenigen anderen Gegenden. Was die Natur
versagt, wird teilweise durch Kunst ersetzt. Jedes kleine Lächlein wird zum
Lerieseln kleiner Wiesen ausgenutzt, so daß diese fast überall zweimal eine gute
§ 16. Gstschleswig. 55
Ernte geben. Schon vor Jahrzehnten wurden Wiesenbauer aus Angeln nach
andern Gegenden berufen, um den Stand der wiesen zu verbessern, Außer
Wiesenheu wird aber auch viel Kleeheu gewonnen. So kommt es, daß die
Zahl der Rinder im vergleich zur Zläche sehr groß ist. Die Rinder sind alle von
dunkelroter Zarbe- sie sind nur klein und sehr genügsam und doch milchergiebig,
wegen dieser Eigenschaften wird viel Vieh aus Angeln als Zuchtvieh nach solchen
Gegenden ausgeführt, die an wiesen und weiden Mangel leiden. In jedem
Vorf ist eine Meierei, in der vorzügliche Butter gewonnen wird.
In Angeln steht auch die Schweinezucht in höchster Blüte,- deswegen wird
trotz der reichen Kornerträge noch viel Kutterkorn eingeführt.
Besiedlung. In Angeln gibt es zwar auch einige große Güter- doch
ist der größte Teil des Lodens in den Händen von freien Lauern. — Trotzdem
sich die Lewohner ausschließlich von Ackerbau und Viehzucht nähren, ist das
Land doch dicht bewohnt. Die Städte der Landschaft liegen alle an den
Randgewässern- an der Schlei liegen Schleswig, Kappeln und Krnis, an der
Klensburger Förde Flensburg und Glücksburg.
Schleswig.
Schleswig liegt am Westende der Schlei und hat von dieser seinen Namen
erhalten (Schleswig — Schleibucht). Die Stadt umklammert die Schlei in einem
langen Logen. Eine Hauptstraße von einer Stunde Länge durchzieht die Stadt-
kurze Seitenstraßen zweigen sich ab. Schleswig war in alter Zeit ein wichtiger
Seehandelsplatz. $ür die größeren Schiffe der Gegenwart ist die Schlei nicht
tief genug- darum ist der Handel nur von geringer Bedeutung. Lange Zeit
haben in Schleswig herzöge regiert. Die herzogliche Residenz Schloß Gottorp
dient jetzt als Kaserne.
Schleswig ist die Hauptstadt der Provinz Schleswig-Holstein, denn dort ist
der Sitz der königlichen Regierung. In Schleswig wohnt der Oberpräsident
der Provinz, ebenso der Regierungspräsident. Vie übrigen preußischen Pro-
vinzen zerfallen in zwei bis sechs Regierungsbezirke- Schleswig-Holstein bildet
nur einen Regierungsbezirk, der nach dem Regierungssitz Schleswig benannt ist.
Die provinzialverwaltung hat in Schleswig wichtige Anstalten errichtet: eine
Taubstummen-, Irren- und Idiotenanstalt. Eine besondere Sehenswürdigkeit ist
der vom mit dem unvergleichlich schönen Altarblatt von Hans Brüggemann,
schönen Gemälden und den Grabkapellen mehrerer herzöge und vieler Adligen.
An der Schlei liegen auch Kappeln und Arnis. In beiden Orten wohnen
viele Seeleute und Zischer.
Flensburg.
Am westende der Zlensburger Körde liegt die wichtige Handelsstadt Zlens-
bürg. Es ist die größte Stadt im früheren Herzogtum Schleswig. (1910: 61000
Einwohner). Oer Zlensburger Hafen ist tief und geschützt- selbst die größten
Seeschiffe können bis dicht an die Stadt herankommen. Flensburg steht be-
sonders mit den nordischen Staaten und mit England in regem Handelsverkehr.
Die Stadt hat auch eine bedeutende Industrie. Auf einer werft werden
4000 Arbeiter beschäftigt. Außerdem sind Eisengießereien, Maschinenfabriken,
eine Reismühle und Brauereien zu nennen. — Die schönsten Stadtteile liegen
auf den höhen, die den Hafen von allen Seiten einschließen. An beiden Seiten
56 Schleswig-Holstein.
liegen liebliche Badeorte, mit denen Flensburg in regelmäßiger Dampfschiffs-
Verbindung steht. Dazu gehört das Stadtchen Glücksburg mit einem Schloß,
das einem nahen verwandten der Kaiserin gehört. Es ist das Stammschloß
der Könige von Dänemark, Norwegen und Griechenland. Die Umgegend von
Flensburg ist reich an Naturschönheiten. Das Gebiet der schönen Waldungen
reicht westlich von Flensburg aber nur eine Stunde weit- dann beginnt eine
sandige Hochfläche. — In der Umgegend sind auch viele Schlachtenorte, wo
Deutsche und Dänen um die Herrschaft rangen.
i -
5lbb. 28. Schloß Glücksburg. (Phot. Glückstadt & Münden, Hamburg.)
Bis Flensburg reicht das deutsche Sprachgebiet. Noch vor 30 Jahren sprach
ein großer Teil der Flensburger Bürger Dänisch,- jetzt merkt man hier kaum noch
etwas von dem Dänentum.
Zusammenfassung: Angeln ist die größte Halbinsel an der Gstküfte Schleswigs.
Ls liegt zwischen Schlei nnf> Flensburger Förde. Die Halbinsel ist nach dem Volks-
stamm der Angeln benannt. Oer Loden ist hügelig, fruchtbar und vorzüglich angebaut.
Vie Bewohner nähren sich von Ackerbau und Viehzucht; Rinder- und Schweinezucht
stehen in hoher Blüte. Kngeln liefert vorzügliche Butter, vie größten Grte liegen
an den Randgewässern. 5ln der Schlei liegen Schleswig, Kappeln und Krnis.
Schleswig ist die Hauptstadt der Provinz (20 000 Einwohner) ? es ist Sitz der Re-
gierung. Flensburg ist eine wichtige Handels- und Industriestadt (61000 Einwohner).
8 17. Nordschleswig.
Lage. Grenzen. Westlich von Flensburg beginnt ein niedriger höhen-
zug, der sich quer durch die Halbinsel bis zur Tondernschen Marsch hinzieht.
§ 17. Nordschlesrvig. 57
3m Westen nimmt er zum Teil dünenhaften Charakter an. Nördlich von dem
Höhenzug läuft eine weite, öde Heide- und Moorfläche mit diesem parallel.
Leide, Höhenzug und Moorgürtel, zerlegen Schleswig in zwei fast gleiche
Teile, von denen der nördliche Nordschleswig genannt wird. In der west-
lichen Hälfte findet die einförmige, unfruchtbare Landschaft Mittelschleswigs
ihre Zortsetzung- sie wird hier nur breiter und dehnt sich bis ans Meer aus.
In der östlichen Hälfte findet ebenso die Landschaft Ostschleswigs ihre Kort-
setzung- dort ist derselbe fruchtbare, hügelige Lehmboden wie weiter nach Süden-
auch die Erwerbsweise der Bewohner ist dieselbe. Somit liegt nach den
Kbb. 29. Nordschleswig.
Lodenverhältnissen und nach der Wirtschaftsweise keine Veranlassung vor, von
einer besondern Landschaft Nordschleswig zu reden. Weil aber die dortigen
Bewohner eine dänische Mundart sprechen und — leider — auch zu einem
großen Teile dänisch gesinnt sind, pflegt man von der Landschaft Nordschleswig,
der Nordmark im engeren Sinn, zu reden.
Die Bewohner Nordschleswigs. Die Bewohner gehören ursprünglich
nicht zum Stamme der Dänen sondern zu den Juten. Nur in den östlichen Teilen
sind sie stark mit Dänen vermischt. Die nordschleswigsche Mundart weicht auch ähnlich
so von der dänischen Sprache ab wie das plattdeutsche von dem hochdeutschen. In
den Kirchen wird noch dänisch gepredigt,' Schul-, Gerichts- und Amtssprache sind aber
deutsch. In den Städten und den größeren Grten an der Eisenbahn nimmt die deutsche
Sprache als Umgangssprache ständig an Ausdehnung zu. Die Nordschleswiger sind
58 Schleswig-Holstein.
ein gastfreier, fleißiger, treuer Volksstamm,- es ist aber bedauerlich, daß sie den dort
wohnenden Deutschen feindlich gegenüberstehen. Die feindselige Haltung der Dänen
hat dazu geführt, daß die Deutschen sich fester zusammenschlössen. Alljährlich feiern
sie auf dem Nnivsberg, nördlich von Apenrade, ein Volksfest, vort haben sie dem
großen Reichskanzler Bismarck aus Sindlingen einen Gedenkturm errichtet, von dem
man eine herrliche Aussicht über die schöne Umgegend und über das angrenzende
Meer hat. hier werden Wettspiele zwischen den Schulen Nordschleswigs ausgefochten.
höhere und niedere Schulen senden ihre Vertreter, und Zreude herrscht in den Schulen,
die von hier einen preis nach Hause tragen.
Die einförmige Westseite. Oer westliche Teil von Nordschleswig
ist sehr dünn bevölkert. Oas wird nicht nur durch die Dürftigkeit des Lodens
verursacht sondern auch durch die Erwerbsweise der Bewohner. Sie nähren
sich hauptsächlich von der Viehzucht, und diese erfordert wenig Arbeitskräfte,
vie haupternte ist die^ Heuernte- sie dauert von Anfang Juli bis TTtitte
September. Art den zahlreichen fluen und Bächen liegen viele Wiesen und
lveiden, zwischen den einzelnen Klußgebieten aber große heideflächen. vie Be-
wohner ziehen viel Jungvieh groß, das nach den NIarschweiden von Nordfriesland
und (Eberstedt verschickt wird, fluch Pferde- und Schafzucht sind von Bedeutung.
In den westlichen Teilen, bei Tondern und Scherrebek, wurden früher
teure Spitzen geklöppelt und kostbare Teppiche gewebt- doch ist diese Kunst
fast erloschen.
Die schöne Gstseite. In der östlichen ^Hälfte findet man dieselbe
blühende Milchwirtschaft wie in Angeln, ja Sundewitt und Alfen leisten auf
diesem Gebiet wohl das höchste. Auffällig ist, daß in diesem Teile der Anbau
von Gerste einen viel breiteren Naum einnimmt. Auf Sundewitt und Alfen
wird auch recht viel Gbst gebaut. Oer berühmte Gravensteiner Apfel hat
nach Gravenstein seinen Namen.
Auf Sundewitt liegt der Schlachtenort Düppel, hier hatten die Dänen zehn
Schanzen errichtet, die sie für uneinnehmbar hielten. Am 18. April 1864
wurden sie von den Preußen erstürmt. Später erzwangen sie sich auch den
Übergang nach Alfen. An diese Heldentaten erinnern ein paar schlichte Denk-
mäler. (Lesestück: „Oer Tag von Düppel".) vie Insel Alfen ist (im Gegen-
satz zu Fehmarn) reich bewaldet. Im Osten fällt das Land steil zum Meer
ab. An dem Alsener Sund liegt Sonderburg (Süderburg). hier liegen
Schiffsjungenschulschiffe, hier und in Augustenburg befinden sich die Stamm-
schlössen unserer Kaiserin, (ver Vater hieß Herzog Friedrich von Schleswig-
Holstein-Sonderburg-Augustenburg). Das Sonderburger Schloß dient als Kaserne,
dasjenige in Augustenburg als Lehrerinnenseminar.
Apenrade hat einen vorzüglichen Hafen. Apenrader Schiffe befahren die
Ostküste von Asien, vie bedeutendste Stadt in Nordschleswig ist Hadersleben.
Sie liegt an einer langen, schmalen Förde. In Hadersleben ist eine große
Tabaksfabrik. In dem kleinen Klecken Christiansfeld, nahe der dänischen Grenze,
ist eine herrnhutergemeinde.
Zusammenfassung: Zu Nordschleswig gehört der Teil Schleswigs, der nördlich
des Höhenzugs liegt, der sich von Flensburg westlich bis zur Marsch hinzieht, vie
westliche Hälfte ist einförmig, öde, sandig und unfruchtbar. Vie Bewohner nähren
sich von Viehzucht. Sie züchten Jungvieh für die Marschen. Im Osten ist hügeliger.
§ 18. Größe. Volksdichtigkeit. — § 19. Die Bedeutung der Landwirtschaft. 59
fruchtbarer Lehmboden, hier wird auch ttornbau betrieben. Daneben blüht aber
Rinder- und Schweinezucht. Die nordschleswigsche Butter ist wegen ihrer Güte
berühmt. Die Bewohner sind Iüten; sie sprechen eine dänische Mundart. Die
wichtigsten Orte sind Sonderburg auf Alsen, Apenrade und Hadersleben.
III. Zusammenfassende Übersicht.
§ 18. Größe. Volksdichtigkeit.
Die Provinz Schleswig-Holstein ist 19 000 qkm groß und hat 1 620 000 Einwohner;
es wohnen im Durchschnitt 85 Bewohner auf 1 qkm. Gegenden, die viel Industrie
haben, zeichnen sich durch große Bevölkerungsdichtigkeit aus,- wo die Landwirtschaft
Haupterwerbsquelle ist, da wohnen die Menschen weniger dicht. Schleswig-Holstein
gehört zu der letzteren Gruppe. Wo die Landwirtschaft Grundlage des Erwerbs ist,
da spielt die Bodenfruchtbarkeit in Bezug auf die Volksdichtigkeit eine große Rolle,'
denn auf fruchtbarem Loden genügt eine kleinere Fläche zum Unterhalt einer Familie.
Im allgemeinen sind auch in Schleswig-Holstein die fruchtbaren Gegenden dicht be-
völkert (Angeln, Sundewitt und Alfen, Fehmarn), die unfruchtbaren dagegen nur dünn
(Km? Segeberg, Mittelschleswig). Doch nicht immer trifft dies zu, weil auch noch
andere Verhältnisse bestimmend auf die Volksdichtigkeit einwirken. Das fruchtbare
Eiderstedt übertrifft an Dichtigkeit der Bevölkerung die unfruchtbaren Heidegegenden
nur wenig, weil die Bewohner ausschließlich Viehzucht treiben und weil diese wenig
Arbeitskräfte erfordert. Dieselben Verhältnisse herrschen in Nordfriesland und im
westlichen Nordschleswig. In Gstholstein ist die Volksdichtigkeit geringer, als nach
der Fruchtbarkeit des Bodens zu erwarten steht. Die Ursache davon ist das vorherrschen
der großen Güter. Denn je mehr die Zahl der Kleinbauern steigt, desto mehr wächst
die Bewohnerzahl. In der Nähe von Hamburg-Altona schreitet die Zerlegung der
Bauernhöfe in kleine Stellen am schnellsten fort/ hier drängen sich deswegen die
Bewohner enger zusammen. Km meisten tritt dies an solchen Stellen in Erscheinung,
wo die Bewohner zum Gemüsebau übergehen,' denn dieser erfordert viele Arbeitskräfte,
und schon ein kleiner Landbesitz genügt zum Unterhalt einer Familie. Noch mehr
wächst die Bevölkerungszahl, wenn zu dem landwirtschaftlichen Betrieb andere Er-
werbsarten hinzutreten. An der Küste nähren sich viele vom Zischfang (Kiel, Eckern-
förde, Kappeln, Apenrade, Altona, Glückstadt) oder von Handel und Schiffahrt. Wichtige
Handelsstädte sind Altona, Kiel, Flensburg. Die größte Bevölkerungsdichtigkeit ruft
die Industrie hervor. Für die Industrie ist die Fruchtbarkeit des Bodens ganz neben-
sächlich- sie blüht, wo der Loden Schätze zur Verarbeitung bietet oder wo gute ver-
kehrswege die Zufuhr der Rohstoffe und Ausfuhr der Erzeugnisse erleichtern. Unser
Land bietet der Industrie nur an wenigen Stellen Stoffe zur Verarbeitung,' man findet
keine Kohlen, keine Erze. In Lägerdorf und an einigen anderen Stellen findet man
Kreide. Dort sind Zementfabriken entstanden. Auf Sundewitt findet sich eine große
Zahl Ziegeleien. Für die übrigen Fabrikzweige müssen die Rohstoffe aus der Ferne
bezogen werden. Die wichtigsten Fabrikorte sind: Altona, Wandsbek mit Umgebung,
Neumünster, Elmshorn, Itzehoe, Rendsburg, Kiel und Flensburg.
§ 19. Die Bedeutung der Landwirtschaft.
Die Landwirtschaft ist in Schleswig-Holstein Haupterwerbsquelle, und sie ist hier
so hoch entwickelt, daß sie kaum in einem andern Teile Deutschlands übertroffen wird.
Schleswig-Holstein liefert vorzügliche Pferde, und zwar Holstein besonders schnelle
Reit- und Wagenpferde, Schleswig schwere, grobknochige Pferde für Lastfuhrwerk.
Die schleswig-holsteinische Rinderzucht wird nirgends übertroffen, weder an Zahl
60 Schleswig-Holstein.
noch an Güte, viele Gegenden Deutschlands beziehen von hier Zuchttiere, um ihre
eigene Viehzucht zu verbessern. Es gibt hier verschiedene Zuchtrichtungen, je nachdem
man besonders Milch oder Zleisch erzeugen will. Milchreiche Rassen werden in Mittel-
und Südholstein, in tingeln und auf Sundewitt gehalten; Eidelstedt und Nordfriesland
liefern dagegen Schlachtvieh. Kein Landesteil liefert so gute und so große Mengen
Butter wie Schleswig-Holstein. Auch die Schweinezucht hat in der Provinz so stark
zugenommen, daß nur wenige Gebiete Deutschlands darin mehr leisten. Nur die
Westküste steht darin zurück. vas kommt daher, weil dort häufig Seuchen
ausbrechen, die die Schweinemast unsicher machen. In der Schafzucht steht die Provinz
gegen andere Gegenden zurück, von größerer Bedeutung ist sie nur an der Westküste
und in Lauenburg. In allen Teilen der Provinz wird recht viel Lienenzucht betrieben.
Oer Obstbau ist nicht gut entwickelt, doch nimmt die Zahl der Obstbäume schnell
zu. — Der Gemüsebau hat in Südholstein einen hohen Stand erreicht, außerdem aber
auch in der Umgegend von lvesselburen (Kohlbau). Endlich ist noch der Baumschulen-
betrieb in der Umgegend von Halstenbek, Pinneberg, Elmshorn usw. zu erwähnen,-
er findet nirgends seinesgleichen.
Schleswig-Holstein kann auf den Stand seiner Landwirtschaft stolz sein,- das Land
ist dadurch wohlhabend geworden. >Davon zeugen die vielen und hohen Sparkassen-
guthaben der Bewohner. Zur Förderung der Landwirtschaft ist eine große Zahl land-
wirtschaftlicher lvinterschülen errichtet.
.§ 20. Die Fischerei.
lvegen der langen Küstenlinie und der vielen Seen und Zlüsse ist in Schleswig-
Holstein die Zischerei von jeher stark betrieben worden. Oer wichtigste Zischereihafen
ist Altona. Zischdampfer, Hochsee- und Klußewer sowie die Jollen der Elbfischer bringen
in Altona ihren Zang an den Markt. Aber auch englische, schwedische, dänische und
norwegische Zischer beschicken häufig den Altonaer Markt, von hier werden die großen
Städte des Reichs täglich mit frischen Seefischen versorgt. Noch größer ist die Menge
der Zische, die in Altona zu Konserven aller Art verarbeitet und dann verschickt wird. —
Zür den Heringsfang ist Glückstadt der Haupthafen. — Die Ostsee ist nicht so fischreich
wie die Nordsee, doch gelten manche Ostseefische als besonders schmackhaft, so Ostsee-
sprotten und -bücklinge. Die wichtigsten Märkte für Gstseefische befinden sich in Kiel,
Eckernförde und Kappeln.
§ 21. Handel und Schiffahrt.
An der ganzen übrigen deutschen Küste finden sich nicht so viele und gute Häfen
wie in Schleswig-Holstein allein,- es ist deswegen kein Ivunder, daß ein großer Teil
der Bevölkerung in Schiffahrt und Handel sein Brot sucht. Noch vor 30 Jahren war
in jedem kleinen Flußhafen der Elbe, Stör und Eider und ebenso in jeder Küstenstadt
eine größere Zahl von Segelschiffen beheimatet. Die meisten davon waren nur Küsten-
fahrer. Ihre Zahl nimmt schnell ab, weil die Dampfschiffe ihnen zu sehr überlegen sind.
Die Dampfschiffe haben aber fast alle eine größere Hafenstadt als Heimathafen, so
Altona, Kiel, Zlensburg. Regelmäßige Dampfschiffslinien verbinden diese Städte mit den
Häfen an der Küste oder an den Zlüssen. Apenrader und Zlensburger Schiffe befahren
ferne Meere (Ostasien), von ungeheurer Bedeutung sind Schiffahrt und Handel für
Hamburg geworden, das zwar auf holsteinischem Boden entstanden ist, aber nicht mit
zur Provinz gehört. Andere Häfen leiden unter dem Übergewicht Hamburgs.
Der Handel besorgt die Ausfuhr der schleswig-holsteinischen Landeserzeugnisse,
besonders die der Landwirtschaft. Während für das Zettvieh der Marschen Husum
der wichtigste Markt ist, spielt sich der Handel mit Schweinen und den im Stall ae-
mästeten Rindern besonders in Hamburg ab. von den Hamburger Märkten findet der
weitere Versand nach den dichtbevölkerten Gegenden Deutschlands statt. Der Handel
§ 22. Die Verkehrswege. — § 23. Der Kaiser-Wilhelm-Kanal. 61
versorgt das Land mit Kolonialwaren und den Rohstoffen der Industrie, so mit holz,
Erzen und Metallen aller Art, Baumwolle, Jute usw. Zur diese Einfuhr ist Hamburg
noch mehr als für die Ausfuhr Mittelpunkt des Handels.
8 22. Die Verkehrswege.
Der Handel kann nur recht gedeihen, wenn gute Verkehrswege vorhanden sind.
Dazu gehören die Wasserstraßen (Zlüsse, Kanäle und das Meer selbst), Eisenbahnen
und Ehausseen. Die wichtigste Wasserstraße ist die Elbe. Nur wenige Zlüsse haben einen
so großen Schiffsverkehr aufzuweisen wie die Elbe, von hier laufen regelmäßig die
Riesendampfer aus und verbinden Hamburg mit allen Teilen der Welt, besonders mit den
Häfen Amerikas. Kür den Verkehr im Lande sind auch die Nebenflüsse der Elbe und die
Eider von großer Bedeutung. Noch größer ist die Bedeutung des Kaiser-Wilhelm-Kanals
und des Elbe-Trave-Kanals, die im folgenden Abschnitt eingehender behandelt werden.
Im Jahre 1843 wurde die erste Eisenbahn in Schleswig-Holstein gebaut,' sie ver-
band Altona mit Kiel, von dieser Linie zweigte man später die Lahn nach Neu-
Münster—Rendsburg—wamdrup nach Norden ab. Es war die erste Längsbahn des
Landes. Erst 30 Jahre später wurde die zweite Längsbahn ausgebaut, die Marsch-
bahn. Eine dritte Längsbahn geht von Lauenburg über Lübeck, Eutin, Kiel nach Zlens-
bürg. Zahlreiche (yuerbahnen verbinden diese untereinander und bilden mit ihnen
ein vollständiges Netz. Dadurch entstehen Kreuzungspunkte, die auf der Karte dem
Knoten eines Netzes ähnlich sehen,' man nennt sie Eisenbahnknotenpunkte. Der wichtigste
Knotenpunkt ist Neumünster, von ähnlicher Bedeutung sind Hamburg-Altona, Elms-
Horn, Heide, Oldesloe, Kiel, Rendsburg und Flensburg. Die wichtigeren Eisenbahnen
gehören fast alle dem preußischen Staat. Zwischen den Hauptbahnen sind viele Klein-
bahnen erbaut, die meistens den Kreisen gehören.
Dörfer und Städte sind außerdem durch Ehausseen verbunden. Diese haben nicht mehr
so große Bedeutung wie früher- die Eisenbahnen haben allen Lastverkehr an sich gerissen.
§ 23. Oer ttaiser-Wilhelm-ttanal.
Schon im Mittelalter wurden Gst- und Nordsee durch Kanäle verbunden. Große
Kanäle, wie sie für die gegenwärtige Schiffahrt nötig sind, konnte man noch nicht bauen.
Ein Kanal verband die obere Alster mit der Beste, einem Nebenfluß der Trave. Er
hatte meistens zu wenig Wasser und geriet bald wieder in verfall und Vergessenheit.
Zerner wurden Elbe und Trave unter Benutzung kleiner Auen verbunden. Dieser
Kanal wurde noch bis ums Jahr 1880 benutzt. Er war nur für kleine Kähne brauchbar.
Ums Jahr 1780 wurde ein Kanal zwischen Eider und Kieler Hafen gebaut. Er
war für die damalige Zeit ein großes Bauwerk und hat auch dem Handel und der
Schiffahrt viel Förderung gebracht.
Für die großen Schiffe der Neuzeit war er aber zu klein geworden. Als das neue
Deutsche Reich eine Zlotte erbaute, entstand das Bedürfnis, die beiden deutschen Meere
durch einen großen Kanal zu verbinden, damit man schnell die Ostsee- mit der Nordsee-
flotte vereinigen könnte. Im Jahre 1887 wurde der Grundstein zum Lau gelegt.
Der 90jährige Kaiser Wilhelm kam dazu selbst nach Kiel. Acht Jahre dauerte
die Lauzeit. Im Jahre 1895 konnte unser jetziger Kaiser den Kanal im Beisein der
deutschen Bundesfürsten und unter Beteiligung fremder Staaten eröffnen. Anfänglich
nannte man ihn Nordostseekanal; unser Kaiser benannte ihn nach seinem Großvater
Kaiser-Wilhelm-Kanal. weil er für die ständig größer werdenden Schiffe schon nach zehn
Jahren zu klein geworden war, wurde vor einigen Jahren seine Erweiterung beschlossen.
Dieser Erweiterungsbau wird 1914 beendet sein. Der Kanal wird dann zu den größten
Lauwerken der Welt gehören. Er hat für unsere Schiffahrt eine ungeheure Bedeutung-
im Jahre 1912 wurde er von mehr als 37000 Schiffen benutzt. Seine größte Bedeutung
liegt aber darin, daß er eine schnelle Vereinigung unserer Zlotte möglich macht.
62 Schleswig-Holstein.
Der Kanal verbindet die Nordsee mit der Dstsee,- er geht von der Elbmündung
(Brunsbüttel) nach dem Kieler Hafen (Holtenau), vom Zlemhuder See bis Rendsburg
benutzt er zum Teil das alte Bett der Eider. Er ist 98,5 km lang, oben 102 m, unten
44 m breit und 11 m tief. Bei Levensau wurde die hauptwasserscheide, bei Grünental
der Mittelholsteinische Höhenzug durchschnitten. An beiden Stellen wurden gewaltige
Brücken über den Kanal geführt, die gleichzeitig dem Eisenbahn- und Zuhrwerksverkehr
dienen. Zetzt entstehen neue Hochbrücken für die Eisenbahnen in hochdonn, bei Holtenau
und bei Rendsburg. Die letztere wird nach ihrer Vollendung das größte Eisenbauwerk
Europas sein. Die Umgebung von Rendsburg liegt nur wenige Meter höher als der
Wasserspiegel des Kanals. Es mußte deswegen ein 5 km langer Eisenbahndamm
gebaut werden, auf dem die Eisenbahn allmählich bis zu 42 m höhe ansteigt. Um von
dieser höhe nach dem Bahnhof Rendsburg herab zu gelangen, mußte eine 5 km lange
Schleife gebaut werden, auf der die Eisenbahn sich herabsenkt. Diese Schleife ruht
auf einem gewaltigen Eisengerüst (siehe Bild S. 25). Bei Rendsburg wird gleichzeitig
eine neue eiserne Drehbrücke für den Wagenverkehr erbaut. An andern Stellen sind
Zähren für den Verkehr Zwischen beiden Ufern eingerichtet.
An den Endpunkten des Kanals befinden sich gewaltige Schleusen, die im Kanal
einen gleichmäßigen Wasserstand halten,- Ebbe und Zlut haben keinen Einfluß auf die
höhe des Wasserstandes. Huf zwei Stunden werden täglich die Schleusentore geöffnet.
Dann entsteht eine Strömung, die alle Senkstoffe hinwegspült. Wenn die Schleusentore
in Holtenau geöffnet sind, strömt salziges Ostseewasser in den Kanal. Das Kanalwasser
ist darum brackig. Da das Brackwasser nicht so leicht gefriert, hält man dadurch das
Wasser leichter eisfrei. Der K-anal war bisher nur selten und immer nur auf kurze
Zeit zugefroren.
Der Kanal kann auch zur Nachtzeit befahren werden,- denn an jedem Abend
flammt an ihm entlang elektrisches Licht auf. Lotsen steuern mit sicherer Hand die Schiffe
durch das Wasser.
In jedem Frühjahr stellen sich im Kanal ungeheure Schwärme Heringe ein, die
hier ihren Laich absetzen. Im Kanal darf nicht mit Netzen gefischt werden,- er ist ein
Schutzgebiet für die Heringe. 3m Sommer ziehen Milliarden junger Zische durch die
Schleusen in die See. Sie werden wiederkommen, wenn sie groß geworden sind,- dann
werden die Zischer der Gstseeküste sie mit ihren- Netzen erwarten.
Der erste Lau des Kanals hat 156 Millionen Mark gekostet,- der Erweiterungsbau
ist auf 221 Millionen Mark veranschlagt. Wir Deutschen können auf dieses Bauwerk
stolz sein,- wo man ähnliche Lauten ausführen will, da dient der Bau des Kaiser-
Wilhelm-Kanals als Muster.
§ 24. Der Llb-Trave-ttanal.
Durch den Kaiser-Wilhelm-Kanal sah Lübeck seinen Handel bedroht. Hamburg
und Kiel hatten den größten vorteil von seinem Bau. Um den eigenen Handel zu
schützen, suchten die Lübecker deswegen einen guten Verbindungsweg zwischen Erave
und Elbe herzustellen. Preußen und Lübeck zusammen ließen den Elbe-Erave-Kanal
bauen. Er verläßt die Elbe bei Lauenburg, durchschneidet den Kreis Lauenburg in
Nordsüdrichtung und mündet bei Lübeck in die Trave. Er hat nur reichlich Z m Wasser-
tiefe und ist im Wasserspiegel 27 m breit. Seine Länge beträgt zwei Drittel der Länge
des Kaiser-Wilhelm-Kanals. Um die höhe in der Mitte Lauenburgs zu überwinden,
sind sieben Kastenschleusen eingebaut, die das Wasser von beiden Enden her aufstauen.
Über den Kanal führen 29 Brücken, darunter 6 Eisenbahnbrücken, hier waren
aber nicht so stolze Bauten erforderlich wie beim Kaiser-Wilhelm Kanal,- denn hier
handelt es sich um ganz andere Schiffsarten, denen die gewaltigen Masten und Haus-
hohen Schornsteine fehlen. Den Hauptanteil am Schiffsverkehr haben die großen Elb-
kähne. — Auch auf diesem Wasserwege herrscht ein großer Schiffsverkehr.
§ 25. Volkstum und Sprache. — § 26. Die Religion. — § 27. Die Verwaltung. 63
§ 25. Volkstum und Sprache der Bewohner.
Alle Bewohner Schleswig-Holsteins, auch die Jüten und Dänen, sind Germanen.
Holstein und das südliche Schleswig sind von dem Volksstamm der Niedersachsen bewohnt,
hier ist die Volkssprache das platt- oder Niederdeutsch,' doch wird dieses in den Städten
immer mehr durch hochdeutsch verdrängt. In den Elbmarschen sind die Sachsen mit
Holländern, in vithmarschen mit Zriesen vermischt. In lvagrien und Lauenburg
sind nach der Eroberung Wenden zurückgeblieben? sie haben aber Sprache und Bau-
art der Eroberer angenommen, fln Schleswigs Westküste wohnen Zriesen,' nur etwa
20 000 sprechen noch Zriesisch. Oer Stamm der Angeln hat ursprünglich wohl große
Teile Schleswigs innegehabt. Ziemlich rein haben sie sich nur auf der Halbinsel Angeln
erhalten. Jetzt spricht man in ganz Angeln plattdeutsch,- früher reichte hier das dänische
Sprachgebiet weit nach Süden. Die dänische Mundart wird von ungefähr 120 000 Ve-
wohnern gesprochen. Das dänische Sprachgebiet wird immer kleiner. Es reicht jetzt
nur noch ungefähr bis zur Linie Klensburg-Horjer nach Süden. Und auch in Nord-
schleswig breitet sich die deutsche Sprache nicht bloß in den Städten, sondern auch in
den (Ortschaften an den Verkehrsstraßen weiter aus.
§ 26. Die Religion der Bewohner.
Mit geringen Ausnahmen gehören alle Bewohner der evangelisch-lutherischen
Kirche an. Durch die Industrie sind in den letzten Iahren aber auch recht viele
Katholiken ins Land gezogen. In größerer Zahl wohnen sie in Altona, Schiffbek,
Wandsbek, Neumünster und Kiel. Die Zahl der Juden geht zurück. Sie haben Syna-
gogen in Altona, Nendsburg und Zriedrichstadt.
Die evangelischen Kirchen unterstehen dem Konsistorium in Kiel. Holstein und
Schleswig haben je einen Generalsuperintendenten. Die Kirchen sind zu Propsteien
zusammengeschlossen.
Die katholischen Kirchen sind dem Bischof in (Osnabrück unterstellt.
§ 27. Die Verwaltung der Provinz.
An der Spitze der Provinz steht der Gberpräsident in Schleswig. Gewählte ver-
treter des Landes treten in Kiel nach Einberufung durch den König zum Provinzial-
landtag zusammen und beraten Provinzangelegenheiten, z. B. Bau von Kleinbahnen
und Ehausseen, Einrichtung der Taubstummen-, Irren-, Idioten- und Blinden-
anstalten usw.
Die Provinz bildet nur den einen Regierungsbezirk Schleswig. Sie wird in
25 Kreise eingeteilt, nämlich in 10 Kreise Schleswigs und 14 Kreise Holsteins. Das
frühere Herzogtum Lauenburg bildet einen Kreis für sich. Ulan unterscheidet Stadt-
und Landkreise. Wenn eine Stadt mehr als 25 000 Einwohner hat, kann sie ein Stadt-
kreis werden. In Holstein liegen die Stadtkreise Altona, Wandsbek, Neumünster und
Kiel. In Schleswig liegt nur der Stadtkreis Klensburg. An der Spitze der Landkreise
steht der Landrat, in den Stadtkreisen der (Oberbürgermeister.
Die Landkreise werden in Städte (Klecken), Landgemeinden und Gutsbezirke
eingeteilt. An der Spitze einer Stadt steht der Bürgermeister, einer Landgemeinde
der Gemeindevorsteher, eines Gutsbezirkes der Gutsvorsteher. Mehrere Landgemeinden
und Gutsbezirke bilden zusammen einen Amtsbezirk, an dessen Spitze der Amts-
Vorsteher steht.
In Schleswig-Holstein gibt es 47 Städte, 9 Klecken, 328 Gutsbezirke und 1694 Land-
gemeinden. (Klecken sind kleine Grte mit städtischer Verwaltung.)
64
Schleswig-Holstein.
Knhang 1.
Beoölkerungstabelle der ttreise Schleswig-Holsteins nach der Volkszählung
ain 1. Dezember 1910.
VÄ *
S--2 tc* £ 1 Ii <3 | Größe in qkm •i'S- B m
<X © 5
I. Die Rreise Schleswigs.
1 flpenrade ............ 1 — 12 5 79 685 32410 47
2 Eckernförde ... ........ 1 — 29 70 49 788 45973 59
3 Eidelstedt . . .i . ....... 2 — 9 2 21 332 14721 44
4 Flensburg (Stadtkreis)...... 1 — — — — 31,6 60931 1928
5 „ (Landkreis)...... 1 — 26 21 154 1078 44426 41
6 Husum.............. 2 — 13 3 25 851 41081 48
7 Hadersleben........... 1 1 29 5 131 1787 63476 36
8 Schleswig. . . ........ 3 1 23 6 112 1056 72002 68
9 Sonderbnrg ........... 1 2 18 3 67 442 39894 90
10 Tondern............ 2 3 32 11 181 1812 59322 33
Die Kreise Schleswigs. . . 15 7 191 106 819 8862,6 474236 54
II. Die ttreise Holsteins.
1 Altona (Stadtkreis)....... 1 — —2 — — 21,8 172533 7923
2 Vordesholm........... — — 18 14 68 680 40310 59
3 Kiel (Stadtkreis)......... 1 — — — — 26 211044 8117
4 Neumünster (Stadtkreis)..... 1 — — — — 19,5 34567 1773
5 Norderdithmarschen....... 2 — 11 — 15 601 40397 67
6 Oldenburg........... 4 — 20 48 79 837 43394 52
7 Pinneberg ........... 5 — 22 7 65 795 121473 153
8 Plön.............. 3 — 32 34 57 952 48964 51
9 Rendsburg ........... 1 1 31 19 109 1257 73218 58
10 Segeberg ............ 2 — 22 22 101 1138 44843 39
11 Steinburg........... 5 28 6 100 936 83127 89
12 Stormarn............ 1 1 26 27 126 916 85878 94
13 Süderdithmarschen........ 2 — 16 4 19 754 55964 74
14 Wandsbek (Stadtkreis)..... 1 — — — — 10,5 35212 3354
Die Kreise Holsteins.... 29 2 236 181 740 8944 1090924 122
1 Kreis Herzogtum Lauenburg . . . Z 23 41 135 1182 54513 46
Die ganze Provinz . . . . | 47 9 450 328 1694 18989 1619673 85
Die Landschaften Holsteins.
1 Südholstein (Kltona, Wandsbek, Stormarn, Pinneberg und
Steinburg)...................
2 Othmarschen (Norder- und Süderdithmarschen)......
3 ITTitteIHoistein (Rendsburg, Neumünster, Bordesholm, Sege-
berg, aber ohne Kiel)..............
— mit Kiel......................
4 Gstholstein (Plön und Oldenburg)...........
2669 498223
1355 96361
3095 192938
3121 403982
1789 92358
Anhang 2. Tabelle der Städte, Klecken und größeren Landgemeinden.
Anhang 2.
Tabelle der Städte, Klecken und größeren Landgemeinden mit ihrer
Bevölkerungszahl am 1. Dezember 1910.
1. Kiel.......... . 211 000 44. Marne.........
2. Altona........ . 173 000 *45. Bramfeld........
3. Zlensburg ....... . 61 000 *46. Helgoland........
4. Wandsbek....... . 35 000 *47. Eidelstedt........
5. Neumünster...... . 35 000 *48. Alt-Nahlstedt ......
6. Schleswig....... . 20 000 49. Tönning ........
7. Itzehoe ........ . 20 000 *50. Ahrensburg .......
8. Rendsburg ...... . 17 000 51. Burg a. K........
9. Elmshorn....... . 15 000 *52. pries..........
10. Hadersleben...... . 13 000 t53. Nortorf.........
11. Sonderburg ...... . 10 000 *54. Holtenau........
12. Heide......... . 9 800 55. Bredstedt........
*13. Schiffbek....... . 9 600 *56. Tungendorf.......
14. Husum........ 9 400 57. Andrichstadt ......
15. 5ipenrade....... . 7 800 58. Bad Bramstedt......
*16. Neumühlen-Oietrichsdorf . 7 000 59. Kappeln........
17. Utersen........ . 6 900 60. Oldenburg .......
18. Pinneberg....... . 6 800 *61. Horst..........
*19. Sande........ . 6 800 *62. Schnelsen........
20. Eckernförde...... . 6 800 63. Ivesselburen.......
21. Glückstadt....... . 6 600 64. Westerland.......
*22. Steilingen-Langenfelde . . 6 100 *65. hohenrvestedt......
23. Wedel........ . 5 900 *66. Brunsbüttel.......
24. Bad (Oldesloe..... . 5 900 67. Heiligenhafen......
*25. Blankenese...... . 5 600 68. Lütjenburg........
26. Preetz......... . 5 200 *69. Nienstedten.......
27. Nellinghusen...... . 5 200 *70. Bargteheide.......
28. Neustadt....... . 5 100 *71. Nellingen........
*29. Dockenhuden...... . 5 000 *72. Zriedrichsort.......
30. Lauenburg ...... . 5 000 *73. Halstenbek........
31. Segeberg ....... . 5 000 *74. Elmschenhagen.....
*32. Gr.-Zlottbek...... . 4 900 *75. Steinbek ........
*33. Brunsbüttelhafen.... 4 900 *76. Qutckborrt........
34. Sondern....... . 4 800 *77. Harrislee........
35. Barmstedt....... . 4 800 78. Garding.........
*36. Lüdelsdorf....... . 4 600 t79. Lügumkloster......
37. Mölln......... . 4 600 t80. IDyk a. S........
*38. Lockstedt........ . 4 500 t81. Neinfeld ........
39. wilster........ . 4 400 t82. hoyer.........
40. Ratzeburq....... . 4 400 t83. Norburg.........
*41. Lägerdorf....... . 4 200 t84. Augustenburg......
42. Meldorf...... . 4 100 |85. Ehristiansfeld.......
43. Plön....... f86. Arnis..........
65
400
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500
* Landgemeinden, t Klecken.
Steuers, Heimatkunde von Schleswig-Holstein.
5
66
Schleswig-Holstein.
Knhang 3.
Beobachtung des Rimmels, der Gestirne und des Wetters.
Beobachtungen am Himmel.
Wenn wir auf das freie, ebene Zeld hinausgehen, dann erscheint uns die
Erde wie eine kreisrunde Zläche- wir stehen im Mittelpunkte dieses Greises.
Über uns spannt sich der blaue Himmel. Er scheint sich nach allen Zeiten bogen-
förmig herabzusenken, weswegen man ihn auch als Himmelsgewölbe bezeichnet.
In der Kerne scheint das Himmelsgewölbe auf der Erde zu ruhen. Bis zu
dieser Berührungsstelle können wir sehen, so weit reicht unser Gesichtsfeld.
Das Gesichtsfeld wird durch eine kreisrunde Linie abgegrenzt- sie heißt Gesichts-
kreis oder Horizont, vas Gesichtsfeld wird größer, wenn wir einen höheren
Standort wählen, vom Kirchturm hat man eine weite Aussicht (Zernsicht).
Kuf manchen Hügeln oder Lergspitzen hat man Aussichtstürme errichtet, um
das Gesichtsfeld zu vergrößern. — Wenn wir vorwärts wandern, verschiebt
sich das Gesichtsfeld- neue Gegenstände werden vorne sichtbar, während hinter
uns eben noch sichtbare Gegenstände verschwinden- niemals erreichen wir die
Stelle, wo das Himmelsgewölbe den Erdboden berührt. vie Berührung ist
nur scheinbar- unser Kuge trügt.
Zusammenfassung: Sie Linie, in der sich scheinbar Himmel und Erde be-
rühren, heißt Gesichtskreis oder Horizont. Oie Fläche, die wir überschauen können,
nennt man Gesichtsfeld. Vas Gesichtsfeld ist um so größer, je höher unser
Standort liegt.
Km Himmelsgewölbe beobachten wir bei Tage die Sonne, zur Nachtzeit
den ITCond und die Sterne. Oie Sonne erscheint morgens immer ungefähr an
derselben Stelle- dort ist Morgen oder Osten. Sie beschreibt einen Logen am
Himmel und erreicht am Mittag ihre höchste
Stellung. Nehren wir am Mittag unser
Gesicht der Sonne zu. dann schauen wir
nach Süden oder Mittag. Km Nachmittag
senkt sich die Sonne allmählich, um am
Kbend unter dem Gesichtskreis zu ver-
schwinden- sie geht nnter. ll)o die Sonne
untergeht, ist Kbend oder Westen. Km
Mittag zeigt unser Schatten nach einer
Richtung, wo wir die Sonne niemals sehen-
dort ist Norden oder Mitternacht. Die ge-
nannten, durch den Lauf der Sonne ge-
kennzeichneten Punkte heißen Himmels-
gegenden. Wir unterscheiden vier Haupt-
Himmelsgegenden: Osten. Süden. Westen
und Norden. In der Mitte zwischen zwei
Haupthimmelsgegenden liegt jedesmal eine Nebenhimmelsgegend, die nach den
benachbarten Haupthimmelsgegenden benannt ist. Zwischen Osten und Süden
liegt Südost, zwischen Süden und Westen Südwest, zwischen Westen und Norden
Nordwest und zwischen Norden und Osten Nordost.
Abb. 30. Windrose.
Anhang 3. Beobachtung des Himmels, der Gestirne und des Wetters. 67
Zusammenfassung: Wir haben vier Haupthimmelsgegenden: Osten, Süden,
Westen und Norden — und vier Nebenhimmelsgegenden: Südost, Südwest, Nord-
west und Nordost.
häufig stellt man die Himmelsgegenden bildlich dar. Man zeichnet zunächst
ein Kreuz, dessen eine Nchse senkrecht (lotrecht) steht, während die andere wage-
recht liegt. Das nach oben gerichtete Ende bezeichnet man als Norden, das
entgegengesetzte mit Süden. Osten liegt dann nach rechts, Westen nach links.
Zeichne das Kreuz und lege das Blatt so hin, daß das Nordende wirklich nach
Norden zeigt! Oann geben auch die anderen Enden die Himmelsrichtungen
richtig an. Auf manchen Häusern ist über einer beweglichen Windfahne ein
solches Kreuz aus Eisen angebracht-
man kann daran die Windrichtung
ablesen.
Legen wir über dieses Kreuz ein
schrägliegendes und bezeichnen wir
dann dessen Enden in der richtigen
Reihenfolge mit den Nebenhimmels-
gegenden, so erhalten wir eine
Windrose.
Um für einen bestimmten Stand-
ort die Lage der Himmelsrichtungen
zu ermitteln, kann man sich nach dem
Stande der Sonne richten. Wenn
aber der Himmel bewölkt ist und bei
Nacht mutz man ein anderes hilfs-
mittel anwenden. Km leichtesten ist
die Zeststellung der Himmelsgegenden
durch die Magnetnadel. Eine frei-
schwebende Magnetnadel stellt sich
nämlich immer in Nordsüdrichtung.
Nennt man aber die Nordsüdlinie,
dann liegt (wenn wir nach Norden
sehen) nach rechts Osten, nach links
Westen, häufig ist unter der Magnetnadel eine Windrose angebracht. Von
dieser kann man die Himmelsrichtungen ablesen, sobald die Magnetnadel in
derselben Richtung schwebt, wie die Nordsüdlinie der Windrose zeigt, vie
Vereinigung von Windrose und Magnewadel nennt man Kompatz.
In einem Kirchdorf kann man sich in der Regel auch nach der Stellung
des Kirchturms richten,- er steht meistens am Westende der Kirche. — Auf freiem
Kelde kann man sich häufig auch nach der Zorm der Baumkronen richten. In
unserer Gegend wehen die häufigsten und stärksten Stürme aus westlicher
Richtung,- deswegen sind die Kronen freistehender Bäume fast immer etwas
nach Osten geneigt. — Oer Seemann stellt in der Nacht die Himmelsgegenden
nach der Stellung gewisser Sterne fest (siehe weiter unten).
Zusammenfassung: Die Vereinigung von Windrose und Magnet-
nadel nennt man Nompah. Mit dem Nompah stellt man die Nordsüd-
linie fest.
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flbb. 31. Wetterfahne bei Sonnenschein und Negen.
68
Schleswig-Holstein.
Die scheinbare Bewegung der Sonne.
Oie Sonne beschreibt am Tage von Sonnenaufgang im Osten über Süden
einen Bogen nach Westen, bis sie bei Sonnenuntergang unter dem Gesichts-
kreis verschwindet. Km andern Morgen erscheint sie wieder im Osten. Sie
ist in der Nacht über Norden nach Osten gewandert. Sie beschreibt am Tage
einen Logen über dem Gesichtskreis (Tagbogen) und in der Nacht einen solchen
unter dem Gesichtskreis (Nachtbogen). Tag- und Nachtbogen ergänzen sich zu
einem vollständigen Rreis.
Beobachten wir den Lauf der Sonne an verschiedenen Tagen des Jahres,
so bemerken wir, daß sie nicht immer genau im Osten auf- und im Westen
untergeht,- auch steht sie zur Mittagszeit nicht immer gleich hoch. Km 21. März
(Krühlingsanfang) geht die Sonne um 6 Uhr früh genau im Ostpunkt auf und
abends um 6 Uhr gena^i im Westpunkt unter. Tag und Nacht sind gleich lang
und dauern je zwölf Stunden. Man nennt den 21. März deswegen den Tag
der „Tag- und Nachtgleiche". Nach dem 21. März wird der Tagbogen mit jedem
Tage größer- der Aufgangspunkt liegt nicht mehr im Ostpunkt, sondern etwas
nach Norden zu verschoben - auch der Untergangspunkt verschiebt sich über Westen
nach Norden. Zur Mittagszeit erreicht die Sonne eine immer höhere Stellung-
im Ostpunkt auf und im Westpunkt unter. Tag und Nacht haben wieder gleiche
Länge (Herbsttag- und -nachtgleiche). Nach dem 23. September wandern Auf-
und Untergangspunkt dem Südpunkt zu. Oer Tagbogen wird immer kleiner,
die Sonnenhöhe am Mittag immer geringer. Oie schräg fallenden Strahlen
der Sonne geben nur geringe Wärmemenge, und an manchen Tagen vermag
die Sonne gar nicht mit ihren Strahlen den Nebel zu durchdringen. Am
21. Dezember (Wintersanfang) beschreibt die Sonne den kürzesten (lagbogen.
Von nun an beginnt er wieder zu wachsen (Wintersonnenwende). Oer längste
Tag dauert bei uns etwa 11 Stunden. (In Lauenburg 16 Stunden 46 Minuten,
an der Nönigsau 11 Stunden 13 Minuten.)
Oer Mond geht wie die Sonne am Ostrande des Himmels auf und am
Westrande unter. Er wechselt dabei aber seine Gestalt. Zuzeiten erscheint er
am Abendhimmel als eine schmale, nach rechts gewölbte Sichel Z>. Seine §orm
läßt sich zu einem großen „3" ergänzen, fln jedem Abend wird die Sichel
etwas breiter. Wir haben zunehmenden Mond. Nach acht Tagen leuchtet die
halbe Mondscheibe D. Nach weiteren acht Tagen ist die ganze Scheibe hell,-
Abb. 32. Sonnenbogen im Sommer und Vinter.
die Strahlen fallen zuletzt steil,
fast senkrecht zur Erde und geben
große Wärme. Bis zum21.Juni
(Sommeranfang) wächst der
Tagbogen- dann nimmt er
ebenso wieder ab. Oen 21. Juni
bezeichnet man als den Tag der
Sommersonnenwende. Am
23. September (Herbstanfang)
geht die Sonne wieder genau
Bewegung und Lichtgestalten des Mondes.
Anhang Z. Beobachtung des Himmels, der Gestirne und des Vetters. 69
wir haben Vollmond O. Kuf- und Untergang des Mondes treten von Tag
zu Tag jedesmal etwa 50 Minuten später ein. Nun beginnt nach und nach
die rechte Mondhälfte zu verdunkeln, lvir haben abnehmenden Mond. Acht
Tage nach Vollmond ist nur noch die linke Hälfte der Mondscheibe zu sehen,-
mir haben letztes viertel, vorauf wird der Mond wieder sichelförmig, vie
Sichel gleicht dem
Anfangsbogen
des großen A
(abnehmender
Mond). Nach
abermals acht
Tagen ist vom
Monde nichts zu
sehen, lvir haben
Neumond, lvir
unterscheiden
demnach vier
Lichtgestalten des
Mondes: erstes Viertel, Vollmond, letztes viertel, Neumond. Oer ganze
Wechsel geht in 29% Tagen vor sich. Diese Zeit nennenwir einen Monat,
ver Mond hat kein eigenes Licht wie die Sonne, lvir sehen ihn nur, wenn
die Seite, die der Mond uns zuwendet, von der Sonne bestrahlt wird.
£tbb. 33. Lichtgestalten des Mondes.
Oer Sternenhimmel.
An klaren Abenden erblicken wir am Himmel unzählige Sterne, vie meisten
verändern ihre Stellung zueinander nicht,- sie scheinen festzustehen, darum nennt
man sie Fixsterne. Einzelne haben weißes, andere rötliches, noch andere gelb-
liches Licht. Damit man sich leichter in der
unendlichen Zahl zurechtfinden könne, hat man
sie zu Gruppen oder Sternbildern zusammen-
gefaßt. Km bekanntesten ist das Sternbild des
Himmels- oder Narlswagens, das am nördlichen
Himmel zu finden ist. (vie Sternkundigen nennen
das Sternbild den Großen Bär. Er besteht
aus sieben Sternen, die so angeordnet sind, daß
vier den lvagen, drei die Deichsel bilden (siehe
Bild).
lvenn man den Abstand der beiden hinter-
räder ungefähr viermal nach Norden verlängert,
trifft man den Polarstern. Dieser bildet die Oeichselspitze von dem Sternbild
des kleinen Lären, das auch einem lvagen gleicht, ver Polarstern steht ge-
nau in nördlicher Richtung. Er kann also in der Nacht dazu dienen, die
Himmelsrichtungen festzustellen.
Die Beobachtung des lvetters.
3m lvinter fallen die Sonnenstrahlen schräge zur Erde. Die Sonne erreicht
am Mittag nur eine geringe höhe. Auch scheint sie nur etwa sieben Stunden.
flbb. 34. ver Große Bär.
70 Schleswig-Holstein.
Darum ist es im Winter kalt. Allmählich wird der Tagbogen größer, die Sonne
scheint länger (am 21. Juni 17 Stunden), und ihre Strahlen fallen fast senkrecht-
es wird wärmer. Die Wärme wird mit dem Thermometer gemessen. Es
gibt Grade über und unter Null. Die ersteren nennen wir gewöhnlich Wärme-,
die letzteren Kältegrade. Die Grade über Null werden meistens durch ein
aufrechtstehendes Kreuz (+) bezeichnet, z. B. + 10 0 = 10 Grad über
Null - die Kältegrade durch das Wenigerzeichen (—), 3. B. —8° = 8 Grad
unter Null.
An manchen Stellen wird täglich mehrfach die Wärme (Temperatur) ab-
gelesen, nämlich um 7 Uhr morgens, 2 Uhr mittags und 9 Uhr abends. Aus
diesen Kngaben wird die mittlere Tageswärme berechnet. Eigentlich müßte
die Wärme auch einmal zur Nachtzeit gemessen werden. Weil das aber un-
bequem ist, setzt man dafür die Abendtemperatur doppelt ein. Um die mittlere
Temperatur zu finden, ''zählt man die abgelesenen Grade von morgens und
mittags und die doppelte Zahl der Grade vom Abend zusammen und teilt
die Summe durch 4. Beispiel: Die Wärme betrage morgens + 5 °, mittags
-j- 15 °, abends +7°, dann ist die mittlere Tageswärme 5+15 + 7 + 7 =
34 0 : 4 = 8y2 °. In ähnlicher Weise wird die mittlere Monats- und Jahres-
wärme ermittelt. Die mittlere Iahreswärme erhält man, wenn man die mittlere
Tageswärme für alle Tage hes Jahres zusammenzählt und durch 365 teilt.
Die mittlere Jahreswärme beträgt in Altona 8,3 °, in Kiel 7,9 °, in Neu-
münster 7,7 °, in Nieldorf 7,9 °.
Die Luft ist selten ganz ruhig - in der Negel bewegt sie sich nach bestimmter
Richtung. Die Bewegung der Luft nennt man Wind. Starke Winde heißen
Stürme oder Orkane. Die Winde wehen bei uns am häufigsten aus westlicher
Richtung. Im Frühjahr gibt es oft andauernden Ostwind. Die stärksten Stürme
beobachtet man in den Herbstmonaten. Die westlichen Winde bringen oft Regen-
sie sind feucht und warm. Der Ostwind bringt im Winter meistens klare Luft
mit scharfem Zrost, im Sommer trockene Wärme. — An ruhigen Tagen beobachtet
man an der Küste bei Tage Winde von der Seeseite, in der Nacht Winde vom
Lande nach dem Meer.
An den Orten, wo man Wärme und Windrichtung beobachtet und nieder-
schreibt, wird auch darauf geachtet, ob trockenes Wetter herrscht oder ob Regen,
Hagel, Schnee fällt. Regen, Hagel, Schnee, Tau und Nebel nennt man Nieder-
schlüge. Die Niederschläge werden aufgefangen und morgens um 7 Uhr ge-
messen. Hagel und Schnee müssen erst aufgetaut werden. Die höhe wird
angegeben in Zentimetern oder Millimetern und für das ganze Jahr zusammen-
gezählt. Wenn man mehrere Jahre hindurch an einem Ort die Niederschlags-
höhe gemessen hat, stellt man die durchschnittliche höhe fest. Man zählt die
Niederschlagshöhe für alle Jahre zusammen und teilt sie durch die Anzahl der
Beobachtungsjahre. Die mittlere Niederschlagshöhe beträgt in Altona 703 mm
(nach den Messungen von 1892—1901), in Kiel 730 mm, in Flensburg 820 mm,
in Meldorf 784 mm. Kür längere Beobachtungszeiten ergeben sich etwas ab-
weichende Zahlen. Schleswig-Holstein ist ein regenreiches Land. In Deutsch-
land gibt es nur auf den Gebirgen größere Regenmengen.
Alle Beobachtungen über Tageswärme, Windstärke, Windrichtung, Nieder-
schlüge usw. werden in Karten zusammengestellt und an den Poststellen an-
Anhang Z. Beobachtung des Himmels, der Gestirne und des Wetters. 71
geschlagen. Man versucht, daraus auch das Vetter für den folgenden Tag
im voraus zu b?stimmen. Oie Wettervorhersage wird jeden Mittag um 12 Uhr
angeheftet.
Kür all das, was das Wetter betrifft, gebraucht man den gemeinsamen Namen
„Klima". Das Klima unsers Landes ist gemäßigt, d. h. es ist bei uns selten sehr
heiß, aber auch selten kalt. Unser Klima ist ferner rauh, weil oft heftige Stürme
toben. Es ist endlich feucht zu nennen, weil wir viele Regentage haben.
Im ganzen ist das Klima aber doch gesund. Menschen, Tiere und pflanzen
gedeihen.
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